NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

31
HEFT 9, Herbst 1996 Das Operationsmikroskop in der Parodontalchirurgie Ästhetische und funktionelle Rehabilitation nach Einzel- zahnverlust und bei Zahn- aplasie Adhäsivtechnik im Seiten- zahnbereich Das Präparationstrauma Qualitätsmanagement ISO 9000 Kursberichte Gerald M. ßowers, Baltimore Bill Becker, Tucson AAP1996 New Orleans Palacci, Wiesbaden T. L. Hansson, Frankfurt Tips NACHRICHTEN

description

TRADITION+INNOVATION

Transcript of NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Page 1: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

HEFT 9, Herbst 1996

Das Operationsmikroskopin der Parodontalchirurgie

Ästhetische und funktionelleRehabilitation nach Einzel-zahnverlust und bei Zahn-aplasie

Adhäsivtechnik im Seiten-zahnbereich

Das Präparationstrauma

QualitätsmanagementISO 9000

KursberichteGerald M. ßowers, BaltimoreBill Becker, TucsonAAP1996 New OrleansPalacci, WiesbadenT. L. Hansson, Frankfurt

Tips

NACHRICHTEN

Page 2: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Editorial Wir die NEUE GRUPPE, sind eine wissenschaftliche Vereinigung vonZahnärzten. Die Gründer unserer Vereinigung haben dieses Etikett sicher-lich wohl bedacht und uns damit einen verbindlichen Auftrag erteilt. Dal5wir uns als eine Vereinigung praktizierender Zahnärzte keine groß ange-legten experimentellen Forschungsobjekte vornehmen können, wie Wis-senschaftler in Forschungseinrichtungen, stand sicherlich außer Frage. Esist aber unsere Aufgabe, einerseits unsere eigenen Behandlungsmetho-den und Erfahrungen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse immerwieder kritisch zu prüfen, bevor wir sie weiter vermitteln - andererseitssind wir im Interesse unserer Patienten verpflichtet, neue Erkenntnisse undBehandlungsmethoden möglichst rasch in unser Behandlungskonzept zuintegrieren. Der zweite Aspekt unserer Aufgabe wird jedoch aus wis-senschaftlicher Sicht besonders problematisch, wenn wir uns nur auf Wer-beprospekte, auf "Zeitungen" mit weitgehend unreflektierten Fachartikelnund auf die Empfehlungen der Referenten verlassen, denen wir in denimmer zahlreicheren Fortbildungskursen der Industrie begegnen. Es isteine fatale Entwicklung, daß den Zahnärzten zunehmend in immer kür-zerer Zeit neue Behandlungsmethoden und Werkstoffe angeboten wer-den, für die noch keine wissenschaftlich ausreichend fundierten experi-mentellen und klinischen Untersuchungen vorgelegt werden können. Der-artige Untersuchungen sind meistens sehr zeitraubend und die Ergebnissewerden durch die derzeit stürmische Entwicklung neuer Produkte undMethoden immer öfters überholt. So ist es unsere Pflicht, die umfangrei-che seriöse Fachliteratur, auch die Grundlagenforschung, zu studieren.Der Einzelne ist damit überfordert, als Vereinigung gleichgesinnter Kol-leginnen und Kollegen sollten wir jedoch in der Lage sein, diese Aufga-be gemeinsam zu bewältigen. Und hier sind vor allem auch die jungenMitglieder und Kandidaten der NEUE GRUPPE aufgefordert. Unsere Tagun-gen, vor allem aber auch unsere Kurse und Seminare bieten die Gelegen-heit, nicht nur Ideen und Erfahrungen untereinander auszutauschen, sondernauch die von den einzelnen Teilnehmern gesammelten wissenschaftlichenInformationen den anderen zu vermitteln. Vor allem die "NEUE GRUPPE Nach-richten"sind für uns ein Forum, das für Berichte über Kurse kompetenter Refe-renten und für wissenschaftliche Übersichtsartikel mehr genutzt werden soll-te. Auf diese Weise kann die NEUE GRUPPE auch in Zukunft der anspruchs-vollen Bezeichnung "wissenschaftliche Vereinigung" gerecht werden.

Mit herzlichen kollegialen Grüßen

ALEX MOTSCH

Glückwünsche Ihren 75. Geburtstag feierten Günter Klimberg am 6.6.1996 und Günter Sfaehle am24.5.1996. Die Neue Gruppe gratuliert herzlich und wünscht beste Gesundheit.Kurt Kreusser wurde am 6.8.1996 70 Jahre alt. Die besten Wünsche zu diesemFesttag.65 Jahre alt wurden Alex Motsch am 25.7.1996 und Ralf Mutschelknauß am25.5.1996. Wir gratulieren von ganzem Herzen.Wolfram Hahn und Jürgen Schmitter gratulieren wir zu Ihrem 60. Geburtstag am30.10.1996 und 21.H.1996.Zum 50. Geburtstag wünschen wir Ulrich Klimberg und Ludwig Koller am 8.11.1996und 25.5.1996 alles Gute.Allen Ji ihilaren herzliche Glückwünidie.

'.£_£ GRUPPE

Page 3: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Die Einführung des Operationsmikroskopes (OPM) in die Parodontalchir-urgie und orale Implantologie wird die bis heute geltenden Konzepte undTechniken verändern, wie dies in der allgemeinen Chirurgie in den letz-ten Jahrzehnten schon der Fall war. Die ersten Berichte über den Einsatzvon Vergrösserungsvorrichtungen datieren aus dem Jahr l 876. 10 Jahrespäter wurden zusammengesetzte Lupensysteme für zoologische Präpa-rationen und später in der Chirurgie des Auges verwendet (1). 1912 ent-wickelte die Firma Zeiss, Jena, Lupenbrillen mit einer zweifachen Ver-grösserung, die vor allem in der Ophthalmologie weite Verbreitung gefun-den haben und deren Nachfolgemodelle bis heute benutzt werden.

Es ist jedoch unzweifelhaft der Verdienst von Hals-Nasen-Ohren-Arzten,dem OPM als technisches Hilfsmittel in der Chirurgie zu Popularität ver-holfen zu haben. So setzte Professor Carl Nylen 1922 zur Behandlungder Otosklerose ein binokulares Mikroskop mit lOfacher Vergrößerungein (2). Aber erst die Entwicklung eines tragefähigen technischen Kon-zepts von der Firma Carl Zeiss 1952, also 30 Jahre später, hat die Grund-lage für eine weltweite und alle operativen Fachgebiete umfassende Wei-terentwicklung mikrochirurgischer Operationstechniken geschaffen. 1960wurden erstmals Berichte über die Mikrochirurgie kleiner Blutgefässe ver-öffentlicht. Fast gleichzeitig fand das OPM auch in der Mikrochirurgievon peripheren Nerven seine Indikation.

Die klinische Anwendung der Mikrochirurgie in den einzelnen Fachge-bieten war von technischen Entwicklungen begleitet. Als eine wesentli-che Voraussetzung für den Erfolg in der Mikrogefäßchirurgie wurden fei-nere Nahtmaterialien hergestellt. Zusätzlich mußten neue, grazilere Instru-mente entwickelt werden, die den Anforderungen in den einzelnen Fach-gebieten gerecht werden.

Der Grundgedanke des mikrochirurgischen Eingriffes ist definitionsgemäßzunächst der Vorteil, mehr bzw. vergrößert intraoperativ Strukturen sicht-bar machen zu können (3). Weitere Vorteile, Möglichkeiten und Verbes-serungen, wie die direkte Ausleuchtung des Operationsfeldes, die Hand-habung verfeinerten Instrumentariums und die Verwendung feineren Naht-materials sind dann erst das Ergebnis der besseren Erkennbarkeit derStrukturen. Sie haben die Entwicklung der Mikrochirurgie mitgeprägt undsind entscheidender Teil dessen, was heute unter mikrochirurgischer Tech-nik verstanden wird. Klinisch führte die Anwendung von Vergrößerungs-hilfen und angepaßter Instrumente dazu, chirurgisch präziser arbeiten zukönnen und damit eine geringere Traumatisierung delikater Strukturen zuerreichen. Weiter wird eine bessere Adaptation der Wundränder undeine Minimierung der Ausdehnung des Operationsfeldes möglich. DieseFaktoren wiederum haben einen positiven Einfluß auf den postoperativenHeilungsverlauf. Aus Wundheilungsstudien des Parodontes (4, 5, 6) istbekannt, daß die optimale Adaptation der Wundränder in einer Heilung"per primam" endet und die Wunde zu 100% regeneriert. Eine Heilung"per secundam" tritt dann auf, wenn die Wundränder leicht auseinan-derklaffen und Granulationsgewebe notwendig ist, um den Hohlraumzwischen den zwei Wundrändern aufzufüllen. Das Endresultat ist dannkeine Regeneration, sondern vielmehr eine Reparation. Eine perfekteAdaptation der Wundränder muß also das Ziel jedes chirurgischen Ein-griffes sein.

Die mikrochirurgische Operationstechnik basiert auf operativen Stan-dardtechniken, stellt also kein eigenes operatives Fachgebiet dar. Es han-delt sich vielmehr um eine spezielle aperationstechniscfie Entwicklung,

Das Operationsmikroskop •ein Muß in der anspruchs-vollen Parodontalchirurgieund oralen Implantologie ?

vonM. B. Hürzeler

Freiburg

. ',5. f GRUPPE,

-r

Page 4: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

die in jedem operativen Fachgebiet anwendbar ist. Die Mikrogefaßchir-urgie ist ein sehr gutes Beispiel für diese Tatsache. So unterscheidet sichdie mikroskopische Technik der Gefäßanastomose, wie sie zunächst vonJacobson Anfang der 60er Jahre beschrieben wurde, nicht grundsätzlichvon der makroskopischen Gefäßanastomosentechnik in ihrer Original-form, die von Carrel und Guthrie bereits im Jahre 1906 angegeben wurde.

Die Operationstechniken in der Parodontalchirurgie und der oralen Implan-tatologie müssen überdacht und den neuen technischen Möglichkeitenangepaßt werden, wenn die erwähnten Vorteile auch in diesem Bereichausgeschöpft werden sollen. Die Eingriffe müssen kleiner, präziser undweniger traumatisch werden und trotzdem die gleich guten oder besse-re Ergebnisse erzielen. Das OPM wird auf jeden Fall eine präzisere Adap-tation der Wundränder erlauben wie es Shanelec und Tibbetts (1996)(7) demonstriert haben. Vorallem plastisch chirurgische Eingriffe, wie dieAbdeckung von Rezessionen, Kieferkammaufbauten und auch das Weich-gewebsmanagement um Implantate werden vereinfacht. Das OPM wirdaber auch bei einfachen parodontalchirurgischen Operationen (wie z.B.die geführte Gewebsregeneration, apikaler Verschiebelappen) von Nut-zen sein. Ähnlich wie in der restaurativen Zahnmedizin, wo immer mehrvon minimal invasiven Füilungstechniken gesprochen wird, wird in Zukunftin der Parodontalchirurgie immer mehr der Begriff der minimal invasivenOperationstechnik fallen.

Viele Parodontologen arbeiten schon mit Vergrößerungshilfen und habenden Nutzen dieser Hilfsmittel erkannt. Der Einsatz des OPM zwingt denParodontalchirurgen jedoch, seine Arbeitsweise zu verändern. Unter demOPM wird eine absolut kontrollierte Instrumentenführung unter Sicht mög-lich, d.h. der Toieranzbereich der motorischen Fähigkeiten des Behand-lers muß verbessert werden. Dies gelingt nur, wenn der Operateur dieMöglichkeit hat, seine Ellenbogen, Unterarme und Handgelenke abzu-stützen. Dadurch kann nach Shanelec und Tibbetts (1996) (7) die Arbeits-toleranz bei einer 10- bis 20fachen Vergrößerung gegenüber der her-kömmlichen Arbeitsweise um das lOOfache verbessert werden. Es wirdmeist bei Vergrößerungen zwischen 10- und 24fach gearbeitet. Nähtewerden meist bei 10- facher Vergrößerung gelegt, um ein weiteres Feldüberblicken zu können. Eine hohe Vergrößerung von 24- bis 40fach wirdzur Inspektion und zur Kontrolle der Naht eingesetzt. Die Instrumente wer-den dreipunktförmig gefaßt und der Handgriff ruht auf dem Interdigital-raum zwischen Daumen und Zeigefinger. Die meisten mikrochirurgischenFunktionen und Manöver, auch das Nähen und Knoten, werden durchleichte Pronation und Supination von Fingern und Unterarmen durchge-führt. Geschnitten wird durch eine leichte Scherbewegung zwischen Dau-men und Zeigefinger. Wenn das Instrument gewechselt wird, empfiehltes sich, weiter durch das Mikroskop zu schauen, während die Assistenzdas Instrument in der Hand des Operateurs legt (8).

Wie kann der Parodontologe diese mikrochirurgischen Techniken lernen?Mikrochirurgische Ausbildung gehört heutzutage zum Lehrprogrammjedes Chirurgen. Neurochirurgen werden ausschließlich in der Mikro-

(2i Daniel, R.K. (19791 Microsurgery: chirurgie unterrichtet. Auch für Parodontologen müssen spezielle Ein-führungskurse in die Mikrochirurgie geschaffen werden, denn der Einsatzdieser Technik im Mund beinhaltet einige differenzierte Betrachtungs-weisen. Dabei sollten neben den allgemein mikrochirurgischen Techni-ken die Anwendung der minimal invasiven Techniken im parodontologi-schen Bereich dargestellt und geübt werden. Ein Zwei-Tageskurs wird es

, die ersten Schritte unter dem OPM zu machen. Die Übung der

(l! Wsbsr, U. (1993] Geschichte der

Mikrochirurgie. In: Weber, U,, Greulich,

nn. & Sparmann, M,, Hrsg. Orthopädische

Mikrochirurgie, !,. 2, Stuttgart. New York:

Georg Thisme Verlag.

Through the iooking glass. N Engi j Med

300: 1251-1258.

(3|Jacobsen, J.A. & Suarez, El (i960)

Microsurgery in anastomosis of small ves-

5e!s. Surg Forum l l: 243"245.

'. = _ = GRUPPE

Page 5: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

neuen Techniken an Modellen ist die absolute Voraussetzung dafür, dieseTechniken anschließend auch im Mund anwenden zu können. Nur wenndie Führung der Instrumente und die Nahttechniken vom Ablauf herbeherrscht werden, können die Probleme, die bei der Anwendung einesOperationsmikroskopes in der Parodontalchirurgie auftreten, bewältigtwerden.

Während in Amerika diese Kurse schon seit mehreren Jahren angebotenwerden, sind in Europa gerade die ersten Anstrengungen gemacht wor-den, mikrochirurgische Kurse durchzuführen. Dabei wird versucht, vonder Erfahrung der Amerikaner zu profitieren und deren "know-how" aufdiesem Gebiet zu nutzen. Das Ziel muß sein, möglichst viele Parodonto-logen zu motivieren. Gleichzeitig müssen aber auch Vereinfachungenund Verbesserungen entwickelt werden, um möglichst vielen Zahnärztendiesen Schritt leichter zu machen. Dazu gehört auch die Entwicklung ent-sprechend kleinerer, grazilerer Instrumente und feinerer Nahtmaterialien,die auf die Erfordernisse der Mikrochirurgie in der Mundhöhle abge-stimmt sind. Verbesserungen dieser Art sind in naher Zukunft auch inDeutschland auf dem Markt.

Bis die minimal invasive Parodontalchirurgie ihren festen Platz in derZahnheilkunde erobert hat, werden weitere Fortschritte im technischenwie auch im instrumenteilen Bereich folgen. Es bleibt zu hoffen, daß durchdie großen Vorteile dieser Therapieform sich das OPM schneller in derZahnheilkunde etablieren kann, als es in der Medizin der Fall war.

(4) Krawczyk, W.S. (1978] Wound hea-

ling in the oral cavily, In: Shaw, J.H., Swee-

ney, E.A., Cappuccino, C.C. et al. eds.

Texfbook of oral biology, pp. 937-954.

Philadelphia: WB Saunders.

(5) Melcher, A.H. (1969) Healing of wounds

in the periodontium. In: Melcher, A.H., Bowen,

W.H., eds. Biology of the periodontium, pp.

499-529, London: Academic press.

(6) Harrison, J.W., Gutmonn, A.L. (eds.)

(1991) Surgical wound healing. Surgicai

endodontics, pp.300-337, Boston: Block-

wel! Scientific Publications.

(7) Shanelec, D.A. & Tibbets, L.S. (1996)

A perspective on the future of periodonta!

microsurgery. Periodont 2000, 11: 56-64.

(8) Uchtmann, D.M. (1983) Mikrochirur-

gie. In: Wind, S. & Rieh, R. übersetzt von

Eible-Eibesfeld, B.: Grundlagen der Ope-

rationstechniken, S. 125-141, München:

Urbon & Schwarzenberg Verlag.

Einleitung

Der vorzeitige Zahnverlust durch ein isoliertes Frontzahntrauma der obe-ren Schneidezähne ist im Kindes- und Jugendalter das häufigste Verlet-zungsmuster (1). In den meisten Fällen einer partiellen oder totalen Luxa-tion oberer Schneidezähne lassen sich durch rechtzeitige Repositions-und Replantationsverfahren und endodontische Behandlung günstige Lang-zeitergebnisse erzielen (2-4). Treten nach Traumatisierung des Desmo-donts und der Pulpa Resorptionserscheinungen auf, ist die Prognose derbehandelten Zähne als eingeschränkt zu beurteilen (5,6). Während dietraumatisch bedingte Entzündungsresorption durch endodontische Maß-nahmen therapierbar ist, erscheint die Ersatzresorption therapeutisch nichtbeeinflußbar, so daß die Langzeitüberlebensrate luxierter Frontzähne hier-durch deutlich reduziert sein kann (7,8).Vorzeitiger Zahnverlust, Nichtanlage oder persistierende Retention vonZähnen kann ohne adäquate Behandlung durch Kippung und Elongati-on der übrigen Zähne zu schwerwiegenden Funktionsstörungen undzusätzlich zu einer ästhetischen Beeinträchtigung im sichtbaren Bereichder Mundhöhle und des Gesichtes führen.Zur Prävention und Therapie stehen heute eine Vielzahl kieferorthopädi-scher, konservierender, prothetischer und chirurgischer Behandlungsver-fahren zur Verfügung, deren Indikation im Einzelfall unter Berücksichti-gung der Risiken, Komplikationen und der Langzeitprognose gegenein-ander abgewogen werden müssen. Das Ziel liegt hierbei in der Erhal-tung und Wiederherstellung eines funktionstüchtigen eugnathen Gebis-ses in gesicherter Okkiusion und störungsfreier Artikulation sowie in derästhetischen Wiederherstellung der intraoralen Hart- und Weichgewebe.

Ästhetische und funk-tioneile Rehabilitationin der oralen Chirurgieund Implantologienach Einzelzahnverlustund bei Zahnaplasie

vonStefan Schultze-Mosgau l)Friedrich Wilhelm Neukam 1}Henning Schliephake 2)

1) Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer-,

Gesichtschirurgie (Direktor: Prof. Dr.Dr. F.W.

Neukam), Friedrich Alexander Universität

Eriangen-Nürnberg

2) Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und

Gesichts-chirurgie (Direktor : Prof. Dr. Dr. J.-

E. Hausamen), Medizinische Hochschule Han-

nover

=., ~ unurrr

Page 6: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

literafur

1. Eschler j: Die Verletzung der Frontzähne

bei jugendlichen. Hüthig, Heidelberg 1972

2. Dehen M, Blickle W, Niederdellmann

H: Die Behandlung des Zahntraumas im

Kindesalter unter besonderer Berücksichti-

gung der Schienentherapie. Dtsch

ZahnärztIZ 1991; 46; 145

3. Eliasson S, Laftman AC, Strindberg L:

Autotranspianted teeth with early-stage

endodontic treatment: A radiographic eva-

iuarion. Oral Surg Oral Med Oral Pathol

1938:65:598

4. Will R: Repiantation. Das Wiederein-

setzen von Zähnen. Quintessenz Berlin-

Chicago-Sio de janeiro-Tokyo 1983

5. Neukam FW, Reumann K, Schliephake

H: Experimentelle Untersuchung zur Bestim-

mung der Wurzeihautschädigung von

Zahntransplantationen. Dtsch Zahnarzt!

Z 1987: 42:186

6. Zimmermann M, Nentwig GH: Uberle-

oensrare desmodontaler Zellen in Abhängig-

keit von der extraoralen Austrocknung. Schweiz

Monotsschr Zahnmed 1989; 99: 1007

7. Henrichvark C, Neukam FW: Indikation

und Ergebnisse der autogenen Zahnfrans-

plantotion. Dtsch Zahnärztl Z 1987:42:! 94

8. Neukam FW: Die Zahnkeimtranspian-

taiion, Zohnärztl Mirt 1988: 78: 1026

9. Wirt E: Der Frontzahnverlust im jugend-

lichen Gebiß - Therapeutische Möglich-

keiten aus der Sicht des Kieferorthopäden.

Dtsch Zahnörti Z 1984, 39: 82

10. Hickel R, Spitzer Wj, Kraft j, Hertrich

K, Müi3ig D: Das Frontzahntrauma bei Kin-

dern jugendlichen. Teil 1: Diagnostik und

Soforttherapie. ZWR 1986: 95: 878

Der alleinige orthodontische Lückenschluß stellt eine eng begrenzte The-rapiemöglichkeit dar, die günstige Behandlungsoptionen bei einem ver-tikalen Wachstum mit dentoalveolärem Engstand und dysgnathen Okklu-sionsverhältnissen im frühen Wechselgebiß bietet (9).Unter den prothetischen Verfahren stellt die Adhäsivbrücke eine der amhäufigsten verwendeten Versorgungen von Frontzahnlücken dar. Sie wirdinsbesondere bei Jugendlichen als Ersatz oder bei Erwachsenen als Lang-zeitprovisorium eingesetzt (10). Eine Querschnittsuntersuchung ergabnach zweijähriger Liegedauer Lockerungsraten von 32 % für Adhäsiv-brücken und 56 % für Langzeitprovisorien (11) . Über bessere Erfolgeberichtet Besimo (12). Ais Kontraindikationen werden von ihm eine ungün-stige Pfeilerstellung, Schaltlücken mit zu großer Spannweite, ein gerin-ges Schmelzangebot, ungünstige intermaxilläre Relationen und reduzierteparodontale Verhältnisse an den Pfeilerzähnen gesehen. Im kariesfreienErwachsenengebiß stehen bei limitierten Lücken Einzelzahnimplantateals Alternative zur Verfügung (1 3-1 6).Eine weitere Versorgungsmöglichkeit, über die bisher in der Literatur nurvereinzelt berichtet wurde, stellt die autogene Zahntransplantation dar(17-20). Diese kann bei kritischer Indikationsstellung eine sinnvolle Alter-native zur Einzelzahnimplantation bedeuten.

Implantation

Unter den implantologischen Therapieverfahren zum Einzelzahnersatzstehen die Sofortimplantation, die verzögerte Sofortimpiantation und dieSpätimplantation zur Verfügung. Voraussetzung zur Sofortimplantationsind entzündungsfreie Weichgewebeverhältnisse und ein ausreichendesRestknochenangebot in vertikaler und vestibulooraler Richtung. Nachatraumatischer Entfernung des nicht erhaltungswürdigen Zahnes wird inder gleichen Sitzung ein enossales Implantat inseriert. Durch die Wahldes entsprechenden Durchmessers eines schrauben- oder stufenförmigenImplantates läßt sich eine Primärstabilität erreichen. Zur prothetisch gün-stigen Positionierung ist in Fällen eines stark protrudierten Alveolarfort-satzes eine von der Achse der Alveole abweichende axiale Bohrrichtungzu wählen. Die Breite der begrenzenden marginalen Knochenlamelle soll-te mindestens 1mm betragen. Zur geschlossenen, belastungsfreien Ein-heilung ist der plastische Verschluß der Alveole erforderlich. Eine Kon-traindikation zur Sofortimpiantation stellen chronische periapikale undmarginaie Entzündungen sowie der Verlust der vestibulären Alveolarwanddar.Der Verlust von fixierter, keratinisierter Gingiva durch den plastischen Ver-schluß läßt sich bei der verzögerten Sofortimpiantation vermeiden. Nacheiner Zeitspanne von 3-4 Wochen nach Zahnentfernung hat sich überder Extraktionswunde eine neue fixierte und keratinisierte Gingiva gebil-det.Probleme bei der Spätimplantation sind der Verlust von Hartgewebe durcheine Inaktivitätsatrophie des Alveolarfortsatzes und der Verlust von Weich-gewebe. Hier ist zunächst zu überprüfen welche Voraussetzungen geschaf-fen werden müssen, um ein Implantat in einer prothetisch günstigen Posi-tion zu inserieren. Unter den verschiedenen augmentativen Verfahren zumWiederaufbau des Hartgewebelagers werden neben allogenen Kno-chenersatzmaterialien autogene Knochenverpflanzungen eingesetzt.Begrenzte Mengen autogenen Knochens zum Aufbau kleiner, lokalisier-te Defekte lassen sich aus der Kinnregion, dem retromolaren oder tubärenBereich gewinnen.In verschiedenen Untersuchungen in der Klinik und Poliklinik für Mund-,Kiefer- und Ges/chfscrnrurgie (Direktor: Prof. Dr, Dr. J.-E. Hausamen) an

'. = -•£ GRUPPE

T

Page 7: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

der Medizinischen Hochschule Hannover wurden die Langzeitprognosenvon Sofort- und Spätimplantationen nach traumatischem Zahnverlust undbei Zahnaplasie überprüft. Die Verweildaueranalyse von 89 Sofortim-plantationen nach Trauma bei 47 Patienten (männlich n = 28; weiblichn = 19), die 41 Implantate im Oberkiefer und 48 Implantate im Unter-kiefer erhielten, zeigte eine Verbleibrate 82 % nach einem Jahr, 78 %nach 2 Jahren und 74 % nach 4 Jahren. Während 9 Implantate im Ober-kiefer verloren gingen, betrug die Verlustrate im Unterkiefer nur n = 1.Die Analyse von 53 Spätimplantationen nach Trauma bei 26 Patienten(männlich n = 1 1; weiblich n = 15) umfaßte 31 Implantationen im orts-ständigen Oberkieferknochen und 6 Implantationen nach vorausge-gangener Osteopiastik im Oberkiefer sowie 14 Implantationen im orts-ständigen Unterkieferknochen und 2 sekundäre Implantationen nachOsteopiastik im Unterkiefer. Die Überlebensrate betrug 91 % nach 1 Jahr,87 % nach 2 Jahren und 83 % nach 4 Jahren. 12 Implantatverluste tra-ten im Oberkiefer, ein Implantatverlust im Unterkiefer auf. In einer drit-ten Studie zur Erfoigsprognose von Implantationen bei Zahnaplasie wur-den 34 Implantate bei 14 Patienten (männlich n = 7; weiblich n = 7) unter-sucht. In der Mehrzahl wurden Prämolaren ersetzt (n = 25). Die Erfolg-rate betrug nach einem Jahr 89% und nach 2 Jahren 83 %.

Autogene Zahntransplantation

Ein alternatives Therapiekonzept bei vorzeitigem Zahnverlust und beiZahnaplasie stellt die autogene Zahntransplantation dar. Der Erfolg einerautogenen Zahntranspiantation ist abhängig von einer strengen Indika-tionsstellung. Die Auswahl des Zahntransplantates richtet sich nach demEntwicklungszustand und der Lage des Transplantates. Maßgeblich istdie ausgebildete Wurzellänge, sowie der Lumendurchmesser des Fora-men apikale. Entsprechend der Einteilung der Wachstumsstadien nachMOOREES haben nach eigenen Untersuchungen das Stadium 4 (Wur-zellänge 1/2) und das Stadium 5 (Wurzellänge 3/4) die besten Erfolgs-prognosen. In diesen Stadien zeigt das Foramen ein genügend großesLumen und ein ausreichendes Wachstumspotential, um eine Revaskulari-sierung des Zahnes im Transplantatbett zu gewährleisten.Das Transplantatbett muß ein ausreichendes Platzangebot in mesiodi-staler und vestibulooraler Richtung aurweisen. Weiterhin sollte im Unter-kieferseitenzahnbereich der Abstand zum Canalis mandibularis so großsein, daß durch Ausschachtung eine genügende Tiefe des Transplantat-bettes erreicht werden kann ohne eine Traumatisierung des N. alveola-ris inferior zu provozieren.In zwei Untersuchungen zur Erfolgsprognose von autogenen Zahntrans-plantaten nach Zahnverlust und bei Zahnaplasie wurde die Funkti-onstüchtigkeit verpflanzter Zähne nach einer durchschnittlichen Liege-dauer von 3,8 Jahren bei 66 autogenen Zahntransplantaten nach vor-zeitigem Zahnverlust und nach einer Liegedauer von 1,5 Jahren bei 15Zahnverpflanzungen zur Therapie einer Zahnaplasie überprüft. Erfolgs-kriterien zur Beurteilung der Funktionstüchtigkeitwaren: Klinische Locke-rung <= 1; Periotestwert < 20; Sulcusfluid-Fließrate < 40; parodontaleSondierungstiefe <= 3 mm; Ein röntgenologisch sichtbarer Parodontal-spalt oder die Ausbildung einer röntgenologisch sichtbaren Lamina durainterna; Ausbleiben von Resorptionen. Unter diese Erfolgskriterien wur-den nach einer Verweildauer von 3,8 Jahren 73 % ( 48 von 66) der auto-genen Zahntransplantate nach vorzeitigem Zahnverlust und 80 % (12von 15 ) der autogenen Zahntransplantate bei Zahnaplasie als erfolg-reich beurteilt.

11. Kerschbaum T, Pfeiffer P: Erste Erfah-

rungen mit Klebebrücken und -schienun-

gen. Eine retrospektive Querschnittsunter-

suchung. 3. Mitteilung: Primärer Mißerfolg

und Wiederbefestigung. Dtsch Zahnarzt!

Z 1986; 10: 1005

12. Besimo C: Adhäsivbrückentechnik. Indi-

kationen und Kontraindikationen in der

Adhäsivbrückentechnik - eine Sfondortbe-

stimmung. Schweiz Monatsschr Zahnmed

1990; 100: 325

13. Bergendal T, Eckerdal O, Halbsten

AI, Koch G, Kuro! J, Kvint S: Osseointe-

groted impiants in the oral rehabilitation

of a boy with ectodermal dysplasia: a case

report. IntDentj 1991; 41: 282

14. Ledermann PD, Schroeder A, Sutter f:

Der Einzelzahnersatz mit Hilfe des Hohl-

zylinderimplantates Typ F [Spätimplantatj.

Schweiz Mschr Zahnheilk 1982; 92: 1087

15. Lekholm U, Jemt T: Prinäples for single tooth

repbcement. In: Albrektsson T, Zarb GA (Hrsg.):

The ßranemark osseointegrated impbnt. Quinf-

essence, Chicago-London-ßerlin 1989

16. Lewis SG, Beumer III j, Perri GR, Horn-

burg WP: Single Tooth Implant Supported

Restorations. Int j Oral Maxillofac Impl

1988; 3:25

17. Andreasen JO, Hjörting-Hansen E:

Replantafion and autotranspianfaHon of

teerh. In: Walker R V (Hrsgj. Oral surgery.

tivingstone, Edinburgh-London 1970

18. Andreasen JO, Poulsen HV, Yu Z, Bayer

T, Schwarz O: A iong-term study of 370

aurotranspianted premolars. Part II. Tooth

survivai and pulp healing subsequent to

transplantation. Eur j Orthod 1990; l 2: 3

19. Andreasen JO, Paulsen HV, Yu Z,

Schwarfz O: A Iong-term study of 370

autotranspianted premolars. Part III. Peri-

odontal healing subsequent to franspian-

tation. Eur j Orthod 1990: 12: 25

20. Kugelberg R, Tegsjo U, Malmgren O:

Autotransplantation of 45 teeth to the upper

incisor region in adolescents. Swed Dent

J 1994; 18: 165

r

Page 8: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

21. Moorees C, Fanning E. Hunt E: Age

Variation of formation stages of ten per-

manent teefh. j Dent Res 1963; 42: 1490

22. jemt T, Peftersson P: A 3-year foliow-

up study on singls irnpbnt treatment. j Dent

!993; 21: 203

23. Schiiephake H, van den ßerghe P, Neu-

kam FW, Günay H, Scheuer H: Klinische

Aspekte bei der Verwendung osteointegrier-

ter Schraubenimplantate für den Einzelzahn-

srsatz. Z Zahnarzt! Implantol 1992: 8: 229

24. Schmitt A, Zarb GA: The longitudinai

clinicai effectiveness of osseoinfegrotsd

dental implants for single-toofh replace-

ment. intj Prosthodont 1993: 6: 197

25. Scbciz F, d'Hoedt B: Der Frontzahn-

veri'jät im jugendlichen Gebiß - Thera-

piemög.'ichkeiten durch Implantate. Dtsch

Zahnarzt! Z 1984; 39:416

26. ßehneke N, Schramm-Scherer B, Beh-

neke G, Schmitz R: Zur Differentialindika-

tion bei Einzelzahnveriuät. Einzel-

zahnspätimplanfat oder Adhasivbrücke. Z

Zahnörn Implantol 1988; 4: 135

27. Schramm-Scherer B: Die parodontale

Situation bei Friaiit-lmplantaten Typ Tübin-

gen in Abhängigkeif von der Breite der

Zone befestigter Schleimhaut, Z Zahnarzt!

Implantoi l 988; 4: 96

28. Montag H: Das konisch-selbstechnei-

denae Sranemark-implanfat als Einzelsahn-

ersatz. 2 Zahnarzt) impiantol 1991: 7:1 35

29. Keiler U, Sitzmann F: Differentialindi-

Katianen zum Einzelzahmmplantat- Z

Zahnärtzl !mpiantoj 1987; 7: 168

30. Öhmeii LO, Hirsch JM, Ericsson i, Bronemork

Pi: Sin0!e too!h rehabitfation using osteoin'sgra-

Hon. A rnodffied surgical and prosthodontic

apprcccb. Quintess Int 1988: 19: 871

32. lagerström L Kristerson L: Infiuence of

orthodonHc rreotmenf on root devefopmen*

cf aufofranspianted premolars. Am j

Orthod 1986; 89: 146

Schlußfolgerung

Die Ergebnisse beider chirurgischen Therapiekonzepte zeigen, daß dieErfolgsprognose der autogenen Zahntransplantation vergleichbar ist mitdenen der Einzelzahnimplantation. Die Tauglichkeit autogener Zahn-transplantate bei vorzeitigem Zahnverlust konnten Kugelberg und Mitar-beiter anhand eines Kollektives von 40 Patienten, bei denen insgesamt45 Zähne zum Frontzahnersatz verpflanzt wurden, belegen (20). 22 von23 verpflanzten Zähnen mit noch nicht abgeschlossenem Wurzelwachs-tum und l 8 von 22 Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum wur-den von ihnen als erfolgreich beurteilt. Nach Andreasen und Mitarbei-tern liegt die Langzeitüberlebensrate transplantierter Prämolaren bei 95bis 98 % (17-19). Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Angabenzur Erfolgsrate von 82 % bis 98 % nach Einzelzahnimplantation (22-25).Probleme bei der Einzelzahnimplantation treten insbesondere dann auf,wenn nur ein ungenügendes Knochenangebot vorliegt. Fehlt eine intak-te knöcherne Alveolenbegrenzung, muß mit einer erhöhten Verlustrateund Rezessionen gerechnet werden (26). Ferner wird auf die Bedeutungder Breite der fixierten Gingiva beim Einzelzahnersatz hingewiesen (26).Bei Implantaten, die vestibulär nicht von einer Zone fixierter Schleimhautumgeben waren, wurde ein erhöhter Anteil periimplantärer Weichteil-probleme festgestellt (27).Ein weiteres Problem bei der Verwendung von konisch-selbstschneiden-den Schraubenimplantaten als Sofort- oder Spätimplantat zum Einzel-zahnersatz im anterioren Oberkiefer wird in einer röntgenologischenTransluzenz im Bereich des konischen Implantathalses gesehen (28).Im Vergleich zu prothetischen Lösungskonzepten kann bei der Zahnver-pflanzung und der Sofortimpiantation der Alveolarfortsatz weitestgehenderhalten werden (26). Gerade im Lückengebiß können deshalb beideVerfahren Vorteile gegenüber Brückentechniken bieten, und im Falle einesMißerfolges besteht keine Einschränkung für eine prothetische Versor-gung.Notwendig für beide Verfahren, Implantation und Zahntransplantation,ist ein ausreichendes Knochenangebot (29). Beim Zahnverlust und zeit-lich verzögerter Versorgung durch ein Spätimpiantat kann durch die Inak-tivitätsatrophie des Alveoiarfortsatzes eine Implantation erschwert sein.Dies kann zu einer tieferen Positionierung des Implantates im Verhältniszu den Nachbarzähnen führen und eine ungünstige Ausgangssituationfür eine befriedigende ästhetische Versorgung zur Folge haben (30). Alter-nativ stehen Augmentationsmaßnahmen zur Verfügung (31). Unter Umstän-den machen ein reduziertes Knochenangebot eine prothetisch günstigePositionierung des Implantates unmöglich. Als vorteilhaft bei der Prämo-iarentransplantation gegenüber der Einzelzahnimplantation ist die ortho-dontische Einordnung des verpflanzten Zahnes und der gleichzeitige Wie-deraufbau des Alveoiarfortsatzes beim Durchbruch des transplantiertenZahnes zu beurteilen. Während bei der Einzelzahnimplantation die Ver-tikalentwicklung des Aiveolarfortsatzes zum Stillstand kommt, kann sichder Alveolarfortsatz bei der autogenen Zahntransplantation und der ortho-dontischen Behandlung physiologisch weiter entwickeln. Ebenso kannauch nach Zahnkeimtransplantation mit einem weiteren Wachstum desAiveolarfortsatzes gerechnet werden (8). Im Vergleich zur Implantationkann somit der Zeitpunkt der Zahntransplantation früher gewählt werden,ohne die Vertikalentwicklung des Aiveolarfortsatzes im jugendlichenWachstumsalter zu beeinträchtigen.Hinsichtlich einer orthodontischen Einordnung wiesen Lagerström und Kri-sterson allerdings nach, daß die orthodontische Behandlung transplan-

Zähne zu einem geringfügig kürzeren Wurzelwachstum führt (32).

:s^ = GRUPPEr

Page 9: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

r

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zahntransplantation in den Front-zahnbereich stellen u.a. die Wahl des Transplantationszeitpunktes undeine geeignete Technik dar. Hierbei hat sich eine zu 3/4 ausgebildeteWurzellänge für die Prämolarentranspiantation als günstig erwiesen (21).Zu diesem Zeitpunkt besteht ein noch offenes Foramen apicale, und eskann zu einer Revaskularisation des transplantierten Zahnes kommen.Hinsichtlich der angewandten operativen Technik hat sich in früherenUntersuchungen ein einzeitiges Vorgehen von Extraktion und Zahntrans-plantation bewährt (33,34). Bedeutungsvoll hierbei ist ein atraumatischesVorgehen bei der Gewinnung und bei der Verpflanzung des Transplan-tates, um eine Schädigung des Desmodontes zu vermeiden (5,6).Voraussetzung für eine Prämolarentranspiantation ist ein Platzmangel beirelativem Mißverhältnis zwischen der Größe der Kieferbasis und Zahn-breiten (34).Während der alleinige orthodontische Lückenschluß bei Platzmangel imKiefer des Zahnverlustes sinnvoll sein kann, sollte bei Patienten mit eug-nathen Okkiusionsverhältnissen ohne Platzmangel die Lücke kieferor-thopädisch für eine spätere Versorgung durch Zahnverpflanzung oderEinzelzahnimplantation offen gehalten werden (35-37).Zur ästhetischen Rehabilitation eines erfolgreich in den Frontzahnbereichtransplantierten Prämolaren eignet sich die Veneertechnik. Hinsichtlichder Langzeiterfolgsraten berichtet Calamia nach 10 Jahren in 5000 Fäl-len über eine Mißerfolgsrate von 2% (38). In anderen Untersuchungenwerden Erfolgsraten von 84 % bis 89 % beschrieben (39,40). Als Ursa-che für einen Mißerfolg wird eine Randspaltbildung und ungenügendeRetention angegeben. Kamposiora zeigte in einer Finite-Elemente-Ana-lyse, daß im Bereich von Auskehlungen bis zu achtmal größere Bela-stungsmomente als im Durchschnitt auftreten und sieht dies in Verbindungmit dem verwendeten Zement als Ursache für Probleme bei der Lang-zeitüberlebensrate von Veneers (41). Unter Würdigung der Literaturan-gaben zur Erfolgsprognose der Prämolarentranspiantation und der Veneer-technik, sowie unter Berücksichtigung der dargestellten Ergebnisse stelltdie autogene Zahntransplantation zum Frontzahnersatz nach traumati-schem Zahnverlust im jugendlichen Oberkiefer eine sinnvolle Alternativezum Einzelzahnersatz durch Implantate oder zu prothetischen Lösungs-konzepten dar. im Gegensatz zur Implantation im Wachstumsalter ist beider Zahntransplantation mit einer vollständigen Entwicklung des Alveo-larfortsatzes zu rechnen. Von Bedeutung für den Erfolg ist ein interdiszi-plinäres Vorgehen, in dem die Prämolarentranspiantation zeitlich sinnvollintegriert ist. Im Hinblick auf die Kostengünstigkeit kann die Prämolaren-transpiantation mit ästhetischer Restauration mittels Keramikveneers gegenü-ber der Einzelzahnimplantation als die günstigere Lösungsmöglichkeitangesehen werden.

33. Schutee-Mosgau S, Neukam FW, Eui-

zer C: Klinische und röntgenoiogische Ergeb-

nisse nach autogenen Zahntransplantatio-

nen. Dtsch Zahnarzt! l 1993; 48: 699

34. Schultz&Mosgau S, Neukam FW, Berten

JL, Euizer C: Die autogene Zahntransplanta-

tion im Rahmen des orthodontischen Lücken-

Schlusses bei Zahnnichfaniagen. Dtsch Mund

Kiefer GesichfsChir 1994; 18: 165

35. Cudovic 8: Schließung der Front-

zahnlücke mit festsitzenden Geräten. Fort-

schr Kieferorthop 1984; 45: 149

36. Drosch! H: Kieferorthopädisch-pro-

phyiaktische Maßnahmen beim Front-

zahntrauma. ^stZ Stomat 1974; 71: 459

37. Fieischer-Peters, A: Kieferorthopädi-

sche Aspekte bei Frontzahnlücken. Dtsch

Zahnarzt! Z 1984; 39: 496

38. Calamia JR: The current Status of

etched porceioin veneer restorations. J Indt-

ana Dent Assoc 1993: 72: 10

39. Dünne SM, Millar Bj: A longifudinal

study of the clinicai performance of por-

ceiain veneers. Sr Dem j 1993; 175: 317

40. Weiter M, Boning K, Reppei PD: Cli-

nical performance of machined ntanium

restorations. J Dent 1994; 22: 346

41. Kamposiora P, Papavasilious G, Bayne

SC, Feiton DA: Finite element analysis esti-

mafes of cement microfracture under com-

piete veneer crowns. j Prosfhet Dent 1994;

71: 435

'.r- = GRUPPE.

Page 10: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Probleme undLösungsansätze derAdhäsivtechnik imSeitenzahnbereich

vonJ.-F. RouletU. Blunck

Berlin

Einleitung

In dem Moment, in welchem man sich entscheidet, Seitenzähne mit zahn-farbenen Restaurationen zu versorgen, wird, ausser es handelt sich umVMK-Kronen, ein Kompositmaterial oder ein dem Komposit verwandtesMaterial zur Anwendung kommen. In allen diesen Fällen muß mit derAdhäsivtechnik gearbeitet werden.

Adhäsivtechnik

In der Zahnmedizin bedeutet Adhäsivtechnik das Erreichen einer mikro-mechanischen Verzahnung zwischen der Zahnhartsubstanz (Schmelz,Dentin) und der Kunstharzmatrix des Kompositmaterials. Im Schmelz wirddieses erreicht, indem die Schmelzoberfläche mit ca. 40%iger Phos-phorsäure angeätzt wird, wodurch eine gewaltige Oberflächenver-größerung, retentive Strukturen und eine Erhöhung der Oberflächenen-ergie entstehen. In die so vorbereitete Oberfläche kann dann ein Ver-sieglervorstrich eindringen und zur Verankerung der Füllung an denSchmelz herangezogen werden.Ein "Kleben" mit hydrophoben Kompositmaterialien auf das hydrophileDentin erweist sich als komplizierter. Hier wird vom Grundsatz her einmehrstufiges Verfahren zur Anwendung kommen müssen, wobei aber vonden Hersteilern immer öfter mehrere Schritte zusammengefaßt werden(Blunck 1996a).

• Ätzen (Entkalkungj von Dentin mit Phosphorsäure (entweder gerin-gere Konzentration oder verkürzte Atzzeit, 15 s) oder organischenSäuren (z. B. Maleinsäure) oder EDTA, mit dem Ziel, das Kolla-gennetzwerk freizulegen.

• Penetrieren (Priming) des Kollagennetzwerkes mit hydrophilen Mono-meren. Hier besteht die Gefahr, daß durch Austrocknung des Den-tins die Kollagenschicht kollabiert und schwer oder nicht pene-trierbar wird. Das Kollagen muß feucht gehalten oder rehydriertwerden (wet bonding, rewetting).

• Verbinden (Bonding) des penetrierten Primers mit einem Versieg-lervorstrich (Adhäsiv).

• Die auf diese Weise entstandene Hybridschicht (Kollagen und Kunst-harze) muß nun zur Stabilisierung polymerisiert werden, damit sieder folgenden Polymerisationsschrumpfung durch das Komposit-material standhält.

In allen Fällen muß aber das Arbeitsfeld wirkungsvoll vom Zutritt von Spei-chel, Blut und Sulkusfluid ferngehalten werden, was in der Regel die Appli-kation von Kofferdam voraussetzt. In manchen Fällen (z. B. KI-V-Füllun-gen) muß aus anatomischen und technischen Gründen darauf verzichtetwerden. In diesen Fällen können andere wirkungsvolle Maßnahmen zurTrockenlegung erfolgen, die allerdings in der Regel zeitaufwendiger sindals das Legen von Kofferdam.

Komponiere

Bei den Komponieren handelt es sich vereinfacht im wesentlichen um licht-härtende Komposits mit folgenden Modifikationen;

• Als Füllstoff wird ein ionendurchlässiges Ca-Al-Silikatglas (wie beimGlasionomerzement) verwendet.

• Die Kunststoff-Matrix wird dahingehend modifiziert,daß an das

'. = *z GRUPPEr

Page 11: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Diakrylat Polykarboxylsäure kopolymerisiert wird.

Dadurch wird das Material wie ein Komposit über das Photoinitiatorsy-stem gemäß der freien Radikal-Polymerisation gehärtet. Erst später findetirn Material, nach Wasseraufnahme aus dem Speichel, die ionische Reak-tion zwischen dem Glas des Füllstoffes und der Polykarbonsäure (Säure-Base-Reaktion) statt. Somit ist ein Komponier eine Zwitterkonstruktion zwi-schen Glasionomerzement und lichthärtendem Komposit, wobei man sichwesentlich näher am Komposit als am Glasionomerzement befindet.Dadurch verliert man einen wesentlichen klinischen Vorteil des Glasio-nomerzementes: die Haftung am Dentin über die COOH-Gruppen. Dahermuß Kompomer zwingend mit einem Dentinadhäsivsystem appliziert wer-den. Somit ergeben sich kaum Vorteile in der Anwendung von Kompo-mer im Vergleich zu Komposits, da im klinischen Vorgehen dieselbenArbeitsschritte zu leisten sind, aber dessen mechanische Eigenschaftenschlechter eingestuft werden als jene der Komposits.Wenn in der Applikation von Dyract auf die Schmelzätzung verzichtetwird, ergeben sich eine Arbeitsvereinfachung und ein Zeitgewinn. Dafürerhäit man eine geringere Haftung am Schmelz. In einer klinischen Stu-die konnte gezeigt werden, daß mit dieser Vereinfachung Milchmolarenerfolgreich versorgt werden können. Daher ist dieses eine sinnvolle Indi-kation für Komponiere (Peters and Roeters l994, Peters, Roeters and Fran-kenmolen 1996).

Fissurenversiegelung

Der geringste Eingriff mit Adhäsivtechnik im Seitenzahnbereich ist die Fis-surenversiegelung. Hier wird die Okklusalfläche gereinigt, geätzt undgespült und dann mittels eines Versieglers verschlossen. Es handelt sichhier wissenschaftlich belegt um eine sehr effektive Maßnahme der Karies-prävention, die allerdings nur Sinn im Rahmen eines gesamten Prophy-laxekonzeptes macht.

Erweiterte Fissurenversiegelung (Preventive Resin Restoration)

Sind Anteile einer Fissur bereits von Karies befallen, so werden dieseeröffnet und exkaviert. Die Versorgung der Dentinwunde erfolgt durchDentinversiegelung. Anschließend wird das Fissurensystem versiegelt undder Defekt mit einem Feinsthybridkomposit aufgefüllt. Diese Versorgungzeigt auch gute Langzeitresultate und ist im Sinne der Erhaltung von gesun-der Zahnhartsubstanz einer Amalgamfüllung vorzuziehen.

Klasse-l-Kompositfüllung

Eigene Arbeiten (Bergmann l 990) haben gezeigt, daß es in vitro und invivo möglich ist, randspaltfreie Kompositfüllungen zu legen, sofern derSchmelz leicht angeschrägt wird und eine diagonale Schichttechnik zurAnwendung kommt. Da inzwischen das Verschleißverhalten der Feinsthy-bridkompositmaterialen klinisch akzeptabel ist, spricht nichts dagegen,Klasse-l-Kavitäten mit Komposit zu füllen.

Klasse-II-Kompositfüllungen

Sobald Füllungen in den Approximalraum extendiert werden, wird dieVersorgung mit Komposit deutlich schwieriger. In-vitro-Untersuchungenvon Lutz, Krejci und Oldenburg (1986) haben gezeigt, daß man mit derUmhärfungstechnik (Schichttechnik) weitergehend randdichte Füllungen

__- _- . _... - - -_, - -,_, ... - -_1,-„_-,-.._-T._—u.-- -L— „.i-n.._-ni_-™-_i_-|-n_-i_ .- ' - = ' RBtJPPP _- .-,.__-._-L - -rr

Page 12: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Literatur

Bergmann P.:

Die okklusale Komposirfüllung.

Med Dent Diss, Berlin 1990

Berischinger C., Paul S,, Lüthy H., Schärer

P.: Dual application of rwo dentin bonding

agents. J Dent Res 75: 257, Abstr. No.

1919, 1996

Slunck U.:

Dsntinhaftmittel und Komponiere.

Quintessenz 47: 19-35, 1996a

ßiunck U.:

Hinweise zur praktischen Anwendung von

Komponieren und Kompositmaterialien in

Kombination mit Dentinhaftmitteln.

Quintessenz 47: 189-201, 1996b

Biunck U., Roulet j.-F.:

Kompositapplikation im Wandel.

Neue Gruppe Nachrichten 7/95: 5-8, 1995

Kunzelmann K.M., Krause f, Nickel R.:

Deminhaftung von Kompositfüllungen und

Keramikinlays in Klasse-ll-Kavitäten.

Dtsch Zahnärztl Z 43: 724-727, l 993

Lösche G.M.:

Kiasse-ll-Kompositfüilungen mit und ohne

konfektionierte Glaskeramik-lnserts.

Dfsch Zahnärztl Z 51: 389-394, 1996

Lutz F., Krejci i., Oldenburg T.R.:

Elimination of polymerization Stresses at

fhe margins of posterior composite resin

restaurations: A new restorative techni-

que.Quintessence Int 17: 777-784, 1986

Peters M.C.R.B., Roeters F.J.:

Clinical performance of a new compomer

restorative in pediatric dentistry.

j Dent Res 73: 1620, Absfr. No. 34, 1994

Peters T.C.R.B., Roefers J.J.M., Franken-

molen F.W.A.: Clinical evaluation of Dyract

in prirnary molars: 1-year resuits.

Amj Dent 9: 83-87, 1996

Rouietj.-F., Degrange M.:

Inlay restorations.

CDA Journal 24/9: 48-62. 1996

erzielen kann. Eigene Untersuchungen konnten dieses für große Restau-rationen nicht bestätigen, während Unterschungen von Lösche (1996)gezeigt haben, daß in kleinen Kavitäten tatsächlich weitestgehend rand-spaltfreie Kompositfüllungen erreicht werden. Dieser Zustand blieb auchnach 2 Jahren in vivo bestehen.Mehrere Arbeiten deuten darauf hin, daß direkt gelegte Kl-ll-Komposit-füllungen mit zervikaler Dentinbegrenzung, trotz des Einsatzes von Den-tinadhäsiven, nicht in allen Fällen zu dichten Füllungsrändern führen (Kun-zelmann, Krause und Hickel 1993).Aus diesem Grunde sollte man damit zur Zeit noch sehr zurückhaltendsein.

Zahnfarbene Inlays

Zur Versorgung größerer schmeizbegrenzter Kavitäten bieten sich zahn-farbene Inlays an. Hierzu eignen sich sowohl Keramik- als auch Kompo-sitinlays. Bei letzteren existiert das Problem des Komposit-Komposit-Ver-bundes. Zudem gibt es kaum Langzeitresultate. Keramikinlays sind kli-nisch gut dokumentiert. Außerdem ist der Komposit-Keramik-Verbund alsmikromechanische Verzahnung gut erforscht. Da dieser für den Erfolgeiner Adhäsivinlay-Versorgung essentiell ist, wird empfohlen, die Atzungder Keramik und die anschließende Silanisierung erst unmittelbar vor demEinsetzen des Inlays in der Praxis vorzunehmen (Roulet und Herder 1989,Roulet and Degrange 1996).Sind zervikal dentinbegrenzte Kavitäten zu versorgen, so liegt es nahe,konsequent Dentinhaftmittel einzusetzen. Allerdings gibt es hier ein Pro-blem. Zur Erzielung eines zuverlässigen Verbundes von Komposit mit Den-tin ist es notwendig, die Hybridschicht zu stabilisieren, indem der Ver-sieglervorstrich (Adhäsiv) polymerisiert wird. Wird so vorgegangen, läuftman Gefahr, daß sich paßgenaue Inlays, infolge Lakunenbildung desAdhäsivs, nicht mehr ganz in die Kavität einführen lassen und somit zuhoch sind. Als Kompromiß sollte in diesen Fällen auf die Aushärtung desAdhäsivs vor dem Einsetzen verzichtet werden. Unpublizierte Daten ausder Genfer Schule weisen aber darauf hin, daß dann kein dichter Ver-schluß der Dentinstufe erreicht wird. Somit muß man über ein alternati-ves Vorgehen nachdenken: Das Dentin wird nach der Präparation ver-siegelt. Vor der Abdrucknahme müssen dann allerdings die Schmelzrän-der nachfiniert werden. Da ein kompositimprägniertes Dentin jetzt vor-liegt, muß die Kavität vor der Herstellung des Provisoriums isoliert wer-den, da sich sonst das Provisorium (Komposit) mit dem Dentin verbindet.Vor dem definitiven Einsetzen muß dann das imprägnierte Dentin sehrsorgfältig mit Bimsstein gereinigt werden, und es muß eine erneute Appli-kation des Dentinhaftmittels erfolgen, ohne daß es vor dem Einsetzenpolymerisiert wird. In einer Studie von Bertschinger et al. (l 996) konntegezeigt werden, daß mit diesem Verfahren sogar höhere Haftkräfte gefun-den werden als bei der Kontrolle, in welcher keine Kontamination mitprovisorischen Zementen und keine Zweitapplikation vom Dentinhaftmit-telsystem erfolgt war.

Machbarkeit im deutschen Krankenversicherungssystem

Die Versorgung mit adhäsiven Techniken im Seitenzahnbereich ist zeit-aufwendig, schwierig und kompliziert. Es kann sich somit nicht um eineausreichende und wirtschaftliche Versorgung handeln. Daher läßt sie sichnicht zu den Bedingungen des deutschen Krankenversicherungssystemserbringen. Dieses wurde auch erkannt, indem außer bei absoluter Kon-

'. = „= GRUPPE

r

Page 13: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

traIndikation für Amalgam (erwiesene Allergie oder Niereninsuffizienz)zahnfarbene Adhäsiv-Versorgungen direkt mit dem Patienten abgerech-net werden dürfen. Hier sollten keine Kompromisse, sowohl in fachlicher(keine Abkürzungen und Vereinfachungen) als auch in finanzieller (keineKostendeckung) Hinsicht, eingegangen werden.

RouletJ.-F., HerderS.:

Seitenzahnversorgung mit adhäsiv befe-

stigten Keramikinlays.

Quintessenz, Berlin 1989

Dentin und Pulpa bilden eine biologische Einheit und das Trauma einerPräparation führt deshalb zwangsläufig zu einer Reaktion des Puipage-webes, denn artifiziell freigelegtes Dentin ist aufgrund der angeschnitte-nen Dentinkanälchen und verletzten Odontoblastenfortsätze als Wundeanzusehen.

Es gibt eine Vielzahl von Untersuchungen über die mögliche pulpaschä-digende Wirkung durch Präparation von Füllungskavitäten und Kronen-stümpfen: in vitro-Untersuchungen an Dentinpräparaten und extrahiertenZähnen sowie in vivo-Untersuchungen. Die meisten Publikationen stammenaus den fünfziger und sechziger Jahren, nachdem 1957 die Turbine indie Zahnheilkunde eingeführt wurde und die Entwicklung hoch- und höchst-touriger Präparationswerkzeuge eine stürmische Entwicklung erfuhr. Heutegibt es Turbinen mit besserer Druchzugskraft sowie hochübersetzte Win-kelstücke, so daß die Ergebnisse älterer Untersuchungen nicht mehr sorelevant sind.

Das traumatische Potential der modernen Präparationstechniken ist ohneZweifel größer als zu der Zeit der alten Bohrantriebe, der Stahlfräser undSchleifsteinchen:zum einen, weil die Präparationstechniken effizienter sind, die Präpara-tionen in kürzester Zeit durchgeführt werden können und somit Präpara-tionsfehler sich stärker auswirken; zum anderen weil diese modernenPräparationstechniken umfangreichere und kompliziertere Präparationenerlauben.

So hat auch die Zahl der nach Überkronung absterbenden Pulpen zuge-nommen. Bei Zähnen mit gegossenen Restaurationen wurde nach 5 - 1 0Jahren in 10 - 15% der Fälle Pulpanekrosen mit periapikalen Verände-rungen festgestellt. In einer Veröffentlichung wird behauptet, man könnegrundsätzlich davon ausgehen, daß überkronte bzw. mit Teilkronen restau-rierte Zähne nach Jahren zu etwa 10% avitale Pulpen aufweisen. Obdies auch für die Inlaytherapie zutrifft, ist noch nicht untersucht worden.

Ob und wie sehr eine Pulpa durch eine Präparation geschädigt werdenkann, hängt von zahlreichen Faktoren ab:

1. Präparafionstechnische Faktoren- Art des Antriebs: normal-, hoch- oder höchsttourig- Art, Form, Qualität und Abnutzungsgrad der rotierenden Präparat-

ionswerkzeuge: Werkzeugstahl- oder Hartmetallfräser, Diamantschleifer,Drillbohrer etc.

- Vorschubkraft bzw. Andruck- Art und Quantität der Kühlung: Luft- oder Spraykühlung- Präparationsform: Kavitäten- oder Kronenstumpfpräparation- Präparationsmethode: anhaltende oder intermittierende Arbeitsweise- Gesamtdauer der Präparation

Das Präparationstrauma

Auswirkungen derKavitätenpräparationauf die Pulpa

vonAlex Motsch

Göttingen

. VfL't QRUPPE .

Page 14: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

2. Schweregrad der Dentinwunde-- Dentinschicht über der Pulpa (Dentinwunde)- Zustand des Dentins: normales, atubuläres oder sekundäres Dentin

3. Qualität der Pulpa- biologisches Alter der Pulpa- Vorschädigung der Pulpa: traumatische Schädigung, materialbe-dingte physikalische oder toxische Vorschädigung, bakterielle Vor-schädigung

Es ist kaum möglich, in einer experimentellen Untersuchung alle dieseFaktoren zu berücksichtigen, und dementsprechend unterscheiden sichdie Untersuchungen der Literatur hinsichtlich des Versuchsaufbaus erheb-lich. Die Ergebnisse aus tierexperimentellen Untersuchungen dürfen nichtohne weiteres auf den menschlichen Zahn übertragen werden. Das glei-che gilt vor allem für Untersuchungen in vitro. In früheren histologischenUntersuchungen wurden auch Artefakte falsch interpretiert. Es ist deshalbnicht möglich, die verschiedenen Untersuchungen miteinander zu ver-gleichen und nicht verwunderlich, daß unterschiedliche Ergebnisse zuverzeichnen sind. Bei vielen Untersuchungen wurde auch die Möglich-keit einer zusätzlichen Schädigung der Pulpa durch Verschlußmateriali-en bzw. bei nicht abgedeckter Dentinfläche durch Mundflüssigkeit (Mikro-organismen) nicht berücksichtigt (Langeland, 1957).

Allgemein wird die durch die Präparationen am Dentin entstehende Rei-bungshitze als wichtigste Ursache pathologischer Veränderungen in derPulpa angesehen. So stellen sich die Fragen: welche Hitzegrade könneneinerseits an der Dentinschnittfläche und dementsprechend andererseitsim peripheren Pulpagewebe auftreten, und welche Hitzegrade werdenvon der Pulpa toleriert, bzw. ab welcher Temperatur wird die Pulpa irre-parabel geschädigt?

Aus der allgemeinen Pathologie wissen wir, daß eine Hitzeapplikationvon über 50=C in ungeschütztem Gewebe eine Proteindenaturierung undeine Koagulationsnekrose verursacht. Die Frage, welche Temperaturer-höhung die Pulpa noch toleriert, wird unterschiedlich beantwortet: Schonbei Temperaturen über 39°C sollen erste histologische Veränderungenauftreten. Bei Temperaturen über 40°C wurden in der Pulpa Gefäßdila-tationen, Senkung der Biutströmungsgeschwindigkeit, Aggregationen undThrombosen festgestellt. Wird die periphere Pulpa auf über 45°C erwärmt,so entstehen durch Eiweißfällung und Nekrosen irreversible Zell- undGewebsschäden. Die Angaben über die beim Bohren und Schleifen ander Dentinschnittfläche entstehenden Temperaturen schwanken von 135°Cbis nur 3°C. In mikroskopisch kleinen Bereichen wurden jedoch auch Tem-peraturen von 700 - 900°C gemessen. Derart hohe Temperaturspitzensollen vor allem in scharf präparierten Kavitätenwinkeln zustande kom-men. Neben der Art und Größe des rotierenden Werkzeugs und nebender Drehzahl, dem Anpreßdruck und der Qualität der Kühlung, hängtdie Hitzeentwicklung vor allem ab vom Abnutzungsgrad des Werkzeugs.Welche Temperaturänderungen aufgrund der Reibungshitze an den Den-tinschnittflächen im peripheren Pulpagewebe, bzw. am Pulpadach auf-treten, konnte bislang nur an extrahierten Zähnen gemessen werden.Selbst bei schweren Dentinverbrennungen wurde ein intrapulpaler Tem-peraturanstieg von nur 1-4°C gemessen. Die äußerst geringe Wärme-leitfähigkeit des Dentins von 0,6 W/mk erklärt die erstnimlich geringen

-r

Page 15: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Temperaturänderungen in der Pulpa. Erst bei starker Vorschubkraft undohne Wasserkühlung entstehen in der Pulpa Temperaturen u, U. über100°C. Bei guter Wasserspraykühlung wurde am Pulpadach sogar einTemperaturabfall von -6DC gemessen. Wird die Messung nicht bei Zim-mertemperatur, sondern bei einer Erwärmung des Zahnes auf 34°C durch-geführt, so sinkt bei Wasser- und Luftkühlung die Temperatur am Pulpadachsogar auf 29°C ab. Auch eine intermittierende Arbeitsweise führt eherzu einer Temperaturabsenkung. Eine starke Absaugung bewirkt unterUmständen eine zu starke Kühlung, so daß in der Pulpa ein Temperatur-sturz um 6°C ausgelöst wird.

Mir ist nur eine Arbeit bekannt, die sich mit Temperaturänderungen amPulpadach bei der Präparation von Inlays und Teilkronen befaßt (Eifingeru. Schulz, 1979): Die Präparation mit Diamantschleifern in der Turbineführte zu Beginn der Präparationen zu einer Abkühlung um 2°C (ver-mutlich durch Verdunstungskälte des Sprays), bei fortschreitend tiefererPräparation zu einem Anstieg um 6,5°C (vermutlich wegen Abprallendes Kühlwassersstrahls) und nach Absetzen des Schleifers nochmals zueinem Anstieg um 0,5°C (vermutlich wegen Fortfall der Kühlung und feh-lendem Abtransport nassen Materials). Beim Versenken des Schleifers imapproximalen Kasten, also bei der Präparation hauptsächlich mit derStirnseite des Schleifers, kam es jedoch zu einem Temperaturanstieg von13,9°C (Kühlwasser gelangt nicht an den Ort der Präparation). BeimBohren eines Stiftkanals ohne Wasserkühlung kam es zu einem Tempe-raturanstieg um l 3°C und nach Absetzen des Bohrers nochmals zusätz-lich zu einem Anstieg um 3,3°C. Die Autoren empfehlen deshalb, Drill-bohrer unbedingt mit Wasserkühlung einzusetzen.

Von einigen Autoren wird auch behauptet, eine Erhöhung der Vorschub-kraft würde in der Pulpa eine Temperaturzunahme bewirken und zu einerPulpaschädigung führen. Dies konnte von anderer Seite nicht bestätigtwerden, da auch bei größerer Vorschubkraft der Temperaturanstieg inder Pulpa nur geringfügig ist. Bei guter Kühlung soll bei einer Präparati-on mit der Turbine und dem Mikromotor auch bei größerer Voschubkraftund höherer Schnittgeschwindigkeit kein unphysiologischer Temperatur-anstieg in der Pulpa auftreten.

Die Dauer der Präparation spielt kaum eine Rolle, wenn die Kühlung gutund die Vorschubkraft nicht zu stark ist. In einem in-vivo-Experiment wur-den sogar 150°C über 30 Sek. lang auf einen nur 0,5 mm dicken Kavitä-tenboden appliziert und es gab nur einen reversiblen Pulpaschaden.

Die nach Kavitäten- und Kronenpräparationen festgestellten pathologi-schen Veränderungen in der Pulpa sind also offensichtlich nicht direkt aufthermische Reize zurückzuführen.

Das Fehlen einer kritischen Temperaturerhöhung in der Pulpa ist jedochkein Kriterium für die Unschädlichkeit einer Präparation. Da nach Kavitä-ten- und Kronenstumpfpräparationen erhebliche, ja sogar irreversible Pul-paschäden auftreten können, müssen andere Ursachen in Frage kommen.

Es wird vermutet, bei hoch- und höchsttouriger Präparation würden Ultra-schallwellen auftreten und die Pulpa schädigen. Dies wurde jedoch vonanderen Autoren widerlegt. Es sollen höchstens Oberschwingungen mitUltraschallfrequenzen auftreten. Pulpaschäden gegenüber dem präpa-rierten Dentinbereich wurden als sog. "rebound response" auf Ultraschall-

•,?_£ GRUPPE.W

Page 16: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

wellen zurückgeführt. Diese Erscheinungen wurden jedoch als histologi-sche Artefakte erkannt. Auch stärkere Vibrationen der rotierenden Präpa-rationswerkzeuge sollen keine Rolle spielen.

Als weitere Ursache präparationsbedingter Pulpaschädigungen werdentoxische Verbrennungsprodukte, die über die Dentinkanälchen von derstark erhitzten Schnittfläche in die Pulpa gelangen, diskutiert. In diesemZusammenhang können auch Eiweißzerfallsprodukte der zerstörten Odon-toblastenfortsätze die Pulpa toxisch schädigen. Von anderer Seite wirdvermutet, daß im Bereich der angeschnittenen Dentinkanälchen eineStörung der Isoionie und der Isotonie eine Rolle spielt. Aus dieser Sichtwürden hohe Temperaturen an der Dentinschnittfläche die Pulpa zwarnicht direkt, jedoch indirekt über die angeschnittenen Dentinkanälchenschädigen können.

Mit Sicherheit führt eine stärkere Austrocknung des Dentins zu einer Pul-paschädigung. Einige Autoren vertreten sogar die Meinung, die Aus-trocknung sei hauptverantwortlich für die beobachteten z. T. schwerenPulpaschäden. Durch Austrocknung der präparierten Dentinoberflächewird peripher die Flüssigkeit in den Dentinkanälchen verdampft, durchkapillare Kräfte wird die Flüssigkeit aus der Pulpa nachgesaugt und diedarunterliegenden Odontoblasten werden derart traumatisch geschädigt,daß die Zellkerne in die Dentinkanälchen aspiriert werden können. Damitkönnen auch die schwerwiegenderen Pulpaschäden nach trockener Präpa-ration, reiner Luftkühlung oder mangelhafter Wasserspraykühlung erklärtwerden. Eine starke Austrocknung des Dentins durch die modernen Suk-toren, vor allem unter Lokalanästhesie, kann ebenfalls nicht ausgeschlossenwerden. Eine zu starke Absaugung kann auch zu Deflektion des Was-sersprays führen und einen warnenden Brandgeruch unterdrücken.

Die Ergebnisse histologischer Untersuchungen sind aufgrund der o. g.zahlreichen Faktoren und unterschiedlicher experimenteller Bedingungennicht einheitlich. Ohne Zweifel ist K. Langeland (1957, 1959, 1960,1961) der kompetenteste Autor, der über langjährige experimentelle undhistologische Erfahrungen verfügt. Als zweiter wichtiger Autor sei hier W.T. Klötzer (1980, 1984) genannt, der längere Zeit bei Langeland in denUSA auf diesem Gebiet arbeitete. Diese Autoren stellten bei ihren histo-logischen Untersuchungen nach rigoroser Präparation, bzw. fehlenderSpraykühlung in der Pulpa folgende Reaktionen fest:

1. Kurzzeitreaktionen bzw. Sofortreaktionen

Nach l Stunde: Verfärbung des Kavitätenbodens durch Dentinverbren-nungen, Zerstörung von Odontoblasten und Verlagerung von Odonto-blastenkernen in die Dentinkanälchen, Hämorrhagie mit Verlagerung vonErythozyten in die Dentinkanälchen und Hyperämie. Nach 3 Stunden:Zusätzlich Auftreten von Leukozyten inner- und außerhalb der Gefäße imBereich des Odontoblastensaumes. Nach 5 - 7 Tagen: zusätzlich Hohl-räume in der Pulpa als Zeichen einer Verflüssigung von Gewebe undÜbergang zu Abszeßbildungen.

2. Langzeitreaktionen

Die in die Dentinkanälchen verlagerten Odontoblastenkerne und Erythro-zyten sind verschwunden; entzündliche Reaktion, gekennzeichnet durchLeukozyten, Lymphozyten, Plasmazellen und Makrophagen; unregelmäßiggeformtes Rei denfin; eine reduzierte zellarme Odontoblastenschicht weist

:,=-•; GRUPPEr

Page 17: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

auf eine relative Ausheilung hin.

Bei starkem Präparationstrauma: keinerlei Reizdentinbildung, nekrobio-tisch veränderte Pulpa, "dead tracts" im Dentin; über eine chronische Ent-zündung kann die Pulpa absterben.

Erklärung der einzelnen Erscheinungen in der Pulpa

Eine Verlagerung von Odontoblastenkernen in die Dentinkanälchen wurdeerstmalig 1941 von Orban beschrieben. Er führte dieses Phänomen aufeine extreme mechanische Beanspruchung des Zahnes durch die Extrak-tionszange zurück. So könnte in manchen Untersuchungen die Verlage-rung von Odontoblastenkernen in die Dentinkanälchen wie auch Hämorr-hagien nicht durch die Präparation, sondern durch ein Extraktionstrau-ma entstanden sein. Eine Verlagerung von Odontoblastenkernen kannaber auch stattfinden, wenn der Versuchszahn erst nach der Extraktionbeschliffen wird. Als Hauptursache wird das Austrocknen des Dentins ander Oberfläche angesehen.

Die meisten Autoren stellten fest, daß diese Odontoblastenkernverlage-rungen im Prädentin und im ersten mineralsisierten Dentinbereich direktunterhalb der Dentinschnittflächen stattfinden. Es sollen aber auch auf derGegenseite der präparierten Kavität Odontoblastenkerne im Dentin gefun-den worden sein, wobei diese Zellkernverlagerung erst später durch erhöh-ten Gewebsdruck im Zusammenhang mit einer Hyperämie zustandegekommen sein soll. Langeland (1957) stellte jedoch fest, eine Odonto-blastenkernverlagerung in die Dentinkanälchen würde innerhalb von2 sec. stattfinden, deshalb können die Kerne nicht durch einen erhöhtenGewebsdruck in Folge einer Pulpaentzündung in die Dentinkanälchen"gepreßt" worden sein. Brännström (1960) behauptet, die Kernaspirati-on würde rein hydromechanisch durch starken Wasserverlust und übererhebliche Kapillarkräfte im Bereich der angeschnittenen Dentinkanäl-chen Zustandekommen. Legt man diesen hydromechanischen Pumpeffektzugrunde, so sollte man eher von einer "Odontoblastenkernaspiration"sprechen. Aufgrund seiner zahlreichen experimentellen Untersuchungenkommt Langeland zu der Erkenntnis, daß die Pulpa keine Schäden auf-weist, wenn keine Odontoblastenkerne in die Dentinkanälchen verlagertsind, bzw. eine Entzündung nur auftreten kann, wenn diese Kernverla-gerung initial stattgefunden hat.Eine Hämorrhagie unterhalb des präparierten Dentins ist nach Meinungvieler Autoren ein Kriterium für eine Sofortreaktion der Pulpa nach Kavitä-tenpräparation. Die Verlagerung von Erythrozyten in die Dentinkanäl-chen soll zum Teil sogar häufiger vorkommen, als die Verlagerung vonOdontoblastenkernen.

Langeland (1 961) teilt die klinische Relevanz einer Pulpaschädigungdurch Präparation folgendermaßen ein:1. Harmlos, wenn nur wenige Odontoblastenkerne in die Dentinkanäl-

chen verlagert sind2. Reversibler Pulpaschaden, wenn zahlreiche Odontoblastenkerne ver-

lagert sind3. Klinisch schwerwiegend, wenn zahlreiche Odontoblasten und Erythro-

zyten in die Dentinkanälchen verlagert sind4. Schwererer Pulpaschaden, wenn zusätzlich eine Entzündung auftritt.

Im allgemeinen sind jedoch alle diese Pulpaschäden reversibel, d.h. diePulpa kann "klinisch" ausheilen, efn© restifuHo ad infegrum yibf es Jedoch

Page 18: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

nicht mehr. Mit einer Reizdentinbildung, die sich als Irregulärdentin mani-festiert, ist vor Ablauf von 4-6 Wochen nicht zu rechnen, wobei allerdingsdie Rolle des jeweiligen Füllungsmaterials, bzw. der jeweiligen Behand-lung der Dentinwunde vor der Extraktion des Zahnes nicht geklärt ist.

Sämtliche Autoren sind sich einig, daß Pulpaschäden weitgehend ver-mieden werden können, wenn eine optimale Kühlung mit Wassersprayeingesetzt wird. Die Wasserspraykühlung wird schon ab 300 U/min.(Langeland, 1961) gefordert. Bei trockener Präparation wird generellzuviel Hitze erzeugt. Bohrer, Fräser und Schleifer verschmieren sehr rasch,wodurch die Hitzeentwicklung noch gesteigert wird. Bei einer optimalenWasserspraykühlung ist es tatsächlich möglich, Kavitäten und Kronen-stümpfe zu präparieren, ohne die Pulpa zu schädigen (Langeland, 1957,1967). Die Wasserspraymenge sollte allerdings ca. 50 ml/min, betra-gen, denn unter 30 ml/min, ist die Gefahr einer Hitzeentwicklung größer.Untersuchungen in zahnärztlichen Praxen zeigten jedoch, daß die Spray-wassermenge meistens unter 50 ml/min, liegt, zum Teil sogar unter 30ml/min. Die günstigste Temperatur für den Wassersray liegt bei 27°C,sie soll aber auch nicht über 30°C liegen. Schnellaufwinkelstücke mit nureiner Spraydüse können heute nicht mehr akzeptiert werden. Beim Ein-düsenspraysystem können am Dentin trotz einer Kühlwassermenge von50.ml/min. Temperaturen von über 100°C auftreten. Heute verfügen wirüber Dreidüsenspraysysteme für Turbinen und Schnellaufwinkelstücke,außerdem wurden die Spraysysteme so modifiziert, daß das rotierendeWerkzeug besser benetzt wird. Bei einer effizienten Spraykühlung steigtauch bei größerer Vorschubkraft die Temperatur nur leicht an. Besonderswichtig ist die exakte Ausrichtung der Spraystrahlen, was sogar wichti-ger sein soll, als die Wasserspraymenge (Langeland, 1961). Hierzu wurdefestgestellt, daß bei Turbinen die Ausrichtung der Spraywasserstrahlenweit häufiger fehlerhaft ist, als bei Schnellaufwinkelstücken. Bei der Präpa-ration von Kavitäten kann der Wasserspray am Kavitätenrand abprallen,so daß vor Ort das rotierende Präparationswerkzeug weitgehend ungekühltarbeitet. Wird das Absaugrohr zu dicht an den Turbinen- bzw. Winkel-stückkopf geführt, können die Spraystrahlen direkt zur Saugöffnung abge-lenkt werden. Es wird deshalb empfohlen, die Öffnung des Saugersgrundsätzlich im Sprayschatten zu führen. Bei umfangreichen Präpara-tionen sollte die Helferin zusätzlich mit dem Sprayhandstück von derGegenseite kühlen. Zu lange oder zu kurze Diamantschleifer werden nichtoder nur teilweise vom Kühlstrahl getroffen, so daß die Puipa traumati-siert werden kann. Auch große Schleifkörper behindern die Kühlung derPräparationsfläche.

In v/eichen Fällen kann trotz optimaler Wasserkühlung diePulpa geschädigt werden ?

Viele Autoren sind der Meinung, daß die verbleibende Dentinschicht überder Pulpa eine große Rolle spielt und bei tiefen Kavitäten Veränderungenin der Pulpa gravierender sind. Langeland (1961) stellte jedoch bei tie-fen Kavitäten nur sehr geringfügige Pulpareaktionen fest und Klötzer(l 984) ist der Meinung, daß bei einer restlichen Dentinschicht von 2 mmund mehr auch bei einer traumatischen Kronenpräparation kaum Pulpa-reaktionen auftreten würden. Interessant ist in diesem Zusammenhang dieBeobachtung von Massler (1959), der feststellte, daß im Bereich schar-fer Kavitätenwinkel die Pulpa stärkere Schädigungen aufweisen kann alsgegenüber der Mitte des Kavitätenbodens. Er vermutet, dies könne auchnach der Anwendung von Handinstrumenten zur Präparation scharferWinkof der Fall sein. Bislang wurden hierzu jedoch noch keine speziel-

Page 19: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

len Untersuchungen durchgeführt.

Umstritten ist auch die Frage, ob bei Präparationen im höchsttourigenBereich schwerere Pulpaschäden auftreten können. Dies soll nur bei sehrhohen Drehzahlen der Fall sein. Vor allem die Präparation mit der Tur-bine gilt zum Teil als problematisch, was von anderer Seite wiederumbestritten wird. Bei sachgemäßer Anwendung konnten nach Präparationmit der Turbine gegenüber langsam laufenden Instrumenten weder kli-nisch noch tierexperimentell stärkere Pulpareaktionen nachgewiesen wer-den. Es gibt somit keine gesichert experimentelle Basis, um im Hinblickauf das Pulpatrauma nur den Mikromotor und nicht auch die Turbine anzu-wenden. Dennoch lehnen wir die Präparation mit der Turbine ab: Auf-grund der höchsttourigen Drehzahl, die bei der Turbine während derPräparation zwischenzeitlich nicht schnell genug reduziert werden kann,besteht die Gefahr, daß unkontrolliert stellenweise zuviel Hartsubstanzabgetragen wird. Vor allem in der Gußfüllungstechnik, bei der sehr prä-zise intrakoronale Präparationen erforderlich sind, ist eine kontrollierteund genaue Führung des Präparationswerkzeugs sowie die Möglichkeiteiner schnellen Änderung der Drehzahl und des Andrucks außerordent-lieh wichtig.

Faßt man die Ergebnisse der zahlreichen Untersuchungen zusammen, sosind gravierende Pulpaschäden durch eine Kavitäten- oder Kronen-stumpfpräparation nicht zu erwarten. Von den eingangs genannten Fak-toren ist ein Faktor alleine für den Schweregrad einer Pulpaschädigungnicht verantwortlich zu machen. Höchstwahrscheinlich ist neben der Aus-trocknung des Dentins eine große Reibungshitze an der Dentinschnitt-fläche, wenn auch nicht direkt, so doch indirekt als eine der gravierend-sten Ursachen einzustufen. Damit kann der gemeinsame Nenner allerAutoren am plausibelsten erklärt werden: Bei optimaler Wasserspray-kühlung verursacht die Präparation keine Traumatisierung der Pulpa, diefür eine irreversible Gewebsschädigung verantwortlich gemacht werdenkann. Eine "restitutio ad integrum" ist allerdings micht mehr möglich, imallgemeinen bleibt die Pulpa jedoch vital und wir können von einer "kli-nischen Ausheilung" sprechen. Die Reaktionen einer Pulpa auf Reize jeg-licher Art sind nicht nur individuell verschieden, sondern auch bei denverschiedenen Zähnen in ein und demselben Gebiß. Die Art der Präpa-ration ist entscheidend: Kronen- oder Kavitätenpräparationen. Bei einerKavitätenpräparation können die Reaktionen schwerwiegender sein. Eswurde aber auch festgestellt, daß selbst bei bewußt traumatischer Präpa-ration (trocken) die Pulpa sich wieder relativ gut erholen kann. Allerdingskönnen nach traumatischer Präparation auch Narbenbildungen und loka-lisiert fibröse Veränderungen sowie dystrophische Verkalkungen auftre-ten.

Eine schwerere, wenn auch zunächst reversible Veränderung des Pulpa-gewebes nach Präparation bedeutet für die Pulpa jedoch eine Vorschä-digung, so daß nachfolgende massive Irritationen eher zum Pulpatodführen können. Selbst bei schonendster Präparation sind gewisse Reak-tionen, wie Zerstörung von Odontoblasten und Verlagerung von Odon-toblastenkernen in die Dentinkanälchen sowie eine leichte Hyperämie,unter Umständen sogar eine Hämorrhagie mit Verlagerung von Erythro-zyten in die Dentinkanälchen offensichtlich kaum zu vermeiden.

Um schwerere Puipaschäden zu vermeiden, müssen folgende Maßnah-men beachtet werden:

. '.£;,£ GRUPPE .r

Page 20: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

- Intermittierendes Schleifen und Fräsen mit möglichst geringer Anpreß-kraft unter Beachtung der empfohlenen Drehzahlbereiche.

- Reichlich eingestellter Wasserspray (Wasser-Luft-Gemisch): Bei Dreh-zahlen ab 6.000 U/min, ist eine Mindestwassermenge von 50 ml/min,mit einer Temperatur von 27°C erforderlich.

- Der Wasserspray darf durch die Absaugung nicht abgelenkt werden.

- Äußerst vorsichtige Präparation in tiefen Kavitätenbereichen, denn dieAbschattung eines oder mehrerer Spraystrahlen durch eine Kavitäten-wand bewirkt vor Ort eine quasi trockene Präparation.

- Lange Instrumente, z.B. FG über die Standardlänge von 19 mm hinaus,werden an der Spitze nicht ausreichend gekühlt. In diesem Falle müs-sen die Drehzahl und die Anpreßkraft noch stärker reduziert werden.

- Keine abgenutzten, stumpfen Werkeuge verwenden.

Literatur kann beim Verfasser angefordert werden.

Qualitätsmanagementund Zertifizierung in derzahnärztlichen Praxis

vonWalter Schneider

Böblingen

Toto! Qualily Management (TOM), Qua-

iirätsmancgementsysteme und deren Zer-

tifizierung nach ISO 9000 sind in allen

Bereichen der Wirtschaft hochaktuell.

Zunehmend werden sie auch auf den Medi-

zinbereich ausgedehnt. Bei den Augenärz-

ten schon seit drei jähren eingeführt, haben

die ersten elf zahnärztlichen Praxen, alle-

samt Mitglieder der PZVD, nach ISO 9002

zertifiziert. Mehrere Mitglieder der Neuen

Gruppe sind derzeit in der Vorberei-

tungsphose der Zertifizierung.

Total Qualify Management (TQM)

Waren früher die Begriffe „Made in Germany" und „Qualität" gleich-bedeutend, mußten viele industrielle Anbieter teilweise schmerzlich erken-nen, daß es vorzugsweise japanische Mitbewerber waren, die qualita-tiv bessere Produkte zu geringeren Kosten anboten. Die Methoden unddie Strategien, mit denen es gelingen konnte, Kosten, Zeit und Qualitätzu entkoppeln, werden üblicherweise unter den Begriffen „Lean-Mana-gement" und „Total Quality Management" zusammengefasst. EssentielleBestandteile der TQM-Philosophie für Zahnärzte sind die Prinzipien Pati-entenorientierung, Mitarbeiterorientierung und Prozeßorientierung.

Patientenorientierung bedeutet, daß die Bedürfnisse und Erwartungenunserer Patienten in den Mittelpunkt gestellt werden. Qualität wird somitprimär durch die Zufriedenheit unserer Patienten und erst in zweiter Liniedurch technische Eigenschaften unseres zahnärztlichen Handelns geprägt.Aber - dies immer in Einklang mit dem Wertesystem der Praxis, der Pra-xisphilosophie, die für das TQM von zentraler Bedeutung ist.

Mitarbeiterorientierung bedeutet, daß die Potentiale jedes einzelnen Mit-arbeiters voll ausgeschöpft werden, ja, unserere Mitarbeiter werden zueigenständigem unternehmerischen Handeln qualifiziert und autorisiertund tragen in viel höherem Maße Verantwortung für die Qualität ihrerArbeit.

Prozeßorientierung bedeutet, daß das Qualitätsmanagement sich auf die-sen Prozeß (Arbeitsvorbereitung) von zahnärztlichen Behandlungsmaß-nahmen konzentriert, und darauf achtet, Fehler bereits im Vorfeld aus-zuschalten, anstatt die Qualität später durch teure Nachbesserungensicherzustellen.

'.£_ = GRUPPEr

Page 21: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

ISO 9000

l 987 wurde die internationale Normreihe ISO 9000 ff. herausgegeben,der sich mittlerweile 72 Länder angeschlossen haben. Die Normenreihebeschreibt die Elemente eines Qualitätsmanagementsystems und ermöglichteiner Praxis die Erlangung eines Zertifikates, mit dem die normgerechte Funk-tionsweise des Systems bestätigt wird. Die Praxis kann dieses Zertifikatdadurch erlangen, indem sie eine akkreditierte, unabhängige Zertifizie-rungsgesellschaft beauftragt, das Qualitätsmanagementsystem durch einAuditzu beurteilen. Das Zertifikat wird für einen bestimmten Zeitraum erteilt.Die ISO Normreihe schreibt zwingend ein Handbuch vor, indem diese Abläu-fe, Voraussetzungen niedergelegt sind. Jedermann, auch die Patientenhaben ein Recht darauf, Einsicht zu nehmen, um sich über die Einhaltungder Norm zu informieren.

Noch hat die Qualitätsdiskussion die Praxen nicht erreicht. Zwar war auchder Begriff „Qualität zahnärztlicher Leistungen" schon lange thematisiert,doch außer theoretischen Ansätzen gab es keine praktische Umsetzung.Einig waren sich alle zahnärztlichen Gruppierungen, daß es keinen "Kil-Royis watching you" -Effekt geben dürfte, indem ein Qualitätsbeauftragter irgend-einer Stelle die Produktqualität am Behandlungsstuhl überprüft. Das fällt ein-deutig in den Bereich der Praxisphilosophie!

Es ist die Chance für die zahnärztliche Praxis: Die prozeß-, mitarbeiter-, undvor allem kundenorientierten Konzepte des Total Quality Management bie-ten sich in idealer Weise an, um sich im Dienstleistungsbereich die kunden-und qualitätsrelevanten Geschäftsvorfälle bewußt zu machen und auch zuoptimieren.

Qualität ist Methode

Der Rahmen für den Qualitätsansatz zahnärztlicher Praxen setzt sich zusam-men aus:

den personellen Voraussetzungen: Qualifikation und Schulung führen zueiner höhren Qualitätsverantwortung. Der Motivationsgrad der Mitarbeitersteigt und führt zu einer höheren Identifikation mit der Praxis. Das Resultatist: Größeres Engagement, bessere Kommunikation untereinander, gutesBetriebsklima, höhere Leistungsbereitschaft.

den organisatorischen Voraussetzungen: Klare, schriftlich fixierte Definitionder Vorgehensweise, der Abläufe, der Durchführung und der Überprüfungder Aufgaben. Werden die Verantwortlichkeiten und die Kompetenzen fest-gelegt, gibt es auch keine Probleme mehr bei Ausfall durch Krankheit etc.

den technischen Voraussetzungen: Die Methodik, die Technik und die Werk-zeuge, die zum Erfolg und damit zur Produktqualität führen, sind eindeutigfestgelegt. Ob es sich um adäquate Behandlungsmittel oder um die organi-satorische Ausstattung der Praxis mit EDV handelt- eine Festlegung, die letzt-endlich zur Kosteneinsparung und damit zu einer besseren betriebswirt-schaftlichen Rechnung führen, sind der Lohn!

Die ISO 9000 Zertifizierung gibt den Praxen zum ersten Male die Mög-lichkeit, eigendefiniert den Weg zu einer ordentlichen Produktqualität auf-zuzeigen, indem es die Prozeßqualität beschreibt.

Ein Weg der sich lohnt!

= - ; G U P Pr

Page 22: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Gerald M. Bowers StudyClubBaltimore 29.4. - 3.5.96

vonEckbert Schulz

Hannover

Wie schon von Hans Henning Ohlrogge in den letzten NEUE GRUPPENachrichten angekündigt, wurde wieder ein Blick über den Zaun gewagt-diesmal nach Baltimore. Hans Hennings Gespür für Neues und Innova-tives ließ ihn nicht im Stich und so organisierte er einen Fortbildungskursvon hervorragender Qualität bei dem Baltimore Bowers Study Club. Wir,d.h. 12 Freunde der NEUE GRUPPE, konnten einen Kurs ganz beson-derer Art erleben.

Zum einen war da die ungemein freundliche, ja fast familiäre Atmo-sphäre, beginnend mit einem „Welcome-Barbeque".Dort wurden bereits Bekanntschaften geschlossen und vertieft, spezielldie Damen konnten davon profitieren, wurde doch fast täglich ein Dqmen-programm von den amerikanischen Kollegenfrauen organisiert. Über-haupt war das private Engagement der Amerikaner unglaublich hoch,wo es doch nach deren Aussagen in ihren eigenen Kreisen nicht unum-stritten war, speziell Deutsche einzuladen.Die Betreuung ihrer Gäste ließen sich die amerikanischen Kollegen auchabends nicht nehmen, ob beim Italiener, der ein Österreicher war oderim Künstlerlokal am Hafen, bis zum letzten Abend suchten sie Kontakt mituns zu halten, waren interessiert an fachlichen wie an privaten Dingen.Die freundliche, aufgeschlossene Umgangsweise war überwältigend. Bal-timore liegt eben doch südlicher als Swamscott.

Zum anderen waren die wissenschaftlichen Vorträge, speziell der vonBowers, didaktisch hervorragend aufgebaut und wissenschaftlich gutdurchdacht und belegt, ein Highlight des gesamten Programmes. Daswichtigste für Bowers sind voraussagbare Ergebnisse, die er mit bonegraft und Folien (Gore-Tex) erreicht, wenn klinisch sauber und exakt gear-beitet wird (lockere Membran ist tote Membran).

Wichtig für ihn sind die Anwendung von Citronensäure, um den smearLayer zu entfernen. Das Procedere wurde im einzelnen Step by Step vor-

gestellt, eine Demonstration fachlicher Kompe-tenz. Ein anderer Vortragender, Paul Rosen,überraschte uns mit einem neuen Verfahren derAllograft-Stabilisation. Mit Calcium-Suifar, dasnachgewiesenermaßen Zellen zu Osteoblastendifferenzieren soll, wird der freeze-dried bonevermischt und auch anstelle von Folie damitabgedeckt. Seine gezeigten klinischen Ergeb-nisse waren beeindruckend.John Bruno brillierte mit einem Vortrag über Bin-degewebstransplantate, zwar etwas schnell undItaloenglisch, aber nicht minder interessant.Wichtig für ihn sind die Entnahme des Trans-plantates immer mit Periost, dieses wird dann

in den Spiit-flap der Empfängerseite geschoben, das nicht mit Vertical-schnitten und Periostschlitzung geschwächt wird.

Eine weitere besondere Note erhielt der Aufenthalt durch die Life- Ope-rationen in den Praxen von Barbara Lesko, Feldman und Sachs. Es wur-den Weichgewebsmanagement, Defektdeckung mit DFDB- Knochen undFolie oder die Anwendung des neuen Calciumsulfates gezeigt, ebensowie die Insertion von Implantaten mit Augmentation, eine Sinus- Elevati-on herkömmlicher Art und als Neu-Creafion ein Sinus-Lift durch das Bohr-loch des Implantatbettes. Man kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Page 23: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Erfrischend und zugleich beruhigend war zu sehen, daß die Operateu-re sich nicht immer in ein Schema stecken ließen, über einige Vor- undNachteile konstruktiv diskutierten und im Prinzip alltägliche Praxispro-bleme haben, wie wir auch. Diese Mischung von hochrangigem Hand-werk, durch das wir uns auch bestätigt fühlten und dieser familiären Atmos-phäre war für uns ein denkwürdiges Erlebnis, es sollte wiederholt wer-den.

Unser Dank gilt außer den vorgenannten Kollegen auch den amerikani-schen Organisateuren Sindler und Zeren ebenso wie unserem Chefpla-ner Hans-Henning Ohlrogge.

Für die Mitglieder der NEUE GRUPPE ist es eine normale Übung, in die Bill Becker und BurtonStaaten zu fliegen, um Neues oder vielleicht nur Anderes zu sehen oder Becker Tucson/Arizonakennenzulernen: diese Mal war es die Praxis der beiden Brüder Bill und 29.9. - 6.10.96Burton Becker in Arizona.

Die Zusammensetzung der Reisegruppe war nicht nur sehr „professoral"mit Lavin Flores de Jacoby, Ralf Mutschelknauß und Peter Fuchs, sondernbrachte auch geballte parodontologische Kraft mit (Heinz Erpstein mußteleider absagen). Alle sehr amerika-erfahren, wenn auch Axel Bauer hiernicht zu schlagen war, der in Begleitung von Ralf Mutschelknauß und PitBeyer per Motor-Home (mittleres fahrbares Einfamilienhaus) von L.A. anrei-ste und die Harley quasi per Handgepäck sprich Anhänger mitführte.Uli Englert, Jörg Mutschelknauss, Jürgen Bretthauer „and myself" warenauch mit von der Partie, ohne die kleine Gruppe der begleitenden Damendabei zu vergessen.

Tucson ist eine Stadt in der Wüste - eigentlich ohne große Attraktionen-,sieht man von Desert und Flugzeugmuseum einmal ab. Aber es hat den-noch etwas aus 9 Grad Celsius in ein Wüstenklima mit 35 Grad und 360Tage Sonne mit strahlend blauem Himmel zu fliegen. Ansonsten überallWildwest-Szenerie mit Siedler- und Cowboy-Romantik in der Umgebung,

Ä die in „Tombstone" so richtig rüberkommt, wenn Wyatt Earp täglich mehr-mals vor den leuchtenden Augen der Touristen erschossen wird, um an-schließend im Western-Saloon das dünne amerikanische Bier („close toWater") zu genießen.

Wer richtig Cowboy spielen will, muß allerdings wie Bill Becker einmalim Jahr auf eine Ranch gehen, um die Kindheitsträume vom „horse-riding"richtig wach werden zu lassen.

So hatten wir wenig Ablenkung von den Implants und Periodontology ala Bill und Burton Becker- ein US-Chirurgen-Team, das große Erfahrungvorweisen konnte.

Überraschend für uns: Kaum Membrantechniken und Augmentationen, keinegefriergetrockneten Knochen („l went in and l went out") und keine Sinusbo-denelevationen. Die Boston-Fahrer waren da anderes gewöhnt.Neu für uns: Die Branemarks wurden nicht submerged eingebracht, sondernoffene Einheilung mittels direkter Anbringung der Heilungskappen. Interessantzusehen, wie gut es funktionierte.Gewohnt für uns: Flap-Design mit Apikalem Verschiebelappen und palatinalen

vonNorbert Grosse

Frankfurt

. Y5- 5 GRUPPE.

Page 24: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Split-Flap mit viel Knochenmodellation. Für einige von uns sicherlich zu viel!

Alles demonstriert und gesehen in wirklich sehr freundlicher Atmosphärein lockerer amerikanischer Manier an i.v.-sedierten Patienten- was viel-leicht ein Glück war, wenn 10 Germans sich die Hälse in den typischkleinen amerikanischen Behandlungszimmern verrenken, um den bestenBlick oder das letzte Detail mitzunehmen.(Bei Wirbelsäulenproblemen gab es da ja die begnadeten Hände vonDorothee Bretthauer, die so ganz nebenbei so manches chronische Weh-wehchen heilen konnte).

So verging die Woche schnell und wir kamen nicht nur fachlich sondernauch menschlich voll auf unsere Kosten - Dank der rührenden Gast-freundschaft unserer Gastgeber. Alles wurde noch einmal so richtig fokus-siert am letzten Abend, als Bill und Burton Becker die letzte geballte Wild-West-Ladung abschössen. So ging es zum Fotografen, der jeden von unsin eine Western- und Cowboy-Verpackung einhüllte, wie sie lustiger undtypischer nicht sein konnte, es gab sehr viel zu lachen, die Wandlungder Professoren zu Westernhelden zu verfolgen oder anzusehen, wie dieSpielernatur unserer Düsseldorfer Privatzahnärzte einmal richtig in Wild-westszene gesetzt wurde- alles garniert von unserem „Cowgirl" Lavin.

Wie sagte Bill Becker: „Tief im Herzen möchte jeder gern Cowboy sein!"We've got the feeling - Thank you Bill und Burton Becker!!

~

American Academy ofPerlodontology9.10-12.10.96New Orleans

vonJörg Mutschelknauss

Stuttgart

Die Jahrestagung der „American Academy of Periodontology", kurz AAP,fand dieses Jahr vom 9.-12. Oktober in New Orleans statt. Nach Abschlußdes in jeder Beziehung gelungenen Praxiskursus von Bill Becker in Tuc-son/Arizona reisten 6 von 10 NEUE GRUPPE - Mitgliedern weiter nachNew Orleans.Durch die Anreise weiterer 6 Mitglieder direkt aus Deutschland erhöhte sichdas Kontingent wieder. In Einvernehmen mit unserem Vorstand organisierteHans-Henning Ohlrogge ein gemeinsames Mittagessen mif unseren amerilca-

\c_i GRUPPE

Page 25: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

nischen Freunden und ehemaligen Referenten im Hilton Riverside.In ungezwungener und fröhlicher Atmosphäre gelang es den Teilnehmern reprä-sentativ für die gesamte NEUE GRUPPE aufzutreten.

Wie gewohnt begann der Kongreß mit dem Opening Breakfast und dergleichzeitigen Verleihung der Akademie-Preise. Dabei erhielt unserlangjähriger Lehrer und Freund Gerald Kramer den „Gold Medal Award",die höchste Auszeichnung, die die Akademie zu vergeben hat.

Was das Programm angeht, so findet jeweils vormittags und nachmittagsdie sog. General Session mit den Leitthemen im großen Vortragssaal statt,während in kleinen Hörsälen parallel dazu Spezialthemen behandelt wer-den. Letztere werden in der Regel von 2-3 Referenten vor einer begrenz-ten Teilnehmerzahl bestritten. Die Kurse sind Intensivseminare und extrazu bezahlen (ca. USD 65.- pro Kurs).Hauptthema der Tagung war einmal mehr die gesteuerte Gewebsrege-neration und die verwendeten regenerativen Materialien. Die Diskussionresorbierbare oder nicht resorbierbare Membranen erreichte einen neuenHöhepunkt. Richtungsweisend zeichnet sich ab, daß resorbierbare Mem-branen mehr bei der gesteuerten Gewebsregeneration (GTR), nicht resor-bierbare bei der gesteuerten Knochenregeneration (GBR) Anwendungfinden.

Dabei fiel die von der Firma Calzitek auf den Markt gebrachte resor-bierbare Collagen-Membran BIO MEND auf. Sie wird in 3 Blattgrößenangeboten und kann individuell zugeschnitten werden. Dadurch könnendie Kosten auf weniger als die Hälfte der herkömmlichen Membranengesenkt werden.Die Verarbeitung dieser Membranen sollte „naß und blutig" sein, damitsie besser adaptiert werden können. Von manchen Autoren werden sievor der Adaption in Tetracylin-Lösung gelegt, um das Infektionsrisiko zumindern.Calciumsulfat als Knochenersatzmaterial wird von Sottosanti angewandt.Er zeigte eindrucksvolle Bilder, besonders bei Knochendefekten in Reihe,wo Membranen nicht möglich sind, bei Sofortimplantaten zur Auffüllungvon Defekten und bei Kammaugmentationen. Eine Langzeitstudie mußaber noch abgewartet werden.

Meltzer will die Nomenklatur anders verstanden wissen, nämlich statt GTRGPR (Guided Periodontal Regeneration). Er verwendet BIOGLASS als Kno-chenersatzmaterial in Verbindung mit einer resorbierbaren Membran.

Die Diskussion darüber wie und wo regenerierter Knochen mit oder ohneKnochenersatzmaterial biologisch einzuordnen ist wird wohl noch etwasdauern und noch manche wissenschaftliche Untersuchung nach sich ziehen.

Abschließend muß festgestellt werden, daß die Tagung der AAP einmal mehrdas weltweit führende Forum der Parodontologie darstellt und immer einenBesuch wert ist - auch im jähre 1997 in San Diego/Kalifornien.

Page 26: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Alex Wlotsch- 65 Jahre

vonWolfgang Krüger

Göftinger,

Lieber Alex,

die NEUE GRUPPE gratuliert Dir als ihrem amtierenden Präsidenten ganz be-sonders herzlich zu Deinem runden Geburtstag am 25. Juli 1996 lUnsere besten Wünsche und unseren besonderen Dank für Dein Enga-gement im Vorstand der Neuen Gruppe möchten wir mit einem Rückblickauf einige wichtige "Stationen" in Deinem Leben verbinden:

Nach Schulzeit und Abitur im Heimatort Emmendingen Studium der Zahn-medizin seit 1951 und der Medizin seit 1953 an der Albert-Ludwigs-Uni-versität in Freiburg; nach dem zahnärztlichen Staatsexamen im Mai 1955Praxisvertretung und im Herbst desselben Jahres Verwaltung einer wis-senschaftlichen Assistentensteile an der ZMK-Klinik in Freiburg; Promotion1957 und ein Jahr darauf Ernennung zum wissenschaftlichen Assistentenin der Konservierenden Abteilung und 1960 zum I. Assistenten mit demLehrauftrag für den Phantomkurs der Zahnerhaltungskunde und Leitungder klinischen Seminare; 1964 Akademischer Rat und 1966 Habilitation;1970 Ernennung zum Wissenschaftlichen Rat und kurz darauf Annahmedes Rufs auf die Professur und Leitung der Abteilung Zahnerhaltungskun-de der ZMK-Klinik der Georg-August-Universität Göttingen.

In Freiburg, in Göttingen und bei vielen Fortbildungsveranstaltungen habenDich viele von uns als "den anerkannten Profi" erlebt, der mit anstecken-der Begeisterung seine funktionellen und restaurativen Konzepte vermit-telte, die den Ruf der "Göttinger Schule" begründeten. Weitere bedeu-tende Meilensteine waren die Ernennung zum Lehrer der Akademie Pra-xis und Wissenschaft in 1977 und Dein Engagement als Vorsitzender derArbeitsgemeinschaft für Funktionsdiagnostik von 1978 bis 1985, die Ver-leihung der Hermann-Euler-Medaille 1984 und 1989 des Gysi Awardder International Academy of Gnathology. Dein Einfühlungsvermögen,Dein abgewogener Rat, Deine jahrzehntelange Erfahrung sind in vielenGremien innerhalb und außerhalb der Heimatuniversität gefragt undgeschätzt, ob im Zentrum, Fachbereichsrat, im Vorstand der Neuen Grup-pe, in der Beiratstätigkeit für die Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift oderals Mitglied des Direktoriums der Akademie Praxis und Wissenschaft derDGZMK.

Sehr früh hast Du als junger Abteilungsleiter die Bedeutung der Prophy-laxe, Kinderzahnheilkunde und Parodontologie erkannt und versucht,diese in ein modernes Unterrichtskonzept zu integrieren.

Schon Ende der 70er Jahre sind in der Göttinger Fakultät die Weichengestellt worden, eine selbständige Abteilung Parodontologie zu gründen,die dann nach zahlreichen Schwierigkeiten 1986 ausgeschrieben wurde.Neben den vielen Doktoranden führtest Du vier Deiner Oberärzte zurHabilitation: Vitus Stachniss, Georg Meyer, Klaus Pieper und WolfgangKrüger, alle vier inzwischen längst in "Amt und Würden".

Seit vielen Jahren gehörst Du zu den gefragtesten Referenten bei Tagun-gen und Fortbildungsveranstaltungen, so auch in Niedersachsen sowohlim Zahnärztlichen Fortbildungszentrum in Hannover als auch bei denWinterfortbildungskongressen in Hahnenklee und Braunlage.

An diesem besonderen Geburtstag freuen wir uns in großer Dankbar-keit ganz besonders darüber, daß Du mit Deiner engagierten, humor-vollen Art nach wie vor als Lehrer und Arzt zu begeistern verstehst undmit Deinem Wissen und Interesse für Musik, Theater, Uhren, Masken und

Page 27: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

als Pianist an Deinem Flügel in Euerem schönen Haus über den Dächernvon Göttingen in besonderer Art und Weise in ganzheitlicher HinsichtVorbild für uns bist.

Sehr verehrter Herr Präsident, hochgeehrter Herr Professor, lieber Alex,Deine Bewunderer und Freunde aus der NEUE GRUPPE danken Dir sehrherzlich für "alles" und hoffen für Dich und Deine verehrte, liebe FrauDagi, daß Euere Erwartungen und Wünsche an die kommende Zeit erfülltwerden!

Mit herzlichsten Grüßen- im Namen der NEUE GRUPPE -Wolfgang Krüger, Görfingen

In diesem Jahr am 25. Mai feierte unser lieber Freund Ralf Mutschelknaußseinen 65. Geburtstag.1931 in einer Zahnarzt-und Kunstmalerfamilie in Pforzheim geboren, stu-dierte er Zahnmedizin und Medizin in Frankfurt, Lausanne und München.1963 ging er nach Münster zu Prof. Wannenmacher, wohin ihm sein För-derer und Freund Prof. Rheinwald den Weg geebnet hatte.

Dort wurde zu dieser Zeit die erste eigenständige parodontologischeAbteilung aufgebaut.Ralf Mutschelknauß übernahm bereits 1967 die Leitung dieser Abteilung.Immer hat er sein berufliches Leben unter das Motto "Parodontologie"gestellt, ohne den Blick für das Ganze zu verlieren.Nach Habilitation und Berufung zum Professor hat er sich Anfang dersiebziger Jahre aber doch entschlossen, die Hochschule zu verlassen, dasein konsequentes Eintreten für Parodontologie als eigenständiges Fachvon bestimmten Kreisen der Hochschullehrer nicht mitgetragen wurde.

Ralf Mutschelknauß ging zurück in sein geliebtes Schwabenland zu Maul-taschen und Wein und eröffnete eine außerordentlich erfolgreiche par-odontologisch geprägte Praxis in Stuttgart.1970 übernahm er nach dem plötzlichen Tod von Prof. Fröhlich spontandie Leitung der Arpa, die unter seiner Führung zur DGP wurde.

Nach seiner Aufnahme in die NEUE GRUPPE setzte er sich mit Umsicht,Sachkenntnis und Durchsetzungsvermögen für unsere Gemeinschaft ein.Seine Präsidentschaftsjahre 1984/1985 haben die NEUE GRUPPE ent-scheidend geprägt.Die Kontakte zu Ron Nevins haben wir mit Begeisterung aufgegriffen under hat sie zu einem ständigen Fortbildungsangebot ausgebaut.Die Swampscott-ldee hat viele Nachahmer gefunden - geboren hat sieRalf Mutschelknauß!

Ich bewundere die Energie und Kraft des Jubilars, ob es nun um Gebirgs-wanderungen, Skifahren, Schiffsfahrten, Golfen oder um gesellige Zusam-menkünfte geht.

Neben all seinen Verpflichtungen für Praxis und Familie hat er gerade indiesen Tagen ein umfangreiches Video-Kompendium der Parodontologievollendet.Viele Tage, manchmal aurh Nächte hat ©r dafür gearbeitet, er beschreibt

Ralf Mutschelknauß- 65 Jahre

vonPit ßeyer

Düsseldorf

r

Page 28: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

nicht nur, sondern zeigt, daß er es mit seinen eigenen Händen tun kann.Ralf Mutschelknauß ist ein zuverlässiger, treuer Freund, manchmal nichtbequem, aber immer ehrlich und mit bewundernswertem Weitblick!

Lieber Ralf, wir wünschen Dir noch viele gute Jahre in denen Du alles dasverwirklichen kannst, was Du Dir vorstellst.

All Deine zahlreichen Freunde gratulieren Dir von Herzen!

Jacob Glas Lieber Jacob,- 65 Jahre

auch deine Freunde aus der NEUE GRUPPE möchten Dir zu Deinem 65.von Geburtstag gratulieren. Sie haben deshalb mich beauftragt, Dir ein paarWalter Georg Sebald Zeilen zu widmen.

Zum erstenmal - 1972-, ich kann mich noch genau erinnern, haben wirMünchen uns näher kennengelernt als wir vier, Jörg, Ralf, Du und ich beim Festabend

an einem Tisch saßen und uns die Aufnahme in die NEUE GRUPPE miteiner Urkunde bestätigt wurde. Unser damaliger Präsident - Cochanski-hatte sich eine Überraschung ausgedacht; wir vier sollten spontan einekleine Rede halten.

In dieser Situation - mit ihrem unerwünscht hohem Adrenalinausstoß -wurde mir zum erstenmal bewußt, daß Du Holländer bist. Bisher dachteich, daß Du deutscher Nationalität bist, denn Du sprichst unsere schwe-re deutsche Sprache absolut fehlerfrei.Wortschatz und Grammatik sind ja noch - mit viel Fleiß - erlernbar, aberSyntax und Betonung setzen neben dem großen Fleiß auch eine Bega-bung für Melodik der Sprache voraus.

Dieses feine Ohr hast Du auch an Deine Tochter Miranda weitervererbt,die neben ihrer zahnärztlichen Tätigkeit- als Flötistin in 2 Orchesternspielt. Und weil wir schon über Miranda sprechen, sie hatte auch eineglückliches Händchen als sie Peter Wetselaar zu ihrem kongenialen Ehe-mann und Partner in der Praxis machte.

Beide setzen Deine Ideen von einer freien und qualitätsorientierten Pra-xis - ohne Krankenkassenbevormundung - fort. Die meisten unserer Kol-legen und Freunde - in der NEUE GRUPPE - ahnen nicht, unter welchenUmständen und Bevormundungen Ihr tätig sein müßt und wie schwieriges ist, in Holland eine reine Privatpraxis zu führen. Dies gelingt nur nachdem Motto: „Klein aber fein und frei".Ich habe Dich vor einigen Jahren in Eurer Wohnung und Praxis besucht.Dabei hatte ich das Glück und den Vorzug, Deine liebenswerte und tap-fere Frau Goby kennenzulernen. Ich ahnte damals noch nicht, daß siebereits an schwerer Krankheit litt, die ihr Leben bedrohte. Als wir uns, mitder Zeit näherkamen, wußte ich auch näheres über ihr Leiden. 17 Jahrekämpfte sie tapfer gegen ihre Krankheit.Bei unserer letzten Jahrestagung kam sie - die Großmutter - noch einmalmit, um den Säugling zu behüten; während wir die Aufnahme von Miran-da und Peter in unsere Gruppe feierten.Wir Eingeweihten wußten, daß sie diesem Abend entgegenfieberte, umihn noch zu erleben. Ich weiß, daß niemand stolzer und glücklicher überdie Aufnahme „Deiner Kinder" in die NEUE GRUPPE war, als Goby.Wenige Wochen später mußte sie ihren Kampf verloren geben.

,£- = GRUPPE

Page 29: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Wie steht es eigentlich mit der von Dir gegründeten neuen zahnärztlichenGesellschaft, die sich für eine freie Medizin und Zahnheilkunde, in Holland,einsetzt?Nichts, so denke ich, zeigt deutlicher Deinen Charakter und Deine mora-lische Grundhaltung. Jetzt wo die Sorgen um die Familie nicht mehr Dei-nen Lebenslauf bestimmen, jetzt wo Titel und Posten für Dich keine Bedeu-tung mehr haben, jetzt trittst Du in die Öffentlichkeit und versuchst dieSituation der Zahnärzte zu verbessern und ihre Knechtung zu beenden.

Wir, die Freunde und Mitglieder der NEUE GRUPPE, sagen Dir „ad mul-tos annos". Wir freuen uns auf das Wiedersehn mit Dir in Hannover.

Dein Walter

Das verregnete Wochenende am 5. und 6. Juli bot sich geradezu an füreine Fortbildung und der Name "Palacci" ließ auf eine hochkarätige Ver-anstaltung hoffen, die auch tatsächlich die Erwartungen nicht enttäuschte.

Der in Marseille in eigener Praxis tätige P. Palacci beschäftigt sich seit1985 mit Branemark-lmplataten. In zahlreichen Falldarstellungen im Diaund in drei Life-Operationen demonstrierte er uns detailliert sein Behand-lungskonzept bei Implantatpatienten. Ziel seiner Therapie ist nicht nureine Implantation, die unter funktionellen oder ästhetischen Gesichts-punkten korrekt durchgeführt ist sondern eine "restitutio ad integrum".Dafür ist die präoperative Diagnostik besonders wichtig. Sie sollte sichnicht nur auf die Analyse des Knochens und der Röntgenbilder beschrän-ken, sondern vor allem auch die Lippenlinie und -mobil ität, die Form, Artund Dicke der Gingiva und auch die Beweggründe und Zielvorstellungender Patienten berücksichtigen. Ein Erfolg kann nur bei richtiger Implan-tatposition und -angulation, bei gutem Weichgewebsmanagemenf undsorgfältig ausgeführter Prothetik erzielt werden. Eine Abweichung um lmm bei der Implantatposition oder 10 Grad Winkelabweichung könnenüber Erfolg oder Mißerfolg einer Behandlung entscheiden. Als Operati-onshilfen dienen ihm "Milestones" und "Flags". Die von ihm entwickel-ten Hilfsteile legen den dreidimensional richtigen Implantationsort undden besten Implantatwinkel fest, wobei der "Milestone" bei der Implan-tation eine Vorstellung der späteren Kronenformen geben soll und die"Flags" den Abstand der Fixturen definieren. Der ausreichende Abstandist besonders für seine spezielle Papillentechnik in der "stage-two"-Ope-ration wichtig, da die Ausbildung von Papillen gewisser Platzvorausset-zungen bedarf. Gleichzeitig erzielt er durch die Bukkaiverschiebung vonBindegewebe einen Kammaufbau, der ebenfalls dem ästhetischen Resul-tat zugutekommt.Patrick Paiacci überzeugte uns durch sehr beeindruckende Behand-lungsresultate, eine sehr saubere Operationstechnik, die er Schritt fürSchritt demonstrierte und nicht zuletzt durch viel französischen Charme.Die Wiesbadener Praxis "am Kureck" mit Dieter Balten, Dirk Müller undMarco Georgi, unterstützt von Frau Scheuer, organisierte in den perfektausgestatteten Räumen des Labor "Kessler" eine in jeder Hinsicht sehrgelungene Veranstaltung auf fachlich hohem Niveau in angenehm fami-liärer Atmosphäre.

Patrick Palacci inWiesbaden

vonUlrich Gaa

Schorndorf

. = -5 GRUPPE.

Page 30: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Prof. Dr. Tore L. Hanssonin Frankfurt

vonUlrich Caa

Schorndorf

Mit seiner großen klinischen Erfahrung von weit über 20.000 untersuchtenCMD-Patienten gilt Professor Hansson zurecht als die Kapazität auf demGebiet der Funktionsdiagnostk. In einem von Professor Lauer, Doktor Ottlund Mitarbeitern mitorganisierten Tageskurs am 14. September in Frank-furt zeigte Professor Hansson sein Konzept des Team Approach. Er beton-te die Wichtigkeit einer sorgfältigen Anamnese, der klinischen Beob-achtung von Parafunktionen und Asymmetrien und die hohe Aussagekraftdes Panoramaröntgenbildes (Asymmetrieindex) für die Diagnosefindung.Von großem Vorteil für eine standardisierte klinische Funktionsanalyseund für die Befunddokumentation ist hierbei auch ein Computerprogrammvon "PAIN in TAG", das nicht nur die Befunde systematisch abspeichert,sondern auch Hilfe bei der Diagnosefindung und Gesamttherapiepianunganbietet.

Oberstes Ziel und einzig relevantes Erfolgskriterium einer Therapie ist dasErreichen von völliger Schmerzfreiheit. Zu erzielen ist dies meist nur durchein Zusammenwirken verschiedener Spezialisten in einem Team.Unterschieden werden müssen neurologische Schmerzursachen (die nichtzahnärztlich zu therapieren sind) von dysfunktionsbedingten Beschwer-den. Letztgenannte können sowohl myogenen als auch arthrogenenUrsprungs sein. Auch mit Hilfe des "PAIN in TAC'-Programmes kann undmuß in jeder Kontrollsitzung die Schmerzursache und Diagnose erneutfestgelegt werden, da auch myogen dominierende in arthrogene Schmer-zen wechseln können. Eine Behandlung geht bei Professor Hansson überdrei bis fünf Sitzungen in einem Zeitraum von circa sechs Monaten. Dabeisetzt er innerhalb der Gesamttherapie mittlerweile nur noch heißpoly-merisierte Stabilisierungsschienen ein (in den vergangenen acht Jahrentherapierte er keinen "Gelenkfall" mehr mit einer Repositionierungsschiene).Ergänzt wurde die theoretische Vorstellung seines praxisnahen und viel-fach bewährten Konzepts durch die Lifeuntersuchung von zwei Patienten.Die klinische Relevanz des dargestellten Konzepts kam auch in einer ange-regten Diskussion mit Professor Hansson zu vielen Einzelpunkten zum Aus-druck.

TIPS

vonH.-H. Ohlrogge

Aachen

Leichtes Lesen mit dem Data-Pen

Jeder von uns kennt das Problem, Adressen, Literaturstellen etc. mühevollin den Rechner eintippen zu müssen. Eine erhebliche Erleichterung hier-zu stellt nach meiner Erfahrung der "PRIMAX DATA-PEN" dar. Es handeltsich um einen Scanner in handlicher Form eines dicken Stiftes, der mithoher Zuverlässigkeit Zeile für Zeile Informationen aus Zeitschriften, vonVisitenkarten u.s.w. in jedes Textprogramm einliest. Die Daten stehenaugenblicklich zur Weiterbearbeitung zur Verfügung. Der DataPen wirdmittels eines Zwischensteckers an die parallele Schnittstelle des Rechnersangeschlossen. Die Stromversorgung erfolgt bei stationären Rechnernüber ein Zwischenkabel aus der Tastaturversorgung, bei Notebooks durchBatterien in einer kleinen Box auf dem parallelen Zwischenstecker. DieSoftware ist narrensicher zu installieren, sie läßt die Auswahl verschie-dener Sprachen zu, so daß auch Fremdtexte erkannt werden. Der Preisdes DataPen liegt bei ca. DM 250,00 (z. B. MISCO Germany Inc. Zweig-niederlassung D-63294 Dreieich). Bei Bestellung bitte einen Hinweis aufdie Zugehörigkeit zur NEUE GRUPPE beifügen.

f.~~~ GRUPPE

r

Page 31: NEUE GRUPPE NEWS - Heft 09 - Herbst 1996

Preiswertes Telefonieren in und aus den USA

Auf dem Flug nach Baltimore hatte Pit Beyer zufällig einen Hinweis aufeine amerikanische Telefonkarte gefunden, die erheblich preiswertererschien, als die Karten die wir bisher kannten. Inzwischen haben eini-ge von uns außerordentlich gute Erfahrungen mit der ECONO-LINK-Kartegemacht. Je nach Anzahl der gebuchten Gebühreneinheiten kostet eineMinute Anruf USA-Deutschland zwischen -.57 und -.63 US$ gegenüber1 .80 $ (AT&T) bzw. 2.00 $ regulär. Die Preise für das Telefonieren inner-halb der Staaten liegen bei -. 17 bis -.21 US$ je Minute.Die Karte wird über den Anruf einer gebührenfreien US-Nummer unterAngabe der persönlichen Daten un der Kreditkarte aktiviert. Es sind Kar-ten von 100, 250 und 500 min Gesprächszeit wählbar. Bei Benutzungder Karte wählt man zunächst eine 800er Nummer, gibt dann seinen per-sönlichen Pin-Code ein und wählt anschließend die gewünschte Nummer.Bevor die Verbindung aufgebaut wird, sagt die Firma den Restwert derKarte an. Ist die Karte abgelaufen, so läßt sich durch Druck auf ** desTelefons eine Erweiterung vornehmen. Voice Mail, Conference Call undeiniges mehr runden den Wert der Karte ab. Die Firma ECONO-LINKhat Pit Beyer und mir einige Karten zur Weitergabe an Freunde überlas-sen. Wir können Euch nähere Informationen oder Karten geben.

Copyright 1996 NEUE GRUPPE Nachrichten. Herausgeber: ImpressumNEUE GRUPPE, wissenschaftliche Vereinigung von Zahnärzten.Redaktionelle Leitung: Dr. Jürgen Bretthauer, Dr. Klaus Haber-korn. Die NEUE GRUPPE Nachrichten umfaßt 2 Ausgaben proJahr. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge sind urhe-berrechtlich geschützt.

Sofz und Druck: Präsentation^?;;

'.=,£ GRUPPE.