Moderner Staat – Moderne Verwaltung

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Systemverwaltung Z 2b
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Moderner Staat– Moderne Verwaltung

Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung

Autoren:

Prof. Dr. Carl BöhretDr. Götz Konzendorf

unter Mitarbeit von Jürgen Intveen

im Auftragdes Bundesministeriums des Innern und desInnenministeriums Baden-Württemberg

www.staat-modern.de

www.verwaltungsreform-bw.de

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Impressum

Herausgeber:Bundesministerium des InnernStabsstelle Moderner Staat – Moderne VerwaltungAlt-Moabit 101 D10559 Berlin

in Zusammenarbeit mit dem

Innenministerium Baden-WürttembergDorotheenstraße 670137 Stuttgart

Umschlaggestaltung:fischerAppelt Kommunikation GmbH, Hamburg

Druck:Druck Center Meckenheim GmbH, Meckenheim

Stand: Juli 2000

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Inhalt

Vorwort ...................................................................................................................... 5

Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung

1. Einleitung: Warum Gesetzesfolgenabschätzung?.......................................... 6

2. Gesetzesfolgenabschätzung: Grundlagen ...................................................... 7Was ist GFA? ...................................................................................................................7Wo setzt GFA an? ...........................................................................................................7Was bringen die einzelnen Module?.............................................................................8Wie ist dieser Leitfaden im Weiteren aufgebaut? .......................................................8

3. Die drei Module der GFA................................................................................... 93.1 Prospektive GFA ................................................................................................. 9

Fragestellungen und Instrumente der prospektiven GFA .........................................9Grundzüge des Vorgehens ..........................................................................................11

3.2 Begleitende GFA ............................................................................................... 14Fragestellungen und Instrumente der begleitenden GFA .......................................14Grundzüge des Vorgehens ..........................................................................................17

3.3 Retrospektive GFA ............................................................................................ 19Fragestellungen und Instrumente der retrospektiven GFA .....................................19Grundzüge des Vorgehens ..........................................................................................21

4. Hinweise für Anwender ................................................................................... 25

Ausgewählte Literatur zum Leitfaden ................................................................... 26

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Vorwort

Für Bund und Länder ist die höhere Akzeptanz und Wirksamkeit von Recht ein wich-tiger Reformbereich der Staats- und Verwaltungsmodernisierung. Erklärtes Ziel hier-bei ist, die Qualität der Rechtsvorschriften zu verbessern und die Regelungsdichte zuverringern. Einen Beitrag dazu kann die Gesetzesfolgenabschätzung leisten.

Verschiedene Einzelbeispiele haben gezeigt, dass Gesetzesfolgenabschätzungenerfolgreich durchgeführt werden können. Eine Systematisierung und Verallgemeine-rung dieser Erfahrungen gab es bisher jedoch nicht. In einem gemeinsamen Projektdes Bundesministeriums des Innern mit dem Innenministerium Baden-Württembergund der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer entstandendaher ein Leitfaden und ein Handbuch zur Gesetzesfolgenabschätzung als Unter-stützung für die Praxis.

Der vorliegende Leitfaden soll praxisorientiert den Einstieg in diese Thematik er-leichtern. In verständlicher und knapper Form werden die unterschiedlichen Metho-den und die wichtigsten Verfahrensschritte der Gesetzesfolgenabschätzung darge-stellt. Der Leitfaden hilft, die geeignetste Methode und den zweckmäßigsten Umfangder Gesetzesfolgenabschätzung auszuwählen. Er enthält weiterhin Hinweise, welcheErgebnisse bei der Anwendung der verschiedenen Methoden zu erwarten sind.

Im Handbuch werden die Methoden ausführlicher und vertieft dargestellt, mit denenman bei vorherigen, begleitenden und nachträglichen Gesetzesfolgenabschätzungenzu überprüfbaren Ergebnissen kommt. Die Anleitungen und Kommentierungen zuden einzelnen Schritten sind mit Beispielen unterlegt. Das Handbuch enthält als Ar-beitshilfe auch Hinweise, wie Art und Umfang der durchzuführenden Gesetzesfol-genabschätzung sinnvoll den zeitlichen oder finanziellen Rahmenbedingungen oderden zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen angepasst werden können.

Die Erstellung des Leitfadens zur Gesetzesfolgenabschätzung mit dem Handbuch istein Projekt des am 1. Dezember 1999 beschlossenen Programms der Bundesregie-rung „Moderner Staat - Moderne Verwaltung“. Ziel ist die Erneuerung von Staat undGesellschaft in einer umfassenden Reforminitiative. Eine ausführliche Darstellungdes Programms mit aktuellen Informationen ist im Internet unter www.staat-modern.de zu finden.

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Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung1. Einleitung: Warum Gesetzesfolgenabschätzung?

Die Gesetzesfolgenabschätzung (GFA) ist ein wichtiger Beitrag zur Reform derStaatstätigkeit und zur Verwaltungsmodernisierung. Als Verfahren zur Rechtsopti-mierung trägt sie zur Verminderung der Regelungsmenge, zum sparsamen Umgangmit knappen Ressourcen und zur Vermeidung von Akzeptanzverlusten bei. Sie sollprinzipiell weniger, dafür bessere, schlankere und leichter verstehbare Regelungenermöglichen und damit auch deren Befolgbarkeit und Vollziehbarkeit fördern.

Gesetzesfolgenabschätzung soll helfen, die wahrscheinlichen Folgen und Neben-wirkungen rechtsförmiger Regelungsvorhaben zu ermitteln und zu beurteilen. Gel-tende Rechtsvorschriften können auf ihre Bewährung hin geprüft werden. Sie sollinsbesondere bei Rechtsvorschriften mit beträchtlicher Wirkungsbreite und erhebli-chen Folgen angewendet werden. Sie muss Zukunftsperspektiven und Entwicklun-gen (Gesellschaft, Umwelt; Europäisierung, Globalisierung) berücksichtigen und indie Folgenabschätzung einbeziehen. Das unterscheidet den heutigen - umfassende-ren - Anspruch von den Gesetzestests und Prüflisten der 80er und 90er Jahre.

Die Gesetzesfolgenabschätzung soll den politisch-administrativen Prozess der Ge-setzgebung unterstützen und zu seiner Rationalisierung beitragen. Sie ersetzt nichtdie politische Entscheidungs- und Handlungsverantwortung. Es gibt unterschiedlicheMöglichkeiten, sie in das Regierungssystem zu integrieren; so z.B. als Anweisungenin den Geschäftsordnungen politisch-administrativer Instanzen oder in Form vonNormprüfstellen neuen Typs.

Dieser Leitfaden ermöglicht einen raschen Einstieg in die GFA. Er bietet einen Über-blick über die Möglichkeiten und Vorgehensweisen der GFA. Er soll die Entschei-dung erleichtern, ob eine GFA erwogen werden kann, ob sie vollständig vorgenom-men oder ob sie auf ausgewählte Verfahren beschränkt werden soll. Für die Konzep-tion, Durchführung und Auswertung einer GFA steht ein ausführliches Handbuch zurVerfügung, das viele praxiserprobte Beispiele enthält.

Der vorliegende Leitfaden und das Handbuch zur Gesetzesfolgenabschätzung wur-den erstellt am Lehrstuhl für Politikwissenschaft der Deutschen Hochschule für Ver-waltungswissenschaften Speyer im Auftrag des Bundesministeriums des Innern unddes Innenministeriums Baden-Württemberg.

Für Anregungen bei der Entwicklung und Erprobung der Methodik der Gesetzesfol-genabschätzung sowie für die Erstellung von Leitfaden und Handbuch danken wirallen in- und ausländischen Beratern und Kommentatoren.

Speyer, im Juni 2000 Carl Böhret/Götz Konzendorf

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2. Gesetzesfolgenabschätzung: Grundlagen

Was ist GFA?

Gesetzesfolgenabschätzung ist ein Verfahren zur Erkundung und vergleichendenBewertung von Folgen beabsichtigter bzw. in Kraft getretener Rechtsvorschriften. Siedient

- der expertengestützten Entwicklung von Regelungsalternativen und deren ver-gleichender Folgenbeurteilung,

- der Überprüfung von Entwürfen nach bestimmten Kriterien wie Ko-sten/Wirksamkeit, Verständlichkeit,

- der laufenden oder zeitpunktbezogenen Evaluierung der tatsächlich eingetretenenWirkungen in Kraft gesetzter Rechtsvorschriften (Bewährungsprüfung).

Wo setzt GFA an?

Aus den Anforderungen unterschiedlicher Stadien der Gesetzgebung wurden dreiGFA-Bausteine (Module) abgeleitet:

- Die prospektive GFA (pGFA) als vorausschauendes Verfahren der Folgenab-schätzung auf der Basis von Regelungsalternativen.

- Die begleitende GFA (bGFA) als vorausschauendes Verfahren auf der Basis ei-nes rechtsförmigen Entwurfs.

- Die retrospektive GFA (rGFA) als rückschauendes Verfahren auf der Basis einerin Kraft getretenen Rechtsvorschrift.

Diese drei Module können als durchgängiges Verfahren oder auch einzeln verwendetwerden. Die folgende Tabelle beschreibt hierzu in Kurzform wichtige Merkmale.

Tabelle: Die GFA-Module und ihre MerkmaleMerkmal

ModulZeitpunkt Zentrale

FragestellungenErwartbares

Ergebnis

pGFABei beabsichtigter rechts-förmiger Regelung und zurGrobprüfung der Rege-lungsnotwendigkeit

Welche Regelungsalternati-ve verspricht die bestmögli-che Zielerreichung? WelcheEffekte sind wo für wen undwann zu erwarten?

Auswahl einer optimalenRegelungsalternative; ggf.auch Nicht-Regelung

bGFAIm Entwurfstadium sowiezum Test und zur Prüfungvon Entwürfen oder ausge-wählter Teile

Sind die geplanten Rege-lungen für Normadressatengeeignet, für das Rege-lungsfeld treffend, sind Be-und Entlastungen optimier-bar?

Bestätigung, Ergänzung,Verbesserung des Entwurfsund von Entwurfsteilen

rGFAEinige Zeit nach Inkrafttre-ten einer Rechtsvorschrift,wenn Anwendungserfahrun-gen vorliegen

Konnten Regelungszieleerreicht werden? Ist eineNovellierung ratsam?

Grad der Bewährung (z.B.Zielerreichung, Akzeptanz);erforderliche Änderungen

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Was bringen die einzelnen Module?

Die GFA stellt politisch-administrativen Entscheidungsträgern Informationen übervorhersehbare Folgen von Regelungsalternativen bereit (pGFA). Sie liefert frühzeitigHinweise auf spätere Befolgbarkeit und Vollziehbarkeit von Rechtsvorschriften, ein-schließlich der zu erwartenden Be- und Entlastungen (bGFA). Bewährungsprüfungenermitteln als nachträgliche Kontrolle den Zielerreichungsgrad und die Akzeptanz derin Kraft gesetzten Rechtsvorschriften bei den Normadressaten (rGFA).

Wie ist dieser Leitfaden im Weiteren aufgebaut?

Dieser Leitfaden skizziert grundlegende Merkmale der drei GFA-Module. Er schlägtfür jedes Modul zweckmäßige Ansatzpunkte vor und gibt Hinweise für die Durchfüh-rung der GFA.

Zunächst wird jedes Modul in seiner Zielsetzung beschrieben, dann werden typischeFragestellungen angegeben, die die jeweilige Untersuchung anleiten. Anschließendwird skizziert, was mit dem jeweiligen Modul erreicht wird. Es folgt ein Abschnitt, indem wichtigen Aufgaben- und Fragestellungen geeignete Verfahren und Instrumentezugeordnet werden. Abschließend werden die Grundzüge des Vorgehens beschrie-ben und in Diagrammen dargestellt. Es lassen sich jeweils eine Konzeptions-, eineDurchführungs- und eine Auswertungsphase unterscheiden.

Die in diesem Leitfaden dargestellten Vorgehensweisen sind aus praktischen Erfah-rungen gewonnen worden. Dabei zeigte sich, dass nicht alle Verfahren und Instru-mente für jedes Gesetzgebungsvorhaben gleichermaßen geeignet sind. Die Auswahlder Prüfkriterien, Verfahren und Instrumente ist bei jeder GFA neu vorzunehmen undrichtet sich nach den Regelungszielen, den Eigenheiten des Regelungsfeldes, derUntersuchungsabsicht und den verfügbaren Ressourcen (Zeit, Personal, Finanzen).Diese Flexibilität darf aber nicht zu einem Verzicht auf die wesentlichen Elementeverleiten. Die absichtsgetreue Konzipierung, die Stringenz bei der Durchführung unddie methodische Kompetenz bei der Auswertung sind unverzichtbar, um den vollenNutzen der GFA zu entfalten.

Fachbegriffe, Verfahren und Instrumente, die in diesem Leitfaden verwendet werden,sind im Handbuch zur GFA ausführlich erläutert.

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3. Die drei Module der GFA

3.1 Prospektive GFA

Die prospektive GFA dient der Entwicklung von Regelungsalternativen, deren ver-gleichender Folgenbeurteilung und der daraus zu ermittelnden optimalen Rege-lungsmöglichkeit. Grundlage ist eine Regelungsintention. Die Betrachtungsweise istvorausschauend.

Sie kann eingesetzt werden, um

- die Notwendigkeit einer rechtsförmigen Regelung zu ermitteln,- Regelungsalternativen zu entwickeln und auf ihre wahrscheinlichen Folgen (Wir-

kungen, Belastungen, gesellschaftliche Entwicklungen) abzuschätzen und ver-gleichend zu bewerten,

- die Zweckmäßigkeit der Regelungsalternative zu erfassen,- die optimale Regelungsalternative herauszufinden.

Typische Fragestellungen für die prospektive GFA:

- Besteht in einem abgegrenzten Bereich ein Regelungsbedarf?- Wie lässt sich das Regelungsfeld beschreiben?- Welche alternativen Regelungsmöglichkeiten bestehen und welche - auch langfri-

stigen - Folgen sind jeweils zu erwarten?- Welche Regelungsalternative erweist sich als optimal?

Die prospektive GFA

- beschreibt und bewertet erwartbare Folgen der Regelungsalternativen,- verweist auf wahrscheinliche Be- und Entlastungen,- begründet die optimale Zielerreichung einer Regelungsalternative,- skizziert die Konturen einer rechtsförmigen Regelung.

Fragestellungen und Instrumente der prospektiven GFA

Im Folgenden werden typischen Aufgaben- und Fragestellungen geeignete Verfah-ren und Instrumente zugeordnet.

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Typische Aufgaben- undFragestellungen

Verfahren und Instrumente

Wenn untersucht werden soll, ob Schwie-rigkeiten, Hindernisse, Widerstände,Konflikte im Regelungsfeld auftreten undwodurch sie verursacht werden, bietet sich eine Problemanalyse an. Sie

geht von der Beobachtung von Konflikten,Mängeln etc. im Regelungsbereich ausund sucht nach Erklärungsfaktoren für diebeschriebenen Probleme (z.B. im Rege-lungsbereich Wald: Widerspruch zwi-schen ökologischen Anforderungen ei-nerseits und Freizeitnutzungen anderer-seits).

Wenn Ziele bestimmt worden sind undgefragt werden soll, wovon die Zielerrei-chung abhängt, werden die Ziele mit Hilfe einer Ziel-

analyse präzisiert und es wird untersucht,welche Maßnahmen die definierten Zieleunterstützen könnten (z.B.: Unterstütztdie Bildung von Forstzweckverbänden dieeffiziente, ordnungsgemäße und nach-haltige Waldwirtschaft?).

Wenn die Beziehungen von Subsystemendes Regelungsfeldes zueinander analy-siert werden sollen, bietet sich eine Systemanalyse an. Mit

diesem Instrument werden relevante Fol-genfelder ermittelt und die wechselseiti-gen Abhängigkeiten (Interdependenzen)zwischen ihnen aufgezeigt (z.B. im Re-gelungsfeld Pflegeversicherung: Verhält-nis der ambulanten Versorgung zur sta-tionären Versorgung).

In jedem Fall müssen bei einer prospekti-ven GFA – nach der Durchführung dieserAnalysen – Regelungsalternativen ent-wickelt werden. Dafür bietet es sich an, die fachlichen und poli-

tischen Erkenntnisse im Regelungsfeld zunutzen und zudem grundsätzliche Steue-rungsformen des Staates (z.B. zwischenmarktorientierter und strikter Steuerung)zu berücksichtigen.

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Typische Aufgaben- undFragestellungen

Verfahren und Instrumente

Wenn unterschiedliche Annahmen überEntwicklungen im Regelungsfeld berück-sichtigt werden sollen, können Szenarien aus allgemeinen ge-

sellschaftlichen Entwicklungstrends ab-geleitet werden (z.B. im Regelungsbe-reich Einkaufszentren: Annahmen überVeränderungen des Kaufverhaltens imZusammenhang mit technologischenEntwicklungen).

Für die Ermittlung von Folgen der Rege-lungsalternativen – gegebenenfalls unterBerücksichtigung der Szenarien –, sind externe Experten und Normadres-

saten einzubeziehen (Workshop, Befra-gungen). Bei der Folgenermittlung sinddie Prüfkriterien Zielerreichung, Kosten-Effektivitäts-Verhältnis, Kompatibilität mitEntwicklungen in anderen Bereichen undNebenfolgen zu berücksichtigen (z.B.mögliche Auswirkungen eines Anti-Graffiti-Gesetzes auf das Malerhand-werk). Dafür können verschiedene In-strumente genutzt werden, wie z.B.: Del-phi-Befragung, Science Court-Verfahren,Nutzwertanalyse, Computer-Simulation,Effektivitäts-Kosten-Abschätzung.

Grundzüge des Vorgehens

Konzeptionsphase

Nach der grundsätzlichen Entscheidung darüber, eine prospektive GFA durchzufüh-ren (Anstoß), ist zunächst unbedingt eine Analyse des Regelungsfeldes vorzuneh-men. Hierzu bieten sich Problem-, Ziel- und Systemanalysen an.Ebenso notwendig ist es, Regelungsalternativen zu entwickeln. Dabei ist es ratsam,neben anderen Alternativen, den Status quo als Null-Alternative zu berücksichtigen.Grundsätzlich empfiehlt es sich, Szenarien des Regelungsumfeldes zu entwerfen,durch die eine gedankliche Vorwegnahme der Rahmenbedingungen erfolgt, in denendie Regelungen zukünftig wirken sollen. In Ausnahmefällen kann auf die Szenarien-bildung verzichtet werden.

Hinweis:Bei diesen konzeptionellen Arbeiten können Kreativitätstechniken, Literaturauswer-tungen, Experteninterviews und andere Hilfsinstrumente nützliche Dienste zur Be-schreibung, Strukturierung und Systematisierung des jeweiligen Gegenstandes lei-sten.

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Schließlich sollten Instrumente und Verfahren zur Folgenabschätzung wie zum Bei-spiel die Delphi-Methode oder die Effektivitäts-Kosten-Abschätzung ausgewählt undkonzeptionell sowie organisatorisch vorbereitet werden. In jedem Fall soll ein Work-shop geplant werden, an dem Experten und Normadressaten teilnehmen.

Durchführungsphase

In dieser Phase sollte zunächst ein Workshop mit Experten aus dem Regelungsfeldsowie Normadressaten durchgeführt werden. Bei der Auswahl dieses Personenkrei-ses sind unter anderem folgende Auswahlkriterien – mit denen eine ergebnisoffeneDiskussion ermöglicht werden soll – zu berücksichtigen: Die Normadressaten solltenvom Regelungsfeld direkt betroffen sein. Die Experten sollten unabhängig sein, un-terschiedlichen Fachdisziplinen angehören (Interdisziplinarität) und in verschiedenenBereichen (also Wissenschaft, Staat, Wirtschaft) und Ebenen (Planung / Koordinie-rung; Vollzug) tätig sein.

Der Workshop dient zum einen der Prüfung der vorher entwickelten Regelungsalter-nativen im Hinblick auf fachliche Richtigkeit, interne Schlüssigkeit und Vollständig-keit. Zum anderen sollen die Experten und Normadressaten die Regelungsalternati-ven – gegebenenfalls vor dem Hintergrund der Szenarien – anhand der Prüfkriterienauf zu erwartende Folgen erörtern und beurteilen. Die Ergebnisse sind zu dokumen-tieren. Bei der Durchführung des Workshops sind ausgewählte – vor allem qualitative– Instrumente zur Folgenabschätzung einzusetzen.

Des Weiteren ist die Anwendung von quantitativen Instrumenten (z.B. Delphi-Befragung) zur empirischen Ermittlung von Folgen der Regelungsalternativen – ge-gebenenfalls vor dem Hintergrund der Szenarien – nützlich. Hierbei können auchweitere Experten und Normadressaten einbezogen werden.

Darüber hinaus sollen die Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Erhebungensystematisch in folgenorientierte Systemanalysen einfließen. Diese können auch alsComputer-Simulationen mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnologieerstellt werden.

Auswertungsphase

An die Durchführungsphase der prospektiven GFA schließen sich die systematischeAuswertung, Aufbereitung und Dokumentation der Vorgehensweise und der Ab-schätzungsergebnisse an. Dabei sollen auch Empfehlungen für optimale Regelungs-alternativen gegeben werden. Die Auswahl der Regelungsalternative, die rechtsför-mig umgesetzt werden soll, erfolgt durch die politische Entscheidungsebene auf derBasis der Ergebnisse der prospektiven GFA.

In Abb. 1 ist die gebräuchliche Vorgehensweise dargestellt.

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Anstoß zur pGFA

Analyse des Regelungsfeldes

Entwicklung vonRegelungsalternativen

Entwicklungvon Szenarien

Auswertung, Aufbereitung undDokumentation inklusiveEmpfehlungen für eine

optimale Regelungsalternative

Abschätzung der Folgen proRegelungsalternativen unter

Anwendung der Instrumente,gegebenenfalls vor dem

Hintergrund der Szenarien

Auswahl und Aufbereitunggeeigneter Instrumente

Hilfsinstrumente•Kreativitätstechniken•Literaturauswertung•Experteninterviews•andere

Prüfung und nötigenfallsModifikation der

Regelungsalternativen

Auswahl der Regelungsalternative durch politische Führungsebene;Entscheidung über den Fortgang

der GFA

Durchführungsphase

Konzeptionsphase

Abb . 1: Empfohlene Vorgehensweise für eine prospektive GFA

Workshops mit Experten undNormadressaten

Qualitative Verfahren und Instrumente•Strukturierte Experten- und Normadressatendiskussion•Nutzwertanalyse•Science Court-Verfahren•Effektikivitäts-Kosten-Abschätzung•andere

•Quantitative Verfahren und Instrumente•Delphi-Befragung•andere standardisierte Befragungen

Systematisierende Verfahren und Instrumente•Folgenorientierte Systemanalyse•Computer-Simulation•andere

Auswahlkriterien: Experten•Interdisziplinarität•verschiedene Bereiche•verschiedene Ebenen•andere

Auswahlkriterien: Normadressaten•direkte Betroffenheit•andere

Auswertungssphase

Prüfkriterien

Zielerreichung

Kosten-Effektivitäts-Verhältnis

Nebenfolgen

Kompatibilität zu anderen Bereichen

andere

Analyseverfahren•Problemanalyse•Zielanalyse•Systemanalyse•andere

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3.2 Begleitende GFA

Die begleitende GFA dient der Prüfung und dem Test von rechtsförmigen Entwürfenoder Entwurfsteilen. Grundlage ist ein Regelungsentwurf. Die Betrachtungsweise istvorausschauend.

Sie kann eingesetzt werden, um

- einen rechtsförmigen Entwurf nach Prüfkriterien (z. B. Praktikabilität, Kostenfol-gen) zu analysieren,

- einen rechtsförmigen Entwurf oder Teile davon realitätsnah zu testen,- Unsicherheiten über Nebenwirkungen zu verringern,- einen rechtsförmigen Entwurf zu optimieren.

Typische Fragestellungen für die begleitende GFA:

- Sind die geplanten Regelungen befolgbar und akzeptabel?- Sind die geplanten Regelungen vollziehbar und effizienzfördernd?- Stehen Belastungen und Entlastungen (Kosten/Nutzen; Verteilungsoptimalität)

insgesamt in einem angemessenen Verhältnis?

Die begleitende GFA

- weist nach, inwieweit die konzipierten Vorschriften befolgbar, vollziehbar, effi-zienzfördernd, kostengünstig und verteilungsoptimal sind,

- hilft dabei, unnötige Regelungen zu beseitigen und Vereinfachungsmöglichkeitenauszuschöpfen,

- macht Lücken und Mängel kenntlich und schafft Korrekturmöglichkeiten, decktWidersprüche, Unverständlichkeiten und ungewollte Folgen auf und empfiehltWege zu deren Berichtigung oder Minimierung.

Fragestellungen und Instrumente der begleitenden GFA

Im Folgenden werden typischen Aufgaben- und Fragestellungen geeignete Verfah-ren und Instrumente zugeordnet.

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Typische Aufgaben- undFragestellungen

Verfahren und Instrumente

Wenn ein Regelungsentwurf ganz oderteilweise überprüft werden soll, sind die hierfür relevanten Prüfkriterien zu

wählen (z.B. Vollzugspraktikabilität, Ver-teilungswirkungen, Verstehbarkeit) unterderen Berücksichtigung sodann die fol-genrelevanten Regelungsteile bestimmtwerden.

Wenn die Prüfkriterien und die prüfrele-vanten Ausschnitte festgelegt sind, erfolgt die Auswahl der für die Überprü-

fung geeigneten Testverfahren (z.B.Planspiel) und Prüfinstrumente (z.B. Ko-stenfolgenanalyse).

Wenn festgestellt werden soll, ob und wiesehr die geplanten Regelungen (Maß-nahmen) die Ziele erreichen, bietet sich vor allem eine Nutzwertanaly-

se an (z.B.: Welche Regelungen zur Ein-führung von Steuerplaketten für Kraft-fahrzeuge erreichen die Ziele am be-sten?).

Wenn untersucht werden soll, ob derNormanwender die neuen Vorschriftenproblemlos und effizient vollziehen kann, bietet sich ein Praxistest an (z.B.: Funk-

tionieren Gründung und Betrieb vonFahrgemeinschaften?) oder es ist einePersonalaufwandsschätzung hilfreich(z.B.: Entsteht zusätzlicher Personalauf-wand durch die Erhebung einer Fehlbele-gungsabgabe im sozialen Wohnungs-bau?).

Wenn geprüft werden soll, ob die Norm-adressaten die neuen Vorschriften pro-blemlos und effizient befolgen können, bieten sich hierfür Planspiel und Praxis-

test an (z.B.: Ist eine reibungslose Zu-sammenarbeit bei der Katastrophenbe-kämpfung gewährleistet?).

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Typische Aufgaben- undFragestellungen

Verfahren und Instrumente

Wenn überprüft werden soll, ob durch dieneuen Rechtsvorschriften institutionelleund finanzielle Be- und Überlastungenentstehen könnten, bieten sich organisationsbezogene Prüf-

instrumente an, wie das Funktionendia-gramm (z.B.: Wie ist die Belastungsver-teilung zwischen Organisationseinheitenbei der Erstellung von Wirtschaftsplä-nen?) oder die Kostenfolgenanalyse(z.B.: Wie hoch dürften die Bürokratiebe-lastungen kleiner Betriebe werden?) so-wie die Kosten-Nutzen-Analyse (z.B.:Welche Alternative eines Hochschulför-derprogramms erreicht ein Verteilungs-optimum?).

Wenn andere Rechtsvorschriften berührtwerden oder konfliktäre Wechselwirkun-gen zwischen Normen vermutet werden, lassen sich Interdependenz- und Schnitt-

stellenanalysen vornehmen (z.B.: Wie istdie Schnittstelle bezüglich ambulanterDienste zwischen dem Entwurf des Pfle-geversicherungsgesetzes und kranken-versicherungsrechtlichen Regelungen zubeurteilen?).

Wenn festgestellt werden soll, ob dieNormadressaten die Vorschriftenentwürfeverstehen und deshalb befolgen odernutzen können, bieten sich Verständlichkeits- und Konsi-

stenzprüfungen an (z.B.: Sind die Be-wertungsgrundsätze für Umweltauswir-kungen im Entwurf eines Umweltverträg-lichkeitsprüfungsgesetzes eindeutig ver-stehbar?; Ist die Rechtsvorschrift schlüs-sig aufgebaut?).

Wenn gänzlich neue Sachverhalte erst-mals rechtsförmig geregelt werden sollen,

können Akzeptanzstudien und Planspieleeingesetzt werden, um die Reaktion derNormadressaten sowie die des Rege-lungsfeldes insgesamt abzuschätzen.

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Grundzüge des Vorgehens

Konzeptionsphase

Nach der grundsätzlichen Entscheidung darüber, eine begleitende GFA durchzufüh-ren (Anstoß), sind die zweckmäßigen Prüfkriterien (z.B. Vollzugspraktikabilität; Ko-stenfolgen) und die zu untersuchenden Teile des rechtsförmigen Entwurfs (z.B. Ab-schnitt x oder §§ y, z) zu bestimmen.

Danach werden die geeigneten Testverfahren (z.B. Planspiel) und Prüfinstrumente(z.B. Kosten-Nutzen-Analyse) unter Berücksichtigung der Prüfkriterien ausgewählt(z.B. kann die Praktikabilität durch einen Praxistest überprüft werden). Schließlichwerden die für die jeweilige Fragestellung ausgewählten Tests und Prüfungen kon-zeptionell und organisatorisch vorbereitet.

Durchführungsphase

In dieser Phase werden die ausgewählten Tests und Prüfungen durchgeführt. Bei derDurchführung von Tests sind möglichst Normadressaten zu beteiligen. Bei der An-wendung von Prüfinstrumenten ist dies ebenfalls ratsam; es sei denn, dass bereitsausreichende Informationen zum Prüfgegenstand (z.B. Kostengrößen) verfügbarsind.

Hinweis:

Die Aufwendungen für Tests und Prüfungen sind unterschiedlich hoch. Ein Praxistest

etwa erfordert einen höheren Ressourceneinsatz (Beteiligte, Zeit, Auswertung) als

eine einfache Kostenfolgenanalyse. Der jeweilige Aufwand ist mit den zu erwarten-

den Verbesserungen abzugleichen.

Auswertungsphase

Es folgt die systematische Auswertung, Aufbereitung und Dokumentation der Test-und Prüfergebnisse. Daraus ergeben sich Empfehlungen zur Veränderung und zurErgänzung des Regelungsentwurfs oder die Regelungsvorschläge werden bestätigt.Aus den Empfehlungen folgt gegebenenfalls eine Modifikation des Regelungsent-wurfs.

In Abb. 2 ist die gebräuchliche Vorgehensweise dargestellt.

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Anstoß zu Test und Prüfung

Festlegung der Prüfkriterien

Auswahl der folgenrelevantenRegelungsteile

Auswahl und Zuordnung geeigneterTestverfahren und Prüfinstrumente

zu Prüfkriterien

Konzeptionelle und organisatorischeVorbereitung der Tests sowie der

Prüfungsinstrumente

Auswertung und Aufbereitung derErgebnisse. Dokumentation

Zielerreichbarkeit

Praktikabilität

Verteilungswirkungen (mit Kostenfolgen)

Verstehbarkeit

Wechselwirkungen

Akzeptierbarkeit

Abb. 2: Empfohlene Vorgehensweise für eine begleitende GFA

andere

Durchführung der Tests mitNormadressaten und / oder

Anwendung der Prüfinstrumente

-

Konzeptionsphase

Prüfkriterien

Exemplarische ZuordnungPrüfkriterienPraktikabilitätVerstehbarkeit

PrüfkriterienZielerreichung

Verteilungswirkungen

Wechselwirkungen,Verträglichkeit

Verstehbarkeit

Akzeptanz

Geeignetes TestverfahrenPlanspielPraxistest

Geeignetes PrüfinstrumentNutzwertanalyse

KostenfolgenanalyseKosten-NutzenanalyseLeistungsflußanalyse

InterdependenzanalyseSchnittstellenanalyse

VerständlichkeitsprüfungKonsistenzprüfung

Akzeptanzstudien

Durchführungsphase

Auswertungsphase

EmpfehlungenVeränderungen, Ergänzungen;

Bestätigung

Gegebenenfalls Modifikationdes Regelungsentwurfs

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3.3 Retrospektive GFA

Die retrospektive GFA soll eingetretene Folgen einer Rechtsvorschrift ermitteln. DieBetrachtungsweise ist rückschauend.

Sie kann eingesetzt werden, um

- die Zielerreichung einer Rechtsvorschrift im Nachhinein zu erfassen,- Nebenfolgen und weitere eingetretene Effekte einer Rechtsvorschrift zu er-

kennen,- Novellierungsbedarf und -umfang der vorhandenen Regelung festzustellen.

Typische Fragestellungen für die retrospektive GFA:

- Sind die Ziele mit den geltenden Regelungen erreicht worden?- Welche Nebenwirkungen sind aufgetreten und sind diese erheblich?- In welchem Umfang sind Be- und Entlastungen entstanden?- Hat sich die Regelung als praktikabel und befolgbar erwiesen?- Besteht ein Novellierungs- oder Aufhebungsbedarf?

Die retrospektive GFA

- zeigt den Erfolg bestehender Regelungen,- verdeutlicht Ansatzpunkte für eine Verbesserung der bestehenden Regelung,- begründet gegebenenfalls eine Novellierung, eine Neufassung einer Rechts-

vorschrift oder deren Aufhebung.

Fragestellungen und Instrumente der retrospektiven GFA

Im Folgenden werden typischen Aufgaben- und Fragestellungen geeignete Verfah-ren und Instrumente zugeordnet.

Typische Aufgaben- undFragenstellungen

Verfahren und Instrumente

Wenn die Folgen einer Rechtsvorschriftevaluiert werden sollen, sind Prüfkriterien festzulegen. Mögliche

Prüfkriterien sind Zielereichungsgrad,Kostenentwicklung, Kosten-Nutzen-Effekte, Akzeptanz, Praktikabilität undNebeneffekte (z.B. bei einem Brand-schutzgesetz: War aufgrund der Zustän-digkeitsregelungen eine reibungsfreieKoordination und Kooperation derEinsatzkräfte gewährleistet?).

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Typische Aufgaben- undFragenstellungen

Verfahren und Instrumente

Wenn der Zielerreichungsgrad derRechtsvorschriften untersucht wird, ist es in vielen Fällen ratsam, den Zu-

sammenhang zwischen den Zielen undMaßnahmen der Rechtsvorschrift zuidentifizieren und in einem Wirkungsmo-dell zu veranschaulichen (z.B. WelcheMaßnahmen im Pflegeversicherungsge-setz unterstützen das Ziel „ambulante vorstationärer Pflege“? In welchem Zusam-menhang steht dieses Ziel mit dem Ober-ziel „Soziale Absicherung des Risikos derPflegebedürftigkeit“?).

Wenn gefragt wird, wo Folgen derRechtsvorschrift auftreten, kann aus ihren Einzelregelungen ermittelt

werden, welche Normadressaten undwelche Felder (z.B. Ökologie, Wirtschaft)betroffen sind.

Um die Evaluation erfolgreich durchfüh-ren zu können, ist ein Maßstab zur Beurteilung der zu

erhebenden Daten notwendig. Als Ver-gleichsgrößen für die im Geltungsbereichder Rechtsvorschrift erhobenen Datensollen möglichst Soll-Werte (z.B. Emissi-onsgrenzwerte bei Autoabgasen) aus derRechtsvorschrift herangezogen werden.Sind solche nicht angegeben, so solltenandere Vergleichsarten angewandt wer-den (Vorher – Nachher; Zeitreihe nachInkrafttreten der Rechtsvorschrift; Fallstu-dien).

Um die Daten für die Evaluation zu er-halten,

können einschlägige Materialien (z.B.Pflegestatistiken) herangezogen undlaufende Berichterstattungen veranlasstund genutzt werden. Nötigenfalls sindFeldforschungen und Experten / Adres-saten-Workshops durchzuführen.

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Typische Aufgaben- undFragenstellungen

Verfahren und Instrumente

Wenn die Zeitpunkte für die Evaluationnicht im Gesetz genannt sind, sind geeignete Zeitpunkte festzulegen.

Dazu sollten bereits Anwendungserfah-rungen vorliegen (z.B. bei einem Kata-strophenschutzgesetz: Sind erste Scha-densfälle im Geltungszeitraum des Ge-setzes aufgetreten?).

Um die Auswertung der relevanten Datendurchführen zu können, sind geeignete statistische und inhalts-

analytische Verfahren einzusetzen (z.B.Zeitreihenanalyse).

Um die eingetretenen Folgen der Rechts-vorschrift zu bewerten, wird untersucht, ob die Ziele in dem be-

absichtigen Ausmaß erreicht wurden, obdie Regelungen akzeptiert werden, ob dieNebenfolgen und die Kostenentwicklun-gen akzeptabel sind. Außerdem ist zuprüfen, ob sich die aufgrund der Rechts-vorschrift angewandten Abläufe als prak-tikabel erwiesen haben.

Grundzüge des Vorgehens

Konzeptionsphase

Nach der grundsätzlichen Entscheidung darüber, eine retrospektive GFA durchzufüh-ren (Anstoß), sind zunächst die Prüfkriterien festzulegen. Zentrale Prüfkriterien sindZielerreichungsgrad, Kostenentwicklungen, Kosten-Nutzen-Effekte, Akzeptanz derRegelung, Praktikabilität und Nebenfolgen.

Soll der Zielerreichungsgrad evaluiert werden, so ist zunächst das Wirkungsmodellzu beschreiben, das der Rechtsvorschrift zugrunde liegt. Das Wirkungsmodell gibtden in der Rechtsvorschrift angenommenen Gesamtzusammenhang zwischen denRegelungszielen und den darauf gerichteten Einzelmaßnahmen an.

Anschließend erfolgt die Festlegung des Evaluationsumfangs. Es wird entschieden,welche Teile der Regelung untersucht werden sollen. Für die Evaluation einerRechtsvorschrift im Hinblick auf die Prüfkriterien sind die realen Entwicklungen be-züglich dieser Kriterien im Geltungsbereich der Rechtsvorschrift vergleichend zuanalysieren. Als Vergleichsmaßstab sollten möglichst Soll-Werte der Rechtsvorschriftverwendet werden (Soll-Ist-Vergleich). Wenn diese nicht verfügbar sind, dann kön-nen folgende Vergleichsgrößen herangezogen werden:

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- Daten und Entwicklungen im Geltungszeitraum des Gesetzes im Vergleich mitentsprechenden Daten vor Inkrafttreten des Gesetzes (Vorher – Nachher –Vergleich),

- Daten und Entwicklungen nach Inkrafttreten der Rechtsvorschrift zu unter-schiedlichen Zeitpunkten (Ex-post-Analyse in Form einer Zeitreihe nach In-krafttreten der Rechtsvorschrift),

- Daten und Entwicklungen im Geltungsbereich der Rechtsvorschrift im Ver-gleich mit entsprechenden Daten im Geltungsbereich einer die gleiche Rege-lungsmaterie betreffenden anderen Rechtsvorschrift (Fallstudien; z.B. Ver-gleich von Regelungen in vergleichbaren Länder).

Die geeignete Vergleichsart oder eine Kombination von Vergleichsarten müssen injedem einzelnen Fall bestimmt werden.

Im Anschluss sind Vermutungen (Hypothesen) bezüglich der Prüfkriterien messbarzu formulieren; es ist also eine Operationalisierung vorzunehmen (z.B.: Das Pflege-versicherungsgesetz führt zu einem erhöhten Anteil der ambulanten Pflege am ge-samten Pflegeaufkommen). Danach ist zu bestimmen, wann und wo die Datenerhe-bung erfolgen soll. Dann ist die Art der Datenerhebung auszuwählen sowie konzep-tionell und organisatorisch vorzubereiten. Die Datenerhebung kann durch fortlaufen-de Berichte, durch Feldforschung und durch Experten/Adressaten-Workshops ge-schehen. Es können auch einschlägige Materialien (z.B. Statistiken) herangezogenwerden. Weiterhin sollten die Auswertungsverfahren für die zu erhebenden Datenangegeben werden.

Durchführungsphase

In dieser Phase ist die Datenerhebung durchzuführen. Sie erfolgt nach den empi-risch-analytischen Regeln.

Auswertungsphase

Die erhobenen Daten werden vergleichend ausgewertet. Je nach der Art (qualitative,quantitative Daten) sind vor allem inhaltsanalytische Verfahren oder statistischeAuswertungsverfahren anzuwenden. Anschließend werden die Ergebnisse vergli-chen. Die Qualität der Rechtsvorschrift wird bezüglich der ausgewählten Prüfkriterienbewertet. Bei der Bewertung sollten unter anderem folgende Fragen beachtet wer-den:

- Wurden die Ziele in dem beabsichtigten Ausmaß erreicht?- Sind die Nebenfolgen und Kostenentwicklungen hinnehmbar?- Sind die vorgeschriebenen Abläufe praktikabel?- Werden die Regelungen akzeptiert?

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- Trifft der in der Rechtsvorschrift enthaltene Zusammenhang zwischen Zielenund den darauf bezogenen Einzelmaßnahmen zu, trifft also das der Rechts-vorschrift zugrundeliegende Wirkungsmodell zu?

Die Vorgehensweise und die Auswertungsergebnisse inklusive Empfehlungen sindzu dokumentieren. Als Ergebnis kann die Novellierung, Aufhebung oder Neufassungder untersuchten Regelung vorgeschlagen und skizziert werden. Ergebnis kann aberauch die Empfehlung sein, die Regelung, wenn sie sich bewährt hat, unverändertfortbestehen zu lassen. Die Entscheidung über die Novellierung, die Aufhebung, dieNeufassung oder den unveränderten Fortbestand der Regelungen obliegt den jeweilspolitisch verantwortlichen Institutionen (dem Parlament; bzw. dem jeweils zuständi-gen exekutiven Organ).

In Abb. 3 ist die gebräuchliche Vorgehensweise dargestellt.

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Anstoß zur rGFA

Festlegung der Prüfkriterien

Festlegung des Evaluationsumfangs

Auswahl der Vergleichsart

Durchführung der Datenerhebung

Auswertung der erhobenen Daten

Soll - Ist

Vorher - Nachher

ex-post-Analyse

Fallstudien

•Laufende Bericht-erstattung

•Feldforschung•Experten / Adressaten - Workshops•Einschlägige Materialien

Abb . 3: Empfohlene Vorgehensweise für eine retrospektive GFA

Zielerreichungsgrad

Kosten

Kosten-Nutzen-Effekte

Akzeptanz

Praktikabilität

Nebeneffekte

Wirkungsmodellbeschreiben

andere

Konzeptionsphase

Auswahl der Art der Datenerhebung.Konzeptionelle und organisatorische

Vorbereitung der Datenerhebung

Dokumentation der Evaluation mitEmpfehlungen

Operationalisierung der Prüfkriterien

Festlegung der Auswertungsverfahren

Durchführungsphase

Auswertungsphase

Vergleichende Bewertung der Qualitätder Rechtsvorschrift

Entscheidung über Novellierung,Aufhebung, Neufassung oder

unveränderten Fortbestand derRegelungen durch die Politik

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4. Hinweise für Anwender

Dieser Leitfaden kann nur die Prinzipien, Module und Vorgehensweisen der Geset-zesfolgenabschätzung darstellen, und dies so, wie sie sich bereits in der Praxis be-währt haben. Dieser generelle Zugang kann auf mehrfache Weise unterstützt wer-den. Dafür bieten sich drei Ergänzungen an:

1. Bei der Durchführung einer GFA hilft das ausführliche Handbuch zur Gesetzes-folgenabschätzung weiter. Als praxisorientierte Arbeitshilfe enthält dieses ersteGFA-Handbuch eine ausführliche Beschreibung der im Leitfaden erwähnten Ver-fahren und Instrumente für jedes der drei GFA-Module. Diese werden ergänztdurch praxiserprobte Anwendungen und Durchführungserfahrungen. Im Hand-buch erleichtern ein Glossar und ein Stichwortverzeichnis die Benutzung ebensowie Hinweise auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen Verfahren und Instrumente,den jeweiligen Aufwand und die Hilfsangebote.

2. Anwendungsbezogene Fortbildungsveranstaltungen erleichtern sowohl denZugang zur GFA als auch die Aneignung des Umgangs mit den Verfahren undInstrumenten. Projektorientierte Seminare zu einem Regelungsvorhaben oderanhand nachvollziehbarer Erprobungsbeispiele werden angeboten und bei Bedarfdurchgeführt durch die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung, die DeutscheHochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer / Forschungsinstitut für öf-fentliche Verwaltung, das Land Baden-Württemberg und teilweise auch von ande-ren Ländern.

3. Alle Erfahrungen mit der Entwicklung und Durchführung von GFA belegen, dassdieser herausfordernde Prozess in erheblichem Maße von einer funktionierendenZusammenarbeit zwischen politischer Entscheidungsebene, gesetzesvorberei-tenden Organisationseinheiten und externem (Methoden-) Sachverstand abhängt.Solche „GFA-Bündnisse auf Zeit“ waren bisher und sind auch weiterhin die Ga-ranten des Erfolgs, der sich in weniger, dafür besseren, schlankeren und leichterverstehbaren Regelungen äußert.

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Ausgewählte Literatur zum Leitfaden

Handbuch

Böhret, Carl / Konzendorf, Götz, Handbuch zur Gesetzesfolgenabschätzung, Berlin2000 (mit weiteren Literaturhinweisen und vertieften Informationen; erscheint voraus-sichtlich Ende 2000).

Aufsätze

Böhret, Carl, Gesetzesfolgenabschätzung (GFA): Modisch oder hilfreich? In: Schrek-kenberger, Waldemar, / Merten, Detlef (Hrsg.), Grundfragen der Gesetzgebungsleh-re, Berlin 2000

Bussmann, Werner, Die Methodik der prospektiven Gesetzesevaluation. In: Gesetz-gebung heute (LeGes), 3 / 1997, S. 109 ff.

Grimm, Christoph / Brocker, Lars, Die Rolle der Parlamente im Prozeß der Geset-zesfolgenabschätzung. In: Zeitschrift für Gesetzgebung, 14. Jhg., 1999, S. 58 ff.

Konzendorf, Götz, Gesetzesfolgenabschätzung. In: Universitas – Zeitschrift für inter-disziplinäre Wissenschaft, 54. Jhg., Oktober 1999, S. 952 ff.

Neuser, Klaus, Mehr Rationalität durch Gesetzesfolgenabschätzung? In: Nieder-sächsische Verwaltungsblätter, 5. Jhg., 11/1998, S. 249 ff.

Sammelbände

Hill, Hermann / Hof, Hagen (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht II. Verwaltung alsAdressat und Akteur, Baden – Baden 2000.

Hof, Hagen / Lübbe-Wolf, Gertrud (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht I. Wirkun-gen und Erfolgsbedingungen von Gesetzen, Baden – Baden 1999.

Zeitschriften, die sich mit dem Thema Gesetzesfolgenabschätzung befassen:

Zeitschrift für Gesetzgebung, Heidelberg.

Gesetzgebung heute (LeGes), Bern.