Menschenaffen wie wir. Plädoyer für eine radikale evolutionäre Anthropologie

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W as und wie wir sind verdanken wir der Stam- mesgeschichte. Dass wir über einen Milliarden Jahre alten Strom mit anderen Lebensformen verbun- den sind, zweifeln die meisten Zeitgenossen nicht grundsätzlich an [16]. Gleichwohl unterscheiden wir quasi reflexhaft „Menschen“ von „Tieren“. Diese Di- chotomie zeichnet nicht nur unsere Alltagssprache aus, sondern ist auch explizite Annahme vieler Philoso- phen,Theologen und Naturwissenschaftler.Erkenntnis- fördernd ist sie nicht. Die so selbstverständlich erscheinende Tier-Mensch- Trennung wurde mit Ausformulierung der Evolutions- theorie vor 150 Jahren grundsätzlich fragwürdig. Dass die Grenze nicht scharf ist, belegte zunächst die ver- gleichende Anatomie, indem sie abgestufte Ähnlichkei- ten hinsichtlich des Körperbaus nachwies. Zusätzlich erkannte speziell Darwin,dass Echos der Vergangenheit auch in unseren so genannten „geistigen“ Dimensionen erklingen [13] – in Verhaltensmustern, Selbstbildern, Glaubensvorstellungen und sozialen Normen. Entsprechend begriffen bereits frühe Anhänger der darwinischen Theorie den Menschen als Tier,betonten jedoch „einmalige“ Charakeristika wie Sprache,Tech- nologie oder Kultur. Derlei Merkmale sind jedoch schwer zu definieren. Zudem wurde das Konzept der „Sonderstellung“ durch Fortschritte der Verhaltensbio- logie zunehmend relativiert. Besonders Freilandstudien an Menschenaffen lösten die Mensch-Tier-Grenze wei- ter auf. Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Bono- bos wurden dabei zunehmend vermenschlicht (an- thropomorphisiert) und Menschen vertierlicht (zoo- morphisiert). Das Vorgehen halten viele Verhaltens- forscher nicht nur für legitim, sondern für geboten – eben weil sie sich als Gradualisten verstehen, die in Übergängen denken, statt in strikten Klassen. In Fortführung des Ansatzes der vergleichenden Anatomie schaffen die modernen Methoden der Mole- kularbiologie und Genomik [1, 3] interessanterweise für klare Einteilungen mehr Probleme, als sie lösen – denn je genauer die Untersuchungen, desto mehr Un- terschiede werden ersichtlich.Es ist aber weithin in das Belieben des jeweiligen Taxonomen gestellt, welche dieser „innerartlichen“ Variationen als so essenziell an- zusehen sind,dass sie ein eigenes Taxon konstitutieren [5, 8]. Eine wesensgemäße Unterscheidung von Mensch und Tier aufgrund von Merkmalen im Körperbau ist je- denfalls unhaltbar, weil die Kriterien willkürlich sind. Aber auch Trennungen,die sich auf „geistige“ Fähigkei- ten berufen, bleiben gewöhnlich nur solange in Mode, bis ein nicht-menschliches Tier entdeckt wird, das ge- nau das kann, was angeblich allein die Krone der Schöpfung auszeichnet. Denken in die Zukunft Nehmen wir den berühmten Homo faber. Demnach machte Werkzeugbenutzung das spezifisch Menschli- che aus – bis Jane Goodall erstmals beobachtete, wie wilde Schimpansen Zweige bearbeiteten,um damit Ter- miten zu angeln.Die Messlatte wurde daraufhin einfach höhergelegt. Zu den revidierten Behauptungen ge- hörte: Allein Menschen fertigen Geräte vorausschau- end und für zukünftigen Gebrauch; nur Menschen be- wahren sie für erneute Benutzung auf; allein Homo sa- piens setzt verschiedene Artefakte in logischer Folge ein. Speziell Forschungen an Schimpansen belegen,wie unzulässig auch diese neuerlichen Abgrenzungsversu- che sind [10].So wählen die Menschenaffen bestimmte Pflanzenarten aus, je nachdem, ob sie hartes oder bieg- sames Rohmaterial benötigen, und transportieren die Zweige über teilweise erhebliche Distanz zum zukünf- tigen Einsatzort.Wollen sie etwa Termiten fischen oder Bienenhonig löffeln, beißen sie die Enden bürstenartig auf. Das vergrößert die Oberfläche und damit die Aus- beute. Bienen nisten gern in Baumhöhlen. Schimpan- sen zeigen extreme Geduld,um diese Behausungen auf- Eine grundsätzliche Unterscheidung von Tieren und Menschen ihrem Wesen nach wird durch die evolutionäre Anthropologie in Frage gestellt. Die konsequente Ausformu- lierung eines strikt gradualistischen Programmes hat dabei nicht nur wissenschaftliche Konsequenzen, sondern führt zudem zu einer evolutionsbiologisch informierten Verschie- bung ethischer und existenzieller Perspektiven. Eine ent- sprechende Debatte ist mittlerweile unter den Stichworten „Naturalismus“ und „evolutionärer Humanismus“ in Fahrt gekommen. Diese Denkrichtung soll hier vornehmlich anhand von Befunden der Primatologie illustriert werden. Plädoyer für eine radikale evolutionäre Anthropologie Menschenaffen wie wir VOLKER S OMMER DOI:10.1002/biuz.200910394 196 | Biol. Unserer Zeit | 3/2009 (39) © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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Was und wie wir sind verdanken wir der Stam-mesgeschichte. Dass wir über einen Milliarden

Jahre alten Strom mit anderen Lebensformen verbun-den sind, zweifeln die meisten Zeitgenossen nichtgrundsätzlich an [16]. Gleichwohl unterscheiden wirquasi reflexhaft „Menschen“ von „Tieren“. Diese Di-chotomie zeichnet nicht nur unsere Alltagssprache aus,sondern ist auch explizite Annahme vieler Philoso-phen,Theologen und Naturwissenschaftler.Erkenntnis-fördernd ist sie nicht.

Die so selbstverständlich erscheinende Tier-Mensch-Trennung wurde mit Ausformulierung der Evolutions-theorie vor 150 Jahren grundsätzlich fragwürdig. Dassdie Grenze nicht scharf ist, belegte zunächst die ver-gleichende Anatomie, indem sie abgestufte Ähnlichkei-ten hinsichtlich des Körperbaus nachwies. Zusätzlicherkannte speziell Darwin,dass Echos der Vergangenheitauch in unseren so genannten „geistigen“ Dimensionenerklingen [13] – in Verhaltensmustern, Selbstbildern,Glaubensvorstellungen und sozialen Normen.

Entsprechend begriffen bereits frühe Anhänger derdarwinischen Theorie den Menschen als Tier, betontenjedoch „einmalige“ Charakeristika wie Sprache, Tech-nologie oder Kultur. Derlei Merkmale sind jedochschwer zu definieren. Zudem wurde das Konzept der„Sonderstellung“ durch Fortschritte der Verhaltensbio-logie zunehmend relativiert.Besonders Freilandstudienan Menschenaffen lösten die Mensch-Tier-Grenze wei-ter auf. Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Bono-bos wurden dabei zunehmend vermenschlicht (an-

thropomorphisiert) und Menschen vertierlicht (zoo-morphisiert). Das Vorgehen halten viele Verhaltens-forscher nicht nur für legitim, sondern für geboten –eben weil sie sich als Gradualisten verstehen, die inÜbergängen denken, statt in strikten Klassen.

In Fortführung des Ansatzes der vergleichendenAnatomie schaffen die modernen Methoden der Mole-kularbiologie und Genomik [1, 3] interessanterweisefür klare Einteilungen mehr Probleme, als sie lösen –denn je genauer die Untersuchungen, desto mehr Un-terschiede werden ersichtlich.Es ist aber weithin in dasBelieben des jeweiligen Taxonomen gestellt, welchedieser „innerartlichen“ Variationen als so essenziell an-zusehen sind, dass sie ein eigenes Taxon konstitutieren[5, 8].

Eine wesensgemäße Unterscheidung von Menschund Tier aufgrund von Merkmalen im Körperbau ist je-denfalls unhaltbar, weil die Kriterien willkürlich sind.Aber auch Trennungen, die sich auf „geistige“ Fähigkei-ten berufen, bleiben gewöhnlich nur solange in Mode,bis ein nicht-menschliches Tier entdeckt wird, das ge-nau das kann, was angeblich allein die Krone derSchöpfung auszeichnet.

Denken in die ZukunftNehmen wir den berühmten Homo faber. Demnachmachte Werkzeugbenutzung das spezifisch Menschli-che aus – bis Jane Goodall erstmals beobachtete, wiewilde Schimpansen Zweige bearbeiteten,um damit Ter-miten zu angeln.Die Messlatte wurde daraufhin einfachhöhergelegt. Zu den revidierten Behauptungen ge-hörte: Allein Menschen fertigen Geräte vorausschau-end und für zukünftigen Gebrauch; nur Menschen be-wahren sie für erneute Benutzung auf; allein Homo sa-piens setzt verschiedene Artefakte in logischer Folgeein.

Speziell Forschungen an Schimpansen belegen,wieunzulässig auch diese neuerlichen Abgrenzungsversu-che sind [10].So wählen die Menschenaffen bestimmtePflanzenarten aus, je nachdem, ob sie hartes oder bieg-sames Rohmaterial benötigen, und transportieren dieZweige über teilweise erhebliche Distanz zum zukünf-tigen Einsatzort.Wollen sie etwa Termiten fischen oderBienenhonig löffeln, beißen sie die Enden bürstenartigauf. Das vergrößert die Oberfläche und damit die Aus-beute. Bienen nisten gern in Baumhöhlen. Schimpan-sen zeigen extreme Geduld,um diese Behausungen auf-

Eine grundsätzliche Unterscheidung von Tieren und Menschen ihrem Wesen nach wird durch die evolutionäreAnthropologie in Frage gestellt. Die konsequente Ausformu-lierung eines strikt gradualistischen Programmes hat dabeinicht nur wissenschaftliche Konsequenzen, sondern führt zudem zu einer evolutionsbiologisch informierten Verschie-bung ethischer und existenzieller Perspektiven. Eine ent-sprechende Debatte ist mittlerweile unter den Stichworten„Naturalismus“ und „evolutionärer Humanismus“ in Fahrtgekommen. Diese Denkrichtung soll hier vornehmlich anhand von Befunden der Primatologie illustriert werden.

Plädoyer für eine radikale evolutionäre Anthropologie

Menschenaffen wie wir VOLKER SOMMER

DOI:10.1002/biuz.200910394

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A B B . 1 Nicht nur der Körperbau zeugt von gemeinsamer Abstammung – auch die mentalen Welten von Menschenaffen und Menschen ähneln einander. Gleichwohl zerstören wir die Lebensräume unserer nächsten Verwandten flächendeckend. Dabei gäbe es viel, was wir von- und übereinander lernen könnten.Bild: Jutta Hof.

zubrechen – und hämmern mit Knüppeln oft mehr alstausendmal darauf ein.Zeitweilig beginnen sie diese Ar-beit am Morgen, unterbrechen für eine Mittagspauseund fahren am Nachmittag fort.Außerdem legen sie ge-eignete Hölzer in den Baumkronen für eine zukünftigeWiederbenutzung ab [17].

Wilde Schimpansen spüren überdies im Boden me-tertief verborgene Ressourcen durch Probebohrungenauf. Im Umkreis von Termitenbauten gilt es etwa, dichtbevölkerte Kammern zu finden.Dazu drücken die Men-schenaffen einen harten Stock in die Erde, ziehen ihnwieder heraus und beriechen das Ende. Dies wieder-holen sie vielfach – bis sie über Geruch und Erdwider-stand eine lohnende Quelle lokalisieren. Dann führensie ein zweites,biegsames Werkzeug ein.Um Erdhöhlenstachelloser Bienen zu finden und auszubeuten, setzenSchimpansen gar fünf, sechs verschieden gestalteteGrabstöcke und Honiglöffel ein – so, wie wir unserenWerkzeugkästen verschiedene Schlüssel entnehmen.

Derartige Berichte erschienen anfangs unglaubhaft,sind aber mittlerweile mehrfach bestätigt. Gleichwohlwissen wir verschwindend wenig über Leben und Trei-ben unserer nächsten Verwandten. Halbwegs systema-tische Beobachtungen begannen vor gerade 50 Jahren,während Menschengesellschaften seit Jahrtausendendokumentiert werden.

Deshalb sind auch Beobachtungen in Gefangen-schaft weiterhin wertvoll – etwa die an einem Schim-pansenmann in einem schwedischen Zoo, der kaltblü-tig für die Zukunft plante.Dies entkräftet den Einwand,wilde Menschenaffen würden Gegenwart und Zukunft

keineswegs kognitiv trennen, weil ihre Beutezügendurchgängig von demselben Nahrungsbedürfnis moti-viert seien.Der Zooschimpanse sammelte jedenfalls re-gelmäßig Steine. Außerdem klopfte er aus Zement ge-gossene Gehegeteile ab,um Hohlräume zu finden.Hierbrach er Brocken aus, die er teilweise zu handlicherenScheiben zerschlug. Das Material versteckte er strate-gisch nahe am Wassergraben. Erst Stunden oder Tagespäter setzte er es als Wurfgeschosse gegenüber demPublikum ein [9].

Die Munitionssammlungen ähneln 2,6 MillionenJahre alten Lagern von Steinwerkzeugen in Ostafrika,die Hominiden zugeschrieben werden. Aber waren eswirklich immer „Menschen“, die diese Artefakte sam-melten? Ausgrabungen in westafrikanischen Wäldernweisen jedenfalls nach,dass Schimpansen dort seit Jahr-tausenden Hämmer und Ambosse aus Stein zum Nüs-sezerschlagen einsetzen. Viele angebliche Belege ar-chaischer menschlicher Erfindungskraft könnten alsoin Wirklichkeit widerspiegeln, dass auch das Denkender Menschenaffen noch nie prinzipiell auf das Hierund Jetzt beschränkt war.

PanthropologieZu den zäheren Versuchen, das Einzigartige der condi-tio humana zu belegen, zählt Berufung auf die allei-nige „Kulturfähigkeit“ der Menschen – wobei auch die-ser Graben zunehmend erodiert. Vieles hängt an derDefinition von „Kultur“ – wovon wohl ebensovieleexistieren, wie es „Kulturen“ selbst gibt. Zu den klars-ten Kriterien zählt,dass Menschen je nach Wohnort un-

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A B B . 2 Orang-Utan. Die rot-behaarten „Menschen desWaldes“ lebenweitgehend ein-zelgängerisch auf Borneo undSumatra. Seitmehr als zehnMillionen Jahrendurchlaufen sieeine eigene Ent-wicklung abseitsder Stammformvon Gorillas,Schimpansen,Bonobos undMenschen. Bild: Jutta Hof.

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terschiedlichen Sitten folgen – was unsere kulturelleVielfalt ausmacht. Aber auch die Gebräuche nicht-menschlicher Tiere können sich je nach Lebensraumunterscheiden. Obwohl also zur gleichen Art zählend,differieren lokale Populationen hinsichtlich ihrer sozia-len Gepflogenheiten, Subsistenztechniken oder Nah-rungsgewohnheiten.Derlei Unterschiede sind nicht an-geboren, sondern im sozialen Kontext erlernt [6].

Drückerfische beispielsweise blasen Seegurkendurch einen Wasserstrahl um, um dann deren unge-schützte Seite auszufressen. Im Roten Meer allerdings –und nirgendwo sonst – transportieren die Fische ihreBeute im Maul vorsichtig nach oben und lassen dannlos.Während die Stachelhäuter langsam nach unten tru-deln, attackieren die Fische deren unbewaffnete Kör-perstellen.Seeotter beuten ihre Nahrung gleichfalls un-terschiedlich aus.Entlang der kalifornischen Küste pad-deln sie rückwärtig auf dem Wasser, balancieren dabeieine Muschel auf dem Bauch,um sie dann mit einem inden Vorderpfoten gehaltenen Stein zu zerschlagen. Ot-ter weiter nördlich zeigen diese Technik nicht.

Wie zu erwarten sind speziell auch nicht-menschli-che Primaten kulturfähig. So kommen periodisch inmanchen Gruppen von Kapuzineraffen in Costa Ricabizarre Spiele in Mode. Dabei werden ausgewähltenPartnern die Zehen gelutscht, ihnen werden Finger indie Nase gesteckt oder gar unter die Augäpfel gescho-ben. Dies dürfte wenig angenehm sein und erfordert einiges Vertrauen. Genau das ist wohl die Funktion derIntimitäten:Wer sie teilt, signalisiert Bereitschaft zu Al-lianz in anderen, meist aggressiven Kontexten. Außer-gewöhnlich kann es ebenfalls unter Japanmakaken zu-gehen. So nehmen die Affen mancherorts Kiesel in dieHände und klopfen sie klackernd aneinander – einenutzlose Tätigkeit, die vielleicht die Identität derGruppe markiert.

Musterschüler in Sachen Kultur sind erneut Schim-pansen – was diesbezüglichen Forschungen an der Gat-tung Pan den treffenden Spitznamen „Panthropologie“eintrug.Leiden sie an Durchfall,pflücken Schimpansendie rauen Blätter ausgewählter Pflanzen, falten sie undschlucken sie unzerkaut – was den Darm reizt undWurmparasiten ausscheidet. Die genauen Mechanis-men der Selbstmedikation sind unklar,doch muss dieseNaturheilkunde über Generationen sozial weitergege-ben werden.Wieder fällt auf, wie „prominente“ Verhal-tensweisen das kulturelle Profil mancher Bevölkerun-gen ausmachen – während sie anderswo komplett feh-len. So planschen Kommunitäten des Senegal inflachen Teichen,während andere Gruppen Kontakt mitWasser panisch meiden. Im nigerianischen Gashakawiederum isst jeder Schimpanse jeden Tag Ameisen,rührt aber nie die weitaus nährreicheren Termiten an.

Wären die Schimpansen Menschen,würden sie auf-grund des Wasser- oder des Termiten-„Tabus“ als An-hänger einer magisch-religiösen Weltanschauung gel-

ten. Die Psychologie der Menschenaffen jedenfallsdürfte jener ähnlich sein,über die sich Ethnien definie-ren: „Du willst ein Gashaka-Schimpanse sein? Dann issAmeisen soviel Du willst,aber komm bloß nicht auf dieIdee, je eine Termite anzurühren. Oder die Wassergeis-ter zu stören. Sowas macht man nicht...“

Konvergente DenklandschaftenDer Katalog an Merkmalen, mit denen sich einemenschliche Sonderstellung eben nicht belegen lässt,ist mittlerweile umfangreich. Zur Freude der Gradualis-ten werden Tier-Mensch-Protagonisten zuweilen mit eigenen Waffen geschlagen – etwa, wenn an Bildschir-men geschulte Schimpansen zufällige Zahlenfolgenschneller und genauer rekapitulieren können, als Stu-denten.

Neben der Kultur hält sich das Ja oder Nein derSprachfähigkeit als hartnäckiges Thema – wobei auchhier viel an den Definitionen hängt. Manche in Men-schenobhut aufgewachsene Menschenaffen lernen je-denfalls, gesprochenes Englisch zu verstehen oderkommunizieren mittels Gebärdensprache oder Kunst-sprache über eine Computertastatur. Zudem könnenZöglinge „sprechender“ Eltern deren Vokabular über-nehmen, ganz ohne eigene formelle Schulung. Meer-katzen im nigerianischen Gashaka wiederum verblüf-fen, weil die Affen nicht nur ihre Raubfeinde Leopardund Kronenadler mittels spezifischer Referenzlauteauseinanderhalten. Vielmehr führt eine Kombinationder Rufe zu völlig neuer Bedeutung,nämlich der,in einebestimmte Richtung weiterzuziehen – ganz ähnlich,wie Einzelworte in verschiedenen Sätzen einen ande-ren Sinn bekommen können.

„Primatozentrisch“ zu argumentieren liegt nahe,weil Affen und Menschenaffen uns am nächsten stehen– weshalb die Mensch-Tier-Dichotomie hier am ehes-ten aufweicht. Gleichwohl sind menschenähnlichementale Leistungen in paralleler Evolution mehrfachunabhängig voneinander entstanden [4]. Eine solcheKonvergenz der Denklandschaften scheint durch kom-plexe soziale Umwelten begünstigt zu sein – die nichtnur bei Primaten an der Tagesordnung sind, sondernebenfalls bei Elefanten, Ratten, Walen, Papageien oderKrähenvögeln. Ein kompliziertes Miteinander stellt of-fenbar harte Anforderungen an Gehirne, weil Sozial-leben nicht nur Vorteile bietet, etwa Schutz vor Raub-feinden oder Möglichkeiten der Zusammenarbeit.Gruppengenossen sind vor allem auch Konkurrenten,die eigenen Vorteil suchen – und sich dabei nichtscheuen, Täuschung und Falschinformation einzuset-zen [12].

Die Hypothese der Machiavellischen Intelligenzsieht dadurch eine Rüstungsspirale in Gang gesetzt: Indem Maße, wie die Gefahr wuchs, von anderen über-vorteilt zu werden, wurde das eigene Gehirn zu einemimmer besseren Lügendetektor und gleichzeitig immer

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effizienteren Manipulationsapparat [11]. Das demons-trieren Rabenvögel. Wird vor den Augen von zwei imGehege gehaltenen Vögeln Futter versteckt, fliegenbeide um die Wette los, sobald das der Versuchleiter er-laubt. Denn wer zuerst kommt, mahlt zuerst.Wird dasVersteck aber nur einem Raben gezeigt und kommt einzweiter erst hinzu, wenn das Gitter geöffnet wird, solockt der „wissende“ Rabe den anderen sonstwo hin –ein offensichtliches Ablenkungsmanöver. Sobald derWissende dem Versteck näher ist als sein Konkurrent,räumt er den Speicher rasch aus.

Nicht nur Menschen sind also in der Lage,sich in an-dere hineinzuversetzen und damit „Gedankenleser“ zusein.

Die Gemeinschaft der GleichenDie Befunde der Primatologie zwingen uns,speziell dasVerhältnis zumindest zu unseren allernächsten Ver-wandten zu überdenken. Das betrifft zunächst die Ta-xonomie: Die Einteilung der Hominoidea, der Men-schenartigen, hat bereits mehrere Revolutionen hintersich. So wurden bis in die 1970er Jahre die GroßenMenschenaffen als Familie Pongidae den Hominidae ge-genübergestellt, mit Homo sapiens als einziger leben-der Form. Bei den Pongidae verblieb allein der Orang-Utan, als die Gattungen Gorilla und Pan (Schimpanse,Pan troglodytes; Bonobo, P. paniscus) den Hominidaeeingegliedert wurden. Als die Molekularbiologie klarmachte, dass Pan mit Gorilla weniger nahe verwandtist als mit Homo, wurde es eng. Denn nun musste eineZwischendecke eingezogen werden, um innerhalb derHominidae den „Tribus“ der „Gorillini“ abzugrenzenvom Tribus der „Panini“, zu dem nunmehr Pan undHomo zählen.

Der wirklich konsequente Schritt steht aus. Geneti-ker kalkulieren je nach ausgewählten Markern, dasssich Homo und Pan maximal 2 bis minimal 0,6 Prozentunterscheiden (während durchschnittlich 4 Prozentzwischen Menschenmännern und -frauen liegen...).Differierte das Erbgut von Käfern um solche Bruch-teile, würden sie gewiss nicht alternativen Genera zu-geschlagen.Somit ist die Forderung durchaus angemes-sen, unsere Gattung zu erweitern – durch Umbenen-nen von Schimpansen in Homo troglodytes undBonobos in Homo paniscus [15].

Diese Sicht ist zusätzliche Unterstützung für dieForderung, den Großen Menschenaffen einige jenerRechte zuzugestehen, die bisher nur für Menschen gel-ten – so das Recht auf Leben, körperliche Unversehrt-heit und Freiheit von Folter. Die Initiative der Philoso-phen Peter Singer und Paola Cavalieri macht sich seitgut 15 Jahren dafür stark, Menschenaffen in die „com-munity of equals“ aufzunehmen,die „Gemeinschaft derGleichen“.Es würde damit als Unrecht gelten,sie in me-dizinischen Experimenten zu Tode zu richten oder ih-ren Lebensraum zu zerstören. Zugleich sollen sie als

„Personen“ angesehen werden – nicht zuletzt, weilMenschenaffen sich in andere Wesen hineinversetzenund in die Zukunft denken können, weshalb ihre Lei-densfähigkeit der unseren sehr ähneln dürfte [2].

Solche Überlegungen setzen andere historische De-batten logisch fort – beispielsweise die,ob Frauen wäh-len sollen, ob Menschen ihr zugeschriebenes Ge-schlecht ändern dürfen, ob jemand mit dunkler Haut-farbe als Sklave gehalten werden darf. In diesen Fällenwurde die „Gemeinschaft der Gleichen“ jeweils erwei-tert.Der Moment scheint gekommen,erneut inklusiverzu werden (wobei die anthropozentrische,willkürlicheGrenze zwischen Menschenaffen und anderen Tierenselbstverständlich ebenfalls hinterfragt werden kann).

Die Notwendigkeit praktischer Einschränkungenspricht nicht gegen den Grundsatz. Obwohl sie einRecht auf körperliche Unversehrtheit haben, dürfenviele Menschen – Kinder,Komakranke – beispielsweisenicht wählen. Ganz ähnlich wird wohl niemand einRecht auf Bildung für Bonobos fordern wollen. Unhalt-bar erscheint aber zumindest der Speziesismus,der Un-gleichheit über ein essenzielles Artverständniss recht-fertigt.

Naturalisierung des GeistesBeobachtungen wie die an Primaten oder Rabenvögelnunterstützen den Ansatz einer „Naturalisierung desGeistes“ – jenes Programmes, das alles Mentale aufHirnprozesse zurückführen will. Zu den Grundeinstel-lungen dieser reduktionistischen Weltanschauung ge-hören: Parsimonie (die einfachste Erklärung gilt), Ma-terialismus (mentale Zustände existieren, sind aberidentisch mit Gehirnzuständen), Monismus (währenddie Welt gemäß des traditionellen Dualismus aus zweiSubstanzen besteht – Geist und Materie –, behauptetder Monismus, dass nur physikalische Wirkungen realsind), sowie Gradualismus (zwar beruht Evolution auf„Sprüngen“,den Mutationen,doch gehen hierdurch an-gestoßene Veränderungen in so kleinen Schritten vorsich, dass Wandel quantitativ und allmählich erfolgt –weshalb Übergänge stets fließend sind) [14]. SolcheKonsequenzen sind in dem Maße unausweichlich, wiedie Dichotomie Tier-Mensch zusammenfällt.Angesichtsdessen,was wir heute über Menschenaffen wissen:Werwill da weiter einen Doppelstandard behaupten wol-len,wonach allein Menschen Verstand,Geist, freien Wil-len oder Seele besitzen, und mit Gott durch Gebet in

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> A B B . 3 Gorilla. Die größten der heute lebenden Prima-ten schlugen vor etwa sechs bis elf Millionen Jahren einenSonderweg ein und sind heute auf Zentralafrika beider-seits des Äquators beschränkt. Ihre Gruppen werden voneinem Silberrücken angeführt, dem allerdings oft weitereerwachsene Männer zur Seite stehen. Die Weibchen ent-scheiden sich gewöhnlich mehrmals im Leben für einenGruppenwechsel. Bild: Jutta Hof.

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Kontakt treten können, um nach einem tugendhaftenLeben in Ewigkeit unter Engeln zu weilen?

Zeit für ein Bekenntnis: Derlei Selbstverständlich-keiten meiner intellektuellen Kinderjahre kamen mirabhanden, weil sie nach Jahrzehnten Forschung in derweiten Natur keinen Sinn mehr haben. Ohne Zögernbegreife ich mich deshalb mittlerweile so, wie „Tiere“traditionell begriffen wurden: als geist-los, gott-los,seelen-los und radikal sterblich – wenn meine Neuro-nen zerfallen,geht das Licht aus.Was bleiben wird, sindErinnerungen an mich in anderen, ebenfalls vergängli-chen Gehirnen, Schimpansen eingeschlossen.

Zeit für die Gretchenfrage: An was glauben Sie? Fürden Selbsttest werden drei Positionen zur Auswahl ge-boten – wobei, auch entsprechend offizieller Haltungetwa der großen christlichen Glaubensgemeinschaften– keine dabei das Faktum einer Evolution anzweifelt.

Erste Haltung: Ich bin Pro-Dualist und Non-Gra-dualist. Ich glaube an übernatürliche Kräfte, die nichtden Gesetzen der Physik unterliegen, und meine, dassMenschen sich von Tieren in ihrem Wesen unterschei-den. Beispielsweise kennen nur Menschen einen Un-terschied zwischen Gut und Böse. Irgendwann imLaufe der Evolution offenbarte sich Gott den Urmen-schen, hat ihnen Geist geschenkt,Verstand, eine Seeleund die Möglichkeit,nach dem Tod selig zu leben.Hölleund Himmel sind frei von Neandertalern und Gorillas.

Zweite Haltung: Ich bin Pro-Dualist und Pro-Gra-dualist. Ich glaube an Übernatürliches, doch akzeptiereich die Erkenntnisse der Verhaltensbiologie. Deshalbmuss ich annehmen,dass manche Tiere wie Menschen-affen ebenfalls Verstand, Bewusstsein und Geist haben– und vermutlich zudem freien Willen und eine Seele.Somit wird die Ewigkeit von allerlei Getier bevölkert,das sich im Diesseits gut und richtig verhielt. Der Him-mel ist ein Zoo.

Dritte Haltung: Ich bin Non-Dualist und Pro-Gra-dualist. Ich akzeptiere nur die Gesetze der Physik. Ichmeine,dass weder Menschen noch andere Tiere „Geist“oder unsterbliche Seele haben. Manche Tiere ein-schließlich Menschen verfügen über ein Bewusstsein,das ihnen etwa vorgaukelt, sie würden frei handeln,und dass es göttliche Welten gibt. Diese Illusionen wa-ren über weite Strecken der Evolution nützlich undmachten Gläubige zu brauchbaren Gen-Vehikeln – de-ren individuelle Kombination aber nach dem Tod in ma-terielle Bestandteile zerfällt [7]. Somit können wir denHimmel nur auf Erden haben.

Dass ich mit der letzten Haltung mehr als sympa-thisiere,dürfte klar geworden sein.Gleichwohl erkenntmein strikter Monismus durchaus an,dass unser Gehirndazu neigt, an Supranaturales zu glauben.Wir sind einevolvierter Homo religiosus.Rituale wie Gebet,Medita-tion,Tanz können deshalb zur Empfindung der Außer-körperlichkeit führen,einer unio mystica mit dem Gött-lichen, Seelenreisen und tiefen Glücksgefühlen – was

die Neuropsychologie empirisch bestätigt.Es erscheintmir deshalb wenig hilfreich,derlei neuronale Potenzenzu leugnen, sie per se als rückwärtsgewandt zu ver-dammen,oder sie mit missionarisch atheistischem Eiferad absurdum führen zu wollen. Denn einerseits kannsich auch ein „aufgeklärtes“ Gehirn an Bachmessenund Weihrauch erfreuen. Andererseits ist eine säkulareSpiritualität durchaus möglich – Atheisten könnenebenfalls meditieren [7].

Jenseits von Gut und BöseDie skizzierte gradualistische Sicht kann und sollte inEthikdebatten einfließen. Im Unterschied zu religiösbegründeten Handlungsanweisungen existieren fürjene, die in der Tradition Darwins argumentieren, aller-dings keine ewigen Werte, kein unwandelbares Wissenum Gut und Böse.Vielmehr gilt es zu akzeptieren, dasssich Normen ändern,wenn sich Umwelten ändern.DerKlimax-Regenwald ist mehrfach der Savanne gewichen– genauso wie „Hoch“-Kulturen einander ablösten.Wiees mithin kein ökologisches Gleichgewicht gibt, weilsich das Klima stets wandelt, existiert ebenfalls keinethisches Gleichgewicht.

Wertvorstellungen sind darum relativ, inklusive des-sen, was als lobenswert oder verwerflich gilt.Vorhaut-beschneidung, Verzehr von Ameisen oder gleichbe-rechtiges Diskutieren zwischen Mann und Frau geltenin manchen Kulturen als Gräuel, in anderen als Tugen-den.Derlei Werte prallen in einem mehr und mehr glo-balen Kontext immer häufiger zusammen. Genau des-halb sind die Zeiten vorbei, dass Kulturen auf ihren jeeigenen Kodex pochen könnten. Die ökonomisch Aus-gebeuteten der Subsahara mögen deshalb meinen ener-gieveschwendenden Lebensstil genauso hinterfragen,wie ich die Jagd auf „Buschfleisch“ anprangere,die Afri-kas Menschenaffen in die Ausrottung treibt.

Eine zeitgemäße, evolutionsbiologisch orientierteEthik wird also Handlungsanweisung an Weltenbürgersein müssen. Der Streit wird dabei nie enden, sollteaber mittelfristig stabile Ergebnisse zeitigen, die demStand der Wissenschaft Rechnung zollen. Nehmen wirdie Forderung nach Personenstatus für Menschenaffen– die vor 20 Jahren nicht nur mir selbst absurd erschie-nen wäre. Heute wird der Gedankengang oft durchaussympathisierend reflektiert.

Was möglich ist, demonstriert ein einst erzkonser-vatives Land wie Spanien: Da werden die für Men-schenaffen geforderten Rechte gesetzlich verankert.

202 | Biol. Unserer Zeit | 3/2009 (39) www.biuz.de © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

> A B B . 4 Schimpanse. Ökologische Flexibilität erlaubtees diesen Menschenaffen, sich über weite Regionen Afrikas auszubreiten. Noch vor fünf Millionen Jahren teil-ten sie mit Bonobos und Menschen einen gemeinsamenVorfahren. Die Trennung war allerdings nicht vollständig,weil gemeinsame Fortpflanzung weiterhin an der Tages-ordnung blieb. Bild: Jutta Hof.

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Verkehrte Welt? Deutschland hat jedenfalls Nachholbe-darf.Wenn man hier die Zeichen der Zeit ernst nimmt,dann sollte die Forderung nach „Leitkultur“ nicht rech-ten Rufern überlassen werden. Sie sollte sich vielmehrmanifestieren im Sinne einer neu verhandelten Ethik,wie ich sie mir wünsche: der eines evolutionären Hu-manismus.

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che Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2002.[14] F. J. Wetz, (Hrsg.), Ethik zwischen Kultur- und Naturwissenschaft.

(Kolleg Praktische Philosophie, Bd. 1), Philipp Reclam jun., Stutt-gart, 2008.

[15] D. E. Wildman, M. Uddin, G. Liu, L. I. Grossman, M. Goodman, Im-plications of natural selection in shaping 99.4% nonsynonymousDNA identity between humans and chimpanzees: Enlarging genusHomo. Proceedings of the National Academy of Sciences 2003,100, 7181–7188.

[16] F. M. Wuketits (Hrsg.), Wohin brachte uns Charles Darwin? (Schrif-tenreihe der Freien Akademie 28), Angelika Lenz, Neu-Isenburg,2009.

[17] www.congo-apes.org

ZusammenfassungAktuelle Erkenntnisse der Evolutionsbiologie sind nicht nurwissenschaftlich bedeutsam. Vielmehr haben sie auch welt-anschauliche Konsequenzen, die unter den Stichworten Naturalismus und evolutionärer Humanismus zunehmenddiskutiert werden. Wer konsequent gradualistisch denkt, fürden ist die wesensgemäße Unterscheidung von Tier undMensch ebenso problematisch wie dualistische Philoso-phien, die auf supranaturale Kräfte bauen. Speziell reform-bedürftig ist unser Verhältnis zu Menschenaffen, derenDenkwelten den unseren ähneln. Ihnen wäre deshalb Perso-nenstatus zuzuerkennen, und unsere eigene Gattung durchUmbenennung der Schimpansen in Homo troglodytes zu erweitern.

SummaryCurrent evolutionary biology is not only of scientific impor-tance, but has major philosophical consequences for our un-derstanding of what human beings are – as reflected in re-cent discourses about “naturalism” and “evolutionary hu-manism”. A strict gradualist approach will question anydichotomy of “humans” versus “animals” as well as dualis-tic philosophies that assume supernatural forces. Revisionsare likewise needed in our relationship to great apes as ournearest relatives. Their mental worlds are very similar toours. Apes should therefore be regarded as persons, and ourown genus should be enlarged to include chimpanzees asHomo troglodytes.

SchlagwortePrimatologie, evolutionäre Anthropologie, evolutionä-rer Humanismus, Menschenaffen, Personenstatus

Der AutorVolker Sommer hat als international führender Primatologe am University College London einenLehrstuhl für evolutionäre Anthropologie inne(www.ucl.ac.uk/anthropology). In Asien und Afrikabetreibt er Feldforschung zur Öko-Ethologie von Affen und Menschenaffen (www.ucl.ac.uk/gashaka).Einer breiteren Öffentlichkeit ist der engagierte Na-turschützer durch Fernsehsendungen sowie Bücherbekannt, zuletzt „Darwinisch denken“ (Hirzel,2007) und „Schimpansenland“ (C.H. Beck, 2008).Als wissenschaftlicher Beirat der „Giordano-Bruno-Stiftung“ setzt er sich für eine säkulare Weltsichtein.

KKoorrrreessppoonnddeennzz::Prof. Dr. Volker SommerDepartment of Anthropology University College London GB London WC1E 6BT Email: [email protected]

Die FotografinJutta Hof arbeitet hauptberuflich als Heilpraktikerinin der Nähe von Frankfurt. Die außergewöhnlicheIntensität ihrer Menschenaffen-Portraits führt sieauf eine intuitive Nähe zurück.

KKoonnttaakktt::[email protected]

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