Mobile Reporting

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Mobile Reporting - Das Studio in der Hosentasche von Marcus Bösch Reporter waren schon immer mobil. Erst mit einem Stift und einem Notizblock, dann mit einem Fotoapparat, später mit einem Aufnahmegerät für Ton und dann für Film. Seitdem nahezu jeder Lokalreporter ein Smartphone besitzt mit immer schneller werdenden Übertragungstechnologien hat das mobile Berichterstatten eine vollkommen neue Dimension erreicht. Seit wenigen Jahren ist es möglich, mit einem handelsüblichen Mobiltelefon - das kaum mehr als eine Tafel Schokolade wiegt - multimediale Inhalte vor Ort zu produzieren und unmittelbar im Internet zu publizieren. Und das nahezu in Echtzeit und mit zusätzlichen Informationen (beispielsweise Geodaten) versehen, die noch nie so einfach und unkompliziert zur Verfügung standen. Der Handyreporter kann so zur Ein-Personen-Informationszentrale werden, die live vor Ort Videobilder ins Netz streamt, interaktiv mit einem globalen Publikum interagiert und danach sein einziges Werkzeug unauffällig in die Hosentasche steckt. Das ist nicht nur wesentlich kostengünstiger als bisherige Lösungen, sondern authentischer, unmittelbarer und nahezu immer und überall möglich. Das Kapitel ist zweigeteilt. Nach einer Herleitung, Begriffsklärung und Einordnung werden konkrete Umsetzungsmöglichkeiten erklärt. Wer direkt starten will, der blättert am besten direkt zur ersten Zwischenüberschrift. Los geht es. Der australische Freelance-Journalist Guy Degen dreht im April 2009 für die UN in Georgien einen Videobeitrag über Minenfelder,

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This is a german book chapter draft about mobile reporting.

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Mobile Reporting - Das Studio in der Hosentasche

von Marcus Bösch

Reporter waren schon immer mobil. Erst mit einem Stift und einem Notizblock, dann mit

einem Fotoapparat, später mit einem Aufnahmegerät für Ton und dann für Film.

Seitdem nahezu jeder Lokalreporter ein Smartphone besitzt mit immer schneller

werdenden Übertragungstechnologien hat das mobile Berichterstatten eine vollkommen

neue Dimension erreicht. Seit wenigen Jahren ist es möglich, mit einem

handelsüblichen Mobiltelefon - das kaum mehr als eine Tafel Schokolade wiegt -

multimediale Inhalte vor Ort zu produzieren und unmittelbar im Internet zu publizieren.

Und das nahezu in Echtzeit und mit zusätzlichen Informationen (beispielsweise

Geodaten) versehen, die noch nie so einfach und unkompliziert zur Verfügung standen.

Der Handyreporter kann so zur Ein-Personen-Informationszentrale werden, die live vor

Ort Videobilder ins Netz streamt, interaktiv mit einem globalen Publikum interagiert und

danach sein einziges Werkzeug unauffällig in die Hosentasche steckt. Das ist nicht nur

wesentlich kostengünstiger als bisherige Lösungen, sondern authentischer,

unmittelbarer und nahezu immer und überall möglich.

Das Kapitel ist zweigeteilt. Nach einer Herleitung, Begriffsklärung und Einordnung

werden konkrete Umsetzungsmöglichkeiten erklärt. Wer direkt starten will, der blättert

am besten direkt zur ersten Zwischenüberschrift. Los geht es.

Der australische Freelance-Journalist Guy Degen dreht im April 2009 für die

UN in Georgien einen Videobeitrag über Minenfelder, als ihn die Redaktion

von DW-TV kontaktiert. In der Hauptstadt Tiflis versammeln sich

Demonstranten der Opposition, um gegen die Politik des Präsidenten Micheil

Saakaschwili zu demonstrieren. Degen gibt dem englischen

Fernsehprogramm der Deutschen Welle am Abend via Telefon zwei Live-

Interviews vor dem Parlament. „Es war im Frühling 2009 noch viel zu früh,

der Redaktion verständlich zu machen, dass ich mit genau dem gleichen

Nokia N82-Telefon, das ich für die Live-Schalte benutzt habe, via Online-

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Dienst Qik auch live Videos ins Internet streamte“, sagt Degen heute. Er

twittert als @fieldreports Informationen von vor Ort und den Link zu seinem

Handy-Livestream. Seine Tweets werden weiterverbreitet, georgische

Blogger berichten. Die Linkverweise tauchen zeitnah auf der internationalen

Blog-Plattform Global Voices auf. Degen gelingt mit einem handelsüblichen

Smartphone, woran viele Redaktionen scheitern: Exklusive Live-Bilder aus

Georgien - weltweit und unmittelbar verfügbar auf jedem stationären

Computer und jedem mobilen Endgerät mit Internetzugang.

Anfang 2011 gibt es weltweit mehr als fünf Milliarden Mobilfunkanschlüsse. Das

Marktforschungsunternehmen Gartner prognostiziert, dass mobile Endgeräte den

klassischen PC bereits 2013 als meist verbreitetes Gerät für den Zugriff auf das Internet

überholen werden. Moderne Mobiltelefone mit Internetzugang werden nicht nur ein

zentraler Dreh- und Angelpunkt beim Konsum, sondern auch bei der Produktion

medialer Inhalte sein. Denn sie sind klein, direkt verfügbar und technisch in der Lage,

sendefertiges Audio- und Videomaterial zu produzieren.

Wenige Monate nach Degens „Mobile Reporting“-Erfahrungen in Georgien sendet der

amerikanische Fernsehsender WFOR, der zur Sendergruppe CBS4 gehört, den ersten

komplett auf einem „iPhone 3GS“ gefilmten Beitrag in einer Fernseh-

Nachrichtensendung . Reporter und Producer Giovani Benitez hatte den Verkaufsstart

des neuen iPhones, das seit der dritten Generation im Sommer 2009 über eine

Videofunktion verfügt, passenderweise genau auf so einem Gerät gefilmt. Begeisterte E-

Mails an den Sender und Debatten über zukünftige Einsatzmöglichkeiten im Netz sind

die Folge. Der erste komplett auf einem Smartphone gefilmte Fernsehbeitrag wird von

nachkommenden Generationen wahrscheinlich ebenso mit einem Schulterzucken

quittiert werden, wie die offizielle Geburtsstunde des mobilen Journalismus.

Die datiert der australische Journalismus-Dozent Stephen Quinn auf den 17. Februar

2004. An diesem Tag veröffentlicht die New York Times erstmalig ein Foto, das mit der

Kamera eines Mobiltelefons aufgenommen wurde. Im gleichen Jahr beginnt die

Markteinführung des UMTS-Netzes in Deutschland, das das langsamere GSM-Netz

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ablöst und dank Übertragungsraten von theoretisch bis zu 2Mbit pro Sekunde auch

komplett ruckelfreies Videoclip-Abspielen auf dem mobilen Endgerät ermöglicht.

Ebenfalls im Jahr 2004 kommt mit dem Sharp GX30 das erste Megapixel-Handy auf den

europäischen Markt. Es wird allerdings noch zwei Jahre dauern bevor der Begriff

„Mobile Journalism“ auf einer Konferenz der Online News Association im Oktober 2006

erstmals in Fachkreisen diskutiert wird.

Erstaunlicherweise findet eine gründliche Auseinandersetzung mit den neuen

Möglichkeiten und Chancen von Smartphones in der alltäglichen Arbeit von vielen

Journalisten bislang nur punktuell und vereinzelt statt. Die Reaktion auf Smartphones

als multimediale Arbeitswerkzeuge ist in vielen Redaktionen alles andere als positiv.

Sieht man die kleinen Geräte bisweilen doch immer noch eher als Spielzeug oder

Status-Symbol. Dabei werden Smartphones bereits seit 2006 als multimediales

Reportagegerät eingesetzt. Zum Beispiel in Afrika. Die niederländische Organisation

„Voices of Africa“ schult dort Handyreporter, damit diese im Anschluss an ihre

Ausbildung selbstständig von Ereignissen in ihrer Heimatregion berichten können.

Aktuell läuft das Projekt in Ghana, Kamerun, Kenia, Südafrika und Tansania. Die

Schulungen sollen insgesamt in 24 afrikanischen Ländern angeboten werden. Die

Website Inquirer.net, ein Ableger der Tageszeitung Philippine Daily Inquirer, beschäftigt

15 so genannte MoJos (Mobile Journalisten), die Berichte per Mobiltelefon liefern.

Trotzdem sorgen Fotos, die auf einem Mobilfunkgerät geschossen werden auch sechs

Jahre nach dem ersten Fotohandy-Bild in der New York Times für Diskussionen. Zum

Beispiel bei den Fotos amerikanischer Soldaten in Afghanistan, die die New York Times

Fotografen James Dao und Damon Winter im Herbst 2010 mit einem iPhone schossen.

Trotz dieser zahlreicher Arbeitsbeispiele liegt auch Anfang 2011 noch keine allgemein

akzeptierte Definition des Begriffs „mobile Journalism“ vor. Die wissenschaftliche

Auseinandersetzung mit der Thematik ist bisher eher dürftig. Erschwerend hinzu kommt

die Dynamik der technischen Entwicklung, die per se jegliche traditionelle Publikation

rasch hinter sich lässt. Heli Väätäja liefert 2009 einen Vorschlag für eine

Begriffsdefintion für „Mobile Journalism“, die in Abgrenzung zu herkömmlichen portablen

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Möglichkeiten der individuellen Berichterstattung das zentrale Unterscheidungsmerkmal

der ortsungebundenen Publikation mit einem Gerät herausstellt. Mobile Journalism wird

demnach charakterisiert als die Nutzung von mobilen Endgeräten zum Finden,

Sammeln, Aufzeichnen, Bearbeiten, Produzieren und der drahtlosen Veröffentlichung

von Material wie Text, Fotos, Audios oder Kombinationen daraus. Idealerweise passiert

all dies auf einem einzigen Gerät.

Ein mobiler Smartphone-Reporter ist nicht darauf angewiesen, seine Inhalte von

Kameras und Aufnahmegeräten auf Netbooks, Laptops oder ähnlichen Geräten zu

übertragen. Er muss sie nicht auf einem externen Gerät bearbeiten, um sie dann via

Surfstick an eine Redaktion zu senden, damit diese dann für eine Veröffentlichung sorgt.

Aktuelle Hard- und Software erlaubt eine direkte unmittelbare Übertragung der erstellten

und bearbeiteten multimedialen Inhalte in (Fast-)Echtzeit. Damit hat der mobile Handy-

Reporter einen klaren Vorteil gegenüber Video-Journalisten - vorausgesetzt ein

adäquates Mobilfunknetz ist vorhanden. Ein einziges handelsübliches Gerät reicht aus,

um Text, Audio, Video und weitere multimediale Inhalte wie Slideshows oder Geo-Daten

spontan zu übermitteln. Das alles in einer in absehbaren Zeit immer besser werdenden

Qualität, zu vermutlich immer günstiger werdenden Tarifen.

Der amerikanischen Journalismus-Professor Jeff Jarvis sieht hier kein temporäres

partielles Phänomen, sondern die Zukunft. Mobil werde sehr bald ein bedeutungsloses

Wort werden, wenn wir alle überall und jederzeit vernetzt seien. Es werde zunehmend

egal werden, wo man sich befinde, da man jederzeit mit dem Internet verbunden sei.

Damit könnte der Begriff „Mobile Journalism“ beziehungsweise „Mobile Reporting“ recht

bald überflüssig werden, noch bevor er den deutschen Sprachraum wirklich erreicht hat.

Die orts- und zeitunabhängige Produktion von professionellen Standards genügenden

Inhalten mit handelsüblichen Geräten wird normal werden. Bereits jetzt kann man ohne

größere Probleme einen sendefertigen Radiobeitrag, der öffentlich-rechtlichen

Standards genügt, auf einem Smartphone einsprechen, schneiden und publizieren.

Bereits jetzt verschwimmen die Grenzen von beruflich und privat genutztem Gerät. Ein

Trend, der in den USA Consumerization heißt und sich weiter fortsetzen wird.

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Die ortsungebundene Erstellung journalistischer Inhalten mit mobilen Endgeräten muss

zudem im Kontext sich dramatisch verändernder Rahmenbedingungen für den

Journalismus im beginnenden 21. Jahrhundert gesehen werden. Abseits gewohnter

Denk- und Arbeitsmuster wird es die sachgerechte Verwendung von Smartphones oder

ähnlichen Geräte sein, die Journalisten dabei helfen kann, mit dem Verlust von

Informations- und Interpretationshoheiten und dem Annehmen neuer Rollenbilder als

Aggregatoren, Schnittstelle, Communitymanager in einem „always on“ fertig zu werden.

Die mobile Berichterstattung ist prädestiniert für eine journalistische Herangehensweise,

die sich im Fluss befindet. Statt vermeintlich fertiger abgeschlossener Berichte über in

der Realität fortschreitende Ereignisse, kann der mobile Reporter vor Ort Geschichten

weiterschreiben. Statt auf ein fertiges Produkt, kann er auf eine kuratierende dialogische

Begleitung eines Prozesses setzen und später in der Redaktion, im Cafe oder Zuhause

ein zusammenfassendes Produkt erstellen. (Vgl. Processjournalism)

Bis wir uns allerdings in einer vollkommen vernetzten Welt bewegen, die rucklefreie HD-

Livestreams von jedem Ort, inklusive eingebautem Chat mit der Community, erlaubt, gilt

die Prämisse des „good enough mediums“. Wenn ich die Wahl zwischen einem

unmittelbar vorhandenen weltexklusiven verwackelten Handy-Video und einem

traditionell gefilmten Fernsehbeitrag drei Tage später habe, dann entscheide ich mich

als Nachrichtenredakteur für das erste. Was nützt das beste Equipment, wenn ich es im

Fall des Falles nicht dabei habe? Dabei haben kann ich am Anfang des 21.

Jahrhunderts nahezu jederzeit ein multifunktionelles Smartphone. Dessen

Funktionsumfang wird von sehr vielen Journalisten derzeit - trotz meist selbsterklärender

Handhabung - nicht einmal zu einem Bruchteil genutzt.

Im Folgenden sollen Möglichkeiten, Grenzen und Ideen zur Berichterstattung mit

Smartphones vorgestellt und diskutiert werden. Bewusst wird hier versucht,

grundlegende Techniken und Handhabungen abseits gerade verfügbarer Apps und

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Programme-Versionen zu skizzieren. Diese wären bereits zur Drucklegung dieses

Buches nicht mehr auf dem aktuellen Stand.

Machen Sie einen MoJo-Plan

Natürlich können Sie direkt loslegen. Starten Sie ein beliebiges Programm zur

Aufnahme von Audio auf ihrem Smartphone. Falls Sie kein solches Programm auf ihrem

Smartphone haben, werden sie garantiert in einem der App-Stores fündig. Starten Sie

das Programm und erzählen Sie einfach munter drauf los. Herzlichen Glückwunsch. Sie

sind jetzt offiziell ein Content-Produzent. Fragt sich nur, ob dieses Audio wirklich wert ist,

veröffentlicht zu werden. Zum Üben ist das spontane Vorgehen absolut legitim. Es ist

sogar sehr empfehlenswert als Übung. Journalismus entsteht so allerdings in den aller

seltesten Fällen. Denn zunächst brauchen sie einen Plan! Den können sie relativ schnell

bekommen, wenn sie sich einige Fragen stellen und beantworten:

* Was will ich eigentlich erreichen?

* Worüber, wann und wie möchte ich berichten?

* Wie sind die Bedingungen vor Ort? Gibt es ein Mobilfunknetz? Gibt es W-Lan?

* Welche Daten, Informationen und welche Aufbereitung sind möglich? Welche sind

attraktiv? Und zeitsparend umsetzbar?

* Wie bündle ich in kurzer Zeit sinnvoll verschiendenartigen Content?

* Wo und wie und (vor allem:) für wen publiziere ich? Welche Plattformen nutze ich?

* Was kann und muss ich vorbereiten? Welches Equipment ist nötig?

„Wie, welches Equipment ist nötig? Ich dachte ich kann alles mit dem Telefon machen“,

denken sie jetzt vielleicht. Recht haben Sie. Das ist der Idealzustand. Trotzdem kann es

manchmal nicht schaden, Zusatzbatterien, ein Zweittelefon, ein externes Mikro, ein

kleines Stativ, Wechselobjektive, einen Windschutz oder ähnliches mit dabei zu haben.

Wenn es die Situation erfordert. Und wenn man vorausplanen kann. Weiter unten

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erfahren Sie mehr über zusätzliches Equipment. Wie immer gilt: Die Technik vorher

ausprobieren und sich im Vorfeld intentsiv mit ihr auseinadersetzen.

Für den Moment halten wir fest: Ein Plan muss her. Ob Sie diesen auf einem Stück

Papier aufmalen oder eine Excel-Tabelle anlegen, ob Sie sich selbst eine E-Mail

schreiben oder eine To-Do-Liste mit Kugelschreiber auf den Arm kritzeln, ist egal. Wenn

man weiß was man will, ist man gewappnet für Unvorhersehbares und für Plan-

Abweichungen. Wer im Vorfeld alle nötigen Kamera-Einstellungen für ein kurzes Video

notiert hat, der flucht hinterher seltener beim Schneiden. Und auch ein kurzer Audio-

Aufsager gewinnt enorm an Qualität, wenn Sie vorher wissen, wie Sie anfangen, wie Sie

aufhören und welche Botschaft Sie da jetzt genau transportieren wollen. Schwer genug,

das alles auf einem handtellergroßen Gerät irgendwo draußen in der Welt auf die Reihe

zu bekommen.

Wohin sollen die Inhalte eigentlich?

Moment, bevor es losgeht müssen wir uns noch unbedingt Gedanken darüber machen,

wo und wie ihre Inhalte veröffentlich werden sollen. Denn sonst wird es vor Ort

kompliziert. Vor allem wenn Sie ein Smartphone von Apple nutzen, dass im Gegensatz

zu beispielsweise einem Gerät mit dem Android-Betriebssystem nicht einfach die freie

und unmittelbare Verteilung aller Inhalte auf alle Plattformen zulässt . Hier hängt die

Funktionalität stark von der benutzen App ab. Diese wiederum müssen sich am

restriktiven Reglement des Apple App-Stores orientieren.

Vor dem Ernstfall sollten Sie unbedingt alle Share-Funktionen der benutzen Programme

auf Ihrem Gerät testen und gegebenenfalls die Anbindungen an verwendete Plattformen

prüfen.

Es gibt mannigfaltige Wege, unterschiedliche Inhalte wie Bilder, Texte, Videos und

Audios via mobilem Endgerät im Internet zu veröffentlichen. Einen Königsweg gibt es

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nicht. Es hängt jeweils von den spezifischen Gegebenheiten und persönlichen Vorlieben

ab, wie, wohin und auf welchem Weg Sie Ihren Content veröffentlichen. Eine Möglichkeit

ist zum Beispiel, alle Inhalte zentral auf einer Blogseite zu veröffentlichen. Neuere Blog-

Plattformen wie Posterous oder Tumblr ermöglichen die Publikation via E-Mail oder

bieten sehr einfach zu bedienende Apps an. Die Inhalte können Sie dann in einem

zweiten Schritt beispielsweise über Twitter promoten, indem Sie einfach den Link Ihres

Eintrags mit einigen Zusatzinformationen versehen beim Microbloggingdienst verbreiten

oder eine automatische Weiterleitung nutzen. Doch Vorsicht bei der ausufernden

Nutzung von Automation! Sie ist zwar einfach, da sie automatisch funktioniert, aber die

ständige Weiterleitung und damit einhergehende Verdopplung von erstellten Inhalten via

Facebook, Twitter, Blog, Social Bookmarking Dienst und zurück wird sehr schnell recht

komplex, wirkt bisweilen unprofessionell und stört viele Nutzer. Mehr ist nicht immer

gleichbedeutend mit mehr Reichweite und Erfolg.

Je nach Situation kann auch Twitter als zentrales Kommunikationsportal im Mittelpunkt

ihrer Veröffentlichungsstrategie stehen. Viele Twitter-Programme für moderne

Smartphones bieten die unmittelbare Einbindung von Bildern und Ortsangaben an.

Dank kostenloser Zusatzsoftware wie derzeit zum Beispiel Twitcam oder Twitcasting

kann man vom Mobiltelefon auch live Videostreamen, während im unteren Bildschirmteil

der Twitterfeed weiterläuft. Das erlaubt zum Beispiel live gestreamte interaktive

Interviews. Fragen der Community können unmittelbar an den Interviewpartner

weitergegeben werden. Via Link können Sie in Ihrem Twitterfeed natürlich Verweise zu

diversen Diensten verschicken - egal ob es sich dabei um ganze Blogeinträge, Audio-

Schnipsel oder vertonte Slideshows handelt.

Unterschätzen Sie bei all dem nicht die Macht von Communities. Sprechen Sie Ihre

Nutzer direkt an, vernetzen Sie sich und interagieren Sie. Was nützt das schönste

Projekt, wenn es nicht wahrgenommen wird? Nutzen Sie soziale Netzwerke und

schaffen Sie sich eine Gefolgschaft.

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Bedenken Sie auch immer: Je einfacher und unmittelbarer die Publikation und der Abruf

Ihrer Inhalte, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Inhalte mehr Menschen

erreichen. Finden Sie eine sinnvolle und praktikable Veröffentlichungsstrategie, die sich

auch bei Stress, sich leerender Batterie oder schlechter Internetverbindung noch

aufrechterhalten lässt.

Unterwegs als MoJo

Sie haben einen Plan gemacht, sich überlegt, was Sie wie publizieren wollen, haben

Soft- und Hardware getestet und jetzt sind Sie unterwegs und wollen loslegen? Gut!

Wissen Sie was? Sie haben einen riesigen Vorteil. Denn man erkennt Sie nicht. Sie

sehen aus wie ein normaler Passant, erregen kein Aufsehen, sind unglaublich mobil und

kommen viel näher und schneller an Ereignisse, Protagonisten und Augenzeugen. Denn

da ist kein Kameramann und kein Tonmann neben Ihnen, kein riesiges Mikrofon in ihrer

Hand, keine Kabel, die aus Taschen quellen. Ja, vielleicht haben Sie nicht mal eine

Tasche mit dabei. Das ist gut. Denn man wird ihnen nicht mit den bekannten

Vorbehalten gegenübertreten. Noch reagieren Politiker, Prominente und Passanten

meist mit einem milden Lächeln. Wirklich Ernst nehmen die meisten ein handelsübliches

Telefon, das ihnen entgegengestreckt wird, nicht. Denn es ist klein, dezent und wirkt

nicht bedrohlich. Wenn sie Glück haben, wirkt sich das auch auf ihre journalistischen

Produkte aus. Diese können wesentlich authentischer und natürlicher wirken als eine

durch eine monströse Kamera beeinflusste Gesprächssituation. Natürlich sollen Sie

diese Situation nicht ausnutzen, die Privatsphäre respektieren und sich an alle

ethischen und moralischen Standards halten. Sie sind Journalist - egal ob Sie einen

Notizblock, ein Mobiltelefon oder ein Mikrofon in der Hand halten.

Normalerweise arbeiten Sie als MoJo alleine vor Ort mit Ihrem Telefon. Das bedeutet

auch, dass oft keine weitere unmittelbare Kontrollinstanz vor Ort ist, die zum Beispiel

Ihre Texte noch einmal liest, prüft und freischaltet. Sie können Inhalte direkt erstellen

und publizieren. Das heißt auch, dass Sie ausschließlich und allein für die erstellten

Inhalte verantwortlich sind. Und das bedeutet: Noch mehr als sonst ist Ihre

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journalistische Integrität gefragt. Natürlich sind auch „Mobile Reporting“-Modelle

denkbar, in denen ein Redakteur Ihre Inhalte veröffentlicht oder freischaltet. Auch wenn

dies beispielsweise beim Absetzen von Tweets wenig praktikabel ist. Als sinnvoll hat

sich die zeitnahe Prüfung herausgestellt: Ein Redakteur schaut sich Ihre Inhalte an,

sobald sie veröffentlicht werden und greift lediglich im Bedarfsfall ein, oder nimmt

Kontakt auf. Kontakt aufnehmen sollten auch Sie. Ein Gespräch über Inhalte oder eine

kurze Rückversicherung mit einer Person, die nicht vor Ort ist, schaden nie. Schließlich

berichten Sie von einem Telefon aus. Mit dem kann man auch telefonieren. Da Sie das

vermutlich bereits können, widmen wir uns nun den verschiedenen Darstellungsformen.

Das multimediale Potpourri

Einfach nur Text

Es gibt zahlreiche mehr oder minder avancierte Texteditoren für Smartphones. Sie alle

können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Tippen von langen Texten auf einem

Touch-Screen oder einer eigentlich zu kleinen Tatstatur schnell nervt. Egal ob Sie eine

Texterkennung nutzen oder neue Eingabemethoden wie das so genannte Swypen (Hier

wischen Sie nur noch über die Buchstaben und verharren kurz auf dem gewünschten).

So lange es noch keine wirklich zufriedenstellende Lösung im Bereich Sprach-zu-Text-

Erkennung gibt, die gesprochene Worte direkt in Text transformiert und eine Bedienung

nahezu ohne Texteingabe ermöglicht, müssen Sie sich mit der kleinen Tastatur

arrangieren. Es sei denn, Sie nehmen ein externe Tastatur mit, die Sie beispielsweise

via Bluetooth anschließen. Derzeit sind mobile Bluetooth-Tastaturen für um die 30 Euro

erhältlich. Die mobilen Reporter der „Voices of Africa“ nutzen diese Möglichkeit.

Haben Sie sich an die kleine Tastatur gewöhnt oder eine externe angeschlossen, dann

werden Sie feststellen: Texte zu schreiben und zu publizieren geht schnell und einfach.

Am einfachsten und direktesten ist die Publikation via E-Mail. Weiter vorne haben Sie

das Prinzip kennengelernt. Zahlreiche Dienste wie derzeit Tumblr und Posterous

erlauben die Veröffentlichung von Inhalten wie E-Mail. Sie schreiben Ihren Artikel

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einfach in das E-Mail-Feld, ergänzen im Betreff eine Überschrift und dann senden sie

die Mail an eine von den Diensten bereitgestellte Adresse. Das ist alles.

Natürlich können Sie sich auf ihrem Telefon auch mit Ihrem Web-Browser bei einem

beliebigen Content Management System (CMS) anmelden oder eine häufig

bereitgestellte App nutzen. Das kostenlose und sehr sehr weit verbreitete CMS

Wordpress stellt zum Beispiel für alle gängigen Smartphone-Typen ein jeweils

angepasstes Programm zu Verfügung. Hier können Sie direkt Blogartikel anlegen, Texte

eingeben und zum Beispiel mit Bildern versehen.

Das alles klingt in der Theorie wesentlich einfacher, als es vor Ort dann meistens ist. Vor

allem, wenn Sie die Vorgänge nicht geübt haben, kann das kleine und eigentlich einfach

zu bedienende Telefon zu einem komplexen und an vielen Stellen unangenehm

beschränkenden Gerät werden. Machen Sie sich mit den Abläufen vertraut! Sinnvoll

erscheint vor allem, den Text erst einmal in einem beliebigen Editor zu schreiben und

dort zu speichern. In einem zweiten Schritt können Sie den Text dann, nachdem Sie ihn

noch einmal korrigiert haben, kopieren und entweder per Mail, per App oder im

Internetbrowser publizieren. Das gewährleistet eine Rückfalloption, falls Sie den Text

aus Versehen löschen.

Im Normfall werden Sie vor Ort eher kurze Texte absetzen. Vielleicht entscheiden Sie

sich dafür, vor Ort nur Twitter mit seiner Begrenzung auf 140 Zeichen zu nutzen. Das

geht schnell und passt zur Unmittelbarkeit vor Ort. Entstehen können so neue und

bisweilen sehr dichte und eindrückliche Reportageformen. Verabschieden müssen Sie

sich vor Ort von der Idee des fertigen Artikels. Dieser entsteht vielleicht später im Cafe

oder zurück in der Redaktion. Vor Ort ist eher eine begleitende, chronologische,

Reportage-Berichterstattung gefragt. Sie sind vor Ort, mittendrin. Liefern Sie

atmosphärische Beschreibungen, persönliche Eindrücke und Besonderheiten. Bieten

Sie mit Ihrem Telefon einen Mehrwert, den nur Sie bieten können. Sie sind näher dran

als andere. Gerade die authentische Unmittelbarkeit und die Möglichkeit, auch direkt auf

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Fragen und Anregungen der Netz-Community zu reagieren, machen den Job eines

MoJos spannend und anstrengend.

Machen Sie viele Bilder

Die beste Kamera ist die Kamera, die Sie mit dabei haben. Glücklicherweise können

nahezu alle handelsüblichen Smartphones inzwischen Fotos produzieren, die Sie ohne

Probleme für journalistische Produkte nutzen können, da sie professionellen Standards

genügen. Als Argumentationshilfe verweisen Sie im Gespräch mit skeptischen Kollegen

einfach auf die Afghanistan-Fotos auf dem Cover der New York Times im November

2010, die per iPhone gemacht wurden.

Einige Einschränkungen gibt es natürlich auch im Bereich Foto: Vergessen Sie im

Moment einfach mal den Zoom. Sie sind vor Ort, Sie sind mobil, gehen Sie näher heran

an Ihr Fotoobjekt - soweit möglich. Die allermeisten Smartphones bieten derzeit nur

einen mehr schlechten als rechten digitalen Zoom. Auch der eventuell vorhandene Blitz

ist nicht mit einem professionellen Blitz vergleichbar.

Der Rest ist sehr einfach. Schießen Sie viele Fotos. Die Speicher der Telefone sind groß

genug. Digitale Fotos kosten in diesem Sinne nichts. Achten Sie auf interessante

Perspektiven und Motive. Versuchen Sie immer sowohl Detailaufnahmen, als auch

Panoramabilder zu machen. Und: Bewegen Sie sich! Das ist die goldene Bilder-Regel

des MoJos. Legen Sie sich auf den Boden, klettern Sie auf einen Mülleimer. Mit

langweiligen, unambitionierten Bildern werden Sie keine Aufmerksamkeit herstellen.

Oder um den großen französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson zu zitieren:

„Mache sichtbar, was vielleicht ohne dich nie wahrgenommen worden wäre“.

Sie haben die Chance, mit guten und eindrücklichen Bildern Aufmerksamkeit und

Interesse für Ihre gesamte Arbeit herzustellen. Nutzen Sie diese Chance. Zusammen

mit einer Überschrift und einigen Zeilen Text können Sie bereits kleine, dichte

journalistische Produkte fertigen. Versehen mit einem Link oder Zusatzinformation

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können Sie der journalistischen Produkt-Dreifaltigkeit im Informationsüberfluss nahe

kommen: Aufmerksamkeit herstellen, Neuigkeiten liefern und einen bleibenden

Mehrwert bieten.

Moment! Bearbeiten können Sie ihre Bilder natürlich auch. Konnte man in der

Anfangszeit digitaler Mobiltelefonphotographie ein Bild noch nicht einmal drehen, stehen

inzwischen mit Programmen wie Adobe Photoshop Express umfangreiche

Bearbeitungswerkzeuge zur Verfügung. Egal ob Sie Zuschneiden, Drehen, Kontraste

ändern oder diverse Effekte auf Ihre Bilder setzen wollen. Sie können Ihre Bilder dann

wiederum auf verschiedenen Wegen ins Internet bekommen. Entweder direkt über eine

E-Mail oder über ein Content Management System. Sie können Ihr Bild auch über einen

der zahlreichen Zusatzdienst bei Twitter veröffentlichen. Dort erscheint dann ein kurzer

Link mit einem Verweis auf ihr Bild. Natürlich können Sie Ihre Bilder auch bei

verschiedenen Foto-Plattformen wie Flickr oder Picasa hochladen und danach per Link

einbetten oder darauf verweisen.

Neben der normalen Kamerafunktion Ihres Handys gibt es immer mehr kleine

Programme wie derzeit beispielsweise Instagram, die die Funktionalität der Kamera

anbieten, einige Bearbeitungsoptionen liefern und eine direkte Anbindung an eine

Community haben. Wenn Sie regelmäßig Fotos machen, haben Sie hier die Chance,

sich zu vernetzen und Nutzer auf Ihre Arbeit aufmerksam zu machen. Hier noch einmal

der Hinweis: Unterschätzen Sie nicht die Macht von Communities. Ihre Arbeit als MoJo

kann langfristig nur erfolgreich sein, wenn Sie gut vernetzt sind und mit Ihrer

Gefolgschaft in Dialog treten.

Sendefertiges Audio

Ihr Hauptarbeitswerkzeug ist ein Telefon. Natürlich können Sie damit live in das

Programm ihres Arbeitgebers geschaltet werden oder kleine Aufsager machen. Sie

können mit Ihrem Telefon aber auch kurze situative Audio-Schnipsel ins Netz setzen

oder ganze sendefertige Beiträge produzieren.

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Trotz der Allgegenwärtigkeit von (Bewegt-)Bildern, sollte man die Macht von Klängen,

Tönen, Stimmen und Geräuschen nicht unterschätzen. In der journalistischen

Ausbildung kommt es zu Beginn häufiger zu der Situation, dass Volontäre von einem

Außen-Termin wiederkommen und berichten, dass es da gar keine so genannte „Atmo“,

also Hintergrundgeräusche, gegeben habe. Man hätte da ja gar nichts gehört. Alles

wäre ganz normal gewesen. Ist es nicht. Ist es nie. Alles hört sich an. Und das immer

anders. Auch zwei vollkommen leere Räume klingen anders. Klang ist zentral zur

Orientierung. Hier wird ein Raumeindruck und der soziale Rahmen des Geschehens

erfahrbar. Ein Fernsehbeitrag ohne den Sound von vor Ort wirkt vollkommen künstlich.

Deshalb: Sensibilisieren Sie Ihr Gehör. Und: Sammeln Sie Töne!

Das geht inzwischen auch mehr oder weniger gut mit einem Telefon ohne externes

Mikrofon. Alle Telefone verfügen über ein internes Mikro, denn sonst könnte man keine

Telefongespräche führen. Internes Mikro bedeutet allerdings auch: Vergessen Sie

Audio-Aufnahmen in windiger Umgebung. Ohne zusätzlichen Schutz des Mikrofons

werden Sie nur lautes Rauschen aufnehmen. Finden Sie Orte, die windgeschützt und

geeignet für Audio-Aufnahmen sind oder nutzen Sie externe Mikrofone mit Windschutz.

Kurze situative Beschreibungen, beispielsweise ein markantes Geräusch, eine Musik

vor Ort, eine Lautsprecherdurchsage oder ein Kurzinterview können Ihre

Berichterstattung ungemein bereichern. Wichtig ist hier die Planung, um sich unnötige

Arbeit zu ersparen. Planen Sie Ihr Vorgehen chronologisch. Kommt zunächst ein

Geräusch? Was sagen Sie danach? Wie lange wollen Sie sprechen? Und wie soll der

kleine Beitrag aufhören? Hier macht nur Übung den Meister. Probieren Sie es aus!

Programme wie derzeit Audioboo erlauben die unmittelbare Publikation eines Audios,

versehen mit Zusatzinformationen, einem beliebigen Foto von vor Ort und bei Bedarf

ergänzenden Geo-Daten, die auf einer Karte dargestellt werden. Sie können bei

Programmen wie Audioboo im Vorfeld auch eine automatische Weiterleitung

beispielsweise zu Twitter oder zu Blog-Tools wie Tumblr einstellen. Das erleichtert die

Veröffentlichung. Pegeln, trimmen oder schneiden kann man diese so genannten „Boos“

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bislang leider nicht. Hat man sich versprochen, dann muss man noch mal von vorne

anfangen. Bei jedem Audio-Upload müssen Sie derzeit auch noch mit etwas längeren

Upload-Zeiten rechnen. Zudem belastet der rechenintensive Vorgang die Batterie.

Als Äquivalent zur externen Tastatur gibt es bei der Audio-Aufnahme die Möglichkeit,

ein externes Mikro anzuschließen. Die Entscheidung dazu muss je nach Situation

getroffen werden. Bisweilen wollen Sie vielleicht vor Ort durchaus als „echter“ Reporter

wahrgenommen werden. Dann kann ein Mikrofon mit Mikrofonschutz und Senderlogo

für Seriosität sorgen. Mikrofone und Anschlüsse für Smartphones gibt es inzwischen in

verschiedensten Ausprägungen. Einzig: Bei unvorhergesehen Ereignissen hat man

selten ein externes Mikrofon dabei. In ruhiger Umgebung kann auch das interne Mikro

Beachtliches leisten.

Sie können nur mit dem Telefon in der Hand natürlich auch komplett sendefertige

Beiträge produzieren. Audioschnittprogramme wie derzeit Monle oder VC Audio von

Vericoder bieten einen Leistungsumfang, der einfachen klassischen

Audioschnittprogrammen auf stationären Rechnern kaum nachsteht. Sie können hier

sowohl Audios aufnehmen, importieren, schneiden und auf mehreren Spuren mischen

und einfache Effekte und Übergänge editieren. Das alles in einer Qualität, die nach

eigener Erfahrung auch den hohen Ansprüchen öffentlich-rechtlicher Sendetechniker

genügt.

Verschwiegen werden darf allerdings nicht, dass die Handhabung komplexer

Programme auf einem eher kleinen Touchbildschirm bisweilen gewöhnungsbedürftig bis

lästig ist. Aber es funktioniert. Und es ist manchmal schneller und geeigneter als die

Übertragung der Daten auf einen weiteren Rechner mit anschließendem klassischen

Prozedere. Hier muss jeder MoJo einen eigenen, sinnvollen Weg der Bearbeitung und

Publikation erstellter Inhalte finden. Empfohlen sei hier zum Einstieg und zum Probieren

der Dienst Soundcloud - eine Art YouTube für Audios, mit dem man inzwischen auch auf

dem Mobiltelefon Audios aufnehmen und direkt ins Netz laden kann, inklusive Sharing-

Funktion bei Twitter und Facebook.

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Streamen oder Schneiden: Videos

Sie können mit Ihrem Mobiltelefon und verschiedenen Diensten wie derzeit unter

anderem UStream als Ein-Personen-Infozentrale live Videos in das Internet streamen.

Das bietet zahlreiche Möglichkeiten, die bislang aufgrund der Datenkapazität

vorhandener Mobilfunknetze meist noch im Experimentiertstatus verbleiben. Absehbar

ist in naher Zukunft, dass Korrespondenten in verschiedenen Teilen der Welt live

Fernsehbilder in HD-Qualität von ihrem Telefon senden können. So lange allerdings

müssen sie sich noch mit bisweilen absonderlichen Wartezeiten beim Video-Upload

quälen.

Bereits jetzt gibt es schon einige Filmprojekte, die lediglich auf einem Smartphone,

zugegebenermaßen versehen mit zahlreichem Zusatzequipment wie Stativ und

Wechselobjektiven, gedreht wurden. Mit der Version 4 des iPhones im Sommer 2010

und der kostenpflichtigen Anwendung iMovie-App können Videos auch direkt auf dem

Telefon geschnitten und publiziert werden. Publiziert werden kann ohne Probleme bei

den klassischen Portalen wie YouTube .

Noch nicht letztgültig beantwortet ist die Frage, welche genauen Formate trotz

Beschränkung auf ein einziges kleines Gerät zum Filmen, Bearbeiten und Publizieren

sinnvoll einsetzbar sind. Das Potential in diesem Bereich ist enorm. Probieren Sie zum

starten vielleicht kleine Aufsager und kurze Videostatements oder Interviews.

Mini-Multimediales

Jenseits klassischer Formate wie Artikel, Aufsager oder Videostatements können Sie mit

Ihrem Telefon noch mehr. Derzeit ausgelotet wird, was in diesem Bereich sinnvoll und

machbar ist. Der deutsche Journalist Julius Tröger hat auf seinem iPhone mit dem

Programm Fotobabble für die Berliner Morgenpost beispielsweise eine Art Audio-

Slideshow erstellt. Verschiedene Programme wie derzeit Sonic Pics bieten die

Kombination von Ton und Bild an. Die Handhabung ist recht schlicht und auch

Page 17: Mobile Reporting

unterwegs ohne Probleme durchführbar. Man wählt einige Fotos und ergänzt diese

dann mit einem aufgenommenen Sound. Über eine integrierte Share-Funktion kann

man die Clips bei YouTube hochladen oder per Mail versenden.

Zum Herumprobieren eignen sich auch so genannte Time-Lapse-Videos. Aus mehreren

zeitlich verzögerten Fotos lassen sich mit verschiedenen Programmen erstaunliche

Effekte erzielen. Aufmerksamkeit kann man auch mit enormen Panoramabildern

erzielen, die man mit verschiedenen Programmen aus Einzelbildern zusammensetzen

kann.

Wo sind Sie?

Ein immer wichtiger werdender Dienst für die mobile Berichterstattung ist die Geo-

Lokalisierung. Im Jahr 2011 gehört ein GPS(Global Positioning System)-Chip zur

Standardausrüstung eines modernen Mobiltelefons. Eine genaue Ortsbestimmung

dauert inzwischen nur noch etwa ein bis zwei Sekunden. Vorbei die Zeit, als man mit

einem Smartphone der ersten Generation minutenlang den Arm in den offenen Himmel

reckte, um die nötigen drei Satelliten kontaktiert zu bekommen.

Geo-Daten erleichtern vor Ort zum Beispiel das Finden potentieller Gesprächspartner.

So ist es etwa bei Twitter möglich, alle Nachrichten von Menschen zu lesen, die sich in

unmittelbarer Nähe des eigenen Standortes befinden oder die sich in der Nähe eines

beliebigen Ortes (Stadt X, Region Y) befinden. Dienste wie derzeit Foursquare zeigen

ganz neue Möglichkeiten im Umgang mit geo-lokalisierten Daten - sowohl zur

Recherche als auch zur Kontaktaufnahme und Kontaktpflege. „Derzeit können wir

gerade mal anfangen uns vorzustellen, welche Möglichkeiten uns diese neuen

Informationen bieten“, sagt der amerikanische Journalist Steve Buttry.

Kleine Zusammenfassung

Ein Telefon reicht. Meistens. Das ist eine zentrale Erkenntnis jedes MoJos. Man kann

ohne Mikro, ohne Notebook, ohne Fotoapparat, ohne Block und ohne Stift multimedial

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berichten. Das ist nicht immer komfortabel. Aber es geht schnell. Das Ganze ähnelt von

der Arbeitsweise manchmal der klassischen „Live-on-tape“-Radioreportage, manchmal

der normalen Blogbestückung oder Twitter-Nutzung. Manchmal fühlt es sich einfach an

wie Telefonieren. Erfahrung und ein Gefühl für kurze, prägnante Texte, ein Auge und ein

Ohr für „Berichtenswertes“ helfen. Damit das Ergebnis journalistischen Mehrwert bietet.

Notwendig sind allerdings immer: Ein aufgeladener Akku und eine vernünftige

Internetverbindung. Denn - diese Erfahrung werden Sie selber machen - die Batterie

Ihres Mobiltelefons wird bei intensiver Nutzung und vor allem beim Live-Streamen von

Videodaten sehr schnell an ihre Grenzen kommen. Das dürfte derzeit neben der

mangelnden Verbreitung schneller Datennetze das größte Problem des mobilen

Reporters sein. Aller Voraussicht nach werden sich die Batterielaufzeiten in den

nächsten Jahren zwar deutlich verlängern. Bis dahin sorgt ein Zweitakku, ein mobiles

Aufladegerät (erhältlich auch in der solarbetriebenen Variante) oder ein zweites

Mobiltelefon für angenehmes Arbeiten weit ab von Steckdosen.

Falls Sie einen Rucksack oder eine Tasche mitnehmen wollen oder können, empfiehlt

sich bisweilen auch diverses Zusatzequipment. Weiter vorne erwähnt wurde bereits die

Bluetooth-Tastatur oder ein externes Mikro. Diese gibt es inzwischen in mannigfaltigen

Ausführungen. Je nach Bedarf. Mit einem Anschluss-Adapter können Sie auch

herkömmliche Mikrofone an Ihr Smartphone anschließen. Auch ein Stativ kann

manchmal nicht schaden. Auch hier gibt es von Selbstbaulösungen für unter 10 Euro bis

zur professionellen Steadycam-Lösung für gut 300 Euro eine große Bandbreite an

Produkten. Einige Stative erlauben sogar die Montage von

Spiegelreflexkameraobjektiven. Vergessen Sie hierbei allerdings nicht, dass der Vorteil

eines mobilen Geräts, das man immer in die Hosentasche stecken kann, dabei natürlich

schnell auf der Strecke bleibt.

Ausblick

Page 19: Mobile Reporting

Technisch gesehen kann man mit einem Mobiltelefon heute Kinofilme drehen, auf dem

Gerät schneiden und im Netz publizieren. Man könnte die Tagesschau um 20 Uhr nicht

mit einer Studiokamera, sondern mit einem Smartphone in HD filmen oder live ins Web

streamen. Ob das sinnvoll ist? Bestimmt nicht! Denn dass alles möglich ist, heißt nicht,

dass alles auch sinnvoll ist. Trotzdem gibt es zahlreiche Einsatzgebiete, in denen man

Mobiltelefone als bisweilen einziges Gerät nutzen kann und sollte. Zum Beispiel wenn

die Lage durcheinander und unübersichtlich ist. Zum Beispiel wenn sonst (noch)

niemand da ist, der berichtet. Oder wenn, egal wo, ein ganz anderer, persönlicher

authentischer Blickwinkel gefragt ist. Wenn die Berichterstattung unauffällig oder sogar

heimlich passieren soll oder wenn es sehr, sehr schnell gehen muss.

Die amerikanische Journalismusdozentin Mindy McAdams formuliert das so:

„Mobiltelfone werden in Zukunft das primäre Reporter-Werkzeug sein. Zumindest

unmittelbar und vielleicht auch für die ersten Stunden nach einem Ereignis.“ Dafür muss

man wissen, wie diese Geräte funktionieren, was sie können und was sie nicht können.

Die Entwicklung ist in vollem Gange. Schnellere Datenverbindungen, längere

Akkulaufzeiten, größere Speicher und eine höhere Bildqualität werden schon bei

Drucklegung dieses Buches den jetzigen Zustand abgelöst haben. Denken Sie kurz an

Ihr Mobiltelefon von vor fünf Jahren und verlängern Sie die bisherige Dynamik der

Entwicklung fünf Jahr nach vorne. Noch ist die Nische des neuen mobilen Smartphone-

Journalismus klein. Sie braucht Menschen, die Experimentieren, Probieren und einfach

Machen. Wir sind gerade erst am Anfang.