Natürlich. bert vertonte Gedicht Am Brunnen vor Gibt es...

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C hristian Wulff antwortet persönlich. „Die Idee finde ich sehr gut und Japan hat Aufmerksamkeit verdient“, schreibt der ehemalige Bundespräsident per Mail. Keine Stunde zuvor hatte man bei seinem Büro ange- fragt, ob Wulff für ein Interview zum Thronwechsel in Japan bereitstünde. Am Dienstag dankt der seit 30 Jahren regie- rende Kaiser Akihito ab. Auf den 85-Jähri- gen folgt am Mittwoch sein 59 Jahre alter Sohn Naruhito. Christian Wulff kennt beide, wohl kein Deutscher hat die Mo- narchen so oft getroffen wie er. VON KLAUS GEIGER WELT: Herr Bundespräsident Wulff. Das ist doch die korrekte Anrede … CHRISTIAN WULFF: Sagen Sie einfach Herr Wulff. Herr Wulff, im Jahr 2011 besuchten Sie Kaiser Akihito in seinem Palast, als ei- ner von bisher sehr wenigen Deut- schen. Ja, es gab damals ein Vieraugengespräch, ein Staatsbankett, ein eindrucksvolles, unvergessliches gemeinsames Essen und eine Begegnung mit der kaiserlichen Fa- milie. Dabei wurde sehr deutlich, dass Kaiser Akihito, der inzwischen 125. Tenno von Japan ist, auf fast 2700 Jahre Famili- engeschichte zurückschauen kann. Das Protokoll am kaiserlichen Hof in Tokio gilt als das strengste weltweit. Wie steif war das Staatsbankett? Protokoll und Etikette haben eine gewal- tige Bedeutung in einem Land, das allein 20 verschiedene Ausdrucksformen für „Entschuldigung“ kennt. Das gilt natür- lich auch für einen Besuch beim Kaiser. Aber wenn man den Zugang gefunden hat, dann ist es auch dort ein ungezwun- genes Beieinandersein. Wie findet man diesen Zugang? Indem man sich sehr gut einliest und sich vorher intensiv mit dem deutschen Bot- schafter in Japan unterhält. Der Kaiser galt den Japanern über Jahrhunderte als Gott. Einst durfte ihm niemand die Hand geben, ihn nicht ansehen, sogar von Porträts musste man den Blick abwenden. So streng ist es heute nicht mehr, oder? Nein. Ein paar Besonderheiten sollte man beachten: Man geht zum Beispiel die Treppen rückwärts hinunter, wenn man sich vom Tenno verabschiedet. Die Koi- karpfen im kaiserlichen Gästehaus in Kyoto, wo ich übernachtet habe, sollte man mit der gebotenen Wertschätzung füttern, weil Japaner die Natur besonders respektieren. Und die Tischgespräche … … sind hochinteressant. Ich habe Kaiser Akihito als enorm warmherzige, beschei- dene und umfassend gebildete Persön- lichkeit in Erinnerung. Über was haben Sie während des Es- sens gesprochen? Die Inhalte sind prinzipiell geheim. Was ich sagen kann: Er hat mir erzählt, wie be- deutend es für ihn sei, dass ich mit seinem Sohn eine deutsche Linde in Tokio ge- pflanzt habe. Seine Frau, Kaiserin Michi- ko, deren Vater einst vorübergehend in Berlin lebte, habe als kleines Mädchen auf der Straße Unter den Linden gespielt. Er erzählte auch, dass er das von Franz Schu- bert vertonte Gedicht „Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum“ sehr möge. Er kennt und schätzt deutsche klassische Musik und deutsche Literatur. Der Kaiser ist so tief und umfassend ge- bildet wie nur selten ein Staatsoberhaupt, das weicht ab von so manchem, das heute irgendwas twittert. Die Japaner hörten erstmals die Stim- me des Tenno im Jahr 1945, als Akihi- tos Vater Hirohito die Kapitulation sei- nes Landes im Radio verkündete. Die erste Rede im Fernsehen hielt sein Sohn 2011 nach Fukushima. Zum zwei- ten Mal erschien er 2016 auf dem Bild- schirm – um seine Abdankung anzu- kündigen. Der Kaiser übergibt nun zu Lebzeiten den Thron – das gab es noch nie. Wie sehen die Japaner diesen Schritt? Ich habe überall Verständnis und tiefen Respekt für diese höchstpersönliche Ent- scheidung gespürt. Ähnlich wie damals bei Papst Benedikt XVI. Und sehr viel Dankbarkeit übrigens auch gegenüber Kaiserin Michiko. Der Kaiser äußert sich traditionell nicht zur Tagespolitik. Die aktuelle Re- gierung von Premier Shinzo Abe steht für eine Abkehr von Japans pazifisti- schem Nachkriegskurs. Manche sehen die Abdankung des Kaisers als Protest gegen Abe. Sie auch? Meine Vermutung ist, dass er spürte, wie geeignet sein Sohn, Kronprinz Naruhito, ist, nach seiner 30-jährigen Ära sein Werk kraftvoll fortzuführen. So diplomatisch würde womöglich auch der künftige Tenno antworten. Sie haben Naruhito auch schon getrof- fen, richtig? Ja, viermal bisher. Er ist ein unglaublich belesener und hellwacher Mensch. Man muss manchmal akzeptieren, dass man auf Menschen trifft, die wahrscheinlich ein paar Tausend Bücher mehr gelesen und verstanden haben als man selbst. Auch Naruhito hat angeblich ein Deutschland-Faible. Für Deutschland räumt er immer Zeit ein. Vor ein paar Jahren habe ich ihn privat be- sucht, und wir haben uns ganz freund- schaftlich unterhalten über japanische Fußballspieler in der deutschen Bundesli- ga. Und über seinen liebsten deutschen Nationalspieler. Die Nationalmannschaft beobachtet er seit der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea genau. Und er hat mir mit Freude erzählt, dass seine Tochter Aiko Deutsch lernt und deutsche klassische Musik spielt. Wer ist denn Naruhitos Lieblingsspie- ler in der Nationalmannschaft? Das möchte ich aus Respekt vor dem Thronfolger lieber nicht preisgeben. Ist der Spieler noch aktiv? Nein. Ein Weltmeister von 2014? (Lacht) Sagen wir mal so: Ich hatte vorher einen anderen Lieblingsspieler vermutet. Die Wahl sagt einiges aus über den Kron- prinzen. Am ehesten können Sie auf den Namen kommen, wenn Sie überlegen, dass die Japaner in langen Linien denken, dass ihnen Beständigkeit sehr wichtig ist. Der Spieler war jedenfalls kein Phönix aus der Asche, der mal irgendwo ein tolles Turnier gespielt hat und dann wieder weg war. Gibt es Fehler, die Deutsche in Japan besonders häufig machen? Natürlich. Welche? Verschiedene. Aber wenn man sensibel und empathisch ist, kriegt man es schon hin. Anders gefragt: Was müssen Deutsche besonders beachten, wenn sie zum ers- ten Mal in Japan sind? Man sollte zum Beispiel Situationen ver- meiden, in denen japanische Partner auf etwas reagieren müssen, auf das sie vor dem Gespräch nicht vorbereitet und hin- gewiesen worden sind. Es ist für Japaner ein großes Dilemma, Nein sagen zu müs- sen – wenn der Gast in ihren Augen da- durch sein Gesicht verlieren könnte. Taktgefühl ist nicht unbedingt immer eine deutsche Stärke. In dieser Beziehung kann in Japan jeder etwas lernen. Vergangenes Jahr habe ich meine Kinder für eine Woche mit nach Ja- pan genommen, weil ich denke, das ist besser für die Erziehung in Höflichkeit und Umgang als jahrelanges Reden. Wer einmal einen japanischen Schaffner im Zug beobachtet hat, wie er sich verbeugt, bevor er in den nächsten Wagen geht, wird dies nicht vergessen. Also Höflichkeit … … und Zuverlässigkeit. Das ist zwar auch eine deutsche Stärke, aber wir können uns da inzwischen auch einiges abschau- en. Der japanische Hochgeschwindig- keitszug Shinkansen hatte 26 Sekunden Verspätung übers ganze Jahr und der Bahnchef hat sich entschuldigt. Davon träumen wir mit unseren ICEs. Die Japaner sind also die besseren Deutschen. Sie lernen auch von uns. Es gibt in Japan ein Buch über Deutschland: „35 Stunden Arbeit – und trotzdem erfolgreich“, lautet der Titel sinngemäß. Die Japaner spüren, dass sie hier umdenken müssen. Mehr Work-Life-Balance, nicht ewig am Ar- beitsplatz sitzen, Urlaub nehmen ohne schlechtes Gewissen gegenüber den Kol- legen. In den 80er-Jahren sprach ganz Deutschland über Japan, heute spre- chen wir über China. Was ist da pas- siert? Ich glaube, dass wir die Beziehung mit Ja- pan intensiv pflegen müssen, weil Japan unser Wertepartner in Ostasien ist. Japan ist uns in vielem nah, aber natürlich geo- grafisch weit entfernt. Der Aufwand, die- se Freundschaften zu pflegen, ist einfach auch größer. Hinter vorgehaltener Hand sind die Ja- paner nicht sehr glücklich darüber, dass die Bundeskanzlerin seit ihrem Amtsantritt deutlich öfter in Peking war als in Tokio. Das Verhältnis von Angela Merkel zum ja- panischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe ist exzellent. Wir sollten uns wohl da- rüber freuen, dass die Beziehungen zu Ja- pan so gut sind, dass wir uns dieser Freundschaft auch ohne ständige Besuche gewiss sein können. Was gelingt denn auf politischer Ebe- ne zwischen Deutschland und Japan konkret, außer der Austausch von blu- migen Worten? Jede Menge. Japan und Deutschland set- zen sich gemeinsam für eine internatio- nale Ordnung ein, für globale Verantwor- tung. Wir haben es hinbekommen, ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan abzuschließen, das ist nun der größte Binnenmarkt der Welt. Man kann sich auch mal freuen über das, was funk- tioniert. Bei den aufwendigen Zeremonien für den Thronwechsel in dieser Woche bleiben die Japaner unter sich. Die nächste große Gelegenheit zur deutsch-japanischen Beziehungspflege bietet sich im Herbst. Am 22. Oktober folgt die Krönungszeremonie mit Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, zu der Ihr Nachnachfolger Frank-Walter Steinmeier reisen wird. Ja, das ist wunderbar, denn diese Zeremo- nien sind sehr bedeutsam für die Men- schen in Japan. Wir müssen die Beziehun- gen ständig intensiv pflegen. Da spielt wie gesagt Vertrauen und Zuverlässigkeit eine zentrale Rolle. Ich habe schon Termine zugesagt für das Jahr 2022. Drei Jahre Vorlauf, das ist nicht ungewöhnlich in Ja- pan. Eine Leidenschaft für Japan: Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff, hier im japanisches Teehaus Senshin-tei im Stadtpark Hannover, reist regelmäßig nach Japan MICHAEL LÖWA/MICHAEL LÖWA Christian Wulff pflanzte 2011 mit dem japanischen Kronprinz Naruhito beim Deutschlandfest in Tokio eine Linde PICTURE ALLIANCE / DPA Japan bekommt in dieser Woche einen neuen Regenten. Kein Deutscher kennt den amtierenden Tenno und seinen Nachfolger so gut wie Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Ein Gespräch über Traditionen, Rituale und Reisen als Instrument der Kindererziehung „Für Deutschland räumt der neue KAISER immer Zeit ein“ DIE WELT MONTAG, 29. APRIL 2019 6 POLITIK Arm amputiert werden muss. In den Ta- gen zuvor hatten die mexikanischen Si- cherheitskräfte hart durchgegriffen. Al- lein seit Montag wurden im Grenzge- biet zu Guatemala 400 Migranten aus Honduras festgenommen. Die Beamten schlagen dabei immer wieder überra- schend zu. Es kommt zu dramatischen Szenen: Weinende Frauen und Kinder, die die Sicherheitskräfte anflehen, sie nicht zu verhaften, werden auf LKW verfrachtet. Andernorts kommen die Beamten im Schutz der Dunkelheit. Sie überraschen die Migranten im Schlaf. „Es ging alles sehr, sehr schnell. Ich konnte nur noch meinen Rucksack neh- men und verschwinden. Das Einzige, woran ich denken konnte, war zu flie- hen“, zitierte die honduranische Tages- zeitung „La Prensa“ einen Migranten aus Honduras. Die Ereignisse der vergangenen Tage dokumentieren einen Kurswechsel in der mexikanischen Migrationspolitik. Der neue und erste linke Präsident, Andrés Manuel López Obrador, insze- nierte sich im Wahlkampf und in den ersten Wochen seiner Amtszeit als mig- P lötzlich kommt ein wenig Licht in die dunkle Nacht. Handyauf- nahmen zeigen, wie Dutzende Menschen in alle Himmelsrichtungen davonlaufen. In der Hektik sind Rufe und Schreie zu hören. Am Ende sind es über 1300 Migranten, denen in der Nacht zum Freitag in Tapachula im süd- mexikanischen Bundesstaat Chiapas die Flucht aus dem Abschiebegefängnis der Nationalen Migrationsbehörde gelingt. VON TOBIAS KÄUFER AUS BOGOTA Ein Teil von ihnen kehrt später frei- willig zurück, von mehr als 600 Migran- ten fehlt laut lokalen Medienberichten am Abend des folgenden Tages aber noch jede Spur. Wenig später ist klar: Sie befinden sich auf dem Dach jenes Güterzuges, den sie in Mexiko „die Bes- tie“ nennen. Der in Richtung Norden fahrende Zug trägt diesen Namen, weil es immer wieder zu schweren Unfällen kommt. Auch diesmal wird ein hondura- nischer Flüchtling schwer verletzt, als er vom Zug herunterfällt und ihm ein rantenfreundlicher Gegenentwurf zu US-Präsident Donald Trump. Er ließ humanitäre Visa und Arbeitsgenehmi- gungen an Migranten aus Mittelamerika verteilen. Doch die zunehmende Zahl der einreisenden Menschen sowie der Druck von US-Präsident Trump haben offenbar zu einem Ende der Willkom- menspolitik in Mexiko-Stadt geführt. „Wir wollen nicht, dass sie eine freie Durchreise haben. Nicht nur aus gesetz- lichen Gründen, sondern auch aus Gründen der Sicherheit“, sagte López Obrador nun. „Die Gewalt ist in den nördlichen Staaten größer, deswegen bevorzugen wir es, die Migranten im Süden und Südosten zu betreuen.“ Das Problem: Die Migranten wollen aber nicht im armen Süden Mexikos bleiben, sie zieht es in die USA oder zumindest in den wirtschaftlich wohlhabenderen Norden Mexikos zu den Arbeitsplätzen. Für López Obrador ist das die erste große Herausforderung seiner noch jungen Amtszeit, die am 1. Dezember 2018 begann. Die mexikanische Zeitung „La Jornada“, eigentlich López Obrador eher freundlich gesonnen, kommentier- te: „Die Regierung und die Flüchtlings- unterkünfte: Überrollt von der Flut der Menschen ohne Papiere“. Tatsächlich machen sich erneut viele Tausend Men- schen aus Mittelamerika auf dem Weg in Richtung Norden. Fast wöchentlich starten in El Salvador, Guatemala oder Honduras Hunderte Mittelamerika- nern, die gemeinsam vor der Gewalt und der Armut in ihrer Heimat fliehen wollen und von einem besseren Leben im Norden träumen. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres haben laut lokalen Medienbe- richten rund 300.000 Migranten aus Mittelamerika mexikanisches Territori- um auf ihrer Durchreise in Richtung USA betreten. Innenministerin Olga Sánchez kommentierte hilflos, Mexiko sei nicht für die steigende Zahl verant- wortlich. López Obrador steckt damit politisch in der Klemme: Im Wahlkampf erhielt er massive Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Auch die katholische Kirche stellte sich hinter López Obrador, der sogar erwog, den katholischen Priester Alejandro So- lalinde zum Migrationsbeauftragten zu machen. Solalinde ist als Träger des na- tionalen Menschenrechtspreises und Initiator von Flüchtlingsherbergen ent- lang der Fluchtroute über die Grenzen Mexikos hinaus bekannt. Knapp fünf Monate nach Amtsantritt López Obradors ist nun alles anders. Die nahezu fast wöchentlich wiederhol- te Drohung Trumps, die Grenze zu schließen, entfaltet in Mexiko-Stadt Wirkung. Ebenso wie die Bilder, die zei- gen, dass es fast täglich Hunderten Mig- ranten im Norden Mexikos gelingt, die US-Grenze zu überwinden. All das er- weckt den Eindruck, dass auch die neue mexikanische Regierung nicht die Kon- trolle über die Migrationsbewegungen im eigenen Land hat. Das Damokles- schwert eines von Trump angedrohten Mauerbaus hängt deshalb auch über der Präsidentschaft López Obradors. Dem will „AMLO“, wie ihn seine Anhänger rufen, jetzt mit einer neuen Strategie begegnen. Arbeitsvisa werden nun nicht mehr so leicht vergeben. Stattdessen bekommen die Migranten die Härte des mexikanischen Gesetzes zu spüren. Tonatiuh Guillén López von der Natio- nalen Migrationsbehörde räumte in die- ser Woche ein, dass allein im vergange- nen Monat 15.000 Menschen in ihre Heimatländer abgeschoben wurden. Zu- dem wurden im ersten Quartal 30.000 Migranten verhaftet. Die Abschiebege- fängnisse sind überfüllt. In den Jahren 2015 bis 2018 – also in der der Zeit vor López Obradors Amtszeit – schob Mexi- ko monatlich im Schnitt nur rund 9000 Migranten in ihre Heimat ab. Die An- kommenden sollen nun im Süden Mexi- kos gesammelt werden, weit entfernt von der US-Grenze und der Gewalt im Norden. Das Kernproblem ist allerdings wei- terhin nicht gelöst: Weder werden die Fluchtursachen in Mittelamerika, die Gewalt und Armut ernsthaft bekämpft, noch ist die löchrige Südgrenze ge- stopft, über die eine Einreise nach Me- xiko ohne Papiere nahezu problemlos möglich ist. Eine Steilvorlage für Do- nald Trump: Er kann weiterhin die un- gebremste Migration aus Mittelamerika zum Thema im anstehenden Präsident- schaftswahlkampf machen. Ausgerechnet Mexikos linker Präsident hilft jetzt Trump Andrés Manuel López Obrador bekommt die Migration nicht in den Griff. Die Realität zwingt ihn zur Abkehr von seiner bisher praktizierten Willkommenspolitik

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C hristian Wulff antwortetpersönlich. „Die Idee findeich sehr gut und Japan hatAufmerksamkeit verdient“,schreibt der ehemalige

Bundespräsident per Mail. Keine Stundezuvor hatte man bei seinem Büro ange-fragt, ob Wulff für ein Interview zumThronwechsel in Japan bereitstünde. AmDienstag dankt der seit 30 Jahren regie-rende Kaiser Akihito ab. Auf den 85-Jähri-gen folgt am Mittwoch sein 59 Jahre alterSohn Naruhito. Christian Wulff kenntbeide, wohl kein Deutscher hat die Mo-narchen so oft getroffen wie er.

VON KLAUS GEIGER

WELT: Herr Bundespräsident Wulff.Das ist doch die korrekte Anrede …CHRISTIAN WULFF: Sagen Sie einfachHerr Wulff.

Herr Wulff, im Jahr 2011 besuchten SieKaiser Akihito in seinem Palast, als ei-ner von bisher sehr wenigen Deut-schen.Ja, es gab damals ein Vieraugengespräch,ein Staatsbankett, ein eindrucksvolles,unvergessliches gemeinsames Essen undeine Begegnung mit der kaiserlichen Fa-milie. Dabei wurde sehr deutlich, dassKaiser Akihito, der inzwischen 125. Tennovon Japan ist, auf fast 2700 Jahre Famili-engeschichte zurückschauen kann.

Das Protokoll am kaiserlichen Hof inTokio gilt als das strengste weltweit.Wie steif war das Staatsbankett?Protokoll und Etikette haben eine gewal-tige Bedeutung in einem Land, das allein20 verschiedene Ausdrucksformen für„Entschuldigung“ kennt. Das gilt natür-lich auch für einen Besuch beim Kaiser.

Aber wenn man den Zugang gefundenhat, dann ist es auch dort ein ungezwun-genes Beieinandersein.

Wie findet man diesen Zugang?Indem man sich sehr gut einliest und sichvorher intensiv mit dem deutschen Bot-schafter in Japan unterhält.

Der Kaiser galt den Japanern überJahrhunderte als Gott. Einst durfteihm niemand die Hand geben, ihnnicht ansehen, sogar von Porträtsmusste man den Blick abwenden. Sostreng ist es heute nicht mehr, oder?Nein. Ein paar Besonderheiten sollte manbeachten: Man geht zum Beispiel dieTreppen rückwärts hinunter, wenn mansich vom Tenno verabschiedet. Die Koi-karpfen im kaiserlichen Gästehaus inKyoto, wo ich übernachtet habe, sollteman mit der gebotenen Wertschätzungfüttern, weil Japaner die Natur besondersrespektieren.

Und die Tischgespräche …… sind hochinteressant. Ich habe KaiserAkihito als enorm warmherzige, beschei-dene und umfassend gebildete Persön-lichkeit in Erinnerung.

Über was haben Sie während des Es-sens gesprochen?Die Inhalte sind prinzipiell geheim. Wasich sagen kann: Er hat mir erzählt, wie be-deutend es für ihn sei, dass ich mit seinemSohn eine deutsche Linde in Tokio ge-pflanzt habe. Seine Frau, Kaiserin Michi-ko, deren Vater einst vorübergehend inBerlin lebte, habe als kleines Mädchen aufder Straße Unter den Linden gespielt. Ererzählte auch, dass er das von Franz Schu-bert vertonte Gedicht „Am Brunnen vordem Tore, da steht ein Lindenbaum“ sehr

möge. Er kennt und schätzt deutscheklassische Musik und deutsche Literatur.Der Kaiser ist so tief und umfassend ge-bildet wie nur selten ein Staatsoberhaupt,das weicht ab von so manchem, das heuteirgendwas twittert.

Die Japaner hörten erstmals die Stim-me des Tenno im Jahr 1945, als Akihi-tos Vater Hirohito die Kapitulation sei-nes Landes im Radio verkündete. Dieerste Rede im Fernsehen hielt seinSohn 2011 nach Fukushima. Zum zwei-ten Mal erschien er 2016 auf dem Bild-schirm – um seine Abdankung anzu-kündigen. Der Kaiser übergibt nun zuLebzeiten den Thron – das gab es nochnie. Wie sehen die Japaner diesenSchritt?Ich habe überall Verständnis und tiefenRespekt für diese höchstpersönliche Ent-scheidung gespürt. Ähnlich wie damalsbei Papst Benedikt XVI. Und sehr vielDankbarkeit übrigens auch gegenüberKaiserin Michiko.

Der Kaiser äußert sich traditionellnicht zur Tagespolitik. Die aktuelle Re-gierung von Premier Shinzo Abe stehtfür eine Abkehr von Japans pazifisti-schem Nachkriegskurs. Manche sehendie Abdankung des Kaisers als Protestgegen Abe. Sie auch?Meine Vermutung ist, dass er spürte, wiegeeignet sein Sohn, Kronprinz Naruhito,ist, nach seiner 30-jährigen Ära sein Werkkraftvoll fortzuführen.

So diplomatisch würde womöglichauch der künftige Tenno antworten.Sie haben Naruhito auch schon getrof-fen, richtig?Ja, viermal bisher. Er ist ein unglaublichbelesener und hellwacher Mensch. Man

muss manchmal akzeptieren, dass manauf Menschen trifft, die wahrscheinlichein paar Tausend Bücher mehr gelesenund verstanden haben als man selbst.

Auch Naruhito hat angeblich einDeutschland-Faible.Für Deutschland räumt er immer Zeit ein.Vor ein paar Jahren habe ich ihn privat be-sucht, und wir haben uns ganz freund-schaftlich unterhalten über japanischeFußballspieler in der deutschen Bundesli-ga. Und über seinen liebsten deutschenNationalspieler. Die Nationalmannschaftbeobachtet er seit der Weltmeisterschaft2002 in Japan und Südkorea genau. Under hat mir mit Freude erzählt, dass seineTochter Aiko Deutsch lernt und deutscheklassische Musik spielt.

Wer ist denn Naruhitos Lieblingsspie-ler in der Nationalmannschaft?Das möchte ich aus Respekt vor demThronfolger lieber nicht preisgeben.

Ist der Spieler noch aktiv?Nein.

Ein Weltmeister von 2014?(Lacht) Sagen wir mal so: Ich hatte vorhereinen anderen Lieblingsspieler vermutet.Die Wahl sagt einiges aus über den Kron-prinzen. Am ehesten können Sie auf denNamen kommen, wenn Sie überlegen,dass die Japaner in langen Linien denken,dass ihnen Beständigkeit sehr wichtig ist.Der Spieler war jedenfalls kein Phönix ausder Asche, der mal irgendwo ein tollesTurnier gespielt hat und dann wieder wegwar.

Gibt es Fehler, die Deutsche in Japanbesonders häufig machen?Natürlich.

Welche?Verschiedene. Aber wenn man sensibelund empathisch ist, kriegt man es schonhin.

Anders gefragt: Was müssen Deutschebesonders beachten, wenn sie zum ers-ten Mal in Japan sind?Man sollte zum Beispiel Situationen ver-meiden, in denen japanische Partner aufetwas reagieren müssen, auf das sie vordem Gespräch nicht vorbereitet und hin-gewiesen worden sind. Es ist für Japanerein großes Dilemma, Nein sagen zu müs-sen – wenn der Gast in ihren Augen da-durch sein Gesicht verlieren könnte.

Taktgefühl ist nicht unbedingt immereine deutsche Stärke.In dieser Beziehung kann in Japan jederetwas lernen. Vergangenes Jahr habe ichmeine Kinder für eine Woche mit nach Ja-

pan genommen, weil ich denke, das istbesser für die Erziehung in Höflichkeitund Umgang als jahrelanges Reden. Wereinmal einen japanischen Schaffner imZug beobachtet hat, wie er sich verbeugt,bevor er in den nächsten Wagen geht,wird dies nicht vergessen.

Also Höflichkeit …… und Zuverlässigkeit. Das ist zwar aucheine deutsche Stärke, aber wir könnenuns da inzwischen auch einiges abschau-en. Der japanische Hochgeschwindig-keitszug Shinkansen hatte 26 SekundenVerspätung übers ganze Jahr und derBahnchef hat sich entschuldigt. Davonträumen wir mit unseren ICEs.

Die Japaner sind also die besserenDeutschen.Sie lernen auch von uns. Es gibt in Japanein Buch über Deutschland: „35 StundenArbeit – und trotzdem erfolgreich“, lautetder Titel sinngemäß. Die Japaner spüren,dass sie hier umdenken müssen. MehrWork-Life-Balance, nicht ewig am Ar-beitsplatz sitzen, Urlaub nehmen ohneschlechtes Gewissen gegenüber den Kol-legen.

In den 80er-Jahren sprach ganzDeutschland über Japan, heute spre-chen wir über China. Was ist da pas-siert?Ich glaube, dass wir die Beziehung mit Ja-pan intensiv pflegen müssen, weil Japanunser Wertepartner in Ostasien ist. Japanist uns in vielem nah, aber natürlich geo-grafisch weit entfernt. Der Aufwand, die-se Freundschaften zu pflegen, ist einfachauch größer.

Hinter vorgehaltener Hand sind die Ja-paner nicht sehr glücklich darüber,dass die Bundeskanzlerin seit ihremAmtsantritt deutlich öfter in Pekingwar als in Tokio.Das Verhältnis von Angela Merkel zum ja-panischen Ministerpräsidenten ShinzoAbe ist exzellent. Wir sollten uns wohl da-rüber freuen, dass die Beziehungen zu Ja-pan so gut sind, dass wir uns dieserFreundschaft auch ohne ständige Besuchegewiss sein können.

Was gelingt denn auf politischer Ebe-ne zwischen Deutschland und Japankonkret, außer der Austausch von blu-migen Worten?Jede Menge. Japan und Deutschland set-zen sich gemeinsam für eine internatio-nale Ordnung ein, für globale Verantwor-tung. Wir haben es hinbekommen, einFreihandelsabkommen zwischen der EUund Japan abzuschließen, das ist nun dergrößte Binnenmarkt der Welt. Man kannsich auch mal freuen über das, was funk-tioniert.

Bei den aufwendigen Zeremonien fürden Thronwechsel in dieser Wochebleiben die Japaner unter sich. Dienächste große Gelegenheit zurdeutsch-japanischen Beziehungspflegebietet sich im Herbst. Am 22. Oktoberfolgt die Krönungszeremonie mitStaats- und Regierungschefs aus allerWelt, zu der Ihr NachnachfolgerFrank-Walter Steinmeier reisen wird.Ja, das ist wunderbar, denn diese Zeremo-nien sind sehr bedeutsam für die Men-schen in Japan. Wir müssen die Beziehun-gen ständig intensiv pflegen. Da spielt wiegesagt Vertrauen und Zuverlässigkeit einezentrale Rolle. Ich habe schon Terminezugesagt für das Jahr 2022. Drei JahreVorlauf, das ist nicht ungewöhnlich in Ja-pan.

Eine Leidenschaft für Japan: Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff, hier im japanisches Teehaus Senshin-tei im Stadtpark Hannover, reist regelmäßig nach Japan

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Christian Wulff pflanzte 2011 mit demjapanischen Kronprinz Naruhito beimDeutschlandfest in Tokio eine Linde

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amtierenden Tenno und seinen Nachfolger so gutwie Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Ein

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immer Zeit ein“

6 29.04.19 Montag, 29. April 2019 DWBE-HPBelichterfreigabe: --Zeit:::Belichter: Farbe:

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DIE WELT MONTAG, 29. APRIL 20196 POLITIK

Arm amputiert werden muss. In den Ta-gen zuvor hatten die mexikanischen Si-cherheitskräfte hart durchgegriffen. Al-lein seit Montag wurden im Grenzge-biet zu Guatemala 400 Migranten ausHonduras festgenommen. Die Beamtenschlagen dabei immer wieder überra-schend zu. Es kommt zu dramatischenSzenen: Weinende Frauen und Kinder,die die Sicherheitskräfte anflehen, sienicht zu verhaften, werden auf LKWverfrachtet. Andernorts kommen dieBeamten im Schutz der Dunkelheit. Sieüberraschen die Migranten im Schlaf.„Es ging alles sehr, sehr schnell. Ichkonnte nur noch meinen Rucksack neh-men und verschwinden. Das Einzige,woran ich denken konnte, war zu flie-hen“, zitierte die honduranische Tages-zeitung „La Prensa“ einen Migrantenaus Honduras.

Die Ereignisse der vergangenen Tagedokumentieren einen Kurswechsel inder mexikanischen Migrationspolitik.Der neue und erste linke Präsident,Andrés Manuel López Obrador, insze-nierte sich im Wahlkampf und in denersten Wochen seiner Amtszeit als mig-

P lötzlich kommt ein wenig Lichtin die dunkle Nacht. Handyauf-nahmen zeigen, wie Dutzende

Menschen in alle Himmelsrichtungendavonlaufen. In der Hektik sind Rufeund Schreie zu hören. Am Ende sind esüber 1300 Migranten, denen in derNacht zum Freitag in Tapachula im süd-mexikanischen Bundesstaat Chiapas dieFlucht aus dem Abschiebegefängnis derNationalen Migrationsbehörde gelingt.

VON TOBIAS KÄUFERAUS BOGOTA

Ein Teil von ihnen kehrt später frei-willig zurück, von mehr als 600 Migran-ten fehlt laut lokalen Medienberichtenam Abend des folgenden Tages abernoch jede Spur. Wenig später ist klar:Sie befinden sich auf dem Dach jenesGüterzuges, den sie in Mexiko „die Bes-tie“ nennen. Der in Richtung Nordenfahrende Zug trägt diesen Namen, weiles immer wieder zu schweren Unfällenkommt. Auch diesmal wird ein hondura-nischer Flüchtling schwer verletzt, alser vom Zug herunterfällt und ihm ein

rantenfreundlicher Gegenentwurf zuUS-Präsident Donald Trump. Er ließhumanitäre Visa und Arbeitsgenehmi-gungen an Migranten aus Mittelamerikaverteilen. Doch die zunehmende Zahlder einreisenden Menschen sowie derDruck von US-Präsident Trump habenoffenbar zu einem Ende der Willkom-menspolitik in Mexiko-Stadt geführt.„Wir wollen nicht, dass sie eine freieDurchreise haben. Nicht nur aus gesetz-lichen Gründen, sondern auch ausGründen der Sicherheit“, sagte LópezObrador nun. „Die Gewalt ist in dennördlichen Staaten größer, deswegenbevorzugen wir es, die Migranten imSüden und Südosten zu betreuen.“ DasProblem: Die Migranten wollen abernicht im armen Süden Mexikos bleiben,sie zieht es in die USA oder zumindestin den wirtschaftlich wohlhabenderenNorden Mexikos zu den Arbeitsplätzen.

Für López Obrador ist das die erstegroße Herausforderung seiner nochjungen Amtszeit, die am 1. Dezember2018 begann. Die mexikanische Zeitung„La Jornada“, eigentlich López Obradoreher freundlich gesonnen, kommentier-

te: „Die Regierung und die Flüchtlings-unterkünfte: Überrollt von der Flut derMenschen ohne Papiere“. Tatsächlichmachen sich erneut viele Tausend Men-schen aus Mittelamerika auf dem Wegin Richtung Norden. Fast wöchentlichstarten in El Salvador, Guatemala oderHonduras Hunderte Mittelamerika-nern, die gemeinsam vor der Gewaltund der Armut in ihrer Heimat fliehenwollen und von einem besseren Lebenim Norden träumen.

Allein in den ersten drei Monaten desJahres haben laut lokalen Medienbe-richten rund 300.000 Migranten ausMittelamerika mexikanisches Territori-um auf ihrer Durchreise in RichtungUSA betreten. Innenministerin OlgaSánchez kommentierte hilflos, Mexikosei nicht für die steigende Zahl verant-wortlich. López Obrador steckt damitpolitisch in der Klemme: Im Wahlkampferhielt er massive Unterstützung vonMenschenrechtsorganisationen, diesich in der Flüchtlingshilfe engagieren.Auch die katholische Kirche stellte sichhinter López Obrador, der sogar erwog,den katholischen Priester Alejandro So-

lalinde zum Migrationsbeauftragten zumachen. Solalinde ist als Träger des na-tionalen Menschenrechtspreises undInitiator von Flüchtlingsherbergen ent-lang der Fluchtroute über die GrenzenMexikos hinaus bekannt.

Knapp fünf Monate nach AmtsantrittLópez Obradors ist nun alles anders.Die nahezu fast wöchentlich wiederhol-te Drohung Trumps, die Grenze zuschließen, entfaltet in Mexiko-StadtWirkung. Ebenso wie die Bilder, die zei-gen, dass es fast täglich Hunderten Mig-ranten im Norden Mexikos gelingt, dieUS-Grenze zu überwinden. All das er-weckt den Eindruck, dass auch die neuemexikanische Regierung nicht die Kon-trolle über die Migrationsbewegungenim eigenen Land hat. Das Damokles-schwert eines von Trump angedrohtenMauerbaus hängt deshalb auch über derPräsidentschaft López Obradors. Demwill „AMLO“, wie ihn seine Anhängerrufen, jetzt mit einer neuen Strategiebegegnen. Arbeitsvisa werden nun nichtmehr so leicht vergeben. Stattdessenbekommen die Migranten die Härte desmexikanischen Gesetzes zu spüren.

Tonatiuh Guillén López von der Natio-nalen Migrationsbehörde räumte in die-ser Woche ein, dass allein im vergange-nen Monat 15.000 Menschen in ihreHeimatländer abgeschoben wurden. Zu-dem wurden im ersten Quartal 30.000Migranten verhaftet. Die Abschiebege-fängnisse sind überfüllt. In den Jahren2015 bis 2018 – also in der der Zeit vorLópez Obradors Amtszeit – schob Mexi-ko monatlich im Schnitt nur rund 9000Migranten in ihre Heimat ab. Die An-kommenden sollen nun im Süden Mexi-kos gesammelt werden, weit entferntvon der US-Grenze und der Gewalt imNorden.

Das Kernproblem ist allerdings wei-terhin nicht gelöst: Weder werden dieFluchtursachen in Mittelamerika, dieGewalt und Armut ernsthaft bekämpft,noch ist die löchrige Südgrenze ge-stopft, über die eine Einreise nach Me-xiko ohne Papiere nahezu problemlosmöglich ist. Eine Steilvorlage für Do-nald Trump: Er kann weiterhin die un-gebremste Migration aus Mittelamerikazum Thema im anstehenden Präsident-schaftswahlkampf machen.

Ausgerechnet Mexikos linker Präsident hilft jetzt TrumpAndrés Manuel López Obrador bekommt die Migration nicht in den Griff. Die Realität zwingt ihn zur Abkehr von seiner bisher praktizierten Willkommenspolitik