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Minimal-invasive Versorgung mittels Prevot-Nagelung Die kindliche Monteggia-Läsion Franz Roth, dipl. Arzt; Dr. med. Jörg Kaufmann; Dr. med. Johannes B. Erhardt Klinik für Orthopädie, Spitalregion Rheintal Werdenberg und Sarganserland, Grabs Hintergrund Unterarmfrakturen stellen einen Grossteil der kindli- chen Frakturen dar. Dabei haben Monteggia-Läsionen einen Anteil von 2–5% [1]. In unserem Fall präsentierte sich ein achtjähriger Junge, welcher aus geringer Höhe auf das extendierte Ellbogengelenk stürzte. Die «Closed- Reduction» des luxierten Radiusköpfchens und die in minimal-invasiver Technik (Prevot-Nagelung) durch- geführte operative Versorgung der Ulna konnten kom- plikationslos durchgeführt werden. Drei Monate nach der Erstversorgung wurde der Prevot-Nagel entfernt. Auch bis heute zeigte unser Patient klinisch keinerlei Defizite im Bereich der ehemals verletzten oberen Ex- tremität. Fallbeschreibung Anamnese Die Mutter des achtjährigen Patienten berichtet, dass ihr Sohn mit ausgestrecktem Arm von der Schaukel ge- fallen sei. Daraus resultiere die nun vorhandene Fehl- stellung als auch die starken Schmerzen im Bereich des linken Ellbogengelenkes. Die Hand konnte unter Schmerzen im Ellbogengelenk weiterhin frei bewegt werden, jedoch würde ein «Verdrehen» der Hand Schmerzen im Ellbogenbereich verursachen. Status Arm links: Fehlstellung des Unterarms in schmerzbe- dingter flektierter und pronierter Schonhaltung. Inte- gument unauffällig. Druckdolenz an der proximalen dorsalen Ulna und über dem Radiusköpfchen. Untersu- chung des Bewegungsausmasses nach der Neutral- 0-Methode aufgrund von Schmerzen nicht möglich. Pulse der A. radialis und A. ulnaris palpabel. Keine sen- siblen Ausfälle. Bildgebung Röntgen ap / lateral Radiusköpfchenluxation mit dislozierter Fraktur der Ulna und diaphysärer Fraktur des Radius. Diagnose Monteggia-Läsion Unterarm links (klassifiziert nach Bado I). Klassifikation Es existieren diverse Klassifikationen der Monteggia- Läsion. In unserem Haus wird die Klassifikation nach Bado verwendet [3]. Nach Bado werden Monteggia-Läsi- onen wie folgt unterteilt (Abb. 1): Bado I: ventrale Dislokation des Radiusköpfchens Bado II: posteriore Dislokation des Radiusköpfchens Bado III: ventrolaterale Dislokation des Radiusköpf- chens Bado IV: wie Bado I mit zusätzlicher Fraktur des Ra- diusköpfchens Therapie «Closed-Reduction» des Radiusköpfchen und Prevo- Nagelung der Ulna. Postoperative Immobilisation des Ellbogens mittels Oberarmgips. Zirkularisation des Gipses eine Woche postoperativ und tragen dessen für weitere drei Wochen. Metallentfernung drei Monate postoperativ. Verlauf (Abb. 2–5) Klinische und radiologische Kontrolle eine Woche nach Operation in unserer Sprechstunde mit anschlies- sender Zirkularisierung. Der Patient zeigte sich schmerz- arm. Radiologisch konnte eine korrekte Stellung der Ulna sowie eine korrekte Artikulation des humero- radialen bzw. radioulnaren Gelenkes nachgewiesen werden. Die postoperative Zwölf-Wochen-Kontrolle zeigte schmerzfreie Bewegungsausmasse (Extension/ P e e r r e v i e w e d a r t i c l e Franz Roth Abbildung 1: Klassifikation nach Bado (© CT). SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(18):404–406 FALLBERICHT 404 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

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Minimal-invasive Versorgung mittels Prevot-Nagelung

Die kindliche Monteggia-LäsionFranz Roth, dipl. Arzt; Dr. med. Jörg Kaufmann; Dr. med. Johannes B. Erhardt

Klinik für Orthopädie, Spitalregion Rheintal Werdenberg und Sarganserland, Grabs

Hintergrund

Unterarmfrakturen stellen einen Grossteil der kindli-chen Frakturen dar. Dabei haben Monteggia-Läsionen einen Anteil von 2–5% [1]. In unserem Fall präsentierte sich ein achtjähriger Junge, welcher aus geringer Höhe auf das extendierte Ellbogengelenk stürzte. Die «Closed-Reduction» des luxierten Radiusköpfchens und die in minimal-invasiver Technik (Prevot-Nagelung) durch-geführte operative Versorgung der Ulna konnten kom-plikationslos durchgeführt werden. Drei Monate nach der Erstversorgung wurde der Prevot-Nagel entfernt. Auch bis heute zeigte unser Patient klinisch keinerlei Defizite im Bereich der ehemals verletzten oberen Ex-tremität.

Fallbeschreibung

AnamneseDie Mutter des achtjährigen Patienten berichtet, dass ihr Sohn mit ausgestrecktem Arm von der Schaukel ge-fallen sei. Daraus resultiere die nun vorhandene Fehl-stellung als auch die starken Schmerzen im Bereich des linken Ellbogengelenkes. Die Hand konnte unter Schmerzen im Ellbogengelenk weiterhin frei bewegt werden, jedoch würde ein «Verdrehen» der Hand Schmerzen im Ellbogenbereich verursachen.

StatusArm links: Fehlstellung des Unterarms in schmerzbe-dingter flektierter und pronierter Schonhaltung. Inte-gument unauffällig. Druckdolenz an der proximalen dorsalen Ulna und über dem Radiusköpfchen. Untersu-chung des Bewegungsausmasses nach der Neutral-0-Methode aufgrund von Schmerzen nicht möglich. Pulse der A. radialis und A. ulnaris palpabel. Keine sen-siblen Ausfälle.

Bildgebung

Röntgen ap / lateralRadiusköpfchenluxation mit dislozierter Fraktur der Ulna und diaphysärer Fraktur des Radius.

DiagnoseMonteggia-Läsion Unterarm links (klassifiziert nach Bado I).

KlassifikationEs existieren diverse Klassifikationen der Monteggia-Läsion. In unserem Haus wird die Klassifikation nach Bado verwendet [3]. Nach Bado werden Monteggia-Läsi-onen wie folgt unterteilt (Abb. 1): – Bado I: ventrale Dislokation des Radiusköpfchens – Bado II: posteriore Dislokation des Radiusköpfchens– Bado III: ventrolaterale Dislokation des Radiusköpf-

chens– Bado IV: wie Bado I mit zusätzlicher Fraktur des Ra-

diusköpfchens

Therapie«Closed-Reduction» des Radiusköpfchen und Prevo-Nagelung der Ulna. Postoperative Immobilisation des Ellbogens mittels Oberarmgips. Zirkularisation des Gipses eine Woche postoperativ und tragen dessen für weitere drei Wochen. Metallentfernung drei Monate postoperativ.

Verlauf (Abb. 2–5)Klinische und radiologische Kontrolle eine Woche nach Operation in unserer Sprechstunde mit anschlies-sender Zirkularisierung. Der Patient zeigte sich schmerz-arm. Radiologisch konnte eine korrekte Stellung der Ulna sowie eine korrekte Artikulation des humero-radialen bzw. radioulnaren Gelenkes nachgewiesen werden. Die postoperative Zwölf-Wochen-Kon trolle zeigte schmerzfreie Bewegungsausmasse (Extension/

Pee r re v ie w ed art

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Franz Roth Abbildung 1: Klassifikation nach Bado (© CT).

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FALLBERICHT 404

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Flexion: 5°/0°/145°), bei einem 5°-Extensionsdefizit im Vergleich zur Gegenseite. Radiologisch zeigte sich die Fraktur der Ulna bereits vollständig konsolidiert.Aufgrund des positiven Verlaufes konnte drei Monate postoperativ das Osteosynthesenmaterial problemlos entfernt werden.

Diskussion

Auch wenn die kindliche Monteggia-Fraktur nur 2–5% der Unterarmfrakturen in dieser Altersgruppe ausma-chen, so können übersehene Monteggia-Läsionen mit erheblichen funktionellen Beeinträchtigungen im all-täglichen Leben einhergehen. Durch das altersabhän-gige Auftreten der Knochenkerne kann allein die ra-diologische Diagnostik eine grosse Herausforderung für den unerfahrenen Traumatologen darstellen [4]. Das Behandlungsergebnis hängt im Wesentlichen von der korrekten initialen Diagnostik als auch der soforti-gen operativen Versorgung ab. Diese beinhaltet eine exakte anatomische Wiederherstellung der humerora-dialen Artikulation, welche sich zumeist nach achsen-gerechter Versorgung der Ulna wieder ergibt [5, 6]. In einem «historical Review» beschrieben Shady und Mit-arbeiter bereits den zeitlichen Wandel der Therapie-strategie einer solch komplexen Verletzung. Wurde die Verletzung initial (1814) noch reponiert und extrakor-poral geschient, so wandelt sich dies bereits durch die neu gewonnenen Erkenntnisse bezüglich Verletzungs-muster durch Bado und später durch Jupiter und Mit-arbeiter. Aber auch durch die neu vorhandenen tech-nischen Möglichkeiten wurde eine Monteggia-Läsion bereits Ende des letzten Jahrhunderts mittels offener Reposition und dorsaler Plattenosteosynthese ver-sorgt, was auch heute noch als die Standardversorgung angesehen werden kann [7, 8]. Unserer Meinung nach sollte die minmal-invasive Versorgung mittels Prevot-Nagelung der offenen Reposition und Refixation mittels LCDCP-Platte jedoch vorgezogen werden. So konnten auch wir nach erfolgreicher Reposition des Radius-köpfchens die Ulna mittels Prevot-Nagel osteosyn-thetisch versorgen. Vorteile dieser sind aus unserer Sicht der zum einen reduzierte Weichteilschaden, die kürzere Immobilisation und ein signifikant geringeres Auftreten an sekundären Komplikationen. So beschrie-ben Fernandez und Mitarbeiter signifikant weniger Komplikationen bezüglich des Zugangsweges, der Ope-rationszeit, des Krankenhausaufenthaltes und des ästhetischen Outcome bei einer intramedullären Na-gelversorgung gegenüber einer offenen Reposition mit gleichzeitiger Plattenosteosynthese [9]. Unabhängig von der Wahl der operativen Technik sollte periopera-tiv die korrekte Seitenbandführung überprüft werden,

Abbildung 2: Ellenbogen links ap / lateral: initiales Trauma.

Abbildung 3: Ellenbogen links ap / lateral: eine Woche postoperativ.

Abbildung 4: Ellenbogen links ap / lateral: sechs Wochen postoperativ.

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FALLBERICHT 405

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da bei einer Insuffizienz derer eine sekundäre Instabi-lität zu befürchten ist [10]. Wird eine Monteggia-Läsion übersehen, so kann dies für den Patienten gravierende Folgen haben. Ein überschiessendes Längenwachstum des Radius, eine Valgus-Fehlstellung im Ellbogengelenk, eine eingeschränkte Beweglichkeit, eine verfrühte Ar-throse oder eine persistierende Luxationstendenz des Radiusköpfchens sind mögliche Komplikationen [11].

Noch immer stellen sekundäre Rekonstruktionen eine hohe Herausforderung an Operateur und Patient dar, können aber durch die initial korrekte Behandlung in einem Grossteil der Fälle vermieden werden [10]. Eben-falls als einheitlich zu sehen ist die postoperative Be-handlung, welche sich aus einer kurzen Ruhigstellung des Ellbogengelenkes (zwei bis vier Wochen) und einer darauffolgenden frühfunktionellen Nachbehandlung zusammensetzt [7, 12].

VerdankungAlle Röntgen-Abbildungen sind Eigentum des Departments Chirurgie und Orthopädie des Spitals Walenstadt. Wir danken jedoch der Abteilung für Radiologie für die Zurverfügungstellung der Bilder.

Disclosure statementDie Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

Literatur 1 Korner J, Lill H, Josten C. Monteggiaverletzungen. In: Josten C,

Lill H (eds.). Ellenbogenverletzungen. Darmstadt: Steinkopff, Darmstadt. 2002. p. 123–36.

2 Josten C, Freitag S. Monteggia and Monteggia-like-lesions: classification, indication, and techniques in operativ treatment. Eur J Trauma Emerg Surg. 2009:35(3);296–304.

3 Bado JL. The Monteggia lesion. Clin Orthop. 1967;50:71–86. 4 Von Laer L. Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter.

2. Aufl. Stuttgart, New York: Thieme; 1991. 5 Oestern HJ, Rieger G, Jansen T. Intramedulläre Osteosynthesen

beim Kind. Unfallchirurg. 2000;103:2–11. 6 Weise K, Schwab E, Scheufele TM. Ellenbogenverletzungen

im Kindesalter. Unfallchirurg. 1997;100:255–69. 7 Rehim SA, Maynard MA, Sebastian SJ, Chung KC. Monteggia

fracture dislocations: a historical review. J Hand Surg Am. 2014;39(7):1384–94.

8 Jupiter JB, Leibovic SJ, Ribbans W, Wilk RM. The posterior Monteggia lesion. J Orthop Trauma. 1991;5(4):395–402. [PubMed: 1761999].

9 Fernandes FF, et al. Unstabel diaphyseal fractures of both bones of the forearm in children: Plate fixation versus intramedullary nailing. Injury. 2005;36(10):1210–6.

10 van Laer L, Piwitz A, Hasler CC. Late missed Monteggia fractures. Tech Orthop. 2000;15:30.

11 Kraus T, Tauber S, Linhart W. Posttraumatische Komplikationen am kindlichen Ellenbogen. Orthopade. 2013;42(1):57–70.

12 Korner J, Hansen M, Weinberg A, Hessmann M, Rommens PM. Monteggia fractures in childhood – diagnoses and management in acute and chronic cases. Eur J Trauma. 2004;30(6):361–70.

Abbildung 5: Ellenbogen links ap / lateral: zwölf Wochen postoperativ.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die Monteggia-Läsion zählt zu den selteneren Krankheitsbildern der

kindlichen Traumatologie.

• Aufgrund ausgeprägter funktioneller Beeinträchtigungen, bei nicht dia-

gnostizierten Läsionen ist die korrekte Diagnostik obligat und eine radio-

logische Zwei-Ebenen-Diagnostik des Ellenbogens zum Ausschluss einer

Radiusköpfchendislokation zwingend erforderlich.

• Wird eine Monteggia-Läsion diagnostiziert, so sollte nach unserer Meinung

die sofortige minimal-invasive operative Versorgung mittels Prevot-

Nagelung und die frühfunktionelle Nachbehandlung die Therapie der

Wahl darstellen.

Korrespondenz: Franz Roth, dipl. Arzt Spital Walenstadt Department Orthopädie Spitalstr. 5 CH-8880 Walenstadt Roth.Franz[at]me.com

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