Nachweis eines DNA-Reparaturdefekts in menschlichen Monozyten

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455 BIOspektrum | 04.12 | 18. Jahrgang DOI: 10.1007/s12268-012-0211-y © Springer-Verlag 2012 ó Es ist gut bekannt, dass während der Tumortherapie durch Bestrahlung oder Che- motherapeutika eine Schädigung des Immun- systems auftritt. Weniger bekannt ist, welche Zellen des Immunsystems besonders emp- findlich auf Strahlung und Chemotherapeu- tika reagieren und welche resistent sind. Die- se Frage wurde von unserer Arbeitsgruppe untersucht. Es zeigte sich, dass menschliche Monozyten besonders empfindlich auf reak- tive Sauerstoffspezies (ROS) reagieren, wäh- rend Makrophagen und dendritische Zellen (DCs), die aus Monozyten durch Zytokinga- be gereift wurden, resistent sind [1]. Die außerordentlich hohe Empfindlichkeit von Monozyten wurde nach Behandlung mit ioni- sierender Strahlung, chemischen oxidativen Substanzen und dem oxidierten low-density- Lipoprotein (oxLDL), das als einer der Auslö- ser der Atherosklerose angesehen wird, beob- achtet. Es gelang auch, die Ursache für die Hypersensitivität von Monozyten gegenüber oxidativem Stress ausfindig zu machen. Sie ist begründet in einem Fehlen bzw. einer äußerst niedrigen Expression der DNA-Reparatur- proteine XRCC1, Ligase III, PARP-1 und DNA- PK CS . Damit sind Monozyten faktisch defekt in zwei wichtigen DNA-Reparatursystemen, der Basenexzisions-Reparatur (BER) und der DNA-Doppelstrangbruch(DSB)-Reparatur. Im letztgenannten Fall ist das nicht-homologe End-Joining (NHEJ) betroffen, das die DNA- Proteinkinase (DNA-PK) benötigt. Da die Zel- len nicht proliferieren, stellt NHEJ den einzi- gen Weg der DSB-Reparatur in diesen Zellen dar, der offenbar nicht ablaufen kann und dazu führt, dass in Monozyten vermehrt DNA- Doppelstrangbrüche auftreten (Abb. 1). Das hat gravierende Auswirkungen auf die Sen- sitivität der Zellen, was an der starken Akti- vierung der DNA-Schadensantwort und der hohen Apoptoserate nach ROS-Exposition zu sehen ist. Monozyten sind, verglichen mit DCs und Makrophagen, auch hypersensitiv gegen- über alkylierenden Genotoxinen, unter ande- rem auch Zytostatika [2]. Ein derartiger gene- reller Repararturdefekt wurde bisher weder in Zellen des menschlichen Körpers noch in experimentellen in vitro-Systemen beobach- tet. Dem „Reparaturdefekt“ in Monozyten wird eine biologische Rolle zugeschrieben: die Vermeidung einer übermäßigen ROS-Pro- duktion und Immunantwort durch Depletion des Präkursors von ROS-produzierenden Makrophagen und die Immunantwort regu- lierenden DCs (Monozyten) im entzündlichen Gewebe. Außerdem zeigen die Arbeiten, dass mehrere DNA-Reparaturgene durch Zytokine (GM-CSF und IL-4), die die Ausreifung von Monozyten zu DCs und Makrophagen bewir- ken, reguliert werden. ó Literatur [1] Bauer M, Goldstein M, Christmann M et al. (2011) Human monocytes are severely impaired in base and DNA double- strand break repair that renders them vulnerable to oxidative stress. Proc Natl Acad Sci USA 108:21105–21110 [2] Bauer M, Goldstein M, Heylmann D et al. (2012) Human monocytes undergo excessive apoptosis following temozolomi- de activating the ATM/ATR pathway while dendritic cells and macrophages are resistant. PLOS ONE (im Druck). GT-Toxicology-Preis 2012 Nachweis eines DNA-Reparaturdefekts in menschlichen Monozyten BERND KAINA INSTITUT FÜR TOXIKOLOGIE, UNIVERSITÄT MAINZ Bernd Kaina 1977 Promotion zum Dr. rer. nat. an der Universität Halle-Witten- berg. 1975–1984 wissenschaft- licher Mitarbeiter, Zentralinstitut für Genetik und Kulturpflanzen- forschung, Gatersleben. 1984– 1987 EU-Stipendiat am Institut für Biochemie, Universität Lei- den, Niederlande, und Gastwis- senschaftler am DKFZ, Heidelberg. 1987–1993 Ar- beitsgruppenleiter am Institut für Genetik und Toxi- kologie, Kernforschungszentrum Karlsruhe. 1990 Habilitation an der Universität Karlsruhe. 1992 Venia Legendi für das Fach Genetik und Toxikologie an der Universität Karlsruhe. Seit 1993 Professor für Toxi- kologie an der Universität Mainz, seit 2004 Direktor des Instituts für Toxikologie. ˚ Abb. 1: Menschliche Blutzellen bestrahlt mit 1-Gray-Gamma-Strahlung. Kernfoci (rot gefärbt), zeigen die Anwesenheit von DNA- Doppelstrangbrüchen an. Die Zellen wurden auch mit einem CD14-Antikörper gefärbt, ein Oberflächenmarker von Monozyten (grün). Die Kernfärbung erfolgte durch ToPro 3 (blau). Färbung und konfokale Mikroskopie durch Daniel Heylmann. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Bernd Kaina Universität Mainz Institut für Toxikologie Obere Zahlbacher Straße 67 D-55131 Mainz Tel.: 06131-17-9217 Fax: 06131-230506 [email protected]

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BIOspektrum | 04.12 | 18. Jahrgang

DOI: 10.1007/s12268-012-0211-y© Springer-Verlag 2012

ó Es ist gut bekannt, dass während derTumortherapie durch Bestrahlung oder Che-motherapeutika eine Schädigung des Immun-systems auftritt. Weniger bekannt ist, welcheZellen des Immunsystems besonders emp-findlich auf Strahlung und Chemotherapeu-tika reagieren und welche resistent sind. Die-se Frage wurde von unserer Arbeitsgruppeuntersucht. Es zeigte sich, dass menschlicheMonozyten besonders empfindlich auf reak-tive Sauerstoffspezies (ROS) reagieren, wäh-rend Makrophagen und dendritische Zellen(DCs), die aus Monozyten durch Zytokinga-be gereift wurden, resistent sind [1]. Die

außerordentlich hohe Empfindlichkeit vonMonozyten wurde nach Behandlung mit ioni-sierender Strahlung, chemischen oxidativenSubstanzen und dem oxidierten low-density-Lipoprotein (oxLDL), das als einer der Auslö-ser der Atherosklerose angesehen wird, beob-achtet. Es gelang auch, die Ursache für dieHypersensitivität von Monozyten gegenüberoxidativem Stress ausfindig zu machen. Sie istbegründet in einem Fehlen bzw. einer äußerstniedrigen Expression der DNA-Reparatur-proteine XRCC1, Ligase III, PARP-1 und DNA-PKCS. Damit sind Monozyten faktisch defektin zwei wichtigen DNA-Reparatursystemen,der Basenexzisions-Reparatur (BER) und derDNA-Doppelstrangbruch(DSB)-Reparatur. Imletztgenannten Fall ist das nicht-homologeEnd-Joining (NHEJ) betroffen, das die DNA-Proteinkinase (DNA-PK) benötigt. Da die Zel-len nicht proliferieren, stellt NHEJ den einzi-gen Weg der DSB-Reparatur in diesen Zellendar, der offenbar nicht ablaufen kann unddazu führt, dass in Monozyten vermehrt DNA-Doppelstrangbrüche auftreten (Abb. 1). Dashat gravierende Auswirkungen auf die Sen-sitivität der Zellen, was an der starken Akti-vierung der DNA-Schadensantwort und derhohen Apoptoserate nach ROS-Exposition zusehen ist. Monozyten sind, verglichen mit DCsund Makrophagen, auch hypersensitiv gegen-über alkylierenden Genotoxinen, unter ande-rem auch Zytostatika [2]. Ein derartiger gene-reller Repararturdefekt wurde bisher weder inZellen des menschlichen Körpers noch inexperimentellen in vitro-Systemen beobach-tet. Dem „Reparaturdefekt“ in Monozytenwird eine biologische Rolle zugeschrieben:die Vermeidung einer übermäßigen ROS-Pro-duktion und Immunantwort durch Depletiondes Präkursors von ROS-produzierendenMakrophagen und die Immunantwort regu-

lierenden DCs (Monozyten) im entzündlichenGewebe. Außerdem zeigen die Arbeiten, dassmehrere DNA-Reparaturgene durch Zytokine(GM-CSF und IL-4), die die Ausreifung vonMonozyten zu DCs und Makrophagen bewir-ken, reguliert werden. ó

Literatur[1] Bauer M, Goldstein M, Christmann M et al. (2011) Humanmonocytes are severely impaired in base and DNA double-strand break repair that renders them vulnerable to oxidativestress. Proc Natl Acad Sci USA 108:21105–21110[2] Bauer M, Goldstein M, Heylmann D et al. (2012) Humanmonocytes undergo excessive apoptosis following temozolomi-de activating the ATM/ATR pathway while dendritic cells andmacrophages are resistant. PLOS ONE (im Druck).

GT-Toxicology-Preis 2012

Nachweis eines DNA-Reparaturdefektsin menschlichen Monozyten

BERND KAINA

INSTITUT FÜR TOXIKOLOGIE, UNIVERSITÄT MAINZ

Bernd Kaina1977 Promotion zum Dr. rer. nat.an der Universität Halle-Witten-berg. 1975–1984 wissenschaft-licher Mitarbeiter, Zentralinstitutfür Genetik und Kulturpflanzen-forschung, Gaters leben. 1984–1987 EU- Stipendiat am Institutfür Biochemie, Universität Lei-den, Niederlande, und Gastwis-

senschaftler am DKFZ, Heidelberg. 1987–1993 Ar-beitsgruppenleiter am Institut für Genetik und Toxi-kologie, Kernforschungszentrum Karlsruhe. 1990Habilitation an der Universität Karlsruhe. 1992 VeniaLegendi für das Fach Genetik und Toxikologie an derUniversität Karlsruhe. Seit 1993 Professor für Toxi-kologie an der Universität Mainz, seit 2004 Direktordes Instituts für Toxikologie.

˚ Abb. 1: Menschliche Blutzellen bestrahltmit 1-Gray-Gamma-Strahlung. Kernfoci (rotgefärbt), zeigen die Anwesenheit von DNA-Doppelstrangbrüchen an. Die Zellen wurdenauch mit einem CD14-Antikörper gefärbt,ein Oberflächenmarker von Mono zyten(grün). Die Kernfärbung erfolgte durch ToPro3 (blau). Färbung und konfokale Mikroskopiedurch Daniel Heylmann.

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Bernd KainaUniversität MainzInstitut für ToxikologieObere Zahlbacher Straße 67D-55131 MainzTel.: 06131-17-9217Fax: [email protected]