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Neurologie für die Praxis Update 2017 23. Engadiner Fortbildungstage Scuol-Tarasp, 8-10.9.2017 PD Dr. med. Alexander Tarnutzer Klinik für Neurologie UniversitätsSpital Zürich

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Neurologie für die Praxis Update 2017

23. Engadiner Fortbildungstage Scuol-Tarasp, 8-10.9.2017

PD Dr. med. Alexander Tarnutzer

Klinik für Neurologie UniversitätsSpital Zürich

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Aktuelle Themen

•  Schlaganfall •  Parkinson •  Neuromuskuläre Erkrankungen •  Akuter Schwindel •  Epilepsie •  Multiple Sklerose •  Kopfschmerzen

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Vignette 1

•  Sie treffen einen 73-jährigen Patienten zuhause morgens um 8Uhr an.

•  Die Ehefrau berichtet, dass er mit einer Halbseitenschwäche rechts und einer Sprachstörung um 7Uhr erwacht sei.

•  Beim Gang auf die Toilette um 1Uhr sei noch alles normal gewesen.

•  Befund: hochgradiges armbetontes sensomotorisches Hemisyndrom rechts mit gemischter Aphasie.

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Ist aufgrund des unklaren Beginns der Symptomatik eine Lysetherapie ausgeschlossen?

☐ JA

☐ NEIN

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Schlaganfall

•  i.v. Thrombolyse mit rtPA (recombinant tissue plasminogen activator) bis 4.5 Stunden nach Symptombeginn (nach Ausschluss KI und CT) mit Benefit.

•  Bei proximalen Mediaverschlüssen oder Carotis-Interna-Verschlüssen meist zusätzlich interventionelle Thrombektomie.

•  Im hinteren Stromgebiet (Basilarisverschluss) Thrombolyse auch nach 4.5h noch möglich (Einzelfallentscheid, keine Richtlinien)

•  Hohes Alter ist keine Kontraindikation für eine Lyse / Thrombektomie.

•  20-25% aller Schlaganfälle sind „wake-up strokes“.

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„wake-up“ Stroke

Bei unklarem Zeitfenster (wake-up, aphasischer Patient ohne Fremdanamnese): •  notfallmässiges MRI-Schädel à sofern noch keine

FLAIR-Demarkation à Dauer <4.5h à Lyse indiziert •  Zusätzlich Abschätzen der Penumbra („tissue at risk“)

mittels Diffusions-/Perfusionsbildgebung à Sofern Diskrepanz > 33% und Gefässverschluss, Thrombektomie (aber keine i.v. Lyse).

•  Alternativ CT-Schädel mit Diffusions-/Perfusionsbildgebung.

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Diffusions-FLAIR-Mismatch im MRI

Rimmele und Thomalla (2014) Front Neurol. 5:35

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Diffusions-Perfusions-Mismatch

Rimmele und Thomalla (2014) Front Neurol. 5:35

Diffusion (DWI) à Infarktkern

Perfusion (PWI) à Penumbra

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Vignette 2

•  Ein 67-jähriger Patient mit bekanntem nicht-valvulärem Vorhofflimmern und St. n. Schlaganfall erlitt vor 2 Monaten eine Hirnblutung unter Marcoumartherapie.

•  Im MRI zeigten sich nebst der akuten Einblutung auch ältere Mikroblutungen.

•  Marcoumar wurde gestoppt, die Blutung operativ ausgeräumt.

•  Der Patient stellt sich nun bei Ihnen nach erfolgter Rehabilitation in der Praxis zur Verlaufskontrolle wieder vor.

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Wie soll das Vorhofflimmern weiter behandelt werden?

☐ gar nicht

☐ mit Aspirin cardio

☐ mittels Vorhofsohrverschluss

☐ erneut mittels oraler Antikoagulation

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Vorhofsohrverschluss •  Nach intrakranieller Blutung unter oraler Antikoagulation ist

eine erneute OAK nach aktueller Datenlage kontraindiziert. •  Gleichzeitig sollte aber das Embolierisiko minimiert werden

(Risiko eines Rezidivs à CHADS2-VASc Score) •  Vorhofsohrverschluss als Alternative (EWOLUTION trial)

–  Linkes Vorhofsohr Emboliequelle in >90% aller Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern.

–  Achtung: anschliessend Thrombozytenaggregationshemmung nötig!

http://www.watchman.com/hcp/watchman-download-center/hospital-media-kit.html

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Vignette 3

•  57-jährige Patientin mit leichtem Zittern und Ungeschicklichkeit der rechten Hand seit einigen Monaten.

•  Vom Ehepartner werden zudem eine gebückte Haltung und sporadisch Blockaden beim Gehen beschrieben.

•  Klinisch: leichtes Zahnradphänomen am rechten Arm, intermittierender Ruhetremor der rechten Hand. Kleinschrittiges Gangbild mit fehlendem Mitschwingen des rechten Armes, reduzierte Mimik.

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Soll bei dieser Patientin jetzt mit einer dopaminergen Therapie begonnen werden?

☐ JA

☐ NEIN

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Beginnendes Parkinsonsyndrom •  Leidensdruck à Therapiebeginn (Levodopa (Madopar ®),

Dopaminagonisten (Pramipexol (Sifrol ®), Neupro ®, etc...) empfohlen.

•  Levodopa ist Dopaminagonisten in Bezug auf Verbesserung der motorischen Symptome und Lebensqualität überlegen, die Abbruchraten sind deutlich tiefer (2% vs. 28%).

•  „Aufsparen“ von Levodopa (Rationale: späteres Auftreten von Dyskinesien) nicht sinnvoll.

•  Cave Nebenwirkungen von Dopaminagonisten: –  Schläfrigkeit, periphere Oedeme, orthostatische Hypotension –  Impulskontrollstörungen (Kaufrausch, Hypersexualität etc.) –  Im Langzeitverlauf nicht weniger motorische Wirkfluktuationen. –  Entzugssymptome beim Absetzen von Dopaminagonisten

(Depression, Angsstörung, Fatigue, Schmerzen) in 15-20% der Fälle (Cave erhöhtes Suizidrisiko).

Connolly und Lang (2014) JAMA;311(16):1670-1683 Espay und Lang (2017) JAMA Neurology; 74(6): 633-4

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Fortgeschrittes Parkinsonsyndrom

Sie sehen dieselbe Patientin 5 Jahre später wieder: •  Deutliche Wirkfluktuationen auch unter ausgebauter

Therapie mit Levodopa und einem Dopaminagonisten (Peak-dose Dyskinesien, wearing off).

•  Mehrfache Anpassungen der Medikation (Dosierung, Verabreichungsintervalle) ohne Besserung.

•  Keine psychiatrische Vorerkrankung, gute Kognition.

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Soll bei dieser Patientin eine tiefe Hirnstimulation (DBS) evaluiert werden?

☐ JA

☐ NEIN

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Tiefe Hirnstimulation (deep brain stimulation, DBS)

•  Medikamentös schwer kontrollierbare Wirkfluktuationen sind charakteristisch für das fortgeschrittene Parkinsonsyndrom.

•  Tiefe Hirnstimulation à Therapie der Wahl bei diesen Patienten (USZ > 200 DBS-Operationen seit Beginn).

•  Ausgedehnte (meist stationäre) Vorabklärungen notwendig à Kontraindikationen (schwere Depression, Demenz, atypisches Parkinsonsyndrom)?.

•  Alternativ: Duodopa-Pumpe (kontinuierliche Abgabe von Levodopa in den Dünndarm) möglich.

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Vignette 4 •  Ein 51-jähriger Patient stellt sich bei Ihnen mit

fluktuierenden Doppelbildern und einem wiederholt hängenden Augenlid links vor.

•  Diese Beschwerden bestehen seit ca. 2 Wochen und werden jeweils gegen Abend schlimmer.

•  Klinisch: leichte Ptose links, keine Augenmuskelparesen. Ansonsten unauffällig.

Meriggioli und Sanders (2009) Lanc Neurol 8:475-90 Courtesy of PD K. Weber

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Welches ist die wahrscheinlichste Diagnose bei dieser Patientin?

☐ okuläre Myasthenia gravis

☐ Okulomotoriusparese links

☐ Beginnendes Glaukom links

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Okuläre Myasthenie

•  Risiko einer Generalisierung im 1. Jahr nach Diagnosestellung am Grössten.

•  Notwendige Diagnostik umfasst Testung der Myasthenie-Antikörper (Acetylcholin-Rezeptor-Ak, Anti-Titin-Ak, anti-MuSK-Ak), CT-Thorax (RF vorderes Mediastinum), ENMG

•  Therapie –  Medikamentös: Acetylcholinesterase-Hemmer (Mestinon:

30-720mg/d), Prednison (Cave tiefdosiert beginnen (20mg/d)), ggf. immunmodulierende Therapie (Azathioprin, Rituximab)

–  Operativ: Thymektomie bei <50-60-Jährigen mit besserem Verlauf verbunden.

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Verzögerter Wirkungseintritt!

Sieb (2013) Clinical and Experimental Immunology, 175: 408–418

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Vignette 5

•  44-jähriger männlicher Patient, bis dato immer gesund. •  Akuter Drehschwindel mit Nausea und Erbrechen seit

heute Morgen. Begleitend Gangunsicherheit und Schweissausbrüche.

•  Klinisch: •  Keine offensichtlichen fokal-neurologischen Defizite (keine

Augenmuskelparesen, Extremitätenparesen oder Parästhesien). •  Torsionell-horizontaler Spontannystagmus nach links (Alexander

Grad II) ohne Zunahme bei Fixationssuppression •  Klinischer Kopfimpulstest auf beide Seiten unauffällig.

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Welches ist die wahrscheinlichste Ursache dieses akuten anhaltenden Schwindels?

☐ peripherer Schwindel (vestibuläre Neuritis)

☐ zentraler Schwindel (Schlaganfall)

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Vignette: MRI des Neurocraniums

à Akuter cerebrovaskulärer Insult im PICA-Stromgebiet rechts

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Hals-MRI mit Fettsuppression

Dissektion der A. vertebralis rechts

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Akuter zentraler Schwindel - Kleinhirninfarkt

•  Offensichtliche fokal-neurologische Befunde (inkl. Gangprüfung und Okulomotorik)

•  Subtile okulomotorische Zeichen: H.I.N.T.S.

Kattah et al. (2009) Stroke. 40, 3504-3510 Tarnutzer et al. (2011) CMAJ;183(9):E571-92

Nur 64% Sensitivität für einen Schlaganfall - Vertikaler oder torsioneller Nystagmus

-  Augenmuskelparese (3-4-6, INO, Blickwendung)

98% Sensitivität für einen Schlaganfall

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Subtile okulomotorische Zeichen: H.I.N.T.S. to I.N.F.A.R.C.T.

•  3-Komponenten “H.I.N.T.S.” Batterie –  horizontal Head Impulse Test (h-HIT) –  Nystagmus –  Test of Skew

•  Dangerous H.I.N.T.S. to “I.N.F.A.R.C.T.” –  Impulse Normal –  Fast-phase Alternating –  Refixation on Cover Test

Jedes dieser Zeichen deutet auf einen Schlaganfall bei AVS hin!

Kattah et al. (2009) Stroke. 40:3504-3510

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Subtile okulomotorische Zeichen: H.I.N.T.S. to I.N.F.A.R.C.T.

horizontal Head Impulse Test (h-HIT)

Kattah et al. (2009) Stroke. 40:3504-3510

Nystagmus

Test of Skew

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Prädiktoren für eine Ischämie beim akuten prolongierten Schwindel

•  Normaler Kopfimpulstest à Schlaganfall (typischerweise PICA, seltener AICA)

à  CAVE: Kopfimpulstest “falsch” abnormal in AICA / lateralen pontinen Ischämien

•  Testung von Blickrichtungsnystagmus & Skew à erhöht die Sensitivität des Kopfimpulstestes auf 98%.

•  H.I.N.T.S. schliessen eine vertebrobasiläre Ischämie mit höherer Sicherheit aus als eine frühe MRT.

•  CAVE: falsch-negative MRT (inkl. Diffusionswichtung) in den ersten 24-48h nach Symptombeginn in ≤20% der Fälle.

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Vignette 6

•  72-jähriger Mann mit St. n. Schlaganfall im Anterior- und Mediastromgebiet rechts vor 6 Monaten und zweimaligem epileptischem Anfall.

•  Medikation: ASS cardio, Atorvastatin, Candesartan, Levetiracetam.

•  Ehefrau berichtet über zunehmende Gereiztheit und Impulsivität sowie Rückzugstendenz.

•  Klinisch: residuelles spastisches Hemisyndrom links, Hemineglekt links.

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Diese Wesensveränderungen sind wahrscheinlich Folge des Schlaganfalles.

☐ RICHTIG

☐ FALSCH

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Levetiracetam-assoziierte Nebenwirkungen

•  Impulsivität, Gereiztheit und Aggressivität in mindestens 15-20% aller Patienten unter Levetiracetam (Keppra ®).

•  Daneben auch depressive Entwicklung und/oder Schlafstörungen möglich.

•  Aktives Erfragen dieser Nebenwirkungen bei den Angehörigen / Betreuern wichtig!

•  Häufig Wechsel der antikonvulsiven Therapie nötig. Wahl anhand von Comorbiditäten und Aetiologie (Alternativen: z.B. Lamotrigin, Carbamazepin, Valproat).

•  Sofern Levetiracetam als add-on à Wechsel auf Brivaracetam (Briviact ®) erwägen.

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Vignette 7

•  27-jährige Patientin mit bekannter Temporallappen-epilepsie äussert Kinderwunsch.

•  Es besteht eine antikonvulsive Medikation mit Valproat (1200mg/d), welche gut toleriert wird.

•  Letzter epileptischer Anfall vor 18 Monaten (damals für 36h keine Medikamenteneinnahme).

•  Das aktuelle EEG zeigt einen intermittierenden rechtstemporalen Herd mit einzelnen epilepsieverdächtigen Potenzialen.

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Kann die bestehende antikonvulsive Medikation mit Valproat beibehalten werden?

☐ JA

☐ NEIN

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Antikonvulsive Medikation in der Schwangerschaft

•  Das Missbildungsrisiko ist unter Valproat (Depakine ®, Orfiril ®) v.a. im ersten Trimenon deutlich erhöht (ca. 9%).

•  Ebenfalls kontraindiziert: Topiramat, Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepin.

•  Wechsel vor Schwangerschaft auf Lamotrigin (plus Folsäure) oder Levetiracetam empfohlen (Anfallskontrolle ist wichtig!).

•  Cave: Monitoring der Spiegel von Lamotrigin und Levetiracetam während (Abfall der Serumkonzentration um bis zu 60%) und nach der Schwangerschaft (rascher Anstieg, Gefahr Intoxikation) wichtig.

•  Übertritt von Lamotrigin und Levetiracetam in die Muttermilch à Stillen nicht empfohlen.

Hernandez-Diaz et al. (2012) Neurology

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Vignette 8

•  33-jährige Patientin mit bekannter primär-progredienter multipler Sklerose, Erstdiagnose vor ca. 2 Jahren.

•  Sie ist auf eine Gehhilfe angewiesen und leidet unter einer neurogenen Blasenfunktionsstörung.

•  In der Zeitung hat sie kürzlich davon gelesen, dass es ein neues Medikament gegen diese Form der MS gibt.

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Medikamentöse Therapie bei primär-progredienter MS

•  Primär-progrediente MS bei ca. 10-15% aller MS-Patienten.

•  Bis dato keine wirksame immunmodulierende Therapie bekannt.

•  März 2017: Zulassung von Ocrelizumab in den USA zur Therapie der primär-progredienten MS. –  Monoklonaler Antikörper, welcher CD20-positive B-Zellen

depletiert. 1 Infusion alle 6 Monate. –  1 Studie mit 732 Patienten (Montalban et al. 2017 NEJM) –  Über 24 Wochen tiefere Progressionsraten als Plazebo. –  In der Schweiz noch nicht zugelassen (geplant: Oktober 2017).

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Ocrelizumab

Montalban et al. (2017) Ocrelizumab versus Placebo in Primary Progressive Multiple Sclerosis. N Engl J Med;376:209-20

Krankheitsprogress nach 24 Wochen Läsionslast

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Vignette 9

•  42-jährige Patientin mit bekannter Migräne mit Aura seit der Jugend und chronischer Lumbalgie seit 9 Monaten: Zunahme der Migräneattacken (2-3 Attacken pro Woche, früher 1-2x pro Monat) seit 6 Monaten.

•  Zusätzlich seit ca. 3 Monaten dumpfer diffuser Dauerkopfschmerz leichter bis mittlerer Intensität.

•  Behandlung der Lumbago und der Kopfschmerzen bis dato mit verschiedenen Analgetika (Paracetamol, Ibuprofen, Novalgin). Einnahme an mindestens jedem zweiten Tag in den letzten 5-6 Monaten.

•  Klinisch: bis auf ein leichtes Taubheitsgefühl an Dig. 1-3 der rechten Hand unauffällig.

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Was ist die wahrscheinlichste Ursache der veränderten Kopfschmerzsymptomatik?

☐ ein Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz

☐ es handelt sich um einen fluktuierenden Verlauf der bekannten Migräne.

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Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz (MüKS)

•  Risiko eines MüKS bei Einnahme von Analgetika / Opiaten / Triptanen an mehr als 10-12 Tagen pro Monat während mehr als 2-3 Monaten.

•  Prävalenz: 1% in der Gesamtbevölkerung.1,2 10% aller Patienten in Spezialsprechstunde.

1 Castillo et al. Headache 1999 2 Wang SJ et al. Neurology 2000

!me(weeks)

0246810

1 2 3 4 5 6 7 8

intensity

Übernommen von PD A. Gantenbein

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MüKS – Therapie •  Wichtigste Massnahme: Etablierung einer

Basismedikation –  Antidepressiva (z.B. Venlafaxin (Efexor ®), Duloxetin (Cymbalta

®, Mirtazapin (Remeron ®) oder Trizyklika) –  Betablocker (Propranolol, Metoprolol) –  Magnesium hochdosiert plus Riboflavin (Vitamin B2) –  Antiepileptika (Lamotrigin (Lamictal ®), Topiramat (Topamax ®))

•  Begleitend Reduktion der Akutmedikation (max. Einnahme an 10-12 Tagen/Monat).

•  Ggf. stationärer Schmerzmittelentzug (Akuthospitalisation & stationäre Rehabilitation).

•  Ggf. zusätzlich Durchführung eines MRIs mit Frage nach symptomatischem Kopfschmerz.

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Vignette 10

•  41-jährige Patientin mit St. n. leichtem Schädel-Hirn-Trauma vor 4 Wochen (damals Sturz vom Pferd)

•  Initial bestanden eine Nausea und Vomitus sowie heftige Kopfschmerzen, im Verlauf deutliche Besserung dieser Beschwerden.

•  Nun berichtet sie über wiederkehrende kurze Schwindelattacken bei Positionsänderungen (sich Drehen im Bett, sich Hinlegen, Aufstehen) seit 3 Tagen.

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Welche Untersuchung ist nun am sinnvollsten?

☐ ein CT-Schädel mit Frage nach Subduralhämatom

☐ die klinischen Provokationsmanöver bei Verdacht auf benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel

☐ ein Schellong Test

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Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPLS)

•  typisch: kurze Drehschwindelattacken, ausgelöst durch Lageänderungen des Kopfes (sich Drehen im Bett, sich Hinlegen oder Aufrichten, Kopfinklination / -reklination)

ü  aber auch: unspezifischer Schwindel, posturale Instabilität, Benommenheit, Nausea

•  Aetiologie: meist idiopathisch (> 50%), Trauma (≈ 15%), Zell-Degeneration, z.B. nach Neuritis vestibularis (≈ 15%)1

•  BPLS in 40% aller Patienten mit Schwindel >70 Jahren in einer Studie.2

•  Gezielte Diagnostik (Provokationsmanöver) und Therapie (Reposition) in der Praxis möglich.

1 Blatt et al. (2000) Am J Otol 2 Katsarkas (1994) Otolaryngol Head Neck Surg. 110:296–301

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Provokationsmanöver

posteriorer anteriorer

Bogengang

Hallpike

Furman & Cass NEJM 1999 Übernommen von PD Dr. A. Palla

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posteriorer anteriorer

Bogengang

Hallpike

Furman & Cass NEJM 1999 Übernommen von PD Dr. A. Palla

Provokationsmanöver

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Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit