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Diplomarbeit II Messung und Analyse myoelektrischer Signale von Martin Weitz Ober¨ oderweg 5 37217 Witzenhausen Matr.-Nr.: 99205353 1. Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Axel Bangert 2. Gutachter: Prof. Dr. sc. techn. Dirk Dahlhaus Betreuer: Dipl.-Ing. Herbert Lindenborn Bearbeitungszeitraum: 05.04.2006 bis 06.09.2006

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Diplomarbeit II

Messung und Analyse

myoelektrischer Signale

von

Martin Weitz

Oberoderweg 5

37217 Witzenhausen

Matr.-Nr.: 99205353

1. Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Axel Bangert

2. Gutachter: Prof. Dr. sc. techn. Dirk Dahlhaus

Betreuer: Dipl.-Ing. Herbert Lindenborn

Bearbeitungszeitraum: 05.04.2006 bis 06.09.2006

Erklarung

Hiermit versichere ich, die vorliegende Diplomarbeit selbstandig und unter ausschließli-cher Verwendung der angegebenen Hilfsmittel erstellt zu haben.

- - - - - - - - - - - -Unterschrift

Vorwort

An dieser Stelle mochte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mir diese Diplomarbeitermoglicht haben. Vielen Dank an Herrn Dipl.-Ing. Herbert Lindenborn fur die hervor-ragende und unschatzbare Betreuung meiner Diplomarbeit. Ebenso gilt mein Dank denHerren Prof. Dr.-Ing. Axel Bangert und Prof. Dr. sc. techn. Dirk Dahlhaus, die meineDiplomarbeit begutachten. Ein ganz besonderes Dankeschon gilt dem gesamten Teamdes Fachgebiets Nachrichtentechnik der Universitat Kassel fur das hervorragende Ar-beitsklima, durch das ich mich jederzeit sehr wohl gefuhlt habe: Frau Hannelore Abel,Thomas Edlich, Stephan Matthes, Marc Seelig, Osama Sheibani und Ralf Stichtenoth.Vielen Dank an meine Familie, die mich unterstutzt und mir damit das Studium inKassel ermoglicht hat. Ein herzliches Dankeschon geht an Anke von Geldern fur dasunermudliche Korrekturlesen.

I

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 11.1. Thema der Diplomarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2. Geschichtliche Entwicklung und Stand der Technik . . . . . . . . . . . . 21.3. Ziel und Aufgabenstellung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.4. Losungsweg der Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.5. Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung 62.1. Einfuhrung in den Aufbau der Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2. Die motorische Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3. Erregbarkeit von Muskelzellen durch das Aktionspotenzial . . . . . . . . 10

2.3.1. Elektrisches Modell der Weiterleitung des Aktionspotenzials . . . 122.3.2. Vereinfachtes elektrisches Modell der Weiterleitung des Aktions-

potenzials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.4. Summenaktionspotenzial der motorischen Einheit . . . . . . . . . . . . . 17

2.4.1. Aktivierungseigenschaften der motorischen Einheit . . . . . . . . 182.4.2. Rekrutierung motorischer Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.5. Uberlagerung von Summenaktionspotenzialen zu einem myoelektrischenSignal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3. Signalerfassung 243.1. Ubersicht uber das Erfassungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243.2. Sensoreinheit mit Elektrode und Vorverstarker . . . . . . . . . . . . . . . 26

3.2.1. Metallische Elektroden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.2.2. Vorverstarkerschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3.3. Einflussfaktoren auf die Signalerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343.3.1. Hautvorbereitung und Ubergangsimpedanz . . . . . . . . . . . . . 343.3.2. Platzierung der Elektrode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343.3.3. Masseelektrode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373.3.4. Ubersprechen unerwunschter Signale . . . . . . . . . . . . . . . . 37

3.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

II

Inhaltsverzeichnis

4. Signalanalyse 404.1. Stochastische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.2. Stationaritat und Ergodizitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

4.2.1. Stationaritat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434.2.2. Stationaritat im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444.2.3. Ergodizitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

4.3. Amplitudenparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464.3.1. Gleichrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474.3.2. Gemittelte Gleichrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474.3.3. Integriertes myoelektrisches Signal . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484.3.4. Quadratischer Mittelwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

4.4. Frequenzparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504.4.1. Spitzenwert der Amplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.4.2. Spektrale Bandbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.4.3. Medianfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.4.4. Mittlere Frequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

4.5. Normierung der Messwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554.6. Zerlegung myoelektrischer Signale in ihre Summenaktionspotenziale . . . 56

4.6.1. Independent Component Analysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564.7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems 595.1. Sensoreinheit mit Elektrode und Vorverstarker . . . . . . . . . . . . . . . 595.2. Regelbarer Nachverstarker und Anti-Alias-Filterung . . . . . . . . . . . . 63

5.2.1. Spannungsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635.2.2. Einstellbarer Nachverstarker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645.2.3. Anti-Alias Tiefpassfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665.2.4. Schaltplan der Nachverstarker- und Filterschaltung . . . . . . . . 68

5.3. Messtechnische Untersuchung des Erfassungssystems . . . . . . . . . . . 695.3.1. Frequenzgang des Anti-Alias Filters . . . . . . . . . . . . . . . . . 695.3.2. Vorabschwacherschaltung fur Linearitats- und Frequenzgangmes-

sung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705.3.3. Linearitatsverhalten des Mess- und Erfassungssystems . . . . . . . 735.3.4. Frequenzgang des Mess- und Erfassungssystems . . . . . . . . . . 74

5.4. Analog/Digital-Wandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755.5. Implementierung der Steuersoftware in LabVIEW . . . . . . . . . . . . . 765.6. Implementierung einer Schwellwerterkennung . . . . . . . . . . . . . . . . 795.7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

III

Inhaltsverzeichnis

6. Messergebnisse und Messwertanalyse 816.1. Implementierung der Analysesoftware in MATLAB . . . . . . . . . . . . 826.2. Messung statischer Bizepskontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

6.2.1. Amplitudenparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 856.2.2. Spektrale Leistungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

6.3. Messung dynamischer Bizepskontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886.4. Statistische Momente der Messdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

7. Zusammenfassung und Ausblick 93

Abbildungsverzeichnis 96

Tabellenverzeichnis 98

Literaturverzeichnis 99

A. Anhang 103A.1. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems . . . . . . . 103

A.1.1. Leiterplattenlayout Sensoreinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103A.1.2. Leiterplattenlayout Nachverstarker-Filterstufe . . . . . . . . . . . 104A.1.3. Schaltplan einer mehrkanaliger Sensoreinheit . . . . . . . . . . . . 106A.1.4. Kalibrationsmessung NF-Ubertrager . . . . . . . . . . . . . . . . 107

A.2. Messergebnisse und Messwertanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108A.2.1. Implementierung der Signalanalyse in MATLAB . . . . . . . . . . 108A.2.2. Weitere Amplitudenparameter der statischen Bizepskontraktion . 113A.2.3. Leistungsspektren der statischen Bizepskontraktion Datensatz 01 115

A.3. Weitere Messdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117A.4. CD-ROM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

IV

Verwendete Symbole undFormelzeichen

∆Ωmin spektrale Auflosungsgrenze s(t) Zeitsignalε0 Permittivitatskonstante sd(t) detektiertes Zeitsignalεr relative Permittivitat TE Inter Puls Intervallµ Mittelwert t Zeitµ0 Permeabilitatskonstante U Spannungµr relative Permeabilitat V Verstarkungsfaktorσ el. Leitfahigkeit vC Nervenleitgeschindigkeitσ Standardabweichung X(t) stochastischer Prozessσ2 Varianz Y (ω) Admittanzτ Zeitfenster Z(ω) Impedanzϕ Phasenwinkelω KreisfrequenzA FlacheC Kapazitatd DistanzE(x) Erwartungswertf Frequenzfc GrenzfrequenzfE Entladeratefs Samplingfrequenzfs StoppbandfrequenzH(f) UbertragungsfunktionI Stromk UbertragungsfaktorP (Ω) Periodogrammp(x) WahrscheinlichkeitsverteilungR WiderstandR(τ) AutokorrelationsfunktionS(ω) spektrale Leistungsdichte

V

Verwendete Abkurzungen

A Verstarker, AmplifierADC Analog/Digital-ConverterARV Averaged Rectified ValueCMRR Common Mode Rejection RatioDC GleichstromEKG ElektrokardiogrammEMG ElektromyogrammGPIB General Purpose Interface BusFET FeldeffekttransistorFFT Fast Fourier TransformICA Independent Component AnalysisLE Linear EnvelopeMDF Median FrequencyMNF Mean FrequencyMPF Mean Power FrequencyMUAP Motor Unit Action PotentialMVC Maximum Voluntary ContractionOP, OPAMP OperationsverstarkerPA Peak AmplitudePC Personal ComputerPCMCIA Personal Computer Memory Card

International AssociationPSD Power Spectral DensityRMS Root Mean SquareSC Switched CapacitorTP TiefpassUSB Universal Serial BusVI Virtual Instrument

VI

1. Einleitung

Die Medizintechnik ist ein seit Jahren stetig wachsendes Anwendungsfeld der Elektro-technik bzw. der Kommunikationstechnik. Ein Teilgebiet der Medizintechnik befasst sichdabei mit der Analyse myolektrischer Signale. Die rasanten Fortschritte auf dem Gebietder modernen Signalverarbeitung innerhalb der vergangenen funf bis zehn Jahre gestat-ten es, einerseits exaktere und schnellere medizinische Diagnosen durchzufuhren, undandererseits zuverlassige und intelligente prothetische Hilfsmittel anzubieten.

Im Gegensatz zu den Schlagworten der modernen Kommunikationstechnik ist der Begriffmyoelektrisches Signal der Allgemeinheit weithin unbekannt. Jeder von uns produziertjedoch diese Signale, bewusst und unbewusst. Sie entstehen in unseren Korpern selber,wahrend jeder einzelnen alltaglichen Bewegung unserer Muskeln. Als selektive Beispielekonnen zur Veranschaulichung der morgendlichen Augenaufschlag oder auch das abend-liche zappen mit der Fernbedienung aufgefuhrt werden. Myoelektrische Signale werdendemnach durch jede bewußte und unterbewußte Muskelbewegung erzeugt.

Anders als Kommunikationssignale, die wir taglich produzieren (hierzu gehoren solche,die beispielsweise beim telefonieren mit dem Mobiltelefon oder beim Versenden einerEmail mit dem Computer entstehen), verlassen myoelektrische Signale unseren Korperim Normalfall nicht. Mochte man sie trotzdem sichtbar machen oder anderweitig nutzen,z.B. fur medizinische Zwecke, muss man sie mit einer geeigneten Technik messen.

Hat man myoelektrische Signale des Korpers messtechnisch erfasst, konnen sie auf un-tersschiedlichen Anwendungsgebieten von entscheidendem Nutzen sein. In der medizini-schen Elektrodiagnostik werden sie genutzt, um neuromuskulare Krankheiten zu diagnos-tizieren. Hochleistungssportler verwenden sie zum kontrollierten Training ihrer Muskeln.Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet sind Mensch-Maschine Schnittstellen, wie bei-spielsweise die Steuerung von Korperteilprothesen. In diesem Zusammenhang verhelfendie Signale den betroffenen Menschen zu mehr Lebensqualitat im Alltag.

In dieser Arbeit soll sich auf die Messung und Analyse der Signale konzentriert werden,um den einschlagigen Zusammenhang zwischen Technik und Medizin zu fokussieren undhervorzuheben. Die folgenden Abschnitte dieses Kapitels erlautern die Aufgabenstellungund Zielsetzungen dieser Diplomarbeit im Detail.

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1. Einleitung

1.1. Thema der Diplomarbeit

Myoelektrische Signale sind elektrisch messbare Signale, die bei der Kontraktion vonMuskeln entstehen. In der medizinischen Elektrodiagnostik benutzt man die Messungdieser Signale, die so genannte Elektromyographie, um Krankheiten der Nerven- undMuskelzellen zu diagnostizieren.

Die Erfassung myoelektrischer Signale auf der Hautoberflache stellt hohe Anspruche andie verwendete Messtechnik. Zum Einen sind die Signale in ihrer Amplitude sehr schwachund in einem hohen Maß von Storungen und Rauschen uberlagert, zum Anderen musseneinige physiologische Zusammenhange, wie z.B. die Entstehung und Weiterleitung derSignale im Korper, bei der Erfassung bedacht werden. Die Messung sowie die anschlie-ßende Analyse der Signale sind das Thema dieser Diplomarbeit.

1.2. Geschichtliche Entwicklung und Stand der Technik

Den Grundstein der modernen Neurophysiologie, und somit der Elektromyographie, legteLuigi Galvani Ende des 18. Jahrhunderts durch seine Experimenten mit Nerven- undMuskelpraparationen. Er entdeckte, dass sich Muskeln durch elektrische Stimulationzu Kontraktionen anregen lassen. Umgekehrt erzeugen Muskeln bei der Kontraktionmessbare elektrische Strome und Spannungen. Seine Entdeckungen manifestierte er 1792in seiner Abhandlung uber die Krafte der Elektrizitat bei der Muskelbewegung ( De viribuselectricitatis in motu musculari commentarius)[1].

Aufbauend auf Galvanis Erkenntnissen entwickelte sich der franzosische Physiologe Guil-laume-Benjamin Duchenne im Laufe des 19. Jahrhunderts zum Vater der modernenmedizinischen Elektrophysiologie. Er fuhrte Experimente mit elektrischer Reizung ver-schiedener Gesichtsmuskeln durch und schrieb die Erkenntnisse in seiner grundlegendenArbeit Physiologie der Bewegung, (Cassel/Berlin 1885)[2] nieder.

Mit der rasanten Weiterentwicklung auf den Gebieten der Elektronik und deren Verbrei-tung seit Ende des 2. Weltkrieges stieg die Nutzung der Elektromyographie rasch an. Alseine der ersten, weitlaufig akzeptierten Publikationen kann die Arbeit uber die Bewe-gung der Schulterregion von Inman, Saunders und Abbott (Observations of the functionof the shoulder joint, 1944)[3] bezeichnet werden. Im Laufe der 50er Jahre des 20. Jahr-hunderts erhielt die Elektromyographie erstmals Einzug in komplexere, anatomischenStudien.

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1. Einleitung

In der aktuellen Elektrodiagnostik gehoren vollelektronische Systeme zur technischenSelbstverstandlichkeit. Mit ihrer Hilfe konnen myoelektrische Signale oft mehrkanaligerfasst und digitalisiert werden. Die digitalen Messergebnisse werden zudem oft durchhochkomplexe Software und mit Hilfe digitaler Signalverarbeitungsalgorithmen analy-siert und bewertet. Als bundesweit fuhrendes Unternehmen, das solche Systeme kom-merziell anbietet, kann die Firma Schwarzer GmbH [4] genannt werden.

Auf dem Gebiet der Prothetik ist die ebenfalls deutsche Firma Otto Bock HealthCareDeutschland GmbH & Co. KG [5] aus Duderstadt ein weltweit fuhrendes Unternehmen.Es entwickelt und produziert unter Anderem myoelektrisch angesteuerte Handprothesen,bei denen die Griffgeschwindigkeit und Griffkraft proportional zur Hohe des Muskelsi-gnals geregelt werden. Zahlreiche Artikel in der Fachliteratur beschaftigen sich mit derAnwendung myoelektrischer Signale in der Prothetik [6, 7, 8].

Trotz der hoch entwickelten Technik in solchen Systemen kann es jedoch unter ungunsti-gen Bedingungen zu Fehlfunktionen kommen. Der Aufenthalt in der Nahe von Hochspan-nungsleitungen, starken Sendeanlagen oder Transformatorstationen kann die Systeme inihrer Funktion beeintrachtigen. Im Vergleich zu diesen Storeinstrahlungen sind die auf-tretenden myoelektrischen Signale jedoch sehr schwach. Um sie trotzdem zuverlassigzu messen, ist eine Verwendung von hochempfindlichen Elektroden, die zugleich robustgegenuber Storungen sind, zwingend notwendig.

Bei den in der Prothetik derzeit verwendeten Systemen ist zudem die Anlernung derSysteme auf verbliebene Restmuskelfunktionen notwendig, die eine exakte und konstan-te Positionierung der Elektroden erfordern. Aktuell wird diese Problematik durch ei-ne aufwandige orthopadische, mechanische Anpassung der Prothesen an die verbliebe-nen Korperteile gelost. Eine einfachere Losung ware beispielsweise die Verwendung vonlernfahigen Systemen, die basierend auf Mehrelektrodenarrays das jeweils hochqualita-tivste Messsignal von verschiedenen Positionen automatisch erfassen.

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1. Einleitung

1.3. Ziel und Aufgabenstellung der Arbeit

Ziel dieser Diplomarbeit ist es, ein System zu entwickeln, das myoelektrische Signaleerfasst und einem Rechnersystem zur Weiterverarbeitung zur Verfugung stellt.

Aus dieser Zielsetzung heraus leitet sich die Aufgabenstellung der Diplomarbeit folgen-dermaßen her:

• Erarbeitung der theoretischen Grundlagen der Entstehung myoelektrischer Signale.

• Entwicklung einer elektronischen Schaltung zur Aufnahme und Verstarkung derSignale.

• Herstellung der elektronischen Schaltung und Aufbau eines Messsystems zur Er-fassung der Signale.

• Digitalisierung und Analyse der gewonnenen Signale auf einem Rechnersystem.

1.4. Losungsweg der Aufgabenstellung

Um die im Abschnitt 1.3 genannten Aufgaben zu bearbeiten und Zielsetzungen zu er-reichen, ist ein zielgerichteter Losungsweg notwendig. Ein moglicher Ansatz soll im fol-genden vorgestellt werden:

• Umfangreiche Literaturrecherche zu den Grundlagen myoelektrischer Signale.

• Entwicklung und Aufbau eines Messsystems.

• Messtechnische Untersuchung des realisierten Systems.

• Messung realer myoelektrischer Signale.

• Analyse und Darstellung der Messergebnisse.

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1. Einleitung

1.5. Gliederung

Kapitel 1 stellt kurz die Anwendungsgebiete der Elektromyographie vor. Es erlautert dieMotivation dieser Diplomarbeit und gibt einen detaillierten Uberblick uber die Aufga-benstellung, das Ziel und den Losungsweg der Diplomarbeit. Diese Gliederung schließtdas Kapitel 1 ab.

Kapitel 2 behandelt die theoretischen und physiologischen Grundlagen, die notig sind,um die Entstehung myoelektrischer Signale zu verstehen. Es erlautert den grundlegendenMuskelaufbau und die Mechanismen der aktiven Muskelbewegung. Aufbauend auf diesenErlauterungen erklart das Kapitel abschließend wie myoelektrische Signale entstehen undwas ihre grundlegende Charakteristik ausmacht.

Kapitel 3 befasst sich mit den Techniken zur Erfassung myoelektrischer Signale. Es gibteine Ubersicht der wesentlichen Komponenten eines Mess- und Erfassungssystems underlautert relevante Einflussfaktoren auf die Messung myoelektrischer Signale.

Kapitel 4 beschreibt verschiedene Methoden, durch welche die erfassten Signale analy-siert und ausgewertet werden konnen. Es erlautert einfuhrend die Grundlagen der Si-gnalanalyse und gibt anschließend eine Ubersicht gebrauchlicher Analysemethoden derAmplituden- und Frequenzparameter myoelektrischer Signale.

Kapitel 5 beschreibt die im Laufe der Diplomarbeit entwickelte und realisierte Mess- undErfassungshardware. Schaltplane der notwendigen Verstarkerschaltungen, ihre messtech-nische Untersuchung sowie die Implementierung von Steuer- und Analysesoftware werdenerlautert.

Kapitel 6 prasentiert Mess- und Analyseergebnisse, die mit Hilfe des in Kapitel 5 entwi-ckelten Systems gemessen wurden.

Kapitel 7 beinhaltet eine Zusammenfassung der vorgelegten Arbeit, diskutiert die ge-wonnenen Resultate und gibt einen Ausblick auf zukunftige Aufgaben.

Verzeichnisse der Abbildungen, der Tabellen und der verwendeten Literatur, gefolgt voneinem Anhang schließen diese Diplomarbeit ab.

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2. Physiologische Grundlagen dermyoelektrischen Signalerzeugung

Um eine Bewegung durchzufuhren, welche produzierte Kraft benotigt, ist die gezielteAktivierung von Muskelkontraktionen notig. Wahrend dieser Aktivierung von Muskelnenstehen kleine elektrische Strome und Spannungen. Diese elektrischen Signale kannman sowohl uber die Oberflache der Haut als auch im Muskel selber messen. Man nenntsie

”myoelektrische Signale“. Die folgenden Abschnitte dieses Kapitels beschreiben die

Entstehung dieser Signale, indem ihr Ursprung erlautert wird sowie charakteristischeEigenschaften erklart werden. Eine kurze Einfuhrung in den Aufbau der Muskulaturleitet dieses Kapitel ein.

2.1. Einfuhrung in den Aufbau der Muskulatur

Die Muskulatur eines Menschen definiert man als das Organsystem, welches die Ge-samtheit seiner Muskeln umfasst. Die Muskulatur ist Basis fur die aktive Bewegungdes Korpers, sowie fur viele innere Korperfunktionen. Ein Muskel1 ist ein Organ, wel-ches durch die Abfolge von Kontraktion und Erschlaffen die Strukturen des Korpersbewegt. Die eigentliche Muskelkontraktion ist ein chemischer Vorgang, bei dem sich fei-ne Eiweißstrukturen im Muskelgewebe ineinander verschieben und auf diese Weise denMuskel verkurzen. Der Vorgang wird durch Nervenimpulse ausgelost.

Grundlegend unterscheidet man zwischen der Muskulatur des Menschen in ihrer histolo-gischen Struktur und zwischen den Mechanismen der Kontraktion. Man differenzierthier zwischen glatter Muskulatur und quergestreifter Muskulatur. Glatte Muskulaturkommt in vielen Hohlorganen, sowie in Blut- und Lymphgefaßen vor. Im Gegensatzzur quergestreiften Muskulatur kann man sie nicht bewusst kontrollieren. QuergestreifteMuskulatur kann nochmals in die Herzmuskulatur sowie in die Skelettmuskulatur un-terteilt werden. Skelettmuskeln sind diejenigen Muskeln, die der willkurlichen, aktiven

1lat. musculus = Mauschen

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2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

Korperbewegung (beispielsweise der Bewegung der Arme oder der Beine) dienen. Dievorliegende Arbeit befasst sich im Folgenden mit dieser Art der Muskulatur.

Die Muskelzellen der Skelettmuskeln bezeichnet man als Muskelfasern. Viele dieser bis zu15 cm langen Fasern bilden, zu Muskelfaserbundeln zusammengefasst, den Muskel. DieMuskelfaser ist aus vielen fadenformigen Eiweißstrukturen, den so genannten Myofibril-len aufgebaut. Sie durchziehen nebeneinander gelagert die Muskelfaser der Lange nach.Die Myofibrillen unterteilen sich in kleinere Einheiten, die Myofilamente. In ihnen findetder eigentliche Vorgang der Kontraktion durch das Ineinanderschieben der Eiweißstruk-turen Aktin und Myosin statt. Ihre regelmaßig angeordnete, unter dem Mikroskop alsquergestreift erkennbare Struktur ist Ursprung fur den Namen dieser Muskelstruktur.Abbildung 2.1 zeigt den hier beschriebenen Aufbau.

Abbildung 2.1.: Aufbau eines Skelettmuskels nach [9]

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2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

2.2. Die motorische Einheit

Hinter jeder bewussten und unbewussten Bewegung stehen komplexe, biochemischeVorgange im menschlichen Korper. Um diese Vorgange der neuronalen Kontrolle vonMuskelkontraktionen zu beschreiben, ist es zweckmaßig, diese Komplexitat zu reduzie-ren und nicht in seiner Gesamtheit zu erlautern.

Die kleinste funktionelle Einheit dieses neuronalen-muskularen Systems nennt man Mo-torische Einheit. Jeder Skelettmuskel ist aus einer verschieden großen Anzahl dieser Ein-heiten aufgebaut. Das menschliche Nervensystem kontrolliert die Kontraktion in Skelett-muskeln durch die diskrete Aktivierung individueller motorischer Einheiten des Muskelsund durch die Variation ihrer Aktivierungsrate.

Die Anzahl der motorischen Einheiten variiert sowohl in verschiedenen Muskeln dergleichen Person, sowie in gleichen Muskeln verschiedener Personen. Ihre Anzahl beein-flusst im Wesentlichen die

”Feinfuhligkeit“ des Muskels. Je mehr motorische Einheiten

er umfasst, desto feiner kann die Kontraktion kontrolliert werden.

Die motorische Einheit definiert man als den”Zellkorper und die Dendriten eines Mo-

torneurons, seines Axons, die motorischen Endplatten und die durch sie erfassten Mus-kelfasern“ [10]. Unter dem Begriff Motorneuron2 oder motorisches Neuron fasst mandie vom zentralen Nervensystem wegfuhrenden Nervenbahnen zusammen, die die Mus-kulatur des Korpers aktivieren. Der Zellkorper eines Motorneurons befindet sich imRuckenmark. Die Dendriten sind baumartige Auslaufer3 der Nervenzelle, die ebenfallsim Ruckenmark liegen. Ein langer, faserartiger Fortsatz der Nervenzelle, das Axon ge-nannt, leitet elektrische Nervenimpulse vom Zellkorper zu den motorischen Endplattenauf den Muskelfasern weiter.

Diese motorische Endplatte ist der zentrale Ort, an dem die Ubertragung des Impulsesvon der Nervenzelle auf den Muskel stattfindet. Sie ist somit die Verbindungsstelle einesmotorischen Nervs mit einer Muskelfaser. Diese Stelle bezeichnet man auch als chemischeSynapse, an der der Nervenimpuls mit Hilfe eines Neurotransmitters ubertragen wird.Neurotransmitter sind heterogene biochemische Stoffe, welche die Information von einerNervenzelle zur anderen uber die Synapsen weitergeben[11]. Abbildung 2.2 zeigt denschematischen Aufbau einer Motorischen Einheit.

2gr. neuron, der Nerv3gr. dendrites, zum Baum gehorend

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2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

Abbildung 2.2.: Die motorische Einheit[12]

Mechanische Eigenschaften der motorischen Einheiten

Motorische Einheiten konnen nach ihren verschiedensten Eigenschaften klassifiziert wer-den, so z.B. nach ihrer Struktur, oder ihren biochemischen beziehungsweise ihren phy-siologischen Eigenschaften. Bezuglich ihrer mechanischen Eigenschaften klassifiziert mansie nach der Art ihrer Muskelfaserkontraktion. Man unterscheidet dabei langsam kon-trahierende von schnell kontrahierenden Muskelfasern.

Unabhangig von dieser unterschiedlichen Klassifizierung steigt die produzierte Kraft ei-nes Skeletmuskels nichtlinear mit steigender Aktivierungsrate seiner motorischen Ein-heiten an [13]. Diese Nichtlinearitat kann als s-formig (sigmoidal) angesehen werden.Die von einer motorischen Einheit produzierte Kraft ist proportional zu dem Produktihrer Querschnittsflache (cm2) mit ihrer muskelfaserspezifischen Spannung (kg ∗ cm−2).Diese spezifische Spannung berechnet sich aus der maximal produzierbaren Kraft dermotorischen Einheit, dividiert durch das Produkt aus der Anzahl der Fasern und ihrerdurchschnittlichen Querschnittsflache. Diese spezifische Spannung ist im selben Mus-kelfasertyp, obgleich in verschiedenen Muskeln, annahernd gleich. Weiter mechanischeEigenschaften werden in [14] und [15] erlautert.

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2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

2.3. Erregbarkeit von Muskelzellen durch das

Aktionspotenzial

Im Normalfall hat die Aktivierung einer motorischen Einheit die Aktivierung aller Mus-kelfasern zur Folge, die durch sie erfasst werden. Bei dieser Aktivierung kommen vomZellkorper uber das Axon weitergeleitete Nervenimpulse an der Synapse an und be-wirken die Ausschuttung von Acetylcholin4. Dieser Stoff bindet sich an Rezeptoren imso genannten synaptischen Spalt der Muskelfasermembran. Diese Rezeptoren sind furKationen unterschiedlich durchlassig und wirken auf diese Weise als

”Ionenkanale“ fur

Natrium-, Calcium- und Kaliumionen. Die Anbindung des Acetylcholins bewirkt eineAnderung dieser Permeabilitat. Abbildung 2.3 zeigt den chemischen Aufbau des Neuro-transmitters.

Abbildung 2.3.: Chemischer Aufbau von Acetylcholin[16]

Im nicht kontrahierten Zustand ist der intrazellulare Raum von Muskelfaserzellen nega-tiver geladen als der extrazellulare Raum. Eine dunne Lipoproteinmembran5 trennt undisoliert diese Raume voneinander. Aus diesem Grund herrscht zwischen der Oberflacheder Muskelfasermembran und dem intrazellularem Raum bei entspanntem Muskel einals Ruhepotenzial bezeichneter Zustand. Dieses Potenzial entsteht durch ein Ionenun-gleichgewicht zwischen intrazellularem und extrazellularem Raum der Muskelfaserzellen.Es liegt in diesem Zustand zwischen -80mV und -90mV. Aktive physiologische Prozessehalten diesen Zustand standig aufrecht. Bei einer Dicke der Muskelfasermembran von5 nm isoliert sie eine Feldstarke von 18 kV pro mm.

Nach Aktivierung der motorischen Einheit und Offnung der”Ionenkanale“ durch die

Acetylcholinrezeptoren fließen Natriumionen (Na+) in die Zelle und Kaliumionen (K+)aus der Zelle hinaus. Dies geschieht in einem solchen Ausmaß, dass der intrazellulareRaum positiver geladen wird als der extrazellulare Raum. Das Ruhepotenzial steigt bisauf +30mV an, das so genannte Aktionspotenzial entsteht. Die durch die Potenzialum-kehr entstehende Depolarisation der Muskelfaserzelle erzeugt in den an die motorischeEndplatte angrenzenden Muskelfaserzellen einen Aktivierungseffekt, welcher in seinemAusmaß der Ausschuttung von Acetylcholin enspricht. Die

”Ionenkanale“ offnen sich,

4ACh, systematischer Name: (2-Acetoxy-ethyl)-trimethylammonium5Protein-Lipid-Komplexe, molekulare Eiweiß-Fett-Verbindungen

10

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

Natriumionen stromen in den Zellinnenraum, Kaliumionen hinaus, und lassen die Zel-len schließlich depolarisieren. Dadurch wiederholt sich in den angrenzenden Zellen derEffekt ebenfalls. Auf diese Weise wird das an der motorischen Endplatte entstandeneAktionspotenzial entlang der Muskelfaser weitergeleitet.

Die Depolarisation der einzelnen Muskelfaserzelle ist allerdings nur kurzfristig, da durcheinen aktiven, kompensatorischen Ionenruckstrom eine sofortige Repolarisation auftritt.Auf diese Weise ist immer nur ein kleiner Abschnitt der Muskelfaser auf jeder Seiteder motorischen Endplatte depolarisiert. Eine Hyperpolarisationsphase folgt der Re-polarisation, in der das Aktionspotenzial unter das ursprungliche Ruhepotenzial sinkt,bevor es sich wieder auf den ursprunglichen Pegel einstellt und normalisiert. In dieserPhase ist die Muskelzelle nicht erregbar. Die Abbildung 2.4 macht diesen Phasenver-lauf deutlich. Im weiteren Verlauf fuhrt die Erregung der Muskelfaserzellen zu einerAusschuttung von Calciumionen in den intrazellularen Raum. Hierdurch entstehen durchelektro-mechanisch gekoppelte Prozesse Verkurzungen der in Abschnitt 2.1 beschriebe-nen Eiweißstrukturen der Muskelzellen. Es folgt die Kontraktion des gesamten Muskels,in dessen Folge er sich bewegt.

Abbildung 2.4.: Das Aktionspotenzial nach [17]

11

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

2.3.1. Elektrisches Modell der Weiterleitung des

Aktionspotenzials

Betrachtet man den kleinen, depolarisierten Abschnitt der Muskelfasermembran alsStromsenke und die beiden angrenzenden Abschnitte als Stromquellen, so bilden Senkeund Quellen zusammen einen Tripol in einem Punktquellenmodell. Der Stromfluss jederQuelle in die Senke verlauft genau entgegengesetzt zur jeweils anderen Quelle und paral-lel zur Muskelfaser. Die Abbildung 2.7 reprasentiert diese Vorgange im Modell. Es zeigtschematisch die Polaritat im Inneren und Außeren der Muskelfaser an dem depolarisier-ten Abschnitt zu einem festen Zeitpunkt der Aktionspotenzialweiterleitung. Das Gewebeum die eigentliche Muskelfaser herum kann als ionische Losung angesehen werden, so-fern es sich nicht um weitere Muskelfasern handelt. Diese ionische Losung ermoglichteinen radialen Stromfluss, bzw. ein radiales elektrisches Feld, wie es in der Abbildung2.7 gezeigt wird. Dieser Feldverlauf kann in bestimmten Distanzen von der eigentlichenMuskelfaser entfernt als Potenzialanderungen detektiert werden (Level A und Level Bin Abbildung 2.7).

Anschaulich wird die Weiterleitung des Aktionspotenzials, wenn man sich eine monopo-lare Elektrode vorstellt, die sich zu einem statischen Moment der Weiterleitung entge-gengesetzt der Weiterleitungsrichtung bewegt. Nahert sich die Elektrode der positivenSeite des Tripolmodelles, detektiert man ein positives Potezial, das stufenweise ansteigt(Position A in Abbildung 2.7). Im weiteren Verlauf der Bewegung in Richtung der isopo-tenzialen Region an dem Rand des depolarisierten Abschnitts fallt das Potenzial wiederbis auf Null ab.

Uberquert die Elektrode die Stromsenke des Modells und bewegt sich von ihr weg, detek-tiert man ein negativ ansteigendes Potenzial (Position B in Abbildung 2.7). Dieses falltbis zur zweiten isopotenzialen Region an dem Rand des depolarisierten Abschnitts aufNull ab und wechselt wiederum ins Positive (Position C und D in Abbildung 2.7). Ab-bildung 2.7 zeigt diese Phasen ansteigender und abfallender Potenziale fur verschiedeneDistanzen (Level 1 und Level 2) zwischen der Muskelfaser und der Elektrode.

Elektrochemische Eigenschaften der Muskelfasern bewirken eine hohe Amplitude undkurze Zeitdauer der ersten zwei dieser Phasen, sowie eine geringere Amplitude und lange-re Zeitdauer der nachfolgenden Phase. Aus der Abbildung wird ebenfalls deutlich, dassmit großerem Abstand der Elektrode zu der Muskelfasermembran ein ebenfalls großererAbfall der Signalamplitude sowie eine geringe Verlangerung der Zeitdauer des Signals zubeobachten sind. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der

”Filterwirkung“

des Gewebes. Dieser Effekt wird durch die Gewebeimpedanz verursacht. Sie ist fur ra-dialen Stromfluss wesentlich hoher als fur Stromfluss entlang der Muskelfaser. Je weiterentfernt die Elektrode von der Muskelfaser platziert wird, desto geringer wird die Ampli-

12

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

tude des Aktionspotenzials. Dickere Fettschichten unter der Haut haben ebenfalls einehohere Impedanz und verstarken den schon vorhandenen Filtereffekt des Gewebes.

Die Impedanz des Gewebes kann nicht direkt aus biologischen Parametern berechnetwerden. Sie kann experimentell bestimmt werden, indem Gewebeproben zwischen zweiElektroden harmonisch angeregt werden und Strom- und Spannungsmesssungen durch-gefuhrt werden. Die komplexe Impedanz des Gewebes ergibt sich dann aus:

Z(ω) =|U(ω)||I(ω)| · e

jϕUI(w) , (2.1)

wobei ϕUI der Phasenwinkel zwischen Strom und Spannung ist. Untersuchungen ver-schiedener Gewebearten ergaben ein dominant kapazitives Impedanzverhalten [18]. ImWesentlichen ist die Impedanz von der elektrischen Leitfahigkeit σ und der dielektrischenPermittivitat ε des Gewebes abhangig. Die magnetische Permeabilititat µ speilt in biolo-gischem Gewebe hingegen keine signifikante Rolle und kann vernachlassigt werden, bzw.falls notwendig mit der magnetischen Feldkonstante µ0 gleich gesetzt werden.

Ist die Messanordnung der Strom- und Spannungsmessung bekannt (Flache der Mes-selektroden A und Distanz zwischen den Elektroden d), lasst sich ein Zusammenhangzwischen der Admittanz Y , der elektrischen Leitfahigkeit σ und der elektrischen Permit-tivitat ε herleiten

Y (ω) = G + jωC . (2.2)

Wobei der Leitwert G durch

G =A

d· σ , (2.3)

und die Kapazitat C durch

C =A

d· εr ε0 , (2.4)

definiert sind. Die Admittanz ergibt sich dann folglich aus

Y (ω) =A

d· (σ + jωεrε0) , (2.5)

bzw. die Impedanz aus dem Kehrwert des Ausdrucks.

13

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

Aus diesen Uberlegungen lasst sich ein analoges elektrisches Ersatzschaltbild definieren.Abbildung 2.5 zeigt ein solches Ersatzschaltbild fur eine einzelne Zelle nach [19]. DieZellmembran wird dabei durch eine verlustbehaftete Kapazitat (Parallelschaltung ausRm und Cm in Abbildung 2.5) modelliert. Die ohmschen Widerstande des extrazellularenbzw. intrazellularen Raumes werden durch die Widerstande Re bzw. Ri reprasentiert.Erweitert man die Uberlegungen auf Gewebe, also eine Vielzahl einzelner Zellen, kommtman nach [18] auf die in Abbildung 2.6 gezeigten Ersatschaltbilder. Die WiderstandeR0, Ru und C sind experimentell ermittelte Werte (R0 bei ω → 0 und Ru bei ω → ∞).Rp ist der Ersatzwiderstand fur eine Parallelschaltung aus R0 und Ru.

Abbildung 2.5.: Elektrisches Ersatzschaltbild einer Zelle nach [19]

Abbildung 2.6.: Elektrisches Ersatzschaltbild fur Gewebe nach [18]

14

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

Das Aktionspotenzial wird mit der Nervenleitgeschwindigkeit entlang der Muskelfaserweitergeleitet. Diese Nervenleitgeschwindigkeit ist im Wesentlichen vom Durchmesserder Muskelfaser abhangig. Je großer der Durchmesser, desto hoher wird ebenfalls dieLeitgeschwindigkeit. Die Leitgeschwindigkeit liegt in gesunden Muskeln zwischen 4 m/sund 6 m/s [13].

Abbildung 2.7.: Punktquellenmodell des Aktionspotenziales [13]

15

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

2.3.2. Vereinfachtes elektrisches Modell der Weiterleitung des

Aktionspotenzials

Das im vorhergehenden Abschnitt betrachtete Punktquellenmodell kann zur Veranschau-lichung noch weiter vereinfacht werden. Aus elektrischer Sicht kann die Weiterleitungdes Aktionspotenzials auf der Muskelfaser als Depolarisationswelle verstanden werden.Der monopolare elektrische Impuls formt einen elektrischen Dipol, der sich, wie obenbeschrieben, auf der Muskelfaser entlang ausbreitet. Nutzt man bipolare, differenziel-le Elektrodenanordnungen, lasst sich eine Potenzialdifferenz zwischen den Elektrodenfeststellen. Der sich auf der Muskelfaser fortbewegende Dipol verursacht diese zeitlichvariierende Differenz in Abhangigkeit von seinem Abstand zu den Elektroden sowie derenraumlicher Distanz untereinander.

Abbildung 2.8.: Elektrisches Model fur das Aktionspotenzial

Abbildung 2.8 verdeutlicht diesen Sachverhalt stark vereinfacht. Der Dipol entsteht zumZeitpunkt t1 an einer motorischen Endplatte und verursacht an keiner der entferntenElektroden eine messbare Potenzialdifferenz. Gelangt er zum Zeitpunkt t2 am dich-testen an die erste der Elektroden, so ist die Differenz der messbaren Potenziale amgroßten. Befindet er sich genau in der Mitte, zeigt die Potenzialdifferenzkurve in derGrafik einen Nulldurchgang zum Zeitpunkt t3 an. Raumlich am wenigsten entfernt zurzweiten Elektrode ist die Differenz zum Zeitpunkt t4 folglich am negativ-großten, wie inder Abbildung erkenntlich. Auf diese Weise entsteht aus dem monopolaren elektrischenImpuls ein bipolares Signal.

16

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

2.4. Summenaktionspotenzial der motorischen Einheit

Wie in Abschnitt 2.2 dieser Arbeit beschrieben, besteht eine motorische Einheit in derRealitat nicht nur aus einer einzelnen Muskelfaser, sonder aus vielen Fasern. Eine mo-torische Einheit aktiviert alle ihr zugeordneten Muskelfasern annahernd synchron. Diean den einzelnen Muskelfasern und motorischen Endplatten entstehenden und sich aus-breitenden Aktionspotenziale summieren sich linear zu einem Summenaktionspotenzialder motorischen Einheit. Dessen englische Entsprechung Motor Unit Action Potential(MUAP) und seine Abkurzung werden zunehmend in den deutschen Fachjargon uber-nommen.

Analog zu dem im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen elektrischen Modell ent-steht nicht nur ein Dipol sondern viele Dipole. Die Elektroden erfassen nun alle vonden Dipolen erzeugten Potenzialdifferenzen der von der motorischen Einheit erregtenMuskelfasern. Die Potenzialdifferenzen fallen koharent mit ihrem raumlichen Abstandzu den Elektroden aus und sind daher, je nach Distanz, sehr unterschiedlich.

Die einzelnen Aktionspotenziale uberlagern sich folglich unterschiedlich gewichtet an denElektroden zu einem Interferenzsignal, eben jenem Summenaktionspotenzial. Die Abbil-dung 2.9 zeigt vereinfacht die Abhangigkeit dieses Signals von der raumlichen Anordnungder Muskelfasern, der motorischen Endplatten sowie der Ableitstellen der Elektroden.Formell kann das Summenaktionspotenzial als gewichtete (gewichtet in dem Sinne, dassdie einzelnen Aktionspotenziale nicht alle den gleichen Beitrag zum Summenaktionspo-tenzial liefern, da sie, wie bereits erlautert, nicht alle im gleichen Abstand zur Elektrodeentstehen), lineare Summe der Aktionspotenziale der einzelnen Muskelfasern angenom-men werden.

Untersuchungen am Bizeps (Buchthal et al. [20, 21]), dem zweikopfigen Muskel des Ar-mes, der den Arm beugt bzw. streckt, ergaben in den 50er Jahren des letzten Jahrhun-derts eine mittlere Dauer eines Summenaktionspotenziales von 8.7ms. Dem gegenuberdauerten die einzelnen Aktionspotenziale im Mittel 2.5ms [13]. Der deutliche Unterschiedresultiert aus der raumlichen Verteilung der Muskelfasern und ihrer motorischen End-platten. Die zu Beginn des Abschnitts erwahnte annahernd synchrone Aktivierung derMuskelfasern beeinflusst ebenfalls die Wichtung der einzelnen Aktionspotenziale. Auf-grund unterschiedlich langer Verzweigungen des Axons zu den motorischen Endplatten,benotigt das Aktionspotenzial ebenfalls unterschiedlich lange Zeiten bei der Weiterlei-tung von seiner Verzweigung, bis es schließlich die Muskelfasern erreicht und aktiviert.Der Effekt dieser zeitlichen Verzogerung ist allerdings im Vergleich zu dem Effekt derraumlichen Verteilung vernachlassigbar klein [13].

17

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

Abbildung 2.9.: Das Summenaktionspotenzial einer motorischen Einheit nach [12]

2.4.1. Aktivierungseigenschaften der motorischen Einheit

Aktive motorische Einheiten entladen wahrend der Kontraktion ihrer zugeordneten Mus-kelfasern nicht nur ein einzelnes Aktionspotenzial, sondern eine Sequenz von mehrerenAktionspotenzialen. Folglich entsteht nicht nur ein Summenaktionspotenzial, sondern ei-ne Sequenz von Summenaktionspotenzialen. Die Fachliteratur unterscheidet diese Abfol-ge mit Hilfe zweier verschiedener Eigenschaften. Die Entladerate fE, auch Aktivierungs-rate oder auch Feuerrate6 genannt, gibt die Anzahl der Entladevorgange uber einenbestimmten Zeitraum an. Die physikalische Einheit dieser Entladerate ist folglich dieEinheit der Freqenz, das Hertz (Hz). Anschaulicher ist hingegen die Darstellung in derSI7-Basiseinheit s−1, die den Zusammenhang:

”Vorgange pro Zeit“ deutlicher aufzeigt.

Eine Serie von Zeitintervallen zwischen den Entladevorgangen, also zwischen den auf-einander folgenden Summenaktionspotenzialen, beschreibt als zweite Moglichkeit dieseAktivierungseigenschaft. Eine Serie solcher so genannter Inter-Puls Intervalle TE istnotig, weil eine motorische Einheit ihre Summenaktionspotenziale nicht mit konstantenzeitlichen Abstanden entladt. Der Kehrwert eines solchen Inter-Puls Intervalls bildetden augenblicklichen Wert der Entladerate. Die Entladeeigenschaften der motorischenEinheit konnen als stochastisch und voneinander unabhangig beschrieben werden [13].

6engl. firing rate7Abk. fur frz.: Le Systeme international d’unites, Internationales Einheitensystem

18

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

Studien, die anhaltende isometrische8 oder isokinetische9 Kontraktionen untersuchen,ergeben eine minimale Aktivierungsrate zwischen 5 s−1 und 7 s−1. Die maximalen Ak-tivierungsraten, die bei Beginn der Kontraktionen beobachtet wurden, liegen zwischen12 s−1 und 26 s−1 [13]. Eine detailierte Ubersicht gibt [10].

Eine isometrische Kontraktion ist eine Kontraktion, bei der ein Muskel ausschließlichseine Spannung andert, nicht jedoch seine Lange. Ein Beispiel stellt das statische Hoch-halten eines Gewichtes dar. Isometrische Kontraktionen leisten keine physikalische Ar-beit, da der zuruckgelegte Weg gleich null ist. Eine isokinetische Kontraktion ist eineKontraktion, bei der der Muskel den Widerstand mit konstanter Geschwindigkeit uber-windet.

2.4.2. Rekrutierung motorischer Einheiten

Muskeln bestehen ublicherweise nicht aus einer einzelnen motorischen Einheit, sondernaus vielen Einheiten (siehe Abschnitt 2.2). Bewegt man sich und spannt beispielsweiseeinen Muskel gezielt an, aktiviert man eine gewisse Anzahl aus dem Pool der vorhan-denen motorischen Einheiten des Muskels. Um eindeutig von den in Abschnitt 2.4.1erlauterten Aktivierungseigenschaften zu unterscheiden, spricht man in diesem Zusam-menhang nicht von Aktivierung sondern von Rekrutierung.

Die Anzahl der motorischen Einheiten und das Muster, nach dem sie rekrutiert werden,hangt von mehreren Faktoren wie beispielsweise der Kraft, der Geschwindigkeit und derBewegungsrichtung ab. Das Prinzip der systematischen Rekrutierung der motorischenEinheiten in Abhangigkeit der produzierten Kraft wurde in den 50er Jahren des 20. Jahr-hunderts um den Faktor Große des Motorneurons erweitert. Neuere Studien ergaben zudem, dass das Rekrutierungsmuster ebenfalls von der Geschwindigkeit der ausgefuhrtenBewegung abhangt [22, 13].

Zusammen mit den in Abschnitt 2.4.1 erlauterten Aktivierungseigenschaften, bilden dieRekrutierungseigenschaften den wesentlichen Mechanismus, der die produzierte Krafteines Muskels regelt [23]. Sowohl die Anzahl der rekrutierten motorischen Einheiten, alsauch die Modulation ihrer Aktivierungsraten spielen hierbei eine Rolle.

Kleine Muskeln der Hand produzieren die ersten 50% der Kraft durch Kombinieren vonRekrutierung und Modulation der Aktivierungsrate, wahrend die letzen 50% der Kraftallein durch die Modulation der Aktivierungsrate erzeugt werden. Im Gegensatz dazu

8

”gleichen Maßes“

9

”gleich schnell“

19

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

nutzen großere Muskeln der Gliedmaßen, so z.B. der Bizeps, zwischen 70% und 90%allein die Rekrutierung zur Regelung der Kraft [13].

2.5. Uberlagerung von Summenaktionspotenzialen zu

einem myoelektrischen Signal

Wie in Abschnitt 2.4.2 erklart, spielen viele motorische Einheiten bei der Muskelbewe-gung eine Rolle. Folglich entsteht auch nicht nur ein Summenaktionspotenzial sondernviele.

Bei der Erfassung von myoelektrischen Signalen auf der Hautoberflache, reprasentiertdie elektrische Uberlagerung dieser Summenaktionspotenziale das eigentlich gewonnenemyoelektrische Messsignal. Aus diesem Grunde wird es in der Literatur auch oftmals alsInterferenzsignal bezeichnet.

Die motorischen Einheiten sowie ihre zugehorigen motorischen Endplatten sind, wiebereits in Abschnitt 2.4 erlautert, raumlich verteilt.

Die Große und Form jedes der am myoelektrischen Signal beteiligten Summenaktions-potenziale sind aus diesem Grunde stark abhangig von seiner Position in Bezug auf dieElektrode.

Die selben Mechanismen, die in Abschnitt 2.4 die Uberlagerung der einzelnen Akti-onspotenziale zu einem Summenaktionspotenzial bewirken, treten analog auch hier beider Uberlagerung mehrerer Summenaktionspotenziale zu einem myoelektrischen Signalauf.

Der bereits in Abschnitt 2.3 beschriebene Filtereffekt des Gewebes tritt auch hier wiederin Erscheinung. Bei großeren Abstanden wird das uberlagerte myoelektrische Signal inseiner Amplitude schwacher und in seiner Zeitdauer langer. Die Abbildung 2.10 zeigtexemplarisch die Uberlagerung von drei Summenaktionspotenzialen zu einem myoelek-trischen Signal. Die Signaldaten sind im Internet frei verfugbar [24].

20

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90−40

−20

0

20

40

t [ms]

U [m

V]

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90−40

−20

0

20

40

t [ms]

U [m

V]

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90−40

−20

0

20

40

t [ms]

U [m

V]

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90−40

−20

0

20

40

t [ms]

U [m

V]

A

B

C

D

Abbildung 2.10.: Uberlagerung von Summenaktionspotenzialen (A-C) zu einem myo-elektrischen Signal(D) nach [24].

Charakteristik des myoelektrischen Signals

Verwendet man die in den vorhergehenden Abschnitten erlauterten Sachverhalte alsGrundlage weiterer Untersuchungen und misst auf der Hautoberflache mit einer bipo-laren, differenziellen Elektrodenkonfiguration die bei Muskelkontraktion entstehendenSignale, erhalt man ein unbearbeitetes myoelektrisches Signal. Dieses unbearbeitete undungefilterte Signal wird in der englischsprachigen Literatur auch oft als Raw10-EMG11-Signal oder einfach als EMG-Signal bezeichnet. Die Abbildung 2.11 dieser Arbeit zeigtbeispielhaft ein EMG-Signal zur Veranschaulichung aus Kapitel 6 vorweggenommen. DasEMG-Signal zeigt eine stochastische Charakteristik. Diese stochastische Natur folgt ei-nerseits aus den stochastischen Entladeeigenschaften des Signals (siehe Abschnitt 2.4.1)und andererseits daher, dass selbst bei vermeintlich gleichen Muskelkontraktionen nichtimmer die selbe Anordnung von motorischen Einheiten erfasst wird. Einerseits wird beiden Kontraktionen nicht immer die selbe Anordnung motorischer Einheiten mit der sel-ben Rekrutierungs- und Feuerungscharakteristik aktiviert. Andererseits verkurzt sich beider Kontraktion der Muskel, was dazu fuhrt, dass sich die raumliche Konstellation der

10engl. raw, roh, unbearbeitet11Elektromyogramm

21

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

0 5000 10000 15000−4

−3

−2

−1

0

1

2

3

4

t [ms]

U [v

]

Myoelektrische Signale

Muskel aktiv

Muskel nicht aktiv

Abbildung 2.11.: Das EMG-Signal

von den Elektroden erfassten motorischen Einheiten standig andert. Folglich kann ei-ne EMG-Kurve, selbst bei vermeintlich gleichen Muskelanspannungen, nicht ein zweitesMal exakt reproduziert werden.

Das nutzbare Frequenzspektrum eines EMG-Signals uberstreicht einen Bereich von 0Hzbis 500Hz, wobei der Hauptanteil der Energie zwischen 50Hz und 150Hz verteilt ist.Abbildung 2.12 zeigt im oberen Abschnitt ein EMG-Signal im Zeitbereich sowie imunteren Abschnitt das Frequenzspektrum des Signals.

Abbildung 2.12.: EMG-Signal im Zeitbereich und zugehoriges Frequenzspektrum [25]

22

2. Physiologische Grundlagen der myoelektrischen Signalerzeugung

2.6. Zusammenfassung

Kapitel 2 erlautert den grundsatzlichen Aufbau der Muskulatur vom gesamten Muskelausgehend bis hin zur kleinsten funktionellen Einheit, der motorischen Einheit.

Diese Einheit leitet einen Nervenimpuls vom zentralen Nervensystem bis zum Muskelweiter und veranlasst ihn zur Kontraktion, und schließlich eine aktive Bewegung desKorpers auszufuhren.

Das so genannte Aktionspotenzial ist der fur die Muskelkontraktion zu Grunde liegendeMechanismus. Die Entstehung und die Weiterleitung des Aktionspotenzials innerhalb desMuskels wird detailiert erklart. Zwei unterschiedliche elektrische Modelle veranschauli-chen diese Vorgange.

Abschließend beschreibt das Kapitel auf diesen Grundlagen aufbauend die Entstehungmyoelektrischer Signale als Uberlagerung der Aktionspotenziale aller an der Kontraktionbeteiligten motorischen Einheiten.

23

3. Signalerfassung

Nachdem in Kapitel 2 die Grundlagen der Signalentstehung sowie die Charakteristikmyoelektrischer Signale erlautert wurden, befasst sich dieses Kapitel mit der Erfas-sung der Signale. Es beschreibt einerseits die grundlegende Technik der Erfassung underlautert andererseits wichtige Einflussfaktoren auf diese.

Ziel der myoelektrischen Signalerfassung ist es, das Summenaktionspotenzial moglichstexakt zu messen und zu erfassen. Bezuglich der Messung auf der Oberflache der Hauthandelt es sich wie im vorhergehenden Kapitel erlautert um ein Uberlagerungssignalmehrerer Summenaktionspotenziale.

An dieser Stelle sei erwahnt, dass die Messung auch mit feinen Nadelelektroden, diein den Muskel eingefuhrt werden, erfolgen kann. Auf diese Weise lassen sich gezielt imjeweiligen Muskel bestimmte Regionen der Muskelfasern erfassen. Diese Diplomarbeitbeschrankt sich allerdings auf die Messung mit Elektroden auf der Hautoberflache, dadiese nichtinvasiv durchgefuhrt werden kann. Weiterhin ist der nutzbare Frequenzbereichaufgrund der erwahnten Tiefpass-Filtercharakteristik des menschlichen Bindegewebesund der Haut wesentlich geringer, was geringere Hardwareanforderung an die spatereDigitalisierung des Messsignals stellt.

3.1. Ubersicht uber das Erfassungssystem

Die Signalerfassung beginnt mit der Aufnahme des Signals an der Oberflache der Haut.Da, wie im Kapitel 2 erlautert, die Signale sehr schwach und in hohem Maß von Storun-gen uberlagert sind, ist eine Verstarkung mit hoher Unterdruckung der Storsignale notig.Ein mehrstufiges Verstarkerdesign erscheint dabei aufgrund der hohen Verstarkung un-bedingt erforderlich. Zudem bietet es den Vorteil, eine hohe Eingangsimpedanz der erstenStufe auf eine niederohmige Ausgangsimpedanz zu transformieren, wodurch das Signalim weiteren Verlauf der Erfassung weniger anfallig gegenuber eingekoppelten Storungenist. Eine Sensoreinheit, bei welcher der metallische Elektrodenteil in raumlicher Nahezu einem Vorverstarker platziert wird, ist daher ein sinnvoller Losungsansatz, um ei-

24

3. Signalerfassung

ne weitgehend storungsfreie Messung zu ermoglichen. Nach dieser Vorverstarkung kanndas Signal dann niederohmig zu einer nachgeschalteten Verstarkerstufe ubertragen wer-den. Um das Signal nach dieser letzten Stufe schließlich digitalisieren zu konnen, isteine Tiefpassfilterschaltung notwendig, welche auftretende Alias-Effekte der Digitalisie-rung verhindert. Ein geeigneter Analog/Digital-Konverter bildet die letzte Stufe desErfassungssystems. Er digitalisiert das Signal und stellt es zur weiteren Verarbeitungin einem Computersystem bereit. Abbildung 3.1 zeigt das Blockdiagramm eines solchenErfassungssytems.

Abbildung 3.1.: Blockdiagramm des Erfassungssystems

25

3. Signalerfassung

Aufgrund dieser Herangehensweise beginnt die Signalerfassung auf der Haut mit der Si-gnalaufnahme durch die Sensoreinheit, bestehend aus Elektrode und Vorverstarker. Aufdiesen Teil des Erfassungssystems haben die Besonderheiten myoelektrischer Signale ih-ren wesentlichen Einfluss. Die nachfolgenden Komponenten die zur Erfassung notig sind,sind weniger abhangig vom Ursprung der Signale und werden in Kapitel 5 in Zusam-menhang mit dem Aufbau eines Messsystems naher erlautert. Die folgenden Abschnittebefassen sich nun im Detail mit diesem wichtigen ersten Teil des Erfassungssystems.

3.2. Sensoreinheit mit Elektrode und Vorverstarker

Dieser Abschnitt erlautert die Grundlagen zur Konstruktion und gibt weiterfuhrendEmpfehlungen zu verschiedenen Aspekten der Sensoreinheit fur die Erfassung myoelek-trischer Signale. Diese Empfehlungen basieren zum Teil auf denjenigen des SENIAM1-Projekts [26].

Das SENIAM -Projekt ist ein auf europaischer Ebene abgestimmtes Projekt innerhalbdes Biomedical Health and Research Program (BIOMED II) der Europaischen Union2.

3.2.1. Metallische Elektroden

Die Elektrode spielt eine entscheidende Rolle bei der Erfassung myoelektrischer Signaleauf der Oberflache der Haut. Es ist beinahe unmoglich nach diesem Punkt einen großerenEinfluss auf die Signalqualitat und den Signal-Rausch-Abstand zu nehmen. Aufgrunddieser Tatsache muss bereits bei der Konzeption der Elektrode das Hauptaugenmerk aufhochsten Signal-Rausch-Abstand und minimale Signalstorung gelegt werden.

Elektrodenmaterial

Das Elektrodenmaterial bildet die Schnittstelle zwischen Haut und Sensoreinheit. Biszu dieser Schnittstelle geschieht der Ladungstransport und somit die Signalubertragungwie in Abschnitt 2.3 erlautert durch Ionen, danach durch Elektronen. Die Elektrode

1Surface ElectroMyoGraphy for the Non-Invasive Assessment of Muscles2SENIAM publiziert Studien, welche sich mit der Erfassung und Analyse von myoelektrischen Signalen

auf der Hautoberflache beschaftigen und schließlich als europaische Empfehlungen zu Sensoren undderen Platzierung veroffentlicht werden.

26

3. Signalerfassung

kann daher als eine Art Umsetzer verstanden werden, welcher den Ionenstrom in einenElektrodenstrom umwandelt. Eine wichtige Aufgabe, die das Material daher zu erfullenhat, ist uber die Dauer der Messung einen konstanten elektrischen Kontakt und einekonstante Eingangsimpedanz zur Verfugung zu stellen. Diese konstante Eingangsimpe-danz ist Grundvorausetzung fur eine wirkungsvolle Unterdruckung von Gleichtaktstorun-gen durch die nachfolgende differenzielle Verstarkung, wie in Abschnitt 3.2.2 erlautertwird.

Stabile chemische Eigenschaften, z.B. Oxidationseigenschaften, sind ebenfalls wichtig,um mogliche Storungen durch variierende Kontaktspannungen zu vermeiden. Materia-len, die unanfallig gegenuber Oxidation sind, finden daher bevorzugt Anwendung. Edel-metalle wie Gold (Au) und Silber (Ag), aber auch rostfreier Edelstahl sind moglich.Eine Kombination dieser Stoffe mit einer elektrolytischen Schicht zwischen dem Mate-rial und der Haut kann ebenfalls verwendet werden. Diese Schicht kann entweder direktauf das Elektrodenmaterial aufgebracht sein oder durch entsprechende Gels oder Pastenvor der Anwendung auf die Haut aufgetragen werden. Solche elektrolytischen Schich-ten reduzieren und stabilisieren im Wesentlichen die Ubergangsimpedanz zwischen Hautund Elektrode. SENIAM empfiehlt kombinierte Elektroden aus Silber und Silberchlorid,zusammen verwendet mit einer zusatzlichen elektrolytischen Paste.

Zusammengefasst konnen folglich zwei Arten von Elektroden bezuglich ihres Materialsunterschieden werden:

•”trockene“ Elektroden mit direktem Hautkontakt

•”schwimmende“ Elektroden mit elektrolytischem Medium zwischen der Haut und

dem metallischen Elektrodenteil

Ungefahr 80% der in der Literatur beschriebenen Aplikationen benutzen eine”schwim-

mende“ Elektrodenkonfiguration. Von den 20% verwendeten”trockenenen“ Elektroden

werden zu 9% Silber und zu 6% rostfreier Edelstahl verwendet [27]. Trockene Elektrodenbieten sich bei Multielektrodensystemen (Bipolare-, Tripolare- oder Arraykonfiguratio-nen) besonders an, da hier die punktgenaue Verwendung elektrolytischer Pasten oderGels schwer realisierbar ist. Multielektrodensysteme aus Arrays von Elektroden erlaubenbeispielsweise die raumlich zweidimensionale Kartographierung der Summenaktionspo-tenziale. Ebenso ist die Analyse von Ausbreitungsrichtung und Ausbreitungsgeschwin-digkeit mit solchen Elektrodenarrays moglich.

27

3. Signalerfassung

Elektrodenkonfiguration

Die Signalerfassung beschrankt sich nicht zwangsweise auf einen Teil der Elektrode. Oftist es sinnvoll, das eigentlich zu analysierende Messsignal aus einer Kombination vonmehreren Elektrodenteilen zu erfassen. Das in Abschnitt 2.3.2 vorgstellte vereinfachteModell benutzt beispielsweise zwei Elektroden im Vergleich mit dem in Abschnitt 2.3.1vorgestellten Modell, welches eine Elektrode verwendet. Grundsatzlich kann also zwi-schen monopolaren, bipolaren und multipolaren Elektrodenkonfigurationen unterschie-den werden. Die folgenden Abschnitte erlautern diese Konfigurationen.

Monoplare Konfiguration

Die monoplare Elektrodenkonfiguration, wie sie bereits in Abschnitt 2.3.1 zur Veran-schaulichung des Punktquellenmodells des Aktionspotenzials beschrieben wurde, findetin praktischen EMG-Anwendungen selten Verwendung. Ihr Vorteil liegt in der wenigerkomplexen Vorverstakerkonfiguration, welche sie fur eine große Anzahl von Ableitstel-len pradestiniert. Der großte Nachteil dieser Anordnung liegt darin, dass auftretendeStoreinflusse nicht ausreichend unterdruckt werden konnen. Der resultierende Signal-Rausch-Anstand ist folglich geringer.

Bipolare Konfiguration

Die bipolare Elektrodenanordnung, wie sie in Abschnitt 2.3.2 erstmals innerhalb dieserArbeit beschrieben wurde, ist die am haufigsten verwendete Elektrodenkonfigurationzur Erfassung myoelektrischer Signale auf der Hautoberflache. Sie wandelt, wie in Ab-schnitt 2.3.2 beschrieben, den monopolaren Verlauf des Aktionspotenziales in ein biploa-res Signal um. Eine nachgeschaltete differentielle Verstarkung mit hoher Gleichtaktunter-druckung ermoglicht eine wirkungsvolle Unterdruckung von auftretenden Storeinflussen.Der resultierende Signal-Rausch-Abstand ist im Vergleich zur monopolaren Elektrodefolglich hoher. Die SENIAM -Gruppe bezieht sich mit ihren Empfehlungen ausschließ-lich auf bipolare Elektrodenkonfigurationen.

Zwei elektrisch leitende Elektrodenteile werden langs der Muskelfaserrichtung angeord-net [27]. Zusatzlich zum oben erwahnten Tiefpass-Filtereffekt des menschlichen Gewebesbringt diese Elektrodenanordnung einen weiteren Filtereffekt mit sich. Bezuglich demelektrischen Modell in Abschnitt 2.3.2 kann man sich den Dipol als bewegende Signal-quelle s(t) vorstellen. Es stellt sich schließlich das an den Elektroden detektierte Signalsd(t) als

28

3. Signalerfassung

sd(t) = s

(

t +d

2vc

)

− s

(

t − d

2vc

)

, (3.1)

dar, wobei d den Abstand zwischen den Elektroden reprasentiert und vc die Bewegungs-geschwindigkeit der Signalquelle darstellt. Nutzt man nun die Siebeigenschaft der Del-tadistribution in Zusammenhang mit der Faltung

s(t − t0) = s(t) ∗ δ(t − t0) , (3.2)

bzw.s(t + t0) = s(t) ∗ δ(t + t0) , (3.3)

erhalt man auf Gleichung 3.1 angewandt, unter Berucksichtigung der Distributiveigen-schaft der Faltungsoperation:

sd(t) = s(t) ∗(

δ

(

t +d

2vc

)

− δ

(

t − d

2vc

))

. (3.4)

In den Frequenzbereich transformiert und zur Ubertragungsfunktion umgeformt, ergibtsich:

H(f) =sd(f)

s(f)= 2 j sin

(

π fd

vc

)

, (3.5)

bzw. als Betragsquadrat ausgedruckt:

‖H(f)‖2 = −4 sin2

(

π fd

vc

)

. (3.6)

Abbildung 3.2 zeigt anschaulich den bereits erlauterten Filtereffekt des Gewebes inAbhangigkeit des Abstandes zwischen Muskelfaser und Elektrode. Die Abbildung 3.3veranschaulicht den in diesem Abschnitt erlauterten Filtereffekt, verursacht durch diebipolare Elektrodenkonfiguration.

29

3. Signalerfassung

Abbildung 3.2.: Filtereffekt des Gewebes [13]

Abbildung 3.3.: Filtereffekt der bipolaren Elektrodenkonfiguration [13]

30

3. Signalerfassung

Elektrodengeometrie und Große

Die Geometrie und die Große der Elektrode definieren die leitfahige Flache der Elektro-de. Je großer die Flache ist, desto mehr Muskelfasern werden erfasst. Wird sie jedochzu groß, ist der Einfluss von denjenigen myoelektrischen Signalen, die nicht vom zumessenden Muskel stammen, durch Ubersprechen der Signale ebenfalls großer. Je nachGroße des zu unteruchenden Muskels und raumlicher Lage zu benachbarten Muskeln istdemnach ein Kompromiss aus raumlicher Auflosung und Amplitudenstarke des Signalszu suchen. In der Fachliteratur werden meist kreisformige und rechteckige Elektrodenim Zusammenhang mit Messungen auf der Hautoberflache verwendet. Laut SENIAMsind die Unterschiede zwischen den beiden Formen vernachlassigbar, solange die resul-tierenden leitfahigen Flachen annahernd gleich sind. SENIAM empfiehlt kreisformigeElektroden mit einem Durchmesser von 10mm. Abbildung 3.4 zeigt eine mogliche Elek-trodengeometrie und Große laut SENIAM -Empfehlungen.

Der Abstand zwischen zwei Elektroden einer bipolaren Elektrodenkonfiguration solltezwischen 10mm und 20mm liegen. Diese Distanz hat wesentlichen Einfluss auf denerlauterten Filtereffekt, der durch die bipolare Anordnung entsteht. Legt man die injenem Abschnitt erklarten Zusammenhange zwischen Distanz und Weiterleitgeschwin-digkeit zu Grunde, ergibt sich fur eine durchschnittliche Weiterleitgeschwindigkeit vonvc = 4 m/s und einer Distanz von d = 10 mm nach Gleichung 3.6 eine 3 dB-Grenzfrequenzvon fc = 200 Hz und eine Stoppbandfrequenz von fs = 400 Hz [25].

Abbildung 3.4.: Elektrodengeometrie nach SENIAM -Empfehlungen

31

3. Signalerfassung

3.2.2. Vorverstarkerschaltung

Der Pegel myoelektrischer Signale auf der Hautoberflache liegt im Bereich von wenigenMikrovolt bis hin zu einigen Millivolt [12]. Um das Signal optimal in den Erfassungsbe-reich des nachgeschalteten Analog/Digital-Konverters zu verstarken, ist eine Schaltungmit moglichst hoher, regelbarer Verstarkung notwendig. Eine mehrstufige Verstarker-schaltung, wie in Abschnitt 3.1 bereits erlautert, bietet sich generell an.

Die erste Stufe transformiert das Signal von einer hochohmigen Eingangsimpedanz aufeine niederohmige Impedanz und macht es auf diese Weise fur den weiteren Signalverlaufunanfalliger gegenuber Storeinflussen. Da der hochohmige Eingang des Vorverstarkersempfindlich gegenuber kapazitiv eingekoppelten Storungen ist, sollte er mit moglichstwenig Abstand zu den metallischen Elektroden platziert sein, um lange Zuleitungskabelzu vermeiden.

Bei der Messung von Signalen mit niedrigen Signalpegeln spielt Rauschen eine wichtigeRolle als Einflussfaktor auf die Signalqualitat.

Um das unvermeidliche Rauschen, das allen aktiven elektronischen Schaltungen inharentist, moglichst gering zu halten, verwendet man hochqualitative und rauscharme elektro-nische Komponenten fur den Vorverstarker.

Eine weitere Storgroße ist das vorhandene Umgebungsrauschen. Der menschliche Korpereignet sich auf Grund seiner guten Leitfahigkeit hervorragend als Antenne fur elektroma-gnetische Strahlung unterschiedlichster Frequenzbereiche. Eine Quelle solcher Storstrah-lung sind die allgegenwartigen Funkubertragungen, wie beispielsweise Fernseh- oderRundfunkubertragungen aber auch die verschiedenen Mobilfunkanwendungen.

Eine andere Quelle der Storstrahlung ist die uberall vorhandene Netzspannungsversor-gung. Sie liegt im europaischen Bereich bei 50Hz und tragt wesentlich zum Storeinflussbei. Da ein Großteil der eigentlichen Signalenergie ebenfalls in diesem Frequenzbereichliegt, wird in der Fachliteratur und auch von SENIAM von einer

”schmalbandigen Notch-

filterung3“ abgeraten.

Weitere Storungen im Bereich bis 20Hz treten durch so genannte Bewegungsartefakteauf. Diese entstehen durch Bewegung am Ubergang zwischen Haut und Elektrode oderauch durch Bewegung der Verbindungsleitungen zum Vorverstarker. Eine Hochpassfilte-rung ab einer Frequenz von 20Hz reduziert diese Effekte deutlich.

Um nun die vorhandenen Storeinflusse und das Umgebungsrauschen zu unterdrucken,

3engl. notch, Kerbe schmaler Einschnitt in der Ubertragungsfunktion des Filters, Kerbfilter

32

3. Signalerfassung

verwendet man das in Kapitel 2 erwahnte Prinzip der differenziellen Verstarkung. Durchdieses Prinzip werden primar vorhandene Gleichtaktstorspannungen unterdruckt.

Zu diesem Zweck erfasst man das Signal an zwei einander nahe gelegenen Elektro-den (siehe Abschnitt 3.2.1). An diesen Ableitstellen erzeugt das Signal leicht unter-schiedliche Potenzialdifferenzen. Externe Storeinflusse erreichen die beiden Elektrodenjedoch im Allgemeinen ohne zeitlichen Phasenversatz. Ein solches Gleichtaktstorsignalerzeugt an den Elektroden identische Amplitudensignale mit wiederum identischen Pha-senverlaufen. Subtrahiert man nun diese beiden Eingangssignale der jeweiligen Elek-troden, erhalt man als Resultat die Differenz des eigentlichen und somit gewunschtenMesssignals, das weiterhin verstarkt wird. Abbildung 3.5 zeigt das Prinzip einer sol-chen differenziellen Verstarkung, wobei m1 und m2 das myoelektrische Signal und n dasStorsignal reprasentiert.

Dieses Verfahren setzt allerdings eine hohe, theoretisch sogar unendliche Prazision derSubtraktion voraus. Trotz modernster elektronischer Bauteile ist eine solch prazise Sub-traktion in der Praxis nicht moglich. Das Gleichtaktunterdruckungsverhaltnis CMRR4

beschreibt die Genauigkeit, mit welcher ein differenzieller Verstarker eine solche Sub-traktion durchfuhrt. Das Gleichtaktunterdruckungsverhaltnis beschreibt das Verhaltniszwischen Differenzsignalverstarkung und Gleichtaktsignalverstarkung und ist somit einwichtiges Qualitatsmerkmal des Vorverstarkers. SENIAM empfiehlt ein Gleichtaktun-terdruckungsverhaltnis von CMMR ≥ 95 dB. Die Eingangsimpedanz sollte im Bereich1MΩ ≤ Zein ≤ 10MΩ liegen. Eine moglichst lineare Aufnahme und Verarbeitung desSignals ist anzustreben.

Abbildung 3.5.: Prinzip der differenziellen Verstarkung

4engl. Common Mode Rejection Ratio CMRR

33

3. Signalerfassung

3.3. Einflussfaktoren auf die Signalerfassung

Der folgende Abschnitt der Arbeit stellt einige wichtige Einflussfaktoren auf das erfasstemyoelektrische Signal vor.

3.3.1. Hautvorbereitung und Ubergangsimpedanz

Abgestorbene Hautzellen verursachen eine hohe Ubergangsimpedanz zwischen Haut undElektrode. Bei trockener, fur die Messung nicht vorbereiteter Haut kann die Uber-gangsimpedanz bis zu einigen Megaohm betragen [25]. Trotz der hohen Eingangsim-pedanz, die die differentielle Verstarkung ermoglicht, sollte aus diesem Grund die Uber-gangsimpedanz zwischen Haut und Elektrode moglichst gering gehalten werden. Einekorrekt durchgefuhrten Hautvorbereitung ist deshalb notwendig. Sie ermoglicht einenstabilen elektrischen Kontakt und einen geringe Ubergangsimpedanz.

Eine grundliche Hautvorbereitung wird erreicht, indem in einem ersten Schritt die Haare(falls vorhanden) entfernt werden und in einem zweiten Schritt die Haut von abgestor-benen Hautzellen und von Verschmutzung und Schweiß gereinigt wird. Fur klinischeZwecke empfiehlt sich das Abreiben der Haut mit einem alkoholgetrankten Tuch [12].

Um eine hohe Gleichtaktunterdruckung der Storsignale zu erreichen, ist bei dem Designder Sensoreinheit darauf zu achten, eine moglichst identische Eingangsimpedanz furbeide Elektroden zu erzielen.

3.3.2. Platzierung der Elektrode

Die Platzierung der Elektrode und die damit verbundene erforderliche Prazision hangtvon der Art und Weise der geplanten Verwendung des gewonnenen Signals ab. Fur eineeinfache Detektion vorhandener Muskelaktivitat ist die Anforderung an eine genauePlatzierung wesentlich geringer als fur komplexere Signalanalysen. Die Elektrode mussbei solchen Analysen wesentlich sorgfaltiger platziert werden.

Uberlegungen hinsichtlich der optimalen Platzierung der Elektrode sind sowohl in Bezugauf den Ort des zu untersuchenden Muskels als auch in Bezug auf die Orientierung dereinzelnen Elektrodenteile einer bi- oder multipolaren Elektrodenkonfiguration bezuglichder Muskelfaserrichtung anzustellen. Grundsatzlich mussen bi- oder multipolare Elek-troden so platziert werden, dass die metallischen Elektrodenflachen alle die selben Mus-

34

3. Signalerfassung

kelfasern erfassen. Wie im Abschnitt 3.2.1 erlautert, ist allerdings ein Kompromiss zuschließen zwischen ausreichender Anzahl der erfassten Muskeln und damit ausreichendhoher Signalamplitude und der Moglichkeit des Ubersprechens von Signalen unerwunsch-ter Muskeln. Fur eine gute Signalqualitat sollte der Ort auf dem Muskel so gewahlt sein,dass er mittig zwischen dem Muskelansatz an der Sehne und dem Innervationsgebietliegt [25]. Das Innervationsgebiet ist das Gebiet, in dem die mittlere Konzentration dermotorischen Endplatten des Muskels und seiner motorischen Einheiten am hochsten ist.Diesen Punkt nennt man auch motorischen Punkt bzw. in der englischsprachigen Fachli-teratur motor point. Es handelt sich dabei um denjenigen Punkt des Muskels, an demdas Erregungslevel minimal ist, bzw. der Muskel auf konstante Erregung maximal rea-giert. Diese Stelle kann durch elektrische Stimulation auf der Hautoberflache identifiziertwerden. Verschiedene Verfahren sind in [27] detailliert erlautert. In der Nahe des Muskel-ansatzes an der Sehne verdunnen sich die Muskelfasern und ihre Anzahl reduziert sich.Das myoelektrische Signal ist folglich in seiner Amplitude an dieser Stelle schwacher alsmittig auf dem Muskel. Die Wahrscheinlichkeit des Ubersprechens ist dadurch bedingtebenfalls hoher als an anderen Stellen. Aus diesem Grund sollte der Sensor nicht in die-sem Bereich platziert werden. Verrutscht die Elektrode zur Außenseite des Muskels hin,nimmt die Signalqualitat ebenfalls ab und das Signal wird anfalliger fur Ubersprechen.Abbildung 3.6 zeigt verschiedene Platzierungen der Elektroden, sowie die Auswirkun-gen bezuglich Amplitude und Spektrum auf das aufgenommene myoelektrische Signal.Abbildung 3.7 zeigt optimale Elektrodenpositionen (mit Oberflachenableitung gekenn-zeichnet) nach [12]. Die Fine Wire-Kennzeichnung bezieht sich auf Nadelelektroden undist im Kontext dieser Arbeit nicht relevant.

Abbildung 3.6.: Elektrodenpaarplatzierungen und ihre Auswirkungen nach [28]

35

3. Signalerfassung

(a) Frontalansicht

(b) Ruckansicht

Abbildung 3.7.: Optimale Elektrodenpositionen nach [12]

36

3. Signalerfassung

3.3.3. Masseelektrode

Um eine gemeinsame Referenz fur die differenzielle Verstarkung zu erreichen, ist eine Re-ferenzelektrode, auch Masseelektrode genannt, notwendig. Sie sollte moglichst entferntvom zu untersuchenden Muskel und auf elektrisch neutralem Gebiet platziert werden.Elektrisch neutrale Gebiete sind solche mit wenig Muskelaktivitat und folglich wenigzu erwartenden myoelektrischen Signalen. Sie liegen vorzugsweise uber knochigen Re-gionen und Gelenken wie beispielsweise Hand- und Fußgelenken oder auf der Stirn. DieMasseelektrode muss guten Kontakt zur Hautoberflache haben. Eine Mindestflache vonAmin = 4 cm2 sollte dabei nicht unterschritten werden [25].

3.3.4. Ubersprechen unerwunschter Signale

Dieser Abschnitt der Arbeit beschreibt das Ubersprechen unerwunschter Signale, wel-che sich mit dem eigentlich zu untersuchenden myoelektrischen Signal uberlagern. ZumEinen handelt es sich dabei um myoelektrische Signale anderer an der Bewegung betei-ligter Muskeln, zum Anderen um Ubersprechen von Muskelsignalen des Herzens.

Ubersprechen unerwunschter Muskelsignale

Diese Art des Ubersprechens, in der Fachliteratur auch als Muskel-Crosstalk5 bezeich-net, beschreibt das Ubersprechen eines nicht erwunschten myoelektrischen Signals. Dabeiwird von der Elektrode ein Signal eines anderen, direkt oder indirekt an der Bewegungbeteiligten Muskels mit erfasst. Direkt benachbarte Muskeln konnen dabei einen signi-fikanten Anteil des gemessenen Signals produzieren. Dieses Ubersprechen uberschreitettypischerweise 10% bis 15% des Gesamtsignalanteiles nicht, oder ist oft gar nicht sicht-bar. Dennoch sollte bei eng zueinander orientierten Muskeln (z.B. am Hals, Vorderarm)besonders aufmerksam untersucht und analysiert werden. Uberlegungen hinsichtlich derElektrodengeometrie- und Große (siehe Abschnitt 3.2.1) helfen, das Problem des Uber-sprechens zu vermeiden.

5engl. crosstalk, Ubersprechen

37

3. Signalerfassung

Ubersprechen unerwunschter Herzsignale

Hierbei handelt es sich um ein Ubersprechen des EKG6-Signals, dessen direkte Ursachendie Aktionspotenziale des Herzens sind. Das EKG-Signal ist folglich das myoelektrischeSignal des Herzens. Die Besonderheit des Herzmuskels ist dabei, dass die Muskelfasernalle synchron aktiviert werden. Hieraus resultiert ein, im Vergleich zu anderen myoelek-trischen Signalen, wesentlich starkeres elektrisches Summenaktionspotenzial, welches ty-pischerweise im zweistelligen Millivoltbereich liegt.

Aufgrund der guten Leitfahigkeit des Korpergewebes kann dieses Signal frei im Korpermigrieren und erreicht als biologisches Artefakt ebenfalls die Elektroden des Erfassungs-systems. Es tritt hauptsachlich bei der Signalerfassung in Nahe des Herzens auf. Abhil-fe schafft eine Platzierung der Elektroden moglichst auf der rechten Korperhalfte undmoglichst entfernt vom Herzen. Das Ubersprechen des starken elektrischen Summen-aktionspotenzials des Herzens kann durch korrekte Hautvorbereitung und Repositionie-rung der Mess- und Referenzelektroden vermindert werden. Mathematische Algorithmenkonnen diese Artefakte im Messsignal erkennen und eliminieren, ohne das Nutzsignal zuverandern. Hierbei wird der EKG-Anteil des Signals durch Kombination von adaptivenFiltern mit einem Pattern-Recognition-Algorithmus modelliert und vom eigentlich ge-wollten Signal eliminiert [12]. Abbildung 3.8 zeigt ein durch EKG-Artefakte gestortesmyoelektrisches Signal. Die Storung ist anhand der hohen Signalamplitude und des pe-riodischen Auftretens erkennbar.

Abbildung 3.8.: Myoelektrisches Signal mit EKG-Artefakten [12]

6Elektrokardiogramm EKG

38

3. Signalerfassung

3.4. Zusammenfassung

Kapitel 3 liefert eine Ubersicht des Mess- und Erfassungssystems. Angefangen bei derSignalerfassung am Muskel stellt es die Komponenten der Erfassung und Verstarkungdes myoelektrischen Signals vor.

Es kristallisiert sich ein mehrstufiges Verstarkerkonzept heraus, dessen erster Verstarkerin Kombination mit der Messelektrode die wichtigte Stufe der Sensoreinheit bildet. DieseEinheit wird detailliert vorgestellt. Wichtige Eigenschaften der Elektrode wie Material,Messkonfiguration, Geometrie und Große werden erlautert und in Bezug zueinandergesetzt.

Das Prinzip der differenziellen Verstarkung sowie Anforderungen bezuglich seiner Gleich-taktunterdruckung und Eingangsimpedanz werden vorgestellt. Wichtige Einflussfaktorenauf die Messwertaufnahme wie Hautvorbereitung und Platzierung der Elektrode werdendefiniert.

Die auf die Sensoreinheit folgenden Komponenten zur weiteren Verstarkung, Filterungund Digitalisierung des myoelektrischen Signals werden in Kapitel 5 in Zusammenhangmit der realisierten Hardware behandelt.

39

4. Signalanalyse

Die vorangegangenen Kapitel 2 und 3 beschreiben die Entstehung sowie die Erfassungmyoelektrischer Signale. Die Signalanalyse, also der Vorgang nutzliche Informationen ausdem erfassten Signal zu gewinnen, wird in dem nun folgenden Kapitel naher erlautert.Von nun an kann das Signal als eine Zusammensetzung von den zu Grunde liegendenphysiologischen Vorgangen der Muskelerregung sowie den Eigenschaften des verwendetenErfassungssytems verstanden werden.

Einflusse auf die Signalparameter wie Amplitude und Frequenzspektrum haben die An-zahl der aktiven Muskelfasern, ihre Lange und ihr Durchmesser, der Typ der verwendetenElektroden, deren Platzierung in Bezug auf die Lage zu den motorischen Endplatten,die Gewebedicke zwischen den Muskelfasern und der Elektrode sowie ihre Lage in Bezugauf die aktiven Muskelfasern. Gleichbleibende elektrische und chemische Eigenschaftenwie Impedanz und Stabilitat zwischen Hautoberflache und Elektrode spielen ebenfallseine entscheidende Rolle bezuglich der Signalparameter.

Betrachtet man ein myoelektrisches Signal, welches zu einem beliebigen Zeitpunkt aufder Hautoberflache erfasst wird, besteht es im Wesentlichen aus zwei verschiedenen Klas-sen linearer Summationen:

1. Aktionspotenziale individueller Muskelfasern, die durch ein einzelnes Motorneuronaktiviert wurden.

2. Potenziale aller aktiven motorischen Einheiten, die an der Muskelkontraktion be-teiligt sind und von der Elektrode erfasst werden.

Die Aktionspotenziale einer einzelnen motorischen Einheit werden fast simultan akti-viert. Das resultierende Summenaktionspotenzial, das an der Hautoberflache zum myo-elektrischen Signal beitragt, wird folglich hauptsachlich durch die raumliche Verteilungder motorischen Endplatten, sowie durch die eigentlichen Muskelfasern beeinflusst. Sol-che Fasern, die raumlich naher an der Elektrode sind, haben in Folge des schwacherenFiltereffekts des Gewebes einen wesentlich hoheren Signalbeitrag, als weiter entfernteFasern.

40

4. Signalanalyse

Wenn sich genugend viele Summenaktionspotenziale zu einem myoelektrischen Signaluberlagern, kann dieses naherungsweise durch einen gaußschen stochastischen Prozessmit dem Mittelwert Null beschrieben werden [13]. Solche stochastischen Signale konnenentweder stationar oder nichtstationar sein und werden durch statistische Eigenschaftencharakterisiert.

In der Praxis treten bei auf der Hautoberflache erfassten myoelektrischen Signalen Fre-quenzen von 0Hz bis 500Hz auf. Der Hauptteil der Energie ist im Bereich von 50Hzbis 150Hz verteilt. Die Bandbreite des Signals wird durch verschiedene Filtereffekte be-einflusst. Wie in Kapitel 2 beschrieben, sind Muskelfasern und Fettschichten unter derHaut anisotrop und wirken als Tiefpassfilter. Bei großer werdender Distanz zwischenMuskelfasern und Elektrode steigt der Filtereffekt an.

In der Fachliteratur werden die verschiedensten Parameter zur Charakterisierung vonmyoelektrischen Signalen herangezogen. Man unterteilt sie typischerweise in zwei Haupt-gruppen: die Amplitudenparamter und die Frequenzparameter. Einige dieser Parameterkonnen auf der Hardwarebene vor der Analog/Digital-Wandlung extrahiert werden, an-dere wiederum lassen sich besser nach dieser Wandlung mit den Mitteln der digitalen Si-gnalverarbeitung gewinnen. Die digitale Verarbeitung bietet außerdem den Vorteil, dasssie nicht nur zur Echtzeitverarbeitung zur Verfugung steht, sondern auch auf bereitserfasste und digitalisierte Daten zur Nachverarbeitung herangezogen und angewandtwerden kann.

4.1. Stochastische Prozesse

Das myoelektrische Signal kann, wie oben beschrieben als zufalliges Signal in Abhangig-keit der Zeit aufgefasst werden. Solche zeitabhangigen, zufalligen Prozesse werden auchals stochastische Prozesse bezeichnet. Mathematisch gesehen handelt es sich dabei umeine Erweiterung einer Zufallsvariable (z. B. das Ergebnis eines Wurfelwurfs), um denParameter der Zeit. Bezeichnet man den stochastischen Prozess nun mit X(t) handelt essich bei myoelektrischen Signalen sowohl bei X als auch bei dem zugehorigen Zeitparame-ter t um kontinuierliche Großen. Dies trifft wenigstens in den Schritten der Verarbeitungzu, die vor der Digitalisierung des Signals stattfinden. In den darauffolgenden Schrittenhandelt es sich sowohl um wertdiskrete, als auch um zeitdiskrete Großen.

Betrachtet man eine Zeitreihe des stochastischen Prozesses X(ti) mit i als positiverGanzzahl (1 . . . n) , erhalt man einen Zufallsvektor aus n Werten ~xi = X(ti). Die Wahr-scheinlichkeitsverteilung dieses Vektors wird durch die Wahrscheinlichkeitsdichtefunkti-on p(xi) = p(x1, x2, x3, . . . xn) beschrieben. Sie gibt Auskunft daruber, mit welcher Wahr-

41

4. Signalanalyse

scheinlichkeit eine Zufallsvariable einen bestimmten Wert annimmt. Exakter spricht manin diesem Zusammenhang von der Verbundwahrscheinlichkeit, welche angibt, mit welcherWahrscheinlichkeit die Werte gemeinsam auftreten. Kontinuierlich ausgedruckt handeltes sich beim Zufallsvektor auch um die Musterfunktion x(t) des stochastischen Prozes-ses.

Mochte man den stochastischen Prozess anders als durch die vollstandige Wahrschein-lichkeitsdichtefunktion charakterisieren, kann man bestimmte Parameter verwenden, dieman auch als Kennwerte oder so genannte statistische Momente bezeichnet.

Die wichtigsten dieser Kennwerte sind:

• Erwartungswert E(X), auch als Mittelwert µ bezeichnet

• die Varianz σ2 und

• die Standardabweichung σ.

Der Erwartungswert bzw. der Mittelwert kennzeichnet die Mitte der Wahrscheinlich-keitsverteilung. Die Varianz und die Standardabweichung sind ein Maß fur die Streuungder Werte um den Erwartungswert.

Sind die Wahrscheinlichkeiten der Werte gleich groß, spricht man von gleich verteilterWahrscheinlichkeit. In diesem Fall liegt der Erwartungswert in der Nahe des arithme-tischen Mittelwertes bzw. entspricht bei unendlich vielen Werten dem arithmetischenMittelwert.

Als Beispiel kann man das oben bereits angedeutete Zufallsexperiment”Wurfelwurf“

heranziehen. In diesem Experiment treten die 6 moglichen Werte 1, 2, 3, 4, 5, 6 der dis-kreten Zufallsvariable X (Augenzahl des Wurfels) alle mit der selben Wahrscheinlichkeitp(xi) = 1/6 auf. Das arithmetische Mittel ware in diesem Fall:

x =1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6

6= 3, 5 , (4.1)

welches bei unendlich vielen Wurfen gleich dem Erwartungswert ist. Im Allgemeinen, soauch bei den betrachteten myoelektrischen Signalen, sind die Werte jedoch nicht gleich-verteilt und treten mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten auf. Bei der Berechnungdes Erwartungswertes spielt in diesem Fall die Wahrscheinlichkeitsverteilung p(x) eineentscheidende Rolle. Sie gewichtet den moglichen, diskreten Wert xi eines Zufallsvektorsmit der Wahrscheinlichkeit p(xi) mit der er auftritt. Als Summe aller dieser gewichteten

42

4. Signalanalyse

Werte definiert man den Erwartungswert eines diskreten stochastischen Prozesses X(ti)dann folgendermaßen:

E(X(ti)) =∑

i

xi · p(xi) . (4.2)

Als Varianz σ2 definiert man:

σ2 = V ar(X(ti)) =∑

i

(xi − E(X))2 · p(xi) , (4.3)

und als Standardabweichung σ die Quadratwurzel aus der Varianz σ2:

σ =√

σ2 . (4.4)

4.2. Stationaritat und Ergodizitat

Da, wie im vorangegangen Abschnitt erlautert, bei der Analyse von myoelektrischenSignalen von stochastischen Signalen ausgegangen wird, werden in den folgenden Ab-schnitten zu den verschiedenen Analyseverfahren auch mathematische Mittel der Sto-chastik angewandt, wie sie beispielsweise in Abschnitt 4.1 erlautert wurden . Bei derAnwendung dieser Mittel spielen die zwei Begriffe Stationaritat und Ergodizitat einewichtige Rolle und sollen im nun Folgenden naher erlautert werden. Insbesondere wennFrequenzparameter zur Diskussion kommen, gewinnen diese Begriffe an Bedeutung, dasie als Bedingungen fur die dort notwendige Transformation aus dem Zeitbereich in denFrequenzbereich vorausgesetzt werden.

4.2.1. Stationaritat

Sind die statistischen Momente eines stochastischen Prozesses unveranderlich gegenuberVerschiebungen der Zeit, spricht man von einem stationaren Prozess. Legt man den inAbschnitt 4.1 eingefuhrten Zufallsvektor ~xi = X(ti) = (x(t1), x(t2) . . . x(tn)) eines sto-chastischen Prozesses X(ti) sowie seine zugehorige Wahscheinlichkeitsdichteverteilung

43

4. Signalanalyse

p(x1, x2, x3, . . . xn) zu Grunde, muss die um den Parameter t verschobene Wahrscheinlich-keitsdichteverteilung eines zweiten Zufallsvektors p(x1+t, x2+t, x3+t, . . . xn+t) des selbenProzesses gleich sein. In diesem Fall spricht man von Stationaritat im strikten oder auchstrengem Sinn. Stationaritat bezuglich der Musterfunktionen bedeutet, dass die Schar-mittelwerte der Musterfunktionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ebenfalls identischsind.

4.2.2. Stationaritat im weiteren Sinne

Die im vorangegangenen Abschnitt 4.2.1 erlauterte strenge Stationaritat bezieht sichgenau genommen auf alle t und n, also unendlich viele Werte, bzw. auf unendlich vieleMusterfunktionen. In der Praxis ist sie also nur schwer nachweisbar. Man bezieht sichin solchen Fallen auf die Stationaritat im weiteren Sinne1.

Stationaritat im weiteren Sinne definiert man folgendermaßen:

• Alle statistischen Momente sind unabhangig vom Beobachtungszeitpunkt

• Die Korrelation ist unabhangig vom Beobachtungszeitpunkt und nur von der Zeit-differenz ∆t abhangig

Allgemein definiert man nach [29] als n-tes Moment eines stochastischen Prozesses als:

E[Xnti] =

∫ +∞

−∞

xnti· p(xn

ti)dxn

ti. (4.5)

Ist der Prozess stationar, d.h. ist p(xi) = p(xi+t) ist folglich auch das n-te Momentstationar und somit unabhangig von der Zeit.

Die Korrelation zwischen zwei verschiedenen Zufallsvektoren stochastischer ProezesseXt1 und Xt2 beschreibt das zweite Moment, die Autokorrelationsfunktion [29]:

φ(t1, t2) = E[Xt1 , Xt2 ] =

∫ +∞

−∞

∫ +∞

−∞

xt1xt2p(xt1 , xt2)dxt1dxt2 . (4.6)

1engl. Wide Sense Stationarity WSS

44

4. Signalanalyse

Ist der Prozess stationar, also die Verteilungsdichte von Xt1 und Xt2 gleich der Ver-teilungsdichte von Xt1+t und Xt2+t fur beliebige Parameter t, wird die Autokorrelati-onsfunktion ebenfalls unabhangig von den Zeitpunkten t1 und t2 und ist nur von derZeitdifferenz τ = t1 − t2 abhangig. Allgemein umgeschrieben erfullt nun

φ(∆t) = φ(t1 − t2) = φ(t1, t2) = E[Xt1 , Xt2 ] , (4.7)

die Bedingung fur einen Prozess, der im weiteren Sinne stationar ist.

4.2.3. Ergodizitat

Zusatzlich geht man bei stochastischen Signalen meist davon aus, dass sie ergodischsind. Ein ergodisches Signal ist ein stationares Signal, das sowohl aperiodisch als auchwiederkehrend ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es einen markanten Singnalanteilhat, der allerdings nicht in festen Intervallen wiederkehrt.

Mathematisch betrachtet bedeutet Ergodizitat, dass eine einzige, unendliche Zeitreihedie Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung einer Zufallsvariable vollstandig beschreibt. DieAnnahme der Ergodizitat ist Voraussetzung fur die Anwendung verschiedener mathe-matischer Methoden, um Zufallsprozesse zu charakterisieren. Von entscheidender Be-deutung ist diese Voraussetzung ebenfalls, wenn man Beziehungen zwischen Zeitbereichund Frequenzbereich betrachtet.

Aus diesen Grunden ist es oftmals notwendig, die Annahme von Ergodizitat bei derAnalyse von myoelektrischen Signalen nachzuweisen. Da die Stationaritat, wie obenerlautert eine notwendige Bedingung der Ergodizitat ist, ist der Nachweis der Stationa-ritat oftmals ausreichend. Weil ein myoelektrisches Signal nicht exakt gaußsch verteiltund seine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion nicht vollstandig bekannt ist, beschranktsich der Nachweis meist auf die in Abschnitt 4.2.2 beschriebene Stationaritat im weite-ren Sinne.

45

4. Signalanalyse

4.3. Amplitudenparameter

Das unbearbeitete myoelektrische Signal ist die Basis, um Aussagen uber Muskelakti-vitat anhand myoelektrischer Vorgange treffen zu konnen. Lange Zeit wurde ein solchesSignal durch visuelle Interpretation beurteilt. Ein geubter Beobachter kann auf dieseWeise erkennen, ob ein Muskel aktiv ist oder nicht. Eine Klassifizierung der Starke derKontraktion ist durch dieses Vorgehen allerdings nur subjektiv moglich, indem der Be-obachter sie mit Worten wie

”leichte“ oder

”starke“ Aktivitat beschreibt. Abbildung

4.1 zeigt exemplarisch das myoelektrische Signal drei unterschiedlicher Kontraktionendes selben Muskels2. Diese Abbildung sowie alle weiteren Abbildungen in diesem Ka-pitel der Arbeit sind nicht aus der Literatur entnommen. Es handelt sich um eigene,vorweggenommene Messergebnisse aus Kapitel 6, die an dieser Stelle zur graphischenVerdeutlichung der erlauterten Parameter herangezogen werden.

Zur quantitativen Bestimmung der Amplitudenparameter gibt es verschiedene Ansatze.Der einfachste dieser Ansatze, die Bildung des Mittelwertes, scheidet allerdings an dieserStelle aus, da er aufgrund der stochastischen Natur des Signals Null ergibt. Die folgendenAbschnitte 4.3.1 bis 4.3.4 beschreiben fortgeschrittene Methoden zur Beschreibung derAmplitudenparameter.

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5

x 104

−6

−4

−2

0

2

4

6

t [ms]

U [V

]

Myoelektrische Signale

Muskel schwach aktiv

Muskel stark aktiv

Muskel nicht aktiv

Abbildung 4.1.: Myoelektrische Signale

2Auf der Y-Achse ist die verstarkte Signalspannung in Volt skaliert aufgetragen. Die X-Achse reprasen-tiert insgesamt 35 Sekunden Signaldauer.

46

4. Signalanalyse

4.3.1. Gleichrichtung

Da die normale Mittelwertbildung wie oben beschrieben Null ergabe, ist die Gleichrich-tung der einfachste Ansatz, um dieses Problem zu umgehen. Dadurch wird aus dembipolaren Signal ein Signal mit einfacher Polaritat. Sowohl Halbwellengleichrichtung alsauch Vollwellengleichrichtung sind mogliche Verfahren. Bei der Halbwellengleichrichtungwird lediglich der negative Anteil des Signals entfernt, wohingegen bei der Vollwellen-gleichrichtung dieser Signalanteil invertiert wird. Die Mittelwertbildung kann per Sof-ware nach Digitalisierung des Signals vorgenommen werden.

4.3.2. Gemittelte Gleichrichtung

Das gleichgerichtete Signal variiert in gleichem Umfang wie das unbearbeitete myo-elektrische Signal. Eine Mittelung des gleichgerichteten Signals (also eine Glattung dieals Tiefpassfilterung angesehen werden kann), eignet sich, um diese Varianz zu unter-drucken. In der Fachliteratur wird dieser Wert oftmals mit seiner englischen AbkurzungARV fur Averaged Rectified Value abgekurzt. Dieser Wert entspricht dem Integral, al-so der Flache zwischen dem gleichgerichteten Signal und der Zeitachse, das in einembestimmten Zeitintervall τ berechnet wird, dividiert durch selbiges. Diese Technik, einZeitfenster τ uber das gleichgerichtete Signal zu verschieben, nennt man auch gleiten-den Mittelwert, im englischen moving average. Abbildung 4.2 zeigt ein gleichgerichtetesSignal (blaue Kurve) und das zugehorige gemittelte Signal (rote Kurve).

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 10000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

t [ms]

U [V

]

Gemittelte Gleichrichtung

gleichgerichtetes Signalgleichgerichtetes gemitteltes Signal

Abbildung 4.2.: Gleichgerichtetes und gemitteltes myoelektrisches Signal

47

4. Signalanalyse

4.3.3. Integriertes myoelektrisches Signal

Das integrierte myoelektrische Signal wird mit Hilfe eines vordefinierten Zeitfensters τberechnet. Dabei handelt es sich prinzipiell um eine Abwandlung der schon beschriebenengemittelten Gleichrichtung, bei der lediglich die Division durch das Zeifenster τ entfallt.Da dabei die gleichgerichteten Signalwerte alle positiv sind und die Normalisierung aufdas verwendete Zeitfenster τ entfallt, steigt dieser integrierte Wert mit großer werdendemZeitfenster ebenfalls an.

Das integrierte Signal wird seit langem in der Beurteilung von myoelektrischen Signalenangewandt. Schon vor der Zeit der digitalen Signalverarbeitung konnte es auf analogemWeg gewonnen werden. In einem ersten Schritt wird es dazu gleichgerichtet und in einemzweiten Schritt mit Hilfe eines analogen Tiefpassfilters einer Integration unterzogen. Oftwird dieses Verfahren auch Linear Envelope (LE)-Verfahren genannt, da auf diese Weiseder Verarbeitung die Linear Einhullende des Signals gewonnen wird.

Die Interpretation des myoelektrischen Signals mit Hilfe dieses Verfahrens zeigt eineKorrelation zwischen der linear Einhullenden des Signals und der mechanischen Span-nung des Muskels [27]. Es wird daher oftmals in solchen Studien benutzt, in denenmyoelektrische Signale in Bezug auf mechanische Eigenschaften, wie beispielsweise dieKraftentwicklung, untersucht werden. Allerdings muss angemerkt werden, dass der soberechnete Wert keinen Bezug zur Leistung bzw. Energie des Signals aufweist. Ein Si-gnalparameter, der dieses tut, wird im folgenden Abschnitt 4.3.4 erlautert.

4.3.4. Quadratischer Mittelwert

Der quadratische Mittelwert, auch Effektivwert genannt, gibt die Leistung des Signals,genauer gesagt dessen Wurzel wieder. Im Vergleich zu den bereits beschriebenen Metho-den gibt er die meiste Information des betrachteten myoelektrischen Signals preis, daer eine klar definierte physikalische Bedeutung hat. Aus diesem Grund wird er bei denmeisten Anwendungen in Bezug auf myoelektrische Signale empfohlen und auch verwen-det [13]. Der quadratische Mittelwert entspricht der Flache zwischen dem quadriertenSignal und der Zeitachse, berechnet in einem vordefinierten Zeitintervall τ , dividiertdurch selbiges und radiziert.

Liegt ein myoelektrisches Signal in Form von digitalisierten Samples vor, kann der qua-dratische Mittelwert3 folgendermaßen berechnet werden:

3engl. root mean square RMS

48

4. Signalanalyse

XSeff(k0) =

1

N

k0+N/2∑

k=k0−N/2

X2S(k) , (4.8)

wobei N die Anzahl der Samples aus dem Sampleintervall XS angibt und mit k0 die

”Mittenposition“ innerhalb dieses Intervalls gewahlt wird.

Unter der Annahme von Stationaritat und Ergozitat kann der quadratische Mittelwertals eine Schatzung der Standardabweichung der Amplitudenverteilung aufgefasst werden.Die Standardabweichung ist in der Stochastik ein Maß fur die Streuung der Werte einerZufallsvariable um ihren Mittelwert und wird mathematisch definiert als:

σx :=

1

N

N∑

i=0

(xi − x)2 , (4.9)

wobei σx die Standardabweichung der Einzelmessung, N die Anzahl der Messwerte, xi

der jeweilige Wert der Einzelmessung und x der arithmetische Mittelwert der Messungist. Abbildung 4.3 zeigt sowohl ein gleichgerichtetes Signal (blaue Kurve) als auch denzugehorigen quadratischen Mittelwert (rote Kurve). Die Abbildung ahnelt der Abbildung4.2, jedoch sind die Werte des quadratischen Mittelwertes großer als die der gemitteltenGleichrichtung.

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 10000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

t [ms]

U [V

]

Quadratischer Mittelwert

gleichgerichtetes Signalquadratischer Mittelwert

Abbildung 4.3.: Quadratischer Mittelwert

49

4. Signalanalyse

4.4. Frequenzparameter

Der erste Schritt zur Bestimmung der Frequenzparameter ist ublicherweise die Schatzungder spektralen Leistungsdichte4 bzw. des totalen Leistungsspektrums. Sie geben an, mitwelcher Amplitude die einzelnen Frequenzen in einem betrachteten Spektrum enthaltensind. Mathematisch gesehen ist die spektrale Leistungsdichte S(ω) die Fouriertransfor-mierte der zeitlichen Autokorrelationsfunktion x(t)x(t + τ), gemaß:

S(ω) =

−∞

x(t)x(t + τ)e−jωτdτ , (4.10)

wobei x(t) das zeitliche Signal ist. In der Praxis liegen keine unendlichen Zahlenreihenvor, sodass man das Integrationsintervall einschranken kann. Nur fur eine stationare Ver-teilung ist die Autokorrelationsfunktion x(t)x(t+ τ) nicht mehr von der Zeit t abhangig.Die Fouriertransformation zerlegt dabei das Signal in seine verschiedenen Sinusanteilemit unterschiedlichen Frequenzen und verschiedenen Amplituden. Die Summe aller die-ser Sinusanteile ergibt in der Uberlagerung wiederum das Orginalsignal. In den meistenFallen wird ein FFT -Algorithmus5 angewandt, der den Vorteil hat, wesentlich wenigerRechenschritte im Vergleich zu einer konventionellen, diskreten Fouriertransformation,zu benotigen.

Wahrend zeitlich lang andauernden Muskelkontraktionen ist das entstehende myoelek-trische Signal nicht stationar [13]. Bei schwachen Kontraktionen mit einem Level von20% -30% der maximal moglichen Kontraktion und kurzer Zeitdauer kann das Signal alsstationar im weiteren Sinne angesehen werden. Diese Quasistationaritat gilt bei Kon-traktionen hoherer Level nur noch in kurzen Signalabschnitten [13]. Aus diesem Grundmussen diese Signale in kleinere Segmente unterteilt werden, fur die das Spektrum je-desmal neu berechnet werden muss. Ublicherweise verwendet man dazu Segmente imBereich von 0.5 s bis 2 s [13].

Bei dynamischen Kontraktionen, bei denen sich die Anzahl der aktiven motorischen Ein-heiten, die Geometrien zwischen den aktiven Fasern und der Elektrode sowie die Mus-kelfaserlangen andern, ist die spektrale Analyse besonders komplex. Alle diese Faktorenfuhren zu einer erhohten Nichtstationaritat des gemessenen Signals. Klassische, fourier-basierte Methoden stoßen hier schnell an ihre Grenzen und erweisen sich als ungeeignet.Methoden der Zeit-Frequenz-Analyse die keine Stationaritat voraussetzen eigenen sichfur dynamische Kontraktionen besser.

4engl. Power Spectral Density PSD5engl. Fast Fourier Transform

50

4. Signalanalyse

Geht man von der in Abschnitt 4.2.2 beschriebenen Stationaritat im weiteren Sinne aus,ergibt sich die spektrale Leistungsdichte gemaß dem Wiener-Khintchine-Theorem6 ausder Fouriertransformation der Autokorrelationsfunktion:

S(ω) =

∫ +∞

−∞

R(τ)e−jωτdτ , (4.11)

mit der Autokorrelationsfunktion:

R(τ) = E [x(t)x(t + τ)] , (4.12)

wobei E [. . .] den Erwartungswertoperator darstellt. Das myoelektrische Signal kann alsreelles Signal aufgefasst werden. Aus diesem Grund wird sowohl die Autokorrelations-funktion R(τ) als auch das Leistungsdichtespektrum S(ω) reell:

S(ω) = 2

∫ +∞

0

R(τ)cos(ωτ)dτ , (4.13)

R(τ) =1

π

∫ +∞

0

S(ω)cos(ωτ)dω . (4.14)

Setzt man nun Ergodizitat voraus, kann man das Leistungsdichtespektrum mit Hilfe desErwartungswertoperators in einem bestimmten Zeitintervall folgendermaßen definieren[27]:

S(ω) = limT→∞

E

[

|XT (ω)|22T

]

, (4.15)

wobei XT (ω) gebildet wird durch:

XT (ω) =

∫ +T

−T

x(t)e−jωtdt . (4.16)

6Autokorrelationsfunktion und Leistungsspektrum bilden ein Fouriertransformationspaar.

51

4. Signalanalyse

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 5000

1

2

3

4

5

6

7

8

x 10−3

f [Hz]

Leis

tung

sdic

htes

pekt

rum

[W/H

z]

Totales Leistungsspektrum

(a) Totales Leistungsspektrum

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500−80

−70

−60

−50

−40

−30

−20

−10

0

10

20

Frequency [Hz]

Pow

er S

pect

rum

Mag

nitu

de (

dB)

Power Spectrum Density

(b) logarithmisches Leistungsspektrum

Abbildung 4.4.: Spektrale Leistungsdichte

Die Abbildungen 4.4(a) und 4.4(b) zeigen exemplarisch das Leistungsspektrum sowohl intotalem als auch in logarithmischem Maßstab7. Verschiedene Methoden zur Charakteri-sierung des Frequenzgehaltes des EMG-Signals sollen in den nun folgenden Abschnittenvorgestellt werden. Sie beziehen sich auf die Amplitude einzelner Frequenzen, auf spek-trale Bandbreiten bzw. die Unterteilung des Gesamtspektrums in Teilbereiche sowie aufstatistische Untersuchungen der spektralen Leistungsdichte.

7Die Kurven wurden mit MATLAB geplottet und sind zur Erlauterung mit vorweg genommenenSignalen aus dem Kapitel 6 erstellt.

52

4. Signalanalyse

4.4.1. Spitzenwert der Amplitude

Der Spitzenwert der Amplitude8 der spektralen Leistungsdichte wird als dominanterFrequenzanteil des myoelektrischen Signals definiert. Aufgrund der stochastischen Na-tur des Signals muss er geschatzt werden. Abbildung 4.5 zeigt diesen Wert mit PAgekennzeichnet.

4.4.2. Spektrale Bandbreite

Die spektrale Bandbreite9 wird als diejenige Bandbreite definiert, an der das Spektrumum 3dB auf einer logarithmischen Skala, bzw. um 0.5 auf einer linearen Skala gegenuberdem Spitzenwert der Amplitude abgesunken ist (siehe Abbildung 4.5).

4.4.3. Medianfrequenz

Die Medianfrequenz in der Abbildung 4.5 mit MDF 10 abgekurzt dargestellt, ist diejenigeFrequenz, die das Leistungsspektrum in zwei Flachen mit gleich großem Energiegehaltaufteilt.

4.4.4. Mittlere Frequenz

Die mittlere Frequenz der spektralen Leistungsdichte wird statistisch auch als norma-lisiertes erstes spektrales Moment bezeichnet. In der Abbildung 4.5 ist sie mit MNF 11

gekennzeichnet. Sie stellte den Mittelwert der mit der Leistung gewichteten Frequenzendar und wird in der Fachliteratur auch als MPF 12 bezeichnet.

8engl. Peak Amplitude PA9engl. Bandwidth

10engl. MeDian Frequency MDF11engl. MeaN Frequency MNF12engl. Mean Power Frequency MPF

53

4. Signalanalyse

Abbildung 4.5.: Exemplarisches Spektrum eines myoelektrischen Signals [13]

54

4. Signalanalyse

4.5. Normierung der Messwerte

Die hier vorgestellten Methoden der Erfassung und Signalanalyse beinhalten ein inharen-tes Problem. Sie basieren letztendlich auf der Amplitude und der spektralen Leistungs-dichte des Signals. Diese Parameter konnen jedoch nicht als absoluter Maßstab heran-gezogen werden.

Die Impedanz zwischen Muskelfasern und Elektrode variiert und ist zudem unbekannt.Dies gilt sowohl bei Messungen am selben Muskel einer Person (wenn die Elektrodennicht bei jeder Messung exakt gleich positioniert sind), als auch bei Messungen an ver-schiedenen Personen. Selbst Messungen an identischen Positionen des selben Muskelsder gleichen Person konnen aufgrund der Gewebeeigenschaften von Tag zu Tag dieserVariation unterliegen. Die aus der variierenden Impedanz resultierenden und somit eben-falls variierenden Amplituden sind folglich in hohem Maß von den gegebenen Mess- undAbleitbedingungen anhangig. In klinischen Studien, in denen eine Vielzahl verschiedenerMuskeln verschiedener Personen miteinander verglichen werden sollen, ist eine Losungdieser Problematik daher zwingend notwendig.

In solch klinischen Fallen normiert man die Messergebnisse in geeigneter Weise. DieAmplitude bezieht sich dabei auf einen Referenzwert, der in direktem Zusammenhangmit einem physiologisch relevanten Parameter, wie beispielsweise Kraft oder Spannungdes Muskels, steht. In der Fachliteratur [12, 13] wird als Referenzwert oftmals der Mess-wert einer maximal moglichen Kontraktion herangezogen. Auf diese Weise wird derEinfluss der Mess- und Ableitbedingungen eliminiert. Die Messwertskalierung der Y-Achse in Spannungswerten wird dabei in Prozentwerte des gewahlten Referenzwertesumskaliert.

MVC13-Normierung bezeichnet dieses Konzept in der Fachliteratur. Dieses Konzeptgewahrleistet die in klinischen Studien geforderte Vergleichbarkeit der Messresultateausreichend [12, 13]. Vor der eigentlichen Messung wird der Muskel gegen einen sta-tischen Widerstand maximal angespannt, um den Referenzwert zu erhalten. Ein solchesVorgehen erfordert einen konzentrierten und differenzierten Bewegungsablauf des be-trachteten Muskels und ist in der Durchfuhrung entsprechend aufwandig. Ein gewissesMaß an Ubung wird bei der Testperson vorausgesetzt. Aus diesen Grunden kann die Pro-zedur nur von Testpersonen mit gesunder und gut funktionierender Muskulatur unterklinischen Bedingungen durchgefuhrt werden. Da die vorliegende Arbeit keine klinischenVergleichsuntersuchungen enthalt, wird auf die Normierung der Messwerte in Kapitel6 verzichtet. Detaillierte Erlauterungen des hier vorgestellten Normalisierungskonzeptssind in [12, 13] beschrieben.

13engl. Maximum Voluntary Contraction MVC

55

4. Signalanalyse

4.6. Zerlegung myoelektrischer Signale in ihre

Summenaktionspotenziale

Ein interessanter Aspekt der myoelektrischen Signalanalyse ist die Zerlegung des aufder Hautoberflache erfassten Signals in seine einzelnen Summenaktionspotenziale. DieseZerlegung lasst sich auf das fundamentale Problem der Darstellung multivariater Datenzuruckfuhren. In diesem Zusammenhang nennt man die gemeinsame Wahrscheinlich-keitsverteilung mehrer Zufallsvariablen, in diesem Fall mehrerer myoelektrischer Signale,multivariate oder auch mehrdimensionale Verteilung [30].

Um diese Problematik zu erlautern, wird in der Fachliteratur der als Cocktail-Party-Problem bezeichnete Sachverhalt herangezogen [31]. Man stellt sich einen Raum mitmehreren gleichzeitig sprechenden Personen, beispielsweise auf einer solchen Party, vor.Der Mensch ist nun in der Lage, durch konzentriertes Zuhoren einem Einzelnen dieserGesprache zu folgen und gleichzeitig die anderen Gesprache aus seiner Wahrnehmungauszublenden.

Die fur den Menschen vergleichsweise einfache und intuitive Extraktion relevanter Daten(dem Gesprach des Einzelnen) aus einer Mischung vieler Signaldaten (den vielen ande-ren Gesprachen) stellt die Technik vor das Problem der Signalquellentrennung. DieseTrennung der Signale ist vergleichbar mit der Zerlegung myoelektrischer Signale in sei-ne einzelnen Summenaktionspotenziale. Ein Ansatz zur Losung der Problematik ist dieIndependent Component Analysis (ICA) die der folgende Abschnitt 4.6.1 einfuhrenderlautert.

4.6.1. Independent Component Analysis

Man stelle sich das Cocktail-Party-Problem vereinfacht mit zwei Sprechern in einemRaum vor. Sie stellen zwei Signalquellen dar, die jeweils ein zeitlich abhangiges Sprach-signal s1(t) und s2(t) aussenden. Weiterhin erfassen zwei an unterschiedlichen Orten imRaum positionierte Mikrofone die Signale als gewichtete Summensignale x1(t) und x2(t).Die linearen Gleichungen:

x1(t) = a11s1(t) + a12s2(t) , (4.17)

x2(t) = a21s1(t) + a22s2(t) , (4.18)

beschreiben diese Konstellation. Die Koeffizienten a11, a12, a21 und a22 hangen von den

56

4. Signalanalyse

Distanzen zwischen Mikrofonen und Signalquellen ab. Analog stellen im Kontext die-ser Diplomarbeit x1(t) und x2(t) zwei erfasste myoelektrische Signale dar. Die Großens1(t) und s2(t) sind in diesem Zusammenhang die zu Grunde liegenden Summenak-tionspotenziale, die durch die Koeffizienten a11, a12, a21 und a22 gewichtet werden. DieKoeffizienten hangen von den Gewebeimpedanzen und Distanzen zwischen Muskelfasernund Elektroden ab.

Waren die Parameter aij bekannt, konnte das Gleichungssystem gelost werden und dieSignalquellen s1(t) und s2(t), und folglich die einzelnen Summenaktionspotenziale warenbestimmbar. Die Parameter sind jedoch unbekannt und die Losung der Gleichungen folg-lich komplexer. Mathematische Ansatze zur Losung der Problematik bietet die Nutzungbekannter statistischer Eigenschaften der Signalquellen si zur Schatzung der Parameteraij [32].

Allgemein konnen diese Zusammenhange mathematisch aus n linearen Summanden:

xj = aj1s1 + aj2s2 + . . . ajnsn , (4.19)

fur alle n ∈ Z+ modelliert werden. Ohne zeitlichen Bezug kann von j = 1 . . . n beobach-

teten Zufallsvektoren xj mit voneinander unabhangigen Komponenten sj ausgegangenwerden.

In Matrizenschreibweise ergibt sich:

x = A s , (4.20)

wobei x den beobachteten Zufallsvektor und s den Zufallsvektor mit den Komponen-ten s1, s2, . . . sn enthalt. Die Matrix A beinhaltet die Koeffizienten aji. Diese Matri-zenschreibweise ist in der Fachliteratur die gebrauchliche Schreibweise fur das ICA-Modell.

In diesem Modell sind sowohl die unabhangigen Komponenten s als auch die wichten-de Matrix A nicht direkt beobachtbar. Einzig der Zufallsvektor x ist beobachtbar undenthalt im Kontext dieser Arbeit die myoelektrischen Signale einer mehrkanaligen Mes-sung. Die ICA geht dabei von der statistischen Unabhangigkeit der Komponenten undihrer nicht gaußschen Wahrscheinlichkeitsverteilung aus. Bezuglich myoelektrischer Si-gnale sind diese Annahmen realistisch. Eine gute Einfuhrung14 in die Thematik und dieVerwendung von ICA-Algorithmen geben [31] und [33].

14ICA soll der Vollstandigkeit halber erwahnt werden, nicht aber naher erlauetert oder genutzt.

57

4. Signalanalyse

4.7. Zusammenfassung

Kapitel 4 befasst sich mit der Signalanalyse, also dem Vorgang, nutzliche Informationenaus myoelektrischen Signalen zu gewinnen. Die Analyse besteht aus einer systemati-schen Untersuchung, bei der die Signale in ihrer Bestandteile zerlegt und anschließenduntersucht und ausgewertet werden.

Die Grundlagen stochastischer Prozesse, zu denen myoelektrische Signale letztendlichzuzuordnen sind, werden einfuhrend erlautert. Wichtige Begriffe wie Stationaritat undErgodizitat werden in diesem Zusammenhang definiert.

Im Anschluß daran beinhaltet das Kapitel eine zusammenfassende Ubersicht gebrauch-licher Methoden myoelektrischer Signalanalyse. Diese Methoden ermoglichen die Cha-rakterisierung der Signale bezuglich ihrere Amplituden- und Frequenzparameter.

Ein Konzept der Signalnormierung im Kontext der Vergleichbarkeit der Analysemetho-den in klinischen Studien wird eingefuhrt. Diese Konzept setzt die gemessenen Werte indirektem Zusammenhang mit einem physiologisch relevanten Parameter wie beispiels-weise der produzierten Kraft des Muskels.

Abschließend befasst sich das Kapitel mit der Zerlegung myoelektrischer Signale in ihreSummenaktionspotenziale und stellt eine kurze Einfuhrung in die Independent Compo-nent Analysis (ICA) vor. Die Anwendung dieser Methode wurde jedoch den Rahmendieser Diplomarbeit uberschreiten. Aus diesem Grund soll sie nur einfuhrend erwahntwerden, nicht aber naher erlautert.

58

5. Entwicklung und Aufbau einesMess- und Erfassungssystems

Aufbauend auf den vorangegangenen Kapiteln 2 bis 4, die die Entstehung, Erfassungund Analyse myoelektrischer Signale erlautern, beschreibt dieses Kapitel das im Laufeder Diplomarbeit entwickelte und aufgebaute Mess- und Erfassungssystem. Fur die Sen-soreinheit wird das bereits eingefuhrte Prinzip der differenziellen Verstarkung genutzt.Die Sensoreinheit mit fester Verstarkung (A1) arbeitet mit einer nachgeschalteten, regel-baren Verstarkerstufe (A2) zusammen. Das uber einen Tiefpass (TP), zur Vermeidungvon Alias-Effekten, gefilterte Signal wird von einem Analog/Digital-Konverter (A/D)digitalisiert und steht anschließend zur Analyse mit Hilfe eines Rechners bereit. Abbil-dung 5.1 zeigt schematisch den Aufbau, welcher in den folgenden Abschnitten detaillierterlautert werden soll.

Abbildung 5.1.: Blockdiagramm des Erfassungssystems

5.1. Sensoreinheit mit Elektrode und Vorverstarker

Dieser Teil des Messsystems erfasst die Signale von der Hautoberflache, verstarkt sie,unterdruckt Gleichtaktsignale und transformiert die hohe Eingangsimpedanz der erstenVerstarkerstufe in eine niedrigere Ausgangsimpedanz um. Die Impedanztransformationverhindert kapazitive Einkopplung von Storungen im weiteren Signalverlauf. Um hoheVerstarkungen und Gleichtaktunterdruckung zu erreichen, bietet sich hier grundsatzlicheine Operationsverstarkerschaltung an.

59

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

Eine so genannte Instrumentationsverstarkerschaltung aus mehreren Operationsverstar-kern ermoglicht im Speziellen diese Aufgaben und bietet weiterhin den Vorteil nahezuunendlich hoher Eingangswiderstande an zwei Eingangen. Bei einer differenzbildendenVerstarkerschaltung aus nur einem Operationsverstarker sind die Eingangswiderstandam invertierenden und nichtinvertirenden Eingang hingegen meist unterschiedlich groß.In dem realisierten System besteht die Schaltung aus drei Operationsverstarkern. Abbil-dung 5.2 zeigt den Schaltplan einer solchen Schaltung. Ihre Ausgangsspannung berechnetsich nach:

Ua =

(

1 +2 R2

R1

)

(Ue2 − Ue1) . (5.1)

Die Gleichtaktunterdruckung ist unabhangig von der Dimensionierung der Differenz-verstarkung. Liegt an beiden Eingangen der Schaltung eine Gleichtaktspannung, erzeu-gen beide Operationsverstarker der Eingangstufe an ihren invertierenden Eingangen ex-akt die selbe Gleichtaktspannung, da die Differenzspannung zwischen den Eingangeneines Operationsverstarkers im eingeschwungenen Zustand immer 0V ist. In diesemFall liegt an beiden Seiten des Widerstandes R1 die gleiche Spannung an. Der Span-nungsabfall ist Null, wodurch kein Strom durch ihn fließen kann. Folglich ist er furGleichtaktsignale nicht existent und die Operationsverstarker arbeiten lediglich als Im-pedanzwandler. Aus diesem Grund sind die Verstarkungen der ersten beiden Opera-tionsverstarker fur diese konstanten Spannungen gleicher Polaritat lediglich V=1. Dernachfolgende Verstarker subtrahiert die nicht verstarkten Gleichtaktspannungen was alsResultat Null ergibt und somit einer wirkungsvollen Unterdruckung entspricht.

Realisiert man die Spannungsverstarkung folglich durch die ersten beiden Operationsver-starker, erhalt man eine hohe Gleichtaktunterdruckung und den Vorteil einer einfachenEinstellung der Verstarkung uber nur einen Widerstand, R1. Der dritte Operations-verstarker ubernimmt in diesem Fall die Differenzbildung und verstarkt nur mit einerVerstarkung von V=1. Er ubertragt die verstarkte Differenzspannung auf den asymme-trischen Ausgang der Schaltung.

Die Schaltung muss exakt symmetrisch aufgebaut sein, um eine einwandfreie Funktionzu gewahrleisten. In der Anfangsphase der Untersuchungen dieser Diplomarbeit zeigtesich, dass ein Aufbau aus diskreten Bauteilen aufgrund hoher Bauteiltoleranzen keine zu-friedenstellenden Ergebnisse liefert. Abbildung 5.3 zeigt einen solchen Protoypenaufbauauf einer Lochrasterplatine.

Ein integrierten Schaltkreis des Herstellers Burr-Brown, der INA111, wird in der rea-lisierten Schaltung eingetzt. Dieser integrierte Schaltkreis entspricht exakt dem obenerklarten Prinzip der Differenzverstarkerschaltung. Durch lasergetrimmte Widerstande

60

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

Abbildung 5.2.: Schaltplan der Instrumentationsverstarkerschaltung

Abbildung 5.3.: Prototyp der Sensoreinheit auf Lochrasterplatine

erreicht dieser Baustein ein hohe Symmetrie und somit hohe Gleichtaktunterdruckung.Seine Eingangsstufen sind mit FET1-Transistoren realisiert und ermoglichen einen ge-ringen Eingangsstrom und eine hohe Eingangsimpedanz. Detailliertere Daten befindensich im Datenblatt [34] auf der im Anhang beigefugten CD-ROM.

1Feldeffekttransistor FET

61

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

Der Baustein ist gemaß dem Schaltplan in Abbildung 5.4 beschaltet. Ein WiderstandR1 = 100 Ω mit einer Toleranz von 1% bestimmt die Verstarkung der Schaltung mitV=500. Die Schaltung wurde mit der Leiterplattenlayoutsoftware EAGLE des Herstel-lers Cadsoft [35] entworfen und ist auf einer proffesionell angefertigten Leiterplatte derFirma PCB-Pool [36] aufgebaut. Das Leiterplattenlayout ist im Anhang A.1.1 abge-druckt sowie auf der beiliegenden CD-ROM als EAGLE -Datei enthalten. Beim Aufbauund ersten Tests der Platine stellten sich Eingangswiderstande R5 und R16 von jeweils10MΩ, anstatt der geplanten und im Schaltplan erkennbaren 100MΩ, als geeigneterheraus.

Die Leiterplatte wurde zwecks besserer Abschirmung in einem metallischen und mit Mas-se verbundenen Gehause montiert. Als Elektroden dienen die Kopfe zweier Schraubenaus rostfreiem Edelstahl. Um eine bessere raumliche Auflosung unter benachbarten Mus-keln sowie einen geringeren Einfluss ubersprechender Muskelsignale zu erreichen, ist derDurchmesser der Elektroden mit 8mm etwas geringer als der von SENIAM empfohlene(siehe Abschnitt 3.2.1). Der Abstand zwischen den Elektroden betragt 13mm.

Abbildung 5.4.: Schaltplan der Sensoreinheit

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5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.2. Regelbarer Nachverstarker und

Anti-Alias-Filterung

Die Verstarkung um den Faktor 500 der im vorhergehenden Abschnitt beschriebenenSensoreinheit reicht nicht aus, um schwache myoelektrische Signale ausreichend zu ver-starken. Aus diesem Grund ist eine zweite Verstarkerstufe notwendig. Die Sensoreinheitist uber ein abgeschirmtes Kabel mit dieser Verstarkerstufe verbunden. In dieser Teil-einheit des Systems ist ebenfalls die Spannungsversorgung aller Komponenten und dienotwendige Anti-Alias-Filterstufe untergebracht. Die Komponenten dieser Einheit sindauf einer in der Leiterplattenwerkstatt der Universitat Kassel gefertigten Leiterplatteaufgebaut und werden in den folgenden Abschnitten 5.2.1 bis 5.2.4 detailliert erlautert.

5.2.1. Spannungsversorgung

Die Spannungsversorgung ist mit Festspannungsreglern der Typen 78L05, 78L12, 79L05und 79L12 realisiert. Sie versorgen die Operationsverstarker mit den jeweiligen positivenund negativen Betriebsspannungen von +12V und -12V. Der in Abschnitt 5.2.3 vorge-stellte Filterbaustein hingegen wird mit Betriebsspannungen von +5V und -5V versorgt.Die Sensoreinheit ist uber geschirmte Kabel mit der Spannungsversorgung verbunden.Abbildung 5.5 zeigt den Schaltplan der Spannungsversorgung. Die Beschaltung der Fest-spannungsregler entspricht den Empfehlungen der jeweiligen Datenblatter [37, 38], dieauf der in Anhang A.4 beigefugten CD-ROM enthalten sind.

Abbildung 5.5.: Schaltplan der Spannungsversorgung

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5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.2.2. Einstellbarer Nachverstarker

Die Aufgabe des Nachverstarkers ist die weitere Verstarkung des von der Sensoreinheitaufgenommenen Signals. Hier wird eine nicht invertierende Operationsverstarkerschal-tung verwendet. Eingangssignal und Ausgangssignal einer solchen Verstarkerschaltungsind phasengleich. Der Spannungsverstarkungsfaktor wird uber das Widerstandsverhalt-nis der Reihen-Spannungs-Gegenkopplung bestimmt. Abbildung 5.6 zeigt den Schaltplander Schaltung. Die Verstarkung der Schaltung ist einstellbar und ergibt sich aus:

VU =R4

Rx + R10+ 1 , (5.2)

wobei Rx = R5, R6, R7, R8 oder R9 ist. Tabelle 5.1 gibt die berechneten Werte derWiderstande und Verstarkungen an. Als Operationsverstarker wird der TL062 verwen-det. Seine Eingangs-Offsetspannung betragt laut Datenblatt [39] (auf der im AnhangA.4 beigefugten CD-Rom enthalten) maximal 10mV. Der Spannungsteiler aus R10 undR11 arbeitet zusammen mit dem Trimmpotentiometer R12 als DC-Offsetkorrektur desVerstakers und ermoglicht die Korrektur potentiell hoch verstarkter Eingangs-Offset-spannungen. Der Operationsverstarker ist uber den passiven Hochpass aus C9 und R1an die Sensoreinheit angeschlossen. Der Hochpass entkoppelt den Verstarker gleichspan-nungsmaßig von der Sensoreinheit. Auf diese Weise hat die Sensoreinheit keinen Ein-fluss auf die DC-Offsetspannung. Diese ist folglich nur von der Eingangs-Offsetspannungdes OPs und dem Spannungsabfall an seinem Eingangswiderstand R1 abhangig. DerEingangsoffsetstrom, laut TL062 -Datenblatt maximal 200 pA, verursachte an R1 einenmaximalen Spannungsabfall von 200µV und tragt lediglich in niedrigem Maße zur DC-Offsetspannung bei.

Rx VU

R5 = 4,75 kΩ 2R6 = 1,18 kΩ 5R7 = 511Ω 10R8 = 237Ω 20R9 = 82,5Ω 50

Tabelle 5.1.: Verstarkungsfaktoren der zweiten Verstarkerstufe

Die Transistoren Q1 und Q2 vom Typ BC550 schutzen den Verstarkereingang vor kur-zeitigen hohen Uberspannung die beispielsweise durch statische Aufladung entstehenkonnen. Solche augenblicklichen Uberspannungen werden in diesem Fall uber die posi-tive bzw. negative Spannungsversorgung abgeleitet. Der Vorteil von Transistoren an

64

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

dieser Stelle ist der geringe Diodensperrstrom, der folglich auch eine geringere DC-Offsetspannung an dem Eingangswiderstand R1 abfallen lasst. Der Kondensator C10ist auf der realisierten Leiterplatte nicht im Einsatz. Er dient, falls notwendig, zur Kom-pensation parasitarer Kapazitaten. Diese Kapazitaten resultieren aus dem Aufbau derLeiterplatte und ihrem Leiterbahnlayout und sind ebenfalls zwischen den Kontaktendes Verstarkungswahlschalters vorhanden. Da sie unbekannt sind, lasst sich der Kom-pensationskondesator C10 folglich nicht direkt berechnen. Er muss empirisch mit Hilfevon Frequenzlinearitatsmessungen bestimmt werden. In der realisierten Schaltung ist ernicht notwendig.

Abbildung 5.6.: Schaltplan der zweiten Verstarkerstufe

65

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.2.3. Anti-Alias Tiefpassfilter

Die Analog/Digital-Wandlung soll im spateren Signalverlauf Frequenzen bis fmax =500 Hz erfassen. Das Nyquist-Shannon-Abtasttheorem [40] besagt, dass eine Abtastungdes Signals mit einer Abtastfrequenz von fs ≥ 2 · fmax erfolgen muss. Die halbe Ab-tastfrequenz bezeichnet man als Nyquistfrequenz. Treten im zu digitalisierenden SignalFrequenzkomponenten großer als diese Frequenz auf, kommt es zu so genannten Aliasef-fekten. Die oberhalb der Nyquistfrequenz liegenden Signalanteile sind nach der Abtas-tung nicht mehr von anderen Signalanteilen, die unterhalb der Nyquistfrequenz liegen,unterscheidbar.

Nachdem das Signal durch die in den vorhergehenden Abschnitten 5.1 bis 5.2.2 erlauter-ten Schaltungen verstarkt wurde, muss es aus den genannten Grunden vor der Digita-lisierung in einem letzten Schritt tiefpassgefiltert werden. Ein als Anti-Alias-Filter be-zeichneter Tiefpass muss Frequenzanteile oberhalb der halben Abtastfrequenz moglichststark abschwachen.

An dieser Stelle wird eine Filterstufe in Switched Capacitor (SC)-Technik verwendet.Eine ausfuhrliche Einleitung in diese Technik ist in [41] beschrieben. An dieser Stellekommt ein integrierter SC -Schaltkreis des Herstellers Maxim, der MAX293 [42] (Daten-blatt auf der in Anhang A.4 beigefugten CD-ROM enthalten) zum Einsatz. Abbildung5.7 zeigt seine externe Beschaltung. Es handelt sich bei diesem Bauteil um einen aktivenTiefpassfilter 8. Ordung. Seine Grenzfrequenz kann mit Hilfe eines externen Taktsignalsvon 0,1Hz bis 25 kHz eingestellt werden. Die Dampfung im Sperrbereich betragt -80 dB.Das Verhaltnis von externem Taktsignal zu Grenzfrequenz betragt 100/1. Der Schalt-kreis arbeitet mit den Betriebsspannungen -5V und +5V. Da die Operationsverstarkermit -12V bis +12V Betriebspannung arbeiten, dampft der Spannungsteiler aus R14und R15 das Signal linear in den Betriebspannungsbereich des Filterschaltkreises ab. Ineinem nachfolgenden Schritt wird es durch einen weiteren Verstarkerschaltkreis auf dasursprungliche Niveau, dem optimalen Eingangsspannungsbereich des Analog/Digital-Wandlers, angehoben (siehe Gesamtschaltplan in Abschnitt 5.2.4).

Der Timerbaustein LM555N und seine externe Beschaltung liefern ein Taktsignal von30 kHz. Er wird mit dem Trimmpotentiometer R31 und einem Oszilloskop abgeglichen.Die Grenzfrequenz des Filters betragt laut Teilerverhaltnis 100/1 folglich 300Hz. DerMAX239 Baustein ist prinzipiell als ein abgetastetes System zu verstehen, der das Signalan seinem Eingang quantisiert, filtert und wieder in ein analoges Signal umwandelt[41].Folglich benotigt er vor seinem Eingang ebenfalls einen Tiefpassfilter, welcher auftre-tende Aliaseffekte verhindert. Der passive Tiefpass aus R13 und C12 ubernimmt dieseAufgabe. Ein baugleicher Tiefpass aus R10 und C15 glattet das Ausgangssignal undvermeidet eine stufenformige Ausbildung des Signalverlaufs.

66

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

Abbildung 5.7.: Schaltplan des Anti-Alias-Tiefpassfilters

67

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.2.4. Schaltplan der Nachverstarker- und Filterschaltung

Abbildung 5.8 zeigt den Gesamtschaltplan der Nachverstarker- und Filterstufe. DerOperationsverstarker IC5B verstarkt das durch den Spannungsteiler aus R14 und R15gedampfte Signal auf den ursprunglichen Versorgungsspannungsbereich der Operations-verstarker. Die Verstarkung wird mit Hilfe des Trimmpotentiometers R23 abgeglichen.Eine Offsetkorrektur ist durch das Potentiometer R24 moglich. Die im Schaltplan gezeig-ten Steckbrucken JP4, JP5, JP6, JP7, JP8, JP9, JP10, JP11, JP12 und JP13 ermoglichendie Schaltung ohne die Spannungsdampfung und anschließende Anhebung zu betreiben.Die redundante Ausfuhrung der Steckbrucken dient lediglich der Erweiterung der Platinedurch Schalter, welche die Steckbrucken ersetzen. Im Leiterplattenlayout entstehen aufdiese Weise zusatzliche Lotpunkte, die eine solche Erweiterung ermoglichen. Das Leiter-plattenlayout ist in Anhang A.1.2 abgedruckt sowie auf der in Anhang A.4 beigefugtenCD-ROM als EAGLE -Datei enthalten.

Abbildung 5.8.: Schaltplan der Nachverstarker- und Filterschaltung

68

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.3. Messtechnische Untersuchung des

Erfassungssystems

Der folgende Abschnitt beschreibt die messtechnische Untersuchung der in Abschnitt5.2 erlauterten Schaltungen. Es werden sowohl der Frequenzgang der in Abschnitt 5.2.3prasentierten Anti-Alias-Filterstufe als auch das Linearitatsverhalten und die Frequenz-gange der kompletten Schaltung bei unterschiedlichen Verstarkungen untersucht.

5.3.1. Frequenzgang des Anti-Alias Filters

Zur Messung des Frequenzgangs der Anti-Alias-Filterschaltung wird der in Abbildung 5.7gezeigte Schaltungsteil eingangsseitig mit einem Signalgenerator verbunden. Ausgangs-seitig wird die Schaltung an ein Digitalmultimeter angeschlossen. Der Signalgeneratorliefert eine Sinusspannung konstanter Amplitude. Sie wird in der Frequenz von 0Hzbis 500Hz in Schritten von 1Hz variiert. Das normierte und logarithmisch dargestellteVerhaltnis von Ausgangsspannung zu Eingangsspannung ergibt den Frequenzgang derSchaltung in Abbildung 5.9.

Das Messsystem besteht aus einem Signalgenerator vom Typ SPN des Herstellers Roh-de&Schwarz und einem Digitalmultimeter vom Typ Model 2000 des Herstellers Keithley.Die Gerate werden mit Hilfe der LabVIEW Software von National Instruments [43] uberden GPIB2-Bus angesteuert. Die LabVIEW Software ermoglicht die Kommunikationverschiedener Messinstrumente uber eine gemeinsame Schnittstelle und das Automati-sieren von Messablaufen. Die Software steuert den Frequenzbereich des Signalgeneratorsund erfasst die Messwerte der Ausgangsspannung.

Die Darstellungen der Messergebnisse sind mit der MATLAB-Software3 des HerstellersThe MathWorks [44] realisiert und werden in den Abschnitten 5.3.1 bis 5.3.4 prasentiert.In den Abschnitten 5.5 und 6.1 wird detaillierter auf beide Softwareprodukte eingegan-gen.

Die Implementierungen der Messung und Auswertung in beiden Softwareprodukten,sowie die Rohdaten der Messung sind auf der in Anhang A.4 beigefugten CD-ROMenthalten.

2engl. General Purpose Interface Bus GPIB3Naher erlautert in Abschnitt 6.1 dieser Arbeit.

69

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500−120

−100

−80

−60

−40

−20

0

20

f [Hz]

Ua/

max

(Ua)

[dB

]

Frequenzgang des Anti−Alias Filters

Abbildung 5.9.: Frequenzgang des Anti-Alias-Filters

5.3.2. Vorabschwacherschaltung fur Linearitats- und

Frequenzgangmessung

Die messtechnische Untersuchung der gesamten Schaltung gestaltet sich komplexer, alsdie der einzelnen Filterstufe. Der Rohde&Schwarz Signalgenerator SPN liefert eine asym-metrische Ausgangswechselspannung beginnend ab 1mV Effektivwert.

Die Nachverstarker- und Filterstufe befindet sich bei hohen Gesamtverstarkungen beieiner Eingangsspannung von 1mV bereits in der Sattigung. Aufgrund der differenziel-len Eingange des Systems ist eine Verarbeitung von asymmetrischen Eingangssignalennicht moglich. Folglich muss das Ausgangssignal des Signalgenerators abgeschwacht undsymmetrisch transformiert werden. Als erster Ansatz zur Losung der Problematik wurdein dieser Arbeit die Transformation und Abschwachung mit Hilfe eines NF -Ubertragersund eines Spannungsteilernetzwerks gewahlt. Abbildung 5.10 zeigt den Schaltplan die-ser Anordnung. In einem ersten Schritt wurde der unbekannte Ubertragungsfaktor desNF -Ubertragers4 bestimmt. Dazu wurde ausgangsseitig bei einer Frequenz f = 170 Hzeine Spannung von 40mV direkt nach dem NF -Ubertager bei einer Eingangspannungvon 200mV gemessen. Es ergibt sich ein Ubertragungsfaktor von:

k1 =200

40= 5 . (5.3)

4Eine Kalibrationsmessung des NF -Ubertragers ist in Anhang A.1.4 dokumentiert.

70

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

Der nachgeschaltete Spannungsteiler teilt die transformierte Spannung um den Faktor:

k2 =R1 + R2

R5=

2000

10= 200 . (5.4)

Es resultiert eine Gesamtteilung der vom Signalgenerator gelieferten Spannung um denFaktor:

k3 = k1 · k2 = 5 · 200 = 1000 . (5.5)

An den Klemmen Ua und Ub der Schaltung liegt die jeweils geteilte Eingangsspannung,in der Phase invertiert zueinander, gegenuber der gemeinsamen Referenzklemme REFan. Die Differenzbildung der Spannungen Ua und Ub durch die Nachverstarkerstufehalbiert den Spannungsteilerfaktor:

k3

2=

1000

2= 500 , (5.6)

gegenuber der Eingangspannung des Signalgenerators.

Abbildung 5.10.: Schaltplan Vorabschwacher mit NF -Ubertager

71

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

Die Abschwachung des Vorabschwachers mit NF -Ubertrager erwies sich in den Messun-gen der Linearitat der Nachverstarker- und Anti-Alias-Filterstufe bis zu einer Gesamt-verstarkung mit dem Faktor V=2500 als ausreichend. Bei hoheren Gesamtverstarkungenwar die Messung mit dieser Schaltung nicht mehr moglich, da sich die Abschwachungals nicht ausreichend erwies. Eine weitere Abschwachung der Signalquelle wurde furMessungen bei hoheren Gesamtverstakungen erforderlich.

Ein zweites Abschwacherkonzept wurde notwendigerweise realisiert. Die Transformationder asymmetrischen Wechselspannung der Signalquelle in zwei symmetrische und zuein-ander invertierte Wechselspannungen erfolgte bei diesem Konzept mittels eines Opera-tionsverstarkers vom Typ CA3140 des Herstellers Intersil (Datenblatt [45] auf der inAnhang A.4 beigefugten CD-ROM enthalten). Er arbeitet als invertierender Verstarkermit einer Verstarkung von 1. Jeweils ein Spannungsteiler im Verhaltnis:

k =R3

R4=

R5

R6=

10 kΩ

1 Ω= 10000 , (5.7)

schwacht das Signal ab. Die differenzielle Verstarkung der Nachverstarkerstufe halbiertdas Teilungsverhaltnis wiederum auf den Faktor k=5000. Das Teilungsverhaltnis erwiessich fur die Linearitatsmessung der Nachverstarker- und Anti-Alias-Filterstufe bei Ge-samtverstarkungen großer als V=2500 als ausreichend. Abbildung 5.11 zeigt den Schalt-plan der Abschwacherschaltung.

Abbildung 5.11.: Schaltplan Vorabschwacher mit Operationsverstarker

72

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.3.3. Linearitatsverhalten des Mess- und Erfassungssystems

Das Linearitatsverhalten beschreibt die Fahigkeit des Mess- und Erfassungssystems,innerhalb seiner Aussteuergrenzen mit konstanter Verstarkung zu operieren. Die Ab-bildungen 5.12(a) bis 5.12(f) zeigen jeweils die Ausgangsspannung in Abhangigkeit derEingangsspannung5.

0 0.05 0.1 0.15 0.20

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

Ue [mV]

Ua

[V]

(a) bei 25000facher Verstarkung

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.60

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

Ue [mV]

Ua

[V]

(b) bei 10000facher Verstarkung

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.40

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

Ue [mV]

Ua

[V]

(c) bei 5000facher Verstarkung

0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.00

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

Ue [mV]

Ua

[V]

(d) bei 2500facher Verstarkung

0 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0 6.00

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

Ue [mV]

Ua

[V]

(e) bei 1000facher Verstarkung

0 1 2 3 4 50

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

Ue [mV]

Ua

[V]

(f) bei 500facher Verstarkung

Abbildung 5.12.: Linearitatsverhalten des Mess- und Erfassungssystems

5Erkennbare Unregelmaßigkeiten werden in Abschnitt 5.7 erlautert.

73

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.3.4. Frequenzgang des Mess- und Erfassungssystems

Der Frequenzgang beschreibt die Fahigkeit des Mess- und Erfassungssystems innerhalbwelchen Frequenzbereiches es mit konstanter Verstarkung operieren kann. Die Abbildun-gen 5.13(a) bis 5.13(f) zeigen jeweils die auf den Maximalwert normierten Ausgangsspan-nung in Abhangigkeit der Frequenz in logarithmischem Maßstab6.

0 100 200 300 400 500−140

−120

−100

−80

−60

−40

−20

0

f [Hz]

Ua/

max

(Ua)

[dB

]

(a) bei 25000facher Verstarkung

0 100 200 300 400 500−140

−120

−100

−80

−60

−40

−20

0

f [Hz]

Ua/

max

(Ua)

[dB

]

(b) bei 10000facher Verstarkung

0 100 200 300 400 500−140

−120

−100

−80

−60

−40

−20

0

f [Hz]

Ua/

max

(Ua)

[dB

]

(c) bei 5000facher Verstarkung

0 100 200 300 400 500−140

−120

−100

−80

−60

−40

−20

0

f [Hz]

Ua/

max

(Ua)

[dB

]

(d) bei 2500facher Verstarkung

0 100 200 300 400 500−140

−120

−100

−80

−60

−40

−20

0

f [Hz]

Ua/

max

(Ua)

[dB

]

(e) bei 1000facher Verstarkung

0 100 200 300 400 500−140

−120

−100

−80

−60

−40

−20

0

f [Hz]

Ua/

max

(Ua)

[dB

]

(f) bei 500facher Verstarkung

Abbildung 5.13.: Frequenzgang des Mess- und Erfassungssystems

6Erkennbare Unregelmaßigkeiten werden in Abschnitt 5.7 erlautert.

74

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.4. Analog/Digital-Wandlung

Das in den vorhergehenden Stufen erfasste, verstarkte und gefilterte Signal soll nundigitalisiert werden. Ein Analog/Digital-Konverter7 quantisiert das Messsignal sowohlin seiner Amplitude als auch in seinem zeitlichen Verlauf. Ein Analog/Digital-Konvertervom Typ ME RedLab PMD1608 des Herstellers Meilhaus Electronics GmbH wird zudiesem Vorgehen verwendet.

Das Gerat ermoglicht eine simultane Abtastung von bis zu 8 analogen Eingangskanalenmit einer Auflosung von 16Bit. Die Abtastung geschieht mit jeweils einem eigenenA/D-Wandlerbaustein pro Eingangskanal. Die digitalisierten Daten werden uber denUniversal Serial Bus (USB) an einen Personalcomputer ubertragen. Der ME RedLabPMD1608 -ADC ist vollstandig per Software konfigurierbar. Abbildung 5.14 veranschau-licht das Grundprinzip seiner Funktion im Blockschaltbild.

Abbildung 5.14.: Blockschaltbild PMD 1608 [46]

Das Gerat wird mit einer Programmierbibliothek, der Universal Library [47] ausgelie-fert, welche Treibersoftware und Programmroutinen fur die Ansteuerung zur Verfugungstellt. Diese Software ist kompatibel mit der im Abschnitt 5.5 vorgestellten LabVIEWSoftware.

7engl. Analog Digital Converter ADC

75

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.5. Implementierung der Steuersoftware in LabVIEW

LabVIEW ist eine grafische Programmierumgebung, die die Implementierung automati-sierter Mess- und Steuerungsaufgaben auf der Basis von Blockschaltbildern ermoglicht.Auf diese Weise ist eine strukturierte Programmierung mit erkennbarem Datenfluss rea-lisierbar.

Abbildung 5.15 zeigt das Blockschaltbild der in Abschnitt 5.3 verwendeten Steuersoftwa-re. Es steuert sowohl den zur Messung benutzten Signalgenerator, als auch das verwen-dete Digitalmultimeter an. Beide Gerate konnen uber den GPIB -Bus mit einer PCM-CIA8-Karte mit einem Laptop verbunden werden.

Der GPIB -Bus wurde bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts von Hewlett-Packard zur Kommunikation zwischen Computern und Messgeraten entwickelt [48]. Eshandelt sich dabei um einen Byte-parallelen Bus, der ein asynchrones Datenubertra-gungsformat nutzt. Es werden dabei 8Bit parallel Byte fur Byte im ASCII9-Formatuber den Bus ubertragen.

Abbildung 5.15.: Blockschaltbild in LabVIEW

8PC Memory Card International Association PCMCIA, Erweiterungskartenstandard fur PCs9engl. American Standard Code for Information Interchange ASCII

76

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

Abbildung 5.16.: Blockschaltbild der Messsoftware

Abbildung 5.16 zeigt das Blockschaltbild der in LabVIEW implementierten Steuersoft-ware. Das wesentliche Element zur Ansteuerung des Analog/Digital-Konverters ist dieFunktion AInScFg.VI10 der Universal Library for LabVIEW [47]. VI steht fur VirtualInstrument und ist die in LabVIEW verwendete Bezeichnung fur die Funktionen derSoftwarebibliothek.

Die AInScFg.VI -Funktion scannt einen Bereich der Eingangskanale ab und gibt die ab-getasteten Werte in einem Array aus. Der Eingangskanalbereich wird uber die ParameterLowChan und HighChan festgelegt. Aus diesem Eingangskanalbereich liest die Funktiondie durch den Parameter Count definierte Anzahl von Abtastwerten mit der durch denParameter Rate eingestellten Abtastrate ein. Es handelt sich dabei um einen im Vorder-grund laufenden Prozess, der die Programmkontrolle erst wieder zuruckgibt, nachdemdie Funktion alle gewunschten Abtastwerte ausgelesen hat. Die im Blockschaltbild er-kennbaren zusatzlichen Funktionen dienen der Konvertierung, Analyse und graphischenDarstellung der Messdaten sowie der weitergehenden Konfiguration des Analog/Digital-Konverters11.

10AnalogInputScanForeground11Nahere Erlauterung der Funktionen wurde den Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen. Zwar sollen sie

der Vollstandigkeit halber erwahnt werden, nicht aber naher erlautert. Eine ausfuhrliche Beschrei-bung der Funktionen ist in [48, 47], sowie in der in LabVIEW integrierten Online-Hilfe enthalten.

77

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

Die Konfiguration der genannten Parameter geschieht uber interaktive Kontrollflachenim Bedienfeld der erstellten Software. Abbildung 5.17 zeigt das Bedienfeld, auch alsFrontpanel bezeichnet, der implementierten Software. Die Software ermoglicht die Er-fassung und graphische Anzeige der Messdaten als zeitlicher Signalverlauf, sowie dieBerechnung und Anzeige der spektralen Leistungsdichte. Die Software wurde in einerzweiten Version mit zusatzlicher Speicherung der Messwerte auf Datentrager implemen-tiert. Beide Versionen sind auf der in Anhang A.4 beigefugten CR-ROM enthalten.

Abbildung 5.17.: Frontpanel in LabVIEW

78

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.6. Implementierung einer Schwellwerterkennung

Abbildung 5.18 zeigt die Implementierung einer Schwellwerterkennung in LabVIEW. Derquadratische Mittelwert des Signals wird gebildet und mit einem einstellbarem Schwell-wert verglichen. Wird dieser Schwellwert uberschritten, zeigt eine graphische Anzeige inForm einer grunen Leuchtdiode diesen Fall im Frontpanel (siehe Abbildung 5.19) an.Die Software ist auf der in Anhang A.4 beigefugten CD-ROM enthalten.

Abbildung 5.18.: Blockschaltbild Schwellwerterkennung

Abbildung 5.19.: Frontpanel Schwellwerterkennung

79

5. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und Erfassungssystems

5.7. Zusammenfassung

Kapitel 5 beschreibt die Entwicklung und Realisierung eines Mess- und Erfassungssys-tems fur myoelektrische Signale.

Eine Sensoreinheit, bestehend aus einem metallischen Elektrodenpaar und einem Vor-verstarker, wird entwickelt. Die Verstarkerschaltung arbeitet als Instrumentationsver-starker mit einem integrierten Operationsverstarkerbaustein.

Eine zweite Verstarker- und Filterstufe wird entwickelt. Sie ermoglicht eine einstellba-re Gesamtverstarkung des Systems und verhindert durch Tiefpassfilterung Aliaseffek-te bei der Digitalisierung des Signals. Die Schaltung arbeitet mit Standardoperations-verstarkerschaltungen und nutzt als Filterbaustein einen integrierten Switched Capaci-tor - Filterschaltkreis.

Das Mess- und Erfassungssystem wird umfassend messtechnisch untersucht. Bei inakti-ver zweiter Verstarkerstufe und folglich einer Gesamtverstarkung mit dem Faktor V=500zeigen sich Unregelmaßigkeiten im Frequenzgang des Systems (siehe Abbildung 5.13(f)).Eine weitergehende Untersuchung der Problematik ist notwendig, um diese Gesamt-verstarkungsstufe zu nutzen12. Der in Abbildung 5.12(a) erkennbare Offsetversatz wirddurch die hohe Verstarkung des systeminherenten Rauschens verursacht. Eine schwacheUnregelmaßigkeit in der Linearitat bei einer Verstarkung mit dem Faktor V=5000 (sie-he Abbildung 5.12(c)) ist bei der Durchfuhrung von Messungen zu berucksichtigen. DieUnregelmaßigkeit ist aus Sicht des Verfassers vernachlassigbar.

Die Analog/Digital-Wandlung des Signals wird mit einem portablen, via USB angespro-chenen Analog/Digital-Konverter realisiert. Die Implementierung der Steuersoftware inLabVIEW wird erlautert, sowie eine einfache Regelaufgabe implementiert. Sie zeigt inAbschnitt 5.6 die Moglichkeit, anhand des gemessenen Signals einfache Steuerungsauf-gaben in Abhangigkeit der Muskelkontraktion zu realisieren.

12Im Laufe der Diplomarbeit wurden nur Gesamtverstarkungen ab dem Faktor V=1000 genutzt. Ausdiesem Grund findet eine weitere Fehlersuche und Behebung des Problems im Rahmen dieser Arbeitnicht statt.

80

6. Messergebnisse undMesswertanalyse

Das folgende Kapitel 6 prasentiert Messergebnisse, die mit dem in Kapitel 5 realisiertenSystem gemessen und erfasst wurden.

Als Einleitung soll die Implementierung der Analysesoftware erlautert werden und imFolgenden auf Messergebnisse statischer und dynamischer Muskelkontraktionen einge-gangen werden.

Abbildung 6.1 zeigt exemplarisch die Durchfuhrung einer Messung am Oberarm desVerfassers.

Abbildung 6.1.: Durchgefuhrte Bizepsmesssung

81

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

6.1. Implementierung der Analysesoftware in MATLAB

Die bereits in Abschnitt 5.3.1 dieser Arbeit erwahnte MATLAB Software ist eine kom-merzielle Mathematiksoftware. Die Software ist fur Berechnungen mit Matrizen ausge-legt, woher sich auch der Name ableitet: MATrix LABoratory. Sie dient im Wesentlichender numerischen Losung mathematischer Probleme. In der vorliegenden Diplomarbeitwird MATLAB zur Analyse und Darstellung der erfassten myoelektrischen Signale ver-wendet.

Die in Abschnitt 5.5 beschriebene LabVIEW Steuersoftware speichert die erfassten Mess-daten wie beschrieben in einer CSV 1-Textdatei. Die Messdaten sind spaltenweise, durchLeerzeichen getrennt angeordnet. Vor den eigentlichen Daten steht ein Dateiheader derForm:

LabVIEW Measurement

Writer_Version 0.92

Reader_Version 1

Separator Tab

Multi_Headings No

X_Columns Multi

Time_Pref Relative

Operator Martin

Date 2006/07/05

Time 11:06:48,58

***End_of_Header***

Channels 1

Samples 1000

Date 2006/07/05

Time 11:06:48,591

X_Dimension Time

X0 0.0000000000000000E+0

Delta_X 1.000000

***End_of_Header***

X_Value Comment

0.000000 0.038147

1.000000 0.002441

...

1Character Separated Values CSV

82

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

Er muss vor der Weiterverarbeitung in MATLAB manuell entfernt werden. Ist diesgeschehen, gliedert sich der Ablauf der Signalanalyse folgendermaßen:

1. Einlesen der Messdaten (messdaten.m)

2. Analyse der Messdaten (signalanalyse.m) und (effektivwert.m)

3. Manuelles Speichern der erzeugten Graphen

Die MATLAB Programme messdaten.m, signalanalyse.m und effektivwert.m verwendenStandard-MATLAB Befehle und sind in Anhang A.2.1 abgedruckt und auf der bei-gefugten CD-ROM enthalten. Ausfuhrliche Dokumentationen der Standardbefehle sindin der in MATLAB integrierten Online-Hilfe enthalten. Man erhalt sie uber Eingabe desBefehls

help befehl

oder uber die Hilfe-Funktion der Software. Nahere Erlauterungen zur Funktion der ein-zelnen Programme befinden sich ebenfalls im Anhang A.2.1

Die hier verwendete und in MATLAB implementierte Methode der Schatzung der spek-tralen Leistungsdichte ist ein Fourier-basiertes PSD-Schatzverfahren. Anders als im Ab-schnitt 4.4 erlautert, basiert es hier nicht auf der Fouriertransformation der Autokorre-lationsfunktion, sondern auf dem Betragsquadrat der diskreten Fouriertransformation,dem so genannten Periodogramm:

P (Ω) =1

N

N−1∑

n=0

y [n] e−jnΩ

2

. (6.1)

Wie das auf der Autokorrelationsfunktion basierende Schatzverfahren, erfordert das Pe-riodogramm ein stationares Signalverhalten und ein unendlich ausgedehntes Beobach-tungsintervall. Die myoelektrischen Signale sind hingegen meist stationar im weiterenSinne und in ihrem Beobachtungsintervall begrenzt.

Augrund dieses zeitlich begrenzten Beobachtungsintervall T0 ergibt sich eine spektraleAuflosungsgrenze von [40]:

∆Ωmin ≈ 2π

fsT0, (6.2)

83

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

um zwei gleich gewichtete Spektrallinien trennen zu konnen.

Die Varianz des Schatzfehlers wird durch die Verwendung einer Signalgewichtung undMittelung der PSD-Schatzung reduziert. Ein Nachteil dieser Methode ist allerdings dieVerringerung der spektralen Auflosung.

Es kommt die MATLAB Funktion pwelch zum Einsatz. Die Welch-Methode fuhrt eineMittelung uber die Periodogramme sich uberlappender, gefensterter Signalabschnittedurch. Dies hat eine konsistentere Schatzung zur Folge.

Die in Abschnitt 4.4.4 erlauterte und in den folgenden Abbildungen dargestellte mittlereFrequenz, auch Mean Power Frequency MPF, wird durch

MPF =∑

fS(f)

S(f)df, (6.3)

berechnet.

84

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

6.2. Messung statischer Bizepskontraktion

Die Messung einer statischen Muskelkontraktion wurde am rechten Oberarm des Verfas-sers dieser Diplomarbeit durchgefuhrt. Die Elektrode wurde auf der Oberseite des Bizeps13 cm von der Ellenbeuge entfernt platziert (Siehe Abbildung 3.7(a): Biceps brachii). DieElektrode wurde langs entlang der Muskelfaserrichtung orientiert. Die Kontraktion wur-de durch statisches Festhalten eines 4,5 kg schweren Gewichtes verursacht. Die Zeitdauerder Kontraktion betrug ca. 18 s (siehe Abbildung 6.2(a)).

6.2.1. Amplitudenparameter

Abbildung 6.2(a) zeigt das vollstandige myoelektrische Signal der erfassten statischen Bi-zepskontraktion. Die Gesamtverstarkung des Systems betrug V=5000. Abbildung 6.2(b)beinhaltet den zugehorigen gleichgerichteten Signalverlauf (blaue Kurve), sowie den qua-dratischen Mittelwert des Signals (magentafarbene Kurve). Fur die Mittelwertbildung,analog der in Abschnitt 4.3.4 beschriebenen Methode, wurde ein Signalintervall von40ms verwendet. Aus diesem vollstandigen Datensatz wurde ein Teilintervall aus dermittleren Region mit der Zeitdauert von 1 s extrahiert. Abbildung 6.3(a) zeigt denGleichrichtwert (blaue Kurve), sowie den ebenfalls mit einem 40ms langem Zeitfens-ter gemittelten Gleichrichtwert diese Teilintervalls (magentafarbene Kurve). Abbildung6.3(b) beinhaltet den quadratischen Mittelwert dieses Teildatensatzes (magentafarbeneKurve). Weitere aus dem Datensatz extrahierte Teilintervalle werden im Anhang A.2.2prasentiert.

0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 16000 18000−4

−3

−2

−1

0

1

2

3

4

5

t [ms]

U [V

]

(a) Signalverlauf

0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 16000 180000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes Signalquadratischer Mittelwert

(b) Gleichgerichteter Signalverlauf und quadra-tischer Mittelwert

Abbildung 6.2.: Statische Bizepskontraktion Datensatz 01

85

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

0 200 400 600 800 10000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes SignalMittelwert

(a) Gleichgerichteter und gemittelter Signalverlauf

0 200 400 600 800 10000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes Signalquadratischer Mittelwert

(b) Gleichgerichteter Signalverlauf und quadratischer Mittelwert

Abbildung 6.3.: Statische Bizepskontraktion Teildatensatz 01

86

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

6.2.2. Spektrale Leistungsdichte

Fur die Berechnung der spektrale Leistungsdichte wird der in Abschnitt 6.2.1 beschrie-bene Teildatensatz 01 verwendet. Abbildung 6.4(a) zeigt das zugehorige totale Leis-tungsspektrum. Abbildung 6.4(b) hingegen enthalt das selbe Leistungsspektrum, je-doch logarithmisch dargestellt. Beide Leistungsspektren wurden mit der in Abschnitt6.1 erlauterten Methode nach Welch berechnet.

Die Leistungsspektren der in Anhang A.2.2 enthaltenen weiteren Teilintervalle befindensich in Anhang A.2.3. Samtliche Datensatze sind auf der in Anhang A.4 enthaltenenCD-ROM gespeichert.

0 100 200 300 400 5000

0.002

0.004

0.006

0.008

0.01

0.012

0.014

0.016

0.018

0.02

f [Hz]

Leis

tung

sspe

ktru

m [W

/Hz]

absolutes LeistungsspektrumMean Power Frequency MPF

(a) total

0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4 0.45 0.5−80

−70

−60

−50

−40

−30

−20

−10

Frequency (kHz)

Pow

er/fr

eque

ncy

(dB

/Hz)

Power Spectral Density Estimate via Welch

(b) logarithmisch

Abbildung 6.4.: Spektrale Leistungsdichten Teildatensatz 01

87

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

6.3. Messung dynamischer Bizepskontraktion

Die Messung einer dynamischen Muskelkontraktion wurde ebenfalls am Oberarm desVerfassers durchgefuhrt. Die Elektroden- und Messkonfiguration entspricht der Beschrei-bung in Abschnitt 6.2, sowohl in Platzierung und Orientierung der Elektrode, als auchbezuglich der Gesamtverstarkung des Erfassungssystems. Die Kontraktion wurde jedochdynamisch durch langsames Heben und Senken des Gewichtes verursacht.

Es wurden zwei Datensatze mit der Zeitdauer von 7 s (Datensatz 01) und 8 s (Datensatz02) erfasst. Abbildung 6.5(a) zeigt den Signalverlauf des Datensatzes 01. Abbildung6.5(b) beinhaltet den zugehorigen, gleichgerichteten Signalverlauf (blaue Kurve) sowieden quadratischer Mittelwert des gleichgerichteten Signals (magentafarbene Kurve).

Die Abbildungen 6.6(a) und 6.6(b) stellen den zweiten Datensatz 02 dar. Aufgrundder in Abschnitt 4.4 erlauterten und zu erwartenden erhohten Nichtstationaritat desSignals in Folge dynamischer Kontraktionen, wird an dieser Stelle auf eine Analyse derFrequenzparameter verzichtet.

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000−3

−2

−1

0

1

2

3

4

t [ms]

U [V

]

(a) Signalverlauf

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 70000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes Signalquadratischer Mittelwert

(b) Gleichgerichteter Signalverlauf und quadra-tischer Mittelwert

Abbildung 6.5.: Dynamische Bizepskontraktion Datensatz 01

88

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000−4

−3

−2

−1

0

1

2

3

4

t [ms]

U [V

]

(a) Signalverlauf

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 80000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes Signalquadratischer Mittelwert

(b) Gleichgerichteter Signalverlauf und quadratischer Mittelwert

Abbildung 6.6.: Dynamische Bizepskontraktion Datensatz 02

89

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

6.4. Statistische Momente der Messdaten

Die folgenden Tabellen 6.1, 6.2 und 6.3 geben einen Uberblick uber statistische Momenteder gemessenen Signale. Um explizite Aussagen uber Zusammenhange zwischen denKenngroßen und den physiologisch relevanten Parametern treffen zu konnen sind siejedoch nicht geeignet. Hierfur waren eine wesentlich umfangreichere Studien, die sich anklinischen Maßstaben orientieren (siehe Abschnitt 4.5) notwendig.

Absolutwerte [V] Effektivwerte [V]

Gesamtdatensatz 01 dynamisch

µ = 0, 4609 µ = 0, 5785σ2 = 0, 2474 σ2 = 0, 1210σ = 0, 4974 σ = 0, 3479

Tabelle 6.1.: Statistische Momente Bizepskontraktion (dynamisch)

Absolutwerte [V] Effektivwerte [V]

Gesamtdatensatz 02 dynamisch

µ = 0, 4592 µ = 0, 5766σ2 = 0, 1844 σ2 = 0, 0594σ = 0, 4294 σ = 0, 2457

Tabelle 6.2.: Statistische Momente Bizepskontraktion (dynamisch)

90

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

Absolutwerte [V] Effektivwerte [V]

Gesamtdatensatz 01 statisch

µ = 0, 4837 µ = 0, 6269σ2 = 0, 2277 σ2 = 0, 0634σ = 0, 4772 σ = 0, 2518

Teildatensatz 01 statisch

µ = 0, 6866 µ = 0, 8536σ2 = 0, 2695 σ2 = 0, 0168σ = 0, 5192 σ = 0, 1297

Teildatensatz 02 statisch

µ = 0, 5366 µ = 0, 6981σ2 = 0, 2464 σ2 = 0, 0293σ = 0, 4964 σ = 0, 1713

Teildatensatz 03 statisch

µ = 0, 5202 µ = 0, 6447σ2 = 0, 2238 σ2 = 0, 0333σ = 0, 4730 σ = 0, 1828

Tabelle 6.3.: Statistische Momente Bizepskontraktion (statisch)

91

6. Messergebnisse und Messwertanalyse

6.5. Zusammenfassung

Das Kapitel 6 prasentiert Messergebnisse und erlautert Alysen, welche mit dem in Ka-pitel 5 entwickelten System gemessen und erfasst wurden.

Einleiten erlautert es die Implementierung der Analysesoftware in MATLAB. Im An-schluß werden Messergebnisse statischer und dynamischer Bizepskontraktionen prasen-tiert. Die Messungen erfolgten am Verfasser der Arbeit. Es wird sowohl auf Amplitu-denparameter als auch auf spektrale Leistungsdichten eingegangen.

Die Messergebnisse der spektralen Leistungsdichten in Abschnitt 6.2.2 zeigen eine Ver-teilung der Signalenergie im Bereich von 50Hz bis 150Hz. Diese Verteilung stimmt mitden in der Literatur recherchierten Werten uberein (siehe Abschnitt 2.5).

Die Analyse der statistischen Momente der Messwerte schließt das Kapitel ab. Eine mitder Zeit ansteigende Varianz bzw. Standardabweichung bei statischen Kontraktionen isterkennbar. Die Datensatze wurden vom Anfang, aus der Mitte und zum Ende der Kon-traktion extrahiert. Denkbare Ursachen diese Anstiegs konnten erhohte Aktivierungs-und Rekrutierungeigenschaften der motorischen Einheiten sein (siehe Abschnitte 2.4.1und 2.4.2). Gesicherte Aussagen diesbezuglich sind jedoch nur durch umfangreichereMessungen und Untersuchungen, die sich an klinischen Studien orientieren, zu treffen.

92

7. Zusammenfassung und Ausblick

Die Messung und Analyse biomedizinischer Signale beinhaltet eine interessante Schnitt-menge aus den Teilbereichen Medizintechnik, Elektrotechnik und Kommunikationstech-nik. Das notwendige Fachwissen ist breit gefachert und reicht von der Physiologie desMenschen bis hin zu aktuellen Methoden der digitalen Signalverarbeitung. Die Her-ausforderung besteht darin, die zumeist sehr schwachen Signale in hoher Qualitat zuerfassen.

Im Zentrum dieser Arbeit steht die Messung und Analyse myoelektrischer Signale. DerBegriff

”myoelektrisches Signal“ bedeutet eine auf der Hautoberflache messbare elektri-

sche Potenzialanderung in Folge aktiver Bewegung des menschlichen Muskelapparates.

Das Ziel der Arbeit ist die Entwicklung und Realisation eines Systems, das myoelek-trische Signale erfasst und zur weiteren Analyse einem Rechnersystem zur Verfugungstellt.

Die Anordnung der einzelnen Kapitel und Unterabschnitte dieser Arbeit soll eine praziseHerangehensweise und Untersuchung aller erforderlichen Teilbereiche der Messung undAnalyse ermoglichen und verdeutlichen, um schließlich entwickelte Ergebnisse logisch inBeziehung setzen zu konnen.

Zunachst werden deshalb die notwendigen physiologischen Grundlagen der Entstehungmyoelektrischer Signale erlautert. Diese Grundlagen setzen sich aus dem Aufbau derMuskulatur, einschließlich seiner kleinsten funktionellen Einheit, der motorischen Ein-heit, und aus der elektrischen Reizweiterleitung innerhalb dieser Einheiten zusammen.

Die in der Fachliteratur recherchierten Erfassungsmethoden der durch diese Reizweiter-leitung verursachten Potenzialanderungen werden vorgestellt. Die Grundprinzipien derMethoden und ihrer technischen Umsetzung sowie Einflussfaktoren auf die Messung derSignale werden erlautert und untereinander in Beziehung gesetzt.

Im Anschluss an die Ausarbeitung der Erfassungsmethoden wird auf die Analyse derSignale eingegangen. Die stochastischen Grundlagen und relevanten Begriffe wie Sta-tionaritat und Ergodizitat werden im Kontext erlautert. Eine Ubersicht gebrauchlicher

93

7. Zusammenfassung und Ausblick

Analysemethoden myoelektrischer Signale bezuglich ihrer Amplitudenparameter und ih-res Frequenzgehaltes bzw. ihrer spektralen Leistungsdichte schließt den theoretischenGrundlagenteil dieser Arbeit ab.

Die recherchierten und beschriebenen Grundlagen wurden schließlich fur die Entwicklungund Realisation eines Mess- und Erfassungssytems genutzt. Das System besteht auseiner in eine Sensoreinheit integrierte Elektrode mit differenziellem Vorverstarker, einerweiteren einstellbaren Verstarker- und Filterstufe sowie einem Analog/Digital-Konverter.Sensoreinheit, Verstarker- und Filterstufe wurden mit der LeiterplattenlayoutsoftwareEAGLE entwickelt und in entsprechende Leiterplatten umgesetzt.

Die realisierten Verstarker- und Filterschaltungen wurden bezuglich ihres Linearitats-und Frequenzgangverhaltens messtechnisch untersucht. Dazu wurden weitere Schaltun-gen zur Abschwachung und Symmetrierung vorhandener Signalquellen entwickelt. Lab-VIEW Software zur Ansteuerung der Messtechnik wurde entwickelt und implementiert.Das Linearitats- und Frequenzgangverhalten der entwickelten Schaltungen erwies sichals geeignet.

Als Analog/Digital-Konverter kommt ein kommerziell gefertigter USB -Analog/Digital-Konverter des Herstellers Meilhaus Electronics zum Einsatz. Software zur Ansteuerungdes Konverters, Erfassung und Speicherung der Messwert wurde ebenfalls in der Lab-VIEW Software implementiert.

Das System wurde fur umfangreiche Messungen myoelektrischer Signale der hier vorge-nommenen Untersuchungen genutzt. Es wurden sowohl dynamische als auch statischeMuskelkontraktionen des Bizepsmuskels gemessen. Die Auswertung und Darstellung derMessdaten wurde in MATLAB Software implementiert. Exemplarisch wurden Analy-sen bezuglich der Amplitudenparameter und der spektralen Leistungsdichte der Signaleprasentiert. Eine LabVIEW-Softwareimplementierung, welche Muskelspannung anhandanalysierter Amplitudenparamter des Signals unterscheidet, veranschaulicht die Moglich-keit, das entwickelte System fur Steuer- und Regelaufgaben zu verwenden.

In zukunftigen Arbeiten ist die Erweiterung des Systems um mehrere Messkanale denk-bar. Der verwendete Analog/Digital-Konverter ermoglicht eine Digitalisierung bis zuacht Eingangskanalen und auch der Eingangskanalbereich ist durch Kaskadierung bau-gleicher Konverter erweiterbar. Entsprechende mehrkanalige Sensoreinheiten und Ver-starker- und Filterstufen besitzen viel versprechendes Entwicklungspotenzial . Grundla-gen dafur bieten die im Anhang enthaltenen mehrkanaligen Schaltplane solcher Schal-tungen.

Eine Zerlegung der myoelektrischen Signale in ihre zu Grunde liegenden elektrischenReizweiterleitungen ist durch mehrkanalige Messungen und Implementierung der in die-

94

7. Zusammenfassung und Ausblick

ser Arbeit vorgestellten Methoden der Independent Component Analysis moglich. Einegeeignete mehrkanalige Elektrodenarray-Konfiguration ware hierfur zu entwickeln; zurVerdeutlichung der Zusammenhange zwischen myoelektrischen Signalen und physiolo-gischen Parametern wie Kraft oder Spannung ware ein Normierungskonzept anzuwen-den.

Das Ziel der Arbeit, ein Mess- und Erfassungssystem fur myoelektrische Signale zu entwi-ckeln, wurde systematisch und zielgerichtet erreicht. Das Ergebnis ist ein System, welchesSignale auf der Hautoberflache erfasst, variabel verstarkt und schließlich digitalisiert undzur weiteren Analyse zur Verfugung stellt.

Die vorliegende Ausarbeitung bietet weiterhin eine fundierte theoretische Grundlage derThematik und ermoglicht eine direkten Einstieg in weiterfuhrende Arbeiten.

95

Abbildungsverzeichnis

2.1. Aufbau eines Skelettmuskels nach [9] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2. Die motorische Einheit[12] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.3. Chemischer Aufbau von Acetylcholin[16] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.4. Das Aktionspotenzial nach [17] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.5. Elektrisches Ersatzschaltbild einer Zelle nach [19] . . . . . . . . . . . . . 142.6. Elektrisches Ersatzschaltbild fur Gewebe nach [18] . . . . . . . . . . . . . 142.7. Punktquellenmodell des Aktionspotenziales [13] . . . . . . . . . . . . . . 152.8. Elektrisches Model fur das Aktionspotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . 162.9. Das Summenaktionspotenzial einer motorischen Einheit nach [12] . . . . 182.10. Uberlagerung von Summenaktionspotenzialen (A-C) zu einem myoelek-

trischen Signal(D) nach [24]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.11. Das EMG-Signal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.12. EMG-Signal im Zeitbereich und zugehoriges Frequenzspektrum [25] . . . 22

3.1. Blockdiagramm des Erfassungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253.2. Filtereffekt des Gewebes [13] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303.3. Filtereffekt der bipolaren Elektrodenkonfiguration [13] . . . . . . . . . . . 303.4. Elektrodengeometrie nach SENIAM -Empfehlungen . . . . . . . . . . . . 313.5. Prinzip der differenziellen Verstarkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.6. Elektrodenpaarplatzierungen und ihre Auswirkungen nach [28] . . . . . . 353.7. Optimale Elektrodenpositionen nach [12] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.8. Myoelektrisches Signal mit EKG-Artefakten [12] . . . . . . . . . . . . . . 38

4.1. Myoelektrische Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464.2. Gleichgerichtetes und gemitteltes myoelektrisches Signal . . . . . . . . . 474.3. Quadratischer Mittelwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494.4. Spektrale Leistungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524.5. Exemplarisches Spektrum eines myoelektrischen Signals [13] . . . . . . . 54

5.1. Blockdiagramm des Erfassungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595.2. Schaltplan der Instrumentationsverstarkerschaltung . . . . . . . . . . . . 615.3. Prototyp der Sensoreinheit auf Lochrasterplatine . . . . . . . . . . . . . . 61

96

Abbildungsverzeichnis

5.4. Schaltplan der Sensoreinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625.5. Schaltplan der Spannungsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635.6. Schaltplan der zweiten Verstarkerstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655.7. Schaltplan des Anti-Alias-Tiefpassfilters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675.8. Schaltplan der Nachverstarker- und Filterschaltung . . . . . . . . . . . . 685.9. Frequenzgang des Anti-Alias-Filters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705.10. Schaltplan Vorabschwacher mit NF -Ubertager . . . . . . . . . . . . . . . 715.11. Schaltplan Vorabschwacher mit Operationsverstarker . . . . . . . . . . . 725.12. Linearitatsverhalten des Mess- und Erfassungssystems . . . . . . . . . . . 735.13. Frequenzgang des Mess- und Erfassungssystems . . . . . . . . . . . . . . 745.14. Blockschaltbild PMD 1608 [46] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755.15. Blockschaltbild in LabVIEW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765.16. Blockschaltbild der Messsoftware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775.17. Frontpanel in LabVIEW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785.18. Blockschaltbild Schwellwerterkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 795.19. Frontpanel Schwellwerterkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

6.1. Durchgefuhrte Bizepsmesssung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816.2. Statische Bizepskontraktion Datensatz 01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 856.3. Statische Bizepskontraktion Teildatensatz 01 . . . . . . . . . . . . . . . . 866.4. Spektrale Leistungsdichten Teildatensatz 01 . . . . . . . . . . . . . . . . 876.5. Dynamische Bizepskontraktion Datensatz 01 . . . . . . . . . . . . . . . . 886.6. Dynamische Bizepskontraktion Datensatz 02 . . . . . . . . . . . . . . . . 89

A.1. Leiterplattenlayout Sensoreinheit Unterseite . . . . . . . . . . . . . . . . 103A.2. Leiterplattenlayout Nachverstarker-Filterstufe Oberseite . . . . . . . . . . 104A.3. Leiterplattenlayout Nachverstarker-Filterstufe Unterseite . . . . . . . . . 105A.4. Schaltplan Sensoreinheit mehrkanalig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106A.5. Linearitatsverhalten NF -Ubertrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107A.6. Frequenzgang NF -Ubertrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107A.7. Teildatensatz 01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113A.8. Teildatensatz 02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113A.9. Teildatensatz 03 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114A.10.Teildatensatz 01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115A.11.Teildatensatz 02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115A.12.Teildatensatz 03 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

97

Tabellenverzeichnis

5.1. Verstarkungsfaktoren der zweiten Verstarkerstufe . . . . . . . . . . . . . 64

6.1. Statistische Momente Bizepskontraktion (dynamisch) . . . . . . . . . . . 906.2. Statistische Momente Bizepskontraktion (dynamisch) . . . . . . . . . . . 906.3. Statistische Momente Bizepskontraktion (statisch) . . . . . . . . . . . . . 91

98

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[26] SENIAM Group: Surface ElectroMyoGraphy for the Non-Invasive Assessment ofMuscles. URL http://www.seniam.org. – abgerufen am 23. August 2006

[27] Duchene, Jacques ; Goubel, Francis: Surface Electromyogram during VoluntaryContraction: Processing Tools and Relation to Physiological Events. In: CriticalReviews in Biomedical Engineering (1993), Nr. 21

[28] De Luca, Carlo J.: The Use of Surface Electromyographyin Biomechanics. In:Journal of Applied Biomechanics (1997), Nr. 13, S. 135–163

[29] Dahlhaus, Dirk: Vorlesungsskript DIGITAL COMMUNICATIONS I. UniversitatKassel, FB 16 Elektrotechnik, Fachgebiet Nachrichtentechnik, 2006

[30] Wikipedia Die freie Enzyklopadie: Artikel: Multivariate Verteilung. URLhttp://de.wikipedia.org/wiki/Multivariate Verteilung. – abgerufen am 24. August2006

[31] Hyvarinen, Aapo ; Oja, Erkki: Independent Component Analysis: Algorithmsand Applications. In: Neural Networks, (2000), Nr. 13, S. 411–430

[32] Backhaus, Klaus: Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierteEinfuhrung. 11. Auflage. Springer, 2006. – ISBN 3–540–27870–2

[33] Hyvarinen, Aapo ; Karhunen, J. ; Oja, Erkki: Independent Component Analy-sis. John Wiley & Sons, 2001

[34] Burr-Brown Corporation. Datasheet INA111 High Speed FET-Input IN-STRUMENTATION AMPLIFIER. URL http://www-s.ti.com/sc/ds/ina111.pdf

[35] CadSoft Computer GmbH: Internetauftritt. URL http://www.cadsoft.de. –abgerufen am 24. August 2006

101

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[37] Texas Instruments. Datasheet 78L00 SERIES POSITIVE-VOLTAGE REGU-LATORS. URL http://www-s.ti.com/sc/ds/ua78l05.pdf. February 2004

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[39] Texas Instruments. Datasheet TL06X Low-Power JFET-Input Operational Am-plifiers. URL http://www-s.ti.com/sc/ds/tl062.pdf. September 2004

[40] Semmelrodt, Sven. Grundlagen digitale Signalverarbeitung. Vorlesungsskript imFachgebiet Fahrzeugsysteme und Grundlagen der Elektrotechnik. Marz 2005

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[42] Maxim. Datasheet MAX29X 8th-Order Lowpass Elliptic Switched-Capacitor Fil-ters. URL http://pdfserv.maxim-ic.com/en/ds/MAX293-MAX297.pdf. 2005

[43] National Instruments: Internetauftritt. URL http://www.ni.com. – abgerufenam 24. August 2006

[44] The MathWorks: Internetauftritt. URL http://www.mathworks.de. – abgerufenam 24. August 2006

[45] Intersil. Datasheet CA3140 CA3140A Operational Amplifier. URLhttp://www.intersil.com/data/fn/fn957.pdf. July 2005

[46] Meilhaus Electronic GmbH. Meilhaus Electronic Handbuch ME-RedLab Se-rie. Im Lieferumfang des Meilhaus ME-RedLab PMD 1608 enthalten. URLhttp://www.meilhaus.com. Oktober 2004

[47] Measurement Computing Corporation. Universal Library for LabVIEWUser’s Guide. Im Lieferumfang des Meilhaus ME-RedLab PMD 1608 enthalten.URL http://www.mccdaq.com. May 2005

[48] Jamal, Rahman ; Hagestedt, Andre: LabVIEW fur Studenten. 4. Auflage.Pearson Studium, 2004. – ISBN 3827371546

102

A. Anhang

A.1. Entwicklung und Aufbau eines Mess- und

Erfassungssystems

Abschnitt A.1 des Anhangs beinhaltet die Leiterplattenlayouts der in Kapitel 5 erlauter-ten Schaltungen.

A.1.1. Leiterplattenlayout Sensoreinheit

Die Leiterplatte der Sensoreinheit ist einseitig realisiert.

Abbildung A.1.: Leiterplattenlayout Sensoreinheit Unterseite

103

A. Anhang

A.1.2. Leiterplattenlayout Nachverstarker-Filterstufe

Abbildung A.2.: Leiterplattenlayout Nachverstarker-Filterstufe Oberseite

104

A. Anhang

Abbildung A.3.: Leiterplattenlayout Nachverstarker-Filterstufe Unterseite

105

A. Anhang

A.1.3. Schaltplan einer mehrkanaliger Sensoreinheit

Abbildung A.4 zeigt den Schaltplan einer Sensoreinheit mit acht Eingangskanalen. DerSchaltplan ist auf der in Anhang A.4 beigefugten CD-ROM gespeichert und dient alsGrundlage zukunftiger Schaltungsentwicklungen.

Abbildung A.4.: Schaltplan Sensoreinheit mehrkanalig

106

A. Anhang

A.1.4. Kalibrationsmessung NF-Ubertrager

Im Rahmen einer Kalibrationsmessung des in Abschnitt 5.3.2 verwendeten NF -Ubertra-gers wurde sein Linearitatsverhalten und sein Frequenzgang bestimmt. Die AbbildungenA.5 und A.6 zeigen die Resultate dieser Kalibrationsmessung.

0 200 400 600 800 10000

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

Ue [mV]

Ua

[mV

]

Abbildung A.5.: Linearitatsverhalten NF -Ubertrager

0 100 200 300 400 500−140

−120

−100

−80

−60

−40

−20

0

f [Hz]

Ua/

max

(Ua)

[dB

]

Abbildung A.6.: Frequenzgang NF -Ubertrager

107

A. Anhang

A.2. Messergebnisse und Messwertanalyse

A.2.1. Implementierung der Signalanalyse in MATLAB

Abschnitt A.2.1 des Anhangs erlautert die in Abschnitt 6.1 vorgestellten MATLABProgramme.

messdaten.m, signalanalyse.m und effektivwert.m

MATLAB Programm zum Einlesen der Messdaten

%*****************************************************************

% Matlab-Programm Messdaten einlesen messdaten.m

%*****************************************************************

% Dateiauswahldialog fur Datenfile

pathname=’c:\diplomarbeit\’;

[filename,pathname]=uigetfile([pathname,’*.csv’],’Datei Auswahlen’);

sourcefile=[pathname, filename] ;

fid = fopen(sourcefile);

% Messdaten einlesen

m=load(sourcefile)

Erlauterung: Das Programm offnet mit Hilfe des Befehls uigetfile einen Dateiauswahl-dialog und liest die ausgewahlte CSV -Datei mit dem Befehl load ein. Die Messdatenstehen anschließend im MATLAB Workspace zur Verfugung.

108

A. Anhang

MATLAB Programm zur Signalanalyse

%*****************************************************************

% Matlab-Programm Datenanalyse signalanalyse.m

%*****************************************************************

% Dateiauswahldialog fur Messdatendatei

pathname=’c:\diplomarbeit\’;

[filename,pathname]=uigetfile([pathname,’*.dat’], ’Datei Auswahlen’);

sourcefile=[pathname, filename] ;

% Datendatei einlesen

fid = fopen(sourcefile);

signal01=load(sourcefile)

% Signal gleichrichten und Mittelwert bilden

signal01abs=abs(signal01); % Absolutwert bilden

signal01abstmp=reshape(signal01abs,40,25); % Matrix umformen

signal01absmean=mean(signal01abstmp); % Mittelwert bilden

%Mittelwerte auf orginal Signallange interpolieren

signal01absmeaninterp=interp(signal01absmean,40);

% Gleichgerichteten Mittelwert plotten

x=1:1000;

plot(x,signal01abs,’b-’);

hold on

plot(x,signal01absmeaninterp,’m-’,’LineWidth’,2);

legend(’gleichgerichtetes Signal’,’Mittelwert’);

xlabel(’t [ms]’);

ylabel(’U [V]’);

figure;

% Leistungsspektrum via Welch-Methode berechnen

% 8 windows 50% overlap

fs=1000;

N_FFT=1024;

pwelch(signal01,[],[],N_FFT,fs,’onesided’);

[pw,f]=pwelch(signal01,[],[],N_FFT,fs,’onesided’);

figure;

plot(f,pw);

109

A. Anhang

hold on;

%MPF Mean Power Frequency berechnen

g=2*pw;

sg=sum(g);

gn=g/sg;

mpf=sum(f.*gn)

% Absolutes Leistungsspektrum und MPF plotten

plot(int16(mpf),pw(int16(mpf)),’mo’);

hold on

legend(’absolutes Leistungsspektrum’,’Mean Power Frequency MPF’);

xlabel(’f [Hz]’);

ylabel(’Leistungsspektrum [W/Hz]’);

Erlauterung: Das Programm liest mit den Befehlen uigetfile und load eine zuvor ge-speicherte Messdatendatei ein. Der abs-Befehl bildet die Absolutwerte des Messsignalsund richtet es auf diese Weise gleich. reshape formt die entstandene Absolutwertmatrixin eine neue Matrix der Dimension 40 x 25 um. Diese Umformung entspricht einer Inter-vallbildung in 25 Signalabschnitte mit jeweils 40 Signalwerten. Bei einer Abtastfrequenzvon 1 kHz ergibt sich ein Intervall von 40ms bei einer Gesamtsignallange von 1 s. meanbildet die Mittelwerte der umgeformten Matrix. interp interpoliert die Mittelwerte aufdie ursprungliche Signallange zuruck. Die spektrale Leistungsdichte wird mit Hilfe desBefehls pwelch berechnet. Die plot-Befehle erzeugen Graphen der berechneten Werte.

110

A. Anhang

MATLAB Programm zur Effektivwertberechnung

%*****************************************************************

% Matlab-Programm Effektivwert effektivwert.m

%*****************************************************************

% Dateiauswahldialog fur Messdatendatei

clear;

pathname=’C:\diplomarbeit\Messung\05072006\Messung01\

kontraktion01statisch\’;

[filename,pathname] =uigetfile([pathname,’*.dat’],’Datei Auswahlen’);

sourcefile=[pathname, filename] ;

% Datendatei einlesen

fid = fopen(sourcefile);

signal01=load(sourcefile)

% Signalwerte gleichrichten und RMS Mittelwert bilden

signal01abs=abs(signal01);

input=signal01abs;

signal2 = reshape(input,40,25); % Matrix umformen

% 40 ms Fenstergroße

% 3. Parameter=Signallange/Fenstergroße

% RMS Werte berechnen

effektiv2=sqrt(sum((signal2.^2),1)/size((signal2),1));

%RMS Werte auf orginal Signallange interpolieren

effektivinterp2=interp(effektiv2,40);

% Gleichgerichtetes Signal und RMS-Werte plotten

x=1:1000;

figure;

plot(x,input,’b-’)

hold on

plot(x,effektivinterp2,’m-’,’LineWidth’,2);

legend(’gleichgerichtetes Signal’,’quadratischer Mittelwert’);

xlabel(’t [ms]’);

ylabel(’U [V]’);

111

A. Anhang

Erlauterung: Das MATLAB-Programm berechnet den quadratischen Mittelwert mitHilfe der Befehle sqrt, sum und size gemaß:

RMS =

1

N

x2 , (A.1)

wobei x der zeitlich gefensterte Signalvektor ist. Der sum-Befehl addiert das Signal,der size-Befehl liefert die Signallange fur die Divison zuruck und der sqrt-Befehl bildetdie Quadratwurzel. Die quadratischen Mittelwerte werden im Anschluss durch den in-terp-Befehl auf die ursprungliche Signallange interpoliert und durch den plot-Befehl alsGraphik ausgegeben. Die Befehle legend, xlabel und ylable dienen der Beschriftung derGraphik.

112

A. Anhang

A.2.2. Weitere Amplitudenparameter der statischen

Bizepskontraktion

Der folgende Abschnitt prasentiert die Messwertanalyse samtlicher Teildatensatze derin Abschnitt 6.2 beschriebenen statischen Bizepskontraktion. Die Abbildungen zeigengleichgerichtete, gemittelte sowie, quadratische Mittelwerte des erfassten myoelektri-schen Signals.

0 200 400 600 800 10000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes SignalMittelwert

(a) Gleichgerichteter und gemittelter Signalver-lauf

0 200 400 600 800 10000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes Signalquadratischer Mittelwert

(b) Gleichgerichteter Signalverlauf und quadra-tischer Mittelwert

Abbildung A.7.: Teildatensatz 01

0 200 400 600 800 10000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes SignalMittelwert

(a) Gleichgerichteter und gemittelter Signalver-lauf

0 200 400 600 800 10000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes Signalquadratischer Mittelwert

(b) Gleichgerichteter Signalverlauf und quadra-tischer Mittelwert

Abbildung A.8.: Teildatensatz 02

113

A. Anhang

0 200 400 600 800 10000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes SignalMittelwert

(a) Gleichgerichteter und gemittelter Signalverlauf

0 200 400 600 800 10000

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

t [ms]

U [V

]

gleichgerichtetes Signalquadratischer Mittelwert

(b) Gleichgerichteter Signalverlauf und quadratischer Mittelwert

Abbildung A.9.: Teildatensatz 03

114

A. Anhang

A.2.3. Leistungsspektren der statischen Bizepskontraktion

Datensatz 01

Der folgende Abschnitt beinhaltet die Messwertanalyse samtlicher Teildatensatze derin 6.2 beschriebenen statischen Bizepskontraktion. Die Abbildungen beinhalten totalesowie logarithmische Leistungsspektren des erfassten myoelektrischen Signals.

0 100 200 300 400 5000

0.002

0.004

0.006

0.008

0.01

0.012

0.014

0.016

0.018

0.02

f [Hz]

Leis

tung

sspe

ktru

m [W

/Hz]

absolutes LeistungsspektrumMean Power Frequency MPF

(a) total

0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4 0.45 0.5−80

−70

−60

−50

−40

−30

−20

−10

Frequency (kHz)

Pow

er/fr

eque

ncy

(dB

/Hz)

Power Spectral Density Estimate via Welch

(b) logarithmisch

Abbildung A.10.: Teildatensatz 01

0 100 200 300 400 5000

1

2

3

4

5

6

7

8

9x 10

−3

f [Hz]

Leis

tung

sspe

ktru

m [W

/Hz]

absolutes LeistungsspektrumMean Power Frequency MPF

(a) total

0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4 0.45 0.5−80

−70

−60

−50

−40

−30

−20

Frequency (kHz)

Pow

er/fr

eque

ncy

(dB

/Hz)

Power Spectral Density Estimate via Welch

(b) logarithmisch

Abbildung A.11.: Teildatensatz 02

115

A. Anhang

0 100 200 300 400 5000

1

2

3

4

5

6

7x 10

−3

f [Hz]

Leis

tung

sspe

ktru

m [W

/Hz]

absolutes LeistungsspektrumMean Power Frequency MPF

(a) total

0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4 0.45 0.5−90

−80

−70

−60

−50

−40

−30

−20

Frequency (kHz)

Pow

er/fr

eque

ncy

(dB

/Hz)

Power Spectral Density Estimate via Welch

(b) logarithmisch

Abbildung A.12.: Teildatensatz 03

116

A. Anhang

A.3. Weitere Messdaten

Neben den in Abschnitt 6.2 erlauterten Messungen wurden im Laufe dieser Diplomarbeitweitere Messungen durchgefuhrt. Die Messbedingungen entsprechen den im Abschnitt6.2 beschriebenen Bedingungen. Die Messungen wurden mit unterschiedlichen Gesamt-verstarkungen durchgefuhrt. Die Rohdaten dieser Messungen sowie Analysergebnisse alsMATLAB-Graphen sind auf der in Anhang A.4 enthaltenen CD-ROM gespeichert.

A.4. CD-ROM

Die beigefugte CD-ROM enthalt:

1. Schriftliche Ausarbeitung der Diplomarbeit als PDF-Datei

2. Datenblatter der verwendeten elektronischen Bauteile als PDF-Dateien

3. Schaltplane und Leiterplattenlayouts des aufgebauten Systems

4. Zusatzlicher Schaltplan als Grundlage mehrkanaliger Messungen

5. LabVIEW-Implementierungen der Steuer- und Erfassungssoftware

6. MATLAB-Implementierungen der Analysesoftware

7. Rohdaten der durchgefuhrten Messungen

117