Motorik 2. Stunde: Motorische Areale des zerebralen Kortex...

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1 Motorik 1. Stunde: Stützmotorik vs. Lokomotion 2. Stunde: Motorische Areale des zerebralen Kortex 3. Stunde: Basalganglien 4: Stunde: Kleinhirn 5: Stunde: Pathologie: Erkrankungen der motorischen Einheit 6: Stunde: Pathologie (II) 7: Stunde: Technologie Lehrbücher: Klinke/Pape/Kurtz/Sibernagl, Physiologie: Kapitel 23: Sensomotorische Systeme Schmidt/Lang/Heckmann: Physiologie des Menschen: Kapitel 7: Motorische Systeme Notiz: Das „=>“ ist im Text als „führt zu“ zu verstehen.

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Motorik 1. Stunde: Stützmotorik vs. Lokomotion 2. Stunde: Motorische Areale des zerebralen Kortex 3. Stunde: Basalganglien 4: Stunde: Kleinhirn 5: Stunde: Pathologie: Erkrankungen der motorischen Einheit 6: Stunde: Pathologie (II) 7: Stunde: Technologie Lehrbücher: Klinke/Pape/Kurtz/Sibernagl, Physiologie: Kapitel 23: Sensomotorische Systeme Schmidt/Lang/Heckmann: Physiologie des Menschen: Kapitel 7: Motorische Systeme Notiz: Das „=>“ ist im Text als „führt zu“ zu verstehen.

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1. Stunde: Stützmotorik vs. Lokomotion Stützmotorik: Regelkreise, die den Hirnstamm und das Mark integrieren, ermöglichen die aufrechte Körperhaltung. Normalerweise wird keine willkürliche Bewegung benötigt. Mehrere motorische Hirnstammzentren arbeiten dafür: lateral gelegenes motorisches Kerngebiet der Formatio reticularis in der Medulla oblongata; medial gelegenes motorisches Kerngebiet der Formatio reticularis; Nucleus vestibularis lateralis (Deiters); Nucleus ruber im Mittelhirn. Die werden von mehreren Zentren im Kortex aktiviert:

MI = Primärer motorischer Kortex SMA = Supplementär-motorische Rinde PM = Prämotorische Rinde SI = Primärer senso-motorischer Kortex ASS CX = Parietaler Assoziationskortex

Die schicken zwei Klassen von Efferenzen: 1) Tractus rubrospinalis und Tractus reticulospinalis lateralis, die die Alpha- und

Gamma-Motoneuronen von Flexoren erregen und die Extensoren hemmen 2) Tractus vestibulospinalis und Tractus reticulospinalis medialis, die die Alpha- und

Gamma-Motoneuronen von Extensoren erregen und die Flexoren hemmen. Bei einer Hirnstammläsion im Bereich der Vierhügelplatte, werden die Efferenzen des N. ruber blockiert, aber nicht die des Tractus vestibulospinalis und des Tractus reticulospinalis medialis. Das Resultat: Dezerebrierungsstarre, eine tonische Aktivierung der Extensoren der Arm- und Beinmuskeln, die eine spastische Streckhaltung des Rumpfes und der Extremitäten produziert.

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Haltereflexe (oder Stehreflexe):

• Bewahren des Gleichgewichtes bei z.B. Skateboard fahren. • Sie nutzen Informationen über die Position, die durch die vestibulären und visuellen

Systeme vermittelt werden. • Zusätzliche Informationen von Rezeptoren der Halsmuskulatur => Position des

Kopfes gegenüber der Wirbelsäule. • Änderung der Kopfstellung relativ zur Körperstellung => Korrektur der

Tonusverteilung der Körpermuskulatur = tonische Halsreflexe. • Zerstörung höherer motorischer Zentren => diese Hirnstammreflexe werden

chronisch enthemmt.

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Stellreflexe:

• Sensorische Information von Labyrinth, Halssensoren und Auge induzieren Stellreflexe

• Körper richtet sich auf (liegende Stellung zu aufrechter Körperstellung) => Als Labyrinth-Stellreflexe bezeichnet

• Analog oben => Hals-Stellreflexe Lokomotion:

• Viel komplexer, mehr als nur einfache Reflexe • Bewegung erfolgt durch komplexe Abfolgen von Kontraktionen der Beinmuskulatur. • Die rhythmische Aktivität wurde 1911 von Graham Brown entdeckt.

Die Lokomotion nutzt spinale Rhythmusgeneratoren: für rhythmisches Gehen, Laufen oder Schwimmen. Diese werden Zentraler Muskelgenerator (Central pattern generator, CPG) genannt. Die einfachsten CPGs enthalten Neurone, die spontan APs auslösen. Andere können Depolarisationen weit über den anfänglichen Aktivitäts-„Burst“ aufrechterhalten (Plateau Potenziale), wobei diese Aktivität stärker kontrolliert ist als bei einem einfachen Burst; wieder andere CPGs enthalten Interneurone – z.B. können zwei Neurone, die sich gegenseitig inhibieren, ein oszillierendes System bilden, wenn jedes die Eigenschaft eines postinhibitorischen Rebounds hat (= die Eigenschaft, sich selber zu depolarisieren, wenn sie hyperpolarisiert sind. Dies geschieht durch Hyperpolarisation-aktivierte Ca2+ Kanäle: sobald

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ein Neuron stark hyperpolarisiert ist, öffnen sich die Ca2+ Kanäle und die Neurone sind direkt durch den Ca2+ Einstrom depolarisiert).

Einfaches CPG: zwei CPG Neurone hemmen einander über hemmende Interneurone (klein, schwarz im Bild). Sie produzieren dadurch ein oszillierendes System, wobei Extensor Motoneurone (MN) nie gleichzeitig mit Flexor Motoneuronen aktiv sind. Es gibt nur Perioden von Extensor Aktivität, gefolgt von Flexor Aktivität, dann Extensor Aktivität, usw.

Die Aktivitäts-Bursts von CPG Neuron brauchen keine sensorische Signalverarbeitung. Die CPG Neurone sind vom zentralen tonischen Eingang aktiviert:

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Solche oszillierenden Systeme sind bei allen Wirbeltieren zu sehen (hier Neunauge):

Die Lage von CPG Neuronen beim Menschen: Als Antwort auf äußere Reize lösen die CPG Systeme eine komplexe Muskelaktivierung aus: z.B. bei Berührung der Fußsohlen bei Neugeborenen => Schreitbewegung. Die Aktivität koordiniert mehrere Muskelgruppen. Wie oben erklärt, erfordert die Bewegung eine Aktivierung bestimmter Muskelklassen, während andere inhibiert werden.

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Propriozeption reguliert den zeitlichen Ablauf und die Amplitude der Schrittfolgen. Mit anderen Worten gesagt: Muskelspindeln und Golgisehnenorgane sind an der Bewegungskoordination beteiligt. Hier führt eine Streckung des Knie- Flexor Muskels (Stretch flexor) zu einer Reflex Bewegung (Zuckung) im Flexor Muskel und zu einer Hemmung des Extensor Muskels (durch reziproke antagonistische Hemmung).

Werden Ia Afferenzen des Extensor-Muskels elektrisch gereizt, sind eine Verlängerung der Extensoraktivität und eine komplette Blockade der Flexoraktivität zu beobachten: wieder reziproke antagonistische Hemmung

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Zuletzt wird die Bewegung von höheren Zentren kontrolliert, wobei es auch zur Koordination mit den sensorischen Systemen kommt.

Die Schnelligkeit kann durch elektrische Reizung im Mittelhirn (lokomotorisches Zentrum) geändert werden. Die Lokomotion kann generell durch absteigende monoaminerge Systeme des Hirnstamms moduliert werden.

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Für die komplette Kontrolle und Integration von Lokomotion sind mehrere andere Zentren zuständig:

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2. Stunde: Motorische Areale des zerebralen Kortex Wie in der ersten Vorlesung besprochen, sind die Mechanismen von Stützmotorik und Lokomotion primär im Rückenmark angelegt. Diese werden via absteigender supraspinaler Signale moduliert, wie z.B. durch Interneurone, CPG Neurone, usw. Diese Bewegungen sind meistens Reflex-bedingt und mehr oder weniger unbewusst koordiniert. Bei zielmotorischen Bewegungen ist der Kortex involviert:

• Idee eine Bewegung auszuführen (z.B. von den subkortikalen Motivationsarealen) • Zuerst wird in den assoziativen Arealen des Kortex ein Bewegungsplan

zusammengesetzt (posterior parietaler Kortex und präfrontaler Kortex); beginnt ca. 0.8 Sekunden vor der Bewegung; wird mittels EEG gemessen = Bereitschaftspotenzial

• Danach wird ein Bewegungsprogramm in Teilen der Assoziationsareale, Basalganglien und Kleinhirn entwickelt. Etwa 100 ms vor der Bewegung = Prämotorpotenzial

• Bewegungskommando des primären motorischen Kortex, ca. 50 ms vor Bewegungsbeginn = Motorpotenzial

• Bewegung => Ausführung wird vom Hirnstamm/Kleinhirn überwacht Die Reihenfolge an Aktivitäten im Kortex ist unten gezeigt: alle Potenziale sind in beiden Hemisphären zu sehen, ausgenommen das Motorpotenzial, welches nur in der kontralateralen Hemisphäre zu sehen ist (kontralateral zum bewegten Muskel):

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Aufbau des Motorkortex:

• Primärer motorischer Kortex (Area 4, M1) in der vorderen Seite des Sulcus centralis. Hier wird das Bewegungsprogramm durchgeführt.

• Supplementär-motorische Rinde (supplementary motor area, SMA) (Area 6). Bewegungen werden hier initiiert und geplant.

• Prämotorische Rinde (Premotor area, PMA) (auch Area 6). Hier wird das Bewegungsprogramm erstellt. Läsionen führen zu Defiziten in der Ausführung erlernter Bewegungen (Apraxien); das Broca-Areal (Sprachproduktion) und das frontale Augenfeld befinden sich auch in der PMA

• Area 8 (frontales Augenfeld). Steuerung der äußeren Augenmuskeln • Motorische Assoziationsareale: posteriorer Parietalkortex (Area 5 und 7) und

präfrontaler Kortex. Verarbeitung + Integration von Informationen

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• Schichten: wie für alle andere kortikale Areale. Aber Schicht IV ist wenig ausgeprägt. Größe Pyramidenzellen in Schicht V, die Betz’schen Pyramidenzellen (ca. 100 µm Durchmesser), deren Axone bilden den Tractus corticospinalis => Hauptausgangssystem des motorischen Kortex, kommt hauptsächlich aus den Arealen 4 und 6.

Die Pyramidenzellen des Motorkortex bilden folgende Ausgangssysteme:

• Tractus corticospinalis lateralis, 75-90% der Fasern • Tractus corticospinalis medialis (ventralis) • Beide innervieren Interneurone in der Pars Intermedia des Rückenmarks • Nur ca. 2% der Axone des Tractus corticospinalis enden an Alpha-Motoneuronen! • Dieser direkte corticospinale Weg zur Bewegung ist auf Handbewegungen

ausgerichtet => Präzisionsgriff • Ein indirekter Weg: Kollaterale zu Neuronen des Nucleus ruber und der

Retikulärformation für zielmotorische Bewegungen (z.B. Klettern).

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Der primäre motorische Kortex:

• Der motorische Homunkulus • Maßgebend für die Dimension der Repräsentation ist die Zahl der Neurone, nicht die

Größe des Körperteils • Organisation in funktionelle Säulen, die nicht für einzelne Muskeln zuständig sind.

Dieser Parameter ist variabel und abhängig von Muskel, Lage und Innervierungsdichte.

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• Läsionen von Pyramidenbahnen führen generell zu Störungen der motorischen

Geschicklichkeit, zu Lähmungen und Verlust von Präzisions-Bewegungen. Z.B. können Beeren nicht mehr akkurat gepflückt werden. Nur Massengriffe sind möglich.

• Läsionen führen zu motorischen Lähmungen (Paresen) auf der Gegenseite (warum die

andere Seite?). Lähmungen der Extremitäten (Hemiplegie, Hemiparese), faziale Parese.

• Ursache – z.B. Hirninfarkt. • Zur Untersuchung: transkranielle Magnetstimulation.

In der Abbildung unten: die kleine Amplitude der Messung am rechten Daumenballen und die fehlende Signal-Synchronisation induzieren Kortex (oder motorische Thalamus) Probleme.

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• Läsionen können auch zum Babinski-Reflex führen (Dorsalbewegung der Großzehe und Spreizen der anderen Zehen beim Entlangstreichen an der lateralen Fußsohle, normalerweise gehemmt; wird in der Vorlesungen zur Neuromuskulären Physiologie besprochen).

• Spastik ist generell wahrscheinlich ein Wegfallen thalamo-kortikaler Verbindungen, nicht des Tractus corticospinalis.

Die Motoneuronen in M1 sind 50-150 ms vor einer Bewegung aktiviert => eine Kontraktion wird folgen. Wenn der Bewegungsablauf behindert wird => über sensorische Bahnen wird der Kortex informiert => mit einer Latenz von 20-35 ms werden M2- und M3-Antworten kommen = „long-loop-Reflexe“. Dienen der Kontrolle von Bewegungen.

Zur Erinnerung, eine Zusammenfassung der Afferenzen des motorischen Kortex:

• Thalamokortikaler Eingang => Informationen vom Kleinhirn, Basalganglien, medial-lemniskalen System

• Kortiko-kortikale Eingänge, über Assoziationsfasern • Aufsteigende extrathalamische Fasersysteme

Ein interessanter Punkt: bei willkürlichen Bewegungen sind die Bereitschaftspotenziale im Kortex etwa 800 ms vor der Bewegung zu sehen, aber den Probanden wird erst etwa 200-300 ms vor der Bewegung bewusst, dass sie die Bewegung machen (von Benjamin Libet schon in den 1970er Jahren demonstriert). Also startet das Gehirn eine Bewegung etwa 500 ms bevor die Bewegung bewusst wird. Gibt es dann den „freien Willen“??? (hitzige Diskussion seit den 1980er Jahren).

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3. Stunde: Basalganglien Die Basalganglien bestehen aus Kerngebieten des Striatums, des Thalamus und des Mittelhirns, bilateral unter dem Kortex und sind parallel zum Kortex geschaltet.

• empfangen neokortikale Eingänge, hauptsächlich vom Assoziationskortex. • schicken Efferenzen über den motorischen Thalamus zu den motorischen Abschnitten

des Kortex. • Haben hemmende Funktion • Die Basalganglien sind in der Initiierung und Terminierung komplexer Bewegungen

involviert. Sie determinieren welche Art von Bewegung einer gegebenen Situation oder Aufgabe angemessen ist.

• Sie selektieren und prozessieren motorische und nicht-motorische Handlungsmuster

Verschiedene Transmittersysteme:

• Glutamat (erregend) • GABA (hemmend) • Dopamin (über D1-Rezeptoren erregend, im direkten Weg; über D2-Rezeptoren

hemmend, im indirekten Weg, siehe unten). • Acetylcholin (hemmend)

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Anatomie Basalganglien: • 4 Kerne • Striatum = Eingangsstation zu den Basalganglien. Geformt von Nucleus caudatus,

Putamen und Nucleus Accumbens. Striatum = parallel somatotop angeordnetes System (was ist das?). 95% der Neurone = GABA-erg. Andere = Neuropeptide.

• Globus pallidus. Teil des Thalamus. • Substantia nigra, im Mittelhirn lokalisiert. Hoher Gehalt an Melanin. Pars compacta

(Dopamin), Pars reticulata (GABA). • Nucleus subthalamicus.

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Eingänge/Ausgänge • Die meisten zum Striatum • Aus nahezu dem gesamten Kortex, erregend (Glutamat). • Erregende Eingänge vom Thalamus, heterogene Eingänge von der Substantia nigra

pars compacta • Ausgänge von hemmenden Neuronen des Globus pallidus pars interna (GABA) und

der Substantia nigra pars reticulata (GABA), zum Thalamus. Vom Thalamus => erregende Projektion in den Kortex (z.B. frontaler Kortex).

• => Kortiko-thalamo-Kortikale Rückkoppelungsschleife (loop) Zwei parallele synaptische Verschaltungswege: Direkter Weg und Indirekter Weg:

Direkter Weg: hemmende Axone des Striatums (mit GABA + Substanz P) projizieren zum Globus pallidus pars interna und zur Substantia nigra pars reticulata. Beide Areale hemmen den motorischen Thalamus, bei Aktivität des Striatums jedoch ist die Hemmung unterbrochen. Da die Neurone im Globus pallidus tonisch aktiv sind, setzten sie GABA frei und inhibieren den Thalamus, sodass durch die Aktivierung des Striatums auch der Thalamus aktiviert ist. In diesem Weg sind zwei hemmende Systeme hintereinander geschaltet: Der Globus Pallidus/Substantia nigra reticulata hemmen den Thalamus, aber werden wiederum vom Striatum gehemmt, was zu einer Disinhibition des Thalamus und dadurch zur Aktivität des Thalamus und Kortex führt. Die Disinhibition aktiviert die Neuronen nicht, aber macht sie aktivierbar.

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Indirekter Weg: Hemmende Synapsen des Striatums (mit GABA +Enkephalin) hemmen den Globus pallidus pars externa, der normalerweise den Nucleus subthalamicus hemmt. Jetzt ist der Nucleus subthalamicus disinhibiert und kann den Globus pallidus pars interna und die Substantia nigra pars reticulata aktivieren. Diese hemmen den Thalamus, was zu einer Inaktivierung des Thalamus und Kortex führt. Ein zusätliches System, ist der interne Weg: Von der Substantia nigra pars compacta projizieren dopaminerge Axone zum Striatum. GABA + Substanz P Neurone werden durch Dopamin 1 (D1) Rezeptoren aktiviert (D1 Rezeptoren sind Gs gekoppelt). GABA + Enkephalin Neurone werden durch Dopamin 2 (D2) Rezeptoren gehemmt (D2 Rezeptoren sind Gi gekoppelt). Dadurch ist der direkte Weg aktiviert und der indirekte Weg gehemmt. Zusammengefasst: der direkter Weg ist bewegungsfördernd, der indirekte Weg funktioniert als „Bremse“. Die Basalganglien sind Teil von vier funktionellen Rückkoppelungsschleifen (loops):

• Skelettmotorische Schleife (Körpermotorik) • Okulomotorische Schleife • Kognitive (präfrontale) Schleife (Beteiligung an kognitiven Funktionen) • Limbische Schleife (Ausdrucksmotorik – Mimik, etc.)

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Pathologie:

• Dopaminmangel: die Aktivierbarkeit der thalamokortikalen Strukturen wird herabgesetzt. Mangel an Dopamin wird mittels L-Dopa ausgeglichen.

• Hypokinetische Bewegungsstörungen • Parkinson-Erkrankung (Parkinson’s Disease, 1817): verlangsamte Bewegungen

(Bradykinese), erhöhter Muskeltonus (Rigor), Zittern in Ruhe (Ruhetremor, 3-5/s), veränderte haltungsbezogene Reflexe => Degeneration der dopaminergen Neurone in der Substantia nigra. Ursachen = Stress, Umweltgifte, Pestizide, alpha-Synuclein Überproduktion (siehe unten). Auch MPTP, ein Verunreinigungsprodukt bei der Heroinsynthese, das durch Dopamin-Transporter in die Zellen gelangt und toxisch ist.

• Parkinson’s Disease => verstärkte Hemmung des motorischen Thalamus. Verschiedene Therapie-Methoden: Stammzelltherapie, Tiefen-Hirnstimulation, Hirnschrittmacher

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• Hyperkinetische Bewegungsstörungen: Huntington (in 1872 beschrieben), 1: 20.000

Personen. Verlust von GABA/Enkephalin Neuronen im Striatum => erhöhte Hemmung des Nucleus subthalamicus => disinhibiert den Thalamus. Keine Therapie (außer, z.B., Schutz vor oxidativem Stress – Vitamine, etc.).

• Hyperkinetische Bewegungsstörungen: Ballismus: Schädigung des Nucleus subthalamicus; Bewegungen ähnlich zu Wurfbewegungen. Hemmende Neurone des Globus pallidus pars interna sind nicht mehr aktiviert => Thalamus wird disinhibiert.

• Dystonien => Steigerung des Muskeltonus, abnormale Bewegungen, z.B. Torticollis. • Athetosen => unwillkürliche, langsame wurm- oder schraubenförmige Bewegungen

von Gliedmassen. Schädigung des Striatums.

Forschungs-Schwerpunkt: Ein Protein in dopaminergen Neuronen, das sogenannte alpha-Synuclein, ist wahrscheinlich für die meisten Parkinson Fälle verantwortlich: durch pathologische Proteinaggregation sind die Neuronen gestört. Solche Aggregate sind seit ca. 1840 bekannt:

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4: Stunde: Kleinhirn

• Teil des Metencephalons (Hinterhirn) • 10% des Gehirnvolumens, aber 50% der Neurone • Steuerung der Motorik: Koordination, Feinabstimmung, unbewusste Planung,

motorisches Lernen

Anatomie:

• Eine kortikale Schicht (Kleinhirnrinde), Fasern innen (weiße Substanz) • Ansammlungen von Nervenzellen in der weißen Substanz = Kleinhirnkerne =>

Nucleus fastigii, Nucleus interpositus, Nucleus dentatus • Grobe Anatomie: Lobus anterior cerebelli (Vorderlappen), Lobus posterior cerebelli

(Hinterlappen) und ein kleiner Lobus flocculonodularis (Flöckchen-Knötchen Lappen) • Zentraler Streifen = Vermis cerebelli (Wurm) • Hemisphären: ein großer lateraler Teil und eine schmale interne Pars intermedia.

Funktionelle Anatomie: • Vestibulozerebellum (~Lobus flocculonodularis) erhält Eingänge vom

Vestibularsystem (Axone von N. VIII und Vestibulariskernen), projiziert zu den Vestibulariskernen. Kontrolliert Augenbewegungen und Gleichgewicht.

• Spinozerebellum (~Vermis + Pars intermedia): Afferenzen von Rückenmark und Großhirnrinde, projiziert auf Nucleus fastigii und Nucleus interpositus. Kontrolle von Bewegungskommandos und der Lage von Extremitäten; Mimik.

• Zerebrozerebellum: der größte Teil des Kleinhirns; Afferenzen vom Großhirn (prämotorischer Kortex und supplementärmotorisches Areal) über pontine Kerne, projiziert auf Thalamus. Grobe Bewegungsentwürfe.

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Kleinhirnrinde:

• Regelmäßiger Aufbau: 3 Schichten, 5 verschiedene Neuronentypen • Molekularschicht (Stratum moleculare, außen), mit hemmenden Neuronen (GABA) =

Stern- und Korbzellen. • Darunter die Purkinjezellschicht (Stratum ganglionare), mit Purkinjezellen (GABA).

Diese stellen den einzigen Ausgang der Kleinhirnrinde dar => Axone zu den zerebellären Kernen und dem lateralen Vestibulariskern (Nucleus deiters).

• Körnerzellschicht (Stratum granulosum). Körnerzellen (erregend, Glutamat), sehr viele (50 Milliarden). Auch hier Golgizellen (GABA), inhibieren die Körnerzellen.

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Eingänge:

• 1) Kletterfasern, von der Oliva inferior (Tractus olivocerebralis). Synapsen mit Dendriten von Purkinje-Zellen, erregend, niederfrequent (1-3 Hz). 1 Faser = ungefähr 200 Synapsen pro Purkinje-Zelle => einzelne APs von Kletterfaser werden Purkinje-Zellen fast immer erregen.

• 2) Moosfasern, von Hirnstamm, Rückenmark; Informationen aus der Peripherie und Großhirnrinde (Tractus cortico-ponto-cerebellaris), hochfrequent (50-100Hz); aktivieren die Körnerzellen, die dann durch ihre Axone (die Parallelfasern) die Purkinje-Zellen erregen. 1 Parallelfaser => 1 Synapse mit Purkinje-Zelle. Einzelne APs konnen die Purkinje-Zellen nicht alleine erregen => Summation benötigt.

• 3) Modulierende Afferenzen aus den Raphekernen (Serotonin) und Locus coeruleus (Noradrenalin)

• Moosfasern + Parallelfasern => Purkinjezellen werden zuerst erregt und dann durch Korb- und Sternzellen gehemmt => Zeitmuster! Dies wird als Hemmung/Disinhibition zu den Kleinhirnkernen weitergeleitet => dann zur spinalen Ebene.

• So hemmen Purkinje-Zellen überschwängliche Motorik. Die Purkinje-Zellen müssen gehemmt sein, um Bewegungen zu produzieren.

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Die Aktivität basiert auf mehreren Start-Stopp Systemen (eine Zelle wird aktiviert und sofort danach inaktiviert):

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Funktion:

• Vermis => Stützmotorik. Kontrolliert Körperhaltung, Muskeltonus, stützmotorische Bewegungen. Zusammen mit dem Vestibulozerebellum (siehe oben) => Gleichgewicht, Okulomotorik, Augen-Kopf-Koordination.

• Pars intermedia => erhält vom Motorkortex eine „Kopie“ des Bewegungsprogramms

(Efferenzkopie) und vom spinozerebellaren Trakt die Information über die Durchführung der Bewegung. Differenzen werden erkannt => Korrekturen!

• Laterale Hemisphären => Verbindungen zwischen assoziativen Kortexarealen und

Motorkortex. Benötigt für korrekte, schnelle, ballistische Zielbewegungen, die keinen zeitlichen Spielraum für Rückkopplungen bieten.

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Motorisches Lernen

• Beispiel: Lidschlussreflex (Lidschluss durch akustischen Reiz ausgelöst) • Aber auch Klavierspielen, Skifahren, etc. • Durch Lernen werden Bewegungen schneller und gleichmäßiger • Zelluläre Mechanismen: Long-term-depression (LTD) meistens

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Störungen: • Läsionen: Rumpf-, Stand- und Gangataxie (gestörtes Zusammenspiel von

Muskelgruppen) • Dysmetrie (fehlende Zielgenauigkeit) • Intentionstremor • Dysarthrie (Sprechstörung) • Nystagmus • Störungen im Muskeltonus • Hyperreflexie

Zusammengefasst für die verschiedene Zerebellum Teile:

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5: Stunde: Erkrankungen der motorischen Einheit

• Neuronal bedingte (neurogene) oder muskulär bedingte (myopathische) Krankheiten • Hauptsymptom für alle motorische-Einheit-Erkrankungen:

Skelettmuskelschwäche • Andere Symptome: Unfähigkeit, die Muskeln zu entspannen (Myotonie), Krämpfe,

Schmerz (Myalgie) • Myoglobin wird mit Urin ausgeschieden (Myoglobinuria)

Unten sind Beispiele für normale Muskelfasern (A, links) und ein Muskel nach Degeneration abgebildet (B, rechts): die roten und weißen Fasern sind nicht normal gemischt und es gibt zu viele weiße Fasern.

Noch ein Beispiel: Fasern mit verschiedenen Größen (C, links), was auf eine Erkrankung hinweist. Rechts (D) zeigen die Pfeile auf sehr dunkle Fasern, wo die Aktin und Myosin Filamente zu dicht gepackt sind.

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Mehrere Gruppen von Krankheiten können unterschieden werden: 1) neurogene: hier sterben die Alpha-Motoneurone 2) neurogene: hier werden die Axonen angegriffen – entweder die Axone selbst, oder die

Myelinscheiden 3) myopatische: hier gehen zuerst die Muskelzellen zugrunde.

Bei neurogenen Krankheiten gehen einige motorische Einheiten verloren. Wenn ein Neuron stirbt, oder sein Axon verschwindet, sind die von diesem Neuron innervierten Muskelfasern nur für kurze Zeit ohne synaptische Kontakte. Dieser „weniger innervierte“ Zustand (Denervated Muscle auf Englisch, im Bild unten) hält nur kurz an, weil andere Alpha-Motoneurone diese Fasern innervieren werden. Gesunde Alpha-Motoneurone lassen neue Axon-Kollateralen wachsen und innervieren alle nicht-innervierten Fasern. Die motorischen Einheiten werden dadurch größer, aber insgesamt gibt es weniger Einheiten als vorher (weil jetzt einzelne Neurone sehr viele Fasern innervieren). Ebenso wird der Fasertyp geändert und der Muskel sieht wie in Bild B (vorige Seite) aus. Weil bei neurogenen Krankheiten die motorischen Einheiten größer sind, jedoch ihre Anzahl verringert ist, wird die EMG Amplitude größer und die Frequenz kleiner (vergleichen Sie A, normal und B, neurogen, im Bild unten). Bei myopatischen Krankheiten ist die Situation einfacher. Von jeder motorischen Einheit sterben einige Fasern. Die Anzahl von motorischen Einheiten bleibt konstant, aber deren Größe (die Anzahl an Fasern) reduziert sich. Das bedeutet, dass bei myopatischen Krankheiten die EMG Amplitude kleiner wird, während die Frequenz konstant bleibt (C im Bild unten).

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Diagnose: • EMG-Antworten, um durch Messungen der Amplitude und Frequenz den Phänotyp zu

erkennen • Messung der Muskelenzym-Aktivität im Serum, um zu determinieren, ob viele Fasern

schon tot sind und deren Enzyme im Serum freigesetzt wurden • Untersuchung der Nervenleitfähigkeit, um zu determinieren, ob die Myelinscheiden

betroffen sind • Muskelbiopsien • DNA-Analyse (um Genotypen zu determinieren)

Die Tabelle zeigt ein Schema für die Differenzierung von Diagnosen bei neurogenen oder myopatischen Erkrankungen.

Beispiel-Krankheiten: Erkrankungen der Motoneurone: typischerweise akut oder chronisch. Zum Beispiel, die amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Es handelt sich um eine Motoneuronerkrankung, die zum Absterben der Neurone führt. Hauptsymptome: Muskelschwäche und Atrophie

• Symptome beginnen mit schmerzloser Schwäche von Armen und Beinen, kann auch die Atmungsmuskeln betreffen

• Faszikulation (sichtbare Zuckungen), möglicherweise durch unkontrollierte ACh-Ausschüttung; es ist unklar, wie die Ausschüttung koordiniert wird, sodass es zu sichtbaren Zuckungen kommt.

• Fibrillation (nicht sichtbare Zuckungen), ausgelöst durch spontane Aktivität der Muskelfasern. In einigen Fällen kommt es zum zusätzlichen Einbau spannungs-gesteuerter Calcium- und Natrium-Kanäle im Muskel => Schrittmacherartige Aktivität.

• Oft kommt es zu einer Hyperreflexie, oder vermehrten Sehnenreflexen, die charakteristisch für Erkrankungen der oberen Motoneurone sind.

• Dysarthria, Dysphagia • Keine Therapiemöglichkeit bekannt

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• Sehr wenige familiäre Fälle (~5%), etwa 20% davon sind mit Mutationen in der Superoxiddismutase 1 (SOD1) assoziiert.

Erkrankungen der peripheren Nerven: auch akut oder chronisch: Akut: Guillain-Barré Syndrom:

• Häufig Atemwegsinfektionen, aber nicht alle • Autoimmunantwort, die die peripheren Nerven angreift durch (im Blut?) zirkulierende

Antikörper • Behandlung: Plasmapherese • Rückkehr zum Normalzustand möglich

Chronisch (genetisch-bedingt): Charcot-Marie-Tooth • Eine Verdopplung des Genes für das Peripheral Myelin Protein (PMP) auf

Chromosom 17. • Zu viel Myelin wird produziert. Es akkumuliert auf den Nerven, was zu Instabilität

und Absterben führt. Deswegen werden die Nerven partiell de-myelinisiert und die Nervenleitungsgeschwindigkeit nimmt ab.

Andere Störungen der periphere Nerven und Motoneurone:

• Metabolisch: Diabetes, Vitamin B12-Mangel, Thiamin-Mangel • Vergiftung: Blei, Alkohol • Karzinom • Immunerkrankungen

Diese Erkrankungen sind entweder demyelinisierend oder axonal. Erkrankungen der Skelettmuskulatur: entweder erblich bedingt (genetisch) oder erworben. Z.B. sind bei den Muskeldystrophien (generell erblich bedingt) verschiedene Defekte der Moleküle, welche die Sarkomere an das Kollagen bindet, bekannt (Anker-Proteine, die in der Neuromuskulären Physiologie Vorlesung gezeigt wurde, oder im nächsten Bild):

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• Duchenne Dystrophie: nur bei Männern (X-chromosomal rezessiv), beginnt in den Beinen, Tod im Alter von 30-40 Jahren. Es fehlt Dystrophin, teils oder komplett.

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• Gliedergürtel-Dystrophie, auch als Limb-Girdle Dystrophy auf Englisch bekannt. Verursacht von Sarkoglykan-Mutationen.

• Kongenitale Dystrophie, verursacht von Merosin-Mutationen. • Myotonische Muskeldystrophie: starke spontane Kontraktionen, die nach

Curarisierung anhalten. Betrifft auch die Nerven, nicht nur Muskeln. Nicht durch dysfunktionale Anker-Moleküle hervorgerufen, sondern durch: Typ 1: Funktionsstörung der Pumpe, welche Ca2+ in das Sarkoplasmatische Retikulum bringt, um die Kontraktionen zu beenden (SERCA). Typ 2: Dysfunkion im RNA-bindenden Zink-Finger-Protein 9. Vermutlich Störung der Protein Biosynthese.

• Facioscapulohumerale Dystrophie (Landouzy-Déjérine-Syndrom): autosomal dominant, bei Männern und Frauen, beginnt in der Pubertät, Schulter und Gesicht sind als erstes betroffen. Fast normale Lebenserwartung Wieder nicht durch dysfunktionale Anker-Moleküle hervorgerufen, sondern durch Mutationen in DUX4, einem Transkriptionsfaktor, der unter anderem für die Transkription von Myosin verantwortlich ist.

Andere Muskelerkrankungen: Maligne Hyperthermie:

• Mutation in den Ryanodinrezeptoren der SR-Membran => unter Halothan Narkose steigt Ca2+ unkontrollierbar an (Halothan öffnet die Ryanodinrezeptoren). Starke Kontraktionen, Wärmebildung. Kann zum Tod führen. Deswegen wird Halothan nicht oft als Narkosemittel benutzt.

Das DHPR/Ryanodinrezeptor Schema, zur Erinnerung:

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Muskelkrämpfe:

• Krämpfe, Spasmen der Muskulatur: APs mit hoher Frequenz • Auslösbar durch kurze, normale Willkürinnervation • Therapie: Magnesium

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6: Stunde: Pathologie II Reflex-Krankheiten:

• Segmentale Hypo- oder Areflexie: Schädigung der Afferenzen oder Zellkörper der Vorderhornzellen

• Nicht segmental organisierte Hypo- oder Areflexie: Tumorkompression, Trauma, etc., die einen Nervenplexus befallen; sensomotorische Störungen

• Hyperreflexie: Funktionsstörungen in absteigenden Bahnen • Gesteigerter Flexorreflex: chronischen Läsionen im Rückenmark

Disinhibition Krankheiten: Die Alpha-Motoneurone werden durch eine Blockade der Interneuron-getriebene Hemmung disinhibiert,:

• Strychnin Vergiftung: verhindert Glycinbindung an Glycinrezeptoren. Die hemmenden Synapsen von Interneuronen können die Alpha-Motoneurone nicht mehr beeinflussen => simultane tetanische Kontraktionen von Agonisten und Antagonisten. Benzodiazepin wird als Antikonvulsivum dafür eingesetzt, um die GABAA Rezeptoren zu verstärken und so gegen Strychnin anzukämpfen.

• Tetanus (Wundstarrkrampf): Tetanus-Toxin (Clostridium tetani). Wird in infizierten Wunden von Motoneuronen aufgenommen. Es wird retrograd transportiert und gelangt durch Transzytose in hemmende Interneurone in Rückenmark. Spaltet Synaptobrevin im Rückenmark (ein SNARE-Molekül, welches an der Vesikel Exocytose beteiligt ist) und blockiert so die GABA oder Glycinfreisetzung der Interneurone. Das Resultat ist ähnlich dem des Strychnins: ist Muskelsteifheit, Muskelkrämpfe und Opistothonus. Therapie: Impfung mit inaktiviertem Toxin (Toxoid). Antibiotika werden benutzt um die Bakterien zu bekämpfen. Manchmal ist eine Beatmung notwendig.

In dem Bild (unten) ist der Unterschied zwischen Tetanus Toxin (TeNT) und Botulinum Toxin (BoNT) gezeigt. Beide gelangen in die neuromuskuläre Endplatte (NMJ/Synapse, rechts), wobei BoNT die SNAREs lokal spaltet und deswegen die Vesikelfreisetzung in der Endplatte unterbindet. TeNT wird retrograd im Axon transportiert, gelangt durch Transzytose in die hemmenden Neuronen und spaltet nur dort die SNAREs (Synaptobrevin).

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Querschnittslähmung: • Die Muskeln caudal der Läsion sind gelähmt und schlaff (Muskelhypotonie). Später

kann sich das Rückenmark (in Grenzregionen) re-organisieren (neue Synapsen). Schädigungen des Kleinhirns:

• Generell: siehe oben, Kleinhirn Vorlesung • Charcot-Trias Syndrom: Diplopie (Doppelbilder), Ataxie (Gleichgewichts- oder

Koordinationsstörungen), Dysarthrie (Sprechstörungen, Löwenstimme), Dysdiadochokinese (Unfähigkeit schnelle aufeinanderfolgende Bewegungen durchzuführen)

• Vorkommen nach akuter Alkoholintoxikation und bei Multipler Sklerose Morbus Parkinson:

• Siehe oben, Basalganglien Vorlesung • Jetzt werden die letzten Schwerpunkte der Parkinson-Forschung in Göttingen gezeigt

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7: Stunde: Technologie Verschiedene Methoden, die für die Motorik Forschung eingesetzt werden:

• Elektrophysiologie: Einzelzellen, Muskel (EMG) • Fluoreszenzmikroskopie (z.B. FM dyes) • Calcium-basierte Fluoreszenz-Mikroskopie • Elektroenzephalogramm (EEG) • Bildgebende Verfahren für das Gehirn • Klinische Untersuchungen • Kraftmessungen