medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

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Gesundheit: WHO-Reform / Globale Gesundheit für Alle / Ostafrika: Rechte statt Mitleid / Ägypten: Gesundheit ist ein Brennpunkt

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rundschreiben 03|11

ISSN 0949-0876

Titelseite: Auszug aus dem Aufruf „Rechte statt Mitleid für Ostafrika“, siehe auch Seite 26.

Rückseite: In Tottenham fing alles an: Am 6. August demonstrierten Angehörigeund Nachbarn friedlich vor der lokalen Polizeistation gegen die Erschießung einesschwarzen Taxifahrers. Die Situation es-kalierte: Gebäude, Geschäfte und ein Buswurden in Brand gesetzt. Der Aufruhr griffauf weitere Londoner Viertel und andereStädte über. Foto: Indymedia London

editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

in dem von medico mitinitiierten Aufrufvon Schriftstellerinnen und Schriftstellernzum Hunger in Ostafrika heißt es, dassdie Notleidenden nicht des Mitleids, son-dern der Verwirklichung ihrer Rechte alsBürgerinnen und Bürger dieser Welt bedürften. Dahinter steht der Gedanke,dass die Verwirklichung der Menschen-rechte an jedem Ort der Welt heute nichtmehr Frage weiteren Wachstums ist. Angesichts des globalen Reichtumssteht der Zugang zu den Menschenrech-ten für alle unmittelbar an. Die Globali-sierung hat die eine Welt geschaffen undmuss nun ihr Versprechen auf ein men-schenwürdiges Leben an jedem Ort aucheinlösen. Wer kann den Hungernden inOstafrika ernsthaft erklären, dass ihrRecht auf Leben und Nahrungsmittel-sicherheit beschnitten wird, damit einWirtschaften funktioniert, das den Reich-tum von unten nach oben katapultiert?Wie das geht? Seit 20 Jahren machenIWF und Weltbank, aber auch die EUund Nordamerika Kreditzusagen für diearmen Länder von einer radikalen Politikder Marktöffnung abhängig. Noch in den1980er Jahren produzierten diese Län-der Überschüsse bei Lebensmittelex-porten in Höhe von einer Milliarde Dollar.Heute weisen sie dagegen ein Defizitvon über 25 Milliarden Dollar auf.

Diese Zeilen schreibe ich heute aus Hai-ti, einem Land, das mit politischen undökonomischen Zwangsmaßnahmen da-zu verpflichtet wurde, seinen Markt zuöffnen: mit fatalen Folgen. Nicht erst seit

Inhalt

Editorial..................................... 2

Gesundheit: WHO-Reform........ 4

Gesundheit: Delhi-Erklärung....10

Gesundheit: Philanthrokapitalisten...............13

Ägypten: Interview mit Dr. Alaa Shukrallah.............15

Guatemala............................... 18

Projekte – Projektionen........... 22

Ostafrika.................................. 24

Aufruf: Rechte statt Mitleid...... 26

Südafrika: Interview mit Gabriel Shumba................. 28

Pakistan...................................32

medico aktiv ........................... 38

medico Materialliste ................40

Service/Impressum ................ 42

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dem Erdbeben gehört Haiti zu den ärms-ten Ländern der westlichen Hemisphäre.Nur eine einzige Auflage der damaligenClinton-Regierung genügte, um dieSelbstversorgung des Landes und Aber-tausende Bauernfamilien zu ruinieren.Die USA verlangte – für die von ihr ge-währleistete Rückkehr des gewähltenPräsidenten Aristide – die Öffnung deshaitianischen Marktes für US-amerikani-schen Reis; hoch subventioniert und aufGroßplantagen geerntet, fegte er dieProduktion in Haiti vom Markt. Ein Bau-ernlegen begann, das in den Armensied-lungen von Port-au-Prince endete. Hierliegt einer der Gründe, warum das Erd-beben so entsetzlich viele Menschenle-ben kostete. An jeder Ecke von Port-au-Prince sieht man heute die Reissäckemit schwarzer Schrift auf weißem Grund:White american rice. Bill Clinton leitetheute die Interimskommission, die die in-ternationalen Wiederaufbaugelder ver-waltet. Die Sache mit dem Reis sei dieschlechteste Entscheidung seines politi-schen Lebens gewesen, verkündete ernach dem Erdbeben. Die Kleinbauernvon Tet Kole (Köpfe zusammen), mit de-nen wir uns trafen, bezeichnen die Clin-ton-Entschuldigung als „Krokodilsträ-nen“. Denn nach dem Erdbeben sei der„Teufel dieser Welt“ zu ihnen gekommenund wolle endgültig mit der lokalen Nah-rungsmittelsouveränität Schluss machen,so die Vertreter des Bauernverbands.Sie meinen Monsanto. Der Agrarkonzernnutzte die humanitäre Katastrophe ge-schickt, um seine gentechnisch verän-derten nichthybriden Maissorten – soge-nanntes „Terminatorsaatgut“, welcheskeine Wiederaussaat ermöglicht – alsHilfe verpackt auf den lokalen Markt zuwerfen.

Der medico-Partner Tet Kole, dessenWeiterbildung durch Kollegen der brasi-lianischen Landlosen-Bewegung MSTwir fördern, protestierte mit anderen Ak-teuren der haitianischen Zivilgesellschaftimmerhin so laut, dass der versuchteCoup von Monsanto international alsSkandal gehandelt wurde. Hier in Haitizumindest ist für alle, mit denen wirsprachen, eine Verwirklichung der Men-schenrechte nur denkbar, wenn es auchgelingt die Nahrungsmittelsouveränitätund Förderung der lokalen Ressourcenin den Blick zu nehmen. Das ist in Haitinicht anders als in Somalia.

Mit Grüßen aus Port-au-Prince, Herzlichst Ihre

Momente der Normalität im Jahr danach. Am Tagesrand in Downtown Port-au-Prince,

Juni 2011. Foto: Reuters

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m die Weltgesundheitsorganisa-tion (WHO) steht es nicht gut. IhreHaushaltsnöte sind in den letzten

Jahren derart angewachsen, dass sie ei-gentlich längst hätte Insolvenz anmeldenmüssen. Die in Genf residierende zwi-

schenstaatliche Einrichtung ist heute im-mer weniger imstande, als „führende undkoordinierende Autorität“ in der Durchset-zung des Rechts auf Gesundheit zu wir-ken, wie es in ihrer 1948 verabschiedetenVerfassung heißt. Zug um Zug ist die

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gesundheit

Die Macht des GeldesEine grundlegende Reform der WHO ist überfällig

Philanthropischer Kapitalismus in Aktion: Bill Gates impft in Kenia. „Revolution der gebendenHand“ (Sloterdijk) oder lediglich „mehr Bourgeois als die anderen“ (Marx)? Foto: Reuters

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WHO in die Abhängigkeit einzelner macht-voller Mitgliedsstaaten und privater Ak-teure geraten: darunter die medizin-technische Industrie, multinationale Phar-makonzerne, aber auch Stiftungen vonPrivatleuten oder Unternehmen, wie etwadie „Bill and Melinda Gates Foundation“.Seit Anfang des Jahres diskutieren dieMitgliedsstaaten über eine Reform derWHO. Dabei droht die UN-Organisation,die mit Blick auf die globale Gesundheits-krise so dringend gebraucht würde, gänz-lich kommerziellen Interessen ausgeliefertzu werden.

Der Vertreter Thailands brachte es auf derletzten Weltgesundheits versammlung imMai 2011 in Genf auf den Punkt. Mit bitte-rem Sarkasmus trug er im Plenum vor,dass die WHO schon lange keine demo-kratisch verfasste Organisation mehr sei.Statt von der Mehrheit der Mitgliedsländergetragen und kontrolliert zu werden, habesie sich zu einer „donor-driven organisa-tion“ gewandelt, die von den freiwilligenZuwendungen einzelner Geber und derenInteressen gesteuert würde. Die Zahlengeben ihm und allen anderen Kritikernrecht. Nur noch 20 % des jährlichen WHO-Budgets stammen aus den regulären Bei-trägen der Mitgliedsstaaten, 80 % dage-gen sind Zuschüsse, die einzelne Länderbeisteuern, bzw. Spenden von privatenStiftungen, dem Unternehmenssektor undselbst mächtigen NGO-Multis.

Was zunächst wie eine großzügige Gestedaherkommt, entpuppt sich bei nähererBetrachtung als höchst problematisch.Denn all die freiwilligen Zuwendungenwerden der WHO keineswegs zur freienVerfügung gegeben, sondern sind in al-ler Regel an Bedingungen geknüpft. Essind zweckgebundene, sogenannten „ear-marked funds“, mit denen die jeweiligen

Geber direkt Einfluss auf die Arbeit derWHO nehmen können. Wer für die Musikbezahlt, bestimmt auch den Ton, heißt esim Volksmund, und so geschieht es heuteauch in der WHO. An der Weltgesund-heitsversammlung, dem höchsten Ent-scheidungsgremium der WHO vorbei,bestimmen einzelnen Geber über Pro-gramm und Arbeitsprioritäten.

H1N1 – eine stinknormale Grippe

Wie das geht und wie groß der Einflussder Industrie bereits ist, zeigte sich imFalle der Schweinegrippe. Auf Anraten der„Strategic Advisory Group of Experts(SAGE) on Immunisation“, der StändigenImpfkommission der WHO, deren Nähezur pharmazeutischen Industrie schonlänger Anlass zur Kritik gegeben hatte,rief die WHO im Juni 2009 die höchsteAlarmstufe für die H1N1-Pandemie aus.Die weltweite Impfaktion, die sie damit inGang setzte, wurde zu einem Milliarden-geschäft für die Pharmaindustrie. AlleinDeutschland kaufte 50 Millionen. Impfdo-sen, von denen schließlich nur ein Bruch-teil eingesetzt wurde. Um eine „stink-normale Grippe“, so der Europarat in sei-ner Untersuchung, zu einer gefährlichenPandemie erklären zu können, hatte dieWHO, bevor die ersten H1N1-Fälle be-kannt wurden, die Kriterien für Pandemie-Warnungen herabgesenkt. Ebenfallsvorab waren Gesundheitsbehörden inaller Welt vertragliche Abnahmegarantienmit Impfstoffherstellern eingegangen. DasGeschäft war gut vorbereitet. Das Nach-sehen hatten die Versicherten und Steu-erzahler, die – und das ist nur der vorerstletzte Akt dieses absurden Geschehens –heute ein weiteres Mal zur Kasse gebetenwerden: Millionen von Impfdosen, derenHaltbarkeit unterdessen abgelaufen ist,

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müssen in diesen Tagen kos-tenintensiv vernichtet werden.

Zu den größten Gebern derWHO zählen die USA, die30 % der freiwilligen Zuwen-dungen (davon 99,89 %zweckgebunden) beisteuern,gefolgt von der „Bill und Me-linda Gates Foundation“, diesich mit 220 Millionen. Dollarim laufenden Haushaltsjahrzum zweitgrößten Finanzierder WHO aufgeschwungenund Großbritannien hintersich gelassen hat. Die bald200 Mitgliedsstaaten, so resü-mierte der thailändische Dele-gierte, sorgen mit ihren Bei-trägen für die Sicherstellungder laufenden Kosten, für denUnterhalt der Büros, die Gehälter der An-gestellten, das Funktionieren des Appa-rats, der dann hauptsächlich mit Pro-grammen beschäftigt ist, die von den In-teressen der großen Geber bestimmt wer-den. Und die sind unverkennbar auch anden ökonomischen Interessen der hei-mischen Industrie ausgerichtet.

Refeudalisierung

Der neueste Jahresbericht der WHOzeigt, wie rasch ihre Privatisierung zuletztvorangeschritten ist. Zwischen 2007 und2009 stiegen die Zuwendungen von Stif-tungen und privaten Gebern zum Gesamt-budget der WHO von 14% auf 26%. Dasspiegelt sich auch im protokollarischenGeschehen. Eröffnungsredner der dies-jährigen Weltgesundheitsversammlungwar – zum zweiten Mal bereits – BillGates, der – begleitet von Kotaus der

WHO-Oberen – mit stehenden Ovationenbegrüßt wurde. Die Anwesenheit von ge-wählten Staatspräsidenten dagegen bliebkaum der Rede wert. In der Politikwis-senschft nennt man das Refeudalisierungvon demokratischen Verhältnissen.

Der Bedeutungszuwachs von kommer-ziellen Akteuren und Unternehmensstif-tungen hat auch zu einer aus gesund-heitspolitischer Perspektive höchst be-denklichen Veränderung der institutionel-len Kultur der WHO geführt, was sich invielen Arbeitsbereichen niedergeschlagenund eine Neuausrichtung der Ziele undStrategien begründet hat. Private Geldge-ber sind eben nicht einfach nur Geldgeber,sondern beeinflussen mit der Art, wie siesich sozialen Fragen annehmen, auch dieHaltungen der Empfänger. Aller philan-thropischer Wohltäterschaft zum Trotzbleiben Stifter wie Bill Gates doch immerauch überzeugte Vertreter jener Grund-sätze, die sie groß gemacht haben: die

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Lukrativer Schrecken: Wärmebildscanner zur Ermittlung von Schweine-grippe-Infizierten am Flughafen Kairo, Mai 2009. Foto: Reuters

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Grundsätze eines neoliberalen kapitalisti-schen Geschäftsmodells. Und das wirdbekanntlich weniger von der Idee des Ge-meinwohls und sozialer Rechte getragen,als vom Streben nach individuellem Ge-winn und damit einhergehender betriebs-wirtschaftlicher Vorgaben.

Philanthrokapitalisten

Durchaus treffend werden Stifter wie BillGates in den anglophonen Sozialwissen-schaften als „Philanthrocapitalists“ be-zeichnet. So, wie sie es aus dem Ge-schäftsleben gewohnt sind, setzen sieauch in ihrem sozialen Engagement aufein System aus Investitionen und Outputs.Nicht in komplexen und auf Beteiligungzielenden politischen Prozessen sehensie die Lösung sozialer Probleme, son-dern in der effizienten Verknüpfung vonWissenschaft, Technik und den Möglich-keiten des freien Marktes.

In den 1990er Jahren habe er davon ge-träumt, dass alle Menschen einen PChaben würden, so Bill Gates in seiner Re-de vor der WHO, nun sei es höchste Zeit,mit der gleichen betriebswirtschaftlichenEffizienz dafür zu sorgen, dass alle Men-schen Impfungen bekämen. „We can save10 million lives by 2010“, sagte Gates imMai in Genf, weshalb seine Stiftung künf-tig ihre gesundheitspolitischen Förderpro-gramme auf die Entwicklung und denEinsatz von Impfstoffen konzentrierenwerde.

So wichtig Impfungen sind, bilden sie den-noch nur einen Teilaspekt im Bemühenum öffentliche Gesundheitsfürsorge. Vorallem die grundlegenden sozialen Deter-minanten von Gesundheit: die Frage desEinkommens, der Wohnverhältnisse, derBildung, der Ernährung, der Teilhabe aneiner lebendigen Kultur etc. werden voneinem Ansatz, der in erster Linie auf Imp-fungen und andere technische Inputssetzt, ausgeblendet. An die Stelle von en-gagierten Sozialarbeitern und Gesund-heitsaktivisten, die sich um Gesundheitvon unten mühen, treten so die „Macher“:die Forscher, Unternehmer und Mäzene,die sich in ihrem zupackenden Handelngerne als Retter der Welt sehen. Dass sieaber eher ein Teil des Problems sind,gerät dabei aus dem Blick.

Unternehmensstiftungen, so auch dieGates-Stiftung, erwirtschaften ihre Erträgevornehmlich aus Anlagevermögen. DerGroßteil jener 25 Milliarden Dollar, dieGates in den zurückliegenden zehn Jah-ren in Gesundheitsprogramme in allerWelt investieren konnte, entstammt denRenditen von einschlägig bekannten Un-ternehmen der Chemie-, Pharma- undNahrungsmittelbranche, deren Geschäfts-praktiken allzu oft dem Bemühen um glo-

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bale Gesundheit zuwiderlaufen. „Gatesmachte mit der Verteidigung geistiger Ei-gentumsrechte ein Vermögen. Nun setztseine Stiftung auf patentierte Medizin undImpfstoffe, statt generische frei zugäng-liche Produkte zu fördern“, beklagt derUS-Pharmakritiker James Love. WennGates die WHO nun für solche Impfpro-gramme auf Kurs bringt, profitieren davonselbstredend auch die Impfstoffherstellerund deren Shareholder, auch die Gates-Stiftung. Es sind solche Interessenkon-flikte, die in all den Huldigungen, die denPhilanthrokapitalisten entgegengebrachtwerden, kaum zur Sprache kommen. Umselbst zu überleben, können Stiftungenwie die Gates Foundation, letztlich nur sol-che Programme fördern, die das beste-hende Finanz- und Wirtschaftssystemstärken.

WHO-Reform von unten

Auf bedenkliche Weise ist in den letztenJahren die Trennlinie zwischen sozialemund kommerziellem Handeln verschwom-men. Obwohl dem kapitalistischen Sys-tem längst jede Rationalität abhandengekommen ist, gilt die unternehmerischeInitiative noch immer als der öffentlichenüberlegen. Auch internationale Behörden,wie die WHO, die Welternährungsorgani-sation (FAO) oder der UN-Flüchtlings-hochkommissar (UNHCR) gelten alsschwerfällig, bürokratisch, ineffizient –dem Handeln privater Akteure hoffnungs-los unterlegen. Statt auf demokratischenEntscheidungsprozessen und der Eigen-tümlichkeit von sozialen Prozessen zu be-stehen, suchen auch sie ihr Heil in derAusrichtung ihrer Arbeit an den Vorgabenvon Betriebswirten.

Tatsächlich müsstedie WHO, um wiederin den Dienst ihrerverfassungsmäßigenAufgaben gestellt zuwerden, grundlegendreformiert werden. Siemüsste, wie der be-reits eingangs zitiertethailändische Dele-gierte sagte, gänzlichneu geschaffen wer-den: „Wir glaubennicht, dass die WHOreformierbar ist, wirglauben an ihre ‚Wie-dergeburt’!“

Daran arbeiteten aufEinladung der Frank-furter Hilfsorganisa-tion medico international und dem inter-national tätigen Peoples Health Move-ment Anfang Mai diesen Jahres in NeuDelhi 50 Vertreter von Grassroots-Initiati-ven, sozialen Bewegungen, gesundheits-politischen NGOs, ehemalige Regie-rungsbeamte und akademische Gesund-heitsexperten. Am Ende der dreitägigenBeratungen stand ein gemeinsames Do-kument, das Grundsätze und Empfehlun-gen für die Demokratisierung globalerGesundheit benennt (s. nebenstehendeAuszüge). Mit der Ausrichtung aller künf-tigen Gesundheitsanstrengungen an denGrundsätzen der Menschenrechte fordertdieses „Delhi-Statement“ eine radikale Ab-kehr von kommerziellen Interessen undder Macht des Geldes.

Dem Recht auf Gesundheit – wie auchden anderen sozialen Rechten – ist Prio-rität in allen internationalen Verhandlun-gen und Übereinkünften einzuräumen, die

8Gesundheit ist keine Ware. Protestaktion in Indien gegen

europäische Freihandelsrichtlinien, welche die lokale Produktion von Generika beschränken wollen, März 2011. Foto: Reuters

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den Bereich der Gesundheit tangieren.Statt Gesundheit wirtschafts- und finanz-politischen Fragen unterzuordnen, musses künftig umgekehrt „Gesundheit zuerst!“heißen.

Dazu ist es erforderlich, die während derzurückliegenden drei Jahrzehnte betrie-bene systematische Schwächung gesell-schaftlicher Institutionen rückgängig zumachen. Globale Gesundheitspolitik be-darf einer gestärkten WHO, die sich ineinem viel stärkeren Maße als bisher denMöglichkeiten demokratischer Partizipa-tion öffnen muss. Die Welt schwimmt imGeld, heißt es am Ende des Statements:es ist höchste Zeit, den existierenden glo-balen Reichtum nach den Grundsätzender Solidarität und per neuer Fiskalpolitikso umzuverteilen, dass auch gesellschaft-liche Institutionen wieder ihrem Auftragentsprechen können, für menschenwür-dige Lebensbedingungen zu sorgen.

Das Delhi-Statement, das von 17 Organi-sationen und Netzwerken, darunter derWeltkirchenrat, die Weltsozialforen, Medi-cus Mundi, das im südlichen Afrika tätigeEquinet und vielen anderen, unterzeichnetwurde und noch rechtzeitig zur Weltge-sundheitsversammlung im Mai 2011 ver-öffentlicht werden konnte, ist unter denDelegationen der Mitgliedsländer auf be-achtliche Zustimmung gestoßen. Nichtwenige nahmen in ihren offiziellen Stel-lungnahmen explizit darauf Bezug, undBrasilien zitierte gleich absatzweise ausden Empfehlungen des Statements. Auchdas Bundesgesundheitsministerium hatunterdessen eine der Forderungen aufge-griffen und NGOs, Sozialverbände undGewerkschaften dazu eingeladen, an derNeufassung der deutschen Position zuFragen globaler Gesundheitspolitik bera-tend mitzuwirken.

Thomas Gebauer

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Anfang Mai kamen auf Initiative von

medico international, der indischen

Gesundheitsorganisation Prayas,

der Community Health Cell Banga-

lore, dem People´s Health Move-

ment und der Public Health Foun-

dation India Vertreter und Vertrete-

rinnen von Organisationen und Insti-

tutionen in Neu Delhi zusammen,

die sich für Gesundheit und soziale

Gerechtigkeit einsetzen. Ziel des

Treffens war es, eine gemeinsame

Vision für die Durchsetzung des

Menschenrechts auf Gesundheit zu

erarbeiten, auf deren Grundlage sich

weltweit vernetzte Aktivitäten unter

dem Motto „Gesundheit für alle“ ent-

wickeln können. Dort entstanden ist

die Delhi-Erklärung, die bei der we-

nige Wochen später tagenden Welt-

gesundheitsversammlung der WHO

für Aufsehen sorgte. Hier Auszüge.

Der vollständige Text findet sich auf

www.medico.de

esundheit ist eine wesentliche Vo-raussetzung für die Entfaltung desEinzelnen und für die gesellschaft-

liche Entwicklung insgesamt. Das Rechtauf Gesundheit ist deshalb in der Verfas-sung der Weltgesundheitsorganisation, imPakt über wirtschaftliche, soziale und kul-turelle Rechte und in den Verfassungenvon mehr als 130 Ländern festgeschrie-ben.

Globale Gesundheit und Armutsbekämp-fung sind heute wichtige Themen auf derinternationalen politischen Agenda. Mitverschiedenen Programmen haben Re-gierungen der Armut den Kampf ange-sagt. Dennoch wächst die Kluft im Zugangzu Gesundheit zwischen den Ländern undin den Ländern selbst. Anhaltende Armutund wachsende Ungleichheit halten sichtrotz aller Programme und Politiken hart-näckig. Sie sind ein Beweis dafür, dass diewirtschaftliche Globalisierung und die Li-beralisierung der Märkte keine Grundla-gen für eine nachhaltige und faire ge-sellschaftliche Entwicklung geschaffenhaben.

Gesundheit ist ein Gemeingut, das kollek-tive Verantwortung fordert. Die Realitätaber ist eine andere. Die herrschendeMarktdynamik und der unkontrollierte Ein-fluss profitorientierter transnationaler Un-ternehmen, unterstützt durch die Politik

gesundheit

Vernetztes WeltwissenDie Delhi-Erklärung will die Forderungen nach dem Recht a Gerechtigkeit in globale politische Handlungsoptionen übe

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internationaler Finanz- und Handelsinsti-tutionen, wie des Internationalen Wäh-rungsfonds, der Weltbank und der Welt-handelsorganisation, verursachen struktu-relle Verletzungen des Rechtsauf Gesundheit. Hinzu kommenweitere systematische Verlet-zungen anderer Rechte: desRechts auf Gleichberechtigungder Geschlechter, des Rechtsauf Wasser und Nahrung, auf Ar-beit und Einkommen, auf Unter-kunft und Bildung. Daher kanndas Engagement für das Rechtauf Gesundheit nicht isoliert vonder Notwendigkeit gesehen wer-den, universelle soziale Siche-rungssysteme zu entwickeln.Denn sie sind Schlüsselelemen-te in einer Politik der mensch-lichen Entwicklung.

Der WHO ist als Gesundheitsor-ganisation der Vereinten Natio-nen die „führende und koordinierendeInstanz“ zur Durchsetzung des Rechts aufGesundheit sowie einer allen Menschenzugänglichen Versorgung im Krankheits-falle. Diese Rolle ist in der Verfassung derWHO völkerrechtlich bindend festge-schrieben. Sie muss heute mit aller Kraftgestärkt werden. Denn in den letzten Jahr-zehnten sind zahlreiche neue Akteure aufden Plan getreten. Sie haben zwar Ge-

sundheit zu einem zentralen Anliegengemacht und bestimmen die globaleAgenda mit, aber zugleich haben sie dieglobalen Gesundheitsstrukturen erheblichfragmentiert. Die wachsende Bedeutungprivater Akteure ist nicht ohne Folgen fürdie institutionelle Kultur. Die Prinzipien desMarktes werden in Bereichen wirksam, indenen sie traditionell eigentlich keineRolle spielen.

Die immer dringlichere Frage nach einerneuen globalen Gesundheitssteuerungund – damit einhergehend – der Reformder WHO spielten während der Debatte

des WHO Executive Boards im Januar2011 eine zentrale Rolle. Wir begrüßendas. Nun muss die WHO durch ihreMitgliedsstaaten die Verantwortung fürden begonnenen politischen Dialog über-nehmen.

Wir sind überzeugt, dass die WHO ihregrundlegende multilaterale Identität wie-der entdecken muss. Sie muss sich auf

uf Gesundheit und sozialer

rsetzen

Foto: PHM-India

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ihre Stärken rückbesinnen und den Re-formprozess dafür nutzen, sich als DERführende Akteur in einer erweiterten glo-balen Steuerung für Gesundheit zu defi-nieren und zu behaupten. (...) Gesund-heitssteuerung heißt, sich der Notwendig-keit einer soliden öffentlichen Politik alsAntwort auf die neoliberalen Rezepte be-wusst zu sein. Die Globalisierung auf derGrundlage der zentralen Werte vonGleichheit und sozialer Gerechtigkeit zugestalten, ist die zentrale Aufgabe derWHO.

Wir, die Teilnehmer der NeuDelhi Beratung,

rufen die Mitgliedsstaaten auf, die Durch-setzbarkeit des Rechts auf Gesundheitund aller anderer wirtschaftlichen, sozia-len und kulturellen Rechte zu stärken;

sind überzeugt, dass für die Umsetzungdes Rechts auf Gesundheit zunächst dienationalen Regierungen verantwortlichsind. Ohne die Mobilisierung der Bevölke-rung können Menschenrechte nicht umge-setzt werden. Das Recht auf Gesundheitstellt hier keine Ausnahme dar;

kritisieren mit Nachdruck den zunehmen-den und unverhältnismäßigen Einfluss derPrivatwirtschaft auf die WHO, und diesumso mehr als es keinerlei robusten Me-chanismus zur Kontrolle und Vermeidungvon Interessenskonflikten gibt. Die WHOmuss einen umfassenden Rahmen entwi-ckeln, der die Zusammenarbeit mit kom-merziellen Akteuren regelt. Solche Maß-nahmen beinhalten eine klare Definitionvon institutionellen Interessenskonflikten,sowie klar definierte Teilnahmekriterienund Auslaufklauseln;

drängen die Mitgliedsstaaten darauf, ei-ne gerechte Besteuerung als zentralespolitisches Instrument zur Steigerungvon Einnahmen zu nutzen. Die Weltschwimmt im Geld, und es ist Zeit, denerreichten Wohlstand als Chance dafürzu nutzen, Sozialpolitik wieder mit ent-sprechender Wirtschafts- und Steuerpoli-tik zu verknüpfen;

erinnern daran, dass die internationaleSolidarität für viele Länder unerlässlich ist,denen es an finanziellem Potenzial zur Si-cherstellung der personellen und materiel-len Ressourcen für die Realisierung desRechts auf Gesundheit fehlt. Um eine sol-che Unterstützung langfristig zu sichernund kalkulierbar zu machen, müssen diebestehenden unverbindlichen Überein-künfte in verpflichtende Absprachen über-führt werden;

ermutigen die Mitgliedsstaaten, ihre finan-ziellen Beiträge für die WHO zu erhöhenund ihren Einfluss auf die Organisation zuverstärken.

Unterzeichnet von:

Salud y Desarollo, Bolivien; Wemos – Healthfor All, Belgien; Prayas, Indien; medicusmundi, Schweiz; Geneva Health Forum; Community Working Group on Health, Zim-babwe; Partners in Health, USA; Training andResearch Support Centre, Zimbabwe; Sec-tion 27, Südafrika; O´Neill Institute for Na-tional and Global Health Law, USA; Southernand Eastern African Trade, Information andNegotiations Institute, Zimbabwe/Uganda;World Social Forum, Brasilien; Tax JusticeNetwork, Kenia; Community Health Cell, Indien; Equinet, Südliches Afrika; World Council of Churches, Genf; Action Group forHealth, Human Rights and HIV/AIDS, Ugan-da; Diver Women for Diversity, Indien; medicointernational, Deutschland; People´s HealthMovement.

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an kann Kapita-listen nicht vor-werfen, dass sie

wie Kapitalisten denkenund handeln. Es wirdaber dort zu einem Pro-blem, wo sie Sphärenentscheidend mitprägen,in denen sich das kapita-listische Prinzip als eineUrsache der Problemeerweist. Vor über einemJahr erklärte die WHO-Generalsekretärin Mar-gret Chan, dass imGesundheitsbereich dieIdee des „Trickle Down“gescheitert sei. Damithat sie eine Gesund-heitsreform durch Priva-tisierung, dessen Ver-sprechen in eben diesem Effekt lag, zu-mindest sprachlich beendet. Das Gemein-gut Gesundheit muss sich anders buch-stabieren als kapitalistisch. Da gibt es fasteinen Common Sense. Aber was ge-schieht mit den Geistern, die man in denvergangenen 20 Jahren Privatisierungs-euphorie rief?

In einem Artikel der PLoS Medicine* wirdeine dieser Privatisierungsbemühungen

detailliert untersucht und die Auswirkun-gen dargestellt. In ihrem Artikel „GlobaleGesundheitsphilanthropie und institutio-nelle Beziehungen“ beschäftigen sich dieAutoren am Beispiel der Bill und MelindaGates Foundation mit den ambivalentenFolgen der Gesundheitsaktivitäten vonStiftungen, die über einen jährlichenHaushalt verfügen, der sogar den derWHO übersteigt. Neben der Gates Foun-dation gehören dazu u.a. die Ford Foun-

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gesundheit

Mehr als ein InteressenskonfliktWie Gesundheitswohltäter ihre Vermögen vergrößernist ungesund, nur nicht für sie selbst

Süße Dividende: Coca-Cola Chef Muthar A. Tent wirbt auf dem World EconomicForum (WEF) in Davos für lokal produzierte Fruchtsäfte, 2011. Foto: Reuters

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14dation, W.K. Kellog Foundation, RobertWood Johnson Foundation und die Rock-efeller Foundation.

Das sind die Dimensionen des Reichtums:Ende 2008 betrugen die Aktiva der Gates-Stiftung 29,6 Milliarden US-Dollar. VielGeld ist angelegt in Unternehmen, derenAktivitäten einer Verpflichtung auf Ge-sundheit zuwider laufen: Mc Donalds ge-hört dazu und Coca-Cola. Und auch allebekannten Namen der Pharmaindustrie,die einen gesundheitsschädigenden Pa-tentschutz global durchgesetzt haben,standen oder stehen auf der Liste vonGates´ Aktienbesitz: Merck, Johnson&Johnson, Schering-Plough Corporation.Da der Milliardär Warren Buffet einen Teilseines Riesenvermögens auf die Gates-Stiftung überschrieben hat, wird sie dem-nächst eine der größten Anteilseigner vonCoca-Cola und dem auch nicht gerade fürGesundheitsprodukte bekannten Nah-rungs- und Genussmittelkonzern Kraftsein.

Dass sich aus der Anlagepolitik der Stif-tung und ihrem Auftrag als Stiftung ein In-teressenskonflikt ergibt, ist keine wag-halsige Hypothese. Und manchmal zeigter sich auch ganz offen. Coca-Cola füralle, statt Gesundheit für alle – könntedas Motto der Gates-Stiftung lauten. Sounterstützt Gates den kleinbäuerlichenAnbau von Mango und Passionsfrucht inAfrika, um den „lokalen Bauern neueMarktzugänge zu eröffnen“. Ihre Früchtesollen nämlich in von Coca-Cola lokal pro-duzierten Fruchtsäften verarbeitet wer-den. Dass es dabei aber vor allen Dingenum Marktzugänge für Coca-Cola geht,verschweigt die Philanthropie. Mit steuer-begünstigten Stiftungsmitteln kann derKonzern seinen Wirkungsradius auswei-ten und dabei einen weiteren Baustein in

seiner überaus aggressiven Marktstrate-gie setzen. Dass die Softdrinkproduktevon Coca-Cola nicht gerade in dem Rufstehen, gesunde Ernährungsgewohnhei-ten zu fördern, stört Gates nicht. Sein Me-tier sind die Impfkampagnen gegen Infek-tionskrankheiten und nicht die rapide welt-weite Zunahme von Diabetes und anderernicht übertragbarer Krankheiten, die frag-los eine Folge der globalen Ausbreitungwestlicher Lebensstile und Konsumge-wohnheiten darstellen. Aber auch Teiledes Gates-Vorstandes dürften sich überdie Kooperation mit Coca-Cola freuen: dienämlich waren erst kürzlich direkt ausdem Coca-Cola-Management in die Lei-tung der Stiftung gewechselt.

Auch in der Förderpraxis der Gates-Stif-tung offenbart sich der Interessenskonflikt.97 % der finanziellen Stiftungszuwendun-gen fließen in die Beschäftigung mit Infek-tionskrankheiten und nur 3 % in Program-me zu nicht übertragbaren Krankheiten.Das technisch ausgerichtete Gesund-heitsverständnis der Stiftung spiegelt sichzudem in der Förderung von medizini-scher Technologie (Impfungen, Mikrobi-zide, etc.) zumeist für Forscher in denUSA. Das Geld bleibt in der Heimatregionund der Erfolg von Impfkampagnen lässtsich so wunderbar in Zahlen ausdrücken.Das 90 Prozent aller Krankheiten nichtme-dizinische Ursachen haben, findet inder Stiftungspolitik keinen Widerhall. DieGates-Stiftung bleibt aber vor allen Dingendeshalb ein Gesundheitsproblem, weil ihrerstes von 15 Prinzipien lautet: Die Stif-tung sei zuallererst den „Interessen undLeidenschaften der Gates-Familie“ ver-pflichtet. Und nicht – möchte man hinzu-fügen – dem Gemeinwohl und der Ge-sundheit als Gemeingut.

KM/TG

*Der komplette Artikel ist nachzulesen unter:www.medico.de/HealthPhilanthropy

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Wie weit ist der Demokratisierungs-prozess und wer sind seine Akteure?

Die 18 Tage bis zum Sturz von Mubarakwaren die erste revolutionäre Phase. Eswaren die Tage der Gemeinschaftlich-keit, die dem alten Regime das Genickbrechen konnten. Die Revolution war inihrem Charakter eine spontane Bewe-gung und daher nicht in der Lage, alter-native Machtstrukturen zu entwickeln.Dennoch wurden große Siege errungen.Dazu zählt nicht nur der Sturz der Sym-bole, sondern auch die Schwächung desrepressiven Sicherheitsapparats und dieÜberwindung der korrupten Regierungs-partei. Die neue Regierung ging auf denTahrir-Platz und musste sich vor derMenge verbeugen. Die erfahrene Solida-rität des Miteinanders von Christen undMuslimen, Männern und Frauen ist undbleibt noch immer eine zentrale Errun-genschaft jener Tage und wird auch zu-künftig eine entscheidende Rolle spielen.Hinzu kommen das Selbstvertrauen, daswir erlernten, und die Erfahrung, dassVeränderungen tatsächlich möglich sind.Dieses Wissen kann uns in der gesam-ten Region niemand mehr nehmen. Diearabische Revolution hat begonnen undwird trotz aller Rückschläge weitergehen.Jetzt wird es auf die demokratischen undlinken Kräfte ankommen. War die erste

Phase noch von Spontaneität geprägt,müssen wir in der aktuellen Etappe ver-suchen ein neues politisches Gefüge zukonzipieren und Alternativen entwickeln.Zudem erleben wir den Beginn einesZersplitterungsprozesses. Es spaltensich die politisch-islamischen und die demokratisch-liberalen Strömungen derRevolution. Diese Trennung ist deshalbso gefährlich, weil wir nicht in die Falleeines Kampfes zwischen einem säkula-ren und islamischen Staat gehen dürfen.Der wahre Kern des Problems ist viel-mehr die Frage: Was ist Demokratie?

Wie ist eine neue Einheit der Bewe-gung denkbar?

Wir definieren Demokratie als sozialeGerechtigkeit, die alle Menschen vereint.

15ägypten

Gesundheit ist ein BrennpunktDr. Alaa Shukrallah vom medico-Partner Association for Health and Environmental Development (AHED) im Gesprächüber die neue, kommende Zeit in Ägypten und den Kampf um das Recht auf Gesundheitsversorgung

Dr. Alaa Shukralla: „Unsere Chancen stehen besser denn je“. Foto: medico

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Nur so können wir uns von der Dichoto-mie von säkularem und religiösem Sys-tem lösen. Als Linke sollten wir aufprogrammatische Alternativen drängen,die diesen Punkt in die Frage von Demo-kratie und sozialer Gerechtigkeit wen-den. Jede Diskriminierung muss zurück-gewiesen werden, egal ob sie Religion,Ethnie oder Geschlecht betrifft. Kommenwir hier zusammen, können wir auch dasRecht auf freie politische Organisierung,das Streikrecht und alle Fragen sozialerGerechtigkeit aufrufen, ob es sich nunum Sozialleistungen, Gesundheit oderBildung handelt. Hier beginnt auch unserzentrales Dilemma: Tatsächlich kanndiese Revolution nicht alle Hoffnungenerfüllen. Das alte sozial-ökonomischeSystem regiert nicht nur weiterhin, son-dern es wird auch von jenen westlichenRegierungen geschützt, die vorgeben die Demokratie in unserer Region zu för-dern. Dieser systemimmanente Wider-spruch kann nur in einem langwierigenProzess aufgelöst werden.

Gibt es für das Recht auf Gesundheitneue Koalitionen?

Die Frage der Gesundheit war schon vorMubaraks Sturz ein mobilisierendes The-ma. Bereits vor fünf Jahren kämpften wirin einer Front mit über 70 Organisatio-nen, unter ihnen alle damaligen Oppositi-onsparteien, gegen ein Krankenversiche-rungsgesetz, dass die Ungleichheit imöffentlichen Gesundheitswesen legalisie-ren und unterschiedliche Versorgungsni-veaus zementiert sollte. Wir konnten bisheute verhindern, dass das sogenannte„Mindestpaket für die Armen“ eingeführtwurde, das die Gesundheitsleistungenan die finanziellen Mittel der Patientenkoppeln wollte. Jetzt, nach dem Sturzdes alten Regimes, geht es vor allemum die Arbeitsbedingungen im Gesund-heitswesen, inklusive der Löhne für Ärzteund Pflegepersonal. Die zweite Frage istdas generelle Recht der Menschen aufeine qualitativ hochwertige Gesundheits-versorgung. Beide Kämpfe finden zeit-

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gleich statt. Erstmalig ist die neue Regie-rung den Menschen gegenüber rechen-schaftspflichtig und schon auf demTahrir-Platz gab es eine große Anzahlaktiver Krankenschwestern und Pfleger.Heute haben wir einen neuen Gesund-heitsminister, der die Kämpfe für dasRecht auf Gesundheit unterstützt hat.Der Gesundheitssektor ist einer derBrennpunkte der neuen Zeit. Aufgrundder Streiks von Ärzten und Krankenpfle-gerinnen sicherte uns der Premierminis-ter im direkten Gespräch zu, nicht nurdie finanzielle Situation der Krankenhäu-ser zu verbessern, sondern auch dieKosten für die Betreuung und Behand-lung der Opfer des Tahrir-Platzes zuübernehmen. Aber auch ein progressiverGesundheitsminister arbeitet untereinem neoliberalen Diktat, das trotz allerGesundheitspakete nur eine Minimalver-sorgung garantieren wird.

Inwieweit beeinflusst die EuropäischeUnion die gegenwärtige Situation?

Die EU hat die Demokratiebestrebungenin der arabischen Welt in großem Aus-maß unterstützt. Sie war aber auch eineder wichtigsten Alliierten der alten auto-kratischen Regime. Aber selbst wenn wir diese Vergangenheit beiseitelassen,propagiert die EU weiter eine Agendaneoliberaler Politik, die nicht nur dieRechte der Menschen auf Gesundheitund auf Bildung missachtet, sonderngenau jene soziale Falle erzeugte, dieüberhaupt erst zu dieser Revolution ge-führt hat.

Wie lässt sich die lokale Ebene mitden allgemeinen Zielen einer neuenGesundheitspolitik verbinden?

Im Rahmen unseres Movement for the

Right to Health arbeiten wir in drei Di-mensionen: Wir versuchen nicht nur Modelle für eine alternative, gerechteund ganzheitliche Gesundheitspolitik vorzuschlagen, sondern auch die Ursa-chen für die Ungleichheiten in der Krank-heitsanfälligkeit zu thematisieren. Hierinvestieren wir viel Energie. Hinzu kom-men die sozialen Determinanten von Ge-sundheit. Auf lokaler Ebene wollen wirdie Frage der Gesundheit mit anderensozialen Fragen zusammenbringen undalternative Modelle entwickeln. DieChancen dafür stehen jetzt besser dennje. Wir können auf staatlicher Ebene mitdem Gesundheitsminister Abkommen erstreiten und zugleich an der Basis inden Nachbarschaften partnerschaftlichmit Gesundheitsteams kommunale Ge-sundheitszentren aufbauen. Gelingt unsdiese Verknüpfung, dann können wir siemit unseren Kollegen des People’s Health Movement in der gesamten ara-bischen Region teilen, jetzt vielleichtauch in Libyen, wo Großes geschieht,oder auch im Jemen. Das ist alles sehraufregend und zugleich eine große He-rausforderung.

Das Gespräch führte Andreas Wulf

17„Gesundheit ist eine soziale Frage“: Kommunale Krankenschwestern auf demTahrir-PLatz am Tag vor dem Sturz Mubaraks, 10. Februar 2011. Foto: Reuters

Projektstichwort

Soziale Bedingungen der Gesundheit: ImKairoer Slum Ezbeth Al Haggana streitetder medico-Partner Association for Healthand Environmental Development (AHED)gemeinsam mit den mobilisierten Nachbar-schaften für das Recht auf ein gutes Leben:Müllabfuhr, Stromversorgung, öffentliche In-frastruktur und Gesundheitsdienste. Denndie lokalen Kämpfe entscheiden, ob die Re-volution auch die Alltagsversprechen einlö-sen kann. Das Stichwort lautet: Ägypten.

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18

on Guatemala-Stadt aus ist derLandkreis Ixcán im Nordwestendes mittelamerikanischen Landes

nicht einmal Provinz. Die Oligarchie in derHauptstadt interessiert sich für die Regionhöchstens wegen der natürlichen Res-sourcen und den exorbitanten Profitenaus dem Drogen- und Menschenhandel,

der über die Region abgewickelt wird. Dieeinheimische überwiegend indigene Be-völkerung hingegen gilt als nicht weiterbeachtenswert. Außer im Wahlkampf. Dermedico-Partner ACCSS (Asociación Co-ordinadora Comunitaria de Servicios parala Salud), der in der Region seit den Frie-densabkommen von 1996 Gesundheits-

V

guatemala

Notizen aus der ProvinzWahlkampf in der mexikanisch-guatemaltekischen Grenzregio die Forderung nach einer sozial gerechten Politik

Gewerkschafter aus dem Gesundheitssektor protestieren in Guatemala-Stadt für staatlicheProgramme zur Behandlung von HIV/Aids- und Malaria-Patienten, Mai 2011. Foto: Reuters

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und Gemeinwe-senarbeit organi-siert, nutzte dieGunst der Wahl-kampf-Stunde undveranstaltete vieröffentliche Diskus-sions-Foren mitden Bürgermeis-terkandidaten desLandkreises. Miterstaunlichem Er-folg: über 800 Per-sonen nahmendaran teil.

Warum ändertsich nichts?

Humberto de Le-ón leitet das vonmedico aus Spen-den und mit Mitt-teln des Bundes-ministeriums fürZusammenarbeitund Entwicklunggeförderte Kinder-und Jugendprojektvon ACCSS. Er er-läutert, dass dieStärkung der Bür-gerbeteiligung ei-ne zentrale Kom-ponente des Pro-jekts darstelle.

„Wir unterstützen die Jugendorganisatio-nen in 28 Dörfern unter anderem in der Ar-tikulation ihrer Interessen auf lokaler undregionaler Ebene. Die anstehenden Wah-len sind ein guter Anlass zur Reflektionund Positionierung, darüber wie die öffent-lichen Haushalte eingesetzt werden, wel-chen Stellenwert Investitionen in die So-

zialpolitik haben. Dabei geht es uns weni-ger um die Wahlen im engeren Sinne,sondern um eine Frage: Warum ändertsich für die Menschen in dieser Regionnichts? Warum ist sie von Armut und ex-tremer Armut geprägt, während die Regie-renden eine neoliberale Politik verfolgen,die Privatisierung der öffentlichen Dienstevorantreiben und die natürlichen Ressour-cen an ausländische Firmen verhökern.“

In den Foren wurde ein striktes Reglementangewandt, um eine respektvolle Atmo-sphäre und die Gleichbehandlung allerKandidaten zu sichern. Die Fragen ausdem Publikum wurden auf Zettel geschrie-ben und dann thematisch zusammenge-fasst. Die meisten Fragen drehten sich umdie Wahlprogramme der Kandidaten.Immer wieder wiesen Fragesteller auf ihreErfahrung mit nicht eingehaltenen Wahl-versprechen hin. Ein Beispiel: Seit 15 Jah-ren künden die Bürgermeister den Baueines dringend erforderlichen Regional-krankenhauses für die 182 Dörfer desLandkreises mit über 80.000 Einwohnernan. Bis heute wurde aber nicht einmal derGrundstein gelegt. Erst kürzlich habenEinwohner des Stadtviertels Zone 2 vonPlaya Grande aus eigener Entscheidungein Grundstück zur Verfügung gestellt, inder Hoffnung, dass sich dann etwas tunwürde. Vergeblich.

Kein Krankenhaus seit 15 Jahren

Viele Fragen bezogen sich auf die The-men Gesundheit und Erziehung. FürHumberto de León ein Hinweis auf denErfolg der Arbeit. „Vor zwei Jahren habenwir gemeinsam mit den lokalen Gesund-heitsakteuren den Zustand der Gesund-heitsdienste in den Gemeinden untersuchtund einen entsprechenden Forderungska-

19

n: Im Mittelpunkt

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talog an die Kommunenund Regionalverwaltun-gen erarbeitet.“ Dies wur-de nicht nur den Ver-antwortlichen vorgetragen,sondern auch intensiv inden Dörfern vorgestellt.Nun werden die Kandida-ten mit Ergebnissen dieserArbeit konfrontiert.

Auch ist vielen Menschenin den Gemeinden be-wusst, dass es nicht nurum die Forderung nacheinem Krankenhaus, nachmehr Ärzten und Medika-menten geht. Die sozialenDeterminanten der Ge-sundheit sind in den Gemeinden bekannt.So bereitet die Trinkwasserversorgungund -qualität große Sorgen. Von ACCSSdurchgeführte Wasseranalysen haben einerschreckend hohes Ausmaß an Kontami-nierung mit Fäkalien ergeben. Um dienegativen sozialen, ökonomischen undumweltbezogenen Auswirkungen der so-genannten Megaprojekte (Staudämme,Tagebaue, Erdölförderung, Palmölplanta-gen) organisiert sich bereits seit Jahrenein massiver Widerstand. Eine vor dreiJahren autonom organisierte Volksbefra-gung ergab eine überwältigende Ableh-nung der geplanten Staudammprojekte.

Besuch eines Professors

Szenenwechsel: Früher behandelte HugoRossetti die Zähne der Kinder von Rei-chen und Prominenten in Argentinien.Eines Tages fasste er den Entschluss,sich um den Erhalt der Zahngesundheitder einfachen Menschen zu kümmern.Dieses Engagement führte ihn u.a. nachKuba, Bolivien, in die Flüchtlingslager der

Sahrauis und viele Länder mehr. Er arbei-tete mit der Weltgesundheitsorganisationund Nichtregierungsorganisationen. Ro-setti ist in diesen Wahlkampfwochen zumzweiten Mal bei ACCSS in Guatemala, umdie Arbeit der Dentalpromotoren in denDörfern zu begutachten. Mittlerweile ist esnicht bei den Promotoren geblieben, dieACCSS im Laufe der vergangenen 20Jahre ausgebildet hat. Im Rahmen desoben erwähnten Jugendprojekts wurdenin 28 Dörfern über 40 Jugendliche als Ge-sundheitsbrigadisten ausgebildet sowie150 Hygienekomitees in 38 Schulen ge-gründet. Jede Klasse hat nunmehr zweiBeauftragte, die regelmäßige Hygiene-kampagnen organisieren: zur Zahnpflege,zur Schädlingsbekämpfung, zur Müllent-sorgung und vielen anderen Themen.

Rosetti ist begeistert: „Euer Jugendprojektist ein Gesundheits- und ein psychosozia-les Projekt par excellence.“ Es verbindeAus- und Fortbildung, Selbstorganisation,kulturelle und sportliche Aktivitäten derKinder und Jugendlichen. „Die Kinder und

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Gesundheitsaufklärung für Heranwachsende in indigenen Gemeinden.Programm des medico-Partners ACCSS. Foto: medico 21

Jugendlichen, denen ichbegegnet bin, lachen,scherzen, sind wissbe-gierig und engagiert.Was sonst ist Gesund-heit.“ In der Abschluss-besprechung, nachdemer die gesamte Arbeitvon ACCSS in Ixcán be-gutachtet hat, sagt Ro-setti: „Ihr seid euch derTragweite eurer Arbeitnicht bewusst. Seltenhabe ich Gesundheits-projekte besucht, dienicht nur an einzelnenIndikatoren, sondern –wie ihr hier – umfassendfür Gesundheit arbeiten.“

So optimistisch die Erfolge in Ixcán stim-men können, die Optionen für Guatemalain diesen Wahlen sind mehr als unerfreu-lich. Im Oktober könnte der Ex-GeneralOtto Perez Molina die Präsidentschafts-wahlen gewinnen. Er wäre ein Präsident,dem schwerste Menschenrechtsverlet-zungen im Bürgerkrieg vorgeworfen wer-den. ACCSS und den anderen medi-co-Partnern bereitet die Aussicht großeSorgen. Dennoch ist man sich einig, dassdie Arbeit weitergehenmuss. „Die Menschen hierbrauchen reale Optionen,um ihre Lebensumständezu verbessern, Fortschritteim Gesundheitsbereich,mehr Schulen und besserausgebildete Lehrer, nichtmehr Polizei, Waffen undGefängnisse“, so Humber-to de León. Mit Ausnahmevon Rigoberta Menchú –Präsidentschaftskandida-tin für die Allianz ihrer Par-

tei WINAQ mit den Linksparteien, die ausder ehemaligen Guerrilla hervorgegangensind – bieten die Kandidaten keine Ant-wort auf die weiter vorherrschende Aus-grenzung und Marginalisierung der Be-völkerungsmehrheit, der Indígenas, son-dern setzen auf Stärkung des Militärs, aufAusverkauf der Naturressourcen, auf Pri-vatisierung. „Hier in Ixcán ist sich dieMehrheit der Bevölkerung im Klaren, dassbei den fünf aussichtsreichsten Kandida-ten nur das geringere Übel zur Wahl stehtund sich die Konflikte weiter zuspitzenwerden.“ Dann steht die guatemaltekischeProvinz im Brennpunkt globaler Konflikt-themen. Denn es geht um die erneuteLandkonzentration im Rahmen der Aus-dehnung der Palmöl- und Zuckerrohrplan-tagen für die Produktion von Agrosprit, diedrohenden Umsiedlungen für Staudamm-projekte, die Erdölförderung und die damiteinhergehende Zerstörung der Wälder.Die Rückkehr des Militärs in die Region,das nach dem Friedensabkommen Ixcánverlassen hat, kündigt bereits an, wie die-se Globalisierungsprozesse in einer tradi-tionell widerständigen Region durch-gesetzt werden sollen: Durch die Krimina-lisierung der sozialen Proteste.

Dieter Müller

Projektstichwort

Seit über 30 Jahren gehören die Kollegen von ACCSS inGuatemala zum medico-Netzwerk. Zuletzt waren Zahnpro-motoren aus Guatemala als Nothelfer in Haiti. Das beschrie-bene Jugendprojekt in Ixcán, das Aus- und Fortbildung mitpolitischer Selbstorganisation und Gesundheitsaufklärungverbindet, ist Teil der politischen Bewegung in Ixcán. Siesetzt sich für soziale Gerechtigkeit und den Stopp der Res-sourcenausbeutung ein, die – geht es nach dem Willen derEliten – in der Grenzregion Guatemalas in neue Wachs-tumsdimensionen vordringen soll. Spenden können Sie fürdie Arbeit von ACCSS unter dem Stichwort: Guatemala.

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projekte – projektionen

Der Schrecken der ArmutHaiti: Gesundheitsversorgung im Hinterland

m ruralen Haiti, nahe der dominikani-schen Grenze, liegt der Ort Kolora.

Im „Quasinichts“ dieser abgelegenenGegend, inmitten von entwaldeten undverkarsteten Hügeln, sind die sanitärenVerhältnisse katastrophal und die Todes-zahlen aufgrund von Durchfall und Mala-ria besonders hoch, insbesondere unterKindern und älteren Menschen. Vor Jah-ren gründeten Einwohner die InitiativeAPDK (Asosyasyon Peyizan pou Devlop-man Kolora), um die Lebensqualität zu-mindest ein wenig zu verbessern. medi-co finanzierte jetzt den Bau von öffent-lichen Latrinen. Der nächste Schritt derAPDK ist ein Wiederaufforstungsprojekt,um die fortschreitende Bodenerosion zu

stoppen. Dieulin St. Olympe, Vorsitzen-der und Gründer von APDK, fasst zu-sammen: „Wir leben in völliger Isolation,ohne Ausbildung und mit mehr als 60 %Analphabeten sowie einem Einkommenvon weniger als einem US$ am Tag proFamilie. Kolora befindet sich nur ca. 100km von Port-au-Prince entfernt, aberjeder Versuch etwas von der Zentralre-gierung zu bekommen, wurde in der Ver-gangenheit nur abschlägig beschieden.“Der medico-Partner will zukünftig be-wusst auf Basisstrukturen, Erhöhung derlandwirtschaftlichen Produktion undSchutz der Umwelt setzen.

Spendenstichwort: Haiti

I

Das innere NeulandIsrael: Mobile Kliniken auf dem Rothschild-Boulevard

s ist ein ständiges Kommen und Ge-hen im Zelt der Ärzte für Menschen-

rechte – Israel am Rothschild-Boulevard.Freiwilliges Gesundheitspersonal wech-selt sich ab, zahlreiche Protestiererschauen vorbei, hören Vorträge über dieSituation von Migranten oder die Be-nachteiligung der Peripherien in der is-raelischen Gesundheitsversorgung. Vorallem aber wird dort diskutiert. Seit Wo-chen. Und nicht nur in Tel Aviv, sondernin weiteren 90 Zeltlagern im Land. Ran

Cohen, neuer Direktor des medico-Part-ners hat sich noch immer nicht daran ge-wöhnt. Nur wenige Wochen zuvor wurdedie Forderung nach gleichem Zugang zuGesundheit für alle noch als bloße Uto-pie verspottet. Jetzt stellen Hunderttau-sende jene neoliberale Politik der herr-schenden Parteien infrage, die innerhalbvon drei Dekaden aus einem Wohlfahrts-staat eine Gesellschaft mit der größtenKluft zwischen arm und reich in derOECD gemacht hat. Ran und seine Kol-

E

Ärzte für Menschenrechte imHerzen Tel Avivs. Foto: PHR-I

Page 23: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

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Leben zwischen den FeuernKolumbien: Fußball in der Gefahrenzone

er bewaffnete Konflikt in Kolumbienwährt schon länger als ein halbes

Jahrhundert. Ein politisches Ende istnicht absehbar, setzt doch der aktuellePräsident Juan Manuel Santos auf eineNichtverhandlungspolitik gegenüber denGuerillagruppen. Leidtragende dieserharten Haltung sind nicht zuletzt die Be-wohner jener ländlichen Gebiete, indenen die Guerilla, Militär und rechte Pa-ramilitärs aktiv sind. Etwa im nördlichenBundesstaat Cauca, 300 Kilometer vonBogotá entfernt, in der Gemeinde Trapi-che an den Hängen der Anden. Hier lie-fern sich die Rebellen der FARC immerwieder Scharmützel mit Regierungstrup-pen. Inmitten dieser Gefechtszone arbei-tet der medico-Partner Tierra de Paz(TdP): „Land des Friedens“. Für die 20Mitarbeiter zählt der unbedingte Schutz

der Bevölkerung, da die Gefahr von Mi-nen und Blindgängern in dieser Gegendbesonders hoch ist. TdP-Teams klären inSchulen auf und vermitteln, was nacheinem Unfall zu tun ist. Als jüngstesHighlight veranstaltete der medico-Part-ner jetzt ein Fußballturnier. Acht Frauen-und Männerteams spielten um den Cup„Für das Leben und die Würde“, die Sie-ger bekamen ein Torwarttrikot und einenturnierfähigen Fußball, keine Selbstver-ständlichkeit in dieser bitterarmen Ge-gend. Tierra de Paz geht es nicht alleinum Aufklärung, juristische Beihilfe undeinen Solidarfonds für Minenopfer, son-dern auch um die Stärkung des Gemein-delebens.

Spendenstichwort: Minenopfer

legen sehen ihre Rolle vor allem darin,diesen öffentlichen Schnellkurs in Politi-sierung zu begleiten und die Menschenin ihrer neugewonnenen Zuversicht zubestärken. Die Abwicklung des solidari-

schen Gesundheitssystemsmuss rückgängig gemachtwerden, der Ruf nach so-zialer Gerechtigkeit mussalle ethnisch-religiösenGrenzen auflösen, sowohlin den besetzten palästi-nensischen Gebieten alsauch für alle „illegalen“ Immigranten in Israel. Ein erster Erfolg: Das auf demPlatz eingesetzte Alterna-

tivkomitee zur Regierung hat die gesund-heitspolitische Position der Ärzte fürMenschenrechte übernommen.

Spendenstichwort: Israel-Palästina

D

Page 24: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

24

iele Angehörige der Baby-Boom-Generation aus Deutschland ken-nen die generationenübergrei-

fenden Folgen von Hunger. Wer in den1950er und 1960er Jahren geboren wur-de, erinnert sich gut an die Erziehungsdik-tatur rund um das Thema Essen. Die

Nahrungsmittelverschwendung von heutewar damals undenkbar. Eher wurde manals Kind an den Tisch gekettet, als dassman seinen Teller nicht leer aß. Die Eltern-generation hatte Hunger am eigenen Leiberlebt – eine tiefe Prägung für das ganzeLeben, eine nicht zu überwindende Erin-

ostafrika

Aufgesperrtes Maul der NullHunger ist eine Verweigerung der Menschenrechte

V

Page 25: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

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nerung an eine unerträgliche körperlicheVerletzung. Den Terror des Hungers hatHerta Müller in ihrem Roman „Atemschau-kel“ beschrieben: „Der Nullpunkt ist dasUnsagbare. Wir sind uns einig, der Null-punkt und ich, dass man über ihn selbstnicht sprechen kann, höchstens drumherum. Das aufgesperrte Maul der Null

kann essen, nicht reden.“Die medizinischen Folgen desHungers sind knapp und er-schütternd beschrieben.

Hunger schwächt die Abwehr-kräfte. Es gibt keine körpereige-nen Reserven, um Infektions-krankheiten zu bekämpfen. Fürein hungerndes Kind bedeutenMasern den sicheren Tod. Hun-ger und chronische Unterernäh-rung führen zu Mangelerkran-kungen mit dauerhaften Folgen.Die Funktionsweise der Netz-haut wird beschädigt, Nacht-blindheit kann eine Folge beiMangel an Vitamin A sein. Vita-min-B-Mangel führt zu neurolo-gischen Schäden und fehlen-des Vitamin C zu Skorbut.

In der Katastrophe des Hungersfällt es schwer eine Ranglisteder schlimmsten Folgen zu er-stellen. Aber eines gilt doch:Hunger bei Kindern schränktdie Entwicklungsfähigkeit desHirns ein und führt zu Wachs-tumsstörungen. Kinder erleiden

irreparable Schäden und sind in ihrer per-sönlichen Entfaltung auf immer einge-schränkt.

Der Terror des Hungers wütet heute inOstafrika. Eine angekündigte Katastro-phe, von der seit fünf Jahren bekannt war,

dass sie kommen würde. Auf einer Konfe-renz zur globalen Gesundheit, die medicovor anderthalb Jahren organisierte, er-klärte der angesehene Yale-Professor fürPhilosophie Thomas Pogge, die weltweiteArmut und ihre Folgen – und dazu zähltder Hunger in Ostafrika – sei die größteMenschenrechtsverletzung der Mensch-heitsgeschichte: „Unter den gegebenenWeltwirtschaftsregeln sind für die meistenMenschen die Menschenrechte vorher-sehbar nicht erfüllt.“ Und das Recht aufNahrung ist Teil der Menschenrechte.Dass das somalische Leiden nicht nur dieKehrseite der neoliberalen Globalisierungist, sondern auch eine ihrer Voraussetzun-gen, müssen wir zur Kenntnis nehmenund begreifen. Die Folgen der weltweitenUmverteilung des Reichtums von untennach oben zeigen sich in den Hungerbil-dern aus Ostafrika. Ein menschenge-machtes Verbrechen.

Wenn es nun darum gehen muss, so vieleMenschen wie möglich zu retten, sind zu-gleich die Fragen nach den Ursachen derKatastrophe zu reflektieren und zu be-rücksichtigen. Zur Solidarität mit den Be-troffenen, gehört auch die Erkenntnis,dass es eines deutlichen „EngagiertEuch!“ (Stéphane Hessel) bedarf, einesolche Hungersnot nie wieder zuzulassen.

Medico versucht im Rahmen seiner Mög-lichkeiten diesen beiden Herausforderun-gen gerecht zu werden. Medico stellteseinem kenianischen Partner African Cen-ter for Volunteers (ACV) eine erste Ratevon 50.000 Euro für die Durchführung vonbasismedizinischen Hilfsmaßnahmen undNahrungsmittelhilfe zur Verfügung.

ACV arbeitet in den Dörfern Ostkeniasrund um das Flüchtlingslager Daadab.Täglich kommen hier Hunderte Flücht-

Der Blick durchs „Gadget“ auf die Wirklichkeit: Ein UN-Mitarbeiter filmt mit seinem iPadein verhungertes Rind an der kenianisch-somalischen Grenze, Juli 2011. Foto: Reuters

Page 26: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

linge an. Die Organisation konzentriertihre Hilfsmaßnahmen bewusst auf Sied-lungen außerhalb des Lagers, denn auchdie kenianische Bevölkerung ist von derHungersnot betroffen. Außerdem suchenimmer mehr Flüchtlinge in den umliegen-den Dörfern Zuflucht, weil das Lager hoff-nungslos überfüllt ist. Teil der Arbeit sindauch Advocacy-Maßnahmen, um die ke-nianischen Behörden in der Region Ga-rissa zu verpflichten, ihre Verantwortungzur Versorgung der von der Hungersnotbetroffenen Gemeinden zu übernehmen.

Außerdem initiierte medico gemeinsammit den Schriftstellern Ilija Trojanow undNurrudin Farah nebenstehenden Aufruf.Wir hoffen, dass er ein Ausgangspunktfür Debatten und politische Maßnahmenzur Verhinderung von Hunger werdenkann.

Katja Maurer

26

ir müssen die Ursachen von Tra-gödien verstehen, damit sichdiese nicht wiederholen. Die Ka-

tastrophe in Ostafrika ist keineswegsunfassbar, sie hat sich seit Jahren undJahrzehnten angekündigt. Die Men-schen sterben nicht nur an einer un-glückseligen Dürre, sondern auch anweitreichenden, systemimmanentenMissständen: an den Folgen des Klima-wandels, der neoliberalen Ideologien,militaristischen Interventionen und in-stabilen Getreidemärkten. Und an derUnwilligkeit der Staatenwelt, die ver-schiedenen Warlords, die seit 20 JahrenSomalia zerstören, international zu äch-ten und zu verfolgen. In der HungersnotOstafrikas zeigen sich die katastropha-len sozialen Folgen des Klimawandels.Trotzdem könnten wir den Menschenlokal helfen, wenn es finanzielle Hilfengäbe für Nomaden, Viehhüter und Klein-bauern, damit sie tiefere Brunnen boh-ren und Techniken einführen, um dasRegenwasser, das meist sintflutartigniedergeht, zu sammeln. Die Opfer desKlimawandels haben ein Recht aufHilfe – vor den Katastrophen.

Eine lokale, nachhaltige landwirtschaft-liche Produktion passt nicht in das Kal-kül der global herrschenden Ökonomie.Anstatt arbeitsintensive, autarke Techni-ken zu unterstützen, wird Entwicklungs-hilfe immer häufiger dazu benutzt, einrein exportorientiertes Wirtschaften ein-zuführen. Riesige fruchtbare Gebieteam Horn von Afrika werden an auslän-dische Investoren verkauft und Roh-stoffhändler setzen auf steigende Wei-

Projektstichwort

Der kenianische medico-Partner ACV, derjetzt Nothilfe für die Hungernden aus So-malia und Kenia leistet, ist genauso wiemedico Teil der globalen Gesundheitsbe-wegung People´s Health Movement. In den beiden alternativen Weltgesundheits-berichten (Global Health Watch 1 und 2)des Gesundheitsnetzwerkes wurde auf diefatalen Folgen der radikalen Marktöffnungbei der Nahrungsmittelsicherheit verwiesen.Noch in den 1980er Jahren wiesen dieärmsten Länder Überschüsse bei Lebens-mittelexporten in Höhe von einer MilliardeDollar auf, heute haben sie dagegen einDefizit von über 25 Milliarden Dollar. Diebittere Wirklichkeit hinter diesen Zahlen er-leben die Hungernden heute in Ostafrika.Spenden für die Arbeit von ACV bitte unterdem Stichwort: Ostafrika.

W

Aufruf: Rechte s Afrikanische und europäische Schr

Page 27: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

Flüchtlinge aus Somalia warten auf die Registrierung nahe dem Camp Dadaab. Foto: IRIN

zenpreise. Der Landraub und die Spe-kulation mit Nahrungsmitteln müssenunterbunden werden.

Die politische Brutalisierung Somalias hatkomplexe Ursachen, die bis in die Zeit derBlockkonfrontation zurückreichen. Der seitzehn Jahren am Horn von Afrika geführte„Krieg gegen den Terror“ hat die AgonieSomalias verlängert. Nicht die existenziel-len Bedürfnisse der somalischen Bevölke-rung stehen dabei im Vordergrund, son-dern die Sicherung internationaler See-fahrtswege. Militaristische Interventio-nen im Dienste der eigenen Sicherheitmüssen aufhören.

Notwendig ist nicht eine Politik des Mit-leids, sondern eine der politischen Verant-wortung. Die Hungernden haben einRecht auf Anerkennung als Bürgerinnenund Bürger dieser Welt. Sie haben wie alleanderen Menschen Rechte, zu denenauch das Recht auf Nahrung nach Artikel25 der Allgemeinen Erklärung der Men-schenrechte gehört. Hilfe in der Not undstrukturelle Veränderungen zur Beseiti-gung der Ursachen von Hunger sind keinAkt des guten Willens, sondern eine völ-

kerrechtlich bindende Pflicht. Dies durch-zusetzen bedarf des politischen Willensvon Regierungen. Und des öffentlichenDrucks von unten. Auch von uns. DieHungernden sind Bürgerinnen undBürger dieser Welt.

Leila Aboulela (Südsudan), Andreas Ammer(Deutschland), NoViolet Bulawayo (Simbabwe),Alex Capus (Schweiz), György Dragomán (Un-garn), Lutz van Dijk (Deutschland/ Südafrika),Peter Esterhazy (Ungarn), Nuruddin Farah (So-malia/Südafrika), Diana Ferrus (Südafrika), Abdul-razak Gurnah (Tansania), Guy Helminger (Lu-xemburg), Felicitas Hoppe (Deutschland), RanjitHoskoté (Indien), Carsten Jensen (Dänemark),Jamal Mahjoub (Südsudan), Abbas Khider (Irak/Deutschland), Easterine Kire Iralu (Indien), AngelaKrauss (Deutschland), Michael Krüger (Deutsch-land), Robert Menasse (Österreich), Pedro RosaMendes (Portugal), Meja Mwangi (Kenia), Micha-el Obert (Deutschland), José Oliver (Deutsch-land/Spanien), Niyi Osundare (Nigeria), ChristophRansmayr (Österreich), Christine und RudolfScholten (Österreich), Jan Seghers (Deutsch-land), Brita und Wolf Steinwendtner (Österreich),Véronique Tadjo (Republik Elfenbeinküste), Ste-phan Thome (Deutschland), Uwe Timm (Deutsch-land), Ilija Trojanow (Deutschland/Österreich),Abdourahman Waberi (Dschibuti), John Wray(Vereinigte Staaten), Jean Ziegler (Schweiz)

tatt Mitleid für Ostafrika iftsteller für solidarisches Handeln und strukturelle Veränderungen

Page 28: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

Südafrika ist, gemessen an seiner

Bevölkerungszahl von knapp 50

Millionen Menschen, weltweit das

größte Einwanderungsland. Zwisch-

en vier und sechs Millionen afrikani-

sche Migranten leben in Südafrika.

Sie alle suchen ein besseres Leben

am Kap der Guten Hoffnung. Statt

aber die Menschenrechte der Ge-

flüchteten zu stärken, orientiert sich

die südafrikanische Regierung an

den in Europa erprobten Konzepten

der Abschottungspolitik: Das Dritt-

staatenprinzip soll Schutzsuchende

fernhalten, es drohen Kettenabschie-

bungen bis ins Herkunftsland. Zu-

gleich versucht Südafrika mit einem

Immigrationsgesetz Arbeitskräfte

nach Bedarf anzuwerben.

Seit den gewalttätigen Ausschreitun-

gen gegen Flüchtlinge 2008 haben

sich die Lebensbedingungen für Asyl-

suchende in Südafrika deutlich ver-

schlechtert. Wie ist die Lage heute?

Es gibt weiterhin keinen Schutz für dieFlüchtlinge, die Menschen leben auf derStraße. Die Gewalt gegen sie dauert an.Es leben heute schätzungsweise 1,5Millionen Flüchtlinge aus Simbabwe inSüdafrika, die meisten ohne anerkann-ten Flüchtlingsstatus. Auch anerkannteFlüchtlinge leben unter prekären Um-ständen. Sie werden von den Arbeitge-bern auf Großfarmen, im Bergbau oderin der Industrie ausgebeutet. Bei Polizei-kontrollen müssen sie sich regelmäßigmit Schmiergeld freikaufen. Hier versu-chen wir zu intervenieren.

Wie viele Flüchtlinge passieren gegenwärtig die Grenze?

Heute kommen täglich etwa 1.000 Men-schen aus Simbabwe nach Südafrika.Mit der erneut zunehmenden staatlichenRepression in Simbabwe zeichnet sichbereits eine Steigerung der Flüchtlings-zahlen ab.

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südafrika

Flüchtlingsabwehr am Kap der Gabriel Shumba vom Zimbabwe Exiles Forum aus Pretoria zur afrikanischen Flüchtlingspolitik und den Chancen eines kü

„Wir befürchten ein Wiederaufflammen der Gewalt“:Demonstration gegen Angriffe auf Flüchtlinge, Kap-stadt 2008. Foto: Reuters

Page 29: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

Wo werden die Flüchtlinge unter-

gebracht?

Anders als in Europa gab es in Süd-afrika nie offizielle Lager, die meistenFlüchtlinge campierten auf der Straßeoder kamen in Kirchen unter. In der Me-thodistischen Kirche in Johannesburggibt es ein inoffizielles Camp mit 3.000simbabwischen Flüchtlingen. Das Pro-blem ist, dass sich niemand für dieFlüchtlinge zuständig fühlt. Die südafri-kanische Regierung tituliert sie als „Wirt-schaftsmigranten“, die InternationaleOrganisation für Migration (IOM) küm-mert sich ausschließlich um Menschen,die in ihre Herkunftsländer zurückkehrenwollen.

Wie ist die rechtliche Situation? Wer-

den die Menschen aus Simbabwe und

anderen Ländern in Südafrika gedul-

det, bekommen sie einen Aufenthalts-

status?

Die südafrikanische Regierung weigertsich bis heute zuzugeben, dass die Poli-tik in Simbabwe überhaupt Flüchtlings-ströme hervorruft. Nur die wenigstenwerden daher als Flüchtlinge anerkannt.In Südafrika gibt es derzeit über 300.000unbearbeitete Asylanträge. Die Regie-rung genehmigt befristete Arbeitserlaub-nisse, aber nach drei Jahren droht die

Abschiebung, wenn Flüchtlinge sich aufdiesen Deal einlassen.

Gleichen sich die europäische und die

südafrikanische Flüchtlingspolitik an?

Neu ist die Anwendung des Drittstaaten-prinzips nach europäischem Vorbild.Das heißt, wenn ein Flüchtling über ei-nen sogenannten sicheren Drittstaat ein-reist, dann wird ihm der Asylstatus ver-weigert. Es droht die Abschiebung bisins Herkunftsland. Zeitgleich werden ge-zielt qualifizierte Arbeitskräfte angewor-ben. Hier europäisiert sich der südafrika-nische Umgang mit Migrantinnen undMigranten.

Worin liegen die Ursachen der andau-

ernden Gewalt gegen Migranten?

Die Regierung Südafrikas bestreitet ein-fach die Fluchtgründe aus Simbabwe.Für das Innenministerium handelt es sichauch bei Asyl suchenden Simbabwernausnahmslos um „Wirtschaftsflüchtlinge“,die der chaotischen Situation in ihremHerkunftsland entkommen wollen. Darü-

29

Guten Hoffung Europäisierung der süd-

nftigen Simbabwe

Fo

to: m

ed

ico

Page 30: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

ber hinaus sind die eigentlichen Flucht-ursachen in der südafrikanischen Bevöl-kerung wenig bekannt. Noch immer ex-istiert das veraltete Bild vom vormalsreichen Nachbarland, das einst als Korn-kammer Afrikas galt. Wir vom SimbabweExile Forum versuchen dieses Bild zukorrigieren. Hinzu kommt, dass dieFlüchtlinge zu Mitkonkurrenten der eben-falls benachteiligten Südafrikaner aufdem Arbeitsmarkt im informellen Sektorgeworden sind. Leider ist die Xenopho-bie in Südafrika auch institutionalisiert.In Krankenhäusern herrscht eine rassis-tische Grundstimmung, genauso bei derPolizei und im Rechtswesen.

Droht die Lage erneut zu eskalieren?

Flüchtlinge werden immer wieder atta-ckiert, wenn sich vor den BehördenSchlangen bilden, um eine Duldung inSüdafrika zu erreichen. Ich habe mir vorOrt ein Bild der Lage gemacht und warschockiert über die Situation. EinigeMenschen harren tagelang vor der Be-hörde aus, aus Angst, dass sie sonstdiese Chance verpassen. Wir befürch-ten, dass es in der nächsten Zeit nichtnur zu einer Zunahme von Abschiebun-gen kommen wird, sondern auch zueinem Wiederaufflammen xenophoberGewalt. Deshalb haben wir eine Informa-

Page 31: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

tionskampagne gestartet, die sich an dieBevölkerung in Südafrika richtet undzudem den Flüchtlingen Rechtsberatunganbietet.

Ihr sammelt Daten zu den gravieren-

den Menschenrechtsverletzungen in

Simbabwe. Wie stellt ihr die Bezie-

hung zu den Opfern der staatlichen

Folter her?

Unsere Gesprächspartner wissen, dasswir selbst ähnliche Erfahrungen gemachthaben. Wir haben uns inzwischen mitOrganisationen zusammengeschlossen,die psychologische Beratungen anbie-ten. Viele Menschen sind in doppelterHinsicht traumatisiert, weil sie nach ihrenschlimmen Erlebnissen in Simbabwe inSüdafrika keinen Schutz bekommen,sondern erneut verfolgt oder vergewaltigtwerden.

Wie schätzt ihr die Chancen ein, dass

den Opfern des Regimes Mugabe Ge-

rechtigkeit widerfahren wird?

Es wird sicher noch eine Weile dauern,aber es wird die Zeit einer juristischenAufarbeitung des Regimes kommen. DieVerfolgung der Verbrechen in Ruandaund Sierra Leone zeigt, dass in Afrika dieKultur der Straflosigkeit begonnen hat zuenden.

Interview: Sabine Eckart / Anne Jung

31

Projektstichwort

Das Zimbabwe Exiles Forum (ZEF) in Pretoria setzt sich für das Bleiberecht von Flüchtlingenin Südafrika ein und registriert und dokumentiert die anhaltenden Menschenrechtsverlet-zungen in Simbabwe. Zugleich ist das ZEF in südafrikanischen Vernetzungsinitiativen zurPrävention xenophober Gewalt aktiv. Hier arbeitet das ZEF auch mit einem anderen langjäh-rigen südafrikanischen medico-Partner zusammen, der Khulumani Support Group, einerSelbsthilfeorganisation von Apartheidopfern, die zuletzt den deutschen AutomobilkonzernDaimler für sein Engagement im Südafrika der Apartheid anklagte. Vergangenheit und Ge-genwart in Südafrika haben im Kampf gegen Ausgrenzung und Xenophobie immer wiedergemeinsame Akteure. Das Spendenstichwort lautet: Südafrika.

„Kein Schutz in Südafrika“: Flüchtlingeaus Simbabwe in einem besetztenHaus im Zentrum von Johannesburg.Foto: Reuters

Page 32: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

as Wasser kam schmatzend, gur-gelnd, mit dumpfem Grollen. Undes kam schnell. Es regnete schon

seit Tagen. Der Pegel des Indus stieg, amOberlauf hatte der Strom schon ganzeLandstriche überschwemmt. Doch die Fa-milien in Darri, einem kleinen Dorf im KreisKashmore im äußersten Nordzipfel derProvinz Sindh fühlten sich sicher. Dannaber brach im Morgengrauen der Deich.

32

Martina Doering ist Politikredakteurin

der Berliner Zeitung. Mitte Juli hatte

sie Gelegenheit die pakistanische

medico-Partnerorganisation HANDS

mehrere Tage zu begleiten. Ihre Re-

portage erschien anlässlich des Jah-

restages der großen Flut von 2010

auch in der Frankfurter Rundschau.

pakistan

Wenn der Dorfrat entscheidetErfolgreicher Wiederaufbau im Jahr Eins nach der Jahrhund

D

Page 33: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

33

Noor Hassan, der Töpfer, seineFrau und ihre drei Kinder konntensich retten, sie konnten ein biss-chen Geld und ein paar Habselig-keiten in Sicherheit bringen. Haus-rat, Viehzeug und auch die Töpfer-scheibe blieben zurück. Über zweiMonate haben sie auf dem Mittel-streifen einer Straße in der 13Kilometer entfernten Kreisstadtcampiert.

Glück im Unglück

Ein Jahr ist das her. Jetzt sitztNoor Hassan vor seinem neuenSteinhaus, packt einen KlumpenLehm auf die Töpferscheibe, legtdie Hände darum und dreht einenbauchigen Krug. Die Töpferschei-be steht in einer Grube, der 45-Jährige sitzt auf dem Rand undbringt mit einem Fußpedal dieScheibe in Schwung. Sein Haar istgrau, das Gesicht zerfurcht, dieHände sind rissig. Seine Frau ver-ziert die Krüge mit stilisierten Blü-tenblättern. 25 bis 30 Stück schaf-fe er am Tag, sagt Noor Hassan,für zehn Rupien je Krug.

Die Leute aus dem Dorf quittierenseine Antwort mit erstauntem Mur-meln. Zehn Rupien – nicht einmal

zehn Eurocent – sind für sie ziemlich vielGeld. Die Aufmerksamkeit ist dem Töpferunangenehm. Er stoppt die Töpferschei-be, klettert aus der Grube, stellt sichstocksteif hin und erklärt, das Wasserhabe seinen Lehmberg hinterm Dorf weg-gespült, er müsse den Rohstoff jetzt kau-fen und hierher transportieren. Das koste.Außerdem bekämen manche Gefäßebeim Trocknen Sprünge. Allerdings finde

die Ausschussware jetzt eine gute Ver-wendung, fährt Noor Hassan fort und zeigtauf ein Gebilde auf dem Platz vor seinemHaus, das fast wie ein Kunstwerk aus-sieht. Dort sind kaputte Krüge, in Betongefasst, zu einer spiralförmigen Mauer umeine Pumpe aufgetürmt: Es ist der neueWaschplatz für Frauen und Kinder.

Auf dieses Badehaus ist der Töpfer ge-nauso stolz wie auf sein neues Haus. Ineinem Zimmer stehen eine Blechtruheund ein Bettgestell, in der Ecke liegen De-cken. Im zweiten Zimmer sind Töpfe, Be-cher und Tassen in einem groben Holz-regal aufgereiht. Auch die Nachbarn ha-ben wieder ein Dach über dem Kopf. DieMoschee ist repariert, und es gibt sogarein kleines Gemeindehaus. Die Bewohnervon Darri hatten Glück.

Noor Hassan nennt es Gottes Willen. Imgleichen Atemzug erwähnt er HANDS.Die Health and Nutrition DevelopmentSociety ist eines der größten pakistani-schen Hilfswerke. Die 1979 von jungenÄrzten gegründete Organisation ist vonder Regierung unabhängig und arbeitetvor allem in der Provinz Sindh. Unterstütztwird HANDS von Einheimischen, aberauch von ausländischen Organisationen,zum Beispiel der deutschen medico inter-national.

HANDS und medico international wollenden Leuten nicht nur Häuser bauen, einpaar Pumpen schenken und dann alsGlücksbringer ins nächste Dorf weiterzie-hen. „Die Flutopfer bekommen Unterstüt-zung, aber sie müssen sich auch selberhelfen“, erklärt Murtaza Noonari. Er ist mit27 Jahren einer der jüngsten Mitarbeiterdes pakistanischen Hilfswerks und Pro-gramm-Manager, also Chef all seiner Pro-jekte in diesem Kreis.

ertflut

Kommunaler Hausbau im Distrikt Thatta, im südlichen Sindh. Fotos: HANDS

Page 34: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

Murtaza Noonari hat ständig zwei Tele-fone am Ohr, er witzelt über die Geheim-dienstler, die dem Auto folgen und er er-zählt auf dem Weg von einem Dorf zumnächsten, dass er zu Pakistans junger,noch nicht allzu starker Partei der Grünengehört. Zwischen zwei Telefonaten erklärter die Arbeitsweise von HANDS: „DieDorfbewohner wählen einen Dorfrat undentscheiden gemeinsam, was sie am drin-gendsten brauchen. Jede Familie musszehn Prozent der Kosten ihres neuenHauses übernehmen. Sie arbeiten mitoder geben Geld.“ Dieses Beteiligungs-prinzip, sagt er, gelte auch für die Gemein-debauten, ob Moschee oder Versamm-lungshaus.

Noor Hassan und sein Dorf hatten alsonicht nur Glück, und sie haben auch Got-

tes Willen nicht allzu sehr strapaziert: Siehaben mit angepackt. HANDS hat inzwi-schen 35.000 Häuser in den Flutgebietengebaut, Fischer haben neue Boote be-kommen, 3.500 mobile Medizinteams sindim Einsatz und 16 Modelldörfer wurden er-richtet.

Ismael Mirjat ist eines davon. Rund 60Häuser stehen in vier Reihen, mit je einemRaum sowie einem Kochverschlag undeinem Klohäuschen. Kitschige Säulen tra-gen Vordächer, um die sengende Sonneabzuhalten. Im Gesundheitszentrum sitztSarina Karim an einem Tisch mit Medizin-flaschen, Tablettenpäckchen und einemBlutdruckmesser. Durchfall, Fieber, Blut-hochdruck – das alles kann die runzligeFrau behandeln. Schwere Fälle, sagtsie, schickt sie per Eselkarren zum Arzt in

34

Page 35: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

die Stadt. Dorfrat-Chef Ismail Mirjat zeigteine Nähstube und schließlich seinenneuen Eselskarren, mit dem er Holz sam-melt, das er in der Stadt verkauft – undmanchmal eben auch Patienten transpor-tiert. „Früher hatten wir nur Bretterver-schläge, keine Latrinen, kein Gesund-heitszentrum. Heute geht es uns besserals vor der Flut“, sagt er.

„Doch unsere Ressourcen sind begrenzt“,sagt Noonari. „Allen können wir nicht hel-fen. Die Zerstörungen waren einfachzu gewaltig.“ Mit seiner Arbeit in Sindhsteht das Hilfswerk ziemlich alleine da.Während sich im Norden des Landes dieinternationalen Organisationen drängen,machen sie sich in dieser Gegend rar.Denn die Bewohner hier zeigen keineSympathien für die Taliban, und die aus-

ländischen Hilfsunter-nehmen engagieren sichnun einmal dort amstärksten, wo ihre Regie-rungen den Einfluss derreligiösen Extremistenzurückdrängen wollen: inden Grenzgebieten zuAfghanistan etwa. DiePakistani dort sollen denWesten schätzen lernenund ihre Taliban-Sympa-thien begraben.

Die Frage des Eigentums

Das Dorf Patel Allah-denu gehört zu denAnsiedlungen im KreisKashmore, die Pechhaben. Dort setztenHANDS und medico nurdie Schule instand. Mur-

taza Noonari will aber auch dieses Dorfzeigen. Auf einer öden Fläche sind einpaar Zelte und Bretterverschläge verteilt,der Wind wirbelt Sand auf, es wächst keinBaum und kein Strauch. Die Sonnebrennt. Dann taucht Frau Papu auf, imSchlepp ein paar Kinder. Sie strebt einemder offenen Verschläge zu und winkt, ihrzu folgen. Das ist ihr Heim: Eine zwischenHolzpfählen gespannte Plane, unter derein eisernes Bettgestell steht, auf der Erdesind Töpfe gestapelt. Frau Papu überlegtlange, was sie auf die Frage nach ihremAlter und der Zahl ihrer Kinder antwortensoll. „Fünfzig vielleicht“, sagt sie, „und sie-ben Kinder.“ Die Halbwüchsigen würdenwie die Männer des Ortes auf den Felderndes Grundbesitzers arbeiten. Letztes Jahrhabe dieser zwar die Abgaben erlassen,nun aber müssten sie wieder liefern: Wersein Saatgut vom Landbesitzer bekam,muss ihm 75 Prozent der Ernte bringen.Niemand hilft uns, klagt Frau Papu. Dannlegt sie los: Sie bräuchten Häuser, Was-serpumpen, Saatgut, Ackergerät, Brun-nen. Es klingt wie eine Bestellung.

Murtaza Noonari schweigt, versprichtnichts und erklärt auf der Fahrt in dieStadt, warum Patel Allahdenu wohl nie alsModelldorf ausgewählt wird: Die Eigen-tumsverhältnisse des Bodens, auf demdie Zelte stünden, seien ungeklärt. DieDorfgemeinschaft konnte sich nicht aufeinen Dorfrat einigen. „Über die Wahleines Frauenrates haben sie nicht einmalnachgedacht“, sagt er. Sie hofften nun,dass ihnen die Behörden helfen odereben Gott, sagt er noch und verzieht denMund. Die Chancen dafür, soll das wohlheißen, stehen eher schlecht.

Die für Patel Allahdenu zuständigen Be-hörden sitzen in Kandhkot. Dort wartetNisar Channar von der Desaster Manage-

35

Einbeziehung der Bevölkerung: Eröffnung eines Gesundheitszentrums.

Page 36: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

ment Authority, einem Büro, das für dieBewältigung der Flutkatastrophe zustän-dig ist. Dunkler Bart und kurzes Haar,strenger Blick und abweisende Miene –Nisar Channar bestätigt auf den erstenBlick alle Klischees, die man von einempakistanischen Gotteskrieger haben mag.

Der Beamte reagiert anfangs auf jedeFrage, als sei sie ein Angriff auf die Inte-grität seines Landes – und zählt erst ein-mal alles auf, was die Regierung geleistethat: 60 Prozent der Straßen seien repa-riert, 70 Prozent der Telefon- und Strom-leitungen. Doch plötzlich legt er seinebeleidigte Attitüde ab: „Das Ausmaß die-ser Katastrophe“, sagt er, „hätte wohl jedeRegierung überfordert. Nach ersten Start-schwierigkeiten haben die Behörden allesgetan, was in ihrer Macht stand.“ NisarChannar weiß um das schlechte Imageseines Landes. Der 38-Jährige antwortetjetzt auf Fragen, die ihm gar nicht gestelltsind. „Bisher ist kein Skandal bekannt ge-worden, dass Spendengelder veruntreutwurden, die Armee ist wieder zurück inden Kasernen, die Taliban haben vomElend der Menschen nicht profitiert“, sagt

er. „Wir wissen, dass sich viele Leute da-rüber beklagen, dass sie das von der Re-gierung versprochene Geld noch nichterhalten haben.“ Er meint die sogenannteWatan-Card, mit der jede von der Flut be-troffene Familie 20.000 Rupien (umge-rechnet 160 Euro) erhalten sollte. Diemeisten haben erst einen Bruchteil dieserSumme bekommen. Dann wendet er sichum Zustimmung heischend an MurtazaNoonari, den Mitarbeiter von HANDS: „Wirhaben die Hilfsorganisationen vorbehalt-los unterstützt.“

„Zumindest haben sie uns nicht behin-dert“, sagt Murtaza Noonari nach dem Ge-spräch vor der Tür. Er räumt ein, dass dieZusammenarbeit gut funktioniert hat. Erstneuerdings machten Provinzbeamte, Po-lizei und Geheimdienstler wieder Schwie-rigkeiten, vor allem wenn er mit Besuch-ern käme. Das Bild allerdings, dass derKatastrophen-Manager gezeichnet habe,hält er für geschönt: Ob das versprocheneGeld ausgezahlt werde, sei fraglich.Zudem lebten noch viel zu viele Men-schen in Notunterkünften.

36

Page 37: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

Schließlich erfüllt Murtaza Noonari nocheine Bitte, die der Beamte geäußert hat:Man solle sich die Arbeiten am Tori Bandansehen, dem Damm, der vor einem Jahrden Fluten nicht mehr standgehaltenhatte. Murtaza Noonari organisiert denBesuch. Dafür muss er fast eine Stundetelefonieren und offenbar mit ziemlichallen Behörden sprechen, die im Kreisetwas zu sagen haben.

Das neue Bollwerk

Der Weg zu jener Stelle, an der die Flutendas Bollwerk zerstörten und damit das Un-glück für fast sieben Millionen Menschenin der Provinz Sindh begann, führt übereinen holprigen Deich und durch tiefeSchlaglöcher. Abgemagerte Ziegen ste-hen bewegungslos in der Landschaft: DieHitze ist unerträglich. Selbst die Klimaan-lage des Autos versagt. Es sollhier, sagt Murtaza, die heißesteGegend der Welt sein. Nach eini-gen Kilometern gabelt sich derDeich und bildet ein Dreieck. Hierteilt sich der Indus in einen linkenund einen rechten Arm. JedeSeite braucht ihr eigenes Boll-werk. Die Wälle sind neu aufge-schüttet, Drahtkästen mit Steinensichern die Böschung. Baggerund Lkws stehen still. Es sei be-reits Feierabend, sagt MustafaScheich, der in einem großen Zeltwartet. Der Ingenieur leitet denWiederaufbau des Deichs.

Der unfertige Eindruck täusche,sagt er: Die Arbeiten seien abge-schlossen, das neue Bollwerkhalte jetzt jeder Flut stand. Weilaber Mustafa Scheich Ingenieurund kein Politiker ist, hält er auch

mit Kritik nicht zurück. Über 50 Jahre –und damit fast so lange, wie Pakistan exis-tiere – sei nichts an den Deichen gemachtworden. „Sie waren schon porös, als ich1984 in der Wasserwirtschaft zu arbeitenbegann“, sagt er. Er habe die ganze Zeitgewarnt. Vergebens. Jetzt aber könntensich die Menschen endlich sicher fühlen.Allerdings, fügt er hinzu, sei das nichtüberall der Fall. In vielen Regionen desLandes hätten die Reparaturen noch nichteinmal begonnen.

Mustafa Scheich schaut auf die Wasser-massen des Indus. Der Pegel des Stromssteigt jetzt wieder unaufhörlich. Am Ober-lauf hat schon der Monsun eingesetzt, ersoll erneut enorme Regenfälle mit sichbringen. Zwei Millionen Menschen, sowarnen die Behörden bereits, könntenauch in diesem Jahr von Überschwem-mungen betroffen sein.

Projektstichwort

medico fördert den Wiederaufbau von weiteren 20 Dörfern für ca. 1.000 Familien durch HANDS.Darüber hinaus wird ein Projekt des Pakistan Insti-tute for Labour Education & Research (PILER) unterstützt. PILER betreibt intensive Lobby- undAnwaltschaftsarbeit im Bereich der Landrechtesowie für soziale Absicherung und Gerechtigkeit.Geplant sind weitere Kooperationen mit dem SindhLabour Relief Committee (SLRC) und der OmarAsghar Khan Development Foundation (OAKDF).

Mittlerweile hat die Herbstflut 2011 zahlreicheDämme im Süden des Sindh gebrochen. medicounterstützt deshalb neben dem langfristigen Wie-deraufbau auch die neuerliche Nothilfe unserer pakistanischen Partner. 100 Hauptamtliche und500 Freiwillige wurden in die fünf am schwerstenbetroffenen Distrikte entsandt. HANDS evakuiertebislang 5.000 Personen und versorgt diese nun indrei Nothilfecamps. Das Spendenstichwort lautet:Pakistan.

37Modelldörfer in Mitbestimmung: Bessere Dächer als vor der Flut.

Page 38: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

er Mord an dem Gründer desFreedom Theatre Jenin, JulianoMer Khamis, ist noch immer nicht

aufgeklärt. Trotzdem setzen das Theaterund die Schauspielschule ihre Arbeit fort.Auch die länger geplante Deutschland-Tournee findet statt. Theaterschaffendein Deutschland begleiten die Tournee miteinem gemeinsamen Aufruf für das Fort-bestehen dieser einzigartigen Kulturein-richtung. Es folgen Auszüge:

„Wie sieht die Zukunft in einem Käfig

aus? Wie kannst du Gefühle ausdrück-

en, wenn du nicht weißt, mit wem du sie

ausdrücken kannst? Was bedeutet es,

an einem Ort aufzuwachsen, an dem

andere deine Zukunft immer kontrollie-

ren? Ein Ort, an dem die Schwachen

keinen Platz in der Gesellschaft haben

und der einzige Weg zu überleben ist,

Stärke zu zeigen? Wer sind wir?“

Das Freedom Theatre aus dem Flücht-

lingslager Jenin kommt wieder nach

Deutschland. In ihrem neuesten Stück

zeigen die jungen Schauspielschüler

den Lebensrhythmus ihrer Generation

im Zeichen von Besatzung und Gewalt –

eine Realität, die reaktionäre Erklärungs-

muster bestärkt und patriarchale inner-

palästinensische Machtstrukturen ver-

schärft. In diesem Teufelskreis möchte

das Freedom Theatre ein Ort sein, an

dem der Einzelne die Wahl einer freien

Entscheidung und einer eigenen politi-

schen Haltung hat sowie Unrecht als Un-

recht erkennt. Es gibt keine Alternative

zu diesem Wagnis. Deshalb rufen wir ge-

meinsam mit der sozial-medizinischen

Hilfs- und Menschenrechtsorganisation

medico international zur Unterstützung

des Freedom Theatre auf, das den poli-

tischen Weg Juliano Mer Khamis weiter

beschreiten möchte.

Unterzeichner:

Jean-Claude Berutti, Präsident &

Christa Müller, General Secretary, Euro-

pean Theatre Convention, Amelie Deufl-

hard, Intendantin, Kampnagel, Thomas

Engel, Direktor, Zentrum Bundesrepublik

Deutschland des Internationalen Thea-

terinstituts (ITI Deutschland / Theater

38

medico aktiv

D

Solidarität mit dem Freedom TheatrePartner aus Jenin wieder in Deutschland

»Zäsuren« – Unter diesem Motto stehtdie Reihe „medico trifft ...“, die medicointernational in Kooperation mit demMousonturm in Frankfurt/Main veran-staltet. Die Zäsuren, um die es gehensoll, spiegeln sich in Regionen desKongo, in kleinen Projekträumen mit-ten im Gaza-Streifen, an den Rändernder schmelzenden Gletscher. Dahinterwerden globale Fragen sichtbar: Kriegund Gewalt als permanentes Prinzip,

medico trifft...Eine Veranstaltungsreihe im Mousonturm Frankfurt

„Sho Kman – Was noch?“ Das neue Stückaus Jenin. Foto: Freedom Theatre

Page 39: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

der Welt), Ulrich Khuon, Intendant des

Deutschen Theaters Berlin & Vorsitzen-

der der Intendantengruppe im Deutschen

Bühnenverein, Joachim Klement, Ge-

neralintendant, Staatstheater Braun-

schweig, Bettina Kocher & Ralf Clas-

sen, Kinderkulturkarawane, Anja Niodu-

schewski, Dramaturgin, Centraltheater /

Schauspiel Leipzig, Thomas Ostermei-

er, Intendant, Schaubühne am Lehniner

Platz, Tobias Pflug, Künstlerischer Lei-

ter, Explosive! Festival 2011, Schlachthof

Bremen, Peter Spuhler, Intendant, Badi-

sches Staatstheater Karlsruhe

Das Freedom-Theatre startete seineTournee am 6. September. Sie geht bis zum 28. Oktober. Stationen sindu.a.: Aschaffenburg, Berlin, Hamburg,Freiburg, Marburg. Die genauen Tour-needaten entnehmen Sie dem Internet: www.medico.de/freedomtheatre

39

ein Sicherheitsverständnis, das die Pro-bleme nicht mehr löst, sondern weg-sperrt, die Beunruhigung der Klimakatas-trophe. Die Gesprächspartner: AndreaBöhm begleitet als Journalistin seit vie-len Jahren die Umbrüche im Kongo undtrifft im afrikanischen Alltag Menschen,die eine ganz andere Geschichte erzäh-len als nur die von Gewalt. Die Psycho-analytikerin Ursula Hauser führt seitvielen Jahren im Gaza-Streifen Psycho-drama Workshops durch und schafftdabei einen sozialen Beziehungsraum,der die Wirklichkeit des Gaza-Streifenstranszendiert. Der Schriftsteller Ilija Tro-janow nähert sich in seinem 2011 er-schienenen Roman der Klimakatastro-

phe mit ihren vorhersehbar verheeren-den Folgen aus der Perspektive einesGletscherforschers an.

04.10.11, Andrea Böhm (Journalistin):GOTT UND DIE KROKODILE – EINE REISE DURCH DEN KONGO18.10.11, Ursula Hauser (Psycho-analytikerin): ZEICHEN DER ANER-KENNUNG – PSYCHODRAMA IN GAZA15.11.11, Ilija Trojanow (Schriftsteller):EISTAU – DER KAMPF GEGEN DENKLIMAWANDEL IST EIN KAMPF UMSÜBERLEBEN

Beginn jeweils 19.30 Uhr, Eintritt: 5 Eurowww.medico.de/trifft

Page 40: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

Reisen in die Zivilgesellschaftmedico-Projekte und ihre Kontexte aus der Nahsicht

Im Rahmen der „Reisen in die Zivilgesellschaft“, die die Berliner tageszeitung veranstaltet, werden auchregelmäßig Projektpartner von medico besucht. Die Zusammenarbeit von taz und medico hat sich insbe-sondere bei den Reisen nach Palästina/Israel bewährt.Bis zum Jahreswechsel 2011/12 werden u.a. Reisen in den Iran, die Türkei und Mali angeboten. Für diebereits ausgebuchte Reise nach Guatemala im Februar 2012, die von unserem medico-Kollegen vor Ort,Dieter Müller, vorbereitet und geleitet wird, gibt es nur den Platz auf der Warteliste. Wir klären gerade, obdie Guatemala-Reise im Februar 2013 noch einmal angeboten wird.

Weitere Informationen unter www.taz.de/tazreisen

Fluchtursache Reichtum

Migration und Rohstoffhandel in Afrika

(44 S.) Gold, Diamanten, Baumwolleund Fischbestände: In einigen Län-dern Westafrikas zeigt sich, dass ge-rade der Reichtum an Rohstoffen dieMigrationsbewegungen innerhalb Afri-kas und nach Europa hervorruft.

Sie finden hier eine Auswahl der Materialien,die medico mit viel Sorgfalt erstellt und zu In-formations- und Bildungszwecken kostenfrei(mit einigen gekennzeichneten Ausnahmen)zur Verfügung stellt.

Sie helfen medico und den Projektpartnernsehr, wenn Sie zur Weiterverbreitung dieserMaterialien beitragen! Machen Sie Freunde,Bekannte, Arbeitskollegen auf das rundschrei-ben, die medico-Stichworte, die Minenzeitungaufmerksam!

Die vollständige Liste unserer Materialien stehtim Internet bereit: unter www.medico.de fin-den Sie über „Kontakt Service Presse/Publika-tionen & Material“ die hier abgebildeten undalle weiteren Publikationen zum Bestellen oderHerunterladen.

Für Nachfragen stehen wir Ihnen gerne

unter Tel. (069) 944 38-0 zur Verfügung.

medico-Jahresbericht 2010

(36 S.) Projekte, Netzwerke, Aktionen, Kampagnen: derGesamtüberblick mit Grund-sätzen und Finanzbericht.

Auf Rohstoffraub

Kampagnenmaterial zur EU-Rohstoffinitiative

Weltweit steigt die Nachfrage nachRohstoffen. Die EU sichert sich denschrankenlosen Zugang. Verlierersind die Länder des globalen Südens.Attac und medico fordern mit derKampagne gegen Rohstoffraub eine

radikale Abkehr von der auf Wachstum ausgerichteten Wirt-schaftspolitik. Bestellen Sie Plakate, Flyer oder Aufkleber.

40

Liebe Leserinnen und Leser,

materialliste

Page 41: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

bestellcoupon

______ medico-Jahresbericht 2010

______ Broschüre: Fluchtursache Reichtum

______ Auf Rohstoffraub: Plakat DIN A2

______ Auf Rohstoffraub: Flyer (8 Seiten)

______ Auf Rohstoffraub: Aufkleber, 60x40 mm

______ Broschüre: stiftung medico international

______ medico-Kurzvorstellung

______ medico-Stichwort: Haiti

______ medico-Stichwort: Pakistan

______ medico-Stichwort: Israel / Palästina

______ Plakat WHY? DIN A1

______ medico rundschreiben 01 | 11

______ medico rundschreiben 02 | 11

______ medico-Plakate Gesundheit DIN A1

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kostenlose Materialien bestellen

dass einmalig für diese Bestellung eine Spende

in Höhe von _______ € von meinem Bankkonto abgebucht wird.

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Bitte einsenden an:

medico international Burgstraße 106 D-60389 Frankfurt am Main

oder faxen an:(069) 43 60 02

Kontonummer: _______________________________

Bank: _______________________________________

Bankleitzahl: _________________________________

Datum: ______________________________________

Unterschrift: __________________________________

WHY? Jahr für Jahr sterben Flüchtlingean den Außengrenzen Europas

(DIN A1) Das Plakat können Sie kosten-los bei uns bestellen. Damit es unversehrtbei Ihnen ankommt, verschicken wir es in einer Plakatrolle. Weil dadurch die Ver-sandkosten sehr hoch sind (7,40 €), würden wir uns über eine Spende freuen.Spendenstichwort: Migration.

medico-Kurzvorstellung

(16 Seiten, DIN A6) Hilfe in der Not istunumgänglich. Ein politisches Verständ-nis von Hilfe geht aber darüber hinaus.medico und seine Partner stellen sich in12 Projektbeispielen vor.

Stichwort Pakistan

(16 S. DIN A5) Arbeitsalltag und Bei-spiele der medico-Projektarbeit inPakistan, verbunden mit einer Kurz-vorstellung von medico und seinemKonzept kritischer Nothilfe.

Broschüre stiftung

medico international

(16 S.) Übersicht über Ziele, Satzung,Struktur und steuerliche Aspekte derstiftung medico international.

Anzahl:

Stichwort Haiti

(16 S. DIN A5) Arbeitsalltag und Beispiele der medico-Projektarbeit inHaiti, verbunden mit einer Kurzvorstel-lung von medico und seinem Gesund-heitsverständnis.

Page 42: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

Adressänderung:

Bitte geben Sie bei Änderungen Ihrer Adresse auchIhre alte Anschrift und/oder die Spendernummer an.So ermöglichen Sie es uns, Sie zu „finden“, und hel-fen zugleich mit, Verwaltungskosten zu sparen.

Einmalige Spende:

Für Spenden ab 50 € schicken wir Ihnen eine Spen-denbescheinigung zu. Für alle Spenden unter die-sem Betrag empfehlen wir Ihnen, Ihrem Finanzamteine Kopie Ihres Kontoauszugs zusammen mit ei-nem Abriss eines medico-Überweisungsformularseinzureichen. Auf der Rückseite des Abrisses befin-den sich Informationen zum Freistellungsbescheid.Selbstverständlich stellen wir Ihnen auch für Spen-den unter 50 € auf Anfrage eine Spendenbescheini-gung aus. Wenn Sie mehr als einmal im Jahr spen-den, schicken wir Ihnen keine Einzelquittung, son-dern gerne zu Beginn des Folgejahres eine Jahres-spendenbescheinigung zu.

Fördermitgliedschaft:

Die Fördermitgliedschaft bei medico sieht keine Pro-jektbindung vor. Vielmehr unterstützen Sie damit un-sere gesamte Projekt- und unsere unabhängigeÖffentlichkeitsarbeit. Die regelmäßigen Beiträge un-serer Fördermitglieder ermöglichen es uns, langfris-tige und verbindliche Projektkooperationen einzuge-hen, aber auch flexibel zu reagieren, wenn akuteHilfe notwendig ist. Der jährliche Förderbeitrag liegt

Spendeninformation

bei mind. 120 €. Das wäre z.B. der relativ kleine Be-trag von 10 € monatlich. Für Leute mit wenig Geld(Auszubildende, Erwerbslose, Studierende) beträgtder jährliche Förderbeitrag 60 €. Für alle regelmäßi-gen Spenden (Fördermitgliedsbeiträge, Einzugser-mächtigungen und Daueraufträge) schicken wir Ih-nen jeweils im Januar des darauffolgenden Jahreseine Sammelbestätigung zu, auf der alle Spendendes Jahres aufgeführt sind.

Spendenquittungstelefon:

Tel. (069) 944 38-11, Fax: (069) 944 38-15 oderE-Mail: [email protected]

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medico international, Spendenkonto 1800, Frank-furter Sparkasse, BLZ 500 502 01

Vielen Dank, dass Sie unsere Arbeit mit einer Spen-de unterstützen! medico international ist gemeinnüt-zig und Ihre Spende ist steuerlich absetzbar.

stiftung medico international:

Wenn Sie, statt einer Spende – die unmittelbar in dieProjektförderung fließt – über eine Einlage in die stif-tung medico international – deren Wirkung auf Dauerangelegt ist – nachdenken, dann senden wir Ihnengerne weitere Informationen.

Sie können sich auch direkt an Frau Gudrun Kortaswenden: Tel. (069) 944 38-28 oder per Email: [email protected]

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Page 43: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

NEUStichwort: Israel/Palästina

(20 S. DIN A5) Partnerportraits & exem-plarische Beispiele der medico-Projekt-arbeit in Israel und Palästina, verbundenmit einer schönen Postkarte zum Weiter-schicken.

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„Die jüngsten nahöstlichen

Aufstände haben der Welt be-

wiesen, dass die Rationali-

tät der Menschen demokrati-

scher ist als die Rationali-

tät der herrschenden Ordnung

und Stabilität. Nicht nur

wir, auch unsere Partner in

Tel Aviv, Ramallah und Gaza

haben durch die Ereignisse

in Tunesien und Ägypten neuen

Mut gefasst.“

Foto: Virginie Terrasse/HansLucas.com

Page 44: medico-Rundschreiben 03/2011: Rechte statt Mitleid

medico international

Klassenhass von oben

„So’n paar grüne Jungs, ganz recht, arbeitsscheues Gesindel,

faule Lümmels, die ein Luderleben führen, Tag für Tag in den

Schenken rumhocken, bis der letzte Pfennig durch die Gurgel

gejagt ist. Aber nun bin ich entschlossen, ich werde diesen be-

rufsmäßigen Schandmäulern das Handwerk legen, gründlich.

Es ist im allgemeinen Interesse, nicht nur in meinem Interesse.“

Tuchfabrikant Dreißiger, in „Die Weber“, 1894,

von Gerhard Hauptmann

„Ihr werdet die volle Härte des Gesetzes spüren. Wenn ihr alt

genug seid um diese Verbrechen zu begehen, seid ihr auch alt

genug um die Bestrafung zu bekommen. Wer seine eigene

Gemeinde ausraubt und plündert, soll nicht länger das Recht

haben, in Sozialwohnungen zu leben.“

David Cameron, britischer Premierminister, 9. August 2011

„Das Kabinett muss nun mit aller Entschiedenheit all diese

linken Hobbys beschneiden, wie die Milliarden, die an die EU

gegeben werden, an die Entwicklungshilfe, in die Umwelt- und

Kunstförderung, in die Problemviertel, in die Einbürgerung

und so weiter.“

Geert Wilders, Holland, 2010

Ruhe nach dem Aufruhr: Tottenham, am 6. August 2011