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Bertram Blum Mehr-Wert fürs Leben Zum Profil der kirchlichen Büchereiarbeit Sankt Michaelsbund Landesverband Bayern e.V.

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Bertram Blum

Mehr-Wert fürs Leben

Zum Profi l der kirchlichen Büchereiarbeit

Sankt MichaelsbundLandesverband Bayern e.V.

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Mehr-Wert fürs Leben

Zum Profi l der kirchlichen Büchereiarbeit

Sonderdruck aus Bücherei aktuell 2011

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Referat bei den 76. Jahreskursen des Sankt Michaelsbundes im Juli 2011 in Schloss Hirschberg

Impressum:

Herausgeber: Sankt Michaelsbund, Landesverband Bayern e.V. Herzog-Wil helm-Stra ße 5, 80331 München Telefon: 089 / 23 22 5-0, Fax: 089 / 23 22 5-440 E-Mail: [email protected] Internet: www.st-michaelsbund.de

Gestaltung: Rudolf Kiendl, München

Herstellung; MDV Maristen Druck & Verlag GmbH, Landshuter Straße 2, 84095 Furth

Der Autor:Dr. phil. Bertram Blum, Dipl.-Theol., seit 1977 im Dienst der Diözese Eichstätt, Leiter der Abt. Weiterbildung im Bischöfl ichen Ordinariat, Direktor des Diözesanbildungswerkes, 1982-1990 Stv. Diözesanratsvorsitzender und Mit -glied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken, seit 1988 Mitglied im Vorstand der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenen-bildung (KBE), 1990 -2006 Vorsitzender der KBE-Kommission Theologie-Glaube-Bildung, 2000 - 2006 Vorsitzender der Konferenz der Bischöfl ichen Beauftragten für Erwachsenenbildung in den Deutschen Diözesen, seit 2006 Bundesvorsitzender der KBE, seit 1996 Diözesandirektor des Sankt Michaelsbundes Eichstätt und seit 2010 Stv. Vorsitzender des Landes-verbandes Bayern.

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Inhalt

Einleitung ........................................................................................................................................ 5

1. Der Blick auf die Zeit und die Menschen ..................................................................... 7

Die Individualisierung und ihre Folgen ......................................................................................... 7 Pluralismus und Mobilität .................................................................................................................. 8 Ökonomisierung, Dominanz der Wirtschaftlichkeit .................................................................. 8 Globalisierung ........................................................................................................................................ 8 Veränderung der Kommunikationsstrukturen ........................................................................... 8 Wandel des Wahrheitsbegriff es ........................................................................................................ 9 Wandel von Autorität ........................................................................................................................... 9 Rückkehr der Religion – aber an Gott und der Institution Kirche vorbei ......................... 9 Fundamentalismus ............................................................................................................................. 10 Glaubwürdigkeitskrise der Kirche ................................................................................................. 10

2. Voraussetzungen einer neuen Glaubwürdigkeit der Kirche – Vergewisserung eines theologischen Grundprogramms .................................... 12

3. Zum Profi l kirchlicher Büchereiarbeit .......................................................................... 16

3.1 Was heißt Profi l? ................................................................................................................................... 163.2 Kirchliche Büchereiarbeit als Pastoral .......................................................................................... 173.3 Deutung des „Firmenschildes“ Katholische öff entliche Bücherei ...................................... 18

4. Leitsätze für die kirchliche Büchereiarbeit ................................................................ 20

Kirchliche Büchereien sind off en für die zentralen Fragen des Lebens ........................... 20 Kirchliche Büchereien sind Nahtstellen zur Kultur unserer Zeit ......................................... 20 Kirchliche Büchereien machen die befreiende Kraft des Glaubens erfahrbar .............. 21 Kirchliche Büchereien leisten einen Beitrag zum Bildungsauftrag der Kirche .............. 21 Kirchliche Büchereien sind Orte der Begegnung in der Gemeinde .................................. 22 Kirchliche Büchereien sind Hilfe in Lebenskrisen .................................................................... 22 Kirchliche Büchereien dienen der Chancengleichheit ........................................................... 22

5. Konsequenzen für die Praxis .......................................................................................... 23

Schluss ............................................................................................................................................ 24

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Einleitung

Die Mitgliederversammlung des Sankt Michaelsbundes 2010 in Augsburg hat

sich für den Zeitraum der nächsten beiden Jahre für das Jahresthema entschie-

den „Mehr-Wert fürs Leben. Zum Profi l der kirchlichen Büchereiarbeit“ – mit gu-

tem Grund, so meine ich. Dieses Thema bietet nämlich die Chance, in Zeiten des

Umbruchs und der Neuorientierung kirchlicher Pastoral sich des Auftrags, des

Selbstverständnisses und der inneren Begründungszusammenhänge kirchlicher

Büchereiarbeit zu vergewissern.

In Zeiten wie diesen ist Profi l gefordert, Erkennbarkeit, Corporate Identity. Das gilt

für die Kirche insgesamt, das gilt auch für ihre Einrichtungen. Kirchliche Bücherei-

arbeit ist ein Teil gesellschaftlicher Mitgestaltung der Kirche. Deshalb ist sie im-

mer wieder angefragt, was sie unterscheidbar macht, was ihr Selbstverständnis,

ihre geistige Ortsbestimmung, ihre innere Begründung ausmacht, was letztlich

ihr Mehr-Wert ist.

Selbstvergewisserung ist also gefragt, Überprüfung der Grundausrichtung unse-

rer Arbeit, um diesen Dienst im Rahmen der Gesamtpastoral der Kirche möglichst

wirkungsvoll leisten zu können. Zwei aktuelle Anlässe können dabei unterstüt-

zend helfen:

2012 jährt sich zum 50. Mal der Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils. An

diesem bedeutendsten Kirchenereignis des 20. Jahrhunderts scheiden sich zwar

die Geister, aber es hat nach meiner Überzeugung die Weichen für eine zukunfts-

fähige Kirche gestellt.

Unter dem Thema „Im Heute glauben“ laden die Deutschen Bischöfe zu einem

Dialogprozess bis zum Jahr 2015 ein, dem es um eine vertiefte Klärung und Ver-

gewisserung in Bezug auf das Zeugnis der Kirche in der Welt und ihre Sendung

zu den Menschen geht. Der Fokus liegt dabei auf der Pastoralkonstitution über

die Kirche in der Welt von heute. Danach muss eine Kirche für die Welt von den

Menschen her denken, ihre Lebenssituation zur Kenntnis nehmen und Sinn und

Bedeutung des Evangeliums auch aus der Perspektive der anderen entdecken.

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Nur wenn sie sich der Konfrontation von Leben der Menschen und Evangelium

stellt – nichts anderes ist Pastoral – kann sie die Menschen erreichen und ihren

Auftrag zum Heil der Welt verwirklichen.

Die derzeitige Umbruchsituation globalen Ausmaßes ist ohne diese Konfronta-

tion, ist ohne Kommunikation, ohne die Fähigkeit des Brückenschlagens nicht zu

bewältigen. Kommunikation ist notwendig zwischen Kirche und Welt, zwischen

Religionen und Kulturen, die sich in unserer Welt begegnen, zwischen auseinan-

der driftenden Lebens- und Erfahrungsbereichen, unterschiedlichen ethischen

Orientierungen und für die Begegnung und Darstellung unterschiedlicher Mei-

nungen und Standpunkte zu umstrittenen gesellschaftlichen Themen.

Meine Ausführungen zum Thema möchte ich in fünf Schritten gehen:

Zunächst gilt es, den Blick auf die Zeit und die Menschen zu richten und nach

zielführenden Voraussetzungen zu fragen, wie diese Menschen zu erreichen sind.

In einem zweiten Schritt versuche ich, als Voraussetzung für kirchliche Glaub-

würdigkeit, in Grundzügen ein theologisches Programm, eine „Theologie der

Büchereiarbeit“ zu entwerfen. Im dritten Schritt geht es um das Profi l und die

Deutung unseres „Firmenschildes“ Katholische öff entliche Bücherei. In einem

vierten Schritt entwerfe ich sieben Leitsätze kirchlicher Büchereiarbeit und fasse

das Ganze schließlich in einem fünften und letzten Schritt in einigen praktischen

Konsequenzen zusammen.

Die ersten beiden Schritte oder Hauptpunkte entsprechen dem Begriff „aggior-

namento“, der in der Folge des II. Vaticanums von bestimmter Seite bewusst miss-

verstanden wurde, indem man ihn als „Anpassung an den Zeitgeist“ deutete. Es

geht dabei vielmehr um die Besinnung auf die Grundlagen und von da aus um

die Verheutigung der Botschaft, damit die Menschen der Zeit sie verstehen kön-

nen. Es geht weiter in diesem Zusammenhang um die immer wieder notwendige

Aktualisierung des Auftrags, in unserem Fall um den Auftrag kirchlicher Bücherei-

arbeit, also um Selbstvergewisserung.

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1. Der Blick auf die Zeit und die Menschen

Das Zweite Vatikanische Konzil fordert von den Christen Zeitgenossenschaft. Es

verpfl ichtet uns, „nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evan-

geliums zu deuten … Es gilt also, die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Be-

strebungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen.“ 1

Es geht also um die Fragen „In welcher Welt leben wir?“ und „Welche Herausfor-

derungen stellen sich heute?“ Diese Fragen sind grundlegend und ohne diese

Fragen kann man auch keine Strategien entwickeln, die richtige Antwort auf die

Herausforderungen fi nden und das eigene Profi l schärfen. Um es auf einen Nen-

ner zu bringen: Nie zuvor hat sich die Gesellschaft in Deutschland so grundlegend

und nachhaltig geändert wie in den vergangenen 50 Jahren mit einem radikalen

Umbruch von der modernen zur postmodernen Gesellschaft, also von der Indus-

triegesellschaft zur Informationsgesellschaft. Ich möchte dazu nur einige charak-

teristische Kennzeichen stichpunktartig, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit

nennen:

• Die Individualisierung und ihre Folgen

Hier handelt es sich im Grunde um eine Entwicklung seit der Entdeckung des

Individuums in Renaissance und Humanismus, einem wesentlichen Beweggrund

für den Beginn der Neuzeit und der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Mo-

derne, über die Aufklärung bis hin zur Autonomie des Individuums unserer Zeit.

Damit einher geht der Verlust traditioneller Bindungen, der Verlust von Solidarität

und eines allgemeinen Gemeinschaftsgefühls. Das Leben des einzelnen gliedert

sich auf in Erwerbstätigkeit, Wohnen und Freizeit – Lebensbereiche, die an unter-

schiedlichen Orten und mit unterschiedlichen Bezugspersonen stattfi nden. Man

spricht von einer Sektoralisierung des gesellschaftlichen Lebens mit individueller

Vielfalt und unterschiedlichen Denk- und Verhaltensweisen.

1 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et Spes 4, in: Karl Rahner / Herbert Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, Freiburg 1966, 451

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• Pluralismus und Mobilität

Eine Folge davon ist, dass Pluralität, Freiheit und Mobilität zu Grundvorausset-

zungen in Gesellschaft und Kultur werden. Dem einzelnen stehen theoretisch

unendliche Möglichkeiten off en und er ist gezwungen, ständig Entscheidungen

zu treff en. Soziologen bezeichnen den postmodernen Menschen als Flaneur, der

sich möglichst viele Optionen off en halten möchte und sich nur ungern bindet.

Die Unübersichtlichkeit angesichts der fast unbegrenzten Vielfalt hat auch einen

Pluralismus der Weltanschauungen und Lebensdeutungen zur Folge, die schein-

bare Gleich-Gültigkeit von Werten. Dies führt für viele Menschen zur Heimatlosig-

keit, zum Verlust von Halt.

• Ökonomisierung, Dominanz der Wirtschaftlichkeit

Alles in unserer Welt scheint heute dem Gesetz der Wirtschaftlichkeit zu unterlie-

gen. Das Profi tdenken dominiert nicht nur die Entwicklungen in der Arbeitswelt,

sondern ergreift alle Lebensbereiche und wird zur Gefahr für die Würde des Men-

schen.

• Globalisierung

Viele Lebensbereiche wie Medien, Arbeitswelt, Finanzen sind heute geprägt von

zunehmender Globalisierung. Unsere Welt ist weltweit vernetzt und wird be-

stimmt von „Global Players“. Dieser Entwicklung haben wir kaum etwas entge-

genzusetzen, wir sind Teil von ihr, übrigens auch als Katholische Kirche.

• Veränderung der Kommunikationsstrukturen

Wir surfen heute selbstverständlich durchs „World-Wide-Web“, das Handy macht

uns überall erreichbar, die scheinbar unendliche Angebotsatmosphäre in ihrer

Unverbindlichkeit triff t genau das Lebensgefühl des modernen Menschen. Der

einzelne entscheidet. Was Mode ist, was „In“ ist, entscheiden Meinungsumfragen,

Facebook und Gruppenzwänge.

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• Wandel des Wahrheitsbegriff es

In der traditionellen Gesellschaft ist Wahrheit absolut, von Gott bestimmt und

unveränderlich, sie muss nicht begründet werden. Die Postmoderne hat einen

ganz anderen Wahrheitsbegriff : Wahrheit – sei es in Wissenschaft, Bildung oder

Religion – wird danach von einer speziellen Kultur oder Gesellschaft geschaff en

und ist nur in diesem und für diesen Kulturkreis „wahr“. Wahrheit wird im Dialog

entwickelt oder gefunden, Wahrheit ist relativ und braucht Argumente, sie muss

sich im gesellschaftlichen Machtspiel durchsetzen. Dies wird zu einem Problem

für die Kirche!

• Wandel von Autorität

Mit dem Wahrheitsverständnis hängt das Verständnis von Autorität zusammen.

In der traditionellen Gesellschaft verstand man Autorität als verliehene Autori-

tät, die durch Amt, Vollmacht, oder Titel ausgewiesen ist und sich durch Mono-

log oder Erlass vermittelt. In der Postmoderne muss Autorität erworben werden

durch Glaubwürdigkeit, die sich durch die Lebensführung, überzeugende Persön-

lichkeit und argumentative Stärke im Dialog immer neu zu beweisen hat. Auch

das ist ein großes Problem der Kirche heute!

• Rückkehr der Religion – aber an Gott und der Institution Kirche vorbei

Die Mehrzahl der jungen Menschen unter 40 fühlt sich von kirchlichen Ange-

boten und von der christlichen Botschaft nicht mehr angesprochen. Die Sinus-

Milieu-Studien 2 oder der Religions-Monitor 3 sprechen hier eine deutliche Spra-

che. Andererseits lässt die zunehmende Unübersichtlichkeit viele Menschen wie-

der suchen, weil sie von den leeren Versprechungen der Utopien enttäuscht sind.

Sie suchen nach Transzendenz, oft ohne Gott, und sie gehen dabei nicht mehr

2 Vgl. Carsten Wippermann / Isabel de Magahaes, Zielgruppen-Handbuch. Religiöse und kirch-liche Orientierungen in den Sinus-Milieus 2005. Eine qualitative Studie des Instituts Sinus Sociovision zur Unterstützung der publizistischen und pastoralen Arbeit der Katholischen Kirche in Deutschland, München / Heidelberg 2006

3 Vgl. Bertelsmann Stiftung (Hg.), Religionsmonitor 2008, Gütersloh 2007

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den traditionellen Weg über die Kirchen, sondern an den Kirchen vorbei auf den

freien und fl orierenden Markt der Heilsangebote. Die Suchbewegungen an der

Kirche vorbei haben ihren Grund im Traditionsabbruch, zu dem auch eine zuneh-

mende Unwissenheit über den Glauben gehört. Die Kirchen leiden angesichts

dieser Entwicklung unter massiver Auszehrung. Religion und Kirche sind nicht

mehr deckungsgleich.

• Fundamentalismus

Ein weiteres Phänomen in diesem Zusammenhang, das in allen Weltreligionen

zum Vorschein kommt, ist der Fundamentalismus, der jede Auseinandersetzung

mit den Herausforderungen der Gegenwart militant verweigert. Darin erhoff en

sich viele Menschen in ihrer Verunsicherung Halt und Sicherheit. Fundamentalis-

mus ist ein spezifi sches Reaktionsmuster religiöser Menschen auf die Krise der Re-

ligion in der Moderne, welche Religion in die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen

legt. „Die Kernbotschaft des Evangeliums und die Kernaussagen des Fundamen-

talismus stehen … in einem diametralen Gegensatz … Ein Denken und Handeln,

das andere Menschen ausgrenzt, diskriminiert oder missachtet, ist zutiefst un-

christlich und unvereinbar mit dem Glauben“ 4, der die Erlösung und die Freiheit

der Kinder Gottes zum Inhalt hat.

• Glaubwürdigkeitskrise der Kirche

Manche Verantwortliche unserer Kirche behaupten, die derzeitige Krise sei eine

Gotteskrise und keine Kirchenkrise. Das ist nach meiner Überzeugung falsch! Wir

befi nden uns in einer der größten Glaubwürdigkeitskrisen der Kirchengeschichte.

Das Vertrauen der Menschen in die Institution Kirche ist dramatisch geschwun-

den.

4 Bertram Blum, Die Unvereinbarkeit von Fundamentalismus und Christentum. An merkungen aus theologisch-praktischer Sicht, in: Pedro Barceló (Hg.), Religiöser Fundamentalismus in der römischen Kaiserzeit, Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge Bd. 29, Stuttgart 2010

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Wenn man bisher die Deutschen fragte, welchen Institutionen sie vertrauen, wer

für sie „glaub-würdig“ ist, dann war immer klar, wer nicht genannt wurde: Banken,

Industriekonzerne und politische Parteien. Sie landeten am Ende der Ranglisten.

In der jüngsten Befragung der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik5 landete

die katholische Kirche auf dem letzten Platz der abgefragten Institutionen. Selbst

die eigenen Mitglieder schenken ihr weniger Vertrauen als der evangelischen Kir-

che, die im Mittelfeld liegt. Das hat nicht nur mit dem Missbrauchsskandal zu tun,

sondern mit der mangelnden Übereinstimmung von Glauben und Leben, von

Worten und Taten.

Der tiefere Grund der Glaubwürdigkeitskrise dürfte das gespaltene Verhältnis der

Kirche zur Postmoderne sein. Die Kirche hält in ihrer Bildersprache, im Wahrheits-

verständnis und im Autoritätsverständnis an Vorstellungen fest, die der postmo-

dernen Kultur entgegenlaufen, die die Menschen einfach nicht mehr verstehen.

Dazu gehört auch ein gespaltenes Verhältnis zum Dialog. Der Dialog ist eine der

großen Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils und wurde mit dem

Konzil als Grundprinzip des kirchlichen Lebens angesehen. Nur so kam das öku-

menische Gespräch in Gang. Nur so konnten Laiengremien etabliert werden, die

Mitverantwortung übernehmen für das Leben der Kirche. Nur so konnte der Dia-

log beginnen mit anderen Religionen, Kulturen und Weltanschauungen. Dieser

Geist des Dialogs ist immer mehr verlorengegangen zugunsten zentralistischer

Tendenzen.

Kein Wunder also, dass wir in der Kirche in den vergangenen Jahren einen so ein-

schneidenden Mitgliederverlust und Distanzierungsprozess zu verzeichnen ha-

ben. Die neuesten statistischen Zahlen der Deutschen Bischofskonferenz zur Mit-

gliederentwicklung der Kirche in Deutschland sind alarmierend. Danach verlor

die Katholische Kirche im Jahr 2010 erstmals mehr Mitglieder durch Austritte, als

Kinder getauft wurden. 181 193 Kirchenaustritten stehen 170 339 Taufen gegen-

über. Dazu kommt, dass rund 253 000 Kirchenmitglieder starben. Rechnet man

einige Tausend Neueintritte und Wiederaufnahmen ab, verlor die Katholische

5 Eine Umfrage für Manager Magazin, 8. 4. 2010

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Kirche 2010 mehr als 250 000 Mitglieder. Damit liegt der Anteil der Katholiken an

der Bevölkerung in Deutschland aktuell bei 30,2 Prozent. 6

Hier muss sich entscheidend etwas ändern. Wenn die Kirche in der Postmoder-

ne bei den Menschen ankommen will und sie auch in zwanzig Jahren noch eine

gesellschaftliche Bedeutung in unserem Land haben soll, dann müssen wir man-

chen Ballast aus der traditionellen Gesellschaft abwerfen. Insofern betreff en uns

diese „Zeitzeichen“ als kirchliche Einrichtungen natürlich auch in der Bücherei-

arbeit!

2. Voraussetzungen einer neuen Glaubwürdigkeit der Kirche – Vergewisserung eines theologischen Grundprogramms

Aufgabe der Kirche ist es nicht, sich dem sogenannten Zeitgeist anzupassen, aber

sie muss die Entwicklungen der Zeit in ihrem Dienst berücksichtigen. Schon allein

an den vier Evangelien kann man sehen, wie es am Anfang der Kirche gelungen

ist, die Botschaft in unterschiedlichen kulturellen Umgebungen jeweils neu aus-

zusagen. Kirche muss sich deshalb auf die aktuelle Kultur einlassen, die Sprache

lernen, die die Leute sprechen. Inkulturation ist dafür ein seit langem bekannter,

aber zu wenig verwirklichter Begriff .

Es ist einfach notwendig, von den Menschen her zu denken. Das hat die pasto-

rale Konstitution des Zweiten Vaticanums über die Kirche in der Welt von heute,

„Gaudium et spes“, schon gefordert. Auch die dogmatische Konstitution über die

Kirche „Lumen Gentium“ macht klare Aussagen, hinter die es kein Zurück gibt.

Diese beiden zentralen Konzilsdokumente ergeben ein theologisches Grundpro-

gramm, das Voraussetzung für neue Glaubwürdigkeit ist. Nur Glaubwürdigkeit,

Überzeugungskraft und Kommunikation ermöglichen zielführende Wege zu den

Menschen. Dazu gehören meines Erachtens folgende Faktoren:

6 Vgl. Katholische Nachrichtenagentur (KNA), 29. 7. 2011

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Die klare Ortsbestimmung der Kirche in der Welt von heute 7. Danach steht jeder

Rückzugsgedanke, jede Versuchung, sich hinter geschlossene Mauern zurückzu-

ziehen, in Widerspruch zur Verortung durch das Konzil.

Kirche als Zeichen und Werkzeug des Heils in der Welt 8, deren Handeln an den

Schnittstellen zur Lebenswelt der Menschen und an dieser Grundverfasstheit zu

messen ist.

Die Erfahrung, dass der Einzelne im Ganzen der Kirche mit seiner ureigenen Sen-

dung zählt: „Der Apostolat der Laien ist Teilnahme an der Heilssendung der Kirche

selbst. Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung

bestellt.“ 9 Nicht vom Pfarrer, nicht vom Bischof, nicht vom Papst, sondern vom

Herrn selbst werden Christen berufen. Das wertet den einzelnen Christen enorm

in seiner Würde und Verantwortung auf und müsste im Leben der Kirche zum Aus-

druck kommen! Dazu gehört die Wiederentdeckung der „wahren Gleichheit“ aller,

die an Christus glauben: „Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspen-

der der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter al-

len eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit

zum Aufbau des Leibes Christi“ 10. Das heißt also, dass vor jeder Unterscheidung in

Ämter und Dienste alle Christen durch Taufe und Firmung wahrhaft gleich sind in

ihrer Würde. Erst auf dieser gemeinsamen Basis der „vera aequalitas“ wird unter-

schieden, und die Ämter und Dienste in der Kirche sind keine Herrschaftsfunkti-

onen, sondern Dienstfunktionen am Volk Gottes. Als wenn das Konzil bereits ge-

ahnt hätte, wie schwer es sein wird, diese Grundaussagen in die kirchliche Praxis

umzusetzen, formuliert es folgende Ermahnung: „Die geweihten Hirten aber sollen

7 Schon der Titel der Pastoralkonstitution umschreibt den Ort der Kirche ganz ein deutig „in der Welt von heute“.

8 In Lumen Gentium 1 wird die Kirche gleichsam als Sakrament, als Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit bezeichnet. Gott will die Menschen zur Teilhabe am göttlichen Leben erheben.

9 Zweites Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium 33, in Rahner / Vorgrimler, Kleines Konzils kompen-dium (s. Anm. 2), 163 f.

10 Lumen Gentium 32, ebd., 163

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die Würde und Verantwortung der Laien in der Kirche anerkennen und fördern. Sie

sollen gern deren klugen Rat benutzen, ihnen vertrauensvoll Aufgaben im Dienst der

Kirche übertragen und ihnen Freiheit und Raum im Handeln lassen, ihnen auch Mut

machen, aus eigener Initiative Werke in Angriff zu nehmen … Aus diesem vertrauten

Umgang zwischen Laien und Hirten kann man viel Gutes für die Kirche erwarten.“ 11

Im Ernstnehmen der verschiedenen Berufungen, im Ernstnehmen der Würde

und Verantwortung des Einzelnen und in einer Kultur der Teilhabe liegt einer der

Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit der Kirche! Nur in dieser Einheit in Vielfalt ist

entschiedenes und verantwortliches Christsein möglich.

Die Kenntnis und Bejahung der Lebensbedingungen: Das Wahrnehmen der Zei-

chen der Zeit und die damit verbundene Zeitgenossenschaft 12. Dadurch macht

Kirche ihre Nähe zu den Menschen erfahrbar und übt Solidarität, wie sie im ersten

Satz der Pastoralkonstitution in unüberbietbarer Weise zum Ausdruck kommt:

„Freude und Hoff nung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Ar-

men und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoff nung, Trauer und Angst der

Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen

seinen Widerhall fände.“ 13

Kirche tritt mit der Welt in Dialog 14, d. h. sie lässt sich auf alle Fragen off en und

ehrlich ein. Mit dem Dialog als Methode lässt sich auch das Prophetische wieder

entdecken und es wird ihm Raum gegeben.

Kirche versteht sich als Prozess, als Volk Gottes 15 unterwegs durch die Zeit, das im

Unterwegssein stets reformbedürftig ist. Dieser Status ist letztlich tröstlich, weil er

die Vorläufi gkeit der Kirche zum Ausdruck bringt, deren Vollendung am Ende der

Zeiten noch aussteht.

Und schließlich die Anerkennung der Autonomie, der Eigengesetzlichkeit der ir-

dischen Wirklichkeiten, die das Konzil in der Pastoralkonstitution zum Ausdruck

11 Lumen Gentium 37, ebd., 168 f.

12 Vgl. Gaudium et spes 4

13 Gaudium et spes 1, ebd., 449

14 Vgl. Gaudium et spes 3, ebd., 450

15 Vgl. Lumen Gentium 9 -17, ebd., 132 ff .

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bringt: „Wenn wir unter Autonomie der irdischen Wirklichkeiten verstehen, dass die

geschaff enen Dinge und auch die Gesellschaften ihre eigenen Gesetze und Werte ha-

ben, die der Mensch schrittweise erkennen, gebrauchen und gestalten muss, dann

ist es durchaus berechtigt, diese Autonomie zu fordern. Das ist nicht nur eine Forde-

rung der Menschen unserer Zeit, sondern entspricht auch dem Willen des Schöpfers.

Durch ihr Geschaff ensein selber nämlich haben alle Einzelwirklichkeiten ihren festen

Eigenstand, ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Gutheit sowie ihre Eigengesetzlichkeit

und ihre eigenen Ordnungen, die der Mensch unter Anerkennung der den einzelnen

Wissenschaften und Techniken eigenen Methode achten muss.“ 16 Damit ist jedem

kirchlichen Integralismus, der Versuchung, für alle Fragen dieser Welt zuständig

zu sein, ein Riegel vorgeschoben. Und damit wird auch glaubwürdig, wie das Kon-

zil den Dienst der Kirche an der Welt umschreibt: „Dabei bestimmt die Kirche kein

irdischer Machtwille, sondern nur dies eine: unter Führung des Geistes, des Trösters,

das Werk Christi selbst weiterzuführen, der in die Welt kam, um der Wahrheit Zeugnis

zu geben; zu retten, nicht zu richten; zu dienen, nicht sich bedienen zu lassen.“ 17

Das alles haben wir schon seit 50 Jahren, aber dieses theologische Grundpro-

gramm ist im Leben der Kirche noch viel zu wenig umgesetzt. Es klemmt an allen

Ecken und Enden, und bei genauerem Hinsehen verstärken sich die Tendenzen

eher, hinter dieses „Programm des Konzils“ wieder zurückzugehen. Deshalb lohnt

es, das II. Vaticanum in seinem Kirchenverständnis neu zu entdecken und auf die

heutigen Herausforderungen hin zu buchstabieren: Nur eine Kirche der Commu-

nio, der Off enheit und des Dialogs kann glaubwürdig ihren Auftrag erfüllen. Aber

genau daran scheiden sich die Geister!

Diese theologischen Gedanken zum Kirchenverständnis sind auch Fundament

kirchlicher Büchereiarbeit. Ohne diese Grundlage, ohne diese Grundzüge einer

„Theologie kirchlicher Büchereiarbeit“ ist es nicht möglich, das Profi l unseres Diens-

tes und damit seinen „Mehr-Wert“ zu umschreiben.

16 Gaudium et spes 36, ebd., 482

17 Gaudium et spes 3, ebd., 451

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3. Zum Profi l kirchlicher Büchereiarbeit

3.1 Was heißt Profi l?

Profi larbeit, Profi lschärfung, Profi l an sich – das sind Begriff e, die angesichts zu-

nehmender Vielfalt in unserer Gesellschaft immer wichtiger werden.

Profi l hat vom Wortsinn her mehrfache Bedeutung, die aber in die gleiche Rich-

tung zielt: Denken wir an die Seitenansicht eines Gesichts, das Profi l eines Men-

schen, das ihm unverwechselbare Züge gibt, oder an das Profi l einer Schuhsohle,

das oft in der Kriminalistik von Bedeutung werden kann, oder an das Profi l ei-

nes Autoreifens mit seiner markanten Riff elung. Schließlich kennen wir auch das

Profi l einer Institution mit ihrer Gesamtheit von markanten Eigenschaften, oder

Normen, die rechtliche, gesellschaftliche oder kirchliche Beziehungen regeln z. B.

in Familie, Staat und Kirche. Profi l macht also erkennbar, unterscheidbar, unver-

wechselbar, Profi l macht charakteristisch.

Zum steten Bemühen um Profi l gehört Auseinandersetzung, Dialog und Streitkul-

tur – das hat Tradition in der Kirche bis in die Anfänge bei den Aposteln Petrus und

Paulus 18; beim Überschritt des frühen Christentums in die hellenistische Welt; in

den Zeiten der Völkerwanderung und Missionierung der Germanen; bei Martin

Luther, der in der Zeit der Reformation von einer weithin dekadenten Kirche die

Rückkehr zum Evangelium forderte; und heute, wo die Menschen im Übergang

zur Postmoderne nicht nur fortschrittskritisch, sondern auch ideologiekritisch

geworden sind. Sie verstehen sich auch in Sachen Religion als mündige Bürger.

Gelungen ist dieses Bemühen in der Kirchengeschichte nicht immer. Gerade in

Zeiten des Umbruchs sind Auseinandersetzungsfähigkeit und Dialog aber drin-

gend erforderlich.

Wenn unsere Büchereiarbeit wirkungsvoll sein soll, dann ist es immer wieder not-

wendig, Grundsatzfragen zu stellen, sich zu vergewissern, worauf es in unserer

Arbeit ankommt, was das Wesentliche kirchlicher öff entlicher Büchereiarbeit ist,

was sie unverwechselbar macht, also was ihr Profi l ist.

18 Vgl. Gal 2,11 f.

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3.2 Kirchliche Büchereiarbeit als PastoralSchon lange vor dem II. Vatikanischen Konzil hat der evangelische Theologe und

Märtyrer Dietrich Bonhoeff er in aller Deutlichkeit die Verpfl ichtung der Christen

gegenüber der Welt betont. Auf Grund des Christusereignisses sind Gott und Welt

nicht mehr zu trennen, weshalb christliche Glaubenspraxis stets in der Welt und

für die Welt wirken muss.19 Christus, der ganz in diese Welt eingegangen ist, be-

freit seine Jünger nicht aus der Welt, sondern stellt sie in diese Welt hinein, damit

sie sich rückhaltlos in den Dienst der Menschen stellen. In der Nachfolge Christi

soll Kirche mitten in der Welt den Raum für Gott freihalten – und zwar so, dass in

ihr und durch sie Gott sein Reich aufrichten kann. Christlicher Glaube realisiert

sich also in der Berufung jedes einzelnen Christen und seinem konkreten Handeln

mitten in der Welt, im persönlichen, gemeinschaftlichen und politischen Bereich.

Dabei sind Heilsdienst und Weltdienst grundsätzlich nicht zu trennen, weil es um

das Heil der Welt geht, d.h. um die Heilung der Welt durch Jesus Christus 20. – Ka-

tholischer kann diese Umschreibung eines evangelischen Theologen nicht sein.

Das II. Vatikanische Konzil hat genau in diesem Sinn das Heilshandeln der Kirche

umschrieben und sein Verständnis geweitet. Kirche ist danach Zeichen und Werk-

zeug des Heils 21. Pastoral, ein zentraler Begriff für das Heilshandeln der Kirche, ist

Konfrontation von Leben und Evangelium. Sie bezieht sich nicht allein auf das

Handeln der Kleriker an den Laien, und auch nicht allein auf deren Seele. Pastoral

ist nicht einfach mit Seelsorge zu übersetzen, sie wird vielmehr als Gesamtbegriff

für das evangeliumsgemäße Handeln aller Getauften zur „Rettung der mensch-

lichen Person“ und zum „rechten Aufbau der menschlichen Gesellschaft“ 22 be-

stimmt. Pastoral ist somit immer dreidimensional: Sie ist Bemühen um das Evan-

gelium, Seelsorge und Einsatz für die Gesellschaft und umfasst alles, was dem

19 Vgl. den programmatischen Aufsatz „Dein Reich komme“, in: Dietrich Bonhoeff er Werke, 12, 264-278, hg. v. E. Bethge u. a., 17 Bde., München 1986 -1999

20 Vgl. Gunter M. Prüller-Jagenteufel, Dietrich Bonhoeff er – Weltdienst als Heilsdienst, in: Stimmen der Zeit, 131. Jg., 2 / 2006, 84

21 Vgl. Lumen Gentium 1

22 Gaudium et spes 3, ebd., 450

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Heil der Menschen dient. So gesehen ist Pastoral ein spezifi sches Handeln aller

Glieder des Volkes Gottes, und in ihr vollzieht sich Kirche. Das ist ihr viel zitiertes

Eigentliches!

Eine so verstandene Pastoral geschieht in Pfarreien, aber auch an Orten, an denen

sich Kirche und Welt berühren, etwa in der Schule, in der Erwachsenenbildung,

aber auch in der kirchlichen Büchereiarbeit. Büchereiarbeit ist demzufolge pasto-

raler Ort, Teil der Pastoral der Kirche insgesamt. Das stellt unsere Arbeit in ein ganz

anderes Licht! Sie ist nicht etwas, was eben auch noch sein muss, sondern sie ist

eine wesentliche Aufgabe kirchlichen Dienstes, nämlich kirchliche Kulturarbeit,

kulturelle Diakonie.

3.3 Deutung des „Firmenschildes“ Katholische öff entliche Bücherei

Unsere Büchereien heißen in der Regel: „Katholische öff entliche Bücherei“. Was

bedeutet das?

„Katholisch“ nennen sich unsere Büchereien, weil sie wie jede andere gesell-

schaftliche Gruppe in eigener Initiative ihre gruppenspezifi sche Dienstleistung

in der freiheitlichen Gesellschaft einbringen. Das Spezifi sche einer Bücherei, die

sich katholisch nennt, besteht darin, dass sie bei aller Anerkennung der Eigen-

gesetzlichkeit der Schöpfungswirklichkeit die Bindung an das Evangelium nicht

ausspart. Menschen können hier ausgewählte Angebote zur Orientierung, Sinn-

fi ndung und Glaubensorientierung erwarten.

Katholisch bedeutet nicht Einengung, Beschränkung auf das „Katholische“ oder

„Theologische“. Es geht nicht um Tabuzonen oder Ausblendungen der Wirklichkeit.

Es geht nicht um ein Minus, es geht um ein Plus im Angebot der Katholisch öff ent-

lichen Bücherei, genau um das, was das K in ihrem Namen, in ihrem Programm

bedeutet. Es geht bei diesem Mehr um unsere Zuständigkeit als Anwalt des Men-

schen, um die Klarheit und Zuverlässigkeit der Antworten, die man uns abverlangt.

Hier geht es nicht nur um Religion, sondern um alle Lebenssituationen und alle

Fragen der Menschen heute. Es geht um ein wertorientiertes Angebot mit der

ganzen Breite des Katholischen. Dabei dürfen wir durchaus auf die Urteilsfähig-

keit des einzelnen Lesers vertrauen.

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Kirchliche Büchereiarbeit ist so gesehen kulturelle Diakonie an den Menschen. Sie

bietet nicht nur Ausleihe von Büchern, sondern Raum für kulturelle Begegnung

und lebendige Vielfalt von Menschen. Hier sollten wir auch riskieren, manches

notwendige Buch einzustellen, von dem man vielleicht sagt: „Das wird ja doch

nicht gelesen“. Es geht nicht nur um Marktgängigkeit und Ausleihzahlen, sondern

auch um unsere Erkennbarkeit im Angebot.

Mit dem Begriff „öff entlich“ soll die Eingrenzung der Benutzer auf den Kreis der

Gottesdienstgemeinde überwunden werden. Das hat Geschichte, wie sie am An-

fang des Sankt Michaelsbundes beim Eichstätter Generalvikar Dr. Georg Triller

greifbar wird, der 1901 bei der Gründung des Katholischen Pressvereins sinnge-

mäß gefordert hat, dass die Büchereien heraus aus den Pfarrhäusern und Sakris-

teien hinein in die Bahnhofshallen müssen, damit die Menschen erreicht werden.

Insofern war unser Gründer eine prophetische Gestalt auch für heute!

Wie die Kirche selbst, beansprucht auch die katholische Bücherei ihren Platz in

der pluralistischen Gesellschaft. Alles wahrhaft Menschliche, wie es das Konzil

formulierte, hat in ihr seinen Platz: Dazu gehören heute die großen Themen, die

zu Überlebensfragen der Menschheit geworden sind, dazu gehört die Literatur,

die das Leben der Menschen widerspiegelt, die auch Entspannung und Freude

verschaff t.

Nur jene Katholischen Büchereien, die auch voll und ganz „öff entliche Bücherei-

en“ sind oder werden, können für die Kirche unentbehrlich und ein Dienst in der

Gesellschaft sein.

Die Rolle der öff entlichen Bücherei ist vielfältig: Sie dient der Information, der Bil-

dung, der Orientierung und der Unterhaltung. Keines der Elemente darf ausge-

lassen werden.

In Sachfragen muss man Hintergründe und Zusammenhänge mit Hilfe der Bü-

cherei ergründen können. Wichtige Werke der Weltliteratur soll man hier fi nden

– oder wenigstens vermittelt bekommen. In umstrittenen Fragen müssen die

unterschiedlichen Positionen deutlich werden. Kinder müssen lesen und leben

lernen können.

Was hier an Forderungen bezüglich Qualität und Profi l ersichtlich wurde, fordert

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sachkundige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Qualifi zierung eine ganz

wesentliche Aufgabe ist. Sie sollen nicht nur für das Bibliothekswesen befähigt

sein, sondern darüber hinaus vom Bewusstsein getragen sein, dass sie Kirche re-

präsentieren, dass sie eine Kirche mitgestalten, die sich der modernen Lebens-

welt öff net und die Vielfalt im Dialog zulässt.

4. Leitsätze für die kirchliche Büchereiarbeit

Fasst man die Frage nach dem Profi l kirchlicher Büchereiarbeit zusammen, dann

belegen folgende Leitsätze /Argumente den hohen Stellenwert und die Chancen

dieses Dienstes:

Kirchliche Büchereien sind off en für die zentralen Fragen des Lebens

Bereits der erste Satz der Pastoralkonstitution des Konzils belegt die Verbunden-

heit der Kirche mit den Menschen und ihren Fragen 23. Auf diese Fragen gibt un-

ser Glaube an den menschen-freundlichen Gott Antwort. Mit ihren Büchereien

kann die Kirche dazu beitragen, dass ihre Botschaft und ihr Menschenbild auch

in der heutigen Gesellschaft hörbar und sichtbar bleiben. Dies geschieht nicht

nur durch ein Angebot an religiöser Literatur, sondern eher noch durch Romane,

Sachbücher, Kinder- und Jugendbücher, die für diese Sicht der Welt off en sind.

Gerade heute stellen wir in der postmodernen Literatur fest, dass die Literaten

angesichts der Überforderung durch die zunehmende Pluralisierung in den letz-

ten zwei Jahrzehnten zunehmend wieder Gott und religiöse Themen entdecken.

Büchereiarbeit kann also auch „Hörrohr einer hörenden Kirche“ sein.

Kirchliche Büchereien sind Nahtstellen zur Kultur unserer Zeit

Wir brauchen heute eine Kultur, die frei ist von Zwängen zur Nützlichkeit, der

Leistung um jeden Preis und der Abhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen.

Kirchliche Büchereiarbeit kann Nahtstelle zur Fülle der Kultur unserer Zeit sein

23 Vgl. Gaudium et spes 1

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durch ihre vielfältigen Aktivitäten „rund ums Buch“ in Form von Literaturgesprä-

chen und Literaturtagungen, Buchvorstellungen, thematischen Ausstellungen,

Initiativen zur Leseförderung. Schließlich ist das Medienangebot selbst ein Blick

auf das kulturelle Leben der Zeit. So kann jeder ganz individuell sein persönliches

Programm gestalten. Wenn eine Gemeinde Berührungsängste meidet, wird ihre

Bücherei zu einem wichtigen Stück Kultur in der Kirche und zugleich zum Beitrag

der Kirche zur menschlichen Gesamtkultur.

Kirchliche Büchereien machen die befreiende Kraft des Glaubens erfahrbar

Die Geschichte unseres Glaubens ist von Anfang an mit dem Buch verknüpft. Das

Buch der Bücher, die Bibel, wurde zum wichtigsten Mittel der Auseinanderset-

zung mit religiösen Fragen und vermittelt Glaubenserfahrungen aus allen Zeiten.

Damit kann es den eigenen Glauben reifen lassen, es kann freilich auch Zweifel

und Abwehr auslösen. Immer aber hilft es, das Denken zu klären, neue Fragen zu

stellen und nach Antworten zu suchen.

Christliche Botschaft ist ja, kurz gefasst, die Botschaft von der göttlichen Befrei-

ung des Menschen und damit die Botschaft von der Absage Gottes an alle To-

talitarismen, Ideologien und Einengungen. Von der Erfahrung des Auszugs aus

Ägypten im Alten Testament bis zur Christuserfahrung, die Paulus im Brief an die

Galater als „Befreiung zur Freiheit“ 24 zusammenfasst, versteht sich die biblische

Religion als Ruf zur Freiheit für alle Menschen, die von den Glaubenden im Leben

verwirklicht werden muss. Und das müssen die Menschen auch erfahren können!

Hier hilft die katholische öff entliche Bücherei durch Bücher, welche diese bibli-

sche Botschaft übermitteln und deuten und die das Ringen darum zu Wort kom-

men lassen.

Kirchliche Büchereien leisten einen Beitrag zum Bildungsauftrag der Kirche

Menschenwürdiges Leben in unserer pluralen Gesellschaft erfordert auch den

freien Zugang zu vielfältigen Informationen aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Ori-

24 Vgl. Gal 5,1

Page 24: Mehr-Wert fürs Leben€¦ · 2 Vgl. Carsten Wippermann / Isabel de Magahaes, Zielgruppen-Handbuch. Religiöse und kirch-liche Orientierungen in den Sinus-Milieus 2005. Eine qualitative

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entierung in dieser Informationsfülle bieten entsprechende Bildungsangebote.

Es kann der Kirche nicht gleichgültig sein, ob diese Voraussetzungen geschaff en

werden oder nicht. Ihre Glaubwürdigkeit und ihr Selbstverständnis als Teil der Ge-

sellschaft verlangt, dass sie durch eigene Leistungen dazu beiträgt. Das ist auch

ihre Chance! Die Katholische öff entliche Bücherei leistet mit ihrem breit gefächer-

ten und aktuellen Sachbuchangebot einen solchen Beitrag zum Bildungsauftrag

der Kirche. Kirchliche Büchereiarbeit hat damit über die normalen Standards hi-

naus also einen Mehr-Wert im Plus an Qualität / Lebensqualität, an Orientierung,

Lebenshilfe und Ermöglichung von Weite.

Kirchliche Büchereien sind Orte der Begegnung in der Gemeinde

Lesen verbindet und schaff t Gemeinschaft. In der Bücherei kommen Leser un-

tereinander und mit den Mitarbeitern ganz zwanglos ins Gespräch, das den

Austausch mit anderen Gedankenwelten ermöglicht. Hier können Jung und Alt,

Gottesdienstbesucher und Fernstehende einander begegnen und ihre Gedanken

und Erfahrungen austauschen. Im Zentrum der Gemeinde entsteht so ein anzie-

hender Ort des Gesprächs.

Kirchliche Büchereien sind Hilfe in Lebenskrisen

Krank sein, gar im Krankenhaus liegen, Zeit haben und sich abgestellt fühlen,

nach einem Schicksalsschlag nicht mehr weiterwissen, mit eigenem Versagen

nicht fertig werden – solche Situationen führen nicht selten zu einer Lebenskrise,

die zu bewältigen schwer ist. Man sucht nach einem Weg, fragt um Rat, will sich

neu orientieren. Menschen, die davon betroff en sind, fühlt sich kirchliche Büche-

reiarbeit besonders verpfl ichtet. Gute Bücher können hier helfen, neue Gedanken

zu fi nden, Lebenskrisen zu durchleuchten, Mut zu machen, weiterzuhelfen und

Auswege aufzuzeigen.

Kirchliche Büchereien dienen der Chancengleichheit

Alle Dienste der Bücherei entspringen der Sorge um den Menschen und ein men-

schenwürdiges Leben. Niemand soll von dieser Sorge ausgenommen sein und

Page 25: Mehr-Wert fürs Leben€¦ · 2 Vgl. Carsten Wippermann / Isabel de Magahaes, Zielgruppen-Handbuch. Religiöse und kirch-liche Orientierungen in den Sinus-Milieus 2005. Eine qualitative

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übersehen werden. So wie es keine „geschlossene Gemeinde“ geben darf, so darf

die Bücherei nicht versuchen, eine „geschlossene“ Lesergemeinde oder Bücherei-

gemeinde zu schaff en. Die Bücherei ist Bücherei für alle!

Wenn wir diesem Anspruch gerecht werden wollen, dann müssen wir gerade

auch auf diejenigen zugehen, für die die Dienste der Bücherei besonders wichtig

sind: Kinder und Jugendliche, die in ihrer häuslichen Umgebung oft nicht die

Literatur fi nden, die ihren Interessen entspricht und die für ihre Entwicklung

vorteilhaft ist, junge Mütter mit Kleinkindern, Senioren mit ihren Interessen und

Fragen, weniger mobile Gemeindemitglieder, die auf ein wohnortnahes Ange-

bot angewiesen sind, oder einsame Menschen, denen es schwer fällt, Kontakt zu

fi nden.

Ich denke, dass diese Leitsätze das Profi l unserer kirchlichen öff entlichen Büche-

reien hinreichend umschreiben. Die Stichworte Off enheit, Nahtstelle zur Kultur

der Zeit, Freiheit, Bildungsauftrag der Kirche, Ort der Begegnung, Hilfe in Le-

benskrisen und Chancengleichheit sollten charakteristisch sein für unsere Arbeit

und uns unverwechselbar machen.

5. Konsequenzen für die Praxis

Abschließend möchte ich stichpunktartig Konsequenzen aufzeigen, die sich aus

diesen Leitlinien und dem bisher Dargelegten für die Büchereipraxis ergeben:

• Eine freundliche Atmosphäre in der Bücherei, geprägt durch Personal und

Raumgestaltung, in der die Menschenfreundlichkeit Gottes erlebbar und er-

fahrbar wird.

• Motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich mit ihrer Aufgabe er-

kennbar identifi zieren und die für ihre Aufgabe qualifi ziert sind.

• Ein off ener Raum bzw. off ene Räume der Bücherei, die sauber sind und schon

durch ihre entsprechende Gestaltung einladend wirken.

• Ein aktuelles Angebot, das durch begleitende Öff entlichkeitsarbeit Resonanz

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fi ndet. Dazu gehört in vernünftigen zeitlichen Abständen auch die Setzung

von Schwerpunkten.

• Ein dialogischer Charakter der Bücherei, der in der Ansprechbarkeit des Perso-

nals und im inhaltlichen Angebot erfahrbar wird.

• Erfahrbare Hilfestellung für die Benutzer, besonders für Neulinge und Kinder,

die sich erst orientieren müssen.

• Platz auch für Andersdenkende und kirchlich Distanzierte, wodurch Off enheit

deutlich und der Eindruck vermittelt wird, dass Kirche für alle da ist und in der

Bücherei auch Platz für unbequeme Fragen ist.

• Dienstleistung ohne Unterschied der Person und Stellung der Benutzer. In

kirchlichen Büchereien sollten alle Benutzer gleich freundlich, kompetent und

höfl ich behandelt werden.

• Der regelmäßige und angemessene Dank der Träger der Bücherei an das

ehren amtliche Personal und damit die sichtbare und spürbare Wertschätzung

der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Geste, die eigentlich selbstver-

ständlich sein müsste, trägt wesentlich zur Motivation und damit zur Atmo-

sphäre in der Bücherei bei.

Schluss

Diese Ausführungen sollten zu einer vertieften Sichtweise unserer kirchlichen Bü-

chereiarbeit beitragen und damit das Besondere, den Mehr-Wert dieses Beitrags

der Kirche zum öff entlichen Bibliotheks- und Bildungswesen erkennbar machen.

Die Selbstvergewisserung auf unser Profi l hin, die sich an den Rahmenbedingun-

gen der Zeit und am theologischen Selbstverständnis unseres Dienstes orientiert,

halte ich für unabdingbar im Zusammenhang einer regelmäßigen Qualitätssiche-

rung und auch im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit katholisch öff entlicher Bü-

chereiarbeit im Sankt Michaelsbund. Eine gute Zukunft in diesem Sinne wünsche

ich Ihnen und uns allen in diesem Dienst der Kirche!