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Abstreiten, abwiegeln, abschaffen: Wie die Senatsverwaltung die Berliner Musikschulen zerstört Berlin hat zum 1. Juni 2013 die Zahl seiner Musikschulen von zwölf auf ca. 1600 erhöht. Wie das gehen kann? Ganz einfach: Die Senatsverwaltung für Bildung hat neue Ausführungsvorschriften erlassen, um die von der Deutschen Rentenversiche- rung festgestellten Indizien für eine vorliegende Scheinselbstständigkeit der Berli- ner Musikschullehrer abzuschaffen. Statt die Lehrkräfte fest anzustellen, macht die Senatsverwaltung in Absprache (!) mit der Rentenversicherung nunmehr jeden Ein- zelnen der 1 600 Berliner Musikschullehrer zum Unternehmer. Die Freude der Musikschullehrer über so viel unternehmerische Freiheit ist jedoch äußerst gedämpft. Stattdessen fordern sie seit über einem Jahr mit immer neuen Aktionen eine ausreichende soziale Absicherung. Die meisten Lehrkräfte haben dennoch inzwischen die neuen Honorarverträge unterschrieben. Aber: Unterschrei- ben heißt nicht zustimmen. Viele haben schlichtweg keine Wahl, da sie sich bzw. eine Familie ernähren müssen. Die Vorgänge in Berlin lassen die Frage aufkommen, wie es eigentlich rechtens sein kann, dass die Deutsche Rentenversicherung in einem Deal mit einer Landesbehörde den Tatbestand der Scheinselbstständigkeit aushebelt, freiwillig auf Einnahmen ver- zichtet und damit auch gegen die Interessen der übrigen Beitragszahler verstößt – und das auch noch mit Unterstützung der Bildungssenatorin Sandra Scheeres und des Staatssekretärs Mark Rackles, die beide der SPD angehören. Vielleicht sollten die beiden mal mit dem kulturpolitischen Sprecher der SPD-Bun- destagsfraktion, Siegmund Ehrmann, ein Bier trinken gehen, um sich auf den neues- ten Stand der sozialdemokratischen kultur- und bildungspolitischen Absichten zu bringen. Ehrmann hat nämlich auf die Frage der Zeitschrift Musikforum, was die SPD nach der Bundestagswahl gegen das fortschreitende Prekariat in künstlerischen und pädagogischen Berufsfeldern tun wolle, geantwortet: „Wir wollen, dass alle Menschen, nicht nur in künstlerischen und pädagogischen Berufsfeldern, von ihrer Arbeit gut leben können.“ Der Staatsskretär Mark Rackles hingegen beruft sich darauf, dass Verschlechterun- gen bei den Musikschullehrern trotz Einspardrucks vermieden wurden und die Mu- sikschullehrer gegenüber anderen freiberuflich Tätigen im Land Berlin deutlich bes- ser gestellt seien. Liebe protestierende Musikschullehrer, was wollt ihr eigentlich: Anderen geht es noch schlechter als euch! Anja Bossen Der Verband Bildungsmedien und die Kul- tusministerkonferenz stellen eine kom- plett neue Website zu den Regeln für das analoge und digitale Kopieren an Schulen vor. Auf www.schulbuchkopie.de informie- ren sie ausführlich über die neuen Regeln, die seit dem 1. Januar 2013 gelten, und beantworten unter dem Motto „Was geht, was geht nicht?“ häufige Fragen aus der Praxis. Durch eine Vereinbarung zwischen den Kultusministerien der Länder und dem Verband Bildungsmedien sowie den Verwertungsgesellschaften VG Wort, VG Bild-Kunst und VG Musikedition dürfen Lehrkräfte an Schulen in Deutschland seit Anfang des Jahres urheberrechtlich ge- schützte Inhalte aus Büchern und Unter- richtswerken auch digital vervielfältigen. www.schulbuchkopie.de musikschule )) DIREKT 5.2013 Situation an den Berliner Musikschulen Notendownload Verbesserung der Unterrichtsqualität ) Sie haben Fragen, Anregungen, Tipps oder Hinweise für die Redaktion? ) Sie möchten sich kritisch äußern zu unseren Themen und Beiträgen oder haben Vorschläge für neue Themen? Schreiben Sie uns: [email protected]

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Abstreiten, abwiegeln, abschaffen:Wie die Senatsverwaltung die Berliner Musikschulen zerstört

Berlin hat zum 1. Juni 2013 die Zahl seiner Musikschulen von zwölf auf ca. 1 600erhöht. Wie das gehen kann? Ganz einfach: Die Senatsverwaltung für Bildung hatneue Ausführungsvorschriften erlassen, um die von der Deutschen Rentenversiche-rung festgestellten Indizien für eine vorliegende Scheinselbstständigkeit der Berli-ner Musikschullehrer abzuschaffen. Statt die Lehrkräfte fest anzustellen, macht dieSenatsverwaltung in Absprache (!) mit der Rentenversicherung nunmehr jeden Ein-zelnen der 1 600 Berliner Musikschullehrer zum Unternehmer.Die Freude der Musikschullehrer über so viel unternehmerische Freiheit ist jedochäußerst gedämpft. Stattdessen fordern sie seit über einem Jahr mit immer neuenAktionen eine ausreichende soziale Absicherung. Die meisten Lehrkräfte habendennoch inzwischen die neuen Honorarverträge unterschrieben. Aber: Unterschrei-ben heißt nicht zustimmen. Viele haben schlichtweg keine Wahl, da sie sich bzw.eine Familie ernähren müssen.Die Vorgänge in Berlin lassen die Frage aufkommen, wie es eigentlich rechtens seinkann, dass die Deutsche Rentenversicherung in einem Deal mit einer Landesbehördeden Tatbestand der Scheinselbstständigkeit aushebelt, freiwillig auf Einnahmen ver-zichtet und damit auch gegen die Interessen der übrigen Beitragszahler verstößt –und das auch noch mit Unterstützung der Bildungssenatorin Sandra Scheeres und desStaatssekretärs Mark Rackles, die beide der SPD angehören.Vielleicht sollten die beiden mal mit dem kulturpolitischen Sprecher der SPD-Bun-destagsfraktion, Siegmund Ehrmann, ein Bier trinken gehen, um sich auf den neues-ten Stand der sozialdemokratischen kultur- und bildungspolitischen Absichten zubringen. Ehrmann hat nämlich auf die Frage der Zeitschrift Musik forum, was dieSPD nach der Bundestagswahl gegen das fortschreitende Prekariat in künstlerischenund pädagogischen Berufsfeldern tun wolle, geantwortet: „Wir wollen, dass alleMenschen, nicht nur in künstlerischen und pädagogischen Berufsfeldern, von ihrerArbeit gut leben können.“Der Staatsskretär Mark Rackles hingegen beruft sich darauf, dass Verschlechterun-gen bei den Musikschullehrern trotz Einspardrucks vermieden wurden und die Mu-sikschullehrer gegenüber anderen freiberuflich Tätigen im Land Berlin deutlich bes-ser gestellt seien. Liebe protestierende Musikschullehrer, was wollt ihr eigentlich:Anderen geht es noch schlechter als euch!

Anja Bossen

Der Verband Bildungsmedien und die Kul-tusministerkonferenz stellen eine kom-plett neue Website zu den Regeln für dasanaloge und digitale Kopieren an Schulenvor. Auf www.schulbuchkopie.de informie -ren sie ausführlich über die neuen Regeln,die seit dem 1. Januar 2013 gelten, undbeantworten unter dem Motto „Was geht,was geht nicht?“ häufige Fragen aus derPraxis. Durch eine Vereinbarung zwischenden Kultusministerien der Länder unddem Verband Bildungsmedien sowie denVerwertungsgesellschaften VG Wort, VGBild-Kunst und VG Musikedition dürfenLehrkräfte an Schulen in Deutschland seitAnfang des Jahres urheberrechtlich ge-schützte Inhalte aus Büchern und Unter-richtswerken auch digital vervielfältigen.www.schulbuchkopie.de

musikschule )) DIREKT

5.2013 Situation an denBerliner Musikschulen

Notendownload

Verbesserung derUnterrichtsqualität

) Sie haben Fragen, Anregungen,Tipps oder Hinweise für die Redaktion?

) Sie möchten sich kritisch äußern zu unseren Themen und Beiträgen oder haben Vorschläge für neue Themen?

Schreiben Sie uns:[email protected]

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)) Die deutsche Musikschullandschaft istzumindest in Europa einzigartig. Nirgend-wo anders gibt es so viele gleichermaßenauf hohe Qualität wie auf Flächendeckungund musikalische Breitenbildung angeleg-te Musikschulen wie hierzulande. Ihre Ge-schichte, ihre Impulse verdanken sie dabeivon Anbeginn der jeweiligen Berliner Si-tuation, in der Weimarer Republik ebensowie in der Zeit des Naziterrors oder derZeit seit dem Zweiten Weltkrieg – in gu-ten wie in schwierigen Phasen.Seit der Nachkriegszeit wird in Berlin einModell praktiziert, das Anlass zu größterSorge bietet und aktuell sogar zu bundes-weiter Fassungslosigkeit und Empörungführt. Berlin ist das einzige Bundesland,das seine Musikschullehrkräfte generellmit sozial und finanziell unwürdigen Ho-norarverträgen abspeist.Eine Bereitschaft der Landesregierung zumlängst überfälligen Umsteuern ist nicht er-kennbar. Da dies durchaus erneut erheb -lichen Einfluss auf die Entwicklung inDeutschland haben kann, sei zunächst einBlick auf die Geschichte der Musikschulenvorangestellt.

Erziehung zur Menschlichkeitdurch Musik (Leo Kestenberg)

Weimarer RepublikDie Gründung der Musikschulen inDeutschland geht zurück auf den Pianis-ten, Sozialdemokraten und Gewerkschaf-ter Leo Kestenberg. Er verfolgt einen striktvolkspädagogischen Ansatz, der unter Ein-haltung der Balance zwischen Elite- undBreitenkultur auf die Zugänglichkeit von

Bildungsangeboten für alle gesellschaftli-chen Schichten gerichtet ist. Er ist es, derin der später nach ihm benannten „Kesten-bergreform“ den modernen Typus der Mu-sikschule allererst begründete.

1945 – 1990In der Zeit der Teilung haben sich die Mu-sikschulen in den beiden deutschen Staa-ten sowie in West-Berlin sehr unterschied-lich entwickelt. Alle drei begannen mitdem Aufbau von (Volks-)Musikschulen inden 50er Jahren.In der DDR und Ost-Berlin sind die Mu-sikschulen zunächst ganz im Kesten-berg’schen Sinne auf Volksbildung ange-legt. Seit 1961 wird dann stärkeres Ge-wicht auf die Eliteförderung gelegt. Durcheine Verzahnung von Schule, Krippe undbezirklichen Musikschulen bleibt der Brei-tenaspekt dennoch erhalten.In der BRD richten die Kommunen seitden 50er Jahren, insbesondere in den 60erJahren, eigene Musikschulen und Volks-hochschulen (VHS) ein. Sie sind wesent-lich auf Breitenbildung bedacht und si-chern die Begabtenförderung mit den Mitteln besonderer Entgelt-Ermäßigungenund der Einrichtung von studienvorberei-tenden Abteilungen. Aufgrund der födera-len Bildungsstruktur entwickeln sich dieRegionen dabei recht unterschiedlich.In beiden deutschen Staaten sind die Mu-sikschulen kommunale bzw. bezirklicheEinrichtungen, ausgestattet mit festange-stellten Musikschullehrkräften und mehroder minder verbindlichen pädagogischenKonzepten.

Der Berliner Sonderweg: freieUnternehmer statt Angestellte

Die Entwicklung in West-Berlin1950 – 1979Die Musikschule ist hier lediglich eine Un-tereinheit der VHS und hat keine eigene,schultypische Struktur. Die Lehrkräftewerden wie alle Dozenten der VHS nurfreiberuflich beschäftigt. Sie bekommenauf Grundlage eines Vermittlungsvertragsmit dem Bezirk, in dem auch das Honorarfestgelegt ist („Honorarbegrenzungsklau-sel“), Schüler sowie „nach Möglichkeit“Unterrichtsräume.Die Lehrkräfte kassieren ihr Honorar di-rekt bei den Schülern, mit denen sie einenvorgeschriebenen Mustervertrag abschlie-ßen. Entgelt-Ermäßigungen für SchülerIn-nen, die der Bezirk gewährt, sind beimKassieren abzuziehen und werden derLehrkraft einmal im Quartal vom Bezirks-amt gesondert erstattet.1979 wird innerhalb der Abteilung Volks-bildung die Musikschule aus der VHS aus-gegliedert und als Amt eingerichtet, miteigener Leitung und Verwaltung. Die Aus-stattung mit adäquaten Unterrichtsräu-men und Gebäuden ist berlinweit sehr un-terschiedlich. Im Regelfall findet der Un-terricht nach Schulschluss in Klassenräu-men der allgemein bildenden Schule oderzuhause bei den LehrerInnen statt.

1980 – 19901980/81 wird in Folge eines Gerichtsent-scheids der Vermittlungsvertrag durch ei-nen „Dienstvertrag“ ersetzt.1 Er ist seit1981 im Kern bis heute Grundlage für die

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Berliner Musikschule

Berlin ist das einzige Bundesland, das seineMusikschullehrkräfte generell mit sozial undfinanziell unwürdigen Honorarverträgenabspeist. Blaupause für die Republik?

Stefan Gretsch

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wicklung ein, die aktuell für allgemeineEmpörung und Proteste sorgt. 2009 wer-den an der bezirklichen Musikschule Mar-zahn-Hellersdorf auf Veranlassung der zu-ständigen Amtsleiterin und zum Entsetzendes ganzen Landes zeitgleich sämtlicheHonorarverträge gekündigt. Die Gründesind unklar, das Wort von der Säuberungs-aktion geht um in der Stadt. Aufgrund lan-desweiter Proteste werden die meisten Ho -norarkräfte jedoch wieder beschäftigt.Im Jahr darauf prüft die Deutsche Renten-versicherung Bund (DRV) überraschenddiese Schule. Nach Darstellung des Senatskommt die DRV dabei zu dem Ergebnis,dass die Honorarkräfte scheinselbstständig,also faktisch wie Angestellte tätig seien.Hauptmerkmale seien dabei unter ande-rem die Honorarfortzahlung im Krank-heitsfall sowie die Bezahlung in pauscha-len Monatshonoraren. Das Land sei nungezwungen, binnen angemessener Fristdiesen Zustand abzustellen. Andernfallsdrohten dem Land und den Lehrkräftenerhebliche Nachforderungen zu Renten-beiträgen. Die Korrespondenz zwischenDRV und Senatsbildungsverwaltung wirddabei beharrlich weitestgehend unter Ver-schluss gehalten.Die in der Senatsbildungsverwaltung fürdie Musikschulen zuständige neue Leiterindes Referats Weiterbildung wird mit derNeufassung der Ausführungsvorschriften(AV) für die Musikschulen beauftragt. DieNeue ist keine Unbekannte. Der Zufallwill es, dass die Amtsleiterin aus Marzahn-Hellersdorf zwischenzeitlich in die Senats-ebene aufgestiegen ist. Es sei nun strikt darauf zu achten, dass die Honorarkräfte

das Westniveau gesenkt, die vergleichsweisehohe Stellenausstattung wird durch Hono-rarbeschäftigungsverhältnisse ersetzt. Meh -rere Anläufe zu einem Bezirksausgleich,wonach unter anderem Stellen aus demOsten in den Westen transferiert werdensollen, scheitern weitgehend.1995 werden die Honorare abgesenkt, derdirekte Bezug zum BAT wird gestrichen,die Dynamisierung wird erst ausgesetztund dann bis heute nur sehr eingeschränktwieder eingeführt. In der Rückschau wis-sen wir, dass spätestens zu diesem Zeit-punkt für die überwiegende Zahl der Ber-liner Honorarkräfte der Abstieg in das Pre-kariat einsetzt.3

2001 werden die 23 Berliner Stadtbezirkezu 12 Bezirken fusioniert. Die Musikschu-len werden dadurch zu den mit Abstandgrößten Musikschulen Deutschlands. AufLandesebene werden sie innerhalb der Se-natsbildungsverwaltung von der AbteilungSchule in die Abteilung Weiterbildungund damit wieder in die Nähe zur VHSgeschoben. Nach fast 30 Jahren Eigenstän-digkeit muss die Musikschule seitdem er-neut erklären, warum sie keinesfalls nachden Maßstäben der VHS strukturiert undverwaltet werden kann.Wenige Jahre später werden Musikschulenund Volkshochschulen im Berliner Schul-gesetz (§§ 123, 124) neu verankert.Grundsätzlich wird ab jetzt für Musik-schullehrkräfte der Abschluss eines adä-quaten Hochschulstudiums vorausgesetzt.

2009 – 2013Trotz der Aufwertung durch die Neufas-sung des Schulgesetzes setzt nun jene Ent-

Tätigkeit der nicht angestellten „FreienMitarbeiter“.Der neue Vertrag regelt im WesentlichenHonorarhöhe, Schülerzuweisung und Mo-dalitäten zum Nachholen von ausgefalle-nem Unterricht. Er ist zweimal im Jahrmit einer Frist von einem Monat kündbar.Die SchülerInnen schließen einen Unter-richtsvertrag mit der Musikschule ab.Für Fachbereichs- und Ensembleleitungensowie andere zentrale Aufgaben der Mu-sikschule werden einige wenige feste Stel-len geschaffen, das Gros der Lehrkräfte je-doch (90 Prozent) bleibt Honorarkraft.Das Honorar wird in Anlehnung an denBAT berechnet und ganzjährig monatlichbezahlt.2 Seit Mitte der 80er Jahre wird eszudem an die Tariferhöhungen im Öffent-lichen Dienst gekoppelt (Dynamisierung).Mit der Gründung der Künstlersozialkasse1983 wird auch eine freiwillige Fortzahlungim Krankheitsfall in Höhe von 80 Prozentdes Honorars ab dem vierten Krankheits-tag eingeführt.Sozialer Schutz, wie ihn Festangestellte ha -ben (Mutterschutz, Kündigungsschutz, Ar -beitslosenversicherung, vollständiger Krank -heitsschutz) bleibt ihnen bis auf den heu-tigen Tag verwehrt. In der irrigen Annahme,das Land werde ihre Situation stetig ver-bessern und auf Bundesniveau führen, bin-den sie sich freiwillig ein in den „Betrieb“Musikschule und leisten – in der Regel un-entgeltlich – einen enormen Beitrag zumAufbau der Westberliner Musikschulen.

1990 – 2008Seit der Wiedervereinigung 1990 werdendie Ostberliner Musikschulen rasch auf

Die Berliner Musikschullehrkräfte wehren sich gegen ihre Arbeitsbedin-gungen nicht nur mit Protesten auf der Straße, sondern auch auf Face-book. Unter www.facebook.com/berlinermusikschullehrer kann man sichüber die aktuellen Entwicklungen informieren.

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zweifelsfrei als freie Unternehmer tätigsind. Dazu gehöre, dass nur tatsächlich er-brachte Leistungen und Zusatzleitungenbezahlt werden.Der erste Entwurf der Senatsbildungsver-waltung folgt diesem Grundsatz konse-quent: Die Fortzahlung im Krankheitsfallwird abgeschafft, durch Schüler verur-sachte Unterrichtsausfälle unterliegen nuneiner Nachholverpflichtung bzw. werdennicht bezahlt. Zusatztätigkeiten (Abnah-me von Prüfungen, Fachberatung, Eltern-beratung, Teilnahme an Konferenzen, Be-teiligung an der gesetzlich vorgeschriebe-nen Evaluation und vieles mehr) könnendie Lehrkräfte nun in Rechnung stellen.Allerdings empfinden sie den Rahmen von7,50 Euro bis maximal 10,74 Euro proStunde vor dem Hintergrund ihrer Ausbil-dung und Qualifikationen als einen Schlagins Gesicht.Für sämtliche Tätigkeiten muss ein schrift-licher Auftrag der Musikschule vorliegen,die Erfüllung der Aufträge ist von denLehrkräften einzeln nachzuweisen undmonatlich in Rechnung zu stellen.Aufgrund massiver Interventionen vonverschiedenen Seiten wird dann „nachge-bessert“: Die Nachholverpflichtung wirdeingeschränkt, aber nicht aufgehoben, mo-natliche Abschlagszahlungen werden inAussicht gestellt. Die Einzelstundenab-rechnung jedoch bleibt, mit der Folge bei-derseits erheblich höheren Verwaltungs-aufwands. Zudem entsteht den Honorar-kräften ein neuer Einkommensverlust durchden Wegfall einiger bezahlter gesetzlicherFeiertage sowie durch die nun um bis zu19 Monate verzögerte Anpassung an Tarif-erhöhungen im Öffentlichen Dienst.Die größte Überraschung: Die von derDeut schen Rente hart kritisierte Fortzah-lung im Krankheitsfall ist nun doch wiederdrin und angeblich von der DRV akzeptiert.

Der aktuelle Stand

August 2012: Die neuen Ausführungsvor-schriften treten in Kraft und sollen bis spä-testens April 2013 konkret umgesetztwerden. Die LehrerInnen erklären, den da-mit verbundenen neuen Vertrag nicht un-terschreiben zu wollen. Der Senat setztdie Bezirke unter Druck, die bestehendenVertragsverhältnisse mit den Lehrkräftenzu kündigen und gegebenenfalls den Schü-lerInnen Ersatzlehrer anzubieten. Die lan-desweite Empörung hält seitdem unverän-dert an. Wegen eklatanter Verfahrensprob -leme wird die Umsetzungsfrist verlängert.Im April und Juni 2013 veranstalten dieLehrkräfte große Demonstrationen. DasMedieninteresse wächst. Im August 2013können die neuen Ausführungsvorschriftentechnisch noch immer nicht umgesetztwerden.Ein großer Teil der Lehrkräfte hat die Ver-träge inzwischen unterschrieben, jedochschriftlich erklärt, dies unfreiwillig unterDruck getan zu haben. Schülern und El-tern, deren Lehrer gekündigt sind, werdennun Ersatzlehrer angeboten. Die meistenlehnen dies in Protestschreiben empört ab,sie wollen ihre LehrerInnen behalten.Politisch verantwortlich sind der Regieren-de Bürgermeister, der Finanzsenator, dieSchulsenatorin und der zuständige Staats-sekretär – allesamt in der SPD. Sowohl dieSchaffung von Stellen als auch der Ab-schluss eines Tarifvertrags sind für sie Tabuthemen. Die dramatischen Einkom-mensverluste der LehrerInnen hält derStaatssekretär für „überschaubar“.Sämtliche Appelle und Aufforderungenzum Ein- und Umlenken seitens der Fach-verbände, des Deutschen Musikrats, derHochschulen und der großen Berliner Kul-tureinrichtungen – Philharmonie, Konzert-haus, Opernhäuser und rbb, Rundfunk Or-

chester und Chöre GmbH (roc berlin) –werden nicht einmal beantwortet. Selbsteindeutige Parteitagsbeschlüsse der eige-nen Landes-SPD finden keine Beachtung.Die über Jahre allen Widrigkeiten zumTrotz gewachsenen Strukturen werdenzerstört, erfolgreiche Teams befinden sichin der Auflösung und die Musikschulver-waltungen werden in unverantwortlicherWeise überlastet.Ende August 2013: Weil auch in anderenBundesländern der Trend zur Abschaffungvon Stellen zunimmt, ist die Gefahr groß,dass das Berliner Modell als „erfolgreiche“Blaupause dienen wird. Deshalb kämpfenLehrkräfte, SchülerInnen und Eltern auchweiterhin für eine schnellstmögliche Ab-kehr vom eingeschlagenen Weg. ))

1 siehe auch Artikel des Autors unterwww.nmz.de/artikel/kommunen-hoert-die-signale2 Die Monatshonorare errechnen sich auf derGrundlage eines festgelegten Stundensatzes undangenommenen 39 Unterrichtswochen im Jahr.Honorarkräfte, die nach dem Gesetz arbeitneh-merähnlich sind, erhalten zusätzlich ein Urlaubs-entgelt im Wert von derzeit vier Wochen gesetz -lichen Mindesturlaubs.3 bundesweit durchgeführte Umfragen zur finan -ziellen und sozialen Situation der FachgruppeMusik in der Vereinten Dienstleistungsgewerk-schaft (ver.di) in den Jahren 2008 und 2012 unterhttp://musik.verdi.de/suche?kws%3Alist=Umfrage

* Miriam Noa, bildungspolitische Sprecherin derSPD in der BezirksverordnetenversammlungFriedrichshain-Kreuzberg, Quelle: http://cansel-kiziltepe.de/die-prekare-lage-berliner-musikschul-lehrer-schlimmer-geht-immer/

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Stefan Gretsch ist Klavierlehrer an derLeo Kestenberg Musikschule (Berlin Tempelhof-Schöneberg) und Bundes -vorsitzender der Fachgruppe Musik inder ver.di

„Das, was an BerlinerMusikschulen seit Jahren gang

und gäbe ist, übersteigt dieschlimmsten Visionen.“ *

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Die 2012 vom Bundesministerium fürBildung (BMBF) gestartete Initiative„Kultur macht stark“ geht im Oktober2013 in die dritte Ausschreibungsrunde.Die Initiative „Kultur macht stark“ willdazu beitragen, sozial, finanziell undkulturell benachteiligten Kindern undJugendlichen einen Bildungsaufstiegdurch kulturelle Bildung zu ermöglichen.

Preisträger der erstenAusschreibung

Im September 2012 waren für die ersteAusschreibungsrunde bundesweit aus ins-gesamt 136 Verbänden und Initiativen, dieauf dem Gebiet der außerschulischen Ver-mittlung musisch-kultureller Bildung tätigsind und sich um 230 Millionen Euro För-dermittel beworben hatten, 35 von einerhochrangig besetzten Jury ausgewählt wor -den. Im Bereich Musik gehören dazu derVerband deutscher Musikschulen (VdM),der Deutsche Bühnenverein, die Bundes-vereinigung deutscher Orchesterverbände,der Deutsche Chorverband sowie derBundesverband Popularmusik.In den Verbands- und Initiativkonzeptenwerden nicht nur bildungsbenachteiligteKinder und Jugendliche, sondern auchKinder und Jugendliche mit Behinderun-gen, Erkrankungen oder in extremen so-zialen Lagen (z. B. im Jugendstrafvollzug)berücksichtigt. Der VdM z. B. erhält fürsein Konzept „MusikLeben!“ insgesamt biszu 20 Millionen Euro Fördermittel fürverschiedene Fördermaßnahmen.

Was wird gefördert?

Gefördert werden in einem zweistufigenAntragsverfahren außerschulische und außerunterrichtliche kulturelle Bildungs-maßnahmen mit einer Laufzeit von bis zufünf Jahren, die sich vor allem an Kinderund Jugendliche im Alter von drei bis 18Jahren aus bildungsbenachteiligten Eltern-häusern richten. Hierzu zählen Maßnah-men zur Förderung kognitiver Kompeten-zen, von sozialem Lernen, der Persönlich-keitsbildung und von Erfahrungswissen.Die Maßnahmen müssen in lokalen Bil-dungsbündnissen durchgeführt werden.Ein Bildungsbündnis muss aus mindestensdrei Akteuren bestehen. Zum Beispielkönnen sich Bildungspartner aus den Be-reichen Kindertagestätten, Kindergärten,allgemein bildende Schulen, Förderschu-len, Jugendkunstschulen, Bibliotheken,Orchester, Musik- und Kunsthochschulenoder Fach- und Fortbildungsakademienzusammenschließen. Die Bildungspartnerkönnen jedoch auch aus dem sozialen Be-reich kommen, z. B. Behindertenwerkstät-ten, Drogenberatungsstellen, Sportvereine,Volkshochschulen, Sozialverbände, Mig-rantenorganisationen, Kinderheime, Ju-gendsozialdienste, Elterninitiativen, För-dervereine, Jugendzentren, Kirchen undHospizvereine. Auch mit Partnern aus denBereichen Verwaltung, Wirtschaft oderMedien können Bündnispartnerschaftengeschlossen werden, z. B. mit Instrumen-tenherstellern, Jugendämtern, Stiftungen,Zeitungen oder Rundfunkanstalten.Zu förderungsfähigen Maßnahmen auf lo-kaler Ebene gehören Kurse, Seminare und

andere ein- oder mehrmalige Veranstal-tungen, Kinder- und Jugendfreizeiten, Fe-rienakademien, Patenschafts- und Mento-renprogramme sowie Qualifizierungsmaß-nahmen von ehrenamtlichen Betreuern.Ausgenommen sind Maßnahmen, für dieanderweitig bereits öffentliche Fördermit-tel zur Verfügung stehen. Antragsberech-tigt sind bundesweit tätige Verbände undbundesländerübergreifend tätige Initiati-ven mit Kompetenzen und Erfahrungen inder außerschulischen kulturellen Bildung.

Informationen für Musikschulen

Speziell für Musikschulen hat der VdMunter www.musikschulen.de/projekte/kul-tur-macht-stark/index.html Informationenzur Förder-Initiative eingestellt. Hier sindsowohl die Förderrichtlinie des BMBF alsauch förderfähige Antragsformate (ein-schließlich Beispielen für Fördersummen),Antragsfristen und alle Schritte der An-tragsstellung übersichtlich dargestellt; da-rüber hinaus stehen Merkblätter und For-mulare zum Herunterladen zur Verfügung,ebenso eine Übersicht, welche Ausgabengenerell finanziert werden, und Hinweisezu Anforderungen an die potenziellenBündnispartner von Musikschulen.Über die Internetseite www.buendnisse-fuer-bildung.de/newsletter.php kann einNewsletter abonniert werden, der sich al-lerdings nicht speziell auf Musikschulen,sondern auf die gesamte Initiative „Kulturmacht stark“ bezieht und über neue Ent-wicklungen informiert. Antragsschluss fürdie dritte Ausschreibung ist der 18. Okto-ber 2013.

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Kultur macht stark Anja Bossen

www.buendnisse-fuer-bildung.de

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)) Wer Musik machen möchte, brauchtdafür außer einem Instrument vor allemeine große Zahl an Noten. Was zunächstwie eine Binsenweisheit klingt, stellt imAlltag derjenigen, die Musik unterrichtenoder mit Ensembles arbeiten, ein erhebli-ches Problem dar, denn Noten sind teuerund Kopieren ist in der Regel verboten.Um diesem Problem zu begegnen, wurdenin den vergangenen Jahren verschiedeneProjekte ins Leben gerufen, die Noten imInternet frei zugänglich machen wollen.Die umfangreichste Sammlung von Notenim Internet ist zweifellos die Petrucci- Datenbank (www.imslp.org). Die Abkür-zung IMSLP steht für International MusicScore Library Project, und der Name istnicht zu hoch gegriffen. Inzwischen findensich in der Petrucci-Datenbank mehr als66 000 Werke aller Epochen vom Mittel -alter bis in die Neuzeit. Darüber hinausenthält die Datenbank auch mehr als24 000 Aufnahmen von Werken.

Alles drin?

Der größte Teil der Noten liegt als ge-scanntes PDF vor. Dabei ist die Qualitätder Scans recht unterschiedlich, da vieleder Noten von Originalen abgescanntwurden, die vor 1930 erschienen sind. Beibekannten Werken gibt es häufig mehrereverschiedene Ausgaben mit teils erheb -lichen Unterschieden in der Qualität. Indiesen Fällen lohnt es sich, vor demDownload mit Hilfe des „View“-Buttonseinen Blick in die Noten zu werfen. Fürmusikwissenschaftlich interessierte Nutzerdürften auch die Scans von Original- Manuskripten von einigem Interesse sein.Diese Scans haben häufig eine sehr hoheQualität, da sie in vielen Fällen direkt vonden Archiven erstellt wurden, in denen dieManuskripte aufbewahrt werden.

Es ist nicht erforderlich, ein Werk an meh-reren Stellen in der Datenbank zu suchen.Die Partituren, Stimmen, Arrangementsund Aufnahmen einzelner Werke sind sehrübersichtlich auf einer einzigen Seite inmehreren Abschnitten zusammengefasst.Ganz oben auf der Seite gibt es ein Regis-ter „Diskussion“, in dem sich oft durchauslesenswerte Beiträge und Hinweise zueventuell vorhandenen Fehlern in den je-weiligen Materialien befinden.

Alles gefunden?

Die Petrucci-Datenbank ist jedoch nichteinfach nur eine riesige Sammlung vonPDF-Scans, sie ist auch ein hervorragendstrukturiertes Archiv. Die Seite bietet einegroße Vielfalt an Recherchewerkzeugenvom einfachen Kreuzkatalog bis zu komp -lexen Verknüpfungen von Suchparame-tern und sogar eine Inhaltssuche.Der Ausgangspunkt für die Suche ist inder Regel das Menü „Noten nach“. Wennman weiß, was man sucht, führt die Suchenach dem Komponisten in der Regel amschnellsten ans Ziel. In der Kategorie „AlleBeteiligten“ finden sich dann auch Libret-tisten, Arrangeure und Bearbeiter. Hierkann die Suche anschließend wieder aufeine bestimmte Tätigkeit eingegrenzt wer-den. Auf diese Weise kann man dann z. B.herausfinden, dass Emanuel Schikanederneben der Zauberflöte auch das Librettofür die Oper Der Tiroler Wastel von JakobHaibel geschrieben hat.Unter der Rubrik „Nationalität“ sind dieKomponisten nach Nationalitäten zusam-mengefasst. Leider gibt es von hier auskeine Möglichkeit, andere Beteiligte zu er-mitteln. Dies ist jedoch bei der Kategorie„Epoche“ vorgesehen, sodass gezielt nachLibrettisten aus dem Mittelalter gefahndetwerden kann.

Besonders vielseitig ist die Suche nach„Gattung“. Hier kann die Suche nachWerkart, Besetzung, Instrument und Spra-che durchgeführt werden. So findet manleicht auch ausgefallene Werke wie einKonzert für Vuvuzela und Orchester vonJohn-Luke Mark Matthews. Besondersmächtig wird diese Kategorie jedoch,wenn man den Link „[walk]“ neben einerKategorie anklickt. Dann wird eine belie-bige Verknüpfung von Kategorien ermög-licht. Ein Beispiel:Ein Klick auf [walk] neben Sonatas in derKategorie Werkart öffnet eine neue Seitemit Unterkategorien. Dort kann in der Ta-belle Chamber-Instrumental unter For 2players ➔ For cello, piano mit einem Klickauf restrict to die Suche auf Cellosonateneingegrenzt werden. Auf der nächsten Sei-te führt ein Klick auf show pages bei Early20th century in der Tabelle Periods zu derListe aller Cellosonaten des frühen 20.Jahrhunderts. Wer die Werke auch nutzenmöchte, kann statt mit show pages die Lis-te mit restrict to bei Periods weiter eingren-zen und anschließend in der Tabelle Un-known mit exclude bei WorkNonPD-EUund WorkPD-USonly die Auswahl aufWerke eingrenzen, die mit großer Wahr-scheinlichkeit in der EU frei verwendetwerden können. Zuletzt noch ein Klickauf show pages in der Tabelle Work Typesbei Sonatas und die Liste der gemeinfreienCellosonaten des frühen 20. Jahrhundertsmit immerhin 21 Werken wird angezeigt.Technisch besonders raffiniert ist die Su-che nach „Melodie“, wenngleich sie im all-täglichen Gebrauch eine eher geringe Rol-le spielen dürfte. Hier kann – entwedermit einer Zahlenfolge oder bequemer übereine Bildschirmklaviatur – ein kurzer Me-lodieabschnitt oder eine Harmoniefolgeeingegeben und anschließend nach Wer-ken gesucht werden, in denen diese Töne

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NotendownloadDie Petrucci-Datenbank bietet Zugangzu kostenfreiem Notenmaterial

Jürgen Simon

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legen. Nicht nur Taktzahlen und Studier-buchstaben erleichtern die Arbeit. DerDruck ist scharf und gut lesbar und dasPapier übersteht auch mehrmaliges Radie-ren. Selbst das leidige Problem unpassen-der Wendestellen ist durch Leerseiten undähnliche Maßnahmen oft so gelöst, dassauf zusätzliche (verbotene!) Wendekopienverzichtet werden kann.Nicht zuletzt werden die Gewinne, dieVerlage mit alten Werken machen, teilwei-se zur Finanzierung von Werken zeitge-nössischer Komponisten eingesetzt. Undauch die vielen in den vergangenen Jahrenerschienenen Unterrichtsmaterialien, diemit Mitspiel-CD und bunten Grafikenmeist aufwändig ausgestattet sind, werdenoft in niedrigen Auflagen von nur einigentausend Exemplaren vertrieben. Das gehtnur, solange die Verlage in anderen Berei-chen genügend Geld verdienen. ))

langt, dass Änderungen unter den gleichenBedingungen weitergegeben werden müs-sen. Die Ergänzung „Non-commercial“verbietet die kommerzielle Nutzung derWerke. In jedem Fall soll der ursprünglicheUrheber angemessen genannt werden.

Alles gut?

Aus Sicht der Nutzer hat die Petrucci-Da-tenbank viele gute Seiten. Allein der ge-waltige Umfang der Sammlung und diehervorragend gemachten Recherchewerk-zeuge ermöglichen einen Zugang zu No-ten, der anders nur schwer vorstellbar ist.Die geringen Kosten (die Noten müssenim Regelfall ausgedruckt, kopiert und ge-bunden werden) ermöglichen Zugang zueinem breiten Repertoire, das die finan-ziellen Möglichkeiten vieler Musiker,Lehrkräfte, SchülerInnen und Institutionenbei Weitem übersteigen würde, wenn dieNoten alle angeschafft werden müssten.Auf der anderen Seite sind die abgescann-ten Originale oft 70 Jahre und älter. Daszeigt sich nicht nur bei der Lesbarkeit derScans, sondern auch an der Ausführungder Originale. In den meisten Fällen gibt eskeine Taktzahlen und sehr oft auch keineStudierbuchstaben. In dieser Hinsicht un-terscheiden sich die gescannten Noten derPetrucci-Datenbank nicht nennenswertvon den Noten der zahlreichen Reprint-Verlage; aber wer regelmäßig aus solchenNoten spielen muss, weiß, welchen zusätz-lichen Aufwand an Zeit und Konzentra -tion dieses Arbeiten von allen Beteiligtenerfordert.Gerade als Orchestermusiker möchte ichan dieser Stelle jedoch auch eine Lanzefür die Notenverlage brechen. Die neuaufgelegten Noten von gemeinfreien Wer-ken sind in ihrer Qualität den preiswertenoder kostenfreien Noten oft deutlich über-

erscheinen. Im Ergebnis werden nicht nurdie gefundenen Noten angezeigt, sondernauch direkt die Seiten mit den Fundstellen.

Alles legal?

Die Server, auf denen sich die Petrucci-Datenbank befindet, stehen in Kanada.Das dortige Urheberrecht unterscheidetsich von dem in der EU geltenden. Gültigist jedoch immer das Urheberrecht desLandes, in dem die Daten heruntergeladenund genutzt werden. Das bedeutet, dassnicht alle Noten oder Aufnahmen, die inder Datenbank enthalten sind, in Deutsch-land auch verwendet werden dürfen.Grundsätzlich ist bereits das Herunter -laden urheberrechtlich geschützter Datenein Rechtsverstoß.In den meisten Fällen gibt Petrucci unterder Kategorie „Urheberrecht“ eine korrek-te Information zum Urheberrecht an. Da-bei überwiegen zwei Lizenzen: „PublicDomain“ bedeutet, dass die Daten ohneEinschränkung verwendet, verändert undauch zu (kommerziellen) Aufführungenverwendet werden dürfen. Dabei führt Petrucci Einschränkungen für Kanada, dieEU und die USA gesondert an. Die zweiteLizenz ist die „Creative Commons Li-zenz“, die es in verschiedenen Variantengibt. Diese Lizenz wird vor allem dannverwendet, wenn der Urheber oder Erstel-ler die Daten selbst zur Verfügung stellt.Einige zeitgenössische Komponisten bie-ten ihre Werke unter dieser Lizenz an undauch Tonaufnahmen werden öfter unterdieser Lizenz angeboten.Die „Creative Commons Lizenz“ kann in-dividuell eingeschränkt werden, was durchentsprechende Ergänzungen angezeigtwird: „No Derivatives“ bedeutet, dass No-ten oder Aufnahmen nicht geändert wer-den dürfen, wohingegen „Share alike“ ver-

Jürgen Simon ist Cellist im Brandenbur -gischen Staatsorchester Frankfurt (Oder).Er entwickelte ein Orchesterverwaltungs-programm für sein Orchester.

notafina –Musik zum Download

Das Unternehmen notafina GmbH wurde 2010 gegründet. Auf die-sem Notenportal sind Titel von rund 50 internationalen Ver lagen,darunter Boosey & Hawkes, Doblinger, Ricordi, Schott und UniversalEdition, als Download verfügbar. notafina unterstützt die Initiative„play fair – respect music“ und ist Partner des Verbands deutscherMusikschulen. Das Angebot umfasst rund 15 000 Notenausgaben imPDF-Format. Musikinteressierte und Musiker finden über eine nut-zerfreundliche Suche eine große Auswahl an Noten für Soloinstru-mente, Ensemble und Chor. Auch Mengenbestellungen sind mög-lich. Chöre und Ensembles können dadurch digitale Noten legal fürihre Mitglieder kaufen. Alle Titel können direkt heruntergeladenund ausgedruckt werden. www.notafina.de

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)) PISA war zwar gestern, aber immer nochsucht man in Deutschlands Bildungswesennach dem Stein der Weisen: G 8 oder G 9?Vier oder sechs Jahre Grundschule? Ge-samtschule oder dreigliedriges Schulsystem?Einen Beitrag zur Orientierung könnte diejüngste Studie John Hatties – Lernen sicht-bar machen – leisten.1 Sein Befund: Aufden Unterricht kommt es an. Die Qualitätunseres Unterrichts, also das Handeln vonuns Lehrpersonen habe primären Einflussauf gelingendes Lernen.Darauf, dass wir Lehrpersonen als Regis-seure von Lernprozessen uns der Wirk-samkeit unseres Handelns bewusst seinsollten, verwies bereits im Jahr 2004 derbekannte Bildungsexperte Hilbert Meyer.2

2010 regte der Deutsche Städtetag ein „ge -sichertes schulisches Konzept, um qualitäts -volle Musikausbildung zu gewährleisten“,an und begründete dies: „die Arbeitsquali-tät der Musikschule kann durch Methodendes Qualitätsmanagements entscheidendverbessert und durch die mit ihnen ver-bundenen Ergebnisnachweise effektiv ver-antwortet werden“.3 Seit PISA wird dieBedeutung der Unterrichtsqualität alsonicht nur fortlaufend thematisiert, son-dern auch immer mit dem Appell verbun-den, entsprechende Qualitätsoffensiven zustarten.

Das QualitätsSicherungsModul-Unterricht (QSM-U)

An der Musikschule Weil am Rhein wurdeunter der wissenschaftlichen Begleitungvon Anselm Ernst4 in zehnjähriger Labor-arbeit der Prototyp eines Modells zur Ent-wicklung und Sicherung der Unterrichts-qualität erarbeitet: unser QualitätsSiche-rungsModul-Unterricht (QSM-U). UnserKonzept beruht auf zwölf Merkmalen gu-ten Unterrichts.5 Anhand derer ist es mög-lich, auf jeden einzelnen Aspekt des Un-terrichtens differenziert zuzugreifen, so-dass wir Entwicklungsbedürftiges präzisediagnostizieren und dann gezielt behebenkönnen.Unsere Merkmale stellen Grobziele dar,die aussagen, welche Faktoren das Lernenfördern. Sie sind dem Unterricht als ver-bindliche Normen zwar übergeordnet,aber nicht in Stein gemeißelt. Eine derwichtigsten Aufgaben der KollegInnen istes nämlich, die Merkmale zu operationali-sieren, das heißt: Sie bringen eigene Ideenein, indem sie aus jedem Merkmal soge-nannte Indikatoren (Anzeiger) ableitenund damit selbst festlegen, mit welchenkonkreten Handlungen die zwölf Unter-richtsziele (Merkmale) erreicht werdensollen.

Obwohl wir auch in der Person der Lehr-kraft einen wichtigen Faktor in Bezug aufgutes Unterrichten sehen – jeder soll ent-sprechend seinem Wesen unterrichten –,sind bei uns weder Persönlichkeitsattributenoch fachdidaktische Inhalte (wie Bogen-haltung, Fingersätze etc.) Gegenstand derEvaluation, sondern einzig und allein dasobjektiv bewertbare methodische Handeln.In Bezug darauf, was unser Unterricht leis-ten soll, verfolgen wir dabei vornehmlichfolgende Ziele:1. Wir helfen unseren SchülerInnen, Ver-trauen in ihre eigene Leistungsfähigkeit zuerwerben – lassen sie z. B. erleben, dasssystematisches Üben zum Erfolg führt, in-dem wir ihnen Arbeitsmethoden vermit-teln und sie dann während des Unterrichtsauch selbstständig üben und musizierenlassen.2. Im Gruppenunterricht nutzen wir dieHeterogenität – beziehen die SchülerIn-nen ständig aufeinander (indem sie sichgegenseitig vorspielen, verbessern, bewer-ten und zuhören). Das spornt dazu an,voneinander zu lernen.3. Wir berücksichtigen das individuelleLeistungsvermögen der SchülerInnen – le-gen für sie angemessene Anforderungenfest (z. B. in Form von unterschiedlichenKompetenzstufen6).

musikschule )) DIREKT 5.20138

Wie kann ich meinenUnterricht verbessern?

Unterrichtsqualitätals entscheidenderFaktor für Lehrenund Lernen

Dieter Fahrner

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Aufgrund unserer Handlungsorientierungavancierte die Methodik zum wichtigstenLern- und Kompetenzbereich. Gleicher-maßen bedeutsam ist es, uns in der Kom-munikation auch als Person weiterzuent-wickeln, z. B. im Bereich der zwischen-menschlichen Beziehungen, wo wir unsfragen: Wie gehen wir auf Schüler, Elternund Kollegen zu? Welche Resonanz rufenwir mit unserem Verhalten bei ihnen her-vor? Sind wir dazu in der Lage, über Feed-back an uns herangetragene Tatsachen an-zunehmen? Bringt sich jeder als Teil desSystems Musikschule auch in diese ein?Sich als Person zu entwickeln, heißt füruns, sich gewisser Tugenden bewusst zuwerden und diese ins eigene „Verhaltens-repertoire“ zu integrieren.

Selbstevaluation als„Selbst-Lern-Prozess“7

Die Qualifizierung des persönlichen Un-terrichts besteht im Wesentlichen darin,unser vielschichtiges Handeln selbst zu be-werten und unseren Unterricht daraufhinin einem Selbst-Lern-Prozess eigenständigzu entwickeln. Eine wichtige Vorausset-zung hierfür ist die Einsicht, dass, wenndie Leistungen der SchülerInnen nicht denErwartungen entsprechen, man dies auch

auf sein Unterrichten bezieht. Im Verhal-ten der SchülerInnen sieht man also dasSpiegelbild seiner selbst und leitet darausab, was auf der Ebene des eigenen mensch -lichen und methodischen Handelns zuverändern ist.In diesem Sinne aktiv zu werden, heißt:sich den notwendigen Hintergrund erar-beiten – ca. 60 Indikatoren guten Unter-richts verinnerlichen; seinen Unterrichtauf Video aufnehmen und sich „im stillenKämmerlein“ selbst beim Unterrichten zu-sehen; dabei seine Wahrnehmungen in ei-nem Beobachtungsbogen protokollieren.8

Dann nimmt man einen Ist-Soll-Vergleichvor: Man überprüft, inwieweit die Merk-male schon verwirklicht bzw. noch nichtverwirklicht sind. Im Zuge dessen kom-men Stärken, aber auch Defizite zum Vor-schein, die in Form einer Selbstbewertungin der Bewertungstabelle des Beobach-tungsbogens festgehalten werden. Jetzt wirdsichtbar, in welchen Zielbereichen manseinen Unterricht noch entwickeln sollte,sodass man seine persönlichen Lernziele,in unserem Beispiel Entwicklungsziele ge-nannt, konkret auflisten kann. Das Beispieloben verdeutlicht, inwiefern Herrn PaukersUnterricht entwickelt werden sollte.Um sich in der kollegialen Unterrichtshos-pitation9 auch den Blickwinkel Außenste-

hender nutzbar zu machen, sollte die Un-terrichtsentwicklung anschließend zum An -liegen des gesamten Kollegiums werden.

Zusätzliche Effekte

Neben vielen inneren und äußeren Nutz-effekten (Rückmeldung auf die eigene Ar-beit, Berufszufriedenheit, Wirtschaftlich-keit usw.) besteht ein großer Vorteil derUnterrichtsqualifizierung an unserer Mu-sikschule darin, dass es, abgesehen vomFach Klavier, keine Wartelisten gibt. Wirsind also von dem kürzlich publiziertenProblem, freie Unterrichtsplätze an Mu-sikschulen seien Mangelware, nicht betrof-fen. Dies ist eindeutig auf die Gruppen -unterrichtskompetenz der KollegInnen zu-rückzuführen.Im Rahmen unseres QSM-U haben einigeunserer KollegInnen auch die Befähigungzum Großgruppenunterricht erworben.Somit sind sie in der Lage, in Grundschu-len ihren Beitrag zur musisch-kulturellenBildung (als Teil der Allgemeinbildung füralle) zu leisten. Gerade hierdurch steigtdie Wertschätzung um ein Vielfaches unddamit auch die Aussicht, dass kommunaleTräger eher zögern, bei einer Musikschuleals Bildungseinrichtung den Rotstift anzu-setzen.

9

Entwicklungsziele

Merkmal Nr. 3: Längere Erarbei-tungsphasen ein führen, in denenman die erteilten Aufgaben von denSchülerInnen im Unterricht selbst-ständig üben lässt.

Merkmal Nr. 4: Mehr gegenseitigvor machen lassen, auch unterschied-liche Aufgaben erteilen (Innere Dif-ferenzierung), die Aufgaben derschwäche ren SchülerInnen von denstärkeren vom Blatt spielen lassen.

Merkmal Nr. 7: Die SchülerInnennicht ausschließlich an die Handnehmen und durch den Stoff führen(weniger Kutscher-Rolle), mehr schü-lerzentrierte Methoden (Aufgeben-des Verfahren) anwenden.

Merkmal Nr. 10: Sachverhalte zumbesseren Verständnis der Erklärun-gen auch visualisieren – z. B. martel-lato an der Tafel mit Hüllkurven dar-stellen. Bewertungsbogen – Lehrkraft: Amadé Pauker, Fach: Querflöte, Datum: 29.02.2013,

Unterrichtsform: GU 3/45, Selbst-Evaluation

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Voraussetzungen fürQualifizierungsmaßnahmen

Sowohl die Einführung des QSM-U alsauch des damit verbundenen Modells „Inst -rumentaler Grundschulunterricht“ (IGrU)10

erforderte bei uns keine zusätzlichen Fi-nanzmittelmittel: Die Steuerung der inter-nen Qualitätsentwicklung obliegt demMusikschulleiter; die TVöD-Angestelltenleisten ihren Aufwand im Rahmen ihrerZusammenhangstätigkeiten; die im Be-reich Unterrichtsentwicklung geleistetenZusammenhangstätigkeiten der Honorar-kräfte werden honoriert. Die gesamtenPersonalkosten – die Finanzierung des inder Grundschule eingesetzten Musik-schulpersonals eingeschlossen – sind durchdas Regel-Budget abgedeckt. Dies beruhtauf unserer sogenannten 70/30-Regelung:Für unser Kerngeschäft benötigen wir –dank der Gruppenunterrichtskompetenz –nur ca. 70 Prozent unserer Jahreswochen-stunden, 30 Prozent können somit für dieBildungskooperationen mit allen WeilerGrundschulen verwendet werden. Sonder-mittel (Spenden) sind lediglich zur Be-schaffung der Instrumente für den Grund-schulunterricht erforderlich.Zur idealen Anwendung schülerzentrierterUnterrichtsmethoden wären zwar Räumewünschenswert, in denen die SchülerIn-nen während des Unterrichts selbstständigarbeiten können, da diese aber selten vor-handen sind, behelfen wir uns mit alterna-tiven Methoden wie z. B. dem simuliertenSpielen auf dem (lautlosen) „Luftinstru-ment“.Unerlässlich ist natürlich, dass auch dieSchülerInnen und deren Eltern ihre Rolleim Lernprozess wahrnehmen. Das heißt:Auch wenn wir als Lehrkräfte unserenSchülern noch so gute und bildungswirk-same Angebote machen, der Unterrichts-

erfolg ist nicht alleine an unseren Hand-lungen festzumachen. Lernen kann nur gelingen, wenn alle am Prozess Beteilig-ten – Schule, Schüler und Eltern – einver-nehmlich zusammenarbeiten.

Innovationen in Bezug aufunsere Zukunftsfähigkeit

Das hier vorgeschlagene Modell eignetsich für alle Musikschulen, auch für sol-che, die über eine große Anzahl an Hono-rarlehrkräften verfügen. Den von der Ber-liner Senatsentscheidung betroffenen Kol-legInnen gilt mein Mitgefühl. Dennochwürde ich an ihrer Stelle bedenken: DieSchüler und Eltern sollten von der Institu-tion Musikschule erwarten dürfen, dassdie Unterrichtsqualität, ungeachtet desAnstellungsstatus der Lehrkräfte, ein ein-heitliches Niveau aufweist. Das heißt, fallskeine schulischen Qualifizierungsmaßnah-men möglich sind, würde ich eigenverant-wortlich handeln und, wie hier beschrie-ben, Selbstevaluation betreiben – aus Ver-antwortung den SchülerInnen gegenüber,aber auch, um mich als Lehrperson aufzu-werten und damit zu meiner Existenz -sicherung beizutragen.Nach Lage der Dinge ist es kaum mehrvon der Hand zu weisen, dass die Einfüh-rung von verbindlichen Leistungsstandardsund Methoden der Selbstevaluation vonUnterricht dringend notwendig ist. Zumeinen, um zu bewirken, dass die vielenhilfreichen wissenschaftlichen Erkenntnis-se auch in unserem Unterricht ankommen,was unsere Bildungswirksamkeit spürbarerhöht. Zum anderen, um die Gesellschaftspüren zu lassen, dass sie aus dem Bil-dungsgehalt des Musikschulunterrichts ei-nen hohen Nutzen ziehen kann. Dann,aber wirklich erst dann, wäre aus meinerSicht zu erwarten, dass den Musikschulen

auch seitens der Kommunal- und Bildungs-politik die gebührende Anerkennung wi-derführe. ))

1 John Hattie ist ehemaliger Musiklehrer undProfessor an der Uni Melbourne – und laut TimesEducational Supplement „der vielleicht einfluss-reichste Bildungsforscher der Welt“. John Hattie:Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutsch-sprachige Ausgabe von „Visible Learning“,besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer,Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler2013.2 Hilbert Meyer: Was ist guter Unterricht?,Cornelsen, Berlin 2004.3 Leitlinien zur Sicherung und Weiterentwicklungder öffentlichen Musikschulen, 24. Februar 2010,Nr. 5, Absatz IV.4 Anselm Ernst ist emeritierter Professor fürInstrumentalpädagogik an der Hochschule fürMusik Freiburg.5 Anselm Ernst: Was ist guter Instrumentalunter-richt? Beispiele und Anregungen, Nepomuk,Aarau 2007; Dieter Fahrner: Begeisternd undkompetent unterrichten. Menschliche und fach li -che Professionalität für Instrumental- und Musik -lehrer, Schott, Mainz 2013, S. 105 ff.6 s. Fahrner, S. 35: Kompetenzorientiertes Denken,Planen, Unterrichten.7 s. Fahrner, S. 163.8 Die Merkmale 11 und 12 sind für die Beurtei-lung nicht relevant, denn diese betreffen die Rolleder Lehrpersonen im System Musikschule. DerBeobachtungsbogen für die Unterrichtshospita-tion kann unter www.schott-musikpädagogik.dekostenlos heruntergeladen werden: > instrumen-talunterricht > texte zur instrumentalpädagogik> Begeisternd und kompetent unterrichten > AlleDownloads zum Heft > Beobachtungsbogen fürdie Unterrichtshospitation.9 Fahrner, S. 166.10 ebd., S. 183.

musikschule )) DIREKT 5.201310

Dieter Fahrner ist seit 1985 Leiter derStädtischen Musikschule Weil am Rhein.

Neuerscheinung

Dieter Fahrner beschreibt, wie dieQualität des Unterrichts auf der Basisvon Güterichtlinien aus der interna -tionalen Unterrichtsforschung perma - nent entwickelt und gesichert wer -den kann. – Dieter Fahrner: Begeis -ternd und kompetent unterrichten.Menschliche und fachliche Professio-nalität für Instrumental- und Musik-lehrer, Schott, Mainz 2013, 208 Seiten,14,95 Euro, ISBN 978-3-7957-0844-3

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In nahezu allen Bundesländern laufenseit mehreren Jahren groß angelegteMusikalisierungsprojekte wie JeKi,JEKISS, Primacanta oder „Wir machendie Musik!“, in die aufgrund der Aus -weitung in die Fläche immer mehrInstrumental- und Vokallehrkräfte ein -gebunden sind. Um Informationsflussund Kommunikation zu verbessern,geben mittlerweile die Projektveran -stalter in einigen Bundesländern regel-mäßig erscheinende Newsletter fürLehrkräfte und Interessierte heraus.

Hamburger JeKi-Newsletter

Als regelmäßigen Informationsservice fürdie an JeKi beteiligten Musikschul- undGrundschullehrkräfte veröffentlicht dieHamburger Schulbehörde im Internet aufdem Hamburger Bildungsserver alle zweiMonate ihren Newsletter. Darin werdenaktuelle Ereignisse dokumentiert, aber auchFortbildungsangebote veröffentlicht, For-mulare zum Herunterladen für die Lehr-kräfte eingestellt oder allgemeine Entwick-lungen des JeKi-Projekts wie z. B. eine An-fang 2013 gestartete Qualitätsoffensiveund die dafür eigens entwickelten Mate-rialien bekannt gemacht. Der Austauschzwischen den schulischen JeKi-Lehrkräf-ten und den Lehrkräften der Musikschulesoll im Rahmen der Qualitätsoffensive alsUnterrichtsdialoge gestärkt werden, indemdie JeKi-KoordinatorInnen der Schuleneinzelne Unterrichtsstunden der Musik-schullehrkräfte beobachten und mit denMusikschullehrkräften gemeinsam aus-werten.Dazu wurde von einer Projektgruppe einBeobachtungsbogen entwickelt, den sichjede Lehrkraft herunterladen kann. DerBeobachtungsbogen berücksichtigt die äu-

ßeren Bedingungen des JeKi-Unterrichts,den Führungsstil der Musikschullehrkraftund das Verhalten der Kinder. Der Schwer -punkt liegt auf der methodisch-didakti-schen Gestaltung des Unterrichts. AuchAspekte wie allgemein pädagogische oderkollegiale Fragen und Aspekte zu einzel-nen Kindern fließen in den Bogen ein. DerBogen soll als Werkzeug dienen, mit demein Gespräch zwischen den Lehrkräftenüberhaupt erst einmal in Gang gebrachtwerden kann. Dabei werden auch Hinwei-se zum Umgang damit bzw. zum kollegia-len Verhalten im anschließenden Unter-richtsdialog gegeben. Die Hinweise undMaterialien sind auch für JeKi-Lehrkräftein anderen Bundesländern von Interesse,da sie übertragbare Merkmale und Hin-weise zur Qualitätssteigerung des Unter-richts enthalten und generell zum Dialogzwischen den Lehrkräften anregen.Die im Newsletter ebenfalls aufgeführtenJeKi-Fortbildungsangebote, die an derHamburger Hochschule für Musik undTheater bzw. an der Landesmusikakade-mie speziell für die Hamburger Lehrkräfteangeboten werden, können auch von Mu-siklehrkräften außerhalb Hamburgs wahr-genommen werden. Hier geht es um The-men wie Inklusion im JeKi-Unterricht,Singen im Instrumentalunterricht oderMerkmale gelungener Unterrichtsführung,aber auch um auf bestimmte Instrumentespezialisierte Angebote wie den JeKi-Gi-tarrentag oder Angebote für Streicher oderBlechbläser.Der Hamburger Newsletter erscheint allezwei Monate und kann von den Internet-seiten des Hamburger Bildungsservers alspdf-Datei heruntergeladen werden:www.bildungsserver.hamburg.de/newsletter

JeKi-Newsletter NRW

Das Land Nordrhein-Westfalen hat zweiverschiedene Newsletter aufgelegt: einen,der über aktuelle Veranstaltungen undNeuigkeiten im JeKi-Projekt informiert:www.jedemkind.de/newsletter.phpsowie einen speziellen Fortbildungs-News -letter, der sich nur an JeKi-Lehrkräfte rich-tet:www.jedemkind.de/programm/fortbil-dung/newsletter_fobi.phpDer Newsletter ergänzt die sehr ausführ -liche Homepage der JeKi-Stiftung.

Newsletter für „Wir machen dieMusik!“ in Niedersachsen

Auch in Niedersachsen können sich Inte-ressierte durch einen Newsletter über ak-tuelle Ereignisse und Entwicklungen imProjekt „Wir machen die Musik!“ infor-mieren. Hier werden die AbonnentInnengebeten, ihren persönlichen oder beruf -lichen Hintergrund in einer bestimmtenKategorie anzugeben. Vertreten sind dieKategorien Musikpädagogik, Verwaltung/Behörde, Presse/Öffentlichkeitsarbeit, Ver-band/Stiftung, Musikschulnutzer (Schü-ler/Eltern) und sonstige Bereiche. Informa-tionen werden hier gezielt an die verschie-denen Gruppen weitergeleitet.www.wirmachendiemusik.de/service/newsletter.html

Die anderen Bundesländer veröffentlichenInformationen und Fortbildungsangebotezu ihren Musikalisierungsprojekten auf ih-ren jeweiligen Projekt-Internetseiten. Re-gelmäßig erscheinende Newsletter, dieüber aktuelle Entwicklungen und Angebo-te informieren, bieten Lehrkräften jedochdeutlich mehr Komfort. ))

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Musikalisie rungs -projekte

Newsletter –Service für Musikschullehrkräfte

Anja Bossen

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)) Wagner und Instrumentalunterricht? Inder Regel wird man einem der wichtigstendeutschen Komponisten in der Musik-schule kaum begegnen. Wer seinen Schü-lerInnen im Wagner-Jahr zumindest dieungemein spannende Biografie des sächsi-schen Tondichters nahebringen will, kannnun jenseits der meist nicht kindgerechtenWagner-Literatur auf einen crossmedialenDreierpack – bestehend aus Film, GraphicNovel und App – zurückgreifen.Pünktlich zu Wagners Geburtstag am 22.Mai wurde im TV der Film Wagnerwahnvon Ralf Pleger zum ersten Mal gesendet.Mit Samuel Finzi als Richard und PegahFerydoni als Cosima ist der Film hochkarä-tig besetzt und vermittelt ein facettenrei-ches Bild von Richard Wagners Leben unddessen Beziehung zu Cosima. Wegen sei-ner komplexen Struktur, des Detailreich-tums und der Fokussierung auf die Bezie-hung Richards und Cosimas wendet sichder anspruchsvolle und künstlerisch hoch-wertige Film jedoch eher an Wagner-Ken-ner und ist als erster Einstieg in WagnersLeben für Kinder und Jugendliche nur be-dingt geeignet. Trotz der Montagetechnikmit Spielszenen, Interviews und dokumen -tarischen Passagen werden nur an sehr we-nigen Stellen Animationen oder Comic-Zeichnungen aus Buch oder App verwen-det. Der Film ist bei iTunes für 16,99 Eurozum Download erhältlich (oder kann für4,99 Euro geliehen werden).Ende Juli erschien im Knesebeck Verlagdie Graphic Novel Wagner von Andreas

Völlinger und Flavia Scuderi (48 Seiten,19,95 Euro). In diesem Comic wird Wag-ners Leben aus der (fiktiven) Sicht Hansvon Bülows wiedergegeben – ein guter Ein -fall, um einen Erzähler in die Geschichteeinzubauen. Die Zeichnungen von FlaviaScuderi sind sehr detailreich und nähernsich durch Überblendungs- und Montage-techniken einem filmischen Denken an.Eine animierte, filmische Wiedergabe, wiesie schließlich in der App zu finden ist, isthier bereits angelegt.Für weniger Geld (5,49 Euro) ist die iPad-App Wagnerwahn die bessere Alternative.Hier kann man zwischen vier verschiede-nen Modi zur Wiedergabe wählen. Der„Graphic Novel Modus“ bietet das Buchals E-Paper zum Blättern, zwei verschie -dene Animationsmodi (mit und ohne Er-zählstimme bzw. Schauspielern) bereitenden Comic mit bewegten Standbildern fil-misch auf. Zu allen Modi werden zusätz -liche interaktive Elemente – jedoch inrecht bescheidenem Umfang – angeboten:Durch Drücken auf einen im Bild auftau-chenden blauen Button erhält man Foto-grafien, faksimilierte Wiedergaben von al-ten Programmheften oder Rezensionen.Im Autoplay-Modus schließlich kann mansich den animierten Comic mit allen Zu-satzfunktionen vorspielen lassen.Leider bleibt dies die einzige Verbindungvon Film und App. Noch bedauerlicher istdas Fehlen des Elements, das doch eigent-lich im Mittelpunkt stehen sollte: der Mu-sik! Zwar wird jeder Wieder gabe-Modus

von Wagner-Musik grundiert. Diese stehtjedoch in keinem inhaltlichen Zusammen-hang zum Erzählten, und schnell wird ei-nem bewusst, dass es sich um die immergleichen Musikfragmente in enervierenderEndlosschleife handelt, sodass man baldvon der Möglichkeit Gebrauch machenwird, im Menü die Musikwiedergabe zu de -aktivieren. Hier wurde eine große Chancevertan, die interaktiven Möglichkeiten ei-ner App voll zu nutzen.Immerhin: Bei den „Extras“ finden sichAusschnitte aus den Film-Interviews undeinige wenige historische Tonaufnahmenaus den Jahren 1907 bis 1939 in naturge-mäß bescheidener Tonqualität. Auf einerLandkarte kann man die vielen Reisen undLebensstationen Wagners nachvollziehenund erhält im Bereich „Dokumente“ klei-ne Einblicke in die Partituren und Schrif-ten Wagners.Das Crossmedia-Projekt Wagnerwahn mitFilm, Buch und App gibt einen ersten Aus-blick, was künftig im Verlagsbereich mög-lich sein könnte, schöpft die Möglichkei-ten aber bei Weitem noch nicht aus. Den-noch: Dieses Dreigestirn bietet für Wag-ner-Fans und solche, die es werden wollen,zahlreiche Zugangsmöglichkeiten und An-reize, sich näher mit diesem faszinierendenKomponisten zu beschäftigen. ))

musikschule )) DIREKT 5.201312

Meine App

„Wagnerwahn“ – Richard Wagners Biografie im multimedialen Dreierpack

Kennen Sie eine App, die Sie anderenLehrkräften empfehlen möchten?Schreiben Sie uns: [email protected]

Rüdiger Behschnitt

musikschule )) DIREKT erscheintalle zwei Monate als Supplementzu üben & musizieren

Redaktion: Anja Bossen und Rüdiger BehschnittLayout: Rüdiger BehschnittGrafik: Nele Engler