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„Neue Weltordnung 2.0“ Die Welt nach BREXIT und TRUMP

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„Neue Weltordnung 2.0“Die Welt nach BREXIT und TRUMP

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Cognitive Comment: Neue Weltordnung 2.0 – Die Welt nach BREXIT und Trump

1© FERI Cognitive Finance Institute | Das ist der Titel der Präsentation

- Netzwerk - Bündnisse- Kooperation

- Irak-Krieg- Finanzkrise- Divergenzen- Polarisierung- Radikalisierung

Etc. TRUMPISM

„New World Order“

George Bush; 1990

„Ordnung“

„Erosion“„Populismus“

Donald Trump; 2017

BREXIT

B. Clinton; 1993- 2001G.W. Bush; 2001-2009B. Obama; 2009-2017

„Unordnung“

„America First“

„EU redundant“

„NATO obsolet“

„G7/G20 redundant“

„Multipolarität“

„Neue Allianzen“

„Hard BREXIT“

„Vakuum“

„Russland“

„China“

„Indien“

SP

IE

LT

HE

OR

IE

„Vertrauens-Verlust“

„Neuorientierung“

„EU 2.0“

„DEU & FRA“

„Motor“

COGNITIVE CONCLUSION

Die Welt nach Brexit und Trump – die wichtigsten Zusammenhänge

Dr. Heinz-Werner Rapp

Gründer & Leiter Steering Board

FERI Cognitive Finance Institute

Bad Homburg, 2. Juni 2017

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EXECUTIVE SUMMARY

- Das geopolitische Ordnungssystem („Weltordnung“) steht am Anfang eines tiefgreifenden Wandels. Dieser Wandel führt weg von der homogenen westlichen Interessengemeinschaft der letzten Jahrzehnte hin zu „etwas Neuem“.

- Erstmals seit über 50 Jahren entstehen in der westlichen Hemisphäre echte Bruchlinien, tiefe Risse

und ideologische Gräben. Das daraus resultierende geopolitische Koordinatensystem steht nicht mehr für „Kohäsion“, sondern erzeugt „Divergenz“ und „Unordnung“.

- Die von George Bush (d.Ä.) Anfang der 1990er Jahre ausgerufene „Neue Weltordnung“ – ein

starkes westliches Bündnis unter Führung der USA – ist obsolet; sie mutiert statt dessen zu einer „Neuen Weltordnung 2.0“ , die das bisherige Ordnungssystem klar in Frage stellt.

- Dieser Wandel markiert einen historischen Wendepunkt: Es dominieren nationale Egoismen,

gezielte Provokation und politische Alleingänge statt multinationaler Koordination und Kooperation. Dies impliziert Abschottung und Abgrenzung, wodurch Vertrauen und Verlässlichkeit verloren gehen.

- Die „Neue Weltordnung 2.0“ ist geprägt durch Polarisierung, Populismus und Ideologie.

Populistische Strömungen nehmen zwar weltweit zu; sie waren jedoch in den USA und UK besonders stark ausgeprägt und führten dort zu „BREXIT“ und „TRUMP“.

- BREXIT (UK) und TRUMP (USA) implizieren eine geopolitische Zäsur: Beide Länder wenden sich

gegen einen etablierten politischen Verbund, stellen diesen offen in Frage oder verlassen ihn sogar (EU; G7; NATO etc.).

- Gewachsene geopolitische Netzwerke und belastbare globale Koordinationsmechanismen werden

dadurch, zumindest teilweise, außer Kraft gesetzt. Dies erodiert Vertrauen, erhöht globale Unsicherheiten und gefährdet so die „Global Governance“.

- Die Disruption bestehender Ordnungssysteme erzeugt spezielle geopolitische Dynamik. Dies lässt

„überraschende“ Allianzen und neue strategische Partnerschaften erwarten, wobei China eine wichtige Rolle zukommen wird.

- Die Dynamik der „Neuen Weltordnung 2.0“ lässt sich durch Elemente der Spieltheorie gut beschreiben; dabei gelten grundsätzlich die Regeln für „nicht-kooperative Spiele“, die zu verschärften „Spielregeln“ und geringeren „Gewinnen“ führen.

- Die „Neue Weltordnung 2.0“ ist der Inbegriff einer Welt in Unordnung: Eine multipolare Welt ohne

klare „Global Governance“ ist unsicherer und konfliktreicher; regionale „Spieler“ (wie Nord-Korea, die Türkei oder Iran) werden latent gefährlicher.

- Europa und seine Zukunft werden durch die „Neue Weltordnung 2.0“ unmittelbar berührt: Die

veränderte geopolitische Dynamik könnte Europa durchaus Chancen zu einer positiven Neuorientierung bieten; ob diese jedoch von „Kerneuropa“ (speziell DEU & FRA) genutzt werden könnten, bleibt abzuwarten.

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„A NEW WORLD ORDER” – EIN RÜCKBLICK

Die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts waren geprägt von einem starken Führungsanspruch der USA

für die gesamte westliche Hemisphäre. Dieser galt prinzipiell politisch, moralisch und militärisch. Die USA

führten „den Westen“, definierten geopolitische Strukturen und schmiedeten Allianzen zur Durchsetzung

gemeinsamer Ziele. Dieser Anspruch gipfelte in dem legendären Satz von George Bush Senior, damals 41.

US-Präsident, nach einem erfolgreichen Feldzug gegen den als feindselig deklarierten Irak: „Out of these

troubled times, (…) a new world order can emerge.“1

Dieses Statement definierte, zumindest aus Sicht der USA, ein neues globales Konzept der Zusammenarbeit

und der Kooperation, sehr eng gefügt, mit gemeinsam geteilten westlichen Werten, jedoch ganz klar unter

moralischer und politischer Führung der USA. Der damalige Anspruch der USA mag überhöht oder sogar

arrogant erscheinen, er mag auf einem US-zentrierten Weltbild und einer simplen Einteilung der Welt in

„Gut“ und „Böse“ basieren, und er mag zu politisch fragwürdigen Entscheidungen geführt haben (eine

davon war wohl bereits der erste Irak-Krieg 1990/1991).

Dennoch ist eine klare Linie erkennbar: die USA agierten als Führungsmacht, basierend auf einem relativ

klar definierten, für alle globalen Partner und Gegenspieler gut erkennbaren Wertekonzept. Trotz einiger

Schwächen, insbesondere einer starken, geradezu religiös anmutenden US-Zentrierung, war diese Phase

aus geopolitischer Sicht sehr interessant: Die Welt verfügte über ein klares Koordinatensystem, die USA

waren ein starker, gleichzeitig aber berechenbarer globaler Akteur, und „der Westen“ folgte einem

weitgehend konformen Verständnis gemeinsamer Werte und Ziele.

Auch aus ökonomischer Sicht ist die Phase von 1990-2000 bemerkenswert: die weltweiten

Wachstumsraten waren überdurchschnittlich hoch, die ehemalige Sowjetunion und der gesamte Ostblock

befanden sich in einer tiefgreifenden, aber letztlich positiven Transformation, und China betrat

schemenhaft als kommende Wirtschaftsmacht die Weltbühne. Zusammenfassend, wenngleich stark

vereinfachend, kann festgestellt werden: die damalige Weltordnung vermittelte dem globalen Umfeld

relative Stabilität, klare Orientierung und wirtschaftliche Prosperität.

1 Vgl. Bush, George, Address Before a Joint Session of the Congress on the Persian Gulf Crisis and the Federal Budget

Deficit, 11.9.1990 (https://en.m.wikisource.org/wiki/Toward_a_New_World_Order); ähnlich auch: Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, 29.1.1991 (http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=19253).

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Der Grundkonsens dieser „neuen Weltordnung“ konnte für längere Zeit aufrechterhalten werden.

Insbesondere während der Präsidentschaft von Bill Clinton (1993-2001) wurden die Prinzipien einer

kooperativen internationalen Ordnung ausgebaut und gefestigt.

Doch schon während der nachfolgenden Präsidentschaft von George W. Bush (2001-2009) wurde das

globale Ordnungssystem zunehmend brüchig. Maßgeblich verantwortlich dafür war eine zunehmend

eigennützige und reaktionäre Haltung der USA. Diese richteten den globalen Ordnungsrahmen nun

verstärkt zu Gunsten spezifischer US-Ziele aus und missbrauchten ihn gleichzeitig zur Durchsetzung einer

„neokonservativen“, tendenziell „imperialen“ US-Politik.2 Charakteristisch für diesen Ansatz sind etwa die

mehrfachen, im Rückblick sehr fragwürdigen und teilweise auf bewussten Lügen basierenden US-

Militäraktionen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 (speziell zweiter Irak-Krieg).3

Die nachfolgende Präsidentschaft von Barack Obama (2009-2017) versuchte, die entstandenen Brüche der

globalen Weltordnung durch eine neue Phase der internationalen Kooperation wieder zu schließen.

Obama konnte dieser Aufgabe jedoch nur noch sehr eingeschränkt gerecht werden.4 Ursache dafür war

eine bereits damals extreme Polarisierung und Spaltung der amerikanischen Politik, wodurch sowohl

wichtige innenpolitische Reformpläne als auch außenpolitische Initiativen der Regierung Obama im

Kongress blockiert oder anderweitig obstruiert wurden.5

2 Zu den politischen Ambitionen und Zielen jener Zeit, die speziell von den sogenannten „NeoCons“ um Dick Cheney

und Donald Rumsfeld verfolgt wurden, vgl. ausführlich: Dorrien, Gary, Imperial Designs: Neoconservatism and the New Pax Americana, New York, 2004; sowie ergänzend: Packer, George, PNAC and Iraq, in: New Yorker, 29.3.2009. Noch grundsätzlichere Darstellungen dazu fanden sich früher auf der offiziellen Website des PNAC („Project for the Next American Century“), die heute jedoch nicht mehr betrieben wird (vgl. zu den Hintergründen: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Project_for_the_New_American_Century).

3 Vgl. dazu grundsätzlich: Ganser, Daniele, Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren. Eine Chronik

von Kuba bis Syrien, Orell-Füssli, 2016; Corn, David, The Lies of George W. Bush, Mastering the Politics of Deception, Crown, 2003, Zum Komplex der falschen Darstellung wichtiger Kriegsgründe durch die USA, speziell vor dem UN-Sicherheitsrat, ausführlich: „Full Text of Colin Powell’s Speech“, in: The Guardian, 5.2.2003 (https://www.theguardian.com/world/2003/feb/05/iraq.usa); und weiterführend: „Powell calls his U.N. Speech a lasting Blot on his Record“, in: New York Times, 9.9.2005 (http://www.nytimes.com/2005/09/09/politics/powell-calls-his-un-speech-a-lasting-blot-on-his-record.html).

4 Eine sehr skeptische Einschätzung dazu gibt: „Wer hat die liberale Weltordnung zerstört?“, in: FAZ online,

2.6.2017 (http://www.faz.net/aktuell/politik/trumps-praesidentschaft/obamas-verantwortung-fuer-trump-wer-hat-die-liberale-weltordnung-zerstoert-15043940.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2).

5 Vgl. dazu exemplarisch: „US-Außenpolitik scheitert an Republikaner-Blockade“, in: Welt online, 26.10.2015

(https://www.welt.de/debatte/kommentare/article148062149/US-Aussenpolitik-scheitert-an-Republikaner-Blockade.html); sowie grundsätzlich: „Acht Jahre US-Präsident - Was bleibt von Obama?“, in: Tagesspiegel, 9.11.2016 (http://www.tagesspiegel.de/politik/acht-jahre-us-praesident-was-bleibt-von-obama/14801640.html).

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4

„A NEW WORLD ORDER“ – DIE GEGENWART

Dieser kurze Rückblick ist wichtig, insbesondere aus heutiger Sicht. Derzeit bewegt sich die Welt auf eine

neue „globale Weltordnung 2.0“ zu, die jedoch zutiefst beunruhigend erscheint. Im Gegensatz zur früheren

„Phase 1.0“, mit einer relativ homogenen westlichen Hemisphäre, verlaufen heute tiefe Risse und

ideologische Gräben durch die geopolitische Weltkarte.6

Der bedeutsamste dieser Konflikte ist wohl die Konfrontation einer westlich geprägten Wertewelt mit

einem zunehmend militanten islamischen Fundamentalismus/Terrorismus. Dieser Konflikt ist von

tiefgreifender strategischer Bedeutung, soll aber an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.7

Hinsichtlich ihrer geopolitischen Bedeutung kaum weniger wichtig ist jedoch eine neue Bruchlinie, die sich

seit kurzem direkt und unmittelbar durch die westliche Hemisphäre zieht. Die entscheidenden Stichworte

hierfür sind „BREXIT“ und „TRUMPISMUS“. Beiden Phänomenen liegen starke populistische Strömungen

zugrunde, die jeweils einen vorher relativ gefestigten Status Quo massiv herausgefordert und letztlich über

Bord geworfen haben.8

Die daraus resultierenden politischen Konsequenzen entwickeln sich gegenwärtig in Echtzeit. Sie sind

deshalb alles andere als klar. Dennoch lassen sich bereits jetzt einige beunruhigende Schlussfolgerungen

ziehen: Sowohl Großbritannien als auch die USA vollziehen derzeit Schritte, die man als isolationistisch

oder sogar nationalistisch bezeichnen könnte. In beiden Fällen wendet sich das jeweilige Land gegen einen

bisher relativ stabilen politischen Verbund, stellt diesen offen in Frage oder verlässt ihn sogar (BREXIT/EU).

Im Fall des BREXIT ist es die Ablehnung einer „aufgeblähten“ EU, der man als souveränes Land nicht länger

angehören möchte. Im Fall der USA ist es seit der Wahl von Donald Trump eine kompromisslose Betonung

nationaler Eigeninteressen, unter Verletzung bisheriger Werte wie westlicher Partnerschaft,

6 Ein ähnliches Bild einer kritischen Zeitenwende und einer negativen Veränderung der bisherigen globalen Ordnung

zeichnet auch Haass, Richard, A world in disarray: American Foreign Policy and the Crisi oft he Old Order, Penguin Books, 2017. Analog und noch grundlegender bereits: Kissinger, Henry, World order – Reflections on the Character of Nations and the Course of History, Penguins Press, 2014.

7 Vgl. dazu aber grundsätzlich: Scholl-Latour, Peter, Kampf dem Terrorismus - Kampf dem Islam? Chronik eines

unbegrenzten Krieges, München, 2002; Münkler, Herfried, Die neuen Kriege, 2002. 8 Vgl. dazu ausführlich: Rapp, Heinz-Werner, „Die Rückkehr des Populismus - Hintergründe, Mechanismen und

Konsequenzen“, FERI Cognitive Finance Institute, Bad Homburg, Juni 2017 (Manuskript „to be published“).

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internationaler Kooperation und freiem Welthandel. Die Gründe und auslösenden Faktoren hinter diesen

Bewegungen sind an anderer Stelle bereits ausführlich beschrieben und kommentiert.9

Aus geopolitischer (wie auch aus spieltheoretischer) Sicht handelt es sich in beiden Fällen um die

Aufkündigung eines etablierten Kooperationsmodells. Die bisherige Ordnung wird zerstört und durch

etwas Neues, noch weitgehend unspezifisches ersetzt. Wie die Spieltheorie lehrt, ist das Endergebnis

solcher Veränderungen nicht immer positiv für die Beteiligten.10

DIE AKTUELLEN SIGNALE

Die jüngsten, vom BREXIT ausgelösten Streitigkeiten und verbalen Attacken politischer Kontrahenten aus

Großbritannien sowie der EU tragen bereits alle Anzeichen eines tiefen Zerwürfnisses.11 Dies dürfte den

bisherigen Zusammenhalt der EU entscheidend schwächen und droht deren gesamte Statik zu

gefährden. Die weitere Zukunft der EU, speziell deren Fähigkeit zur europäischen Koordination und zur

Lösung länderübergreifender Probleme, ist damit mehr als unsicher. Auch das wirtschafts- und

sicherheitspolitische Gefüge der EU wird dadurch wohl deutlich beeinträchtigt.12

Von besonderer Bedeutung erscheint jedoch derzeit das neue Auftreten der USA und ihres neu installierten

Präsidenten Donald Trump. Dieser hatte bereits im Wahlkampf deutliche Kritik und unverblümte Angriffe

gegen multinationale Organisationen und etablierte Strukturen wie UNO, NATO, WTO, NAFTA und EU

vorgebracht.

9 Vgl. Rapp, Heinz-Werner, „Der BREXIT und seine politische Dimension – Wendepunkt für Regierungen und

Investoren?“, Buchbeitrag für PLATOW Prognose 2017, in: FERI Cognitive Finance Institute, Publikationen (http://www.feri-institut.de/media/1096/feri_gastbeitrag_auszug.pdf); sowie: Rapp, Populismus, 2017.

10 Vgl. dazu weiterführend: unten: Abschnitt „Die möglichen Konsequenzen“; sowie ausführlich: Dixit, Avinash

K./Nalebuff, Barry J., Spieltheorie für Einsteiger, Stuttgart, 1997 (speziell Kapitel 8 „Das Spiel mit dem Abgrund- Brinkmanship“ und 9 „Koordination und Kooperation“).

11 Vgl. dazu beispielhaft: „Theresa May: Besser kein Deal als ein schlechter“, in: Zeit online, 30. Mai 2017,

(http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-05/theresa-may-jeremy-corbyn-tv-interview-brexit-deal). Analog auch: „EU befürchtet rasches Scheitern der BREXIT-Verhandlungen“, in: Finanznachrichten, 30.5.2017 (http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2017-05/40840595-roundup-eu-befuerchtet-rasches-scheitern-der-brexit-verhandlungen-016.htm); sowie: „May will den harten BREXIT“, in: Handelsblatt, 31.5.2017, S. 10-11.

12 Vgl. „Das bedeutet der britische EU-Austritt für den Zusammenhalt in Europa“, in: Focus online, 16.6.2016

(http://www.focus.de/politik/experten/ruettgers/brexit-das-bedeutet-der-britische-eu-austritt-fuer-den-zusammenhalt-in-europa_id_5637083.html).

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Charakteristisch (und zugleich effektvoll) war insbesondere die Bezeichnung der NATO als „obsolet“. Auf

dem zwischenzeitlich absolvierten NATO-Gipfel im Mai 2017 folgte Trump diesem Grundmuster, jedoch mit

leichter Variation, wodurch die Integrität der NATO deutlich in Frage gestellt und darüber hinaus die

Mehrzahl der NATO-Mitglieder massiv brüskiert wurde.13

Auch der im Mai 2017 unter italienischem Vorsitz abgehaltene G7-Gipfel in Sizilien führte zu ähnlich

verstörenden Ergebnissen.14 Übereinstimmend gilt der Gipfel inzwischen als gescheitert.15 Aus Sicht der

meisten Teilnehmer wurde auch dieses Spitzentreffen vom amtierenden US-Präsidenten als Bühne zur

öffentlichen Verletzung etablierter Regeln und zur gezielt inszenierten Obstruktion globaler

Koordinationsmechanismen missbraucht.16

Hinter diesem Verhaltensmuster steckt klares Kalkül. Die USA, vertreten durch ihren höchsten

Repräsentanten, erklären damit - nach der NATO - auch das bisherige System multinationaler Abstimmung,

Koordination und Kooperation im Rahmen der G7- und G20-Formate faktisch als beendet. „Die Zeit“

bilanziert nüchtern: „Die G7 gibt es nicht mehr“.17

Somit vollzieht sich derzeit das vorläufige Ende einer bisher eher konsensual und kooperativ geprägten

„Weltordnung“ innerhalb der westlichen Hemisphäre. Wie die aktuelle Berichterstattung zum G7-Gipfel

treffend feststellt: „Großbritannien tritt aus der EU aus. Vertrauen geht verloren. Die USA erscheinen nicht

mehr als Anker. Der Westen bröckelt.“18

13 Vgl. dazu exemplarisch: „Trump brüskiert NATO-Verbündete bei erstem Treffen“, in: Welt online, 25.5.2017

(https://www.welt.de/politik/ausland/article164942110/Trump-brueskiert-Nato-Verbuendete-bei-erstem- Treffen.html), analog: „Trump brüskiert NATO-Verbündete“, in: FAZ online, 26.5.2017 (http://www.faz.net/aktuell/politik/bruessel-trump-brueskiert-nato-verbuendete-15033344.html). 14

Vgl. zum Hintergrund: Europäischer Rat, G7-Gipfel in Taormina (Italien), 26.-27.05.2017 (http://www.consilium.europa.eu/de/meetings/international-summit/2017/05/26-27).

15 Vgl. etwa beispielhaft: „G7–Gipfel von Taormina - Ein denkbar mageres Ergebnis.“ In: FAZ online, 27.5.2017

(http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/g-7-gipfel-von-taormina-ein-denkbar-mageres-ergebnis-15035079.html?GEPC;s5).

16 Vgl. dazu exemplarisch: „Sechs gegen Einen – Wie Trump den Westen demontiert“, in: Focus online, 27.5.2017 (http://www.focus.de/politik/ausland/sechs-gegen-einen-statt-g7-wie-trump-den-westen-demontiert_id_7184264.html).

17 Taormina: „Die G7 gibt es nicht mehr“, in: Zeit online, 28.5.2017 (http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-

05/taormina-g7-gipfel-donald-trump-blockade). 18

Aus: „Sechs gegen Einen – Wie Trump den Westen demontiert“, in: Focus online, 27.5.2017.

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DAS SYSTEM TRUMP

Der neue Stil einer hart vorgetragenen Frontal-Opposition zu globalen politischen Projekten verrät vieles

über die Person Donald Trump. Der Blockade-Ansatz, sich zunächst offenen Fragen schlicht zu verweigern,

um später von den Verhandlungspartnern „einen besseren Deal“ („to get a better deal“) angeboten zu

bekommen, dürfte direkt aus Trump's gesammelten Erfahrungen als abgebrühtem Geschäftsmann

resultieren. Exakt dieses Muster wendete Trump bei den jüngsten Verhandlungen über die globale

Klimapolitik beim G7-Gipfel an. Entsprechend mussten diese ohne Ergebnis abgebrochen werden.

Inzwischen hat Trump, stellvertretend für die USA, den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen

angekündigt.19

Diese strikt egozentrische und zugleich egoistische Haltung einer US-Administration ist für die bisherigen

westlichen Partnerländer vorerst schwer zu interpretieren. Die harte Rhetorik und die offen zur Schau

gestellte Verweigerungshaltung widersprechen allen diplomatischen Gepflogenheiten, insbesondere auf

politischer Spitzenebene.

Abgesehen von peinlichen Stilbrüchen verändern sich aber auch bereits die Struktur und die innere Natur

geopolitischer Netzwerke. Durch seine offen populistische Vorgehensweise etabliert Trump ein völlig

neues Regelwerk für internationale Beziehungen. Internationale Pressebeobachter sprechen

übereinstimmend von einer „Zäsur“ oder gar einer „Zeitenwende“.20 Selbst der eher konservativ

eingestellte US-Think Tank Council on Foreign Relations spricht aktuell mit Blick auf die transatlantischen

Beziehungen von einem „Wendepunkt“.21

19 Vgl. „G7 Gipfel – USA blockieren Einigung beim Klimaschutz“, in: Zeit online, 27.5.2017

(http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-05/g7-gipfel-italien-sizilien-taormina-usa-donald-trump-scheitern-abschlusserklaerung). Zu den politischen und inhaltlichen Hintergründen der globalen Klimapolitik vgl. auch „Carbon Bubble und Dekarbonisierung“, Studie des FERI Cognitive Finance Institute, Januar 2017 (http://www.feri-institut.de/media/1263/feri_cfi_wwf_201701.pdf).

20 Vgl. etwa: „Eine radikale Zäsur - Auf die USA ist kein Verlass mehr“, in: n-tv online, 29.5.2017 (http://n-

tv.de/politik/politik_kommentare/Auf-die-USA-ist-kein-Verlass-mehr-article19863508.html); zu einem umfassenden Medien-Überblick vgl.: „Trump ist genauso schlimm wie befürchtet“, in: Welt online, 29.5.2017 (https://www.welt.de/politik/ausland/article165024259/Trump-ist-genauso-schlimm-wie-befuerchtet.html); stellvertretend für viele andere gleichlaufende Kommentierungen auch: „Die Zeitenwende“, in: Handelsblatt, 30.5.2017, S. 4; sowie: „Szenen der Entfremdung“, in: Handelsblatt, 30.5.2017, S. 5.

21 Haass, Richard, „Dass Merkel sagt, Europa könne sich nicht mehr auf andere verlassen und müsse die Dinge in die

eigene Hand nehmen, ist ein Wendepunkt“, Council on Foreign Relations, zitiert aus: Handelsblatt, 30.5.2017, S. 5 (Original-Zitat: „Merkel saying Europe cannot rely on others & needs to take matters into its own hands is a watershed..“ auf Twitter: https://mobile.twitter.com/RichardHaass/status/868846535274094593).

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DIE „NEUE WELTORDNUNG 2.0“

Trump's leicht durchschaubares Konzept, durch unberechenbares und rüpelhaftes Verhalten im Kreise

bisheriger Partnerländer erst Verwirrung, dann Fassungslosigkeit auszulösen und auf diesem Wege später

erhöhte Verhandlungsbereitschaft und mehr Zugeständnisse zu erzwingen, könnte kurzfristig

möglicherweise sogar verfangen – zu groß ist das politische, wirtschaftliche und militärische Gewicht der

USA und der daraus resultierende „Leverage“ gegenüber Bündnispartnern und anderen Verbündeten.22

Längerfristig dürften aber sowohl die transatlantischen Beziehungen als auch das Verhältnis der großen

westlichen Führungsmächte untereinander deutlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Die wichtigste

Währung im geopolitischen Spiel, gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit, droht durch Trump‘s neue

Weltordnung 2.0 weitgehend verspielt zu werden.

Der EU-Außenpolitiker Elmar Brok, der bereits früh vor dem „System Trump“ gewarnt hatte, stellt resigniert

fest: „Mit Trump ist das Vertrauen in die Verlässlichkeit der USA verloren gegangen.“23 Auch die erfahrenste

Teilnehmerin internationaler Politik-Gipfel, Bundeskanzlerin Angela Merkel, sieht „in den USA keinen

verlässlichen Partner mehr.“24 Der deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel spricht sogar noch deutlicher

von einer „Schwächung des Westens“ und einem „Ausfall der Vereinigten Staaten als wichtige Nation.“25

Weiterhin obstruktives Verhalten der USA vorausgesetzt, dürfte dies schon nach kurzer Zeit zu irreparablen

Schäden im geopolitischen Beziehungsgeflecht führen. Entsprechend konstatieren politische Beobachter

nach dem jüngsten G7-Gipfel im transatlantischen Verhältnis bereits „tektonische Verschiebungen“.26 Der

Chef der renommierten Beratungsgesellschaft Eurasia Group, Cliff Kupchan, warnt vor dem „größten

transatlantischen Zerwürfnis seit dem Irak-Krieg, möglicherweise sogar seit dem 2. Weltkrieg.“27

22 Der von Trump geforderte stärkere Einsatz der NATO im Rahmen der Terror-Bekämpfung, dem die NATO-Partner

inzwischen zugestimmt haben, ist dafür ein gutes Beispiel. 23

Zitiert aus: „Die Zeitenwende“, in: Handelsblatt, 30.5.2017, S. 4. 24

„Merkel sieht in den USA keinen verlässlichen Partner mehr“, in: Welt online, 28.5.2017 (https://www.welt.de/politik/deutschland/article165008816/Merkel-sieht-in-den-USA-keinen-verlaesslichen-Partner-mehr.html). Analog auch: „Die neue Distanz der Angela Merkel, in FAZ online, 31.5.2017 (http://www.faz.net/aktuell/angela-merkel-geht-auf-distanz-zu-den-usa-15040464.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2).

25 Vgl. „Am Tag nach Merkels Bierzeltrede - Außenminister Gabriel wirft US-Regierung Schwächung des Westens vor“, in: Focus online, 29.5.2017 (http://www.focus.de/politik/ausland/am-tag-nach-merkels-bierzeltrede- aussenminister-gabriel-wirft-us-regierung-schwaechung-des-westens-vor_id_7190774.html). 26 Vgl. in diesem Sinne die New York Times: „‘New York Times‘ schreibt von ‘tektonischer Verschiebung‘“, Welt online, 29.5.2017 (https://www.welt.de/politik/deutschland/article165022036/New-York-Times-schreibt-von- tektonischer-Verschiebung.html). 27 Zitiert und übersetzt aus: „Following Trump’s Trip, Merkel says Europe can’t rely on „others“. She means the US.“,

(Originalzitat: „Trump is creating the biggest transatlantic rift since the Iraq War, perhaps even since WWII,”) in:

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DIE MÖGLICHEN KONSEQUENZEN

Die entsprechenden (mutmaßlichen) Konsequenzen lassen sich am besten durch Prinzipien der

Spieltheorie erfassen und verdeutlichen: Trump hat, unmissverständlich und ohne weitere erklärende

Kommunikation, ein bisher „kooperatives Spiel“ in ein „nicht-kooperatives Spiel“ verwandelt.

Die Spieltheorie lehrt, dass derartige einseitige Regeländerungen auch auf der Seite der „Mitspieler“ zu

entsprechenden Anpassungsreaktionen führen und so den weiteren Ablauf des Spiels verändern. Vorher

partnerschaftliche (kooperative) Verhaltensmuster werden durch „harte“ Regeln, generelles Misstrauen

und restriktive Spielzüge ersetzt. Dies kann zu einer deutlichen Verschärfung des bisherigen „Spielablaufs“

führen, bis hin zu einem katastrophalen „Spielabbruch“. In jedem Falle aber ist das „Spielergebnis“ für die

Summe der beteiligten Parteien deutlich schlechter (der mögliche „Spielertrag“ also geringer) als im Falle

kooperativen Verhaltens.28

Übertragen auf die reale Weltpolitik bedeutet dies, dass im bisher relativ harmonischen transatlantischen

Verhältnis ab jetzt schwerwiegende politische Störungen und Rückschläge zu erwarten sind. Wo das

Grundvertrauen „der Spieler“ in die Gültigkeit fundamentaler Prinzipien und Verhaltensnormen

(„Spielregeln“) nachhaltig erschüttert wurde, und wo gegenseitiges Vertrauen („Reputationskapital“) durch

erratisches und rein opportunistisch geprägtes Verhalten wichtiger „Spieler“ (USA) massiv verspielt wurde,

kann für längere Zeit kein gemeinsames und sinnstiftendes Ordnungsprinzip mehr entstehen.29

Folglich werden wohl im geopolitischen Kontext wieder einmal vertrauensvolle Zusammenarbeit und

gemeinsames wertebasiertes Handeln durch nationale Egoismen und politische Alleingänge ersetzt.

Daraus resultiert unmittelbar eine tiefgreifende Erosion der „Global Governance“, also einer international

abgestimmten und balancierten Fähigkeit zur kooperativen und koordinierten Überwachung und Lösung

globaler Probleme. Gesamthaft betrachtet, sind Ähnlichkeiten mit den fragilen weltpolitischen

Verhältnissen der 1930er Jahre mehr als offensichtlich.30

The Washington Post, 28.5.2017 (https://www.washingtonpost.com/world/following-trumps-trip-merkel-says-europe-cant-rely-on-us-anymore/2017/05/28/4c6b92cc-43c1-11e7-8de1-cec59a9bf4b1_story.html?utm_term=.f6d82ff763ac).

28 Vgl. dazu grundsätzlich: Dixit, Avinash K./Nalebuff, Barry J., The Art of Strategy, New York, 2010 (speziell relevant

sind die spieltheoretischen Strategien „Tit-for-Tat“ sowie „Brinkmanship“). 29

Weitsichtige Beobachter sehen bereits klar voraus, dass dies langfristig auch die vitalen Interessen der USA deutlich beeinträchtigen und möglicherweise dauerhaft schädigen wird, so etwa Cliff Kupchan, Chef der renommierten „Eurasia Group“.

30 Vgl. „Philosoph spricht von einer Zeitenwende“, in: Focus online, 30.6.2016

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GEWINNER UND VERLIERER

In einem derart unklaren und labilen „Spielzustand“ werden sich unter den anderen „Spielern“ schon bald

neue Koalitionen und Interessengemeinschaften herausbilden. Diese können (etwa im Fall Europas)

durchaus vorteilhaft und sinnvoll sein.

Der unklare „Spielverlauf“ und der Verlust von „Regeln“ erzeugt in der geopolitischen Realität jedoch ein

spürbares Macht- und Führungs-Vakuum. Dieses kann sehr schnell auch „opportunistische“ Allianzen und

neue, wesentlich gefährlichere Konstellationen hervorbringen. Schon dieser Aspekt ist beunruhigend und

verändert nachhaltig die bisherige geopolitische Architektur. Regionale Konflikte und verantwortungsloses

Verhalten kleinerer Mächte werden dadurch deutlich wahrscheinlicher.31

Ein direkter Gewinner der neuen „Weltordnung 2.0“ ist Russland, insbesondere Wladimir Putin. Für den

russischen Präsidenten ist das beginnende Zerwürfnis etablierter Allianzen ein echter Glücksfall, der seiner

bisherigen Strategie einer Spaltung des Westens klar in die Hände spielt. In diesem Sinne höhnt die US-

Publizistin Anne Applebaum: „Glückwunsch. Was die frühere Sowjetunion und das heutige Russland über

Jahrzehnte versucht, aber nicht geschafft haben, nämlich die USA und Europa zu entzweien, das hat Donald

Trump geschafft.“32 Dabei bleibt vorerst weiter offen, ob die russische Seite diesem Glück nicht sogar durch

direkte Einflussnahme „nachgeholfen“ haben könnte.33

(http://www.focus.de/politik/deutschland/afd-terror-brexit-philosoph-spricht-von-einer-zeitenwende_id_5675850.html). Parallelen dazu finden sich auch in den zentralen „Lehren der Geschichte“, dargestellt in: Durant, Will/Durant, Ariel, The Lessons of History, New York, 1968 (neu verlegt: 2010).

31 Vgl. in diesem Sinne auch Papic, Marko, „Global Overview – Who’s Afraid of Big Bad Trump?”, in: Geopolitical

Strategy, BCA Research, August 2016, S. 8: …such a distribution of power is the most likely to create the sort of „messy world“ that Trump claims he will fix“. (vgl. speziell: Chart I-8; “Multipolarity increases the frequency of conflict”). Ausführlicher zum Risiko „Multipolarität“ auch bereits: Papic, Marko, „(Geo)Political Outlook: Opportunities & Risks“, in: Geopolitical Strategy, BCA Research, June 2015, S. 6-8; sowie: Papic, Marko, „Strategic Outlook 2016: Multipolarity & Markets“, in: Geopolitical Strategy, BCA Research, December 2015. Mögliche Risiko-Länder und entsprechende „neue“ Risiko-Konstellationen umfassen derzeit etwa die Türkei, Saudi-Arabien, Nord-Korea sowie neuerdings auch wieder einige Balkan-Staaten.

32 Applebaum, Anne, „For the US-European Alliance, everything has changed“, in: The Washington Post, 28.5.2017,

(freie Übersetzung), (https://www.washingtonpost.com/amphtml/opinions/global-opinions/for-the-us-european-alliance-everything-has-changed/2017/05/28/5b42e5dc-43b9-11e7-a196-a1bb629f64cb_story.html).

33 Die zunehmenden Indizien für vielfältige Beziehungen zwischen Trump und Russland sowie eine russische

Beeinflussung der amerikanischen Präsidentschaftswahl zugunsten von Donald Trump legen diese Vermutung zumindest nahe. Vgl. dazu beispielhaft und ausführlich: „All of Trump’s Russia Ties, in 7 Charts“, in: Politico, March/April 2017 (http://www.politico.com/magazine/story/2017/03/connections-trump-putin-russia-ties-chart-flynn-page-manafort-sessions-214868).

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Ein weiterer Gewinner der neuen Multipolarität, speziell durch den angekündigten Rückzug der USA aus

der Geopolitik und die Rückbesinnung auf „America First“ („Trump-Doktrin“), ist China.34 Bereits heute

präsentiert sich das Land in vielen Fragen, von der Verteidigung freien Welthandels bis hin zum

Klimaschutz, deutlich offener und zugewandter als die USA unter Trump.35 Neue strategische

Partnerschaften, unter anderem mit Europa, werden sich deshalb zwangsläufig herausbilden.36

Noch ist allerdings nicht klar, was davon lediglich „Peking-Oper“ ist, und was wirklich ernsthafte und

belastbare Haltung. In geopolitischer - wie auch in militärischer – Hinsicht verfolgt China hingegen klare

Ambitionen zu einer Herausforderung der USA auf Augenhöhe.37 Dennoch scheint es wenig wahrscheinlich,

dass die USA – trotz „Trump-Doktrin“ - ihrem strategischen Rivalen China dazu viel Spielraum lassen

werden.38

Ein weiterer, möglicherweise sogar positiver Aspekt liegt in Europa: Der Wegfall einer dominanten, aber

einigenden und „gütigen“ Führungsmacht (USA) sowie deren Substitution durch einen strikt

opportunistisch und egozentrisch agierenden neuen Gegenspieler (Trump) dürfte die Länder Europas

künftig einigen und zu mehr Zusammenhalt und intensiverer Zusammenarbeit zwingen. Ernstzunehmende

34 Vgl. in diesem Sinne: „‘America First‘? Trump beschleunigt den Aufstieg Chinas“, Onvista, 1.6.2017

(http://www.onvista.de/news/america-first-trump-beschleunigt-den-aufstieg-chinas-63673713). 35

Vgl. etwa: „Chinas Präsident warnt vor Handelskrieg“, in: Zeit online, 17.1.2017 (http://www.zeit.de/wirtschaft/ 2017-01/xi-jinping-davos-wef-warnung-handelskrieg); „Chinas Ministerpräsident bekennt sich zu Einhaltung von Pariser Klimaabkommen“, in: Zeit Online, 1.6.2017 (http://www.zeit.de/news/2017-06/01/china-chinas-ministerpraesident-bekennt-sich-zu-einhaltung-von-pariser-klimaabkommen-01114803); „Kauder: China gewinnt durch Trumps Klimapolitik an Gewicht“, in: Focus online, 1.6.2017 (http://www.focus.de/finanzen/news/ wirtschaftsticker/kauder-china-gewinnt-durch-trumps-klimapolitik-an-gewicht_id_7202317.html).

36 Vgl. stellvertretend: „EU-Annäherung an Peking - Willkommen in Chinopa“, in: Spiegel online, 28.5.2017

(http://www.spiegel.de/wirtschaft/eu-und-china-ruecken-zusammen-wegen-donald-trump-a-1149515.html); „China-EU-Gipfel: Nähe zu Xi, Abstand zu Trump“, in: Die Presse (http://diepresse.com/home/ausland/eu/ 5226572/ ChinaEUGipfel_Naehe-zu-Xi-Abstand-zu-Trump).

37 Vgl. stellvertretend: „Wettlauf mit den USA - China rüstet trotz Wachstumsschwäche kräftig auf“, in: Spiegel

online, 4.3.2015 (http://www.spiegel.de/politik/ausland/militaer-in-china-volksrepublik-steckt-geld-in-aufruestung -a-1021640.html); „Aufrüstung in Asien - China baut zweiten Flugzeugträger“, in: Spiegel online, 31.12.2015 (http://www.spiegel.de/politik/ausland/china-baut-zweiten-flugzeugtraeger-a-1070096.html); „Südchinesisches Meer: USA werfen China Aufrüstung auf künstlichen Inseln vor, in: Zeit online, 22.2.2017 (http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/china).

38 Vgl. dazu überblickartig: „Yes, the US Does Want to Contain China (Sort Of)”, in: The Diplomat, 8.8.2015

(http://thediplomat.com/2015/08/yes-the-us-does-want-to-contain-china-sort-of/); „US would go into any War with China with ‘unparalled violence’, warn Experts, in: Independent, 5.2.2017 (http://www.independent.co.uk/ news/world/americas/us-china-war-be-end-of-life-earth-nuclear-weapons-apocalypse-steve-bannon-donald-trump-white-house-a7561821.html); „Could the U.S. and China end up in a terrible war that neither wants?”, in: Washington Post, 30.5.2017 (https://www.washingtonpost.com/ news/monkey-cage/wp/2017/05/30/could-the-u-s-and-china-end-up-in-a-terrible-war-that-neither-wants/?utm_term=.2c8b2ba19cc6).

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politische Stimmen in Europa sprechen bereits von einem „Weckruf an die europäische

Staatengemeinschaft“.39

Speziell für die wichtigen Länder Frankreich und Deutschland wird der Druck deutlich zunehmen, künftig

enger zu kooperieren und gleichzeitig auch die anderen Länder der EU stärker auf eine gemeinsame

(Außen-)Politik einzuschwören. Der unerwartete „äußere Anlass“ Trump könnte sich für Europa somit in

historischer Hinsicht noch als wichtiger Katalysator zu einem eigenständigen Profil und einem neuen

Selbstverständnis erweisen.40

Entsprechend sehen US-Beobachter in den aktuellen transatlantischen Verspannungen bereits den „Beginn

einer ‘neuen EU‘ – (…) stärker, selbstbewusster und unabhängiger von den USA.“41 In den Worten von

Bundeskanzlerin Merkel: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere verlassen konnten, die sind ein Stück

vorbei“ (…) Wir müssen selber für unsere Zukunft kämpfen – als Europäer, für unser Schicksal.“42

International wird die Ausgrenzungs- und Verweigerungshaltung der USA dazu führen, dass sich (speziell

innerhalb des G20-Formats) neue Netzwerke zur Erreichung gemeinsamer Ziele bilden werden.

Ausschlaggebend dafür sind unter anderem Indien und China, die beiden bevölkerungsreichsten Länder der

Welt. Der unter deutschem Vorsitz im Juli anstehende G20-Gipfel in Hamburg könnte bereits klare Signale

in diese Richtung senden.43

Aus strategischer Sicht ist sehr wahrscheinlich, dass dieser bereits beginnende Anpassungs-und

Reaktionsmechanismus geopolitisch zu erhöhter Multipolarität führen wird. Die strategischen Interessen

eines „globalen Hegemons USA“ werden damit klar geschwächt. Nachfolgende Generationen von US-

Politikern (und spätere US-Präsidenten) dürften wohl Trump‘s kurzsichtige, national-populistische Haltung

künftig noch sehr bedauern.

39 Vgl. „Die Zeitenwende“, in: Handelsblatt, 30.5.2017, S. 4.

40 Vgl. in diesem Sinne: Sinn, Hans-Werner, „Friedensunion statt Fiskalunion“, in: Handelsblatt, 31.5.2017, S. 48.

41 Vgl. „‘New York Times‘ schreibt von ‘tektonischer Verschiebung‘“, in: Welt online, 29.5.2017

(https://www.welt.de/politik/deutschland/article165022036/New-York-Times-schreibt-von-tektonischer-Verschiebung.html).

42 Angela Merkel, zitiert aus: „Trump ist genauso schlimm wie befürchtet“, in: Welt online, 29.5.2017

(https://www.welt.de/politik/ausland/article165024259/Trump-ist-genauso-schlimm-wie-befuerchtet.html). 43

Vgl. In diesem Sinne: „Merkel braucht Verbündete“, in: Handelsblatt, 29.5.2017, S. 1.

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FAZIT

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der neue US-Präsident Donald Trump durch seine national-

populistisch motivierten Vorstöße das bisherige Gefüge der „Global Governance“ stark beschädigt.

Strategische Beziehungen und seit Jahrzehnten gewachsene (meist auch belastbare) geopolitische

Netzwerke werden dabei geopfert (oder zumindest stark gefährdet), zugunsten lediglich kurzfristiger und

eher wahltaktischer Vorteile aus Sicht einer völlig unerfahrenen US-Administration. Für „schnelle Deals“

riskiert Trump nicht nur das weltweite Ansehen und die (schon zuvor reduzierte) Glaubwürdigkeit der

USA, sondern auch deren langfristige geopolitische Interessen und Durchsetzungsfähigkeit.

Doch auch der weiterhin kompromisslos verfolgte Ausstieg der Briten aus der EU geht in eine ähnliche

Richtung. Auch dieser Vorgang belastet, gefährdet oder zerstört wichtige Beziehungen und gemeinsame

Interessen innerhalb Europas, die weit über einen gemeinsamen Binnenmarkt hinausgehen. Das aktuelle

Bild deutet auch hier auf einen konfliktären Verlauf hin, bei dem beide Verhandlungsparteien (UK und

EU) am Ende deutliche politische, wirtschaftliche und moralische Verluste werden hinnehmen müssen.

Sollten beide Entwicklungen sich unvermindert fortsetzen, droht als Konsequenz eine neue, tiefgreifend

veränderte „Neue Weltordnung 2.0“. Diese wird jedoch - entgegen dem Wortsinn – durch ein hohes Maß

an „Unordnung“ geprägt sein und alle Beteiligten vor neue und nicht-triviale Herausforderungen stellen.

Für Europa (und die verbleibende Rest-EU) liegt darin zwar grundsätzlich auch eine strategische Chance. Ob

diese von den notorisch langsam und bürokratisch agierenden EU-Institutionen auch genutzt werden kann,

ist jedoch vorerst noch eine völlig offene Frage.

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