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1 Tipps, Berichte und zahlreiche Stellenangebote für Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen – jede Woche aktuell. Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Reuterstr. 157, 53113 Bonn [email protected], Tel. 0228/20161-15 Das Zauberwort „Networking“ ist in aller Munde. Aber es gibt viele Facetten, wie man sein persönliches Beziehungsnetz für das berufliche Fortkommen nutzen kann. | Andreas Pallenberg Foto: C.Voß Networking n BERUFSEINSTIEG T reffen sich zwei alte Bekannte aus der Studienzeit. Der eine ist inzwischen ausgebildeter Lehrer für Deutsch und Geschichte, aber seit Jahren ohne feste Stelle im Schuldienst. Der andere ist Doktor der Philosophie mit einer halben wissenschaftlichen Stelle an der Uni, die aber wahrscheinlich bald endgültig ausläuft. Auf die Standardfrage: „ ... und? ... was läuft bei dir so ... beruf- lich?“ spult der eine seine Kurzfassung ab: „Och, alles bestens, habe genug zu tun, bin ganz froh, dass ich nichts mit Schule und den heutigen Schülern zu tun habe“. Die verschwiegene Wahrheit: „Er hat ein paar Stunden Deutsch als Fremdspra- che an der örtlichen Volkshochschule, verkauft hin und wieder einen Text an die Tageszeitung, stockt bei der Arbeits- agentur auf und arbeitet schwarz als Nachhilfelehrer. Der andere holt dann selbst aus und berichtet euphorisch von seinem Fachbereich, wo sich viel tue: „Da läuft bald ein neues Projekt an, und die Stelle der Institutsleitung muss auch neu besetzt werden. Und da werde ich meine Chancen nutzen.“ Was er verschweigt: Das neue Projekt findet wahrscheinlich ohne ihn statt, und die Nachfolge der Institutsleitung ist längst eingefädelt. Chance verpasst! Statt sich gegen- seitig vorzuflunkern, wie glatt und super alles läuft, hätten sich die beiden Herren auch gezielt über neue Jobgelegenheiten befragen können. Hätten sie nach dem üblichen Privatgeplänkel bei einem Kaf- fee offen darüber gesprochen, was sie können und was sie suchen, hätten sie eine neue Masche in ihrem persönlichen Netzwerk geknüpft. Wieder wüsste einer mehr Bescheid über die beruflichen Wünsche, Kompetenzen und Möglichkei- ten des anderen. Wieder gäbe es einen mehr, der diese Informationen weitertra- gen könnte im Sinne von: „Ich kenne da einen, der passt genau in euer Team ....Mundpropaganda Und auf diese Weise werden bekanntlich die meisten Jobs vergeben. Dieser ver- deckte Arbeitsmarkt, der sich in vielen Fäl- len auf informelle Empfehlungen stützt, macht nach Expertenmeinungen zwei Drittel des Gesamtumsatzes auf dem Ar- beitsmarkt aus. Aber nur fünf Prozent küm- mern sich aktiv um diese Möglichkeiten. Ist ja auch nicht ganz einfach, aber manche machen es sich auch unnötig schwer. Das Netzwerken gehört nicht zu den Stärken Arbeitsuchender. Später, wenn man drin ist im Job, dann verstehen sich die meisten darauf, ihre beruflichen und sonstigen Kontakte zu nutzen, um wei- terzukommen. Aber beim Einstieg bleibt man lieber unter seinesgleichen, beklagt je nach Gesprächspartner entweder mal die persönliche Situation und die allge- meinen Umstände oder man beschreibt heile Welten, um nicht als arbeitslos, als prekär Beschäftigter oder als ewiger Prak- tikant dazustehen. Arbeitssuche ist Tabu. Hinzu kommt ein gern gepflegtes Ethos, sich nicht auf das anrüchige Vitamin B und den ganzen Klüngel einzulassen. Man möchte schließlich persönlich und mit Qualität überzeugen, was dazu führt, dass schon mal gute Gelegenheiten, selbst wenn sie einem vor die Füße fal- len, nicht wahrgenommen werden. US-Amerikanern wird dagegen nach- gesagt, dass sie selbst ihr Scheitern in Jobs oder bei Start-ups völlig ungeniert erzählen und nach neuen Chancen Ausschau halten. Die dort üblichen per- manenten Jobwechsel, die berufliche Mehrgleisigkeit bei kaum noch vorhande- nen Aussichten auf feste auskömmliche Arbeitsverhältnisse führen dazu, dass Jobsuche die Normalität ist und dass über Gehälter, über Scheitern und neue Chancen viel selbstverständlicher kom- muniziert wird als bei uns. Deshalb von den Amis lernen? Nicht in jeder Hinsicht. Aber ein kritischer Blick auf das eigene Verhalten lohnt sich. Netzwerken mit dem Pastor Jeder hat potenzielle Botschafter in sei- nem Umfeld. Einmal gibt es die Gleichge- sinnten, die sich zwecks Erfahrungsaus- tausch zusammentun, Bewerbungscafés

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Tipps, Berichte und zahlreiche Stellenangebote für Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen – jede Woche aktuell.Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de

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Das Zauberwort „Networking“ ist in aller Munde. Aber es gibt viele Facetten, wie man sein persönliches Beziehungsnetz für das berufliche Fortkommen nutzen kann. | Andreas Pallenberg

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Networkingn BERUFSEINSTIEG

Treffen sich zwei alte Bekannte aus der Studienzeit. Der eine ist inzwischen ausgebildeter Lehrer

für Deutsch und Geschichte, aber seit Jahren ohne feste Stelle im Schuldienst. Der andere ist Doktor der Philosophie mit einer halben wissenschaftlichen Stelle an der Uni, die aber wahrscheinlich bald endgültig ausläuft. Auf die Standardfrage:„ ... und? ... was läuft bei dir so ... beruf-lich?“ spult der eine seine Kurzfassung ab: „Och, alles bestens, habe genug zu tun, bin ganz froh, dass ich nichts mit Schule und den heutigen Schülern zu tun habe“. Die verschwiegene Wahrheit: „Er hat ein paar Stunden Deutsch als Fremdspra-che an der örtlichen Volkshochschule, verkauft hin und wieder einen Text an die Tageszeitung, stockt bei der Arbeits-agentur auf und arbeitet schwarz als Nachhilfelehrer. Der andere holt dann selbst aus und berichtet euphorisch von seinem Fachbereich, wo sich viel tue: „Da läuft bald ein neues Projekt an, und die Stelle der Institutsleitung muss auch neu besetzt werden. Und da werde ich meine

Chancen nutzen.“ Was er verschweigt: Das neue Projekt findet wahrscheinlich ohne ihn statt, und die Nachfolge der Institutsleitung ist längst eingefädelt.

Chance verpasst! Statt sich gegen-seitig vorzuflunkern, wie glatt und super alles läuft, hätten sich die beiden Herren auch gezielt über neue Jobgelegenheiten befragen können. Hätten sie nach dem üblichen Privatgeplänkel bei einem Kaf-fee offen darüber gesprochen, was sie können und was sie suchen, hätten sie eine neue Masche in ihrem persönlichen Netzwerk geknüpft. Wieder wüsste einer mehr Bescheid über die beruflichen Wünsche, Kompetenzen und Möglichkei-ten des anderen. Wieder gäbe es einen mehr, der diese Informationen weitertra-gen könnte im Sinne von: „Ich kenne da einen, der passt genau in euer Team ....“

Mundpropaganda

Und auf diese Weise werden bekanntlich die meisten Jobs vergeben. Dieser ver-deckte Arbeitsmarkt, der sich in vielen Fäl-

len auf informelle Empfehlungen stützt, macht nach Expertenmeinungen zwei Drittel des Gesamtumsatzes auf dem Ar-beitsmarkt aus. Aber nur fünf Prozent küm-mern sich aktiv um diese Möglichkeiten. Ist ja auch nicht ganz einfach, aber manche machen es sich auch unnötig schwer.

Das Netzwerken gehört nicht zu den Stärken Arbeitsuchender. Später, wenn man drin ist im Job, dann verstehen sich die meisten darauf, ihre beruflichen und sonstigen Kontakte zu nutzen, um wei-terzukommen. Aber beim Einstieg bleibt man lieber unter seinesgleichen, beklagt je nach Gesprächspartner entweder mal die persönliche Situation und die allge-meinen Umstände oder man beschreibt heile Welten, um nicht als arbeitslos, als prekär Beschäftigter oder als ewiger Prak-tikant dazustehen. Arbeitssuche ist Tabu. Hinzu kommt ein gern gepflegtes Ethos, sich nicht auf das anrüchige Vitamin B und den ganzen Klüngel einzulassen. Man möchte schließlich persönlich und mit Qualität überzeugen, was dazu führt, dass schon mal gute Gelegenheiten, selbst wenn sie einem vor die Füße fal-len, nicht wahrgenommen werden.

US-Amerikanern wird dagegen nach-gesagt, dass sie selbst ihr Scheitern in Jobs oder bei Start-ups völlig ungeniert erzählen und nach neuen Chancen Ausschau halten. Die dort üblichen per-manenten Jobwechsel, die berufliche Mehrgleisigkeit bei kaum noch vorhande-nen Aussichten auf feste auskömmliche Arbeitsverhältnisse führen dazu, dass Jobsuche die Normalität ist und dass über Gehälter, über Scheitern und neue Chancen viel selbstverständlicher kom-muniziert wird als bei uns. Deshalb von den Amis lernen? Nicht in jeder Hinsicht. Aber ein kritischer Blick auf das eigene Verhalten lohnt sich.

Netzwerken mit dem Pastor

Jeder hat potenzielle Botschafter in sei-nem Umfeld. Einmal gibt es die Gleichge-sinnten, die sich zwecks Erfahrungsaus-tausch zusammentun, Bewerbungscafés

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und Erfolgsteams gründen. Hier kann man sich gegenseitig unterstützen, Feed-back geben und Strategien entwickeln. Solche absolut empfehlenswerten Initiati-ven gibt es immer mehr, man muss sie aber oft in Eigeninitiative entwickeln. Aber auch außerhalb solcher Zweckgemein-schaften lohnt sich das Netzwerken.

Von überraschenden Erfolgen gekrönt sind schon mal die zufälligen oder be-wusst herbeigeführten Begegnungen mit alten Bekannten, Nachbarn und Weggefährten, bei denen man auch die berufliche Situation anspricht. Vielen liegt das nicht, weil sie sich gerade gegen-über Zeitzeugen von früher (Nachbarn, Ver-wandten, Pastor, Arzt, Lehrer etc.), die auf-grund ihrer Lebens- und Berufserfahrung

ein weit verzweigtes Netz an Beziehungen haben, keine Blöße geben wollen. Aber die Bereitschaft bei diesen Leuten ist in der Regel überraschend groß, sich „mal umzuhören“, ob man was tun kann.

Jeder verfügt über dieses natürliche Netz an Freunden und Bekannten, aber vielfach bleibt es ungenutzt. Hinzu kommt, dass sich selbst bei offensivem Marketing in eigener Sache über dieses natürliche Kontaktnetz nicht unmittelbar Erfolge ein-stellen. Der Diplom-Pädagoge Lars Hahn spricht vom Erfolg „über Bande“ und be-schwört den oft erst mit Verzögerung sich

Alte Kontakte, auch die zum Geistlichen, können für den Berufseinstieg hilfreich sein

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einstellenden Effekt beim persönlichen Netzwerken (vgl. Interview S. VIII).

Freizeitaktivitäten wie solche in Sport-vereinen, in Theater-AGs, Chorgemein-schaften oder im Karnevalsclub sind ebenfalls hervorragende Kontaktnetze, die man selbstverständlich auch für beruf-liche Belange nutzen kann. Wer dort aktiv und engagiert bei passenden Gelegenhei-ten erzählt, wie es beruflich weitergehen könnte, erweitert die Zahl der Ohren, die sich mal umhören, beträchtlich. Freibe-rufler machen das schon lange so. Auch im Bereich des Ehrenamtes ergeben sich mitunter hervorragende Gelegenheiten, passende Kontakte für das berufliche Fortkommen zu knüpfen. Der Vorteil da-bei: Man bewegt sich nicht nur in den ei-genen engen Kreisen, sondern lernt auch Menschen kennen, zu denen man sonst kaum Zugang hätte. Sogar die alltäglichen Kontakte in Kitas, Schulen und bei der Freizeitorganisation der Sprösslinge bie-ten gelegentlich wertvolle Informationen, wenn man entsprechende Möglichkeiten wahrnimmt und – sei es zwischen Tür und Angel – beruflich relevante Hinweise aufnimmt und auch aktiv solche gibt.

Ich weiß, was ich will

Egal wo und wie man das Netzwerken praktiziert, die Erfolgsquote hängt we-sentlich ab von der Prägnanz der kom-munizierten Qualifikationen und Berufs-wünsche. Wer sich dann als Germanistin oder als Geograph empfiehlt, wird ver-mutlich wenig Glück haben. Eine solche „Qualifikationsbeschreibung“ ist zwar gut zu speichern und weiterzugeben, versi-ckert aber schnell, weil sie in ihrer Dürftig-keit kein Bild von möglicher Kooperation vermittelt. Wenn sich selbst der geneig-teste Nachbar aus früheren Zeiten erst Gedanken machen muss, wo man einen Philosophen unterbringen könnte, ist au-ßer Höflichkeit nicht viel zu erwarten.

„Außerdem suche ich gerade einen Job in der PR-Branche, in der Öffentlich-keitsarbeit oder in der Unternehmens-kommunikation. Das macht mir Spaß, da

habe ich Erfahrungen und da suche ich ein neues Betätigungsfeld. Auch als Ver-tretung oder befristet. Wenn Du da mal etwas hörst, ... !?“ So könnte man ins Ge-spräch kommen und die Sache bei ent-sprechender Aufmerksamkeit noch etwas detaillierter beschreiben. Hat man dann seine Visitenkarte oder gar sein Kurzprofil zur Hand, sind auch die Kontaktdaten und gegebenenfalls ein paar Stichwörter sicher auf den Weg gebracht: „ ... kannst Du gerne weitergeben ...“

Nicht zu vergessen: Diese Botschaften – egal ob mündlich in Kurzfassung oder ausführlicher bei einem Glas Wein oder schriftlich als Kurzprofil überreicht, sind schon erste Arbeitsproben („der weiß, was er will ...“), zumindest aber persön-liche Eindrücke („... ein sehr offener und engagierter Mensch“), die dann auch eine entsprechende Empfehlung bewir-ken können.

Verbindungen?

Burschenschaften bzw. Studentische Ver-bindungen verkörpern das Prinzip des ge-nerationenübergreifenden Netzwerkens immer noch, fallen aber aus politischen und weltanschaulichen Gründen für viele Studierende bzw. Absolventen als Kon-taktforum aus. An ihre Stelle treten zuneh-mend die Alumni-Initiativen an den Uni-versitäten, die politisch in der Regel nicht festgelegt sind und den zeitgemäßen und unkomplizierten Erfahrungsaustausch zwischen Ehemaligen und Einsteigern fördern. Kontakte zu diesen Netzwerkstel-len sind unbedingt zu empfehlen; meis-tens sind die Organisatoren sehr dankbar für aktives Mitwirken und Gestalten. Ent-sprechendes Engagement in solchen Initi-ativen wird aufmerksamen potenziellen Arbeitgebern nicht verborgen bleiben, be-sonders dann, wenn sie sich als regionale Kooperationspartner verstehen.

Fachtagungen

Auf einschlägigen Fachtagungen und Kongressen sollte man nicht nur stets

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präsent sein, sondern nach Möglichkeit auch inhaltlich Spuren hinterlassen. Oft sind ja schon im Vorfeld die Themen ein-deutig benannt und geben damit Hinwei-se für eigene Beiträge, die das Programm ergänzen oder die im Rahmen der vorge-sehenen Diskussionen vorgestellt wer-den können. Damit ergeben sich die entsprechenden inhaltlichen Anknüp-fungspunkte, mit denen man auf Schlüs-selpersonen zugehen und sich mit seiner Qualifikation empfehlen kann. Selbst das organisatorische Mitwirken bei Fachta-gungen kann Türen öffnen und Kontakte erschließen, die weiterhelfen können. Auch hier darf man die Früchte dieser Aktivitäten nicht unmittelbar erwarten, sondern muss „auf Zeit“ setzen.

Wie ein Freiberufler

Das Vermarkten in eigener Sache ist Aka-demikern nicht gerade in die Wiege ge-legt. Auch beim beruflichen Netzwerken fällt es vielen schwer, sich selbst mit allen Fähigkeiten und Potenzialen zu empfeh-len. Sie wollen sich nicht aufdringlich wie Produktwerbung darstellen und nicht wie Vertreter ihre Fähigkeiten als Dienstleis-tung vermarkten. Viele beschränken sich deshalb darauf, sich passiv auf Stellen zu bewerben, und stehen dann in Konkur-renz zu Hunderten von Mitbewerbern. Das darf aber nicht die einzige Strategie bleiben. Sie müssen auf sich aufmerksam machen, denn wie sonst soll man erfah-ren, welche Jobs sie übernehmen und

welche Probleme sie lösen können. Für Freiberufler und Solo-Selbstständige, die ihre Dienste als Berater, Kommunikato-ren, als Autoren oder Designer anbieten, ist Akquise wesentlicher Bestandteil ihres Jobs. Auf der Suche nach Aufträgen und Projekten vertreten sie selbstbewusst ihr Angebot und vermarkten es professio-nell. Diese Fähigkeiten sind auch beim Netzwerken gefragt, wo es darum geht, neben dem Small-Talk selbstbewusst zu transportieren, was man kann und wo man gerne arbeiten möchte.

Ein Pakt auf Gegenseitigkeit

Wenn man mehr will, als sein soziales Umfeld rein multiplikatorisch zu nutzen, dann versteht man sich auch selbst als Botschafter für die Belange anderer in einem aktiven Netzwerk, das auf Gegen-seitigkeit angelegt ist. So wächst der Er-folg des beruflichen Netzwerkens natür-lich mit jeder Win-Win-Situation, die er-kannt und genutzt wird.

Wer sich auf einschlägigen Branchen-stammtischen (in fast allen großen Städ-ten gibt es zum Beispiel Journalisten-, Dolmetscher- und Freiberuflerstamm-tische) regelmäßig blicken lässt, sollte sich langfristig auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Geben und Nehmen einstellen. Das Gefühl von „Man kennt sich, man hilft sich“ beruht nun mal auf Gegenseitigkeit. Wer dann seine eigenen Kontakte und Connections eher für sich behält und nur die Tipps von anderen ha-ben möchte, könnte bald gemieden wer-den. Sabine Piarry spricht in ihrem Buch Erfolgreich netzwerken vom geduldigen „Aufbau von Kontakten (...). Der Mensch steht dabei im Mittelpunkt – und damit verbunden eine hohe Wertschätzung im Umgang miteinander.“

Ich hör‘ mich mal um

Wer sein Netzwerken professionell ange-hen möchte, sollte Begegnungen und soziale Kontakte bei großem Interesse für die Belange des anderen als Marketing in

eigener Sache betrachten. Das Risiko, dass nebenbei eingeflochtene Hinweise und Botschaften über die beruflichen Wünsche und Entwicklungen als plumpe Werbung missverstanden werden, ist re-lativ gering, hängt aber auch vom Stil ab, mit dem man sie einbringt. Auf Gegen-seitigkeit angelegt, kann Netzwerken nicht nur beruflich helfen, sondern richtig Spaß machen und gegebenenfalls sogar alte Freundschaften beleben.

Aber man braucht dafür auch Geduld und einen langen Atem. Beziehungen müssen zunächst (wieder) aufgebaut und Kontakte gepflegt werden, um sie dann, wenn man sie braucht, auch nut-zen zu können. Die Bewerbungsexperten Hesse/Schrader („Die 100 wichtigsten Tipps zur Initiativbewerbung“) erläutern das Netzwerken mit folgendem Bild: „Ein Kandidat, der einen neuen Arbeitsplatz sucht und auf Networking verzichtet, ver-gibt wertvolle Chancen. Wer erfolgreich ernten will, muss vorher viel ausgesät und sich auch darum gekümmert haben, dass seine Früchte gut reifen“.

Vielleicht lesen die beiden Studien-freunde unserer Eingangsgeschichte ja diese Zeilen und gehen bei nächster Gelegenheit erst mal einen Networking-Kaffee trinken. „Ich hör‘ mich mal um“ hieße es dann beim Abschied und der erste Schritt wäre getan.

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Xing

Der Klassiker unter den beruflichen Netz-werken. Vor über zehn Jahren gestartet, hat Xing mittlerweile über fünf Millionen Mitglieder in Deutschland. Auf Xing stellt man seinen Lebenslauf in komprimierter Form dar. Ob das eigene Profil nur für die eigenen Kontakte, für alle Mitglieder oder auch für die Suchmaschinen einsehbar ist, entscheidet man selbst. Der Vorteil von Xing: Es geht klar um den Job. Mit einem Bezahl-Account kann man die Le-bensläufe anderer einsehen und so zum Beispiel einen Einblick in die Firma be-kommen, bei der man sich bewerben will. Nervfaktor: Mittlerweile nutzen im-mer mehr Menschen Xing, um massen-haft werbliche Einladungen zu verschi-cken. Also nicht jede Kontaktanfrage au-tomatisch bestätigen. Wer beruflich inter-national unterwegs ist, sollte sich LinkedIn anschauen – den US-Konkur-renten, der deutlich mehr Mitglieder hat.

Facebook

Facebook hat mittlerweile über 26 Millio-nen Mitglieder in Deutschland. Man fin-det dort also so ziemlich jeden. Die meisten Menschen nutzen Facebook pri-vat, sind aber immer wieder damit kon-frontiert, dass sie dort auch von Kollegen

„Freundschaftsanfragen“ bekommen. Das kann ok sein. Oder schlicht nerven. Allerdings kann man Listen erstellen, alle beruflichen Kontakte dort sammeln und von seinen privaten Posts ausschließen. Kostet ein bisschen Zeit, lohnt sich aber. Alternativen: Einfach nichts Privates mehr posten, sondern dafür auf Messenger wie Threema oder WhatsApp wechseln. Oder eine zweite öffentliche Seite anle-gen und dort ausschließlich über berufli-che Dinge sprechen – zum Beispiel, wenn man Freiberufler ist.

Twitter

Wie viele Menschen Twitter in Deutsch-land nutzen, ist nicht bekannt. Aber es dürften deutlich weniger User als bei Fa-cebook sein. Twitter ist für viele immer noch ein Rätsel. Dabei ist es eigentlich unkomplizierter als Facebook. Hier folgt man einfach Menschen, die man interes-sant findet – und zwar ohne Freund-schaftsanfrage. Ein sehr lockeres Verhält-nis. Der oder die Andere muss auch nicht zurückfolgen. Twitter eignet sich vor al-lem, um zu sehen, worüber die Branche spricht. Man ist extrem nah am Puls der Zeit. Allerdings kostet es Mühe, erst ein-mal interessante und relevante Personen zu finden. Außerdem herrscht auf Twitter eher ein lockerer Umgangston. Der ein

oder andere fotografiert gerne sein Essen oder teilt mit, in welcher Bar die Cocktails gut schmecken. Schon gewöhnungsbe-dürftig. Auf der anderen Seite läuft im Fernsehen viel mehr sinnfreies Zeug und wir schalten trotzdem jeden Abend ein.

Google+

Eine Mischung aus Facebook und Twitter. Hier tummeln sich bisher vor allem onli-ne-affine Menschen aus dem Medienbe-reich. In themenspezifischen Gruppen werden ähnlich wie in den Xing-Foren Brancheninfos ausgetauscht und darüber diskutiert. Der Ton dort ist häufig deutlich angenehmer als bei Facebook. Auf Goog-le+ diskutieren auch fremde Menschen auf hohem Niveau. Aber trotzdem kein Muss, dort zu sein.

Jimdo

Jimdo ist kein soziales Netzwerk, sondern ein Webseiten-Baukasten. Warum ist das trotzdem interessant? In den Netzwerken kann man häufig nur rudimentär Informa-tionen über sich veröffentlichen. Bei Jim-do kann man kostenlos eine eigene Seite anlegen, die halbwegs professionell aus-sieht. Wer zum Beispiel Journalist ist, kann dort ausführlich seine Referenzen und aktuelle Arbeiten präsentieren. Wer gerade promoviert, kann dort seine Dok-torarbeit vorstellen. Dann verlinkt man die Seite auf den eigenen Profilen und gibt interessierten Personen die Möglich-keit, mehr zu erfahren.

Für alle Netzwerke gilt: Das eigentliche Einstellen von Informationen kostet im Grunde nicht viel Mühe. Was dagegen Arbeit macht, sind die Gedanken vorab: Was will ich dort veröffentlichen? Wie will ich mich präsentieren? Für welche beruf-lichen Aspekte will ich die jeweiligen Netzwerke nutzen?

Xing, Facebook, Twitter und Co.: Es gibt zahlreiche Möglich-keiten, über soziale Netzwerke berufliche Kontakte zu pfle-gen. Allerdings hat jedes Netzwerk seine eigenen Regeln. Ein kurzer Überblick. | Benjamin O‘Daniel

Soziale Netzwerke für Networking nutzen

n VERNETZUNGSPORTALE

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arbeitsmarkt: Das Thema Networking hängt ja vielen Akademikern zum Hal-se raus. Verständlich? Lars Hahn: Die meisten Akademiker den-ken, dass Networking etwas für kostü-mierte und krawattierte Damen und Herren ist. Sie wollen keine steifen Veran-staltungen besuchen, ein Sektglas in der Hand halten und mit Fremden krampf-haft oberflächliche Gespräche führen. Nur führt diese Horrorvorstellung leider dazu, dass viele Akademiker überhaupt kein Networking betreiben. Dabei ist es nur die falsche Form.

Sie plädieren dafür, dass Akademiker „systematisch Kaffeetrinken“ sollen, um sich ein eigenes Netzwerk aufzu-bauen. Wo ist der Unterschied zum Networking – außer, dass man Kaffee statt Sekt trinkt?Es geht darum, dass man mit Freunden und Bekannten Kaffee oder gern auch Tee trinken geht und sich mit ihnen über ihre Arbeit unterhält. Die meisten Jobs werden nicht offiziell ausgeschrieben, sondern über informelle oder gar interne Kanäle vergeben. Und genau so kommen viele Menschen an eine neue Stelle: Bei einem Spaziergang trifft man zufällig ei-nen früheren Kommilitonen, der berich-tet von einem offenen Job in der Firma, dann wird man eingeladen und bekommt die Stelle, obwohl man eigentlich etwas ganz anderes geplant hatte. Empfehlun-gen lautet das Zauberwort.

Nicht jeder Mensch hat hunderte Freunde, mit denen man Kaffee trin-ken kann.

Jeder Mensch hat ein persönliches Netz-werk von zwischen 150 und 250 Perso-nen. Man muss sich nur einmal hinsetzen und systematisch alle Menschen in einer Excel-Tabelle aufschreiben, denen man jemals begegnet ist. Vom Chemie-Leis-tungskurs über die Uni bis zu allen Prakti-ka, Nebenjobs und Ferienfreizeiten. Alle aufschreiben!

Und dann abklappern? Klingt nach ei-nem Marathon. Anschließend bewerten Sie Ihre ganzen Kontakte erst einmal. Aber bitte nicht die Personen zuerst anmailen, die gerade Führungskraft geworden sind und viel-leicht, hoffentlich eine Stelle zu vergeben haben. Stattdessen sollte man diejenigen aussuchen, die man nett findet und die idealerweise in dem Feld arbeiten, in das man auch möchte. Zum Beispiel einen früheren Kollegen, mit dem man auch gemeinsam auf Kongresse gegangen ist. Oder eine Kommilitonin, mit der man sich schon damals gut unterhalten konn-te.

Aber die meisten benötigen doch ei-nen Job und machen deswegen Net-working. Vielleicht. Aber Networking funktioniert selten über den direkten Weg. Der Erfolg kommt „über Bande“. Außerdem ist man Gesprächspartner und kein Bittsteller. Es geht nicht darum, den anderen mit den eigenen Bewerbungsunterlagen zuzu-müllen, sondern ihn zu fragen: Was tust du eigentlich? Wie bist du an den Job gekommen? Was braucht man dafür? So macht man Marktforschung in eigener

Sache. In ein Bewerbungsgespräch kann man notfalls unvorbereitet gehen – auch wenn das natürlich nicht klug ist. Aber zu einem Kaffeegespräch muss man sich wirklich vorbereiten. Man kann seinem Gesprächspartner zum Beispiel ein Ge-schenk mitbringen.

Eine Schachtel Pralinen oder wie? Das wäre ein bisschen plump. Es gibt ja auch immaterielle Geschenke. Zum Bei-spiel einen Veranstaltungstipp, den die andere Person interessant finden könnte. Oder einen Gruß von einem früheren Weggefährten. Über so etwas freut sich jeder Mensch. Und es zeigt, dass man nicht nur Informationen abgreifen will.

Ok, der Kaffee ist irgendwann getrun-ken. Wie geht es weiter? Nach der Offline-Vernetzung kommt die Online-Vernetzung. Ich verstehe nicht, warum sich immer noch so viele Men-schen gegen Xing, LinkedIn, Facebook und andere Netzwerke wehren. Dort kann man einfach und schnell Kontakt halten. Meine Devise lautet immer: Sich so persönlich wie möglich zu zeigen. Aber niemals privat.

Akademiker sollten systematisch Kaffee trinken gehen, sagt Lars Hahn. Der Erfolg kommt über Bande. Mit dem Karriere-Experten sprach Benjamin O‘Daniel

Networking – mal andersn INTERVIEW

INTERVIEWPARTNER

Lars Hahn ist Diplom-Pädagoge. Als Chef der LVQ Wei t e rb i l -d u n g gGmbH in M ü l h e i m an der Ruhr

berät er Akademikerinnen und Akade-miker, die „durch eine Weiterbildung den Jobstart oder Jobwechsel be-schleunigen wollen“. In seinem Blog www.systematischkaffeetrinken.de schreibt er über Karriere, Weiterbil-dung, Social Media und Arbeitsmarkt.