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Der Klimawandel aus dem Blickwinkel der Physik und der Erdgeschichte Teil 6 von Dr.-Ing. Alexander Koewius, Ratingen 5. Paleoklimatologische Befunde und die aus ihnen gewinnbaren Einsichten; oder: Was uns die beiden letzten Eiszeitalter aus der Erdgeschichte zu sagen haben 5.1 Einleitung: kleine Übersicht zur Erdgeschichte Wer sich einen etwas ausführlicheren Blick in die ~ 4,6 Milliarden Jahre umfassende Erdgeschichte gönnt, sie gehört (leider) nicht unbedingt zu den üblichen Bildungsinhalten , der wird von so manchem tiefgehenden Eindruck gefangen genommen, den auch Bereiche außerhalb des aus heutiger Sicht enormen erdgeschichtlichen Klimawandels vermitteln. Nachstehende Tabellen 1 und 2 sollen uns erst einmal einen groben Überblick geben: Tabelle 1: Kurzübersicht zur gesamten Erdgeschichte Erdzeitalter (Äonen) [Dauer in 10 9 Jahren] Anfang bis Ende (Zahlen geben Abstand bis Heute an) Biosphäre bzw. Stand der Evolution des Lebens Erdsystem und Paläo-Klima Hadikum [0,6] 4,6 bis 4,0 Keine Lebewesen Bildung des Planeten Erde als Glutball; Entstehung des Mondes; Heftigste Asteroiden-Einschläge; im wesentl. noch keine stabile Erdkrus- te; Frühatmosphäre vulkanischen Ursprungs, bestehend aus H 2 O-Dampf, CO 2 , N 2 ,... . Kein O 2 ! Archaikum [1,5] 4,0 bis 2,5 Auftreten von Vorformen organischen Lebens in den Ozeanen; ~3,5: Bildung strukturell primitiver, heterotropher Einzeller ohne Zellkern (= Prokaryoten), darunter später auch O 2 -produzierende Cyanobakterien Auftreten von fester Kruste; Bildung der Ozeane; immer noch O 2 -freie Atmosphäre mit großen Anteilen an N 2 und CO 2 (vor Ozeanbildung auch sehr große Menge an H 2 O-Dampf) Proterozoikum [circa 2,0] 2,5 bis 0,542 (bzw.~ 0,6 nach anderen Angaben) Vermehrtes Auftreten von Einzellern mit komplexem Zellaufbau (Zellkern, Organel- len, Zellwand), d.h. entspr. der modernen Zelle (= sog. Eukaryoten); Auf der Basis der Eukaryoten dann ab ~ 0,7: Auftreten der ersten Mehrzeller (= i.a. recht kleine Tiere ohne Hartbestandteile wie Scha- len oder Skelett); noch kein Leben auf d. Land ~ 2,5: Beginn der O 2 -Anreicherung der Atmosphäre; große Klimaschwankungen, die vermut- lich bis zur Vereisung (etwa in der Zeit 0,85 bis 0,63) fast der ganzen Erde geführt haben; hoher CO 2 - Gehalt (mehrere 1000 ppm) Phanerozoikum (bedeutet soviel wie: „Zeitalter des – angesichts der vielen makroskopi- schen Fossilien – sichtbar werdenden Lebens“) [0,54 bzw. 0,6] 0,542 (bzw. 0,6) bis 0 (d.h. bis zur Gegenwart) Zu Beginn: „Kambrische Explosion“ der Vielfalt von – vor allem größeren – Lebensformen (d.h. Tiere, jetzt auch mit Hartbestandteilen, sowie Pflanzen); ~ 0,5: der erste Fisch (im Kambrium); ~0,43: Pflanzen erobern das Land(im Silur); ~ 0,4: Tiere kommen an Land, erste Insek- ten, erste Amphibien (im Devon); ~ 0,3: erste Reptilien (im Karbon); ~ 0,22 (im Trias): Erste Krokodile, Säugetie- re; Beginn der Zeit der Dinosaurier (die 0,065 endet) nach 0,065 (im Känozoikum): Aufstieg der Säugetiere; nach ~ 0,01: Auftreten von Hominiden; später dann (im Quartär): homo sapiens Zu Beginn akryogene Phase sowie atmosphärischer CO 2 -Gehalt hoch (einige 1000 ppm), dann (d.h. bis 0,34 im Karbon) auf 500 ppm ab- fallend wegen starker Ausbreitung der Landflora (verbunden mit O 2 -Anstieg auf zeitweilig über 30 %) und wg. zu- nehmender Verwitterung; daher in 0,33 bis 0,27: kryogene Phase; anschlie- ßend: „Erholung“ des CO 2 -Gehalts und Beginn der letzten akryogenen Phase, die bis 0,03 andauerte; danach (wg. abfallenden CO 2 -Gehalts) jüngste kryogene Phase; Bildung (und Zerfall) von „Superkontinenten“ wie Gondwana und Pangäa; während des Phanerozoikums mehrere plötzliche Massenaussterben = ‚Faunenschnitte’, vermutlich infolge Vulkanismus, Großmeteoren, ...

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Der Klimawandel aus dem Blickwinkel der Physik und der Erdgeschichte Teil 6

von Dr.-Ing. Alexander Koewius, Ratingen 5. Paleoklimatologische Befunde und die aus ihnen gewinnbaren Einsichten;

oder: Was uns die beiden letzten Eiszeitalter aus der Erdgeschichte zu sagen haben

5.1 Einleitung: kleine Übersicht zur Erdgeschichte Wer sich einen etwas ausführlicheren Blick in die ~ 4,6 Milliarden Jahre umfassende Erdgeschichte gönnt, – sie gehört (leider) nicht unbedingt zu den üblichen Bildungsinhalten – , der wird von so manchem tiefgehenden Eindruck gefangen genommen, den auch Bereiche außerhalb des – aus heutiger Sicht enormen – erdgeschichtlichen Klimawandels vermitteln. Nachstehende Tabellen 1 und 2 sollen uns erst einmal einen groben Überblick geben:

Tabelle 1: Kurzübersicht zur gesamten Erdgeschichte Erdzeitalter (Äonen) [Dauer in 109 Jahren]

Anfang bis Ende (Zahlen geben Abstand bis Heute an)

Biosphäre bzw.

Stand der Evolution des Lebens

Erdsystem und

Paläo-Klima

Hadikum

[0,6]

4,6 bis 4,0

Keine Lebewesen

Bildung des Planeten Erde als Glutball; Entstehung des Mondes; Heftigste Asteroiden-Einschläge; im wesentl. noch keine stabile Erdkrus-te; Frühatmosphäre vulkanischen Ursprungs, bestehend aus H2O-Dampf, CO2, N2,... . Kein O2!

Archaikum

[1,5]

4,0 bis 2,5

Auftreten von Vorformen organischen Lebens in den Ozeanen; ~3,5: Bildung strukturell primitiver, heterotropher Einzeller ohne Zellkern (= Prokaryoten), darunter später auch O2-produzierende Cyanobakterien

Auftreten von fester Kruste; Bildung der Ozeane; immer noch O2-freie Atmosphäre mit großen Anteilen an N2 und CO2 (vor Ozeanbildung auch sehr große Menge an H2O-Dampf)

Proterozoikum

[circa 2,0]

2,5 bis 0,542 (bzw.~ 0,6 nach

anderen Angaben)

Vermehrtes Auftreten von Einzellern mit komplexem Zellaufbau (Zellkern, Organel-len, Zellwand), d.h. entspr. der modernen Zelle (= sog. Eukaryoten); Auf der Basis der Eukaryoten dann ab ~ 0,7: Auftreten der ersten Mehrzeller (= i.a. recht kleine Tiere ohne Hartbestandteile wie Scha-len oder Skelett); noch kein Leben auf d. Land

~ 2,5: Beginn der O2-Anreicherung der Atmosphäre; große Klimaschwankungen, die vermut-lich bis zur Vereisung (etwa in der Zeit 0,85 bis 0,63) fast der ganzen Erde geführt haben; hoher CO2 - Gehalt (mehrere 1000 ppm)

Phanerozoikum (bedeutet soviel wie:

„Zeitalter des – angesichts der vielen makroskopi-

schen Fossilien – sichtbar werdenden Lebens“)

[0,54 bzw. 0,6]

0,542 (bzw. 0,6) bis 0 (d.h. bis zur Gegenwart)

Zu Beginn: „Kambrische Explosion“ der Vielfalt von – vor allem größeren – Lebensformen (d.h. Tiere, jetzt auch mit Hartbestandteilen, sowie Pflanzen); ~ 0,5: der erste Fisch (im Kambrium); ~0,43: Pflanzen erobern das Land(im Silur); ~ 0,4: Tiere kommen an Land, erste Insek- ten, erste Amphibien (im Devon); ~ 0,3: erste Reptilien (im Karbon); ~ 0,22 (im Trias): Erste Krokodile, Säugetie- re; Beginn der Zeit der Dinosaurier (die 0,065 endet) nach 0,065 (im Känozoikum): Aufstieg der Säugetiere; nach ~ 0,01: Auftreten von Hominiden; später dann (im Quartär): homo sapiens

Zu Beginn akryogene Phase sowie atmosphärischer CO2-Gehalt hoch (einige 1000 ppm), dann (d.h. bis ∼0,34 im Karbon) auf ∼ 500 ppm ab-fallend wegen starker Ausbreitung der Landflora (verbunden mit O2-Anstieg auf zeitweilig über 30 %) und wg. zu-nehmender Verwitterung; daher in 0,33 bis 0,27: kryogene Phase; anschlie-ßend: „Erholung“ des CO2-Gehalts und Beginn der letzten akryogenen Phase, die bis ∼ 0,03 andauerte; danach (wg. abfallenden CO2-Gehalts) jüngste kryogene Phase; Bildung (und Zerfall) von „Superkontinenten“ wie Gondwana und Pangäa; während des Phanerozoikums mehrere plötzliche Massenaussterben = ‚Faunenschnitte’, vermutlich infolge Vulkanismus, Großmeteoren, ...

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Tabelle 2: Kurzübersicht zur Erdneuzeit

Ärathem

System Serie

≈ Alter (106 Jahre) 0 heißt „Gegenwart “

Käno- zoikum

Quartär Holozän 0,0117 – 0 Pleistozän 2,588 – 0,0117

Neogen Pliozän 5,332 – 2,588 Miozän 23,03 – 5,332

Paläogen

Oligozän 33,9 – 23,03 Eozän 55,8 – 33,9

Paläozän 65,5 – 55,8

Tabelle 2: Das etwa 65 Millionen Jahre umfassende Känozoikum, auch als Erdneuzeit bezeichnet, stellt eine der 3 Hauptunterteilungen (= ‚Äratheme’) des Phanerozoikums dar. Anmerkung: Früher wurden das Neogen und das Paläogen (= ‚Systeme’) mit ihren entsprechenden Unterteilungen (‚Serien’) zum Begriff „Tertiär“ zusammengefasst.

Anders als in Tabelle 1 steht hier der jüngste Zeitabschnitt oben an. Unbenannte Zahlen bedeuten „Zeiten/ Zeitpunkte“ in der Einheit „Millionen Jahre“, mithin anders als in Tabelle 1, wo ja für die ‚unbenannten Zahlen’ die Zeiteinheit „Milliarden Jahre“ (Einheit auch: Ga = Giga-Annus) gewählt wurde.

Erläuterung einiger Begriffe, die in den Tabellen 1 und 2 auftauchen:

- heterotroph = sich von organischer Substanz ernährend. Bakterien im Wasser ernährten sich (wenigstens in der Frühzeit der Erde) auch von höher-atomigen chemischen Verbindungen. Heterotroph sind alle Tiere; Pflanzen dagegen sind in der Regel autotroph, d.h. nicht auf den ‚Verzehr’ anderer Organismen angewiesen.

- akryogene Phasen = Zeiträume (in der Erdgeschichte), in denen es keine Gebiete auf der Erde gab, in denen das ganze Jahr hindurch Schnee und Eis in nennenswerter Menge liegen blieb egal, ob auf dem Land oder als Eisschicht auf dem Wasser. In der Erdgeschichte überwiegen diese Pha-sen bei weitem. Gegensatz: kryogene Phasen = Eiszeitalter. Das Adjektiv ‚kryogen’ bei einer erdgeschichtlichen Periode ist allerdings im deutschsprachigen Raum (im Gegensatz zu engl. ‚cryogenic period’) unüblich, da i.d.R. auf die Tieftemperaturtechnik u. –physik beschränkt. Andererseits wiederum enthält die Geologische Zeitskala den Zeitabschnitt „Cryogenium“.

- Gondwana = das Gebiet der heutigen Antarktis enthaltender, weitgehend auf der Südhalbkugel ange- siedelter Großkontinent, dessen Existenz sich bis in das Proterozoikum (vor dem Zeitpunkt 0,6∗109 a) zurückverfolgen lässt. Etwa in der Zeit von ∼ 0,3∗109 a (PermTrias) wurde er (neben weiteren kleineren Landmassen in der Nähe von G.) zum Bestandteil des Superkontinents Pangäa.

- Pangäa = ein die heutigen Kontinentalmassen in sich vereinigender, vom Südpol bis in die Nordpolar- gebiete reichender Superkontinent, der um ∼ 0,3 bis 0,25∗109 a vor unserer Gegenwart entstand durch die Vereinigung Gondwanas mit Laurasia (im englischen Sprachraum findet man auch: ‚Euramerica’). Pangäa brach um ∼ 0,15∗109 a wieder auseinander, verbunden mit dem Auseinanderdriften von – u.a. den heutigen Kontinenten entsprechenden – einzelnen Landmassen sowie von Gondwana. Obige Zahlenangaben variieren von Quelle zu Quelle. Gondwana seinerseits zerfiel später (in der Kreidezeit, vor 0,144 bis 0,065∗109 a), wobei die Antarktis als selbständige Landmasse (Kontinent) entstand.

5.2 Einblicke in das Klimageschehen im Phanerozoikum vor Beginn des Quartärs

Angesichts der Unsicherheiten, die mit Daten aus paläogeologischen und –klimatologischen Untersuchungen umso mehr verbunden sind, je weiter sie in die Erdgeschichte zurückreichen, erweisen sich alle hier genannten, meist direkt zitierten Zahlenangaben als mehr oder weniger grobe Schätzungen. N.B.: Diese Feststellung betrifft nicht die Länge, zeitliche Lage und Aufeinanderfolge geologischer

Paläogeologische und paläoklimatologische Ereignisse im Känozoikum: --------------------------------------------------------- heutige Warmzeit --------------------------------------------------------- Auftreten von Eiszeit-Zyklen auf der Nordhalbkugel --------------------------------------------------------- Andauern d. kryog.n Phase bis heute ---------------------------------- ~ 30: Beginn der Vereisung der Ant- arktis, d.h. einer kryogenen Phase --------------------------------------------------------- ab ~ 40: Absinken des CO2- Gehalts von ~500 (seit ~ 65) auf ~300 ppm (ab ~ 25); ~ 65: Ende der Dinosaurier (allge-mein: das letzte Massen-Aussterben)

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Zeiträume, die zwecks Unterteilung der Erdgeschichte definiert und namentlich benannt sind. Auskunft hierzu gibt die - international verbindliche - Geologische Zeitskala, welche die ICS (= International Comission on Stratigraphy) erarbeitet hat. Die Unsicherheiten sind jedoch nicht so groß, dass gewisse Zusammenhänge ganz im Verbor-genen bleiben würden, wie z.B. der zwischen dem atmosphärischen CO2-Gehalt, k, und dem Auftreten kryogener Phasen, die sich durch das Vorhandensein kontinentaler Eisschilde bemerk-bar machen, siehe die schwarzen Balken in Bild 17. Das Diagramm erstreckt sich zwar nur auf die letzten 10 % der geologisch erfassbaren Erdgeschichte; es gibt uns aber bereits einen Ein-druck von der außerordentlichen Dynamik, die das erdgeschichtliche Geschehen auf unserem Planeten beherrschte, wenn man dies wie hier in zeitlich groß-skaligem Maßstab betrachtet. In einem solchen Maßstab lassen sich dagegen kurzzeitige, drastische Änderungen oder Ereignisse globaler Natur, (die sich über zig-Jahrmillionen ja auch nachweisen lassen), nicht recht darstellen. Das Bild zeigt u.a., wie beharrlich sich die Tendenz zu niedrigeren k-Werten immer wieder durchzusetzen versucht. Vor (und an) dem Zeitpunkt 400 Ma lag k mit mehreren 1000 ppm aus heutiger Sicht sehr hoch. CO2-verbrauchende, chemische Verwitterungsvorgänge (im Beisein von Wasser) senkten k im Zeitraum von 540 bis 320 Ma auf etwa 500 ppm ab, wozu (ab ∼ 400 Ma) auch die starke Entwicklung und Vermehrung der Pflanzen auf dem Land beitrug. Man sieht aber, dass die (trendhafte) Absenkungsrate bei k in jener Zeit sehr gering war. Man kann größenordnungsmäßig „0,2 ppm auf 5000 Jahre“ herauslesen, was ungefähr der Länge derjenigen Zeit entspricht, in der die menschliche Kultur sich entwickelt hat; - und solches wiederum relativiert den Begriff „Dynamik“ in spezieller Hinsicht dann doch ein wenig!

Bild 17: Entwicklung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre und das Auftreten kontinentaler Vereisungen während der letzten 400 Millionen Jahre (Ma = Mega-Annus) des Phanerozoikums. Die letzten 65 Ma dieses Äons (= griech. ‚Ewigkeit’) entfallen auf das Känozoikum (= Erdneuzeit), das auch heute noch fortdauert. Der hellgraue, gezackte Bereich entspricht den (plausiblen) Schwankungsbreiten gemäß dem geo-chemischen Modell „Geocarb III“ zum Kohlenstoff-Kreislauf (nach Berner u. Kothavala, 2001). Die – durch Mittelung entstandenen – dunkelgrau gezeichneten atmosphärischen CO2 -Verläufe beruhen auf sog. Proxy-Daten*), die z.T. anhand organischen Materials tief in (Ozean)böden gewonnen wurden. Die von oben in das Diagramm hineinreichenden, schwarzen Balken deuten zum einen die Zeiträume an, in denen die letzten beiden Phasen mit dauernder Eisbedeckung angesiedelt sind, und zum anderen die Ausdehnung der kontinentalen Eisschilde von den Polen in südliche Breitengrade. Quelle: 4th AR (= Assessment Report) des IPCC, WG (= Working Group) I Report „The Physical Scientific Basis“, Kapitel 6 „Paleoclimate“, S. 441. Bemerkenswert ist eigentlich auch, dass k im Verlauf der Erdzeitalter niemals zum Verschwinden klein wurde. Denn eine Veränderung von k unterliegt gegenläufigen, permanent ablaufenden ----------------------- *) Das sind „Stellvertreter-Daten“, die gewisse Rückschlüsse auf den atmosphärischen CO2-Gehalt in der Vergan-genheit der Erde erlauben, also in weiter zurück liegenden Zeiten, für die dieser Gehalt nicht direkt zu ermitteln ist.

Käno-zoi- kum

k

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Prozessen, die global mit wechselnder Intensität wirksam werden. Beispiel: Überwiegt die (CO2 –konsumierende) Gesteinsverwitterung, wird der Atmosphäre mehr CO2 entzogen, als ihr durch vulkanische (genauer: tektonische) Aktivität im gleichen (groß-skaligen) Zeitraum hinzugefügt wird; und umgekehrt. Abgesehen von anderen Einflüssen, die die mittlere Temperatur an der Erdoberfläche bestimmen, bietet ein hohes k den Hinweis darauf, dass diese Temperatur ebenfalls zu höheren Werten tendiert, und vice versa. Näherte sich also k in etwa dem heutigen Niveau, dann wurde die Chance groß, dass im Bereich (wenigstens einer) der Pole eine dauerhafte Vereisung beginnen konnte; mithin der Wechsel von einer akryogenen in eine kryogene Phase stattfand. Davon legt Bild 17 anhand der letzten beiden „Eiszeitalter“ beredtes Zeugnis ab. Während wir uns in der (vorläufig?) letzten dieser kryogenen Phasen befinden, hatte die dieser voraus gegangene nach Ablauf von rund 60 oder 70 Ma ein Ende; wobei man sich natürlich fragt „Warum wohl?“ Eine einzige Antwort nur habe ich – trotz intensiven Quellenstudiums – gefunden. Im Buch von R. Walter, „Erdgeschichte – Die Entstehung der Kontinente und Ozeane“ findet man auf S. 95 hierzu etwas; ich zitiere: [ >> Am Ende des Paläozäns (= Ende des Karbons, um 300 Ma vor der Gegenwart) hatte dann eine extreme Meeresspiegelabsenkung um mehrere 100 m die Freilegung und die Oxidation des zuvor massenhaft im Sediment gebundenen organischen Materials zu Folge, so dass auch der Gehalt an freiem Sauerstoff wieder sank. <<]. Solcherlei klingt insofern plausibel als „Oxidation“ ja auch „Bildung von CO2“ bedeutet. Was somit den Wiederanstieg von k ab dem Zeitpunkt ~ 270 Ma bis 250 Ma, siehe Bild 16, (teilweise) erklären könnte.

Wenden wir uns abschließend dem Beginn der letzten kryogenen Phase zu, in der wir auch heute noch leben. Er ist identisch mit der vor ~35 bis 30 Millionen Jahren in Gang kommenden Vereisung der Antarktis, die damals längst schon als eigenständiger Kontinent den Südpol ‚beherbergt’ hatte. Seit der Kreidezeit (= eine von 140 bis 65 Ma vor ‚heute’ dauernde, eisfreie Warmzeit, in der Dinosaurier auch in Polarregionen lebten) bis hin zum Oligozän (34 bis 23 Ma vor heute) war der CO2-Gehalt der Atmosphäre langsam aber beständig (von über 1000 auf ca. 400 bis 500 ppm) abgesunken. Dieses Absinken setzte sich auch danach noch fort bis in die Zeit, in der sich auch die nordpolare Eiskappe bildete. Zur Entstehung der letzteren finden sich unterschiedliche Zahlenangaben. Gemäß dem Report „Arctic Climate Impact Assessment“ (Cambridge University Press, 2005) wäre – da angeblich nicht unwahrscheinlich – von folgendem auszugehen: Der erste kleinere Eisschild trat (z.B. auf Grönland) vermutlich schon im Pliozän auf. Ein rasches Fortschreiten der Arktisvereisung (bis etwa zum heute bestehenden Ausmaß hin) wäre aber erst ab ~3,5 Ma vor heute anzunehmen. Und dies entspräche dem, was üblicherweise mit „Beginn der Vereisung der Nordpolarregion“ apostrophiert wird. Andere Quellen, z.B. [D. Archer], nennen hierzu – aus guten Gründen – ~2,6 Ma, also den Beginn des Quartärs (2,6 bis 0 Ma). So oder so, zwischen der süd- und nordpolaren Vereisung besteht mithin ein erkennbarer Zeitunterschied.

Demnach lässt sich wohl allgemein behaupten, dass die Zeit der Entstehung einer polaren Eiskappe auch davon abhängt, welchen der beiden Erdpole man in Betracht zieht. Diesbezüglich herrscht ja geographisch gesehen keine Symmetrie, auch in den vergangenen Erdzeitaltern nicht, so dass viele Ursachen maßgeblich werden wie die Verteilung und Größe der Landmassen im Polargebiet, die Ausbildung von Meeresströmungen und großräumiger Luft-Zirkulationen, von denen der meridionale Temperaturausgleich**) abhängt, die Niederschlags-menge usw. Ein niedrigerer werdender CO2-Gehalt der Atmosphäre ist zwar bedeutsam dafür, wann im Phanerozoikum mit einer Pol-Vereisung zu rechnen war, jedoch nicht allein in dieser Hinsicht maßgeblich. -------------------------- **) Gemeint ist der, welcher vom Äquator zu den Polen hin stattfindet. Angenommen, der meridionale T-Ausgleich wäre nicht vorhanden bzw. zu gering, dann würden in der langen Erdgeschichte eher Eisschilde an beiden Polen zur Regel geworden sein an Stelle der in der Realität nachgewiesenen, ausgedehnten akryogenen Zeitalter.

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Mancherorts (ich beziehe meine „Weisheit“ häufig auch aus dem Internet) wird die These vertreten, das Entstehen einer polaren Eiskappe 3*) werde durch Festland begünstigt, gar initiiert, natürlich stets vorausgesetzt, dass das Festland hinreichend nahe am Pol liegt. Ob das Land den Pol nun direkt beherbergt, oder ob es – durch Wasser getrennt – dem Pol nahe genug ist, spielt da eigentlich keine Rolle. Man muss zugeben, es spricht viel für diese These, zumal wenn besagtes Land höhere Bergregionen aufweist (bzw. in grauer Vorzeit aufgewiesen haben sollte). Anerkanntermaßen entsteht ein Eisschild ja dadurch, dass der Schnee, der im Winter gefallen ist, im darauf folgenden Sommer nicht ganz abschmilzt. Befördert wird dieser Effekt durch relativ kühle Sommer, wenn diese über einen gewissen geologischen Zeitraum die Regel bleiben (wir kommen im Unterkapitel 5.3 ausführlicher darauf zurück). Dagegen braucht es wahrscheinlich eine größere Weile, damit sich dem Lande benachbartes Meer dauerhaft mit Eis bedeckt, wenn man die hohe Wärmekapazität des (tief reichenden) Wassers in Betracht zieht. Und wenn schließlich das Meereis da war, sorgte besagte Wärmekapazität vermutlich auch dafür, dass es nicht die großen Dicken erreichte, zu denen die Eisschilde auf dem Land fähig sind. Andererseits dürfte die These darin noch keine Unterstützung finden, dass es rillenartige Eisgletscherspuren an der Oberfläche auch von sehr alten Gesteinsformationen auf dem Land gibt. Denn solche Spuren aus weit zurück in der Erdgeschichte liegenden Eiszeitaltern lassen (bzw. ließen) sich (bisher) nur auf den Kontinenten finden. Allein aufgrund der These wäre schon verständlich, wenn jemand sagte: „Wenn also eine der beiden irdischen Polarregionen die obige (paläo-)geographische Voraussetzung erfüllte, die andere aber nicht, dann ist doch klar, welche der beiden am ehesten das Rennen um den Beginn eines Eiszeitalters auf der Erde gewinnt“. Nun legen paläogeologische Befunde zwar nahe, dass im Phanerozoikum (d.h. seit 542 Ma) der Südpol, - anders als der Nordpol -, die meiste Zeit auf dem Land (Gondwana, Pangäa) angesiedelt war. So wie es beim Südpol heute noch der Fall ist: er liegt mitten auf dem antarktischen Kontinent; dagegen der Nordpol im von Meereis bedeckten Wasser. Jedoch besagt dies allein schon alles, wenn es z.B. um den Verlauf der vorletzten Vereisung vor rund 300 Ma, siehe Bild 17, geht? Damals waren praktisch alle der heute bekannten Landmassen zu einem Superkontinent, Pangäa, vereinigt. Dieser reichte, - anders als das vorher beim südlichen Großkontinent Gondwana der Fall war, - weit in die nördlichen Breiten hinein. Wie weit nun wirklich: darüber kann es nur Vermutungen geben so, wie sie sich in der Unterschiedlichkeit widerspiegeln, mit der in aller Welt paläo-geographische „Weltkarten“ für die besagte Zeit gezeichnet wurden und werden. Insbesondere gilt dies für die paläo-geographische Ausdehnung der Eisschilde zu jener Zeit. Allen diesbezüglichen Darstellungen ist in der Tat nur eins gemeinsam: die Südregion Pangäas steckt unter einer gewaltigen Eisdecke. Hingegen ist die Nordpolarregion manchmal eisfrei, manchmal mit Meereis bedeckt dargestellt. Wie weit sich damals das – sicherlich auch vorhanden gewesene – Meereis in Richtung Äquator erstreckt hat, lässt sich nicht genau sagen. Denn Meereis hinterlässt ja keine Spuren, die paläogeologisch ausgewertet werden könnten. Nun, wir deuteten es schon an: Je weiter man in die Erdgeschichte zurückgeht, desto größer wird i.a. nicht allein die Unsicherheit bei Zahlenangaben in publizierten ------------------------------ 3*) Wir wollen hierunter allgemein eine zusammenhängende, permanente Eisschicht verstehen, die sowohl das Land (in Form von durch Schneefall erzeugten Eisschilden/Gletschern) bedeckt als auch auf dem Meer (in Form von Packeis und Schelfeis) schwimmt. - Schelfeise sind mit einem Eisschild verbundene, jedoch im Ozean aufschwimmende Eismassen, die

hauptsächlich vom meerwärtigen Massenfluss des Inlandeises gespeist werden. - Der umgangssprachlichen Bezeichnung ‚Packeis’ entspricht der wissenschaftliche Begriff ‚Meereis’. - Der Begriff ‚Treibeis’ dagegen umfasst einzeln schwimmende, von Wasserströmungen mitgeführte

Eismassen, zu denen nicht nur die kleineren Eisschollen sondern eigentlich auch die großen Eisberge gehören.

Der Vereisungszustand der Antarktis ist vor allem durch den riesigen kontinentalen, kilometerdicken Eisschild gekennzeichnet, sowie durch ausgedehnte Schelfeisflächen in großen Meeresbuchten. Demgegenüber besteht die nordpolare Eiskappe maßgeblich zum einen aus dem grönländischen Eis-schild, zum anderen aus dem Nordpolarmeer, soweit dieses dauerhaft mit Meereis bedeckt ist. N.B.: Die Ausdehnung (und auch Dicke) dieser Meereisbedeckung reagiert sensibel auf Temperaturänderungen. Letztere wiederum sind nicht allein durch die Jahreszeiten bedingt, sondern auch eine Folge des sich wandelnden Klimas.

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Forschungsergebnissen, sondern auch der Spielraum für (qualitative) Annahmen, Theorien oder gar Spekulationen. Bei der rein qualitativen, nur Vermutungen zulassenden Erörterung erdgeschichtlicher Vorgänge hält sich übrigens die „Gemeinde“ der Wissenschaft betreibenden Paläo-Geologen und -Klimatologen in ihren Publikationen eher zurück zumal, wenn es um solche Details geht, wie ich sie hier in den Vordergrund gerückt habe.

5.3 Die Eiszeitzyklen innerhalb des Quartärs (2,6 Ma bis zur Gegenwart)

a) Vorbemerkungen: Hat man sich einmal lange genug in den Gegenstand „Quartäres Eiszeitalter und seine Ursachen“ vertieft, kann einem, der naturverbunden denkt und fühlt, ein eher ratloses Staunen zum treuen Begleiter werden; so meine aus eigenem Erleben stammende Einschätzung. In der Tat, man muss nicht immer gleich „das Geheimnis des Lebens und seiner Entstehung“ bemühen, um die Erdgeschichte absolut faszinierend zu finden; viele andere Ereignisse in dieser langen Geschichte sind ähnlich in der Lage, der Lust am geistigen Abenteuer zu genügen. So eben auch die Eiszeitzyklen des Quartärs ab etwa 2,6 Ma vor heute, deren Zustandekommen und Ablauf einem beinah schon wie eine „unheimliche Begegnung der 3. Art“ erscheinen mag (um auf einen Filmtitel aus den 70er Jahren anzuspielen). Zum Paläo-Klima des Quartärs gibt es inzwischen eine beachtliche Reihe wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse; dies umso mehr, je näher der untersuchte Zeitraum, aus dem ein erklärungsbedürftiger Befund stammt, an unserer Gegenwart liegt. Doch einige Geheimnisse dieser ganzen – übrigens noch andauernden – Epoche sind noch nicht gelüftet und damit noch Gegenstand von mehr oder weniger plausibler Vermutungen und Interpretationen. Angesichts der Fülle relevanter und damit berichtenswerter Einzelheiten fällt es schwer, sich kurz zu fassen ohne zu vage zu sein. Ich möchte es dennoch versuchen und dabei nicht darauf verzichten, wenigstens eine Einzelheit (aus der verwirrenden paläoklimatischen Fülle) sehr ausführlich darzustellen. Letzteres einfach deswegen, um (wieder) einmal exemplarisch zu zeigen, mit welchen komplizierten Sachverhalten - Hand in Hand mit allerlei gedanklich anspruchsvollen Subtilitäten - die Klimatologen und deren Kollegen aus den anderen Zweigen der Erd-Wissenschaften bei ihrer Tatsachen- und Ursachenforschung konfrontiert werden.

b1) Einiges zum Beginn der Eiszeitforschung: Es war ein recht mühseliger, bis Ende des 18. Jahrhunderts zurückreichender Weg, auf dem sich nach und nach die Erkenntnis durchsetzte, dass Knochen- und Skelettfunde (in schwer zugänglichen Höhlen, in den (Permafrost-)Böden Sibiriens, ...) sowie gewisse geologische Befunde (wie erratische Gesteinsblöcke fern von jedem Hochgebirgsgipfel und Gletscher, die Endmoränen, Urstromtäler, ....) Zeugen einer erdgeschichtlich weit zurückliegenden Vergangenheit sein mussten. Der Keim zur Eiszeitforschung wurde in den in den 20er und 30er Jahren des 19. Jahrhunderts in der Schweiz gelegt. Es waren Schweizer Naturforscher, die als erste nur eine sinnvolle Erklärung dafür sahen (und auch öffentlich machten), dass z.B. große Gesteinsbrocken fern vom Gebirge frei herumlagen: Sie mussten von Eismassen bewegt worden sein, die in der Vergangenheit eine ungleich größere Ausdehnung hatten als die gerade vorhandenen Gletscher. Natürlich war damals wohlbekannt, dass Gletschereis von Berg zu Tal fließt (wenn auch langsam) und hierbei in der Lage ist, nicht nur Geröll und Gesteinsbrocken mit sich zu führen, sondern auch die Felsflächen, die einen Gletscher von unten und von den Seiten her begrenzen, abzuschleifen. Nun, derartige ‚Schleifspuren’, wissenschaftlich mit ‚Gletscherschliff’ bezeichnet, fanden sich auch an Felsen, die weit entfernt von jedem Gletscher lagen; was als weiterer Beleg für die „These vom großen Eis“ gewertet werden durfte. Übrigens, auch der Begriff ‚Eiszeit’ selbst entstand in diesen Jahren. Ähnliche Belege zum Gletscherschliff wie aus dem Alpenraum einschließlich Alpenvorland fanden sich (gemäß [Hofbauer]) sehr bald auch in Großbritannien, nicht jedoch an den tertiären Lockergesteinsschichten in der norddeutschen Tiefebene, über die das Eis (in diesem Fall aus weiter nördlichen Breitengraden kommend) „drüberweg geschrammt“ sein musste. Insbesondere die wahllos in der norddeutschen Tiefebene verstreuten Findlinge (‚Erratica’) erwiesen sich jedoch mit spezifisch skandinavischem Gestein in der Zusammensetzung als vergleichbar. Auch die - im norddeutschen Raum verschieden weit südlich als solche identifizierten - Endmoränenketten (Endmoräne = Aufschiebung von Material am Rand des Eisschilds während dessen größter Ausdehnung) redeten da eine deutliche Sprache. Die Vorstellung, dass Eis aus dem hohen Norden über die Ostsee bis tief nach Norddeutschland hinein vorgedrungen war, erschien den meisten Zeitgenossen damals als reichlich

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abenteuerlich. Ungeachtet dessen gab es im Laufe der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bald keinen Zweifel mehr am Erklärungskonzept „Eiszeit“; zusammengefasst in der Feststellung, dass in vorgeschichtlicher Zeit große Teile des europäischen Festlandes (einschließlich des Alpenraums und Teile der britischen Inseln) zeitweise von zusammenhängenden Eisschilden bedeckt gewesen sein mussten. Ebenso wurde schon damals die Vermutung zu weitgehender Gewissheit, dass es nicht nur eine Eiszeit gegeben hat, sondern deren mehrere, in - damals noch unbestimmten - Zeitabständen aufeinander folgende. Man denke hierbei an – auf Befunden im Alpenvorland beruhende – Begriffe wie „Günz“-, „Mindel“-, „Riss“-, und „Würm“-Kaltzeit (siehe Bild 18 b-1).

b2) Einiges zur neueren Eiszeitforschung: Während die Klimaforschung im vorigen Jahrhundert bereits mehr oder weniger global ausgerichtet war, blieb die Eiszeitforschung im großen und ganzen noch eine Weile auf gewisse Festlandsregionen, vor allem nördlich gelegene, beschränkt. Zwar hatte man eine Vorstellung einer (relativen) Abfolge entwickelt; eine (absolute) Datierung einzelner Eiszeiten war aber – soweit ich sehen kann – nicht möglich. Die Situation änderte sich jedoch um die Mitte des 20sten Jahrhunderts: auch die paläo-klimatische Forschung (und damit die Eiszeitforschung) geriet ihrerseits mehr und mehr zum „global ausgerichteten Metier“. Folgnde 3 Punkte seien in diesem Zusammenhang genannt: - Die Vorstellungen zur globalen Plattentektonik wurden laufend durch eine intensive, (in neuerer Zeit auch durch Satellitenmessungen gestützte) Feldforschung erhärtet und vertieft, die auch alle großen Meeresräume mit einbezog. Bestätigt wurde nicht nur A. Wegeners Theorie, dass Kontinente wandern, sondern es wurde auch klar, mit welcher Geschwindigkeit und Richtung dies geschieht, um daraus Rückschlüsse auf die frühere Lage/Verteilung von Landmassen zu gewinnen. Als gesichert gilt heute, dass die gegenwärtige Verteilung schon deutlich vor Beginn des Quartärs annähernd erreicht war. So besteht die Landbrücke von Panama seit etwa 3 Millionen Jahren. - Die Entwicklung der Tiefseebohrungstechnik ermöglichte es, aus Tiefseesedimenten (mit Dicken bis zu mehreren 100 m) Proxy-Daten zur paläo-klimatischen Entwicklung über viele Millionen Jahre zu erhalten. Mit Proxy wird ein direkt gemessener Wert (z.B. das Sauerstoff-Isotopenverhältnis, siehe weiter unten) bezeichnet, der stellvertretend für einen anderen Wert (z.B. die Temperatur, T) eintreten, mithin entsprechend verwertet werden kann. - die Technik der Eis-Tiefbohrung machte es schließlich möglich, Eis(bohr)kerne aus Eisschilden im Nord- und Südpolargebiet (Grönland, Antarktis) bis zu mehreren km Länge zu gewinnen. Diese Eiskerne liefern bis heute über eingeschlossene Luftbläschen den zeitlichen Verlauf des Gehalts an gleichverteilten Treibhausgasen (THGs), wie CO2 , CH4 aber auch N2O, und ebenso – über Proxies (Isotopenverhältnisse) – den zeitlich recht gut aufgelösten Verlauf der Temperatur während vieler aufeinander folgenden Eiszeitzyklen; dies über eine Zeit bis zu 800 000 Jahre (Projekt EPICA, Antarktis) vor der Gegenwart. Eisbohrkerne enthalten offensichtlich mehr paläoklimatische Informationen als Sedimentproben. Nicht zuletzt dank der nicht selten eindeutig erkennbaren Abgrenzung zwischen den vom Eisbohrer durchlaufenen einzelnen Eisschichten, welche Jahr für Jahr infolge Schneefalls entstanden waren, ließ sich unmittelbar auch eine befriedigende Datierung von einzelnen Ereignissen im Verlauf der in Bild 18a gezeigten Größen realisieren. Gemeint ist die Einordnung auf einer „absoluten“, in die Vergangenheit gerichteten Zeitskala, welche in unserer Gegenwart ihren Beginn sieht. Eine solche Datierungsmöglichkeit boten vor allem Bohrkerne aus dem Grönlandeis für den (vorläufig?) letzten Eiszeitzyklus’, d.h. für die Zeit ab ~ 123 000 bis ~ 10 000 Jahre BP (= ‚Before Present’), im Verein mit einer feinen zeitlichen Auflösung der Datenreihen [Hofbauer] und [Svensson et al.].

c) Zu den Ergebnissen aus Eisbohrungen, Bilder 18a und b, und deren Deutung/ Interpretation: Das Bild 18a zeigt den zeitlichen Verlauf der Konzentration von 3 Treibhausgasen, THGs, (siehe die 3 obersten Kurven) und den von 2 Proxydaten, wobei δ18O (Erläuterungen dazu siehe unten) vornehmlich auf Änderungen im globalen Eisvolumen hinweist und δD als Maß für die T-Änderung steht, die das Eis in früheren Zeiten „vor Ort“, d.h. in diesem Fall in der Antarktis erfahren hat. Erfasst ist hier ein Zeitraum von 650 ka, der den bis dato letzten Teil des (nach mehr als 2 Millionen von Jahren zählenden) „bipolaren“ (= beide Erdpole einschließenden) Eiszeitalters“ umgreift. Sehen wir einmal von der obersten Kurve ab, dann laufen die Änderungen bei allen anderen dieser Kurven weitgehend synchron. Dieser Synchronlauf wurde auch anhand von Eiskernen ermittelt, die aus dem grönländischen

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Eisschild gewonnen wurden, auch wenn diese ‚nur’ den Zeitraum ab der letzten Warmzeit (die „Eem-Warmzeit“ vor ~123000 a) bis zur Gegenwart abdecken können; dies übrigens auch, wenn man dort bis zum Felsuntergrund hinab bohrt, der bis zu 3085 m tief unter der Eisschild-Oberfläche liegen kann, wie das Projekt NGRIP (= North Greenland Icecore Project) gezeigt hat.

Der stark gezackte Verlauf suggeriert, dass die vielen, mehr oder weniger heftigen Änderungen in sehr kurzer Zeit erfolgten. In Zeiträumen aber, die nach rein menschlichem Maßstab „groß“ sind, z.B. 100 Jahre, (man strecke das Bild gedanklich in der Breite soweit, dass die Zahlen an der Abszisse – in beibehaltenem mm-Abstand – Jahre angeben und nicht 1000 Jahre), dann werden wir besagte Änderungen als sehr, sehr langsam ablaufend beurteilen. Nehmen wir z.B. den globalen Anstieg des CO2 ab Ende der letzten Kaltzeit (Glazial), d.h. ab dem LGM = Last Glacial Maximum vor ~20 000 a, bis zum Beginn des Holozäns, d.h. der heutigen Warmzeit (vor ~10 000 a): Wir messen im Bild (innerhalb dieses Anstiegs) die Größenordnung

(260 -180) ppm/4000 a = 2 ppm je 100 a für die Anstiegsgeschwindigkeit aus, also „beinahe ein Nichts“ nach unseren Zeitmaßstäben! Abweichend hiervon zeigen Eiskerne aus dem grönländischen Eisschild allerdings auch einige wesentlich rascher ablaufende, auf nördliche Breiten beschränkte T-Schwankungen (sog. Dansgaard-Oeschger-Ereignisse), die im Verlauf der letzten Kaltzeit (100 bis 20 ka BP) angesiedelt sind bzw. waren, siehe hierzu u.a. [Rahmstorf].

Betrachten wir jetzt die letzten 4 oder 5 Eiszeitzyklen, wie sie vor allem durch die grauen senkrechten Balken sichtbar werden. Diese Balken markieren die Dauer der Warmzeiten (= Interglaziale oder – mehr volkstümlich – „Zwischeneiszeiten“) die zwischen den wesentlich längeren Kaltzeiten (= Glazialen oder volkstümlich „Eiszeiten“) liegen. Ein Eiszeitzyklus beginnt mit einer Warmzeit, auf die jeweils eine Kaltzeit (bis zum Beginn der nächsten Warmzeit) folgt. Ersichtlich werden folgende Sachverhalte, wobei wir uns vornehmlich am δD -Verlauf orientieren: - Warmzeiten nehmen im Mittel nur etwa 20 % des gesamten Zyklus-Zeitintervalls ein. Das gesamte Zeitintervall selbst entspricht weitgehend einer Periode von rund 100 000 Jahren. - Auch während einer Kaltzeit treten erhebliche T-Schwankungen auf. Deren Spitzen werden aber in der Regel umso kleiner, je weiter eine Kaltzeit fortschreitet, bis – kurz vor dem drastischen, schnellen T-Anstieg, der eine Warmzeit einleitet – schließlich ein T-Minimum erreicht wird. Dadurch bietet der gesamte T-Verlauf in einem Zyklus grob gesehen den Anblick eines „Sägezahns“, der ja bekanntlich durch die sehr unterschiedliche Steigung seiner beiden Zahnflanken charakterisiert ist. - Zwar hier nicht direkt aus Bild 18a zu entnehmen, jedoch als Forschungsergebnis unbestritten ist die Tatsache, dass der CO2 -Gehalt (und vermutlich auch der von CH4) um etwa 800 bis 1000 Jahre hinter einem Temperaturabfall/-anstieg hinterherhinkt. Damit fallen die THG-Konzentrationen als Verursacher einer T-Änderung aus.

Wie wir wohl schon bei früherer Gelegenheit zumindest angedeutet haben, sind Schwankungen in den weit zurück in die Erdgeschichte weisenden Zeitreihen (gleich, um welche Klima-relevante Beschreibungsgröße es sich handelt) keineswegs nur auf Variationen zurückzuführen, die im System selbst liegen, d.h. ohne Einwirkung „von außen“ zustande kommen. Vielmehr sind es Einflussgrößen (Antriebe‚ ‚Forcings’) außerhalb des irdischen Klimasystems, die einen zeitlichen Verlauf in Form längerfristiger Trends entscheidend mitprägen. Die Eiszeitzyklen gehören in dieser Hinsicht zu den klassischen Beispielen. Es ist heute weitgehend anerkannt, dass es periodische Schwankungen in der Gestalt der Um-laufbahn der Erde um die Sonne sowie bei der Neigung der Erdachse (bezogen auf die Ekliptik) waren, die in Kombination mit der Präzession als externer, natürlicher Antrieb fungierten und so vor allem den Übergang von einer Kaltzeit zu einer Warmzeit (und vice versa) in Gang setzten. Die Takt- oder Pulsgeber für trendhafte Schwankungen des eiszeitlichen Klimas sind somit in astronomischen Gegebenheiten zu suchen, subsumierbar unter dem Begriff „Milankovic-Zyklen“, hier auch mit ‚M-Zyklen’ abgekürzt. Diese Zyklen resultieren aus einer himmelsmechanischen Störungsrechnung, die den gravitativen Einfluss auch der übrigen Planeten auf die Erde berücksichtigt. Ohne diesen Einfluss bliebe die Erdbahngestalt (Exzentrizität der Bahnellipse, (e) und der Betrag der Erdachsen-Neigung (ϕ) für alle Zeiten gleich, da es dann nur die Anziehungskraft der Sonne auf das Erde-Mond-System gäbe und demgemäß die (relativ einfachen) Keplerschen Gesetze allein maßgeblich wären. Nun, „Störung“ bedeutet nichts anderes als die Abweichung von den so definierten „idealen Verhältnissen“

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bzw. die zeitliche Entwicklung dieser Abweichung. Wir fassen die wichtigsten Merkmale der M-zyklen wie folgt kurz zusammen:

- Exzentrizität, e, bezogen auf die große Halbachse, a, der Erdbahnellipse: diese schwankt im Bereich 0,005 <= e <= 0,058 , wobei die große Halbachse unverändert bleibt. Gegenwärtig ist e = 0,017. Die kontinuierliche Änderung von e folgt einer Periode von ~ 100 000 Jahren. Diese Periode deckt sich gut mit der Dauer zumindest der letzten 4 oder 5 Eiszeitzyklen, siehe Bild 18a.

- Neigung (engl. tilt oder obliquity), ϕ , der Erdachse gegenüber der Senkrechten zur Ebene der Erd- Umlaufbahn (der Ekliptik): Der Schwankungsbereich ist 22,1° <= ϕ <= 24,5°. Der gegenwärtige Wert ist ϕ ~ 23,5°. Die (kontinuierliche) Änderung von ϕ folgt einer Periode von 41000 Jahren. Auch diese Periode lässt sich manchmal im zeitlichen Abstand von 2 benachbarten „Spitzen“ während der Kaltzeiten in Bild 18a zu erkennen. (Spitzen = Interstadiale, d.h. kurze Warmperioden, die das „Großformat“ eines Interglazials aber bei weitem nicht erreichen. Aus: englischsprachige Wikipedia).

- Als zusätzlicher Effekt muss die Präzession der Erdachse berücksichtigt werden. Durch die von Mond und Sonne ausgehende Gravitationswirkung entsteht ein Moment auf den (mit einem Äquatorwulst versehenen) „Kreisel Erde“, dem die schief stehende Kreiselachse ausweicht, ohne dadurch den Betrag ϕ der Achsneigung (im Gegensatz zur Achsausrichtung in Bezug auf den Sternenraum) zu ändern. Die Änderung der Achsausrichtung folgt einer Periode von etwa 26000 Jahren ohne Berücksichtigung der Drehung der Bahnellipse. Andernfalls ergeben sich hier Perioden von 23000 und 19000 Jahren bei der Präzession. [N.B.: Bei der nächsten Bearbeitung dieser Website werden wir diesen Punkt (als einem von sehr schönen Beispielen aus der Himmelsmechanik) per Bild genauer erklären.]

Nun, egal wie groß sich e im genannten „Bereich der kleinen Zahlen“ einstellt, die Erdbahn-Ellipse ist stets optisch kaum von einem Kreis zu unterscheiden. Wir sehen spontan ein: Die über das gesamte Jahr gemessene Strahlungsenergie, die die Erde von der Sonne empfängt, kann von solch kleinen e-Variationen kaum berührt werden. Betrachtet man hingegen kleinere Zeitabschnitte, die beispielsweise nur ¼ eines Jahres betragen, dann variiert die über diese Zeitintervalle gemittelte solare Strahlungsintensität je nachdem, ob sich die Erde auf ihrer Bahn im Bereich des sonnen-nächsten Punkts (dem Perihel) befindet oder mehr beim Aphel, d.h. dem Punkt der Bahnellipse, der die größte Entfernung von der Sonne aufweist. Diese (nur an e orientierte) Überlegung gilt selbstverständlich unabhängig davon, ob man die je Zeiteinheit einfallende solare Strahlungsenergie als Ganzes, also global betrachtet oder nur den Teil davon nimmt, der auf eine der beiden Hemisphären entfällt. Letzteres interessiert uns begreiflicherweise am meisten; und zwar insbesondere in Hinblick auf die Nordhalbkugel als der Bühne für eine in ihrer Ausdehnung hin und her schwankende, geschlossene Eisbedeckung. Der zweite (wenn man so will, von e unabhängige) Parameter ist ϕ , den man im Zusammenhang mit der Präzession sehen muss. Je größer ϕ ist, umso ausgeprägter werden die Jahreszeiten in den höheren Breiten (bei ϕ = 0 gäbe es gar keine Jahreszeiten!). Es ist die Neigung der Erdachse, ϕ , die maßgeblich dafür ist, dass im Sommer auf der Nordhemisphäre (dort vor allem in den höheren Breitengraden) mehr solare Energie ankommt als auf der Südhalbkugel, auf der zu dieser Zeit Winter herrscht. Man kann sich wenigstens prinzipiell gut vorstellen, dass die M-Zyklen „erd-astronomische“ Parameter-Konstellationen ermöglichen, die zu relativ kühlen Sommern (wie am Beginn einer Kaltzeit) führen, bzw. zu Sommern, die nach und nach immer wärmer werden, um schließlich den Übergang zu einer Warmzeit auszulösen.

Sicher, damit die immer fortwährenden M-Zyklen, – welche aber vor einem 2 bis 3 Ma zurück-liegenden Zeitpunkt auf der Nordhalbkugel (in Form einer stark schwankenden eiszeitlichen Ausdehnung schneebedeckten Eises) sich noch gar nicht bemerkbar gemacht hatten – , überhaupt zu Eiszeitzyklen führen konnten, musste das Klimasystem/’Erdsystem’ wohl im Laufe der Zeit eine gewisse ‚Neigung’ (propensity) entwickelt haben, um auch relativ kleinen Forcings die Chance zu geben, sich als „Initialzündung“ für künftiges Geschehen in Szene zu setzen. Unter ‚Entwicklung einer Neigung’ mag man hier ein langsam-beharrliches Absinken des (natürlichen) CO2-Gehalts über sehr weite (groß-skalige) geologische Zeiträume verstehen. Ein bisschen erinnert das vielleicht an jene „tipping points“ (Kipp-Punkte), in deren Bereich ein regionales/kontinentales Klima durch minimale Auslöser plötzlich zu einem von zwei (vergleichsweise weit) von einander entfernten

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Zuständen fand; Bekanntes Beispiel: T-Änderungen in Europa, ausgelöst durch das Pendeln des Golfstroms zwischen seinem Versiegen und seinem vollen Vorhandensein im Nordatlantik.

Ein wenig Ausführliches noch zum „externen In-Gang-Setzen eines Klima-Umschwungs“ am Beispiel des Übergangs von einer Warmzeit zur Kaltzeit“: Auf den Landgebieten in der Nähe des Nordpols liege zunächst schneebedecktes Eis in einer Ausdehnung wie heute; Teile des Nordpolarmeeres seien soweit mit Packeis bedeckt wie heute gewohnt. Die GMT sei 15° C und der CO2-Gehalt liege bei etwa k* = 280 ppm. In etwa so möchte ich mir die Ausgangssituation während der langsam immer kühler werdenden arktischen Sommer am Ende einer Warmzeit vorstellen. Nun bleibe ganzjährig immer mehr Schnee an Stellen liegen, die vorher schneefrei waren: Grönland wird bis zu seinem Küstenrand weiß, Island versinkt im Schnee ebenso Nord-Norwegen und der Norden Kanadas etc.; und auch die Eisbedeckung des Polarmeeres schiebt ihre (durch die Jahreszeiten modulierte) Grenze, wo es geht, nach Süden. Die Folge: Die Temperaturen vor allem in den höheren nördlichen Breiten sinken - verstärkt durch den „Eis-Albedo-Effekt“ - bis zu dem Punkt, ab dem das (eisfreie) Wasser - infolge seiner Abkühlung - zunehmend CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen kann; dies im Gegensatz zu einer in der Hinsicht stabilen Situation während der Warmzeit, für die k* = 280 ppm = const. als Kennzeichen dafür vorausgesetzt sei, dass (zu der Zeit) der CO2-Austausch zwischen Luft und Meer netto etwa = 0 gewesen sein muss. (Anmerkung: Auch das erscheint mir – in groben Zügen – plausibel, ohne bisher im Detail Derartiges, d.h. von anderer Seite her Verfasstes, vorgefunden zu haben). Bleiben wir noch ein wenig in der Zeit der Abkühlung vor dem Absinken der Kohlendioxid-Konzentration k*: Auch die Sommer auf der Südhalbkugel unterliegen ja genauso dem Einfluss der Milankovic-Zyklen; jetzt einmal ungeachtet des Umstands, dass es einen Unterschied machen kann, dass diese Sommer auf der Erdbahn-Ellipse um ein halbes Jahr versetzt zu den nordhemisphärischen Sommern auftreten. Werden also die letztgenannten Sommer kühler, dann tendieren die ersteren (in gewissem Maße) ebenfalls dahin. Nur hat eine Serie kühlerer Sommer im Südpolargebiet nun mal deswegen nicht die gleiche Wirkung wie im Nordpolargebiet, weil die riesige, sich teilweise über den Südpolarkreis hinaus erstreckende, jedoch ganz vom Meer umgebene Landmasse der Antarktis bereits in der „globalen“ Warmzeit bis zum Rande hin vereist war. D.h. ein Absinken von T aufgrund des Zuwachses an schneebedeckten Flächen konnte zunächst – anders als im Nordpolargebiet – kaum auftreten.

Nun aber der sich anschließende Umstand, dass sich - wegen sinkender Temperaturen - auch der CO2-Gehalt auf Talfahrt begibt: Dank weniger CO2 überall in der Atmosphäre verringert sich der globale Treibhauseffekt. Womit eine erhebliche Verstärkung des Absinkens der (globalen) Temperatur einhergeht. Und diese T-Verminderung – zusätzlich unterstützt durch weniger Wasserdampf in der kälter werdenden Atmosphäre – greift besonders in den hohen, nördlichen wie südlichen Breiten. Doch, ja: der CO2-Gehalt (ebenso wie der Gehalt an CH4 ) entpuppt sich hier als (positives!) „Feedback“, ganz im Gegensatz zum anthropogenen Treibhauseffekt unserer Tage, bei dem bekanntermaßen das anthropogene CO2 als „Forcing“ (= Antrieb) anzusehen ist! Alles in allem wird uns auf diese Weise klar, dass Eisbohrkerne - gleich, ob sie aus dem antarktischen oder aus dem grönländischen Eisschild stammen -, in einander ähnlicher Weise Auskunft über den Verlauf / die Abfolge von Eiszeitzyklen geben können. Grunderkenntnis: Gemäß Bild 18b beträgt der T-Unterschied zwischen einer (relativ kurzen) Warmzeit und der jeweils anschließenden (relativ langen) Kaltzeit in etwa 5 bis 6 °C. Entsprechend ist (in Bild 18a) bei CO2 ein Unterschied ∆k = kwarm – kkalt ~ (280 -180) ppm = 100 ppm zu finden. kwarm entspricht in etwa k* als dem vor 1750 lange existierenden „natürlichen“ Wert. Infolge anthropogener CO2-Emissionen ist k auf 385 ppm (2010) gestiegen, so dass in diesem Fall k – k* = 385 – 280 = 105 ppm, mithin die gleiche Größenordnung herauskommt. Die mit letzterem verbundene, langfristige T-Erhöhung wird zwar „nur“ auf ~ 2 °C geschätzt, wenn man den Einfluss anthropogener Aerosole außen vor lässt. Doch offensichtlich ist k = 385 ppm noch lange nicht das Ende angesichts des unentwegt sich steigernden globalen Verbrauchs an fossilen Energieträgern, ungeachtet der (prinzipiell in Fülle vorhandenen) Alternativen, auf regenerative, CO2-freie Energien umzustellen. Letzteres müsste weltumspannend rechtzeitig und sehr intensiv geschehen; was aber mit

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großen Fragezeichen behaftet erscheint, wenn man an die Kosten und den Zeitbedarf denkt, die beide mit der Implementierung regenerativer Energien im großen Stil einhergehen. Insgesamt dürfte – angesichts des großen Energiehungers und der immer noch gewaltigen, wenngleich immer schwerer zugänglich werdenden Vorräte an fossilen Energieträgern (Erdöl!) – eine Situation noch lange anhalten, die sich (etwas poetisch) auch so umschreiben ließe:

„Die Natur hat über riesige Zeiträume hinweg riesige Mengen an Kohlenstoff - nicht zuletzt in Form von fossilen Brennstoffen - zu ewig scheinender Ruhe gebettet. Der Kohlenstoff in fossilen Energieträgern, insbesondere in der Kohle, stammt aus dem CO2 in der Lufthülle, die unseren Planeten vor einigen 100 Mio. Jahren umgab. Die Menschheit hat sich aber vorgenommen, dieses 'Kohlenstoffgrab' mehr und mehr zu öffnen. Auf dass C auferstehe, um wiederum – im alten CO2-Gewande – ein 'luftiges Leben unter der Sonne' zu führen!“

5.4 Folgerungen für die Zukunft des Menschen Es erscheint einem aus heutiger Sicht, – d.h. angesichts des gesamthaft uneinsichtigen, materiellen Gebarens der Menschheit – leider als allzu realistisch, dass mindestens ∆T = +3 °C, d.h. MGT = 15 + 3 = 18 °C zu erwarten ist, und damit langfristig ein Abschmelzen des Grönlandeises in Aussicht steht mit der Folge eines durch Deiche kaum mehr beherrschbaren globalen Anstiegs des Meeresspiegels von bis zu 4 oder 5 m. Ein Meeresspiegel-Anstieg von mehreren Metern – wenn auch innerhalb von sich nach etlichen Jahrhunderten bemessenden Zeiträumen (siehe dazu auch den Text zu Bild 18 b-2), – steht mir (im Einklang mit [Latif]) als die eigentliche (wenn auch schleichend sich entwickelnde) „Klimakatastrophe“ vor Augen; nämlich in Blickrichtung auf die bereits riesige und sicher noch wachsende Zahl von Menschen, die – aus begreiflichen Gründen – an den Küsten und in den küstennahen Tiefländern leben, und denen sich kaum allen eine zumutbare Ausweichmöglichkeit auf höher gelegenes Land bietet. Von anderen Konsequenzen eines raschen CO2-Anstiegs in der Atmosphäre auf ein seit Jahrmillionen nicht dagewesenes Niveau, – darunter die der Versauerung der Meere und der hiermit verbundenen negativen Folgen für die Kalkschalen bildenden Meerestiere – , ganz zu schweigen! Bedeutsame psychologische Hemmschwellen für eine zügig sich entwickelnde Einsicht hin zum „ökologisch Angemessenen“ dürften allgemein in den folgenden Umständen liegen: (1) Die heute im Erwachsenenalter Lebenden, die es ja noch in der Hand hätten, einem (für den

Menschen) unwiderruflich schädlichen Ausmaß des Klimawandels per Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen handfest entgegenzuwirken, bleiben von den Folgen einer Unterlassung weitgehend verschont. „Unwiderruflich“ impliziert die Unmöglichkeit, dass irgendwann einmal eine technische Methode gefunden wird, um dasjenige, was einmal als Zuviel an Treibhausgasen in die Atmosphäre entlassen wurde, mit überschaubarem Aufwand wieder aus ihr herauszuholen.

(2) Von der Schule her ist sicher vielen von uns noch geläufig, dass die Atmosphäre (pro Volumen) aus satten 21 % O2, 78% N2, 0,9 % Ar besteht; Rest Spurengase, unter denen CO2 derzeit etwa 0,04 % ausmacht. Dem physikalischen Laien erscheint es aber unvorstellbar, dass ein so winziger Bruchteil eines Prozents derartig massive klimatologische Auswirkungen haben kann.

(3) Es gibt keinen Präzedenzfall in der Menschheitsgeschichte in Form eines anthropogenen Klimawandels, der die oben angedeuteten Folgen unmittelbar als Überlieferung vor Augen führen könnte, um uns so als eindringliche Warnung zu dienen. Nun, stattdessen spricht aber die Natur selbst zu uns, wenn auch ihre Rede erst mit Hilfe der (die Erdvergangenheit erforschenden) Naturwissenschaften „übersetzt“ werden muss. Es ist die Natur selbst, die uns reichlich warnende Hinweise aus der wechselvollen Erdgeschichte an die Hand gibt, – vor allem in Gestalt der aus Eisschilden und (Tiefsee)sedimenten erbohrten Klimaarchive zu den quartären Eiszeitzyklen. Die aus diesen Archiven auf raffinierte Art gewonnenen Daten sind – auf ebenso raffinierte Art – eindeutig interpretierbar und legen in beunruhigender Weise nahe, dass auch kleine ursprüngliche Antriebe (nämlich die infolge der Milankowitsch-Zyklen) per Verstärkung (nämlich damals die hauptsächlich durch CO2 verursachte) große global-klimatische Änderungen nach sich ziehen können. Von daher ist ein – in 2008 – gemessenes, nunmehr (wie früher schon gesagt) als Antrieb fungierendes Plus von 100 ppm anthropogenem CO2 (bzw. ein Plus an CO2-Äquivalent von 1,17 * 100 = 117 ppm) in der Lufthülle sicher bereits ein Signal zum Gegenhandeln. Doch dieses Handeln bleibt – immer global gesehen – aus: von 2006 bis 2012 stieg der CO2-Gehalt von 380 auf etwa 390 ppm; Tendenz gleichbleibend. Das Hemd „Wohlstands- und Wirtschaftswachstum“ ist nun

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mal der Menschheit näher als der Rock „Klimaschutz“. Allerdings: Bei der Zunft der Klimatologen dürfte viele Jahrzehnte später vermutlich wenig Genugtuung aufkommen angesichts der Feststel-lung, sich vormals mit ihren Prognosen /Berechnungen / Abschätzungen... nicht geirrt zu haben!

(4) Der theologisch verankerte Glaube, wir Menschen seien – als Gottes Ebenbild (!) – eine auserwählte Spezies (die sogar auf ein Leben nach dem Tode hoffen darf), beschert zumindest all denjenigen, die nicht in den Naturwissenschaften zu Hause sind, die unreflektierte Zuversicht, die (belebte) Natur sei für den Menschen so eine Art Gebrauchsgegenstand von insgesamt schier unerschöpflichen, mithin von ihm nicht wirklich zu beeinträchtigenden Ausmaßen. Wie eingangs (in Teil I) schon erwähnt, benimmt sich die Menschheit so wie andere Arten von Lebewesen auch; „man“ entwickelt und vermehrt sich prozesshaft-quantitativ, so weit der (auf welche Weise auch immer) begrenzte Lebensraum und die Konkurrenz zu anderen Lebensformen es erlauben. Im allgemeinen entsteht ja in der Natur ein ‚natürlich’ genanntes Gleichgewicht zwischen dem Angebot an Lebensgrundlagen und der Zahl der Individuen (einer ins Auge gefassten Art), die dieses Angebot – bei gleichbleibendem individuellen Anspruch – nutzen, ohne es zu zerstören. Bedauerlicherweise ist letzteres für die heutige, globale Grenzen des Wachstums auslotende Menschheit nicht zu erkennen. In der Hinsicht sind zumindest die mit „höher“ bezeichneten Tiere (vor allem Säugetiere) da gewissermaßen klüger als wir. Allgemein sollte es – im Sinne eines in Richtung „Klima- und Umweltschutz“ benötigten stärkeren Bewusstseinswandels – auch möglich sein, dass ein jeder von uns die passenden Antworten auf wenigstens einige der folgenden Fragen findet bzw. sich erarbeitet: Was sollen heute noch solche biblisch verankerten Imperative wie „Seid fruchtbar und mehret Euch und macht Euch die Erde untertan?“ „Warum gibt es innerhalb der Kirchen keine verbreitete Kommunikation/Diskussion zu den fundamentalen Ergebnissen, die die naturwissenschaftliche Forschung zur Thematik ‚Wunder der Schöpfung’ bis heute gefunden hat?“ „Wie bringt man es fertig, den im Bewusstsein nach wie vor tief verwurzelten Gegensatz ‚Mensch und Natur’ für alle glaubwürdig durch die Formel ‚Mensch = Teil der Natur’ zu ersetzen?“ Wie kommen wir dazu, uns selbst als ‚Krone der Schöpfung’ zu bezeichnen? Unser häufig wenig geistvolles, gar gewalttätiges Benehmen (man werfe einen Blick in die Geschichte) steht dem doch eigentlich entgegen! Ist der genannte Ehrentitel vielleicht erst dann gerechtfertigt, wenn unsere riesige Weltgemeinschaft einmal (wenn auch wider Erwarten) in Frieden zu solcher Weis-heit gefunden haben wird, dass hieraus eine globale freiwillige (materielle) Selbstbeschränkung resultiert? Immerhin wäre dies im Verlauf der Evolution ein einmaliger kollektiver Bewusstseins-akt, zu dem eine sonstige mit Bewusstsein ausgestattete Tierart+) sicherlich nicht in der Lage ist.

+) Die unterstrichene Formulierung ist beabsichtigt. Denn erstens weisen (a) die Morphologie unseres Körpers und (b) die mit Darwin ihren Anfang findende Evolutionsbiologie klar auf die Zugehörigkeit des Menschen zum Tierreich hin. Zweitens finden sich innerhalb der zoologischen Feldforschung (zum Verhalten insbesondere der Säugetiere) laufend eindrucksvolle Belege dafür, dass Tiere ein (durchaus mit Gefühlen und Intelligenz gepaartes) Bewusstsein

haben (besser: haben müssen), um ihren Existenzkampf hinreichend erfolgreich bestehen zu können. Dass die „intellektuellen Fähigkeiten“ der „eigentlichen“ Tiere nicht an die unsrigen heranreichen bzw. weit weniger breit gefächert sind, darf ja nach wie vor als gesichert gelten. Gewiss ist es aber ganz abwegig, Tiere (und insbesondere die „höheren“) als rein instinktgesteuerte Wesen, oder gar als bloße, wenngleich äußerst raffiniert gestaltete Automaten (René Descartes im 17. Jahrh.) anzusehen. Ganz im Gegenteil: Unsere Mitgeschöpfe sind alles andere als primitiv und verdienen somit alle Achtung von unserer Seite her! Wie lässt es sich einrichten, dass Naturwissenschaften wie vor allem Physik und Chemie viel mehr als bisher zum Bestandteil der Allgemeinbildung werden; u. a. dadurch, dass diese (und

Frei nach Michelangelos Fresko „Die Erschaffung Adams“ an der Decke der Sixtinischen Kapelle des Vatikans, Rom ( cc.: A. Koewius)

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andere, möglichst ökologisch orientierbare, naturwissenschaftliche) Fächer im schulischen Unter-richt mehr Gewicht bekommen? Zum Hintergrund für diese Frage zählen m. E. Fakten wie diese: - Die auf Disziplinen wie Physik (einschließlich Astronomie), (physikalische) Chemie, Biologie

und Geologie beruhende Klimatologie muss sich mit einer derartigen Vielfalt an komplexen Zusammenhängen im Erdsystem auseinandersetzen (siehe u. a. das Beispiel weiter unten), dass diese Vielfalt selbst für den Fachmann kaum zur Gänze, d. h. in allen wesentlichen Details überschaut werden kann. Selbstredend ist dies schon gar nicht von den politischen Entscheidungsträgern in aller Welt zu erwarten, zumal diese ja in der überwiegenden Mehrzahl keine Naturwissenschaftler sind.

- (Physik)lehrbücher für Schulen (und vermutlich auch die jeweilige direkte Wissens-vermittlung durch den Lehrer) nehmen i. a. keinen unmittelbaren, beispielhaften Bezug auf die wichtigsten Natur-Tatsachen, die dem Klimawandel zugrunde liegen. So ließen sich beispielsweise die Gesetze der Strahlungsphysik gut anhand des Energiehaushaltes der Erde demonstrieren. Ähnlich lassen sich die Mechanismen, die der Absorption und Emission von Strahlung durch Materie zugrunde liegen, auch unter Einbezug der radiativen Wirkung von Treibhausgas-Molekülen abhandeln. Weiter könnte auch die Erdgeschichte (in Blickrichtung auf die Ursachen von natürlichen Klimaänderungen) stärker zu einem – geradezu spannenden – Schulbuch- bzw. Unterrichtsgegenstand werden, insbesondere wenn man hierbei an die Ent-stehung der Eiszeiten während der letzten 800 000 Jahre denkt. Im Mathematikunterricht ließe

sich die Frage „Was ist eigentlich ein (statistisch abgesicherter) Trend?“ gut am Beispiel des zeitlichen Verlaufs der Mittleren Globalen Temperatur – MGT – abhandeln. Und so weiter....

Sicherlich darf man nicht erwarten, dass der junge Mensch durch eine derart „klimatologisch angereicherte“ naturwissenschaftliche Unterrichtung einen vollständigen Überblick über alles sachlich Wesentliche zum Klimawandel bekommt. Was man hoffentlich aber erwarten darf, ist die größere Sensibilisierung für dieses gewaltige, unser aller Zukunft bestimmende Thema wenigstens bei einem Teil der lernenden jüngeren Generation. Vielleicht wird ja dadurch auch die Zahl derer geringer, die sich unreflektiert den (übrigens manchmal gar nicht so leicht als irrig erkennbaren) Argumenten der sog. Klima-Skeptiker oder gar -Leugner hingeben. Lesenswert für ernsthaft ‚Lernwillige jeglicher Couleur’ sind auf jeden Fall die Ausführungen des Umwelt-Bundesamtes (UBA) auf:

http://www.umweltbundesamt.de/klimaschutz/klimaaenderungen/faq/index.htm

Persönliches Fazit: Es sieht nach wie vor nicht so aus, als ob die Menschheit, insbesondere ihre Führer, wirklich bereit oder imstande wäre(n), dem (je nach Detail mehr oder weniger ungewissen) „Klima-Abenteuer“ nachhaltig aus dem Wege zu gehen, das in der Zukunft geduldig auf sie wartet. Angesichts der Langsamkeit, mit der klimatische Wandlungsprozesse ablaufen, gibt es noch keinen Leidensdruck, der groß genug wäre, um besagtem Abenteuer durch rasch greifende Maßnahmen zu begegnen (was derzeit gerade noch möglich wäre). Demgemäß fehlt der Riegel, – sollte man jetzt sagen: bedauerlicherweise“ ? – , der den vielerlei auf allen menschlichen Ebenen vorhandenen, Bodenschätze verschlingenden, rein materiell geprägten Egoismen (oder – neutraler – globaler Bedürfnissteigerungen) vorgeschoben werden könnte. Nach dem Scheitern der Klima-Konferenz von Kopenhagen im Dezember 2009 lässt es sich kaum mehr verhehlen: Das BAU (= Business As Usual)-Gebaren der Weltgemeinschaft in Hinblick auf die anthropogenen Treibhausgas-Emissionen (im Verein mit der Vernichtung der tropischen Regenwälder) ist zügig dabei, die Voraussetzungen für einen Klimawandel mit intolerablen Folgen zu schaffen. Mit anderen Worten: Es steht sehr zu befürchten, dass die seitens der Klimawissenschaften noch als tolerabel eingestufte Grenze von 2 Grad Erhöhung der Mittleren Globalen Temperatur (MGT) in relativ naher Zukunft mehr als deutlich überschritten werden wird. Der hierdurch in Gang gesetzte starke Klimawandel mag zwar – wie im Falle des Meeresspiegel-Anstiegs – Konsequenzen haben, die erst nach Jahrhunderten voll zur Geltung kommen. Es mag auch der mit “stark“ bezeichnete Klimawandel durch (wohl zunächst nur punktuell ergriffene) Maßnahmen zur CO2-freien Energieerzeugung eine gewisse Verzögerung erleben. Vermei-den lassen wird dieser sich – stets vom globalen Standpunkt her – höchstwahrscheinlich nicht! Denn wenn globale, handlungsbereite Einsicht massiv erst mit dem Meeresspiegel steigen sollte (was anzunehmen ist), dann dürfte es für eine Vermeidung sicher zu spät sein. Somit wird ein solcher Wandel unabdingbar zur Anpassung zwingen; mit welchem Erfolg diese Anpassung ermöglicht werden kann, darüber lässt sich streiten; ein gewisser Trost mag immerhin darin liegen, dass die

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Folgen auch eines starken Klimawandels (Beispiel: Meeresspiegelanstieg) sich vermutlich derart langsam entwickeln, dass für Anpassungsmaßnahmen genügend Zeit bleibt.

Sich also – in Bezug auf ‚Vermeidung’ – ganz einem beruhigenden „Das-wird-schon-noch-irgendwie-werden“- Optimismus hinzugeben: Das will zumindest mir heute – wir schreiben das Jahr 2012 – ungeachtet trotzigen Bemühens nicht mehr gelingen. Bilder 18 a, 18 b-1 und 18 b-2 mit ausführlichen Unterschriften und Anmerkungen:

Figure 18a: Variations of deuterium (δD = a proxy for local temperature, in %0), and the atmospheric con-centrations of the greenhouse gases CO2 (ppm), CH4 (in ppb = 0,001 ppm), and N2O (ppb) as derived from air trapped within ice cores from Antarctica and from recent atmospheric measurements. The shading indicates the last interglacial warm periods. Interglacial periods also existed prior to 450 ka, but these were apparently colder than the typical interglacials of the latest Quaternary. The length of the current interglacial is not unusual in the context of the last 650 ka. The stack (= Stapel) of 57 globally distributed benthic δ18O (in %0)

4*) marine records, a proxy for global ice volume fluctuations, is displayed for comparison with the ice core data. Downward trends in the benthic δ18O - curve reflect increasing ice volumes on land. Note that the shaded vertical bars are based on the ice core age model (EPICA community members, 2004), and that the marine record is plotted on its original time scale based on tuning to the orbital parameters. The stars combined with numerical values (on top, at right) indicate atmospheric concentrations at the year 2000. Aus: Chapter 6, „Palaeoclimate“ in: Climate Change 2007, The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I (WG 1) to the Fourth Assessment Report (AR4) of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC).

4*) Was bedeutet nun „benthic δ 18O marine record“ (= Maßzahl auf Basis des gemessenen Sauerstoff-Isotopenverhältnisses in Sedimenten am Meeresboden) genau? Es ist einer von den vielen wesentlichen (und stets schwierigen) Punkten, die bei der Rekonstruktion von paläo-klimatischen Abläufen eine Rolle spielen; dies zur Begründung der folgenden, exemplarisch ausführlichen Darstellung eines einzelnen Sachverhalts (der den hier gesetzten Rahmen für das eigentliche Thema ausnahmsweise völlig sprengt). Punktuell aber lässt sich so ein Hinweis geben auf die geradezu unvorstellbare Forschungsleistung, die auf dem Gebiet der Paläo-Klimatologie etwa seit Mitte des 20. Jahrhunderts von einem Heer von Wissenschaftlern erbracht worden ist; ein Heer, das angeführt wurde von Pionieren wie Willi Dansgaard (Physiker, DK, 1922 - 2011), Hans Oeschger (Physiker, CH, 1927 - 1998), Sir Nicholas J. Shackleton (Geologe und Paläo-Klimatologe, GB, 1937 - 2006 ), ....

Zunächst fällt auf, dass – anders als bei den übrigen Zeitreihen – die positive Richtung der Ordinate nach unten weist. Weiter muss man wissen, dass die o.g. Sedimente kalkhaltig sind. Anmerkung: Die Ausführungen auf Seite 16 (zu δ 18O im Tiefsee-Sediment) sind vor allem an >> Gavin Schmidt, GISS (= Goddard Institute for Space Studies, USA) „Cold Climates, Warm Climates – How Can We Tell Past Temperatures?“ << angelehnt.

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Die Definition von δ 18O lautet – mit Rp = Rprobe und Rs = Rstandard – :

δ 18O [0/00] = (Rp / Rs – 1 ) 1000 , mit R = 18O/16O = Isotopenverhältnis , siehe unten. “Standard” bedeutet normalerweise “(Vienna) Standard Mean Ocean Water”, abgekürzt (V)SMOW. Als Bezugspunkt dient reines Meerwasser, d. h. ohne jegliche in ihm gelöste Stoffe wie Salze

Interludium: „Kalk im Wechselspiel von Dissoziation und Ausfällung“

Der Kalk (CaCO3) im Tiefsee-Sediment stammt aus den Kalkschalen vorzugsweise kleiner Tiere (wie die große Gruppe der Foraminiferen), die – in ihrer planktonischen Form – massenweise in den oberen Wasserschichten der Ozeane leben. Nach dem Absterben dieser Tiere rieseln deren winzige Kalkgehäuse beständig auf den Meeresboden nieder, um dort zur Sedimentbildung beizutragen. Die Sedimente können bis zu mehreren 100 m dick sein. Damit legen sie Zeugnis ab von vielen Millionen Jahren Erdgeschichte. Der Kalk, dessen sich diese einzelligen „Kalkschalenbildner“ bedienen, stammt aus dem Meerwasser, wo er aber nicht in Form „frei schwimmender“ CaCO3 –Moleküle zu finden ist, sondern vielmehr in einer Form, die – allerdings nur formal, siehe weiter unten – der chemischen Formel Ca(HCO3)2 entspricht, welche Calzium-Hydrogencarbonat genannt wird. Diese – im Vergleich zu CaCO3 – in H2O als gut löslich auffassbare (als trockener Stoff jedoch nicht existierende) Verbindung lässt sich formal als Ergebnis einer Bilanz darstellen, in der auch im Wasser gelöstes CO2 eine Rolle spielt:

H2O + CO2 + CaCO3 = Ca(HCO3)2 . (0) Eine chemische Bilanz dient nicht nur der Nachprüfung, dass die Zahl der an einer Reaktion beteiligten Atome vor und nach dieser Reaktion unverändert bleiben muss. Sie zeigt darüber hinaus, dass (in unserem speziellen Fall) es ohne ein gewisses Maß an CO2 im Wasser nicht geht, um z.B. – im Zuge der chemischen Verwitterung – Kalk(stein) aus dem Gebirge über Bäche und Flüsse ins Meer zu transportieren.

Die eigentlichen Abläufe, die zur Ablagerung von Kalk (aus kalkhaltigen Gewässern) an festen Oberflächen führen (gleich, ob dies im Meer oder in der Haus-Wasserleitung passiert), werden letztlich durch die enorme Dissoziationswirkung des Wassers auf die in ihm gelösten Stoffe (d.h. ‚Fremd-Moleküle’) bestimmt. Dissoziation bedeutet Aufspaltung eines ursprünglich elektrisch neutralen Moleküls in (positiv wie negativ) elektrisch geladene Bestandteile, Ionen genannt, die das eigentliche Kennzeichen für das In-Lösung-Gehen eines Stoffs im Wasser sind. Aber auch das Wasser selbst kennt (in kleinem Maße) die Aufspaltung in Ionen: H2O ⇔ H+ + (OH)- (1). CO2 kann man sich in folgender Weise ins Spiel kommend denken:

H+ + (OH)- + CO2 (HCO3)- + H+ ⇔ H2CO3 = Kohlensäure (2). (HCO3)- heißt „Hydrogencarbonat-Ion“. Der Doppelpfeil in (2) gibt den Hinweis, dass sowohl die Kohlen-säure-Moleküle als auch die ihr zugehörigen Ionen gleichzeitig (in einem bestimmten Verhältnis zueinander) im Wasser vorhanden sind. Im gleichen Sinne (Dissoziationsgleichgewicht !) ist auch Gl. (1) zu verstehen. Die Löslichkeit des Kalks, CaCO3 , (sie steigt mit dem CO2- Gehalt des Wassers an) lässt sich so formulieren: CaCO3 Ca2+ + (CO3)2- (3a). Das zweifach negativ geladene Ion rechts in Gl. (3a) heißt „Carbonat-Ion“. Im Beisein von H+ kommt es zu dieser Reaktion: H+ + (CO3)2- ⇔ (HCO3)- (3b). Aus den Gleichungen (2), (3a) und (3b) ergibt sich die Art/Anzahl derjenigen Ionen, die die Ausfällung von Kalk an festen, auch sehr kleinen Oberflächen (u.a. während der Bildung von Kalkschalen bei Foraminiferen) aus der wässrigen Lösung ermöglichen:

Ca2+ + 2 (HCO3)- (4).

Aus diesen Ionen kann man sich ein Molekül Ca(HCO3)2 zusammengesetzt denken. Man kann auch sagen, es existiert nur in der durch (4) angezeigten Form; dazu noch ein Beispiel: Stellen sie sich einen Behälter vor, gefüllt mit Süßwasser, in dem sich (außer H+ und (OH)- ) nur Ionen der bei (4) genannten Art befinden. Wir lassen das Wasser komplett verdunsten. Die Folge ist: CO2 wird als Gas frei, und an den Behälterwänden schlägt sich ein Kalkbelag, CaCO3 , auch Kalziumkarbonat genannt, nieder. Von einem Stoff Ca(HCO3)2 fehlt allerdings jede Spur! Eines sollte man bei all diesen Betrachtungen im Auge behalten: Nach den Regeln des Dissoziations-gleichgewichts geht umso mehr Kalk in Lösung, je mehr CO2 (bzw. Kohlensäure) sich im Meerwasser befindet. Eine Folge ist, dass irgendwann keine (zu Tieren gehörige) Kalkschalen mehr gebildet werden können, oder sogar bereits vorhandene Kalkgebilde aufgelöst werden, d.h. solche von der Art, wie man sie nicht nur bei Kleinstlebewesen im Meer sondern auch bei Korallen und Muscheln findet. Zumindest ist das die Befürchtung der Geo- und Klimawissenschaftler angesichts der rasch steigenden anthropogenen CO2-Emissionen, die bekanntlich die Ozeane dadurch tangieren, dass sich dementsprechend in den Ozeanen vermehrt CO2 löst, was zunehmend zu einer Versauerung der Ozeane führt.

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oder sonstige in ihm mögliche Verunreinigungen. Quasi definitorisch ist im „VSMOW-Wasser“ eine Reihe von Isotopenverhältnissen durch eine der Realität entsprechende Zahl festgelegt. Im Falle des Sauerstoffs z.B. Rs = 18O/16O ~ 1/500, d.h. ein Wassermolekül H2

18O auf rund 500 „normale“ Wassermoleküle H2

16O, die ja üblicherweise einfach „H2O“ genannt werden. Wassermoleküle kommen aber auch in einer weiteren, für wissenschaftliche Zwecke relevanten Modifikation vor, nämlich HD16O, wobei D für „Deuterium“ als dem stabilen Isotop des Wasserstoffs steht: D = 2H. Beide Bezeichnungen sind gebräuchlich: HD16O = 1H2H16O. Zuletzt haben wir 1H statt einfach H geschrieben, um das H-Isotop gegenüber dem absolut in der Natur vorherrschenden, „normalen“ H-Atom besser hervorzuheben. Gemäß VSMOW gilt 2H/1H ~ 1/6420 als Referenzwert.

δ 18O : - a - in Tiefsee-Sedimenten: Wie wir dem Obigen entnehmen können, stammen die in den Kalkschalen gebundenen Sauerstoffatome, O, nicht zuletzt aus dem Meerwasser; nämlich dort, wo örtlich Kalkschalen gebildet werden. Der „Kalk aus dem Ozean“ enthält (wie auch das Wasser) O-Atome in 2 stabilen Modifikationen, - Isotope genannt - , nämlich einmal 16O als der weitaus überwiegenden ‚Sorte’ und zum anderen 18O als die seltene, schwerere ‚Sorte’ (die Zahlen geben das Atomgewicht an, bzw. die Anzahl der im Atomkern befindlichen Nukleonen). N.B.: Das Iso-top 18O des Sauerstoffs ist stabil, d.h. es zerfällt nicht infolge Radioaktivität, anders als z. B. bei dem Kohlenstoffisotop 14C der Fall, welches bei der absoluten Datierung (unter anderem von Fossilien) wertvolle Dienste leistet. Das Verhältnis Rp = 18O/16O im CaCO3 einer Kalkschale ist zum einen Funktion der Wassertemperatur, die bei der Bildung dieser Schale herrschte. Je höher diese Temperatur ist (bzw. war), desto niedriger stellt(e) sich δ 18O in der Kalkschale ein. Zum anderen – und dies erwies sich als der wesentliche Punkt! – ist das genannte Verhältnis zusätzlich eine Funktion dessen, was man mit „Angebot aus dem Meerwasser“ bezeichnen kann, nämlich des Sauerstoff-Isotopenverhältnisses, das im Meerwasser selbst herrscht, um sich im δ 18O der Kalkschalen niederzuschlagen). Nur falls dieses „Angebot“ über einen früheren, längeren Zeitraum wenigstens einigermaßen konstant geblieben wäre, ließe sich direkt über eine Kalkschalenanalyse präzise genug auf den Temperaturverlauf schließen, der damals örtlich, d.h. in der Meerwasserumgebung der (heute aus dem Sediment vorliegenden) Kalkschale stattgefunden hat. Nur, im Allgemeinen war damals das o.g. Angebot langfristig, d.h. über Millionen Jahre hinweg gesehen, alles andere als eine Konstante. Nehmen wir z.B. an, über einem größeren, subtropischen Ozeangebiet verdunstet über längere Zeit mehr Wasser, als über diesem Gebiet als Regen wieder in den Ozean zurückgelangt. Dann steigt der Gehalt an 18O und somit das δ 18O (Definition siehe vorhergehende Seite, unten) des Meerwassers an; einfach deswegen, weil ein H2O-Molekül „mit 18O “ sich eine Spur mehr der Verdunstung widersetzt als ein normales, leichteres H2O-Molekül „mit 16O “. Der Fall, den wir oben angenommen haben, ist insofern realistisch, als ja immer ein beachtlicher Teil der tropisch-feuchten Luft auch zu höheren Breitengraden hin gelangt. Aufgrund der hiermit verbundenen Abkühlung trägt diese Luft dort zum Niederschlag bei, der während der Eiszeit-Kaltphasen meist als Schnee niederkam, um so nach und nach zum Wachsen der Eisschilde (auf den nördlicheren Landgebieten der Nordhalbkugel) beizutragen. Auf dem Höhepunkt einer Kaltzeit (innerhalb eines der vielen Eiszeit-Zyklen) war häufig derart viel Wasser (mit relativ niedrigem δ 18O , wie Eisbohrkerne aus dem grönländischen und antarktischen Eisschild beweisen) in Form von Eis gebunden, dass der Meeresspiegel in der Größenordnung von 100 bis 120 m abgesunken war. Entsprechend erreichte δ 18O in den kalkhaltigen Sedimenten am Boden der (südlichen) Ozeane zu solchen Zeiten einen Höchstwert, siehe in Figure 18a die untere Kurve „benthic δ 18O “. Den umgekehrten Fall (am Höhepunkt einer Warmzeit) braucht man dann wohl nicht mehr zu erläutern. [Falls mich jetzt aber einer fragen sollte, was unten in der Bildunterschrift zu Bild 18a: >> ... that the marine record is plotted on its original time scale based on tuning to the orbital parameters << bedeuten soll, hier die Antwort: „Ich weiß es (derzeit) nicht!“] . Immerhin haben wir eine Ahnung davon bekommen, dass die unterste Zeitreihe in Bild 18a praktisch als ein Indikator dasteht für die Änderungen im globalen Eisvolumen (Entdecker des quantitativen Zusammenhangs: Sir Nicholas J. Shackleton, ein britischer Geologe und Klimatologe). Je größer das Eisvolumen wird, umso mehr fehlt die entsprechende Menge an (gemäß Obigem bezüglich H2

18O verarmtem) Wasser in den Ozeanen mit der Folge, dass sich die Dichte der H2

18O –Moleküle im Ozeanwasser erhöht. Es sind nachweislich den Eiszeitzyklen parallel laufende Änderungen. Die Zyklen treten im Tiefsee-Sediment auf, und zwar egal, wo dieses auf dem Globus liegt; wobei wie schon gesagt, die letzten dieser Zyklen auf der Nordhalbkugel über das Vorrücken und Zurückweichen des Eises auf dem Land ihre unmittelbar sichtbaren Spuren hinterlassen haben. ------------------------- ) Inzwischen ist es übrigens gelungen, die beiden voneinander unabhängigen Einflüsse von einander zu trennen, und zwar über andere Proxy-Daten aus den Sedimentbohrkernen mit Hilfe entsprechender, ausgefeilter Analysemethoden, auf die wir hier aber nicht eingehen können.

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δ 18O : - b - im Niederschlag (Regen oder Schnee): Bei der Erläuterung des (logisch anspruchsvollen) Sachverhalts bildet stets das heutige, im Ozean gemessene Standard-Isotopenverhältnis Rs den Bezugspunkt ebenso, wie bei der Untersuchung von δ 18O in den Kalkschalen fossiler Foraminiferen der Fall. Demgemäß hat das heutige Ozeanwasser (unabhängig vom Ort der Probenentnahme) δ 18O = 0. Folgt man den Ausführungen im vorigen Abschnitt, dann muss der Wasserdampf direkt über seinem ozeanischen Entstehungsort ein δ 18O < 0 haben. Stellen wir uns zunächst vor, der Wasserdampf bleibe eine Weile an Ort und Stelle und hätte – zweitens – seinen (von der Temperatur abhängigen) Sättigungspunkt (= Sättigungsdampfdruck) erreicht. In diesem Fall besteht Gleichgewicht zwischen der Dampfphase und der flüssigen Phase, d.h. zwischen der mit H2O-Dampf gesättigten Luft nahe über der Meeresoberfläche auf der einen und der oberen Meerwasserschicht auf der anderen Seite. Dieser Gleichgewichtszustand ist übrigens nicht ohne eine gewisse, wenn auch nur „sub-mikroskopische“ Dynamik: Je Zeiteinheit wandern ebenso viele Wassermoleküle aus der Luft in den Ozean zurück wie aus ihm in die Luft aufsteigen. Im Sättigungszustand genügt im Prinzip eine winzige Temperaturabsenkung, um die Kondensation des Wasserdampfes in der Luft einzuleiten; mit anderen Worten, es fängt am Entstehungsort des Dampfes an zu regnen. Realiter sinkt die Temperatur der feuchten Luft aber merklich ab insbesondere dadurch, dass diese Luft um ein gewisses Maß in die Höhe steigt, was zwangsläufig mit einem entsprechenden Temperaturabfall einhergeht (siehe Anhang III dieser Aufsatzreihe). Was nun bei der Bildung von Regentropfen am Ort der Wasserdampf-Entstehung geschieht – und dies erscheint auf den ersten Blick verblüffend – ist, dass die H2

18O - Moleküle sich im Regentropfen in gleichem Maße wieder anreichern, wie sie sich vorher (beim Verdunsten) im Wasserdampf, d.h. in der feuchten Luft, abgereichert hatten. Auf diese Weise erhält das, was am Entstehungsort ins Meerwasser wieder zurückfällt, den gleichen δ 18O –Wert wie das Meerwasser, nämlich Null! Im folgenden halten wir uns an W. Dansgaard’s Buch „Frozen Annals“ (= Gefrorene Archive), das man sich kostenlos aus dem Internet als pdf-Datei herunterladen kann (über www.iceandclimate.nbi.ku.dk/publications/; dort bei Publications auf „Frozen Annals“ klicken)**). Des weiteren schreiben wir – wie bei Dansgaard – im folgenden kurz δ anstelle von δ 18O : Das oben beschriebene Verhalten von H2

18O ist auf seinen, gegenüber H216O um ‚winzige’ 10 ‰ niedrigeren

Dampfdruck zurückzuführen. Denn: Bei gleicher Temperatur hat das Molekül des schwereren Isotops eine etwas geringere Geschwindigkeit als ein Molekül des leichten, häufigsten Isotops (hier entspr. dem „normalen“ Wasser), wobei die Austrittsarbeit aus dem Wasser in die feuchte Luft bei beiden Molekülsorten praktisch gleich ist. Die H2

18O – Moleküle verhalten sich demnach ‚einen Tick’ träger als die üblichen Wassermoleküle beim Übergang in die Dampfphase. Und entsprechend gerne „wollen sie“ wieder in die flüssige Phase zurück***). Der relative Unterschied in den o.g. Dampfdrücken, die den Phasenübergang bestimmen, spiegelt sich (gemäß dem ersten der beiden untenstehenden Bilder) 1:1 im Isotopenverhältnis wider: δ = -10 ‰ im Falle der Verdunstung. ----------------------- **) Willi Dansgaard (1922 – 2011) gehört zu den herausragenden Forschern auf dem Gebiet der Paläo-Klimatologie. Dank eines sehr glücklichen Zufalls, so schreibt er in seinem - autobiografische Züge aufweisenden - Buch, erkannte er Anfang der 1950er Jahre als erster, dass der H2

18O – Gehalt im Regenwasser gut mit der Lufttemperatur korreliert, die örtlich zur Zeit des jeweiligen Regenfalls herrschte. Internationale Bekanntheit und bewundernde Anerkennung in Wissenschaftskreisen wurden ihm zuteil wegen zweier Pionierleistungen: -- Er wandte als erster systematisch die „Methode stabiler Isotope“ an bei der Untersuchung von Eisbohrkernen; zunächst bei solchen aus dem Grönländischen, ein wenig später auch solchen aus dem Antarktischen Eisschild. Ihm kam dabei zugute, dass er bei früheren, zuletzt weltweit ausgedehnten Niederschlagsuntersuchungen (außer Regen war das auch der Schnee in polaren Breiten) hinreichend verlässliche Einsichten gewonnen hatte in den Zusammenhang, der herrscht zwischen dem (über einen längeren Zeitraum) gewonnenen Mittel sowohl der örtlichen/regionalen Temperatur als auch des H2

18O –Gehalts im örtlichen/regionalen Niederschlag. Dass sich ein ähnlich gut korrelierter Zusammenhang auch in „altem Eis“ (= das in den Eisbohrkernen) finden lassen könnte, hielt er in seiner Bescheidenheit für die einzige wirklich gute Idee, die er als Wissenschaftler je hatte. -- Bei der sorgfältigen Messung des H2

18O –Gehalts von Grönländischen Eisbohrkernen längs ihrer Tiefenrichtung bekam er (erstmalig Ende der 1960er Jahre) eine Reihe von sehr starken zeitlichen Schwankungen dieses Gehalts zu Gesicht, die sich nicht durch Messfehler wegerklären ließen sondern sich vielmehr als zuverlässige Hinweise herausstellten, dass das Klima während der letzten Eiszeit in Grönland rasch auftretenden, großen Änderungen unterworfen war; Änderungen, die in mehr oder weniger abgemilderter Form auch in anderen Teilen der Welt zu spüren waren. Klarer ausgedrückt: Während der letzten Kaltzeit - und zwar im Bereich von etwa 50000 bis 12000 Jahre B.P. - traten in unregelmäßigen Zeitabständen kurzdauernde Warmzeiten auf, die in der Folge unter der Bezeichnung „Dansgaard-Oeschger-Events“ bekannt wurden.

***) Die geringen Unterschiede im (wie hier: physikalischen) Verhalten, welche auf unterschiedlichen Nuklidmassen bei stabilen Isotopen beruhen, führen zu dem, was man Isotopenfraktionierung nennt. Man kann letztere irreversibel gestalten z.B. dadurch, dass (in Verbindung zu unserem Fall) ein bestimmtes separates Wasservolumen per Verdunstung immer kleiner wird mit der Folge, dass sich das im Behälter verbleibende Wasservolumen mehr und mehr mit H2

18O-Molekülen anreichert; im übrigen ganz analog zu dem, was im globalen Maßstab beim Werden einer Kaltzeit im Eiszeitalter geschehen ist. Im Zusammenhang mit der Verminderung des H2

18O –Gehalts im atmosphärischen Wasserdampf infolge Kondensation zu Regentropfen sprach W. Dansgaard scherzhaft von einem „natürlichen Destillationsapparat“.

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Der letzte Satz vor den Fußnoten auf der vorhergehenden Seite bedarf – ebenso wie das ganze erste Bild auf dieser Seite – einer Erläuterung, ohne die das alles für den Laien nicht verständlich wird (und die Sie in dieser Ausführlichkeit nicht leicht woanders finden; hätte ich irgendwo einfach abschreiben können, wäre mir viel Zeit erspart geblieben!): Das Bild beruht auf W. Dansgaard’s schon früh gewonnener und im Wesentlichen als richtig bestätigten Vorstellung, dass die über dem Grönlandeis zu Schnee kondensierende Luftfeuchtigkeit großenteils ihren Ursprung im subtropischen Bereich des Nordatlantiks hat. Kommen wir zunächst noch einmal auf unser modellhaftes Ausgangsszenario zurück, gemäß dem ein betrachtetes Volumen an wasserdampfgesättigter feuchter Luft eine Weile am tropisch warmen Entstehungsort verbleibt. Nach dem ersten Abregnen aus besagtem Volumen erhole sich der in dem Volumen etwas abgesunkene Feuchtigkeitsgehalt dadurch wieder, dass weiterhin Wasser aus dem Ozean verdunstet, also immer wieder ein Nachschub stattfindet, um den Regentropfen (aus dem Volumen) in weiteren Regengüssen stets ein δ = 0 zu bewahren. Daran ändert sich auch nichts, wenn unser Feuchtluft-Volumen vom Wind über den Ozean weiter nach Norden verfrachtet wird, da die Temperaturen an und über der Meeresoberfläche zunächst so gut wie dieselben bleiben. Je weiter aber die Reise nach Norden geht, umso mehr sinken die Temperaturen sowohl im Wasser als auch in der Luft. Durch die Abkühlung verdunstet zum einen weniger Meerwasser; zum anderen verliert das Luftvolumen dadurch mehr und mehr Feuchtigkeit durch Regen, weil es bei sinkender Temperatur immer weniger Feuchtigkeit „bei sich behalten“ kann. Mit anderen Worten, der Nachschub wird weniger, aber die Wasserverluste „aus dem Volumen heraus“ steigen. Die Folge ist, dass nicht nur das δ in ‚unserem Volumen’ immer kleiner wird, sondern auch das δ der aus ihm entstehenden Regentropfen (im hohen Norden: Schneekristalle) immer mehr unter Null sinkt. Besonders drastisch wird die Situation, wenn unser Volumen über den grönländischen Eisschild immer weiter nach Norden treibt: Zum einen bleibt dann der besagte Nachschub ganz aus; zum anderen fällt die Temperatur schon deswegen fühlbar ab, weil der Eisschild im Mittel rund 2000 m über die Meeresoberfläche hinausragt. Was übrigens die obige Zeichnung aus ‚Frozen Annals’ nicht hergibt, ist der große Unterschied, der zwischen den δ-Verläufen in der Sommer- und Winterzeit über dem Grönlandeis herrscht. Das entsprechende Bild (allerdings orientiert an einem anderen stabilen Isotop, nämlich dem Deuterium = D = 2H, welches in Wassermolekülen auch vorkommen kann), das findet sich auf der o.a. Website; der Pfad zum Bild lautet: ResearchReconstructing past atmospheresPast Greenland temperature and moisture souresFractionation and temperature:... Wie ersichtlich ist die Differenz zwischen δVolumen und δRegen in jedem Stadium der „Abkühlung ohne Nachschub“ (praktisch) dieselbe. Warum? Das kann man sich nach all dem vielleicht ganz gut selbst beantworten.

Bild entnommen aus „Frozen Annals“, Seite 14: δ entspricht δ 18O. Vereinfachend ist an-genommen, dass eine Verdunstung von der Erdoberfläche her nur über den Wassern des Ozeans geschieht.

Handfester Nachweis für den gut korre-lierten quantitativen Zusammen-hang zwischen δ 18O (rot) und örtlicher Tem-peratur (blau) auf dem grönländischen Eisschild. Beide Größen wurden im an-gezeigten Zeitraum am selben Ort direkt an der Oberfläche des Eisschildes ge-messen, wobei δ 18O aus dem jeweiligen Niederschlag (in Form von Schnee) stammt. Klar kommen die (erwarteten) jahreszeitlichen Schwankungen von beiden Werten zum Ausdruck. Bild entnommen aus: www.iceandclimate.nbi.ku.dk/ Centre for Ice and ClimateResearchstratigraphy and dating dating by annual layer coun-tingdating using stable isotope data

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In Grönland gibt es kein Jahr, in dem nicht überall (in für Isotopenmessungen ausreichendem Maße) Schnee fällt. Um über aktuell gemessene Wertepaare T, δ zu einer (wenigstens vorläufig) brauchbaren Basis für die Umrechnung von δ auf T zu kommen, wurde an verschiedenen, über die Oberfläche des Eisschildes verstreuten Punkten im Jahreszeitraum sowohl die Temperatur im Schnee als auch das Isotopenverhältnis R = 18O / 16O gemessen und anschließend für beide der Jahres-Mittelwert gebildet, siehe nachstehendes Diagramm. Die interessanteste Frage, die mir hierzu einfällt, lautet: „Lässt sich aus obiger Gerade auch etwas Plausibles zur Temperatur am Hauptentstehungsort der in Grönland ankommenden Feuchtluft ableiten“? Die Gleichung für die Regressionsgerade lautet allgemein

T – T0 = k (δ – δ0).

Die Steigung stellt sich als k = 1,5 [grad C / ‰] heraus; als Referenzwerte seien T0 = - 35 °C und δ0 = - 37 ‰ gewählt, so dass wir

T = 1,5 * (δ + 37) – 35 [grad C]

erhalten. Wie wir von den Seiten 17 und 18 her wissen, hat der Regen am Ort der Verdunstung δ = 0. Womit wir im Entstehungsgebiet des über Grönland zu Schnee kondensierenden Wasserdampfes eine Temperatur von T = + 20,5 °C als Jahres-Mittelwert errechnen. Laut der Vermutung, die Dansgaard schon vor über 50 Jahren hatte, liegt besagtes Entstehungsgebiet – wie bereits erwähnt – in den Subtropen des Nord-Atlantiks.

Dazu schauen wir uns die (aus dem Internet verfügbaren) Temperaturangaben für die Kapverdischen Inseln und die Kanarischen Inseln an: Als mittlere Jahrestemperaturen für (oberflächennahes) Wasser und (bodennaher) Luft entnehmen wir in Form gerundeter Anhaltswerte T = 24 °C für die Kapverden und T = 20 °C für die Kanaren. Die Jahres-Mittelwerte für Wasser und Luft entsprechen sich weitgehend, auch wenn die diesbezüg-lichen T- Monatsdaten aus den genannten Quellen im einzelnen (etwas) unterschiedlich ausfallen. Man darf wohl diesen Plausibilitätstest der Regressionsgeraden – zum Ruhme des großen W. Dansgaard – alles in allem als bestanden erklären.

In diesem Diagramm ist der Jahres-Mittelwert für δ = δ18O = R/RStandard – 1 an einer in einem bestimmten Jahr gebildeten, oberflächennahen Schnee- oder Firnschicht über dem Mittelwert der (eben diesem Jahr zugeordneten) örtli-chen Temperaturwerte (T) aufgetragen. Messungen geschahen an von einander weit entfernten Stellen des Eisschildes. Bei der Berechnung der Regressionsge-raden wurden allerdings die mit Kreuz (+) gekennzeichneten Messorte nicht mitberücksichtigt, da hier der Nieder-schlag (wenigstens zum Teil) aus einer Feuchtluft stammte, die einen anderen Ursprung hatte und einen anderen Weg nahm als die Feuchtluft, welche üblicher-weise (im wesentlichen von Osten her) über den Eisschild streicht. (Bild entnommenaus „Frozen Annals“, S. 35)

Monatliche und jährliche Durchschnittswerte für die Luft- Temperatur am Beispiel der Kanarischen Inseln. Die weiße waagrechte Linie im Diagramm bezeichnet den „totalen“ jährlichen Durchschnittswert. Bild entnommen aus: www.frank-wettert.de „Urlaubswetter - Warum man nach Teneriffa fliegen sollte“

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Einige Anmerkungen zur absoluten Datierung paläo-klimatischer Ereignisse, dargestellt am Beispiel der Datierung von Temperatur-Ereignissen, gewonnen anhand von

- c - : δ 18O in Eisbohrkernen:

Waren wir im vorigen Abschnitt (- b -) nur mit dem beschäftigt, was Wasser in allen 3 Aggregatzuständen an der Erdoberfläche (gewissermaßen in der x-y-Ebene) in puncto δ 18O betrifft, so wenden wir uns jetzt dem Landeis zu, welches sich in Form von kilometerdicken Eisschilden in die Tiefe (also gewissermaßen in die z-Richtung) erstreckt. Wie uns bewusst ist, repräsentiert die z-Richtung auch die Dimension der – wenn auch nur in die Vergangenheit weisenden – Zeit t. Dem Wert z = 0 (Eisoberfläche) entspricht t = 0. Und z > 0 (im Eis bzw. im aus dem Eis gewonnenen Bohrkern) entspricht einer Vergangenheit t < 0, häufig auch – als positive Jahreszahl – mit dem Zusatz „B.P.“ = Before Present gekennzeichnet. Nun ist es leider überhaupt nicht so, dass der Ort z eines Ereignisses (das sich direkt z.B. in Form von Lufteinschlüssen oder indirekt über Proxies wie δ 18O im Eis offenbart) linear proportional mit der seitdem verflossenen Zeit t einhergeht. Der Grund für die tatsächliche Nicht-Linearität des (immerhin stetigen) Zusammenhangs t = f(z) liegt nicht etwa darin, dass – wenn wir eine bestimmte, in einem Jahr entstandene Schneeschicht ins Auge fassen – dieselbe infolge des Gewichts der jährlich pausenlos nachfolgenden Schneeschichten mehr und mehr zusammengedrückt wird, bis sie schließlich als kompakte Eisschicht vorliegt. Denn wenn man dies allein im Blick hätte, dann könnte man zu Recht meinen, „na ja, dadurch bleibt die Lage z dieser Schicht im wesentlichen erhalten, wobei allerdings die Gesamtdicke des Eispanzers d mit der Zeit immer mehr zunimmt“. Aber genau das tritt eben nicht ein! d bleibt konstant, wie es auch im Eiszeitalter konstant blieb. Wobei bei letzterem implizit die Annahme enthalten ist, dass die Temperatur während der (relativ kurzen) Warmzeiten zwischen den Kaltzeiten nie, allenfalls selten hoch genug waren, um auf Grönland oder in der Antarktis den Eisschild durch Abschmelzen fühlbar zu reduzieren (nun, das wird sich in Zukunft angesichts des vom Menschen angestoßenen Klimawandels wahrscheinlich ändern). Um es mit drastischen Worten auszudrücken: Bleibt die „Gefriertruhe“ in polaren Breiten erhalten, dann wandert von einem gigantischen, landbasierten „Eiskuchen“ soviel davon ins Meer wie im gleichen Zeitraum „von oben“ in Form einer Schnee-Zutat hinzukommt.

Die Folge davon ist, dass unsere oben ins Auge gefasste Schneeschicht mit der Zeit – sich zu Eis transformierend – in immer größere Tiefen z gelangt, um irgendwann nach tausenden oder gar zig-tausenden von Jahren den Felsgrund (bei zmax) zu erreichen, auf dem der Eisschild ruht. Wobei aber der Punkt z = 0 (auf dem Eisschild) im Abstand zmax (über dem Felsgrund) bestehen bleibt! Was wir aus unserer Erfahrung nicht kennen, ist die Tatsache, dass Eis, wenn es als sehr große zusammenhän-gende Masse der Schwerkraft unterworfen ist, sich nicht mehr wie ein starrer Festkörper verhält, sondern wie eine hochviskose Flüssigkeit, die – unter ihrem Eigengewicht – für unsere Sinne unmerklich langsam fließt. Dieser (im nachstehenden Bild schematisch dargestellte) auch zur Seite gerichtete Fließvorgang bewirkt, dass ein nach unten wanderndes, als Schicht imaginiertes Eisvolumen, welches ja eine bestimmte, um t zurückliegende Vergangenheit repräsentiert, immer dünner wird. Womit der Grund für die Nicht-Linearität von t = f(z) erklärt ist. Tiefbohrungen in den grönländischen Eisschild bis hinunter zum Felsgrund liefern kilometerlange Eiskerne; z.B. 1390 m (Camp David, 1966), danach aber auch über 3000 m (NGRIP, 2004, im Bereich der „Ice Divide“). Zahllose Daten nicht nur zum Verhältnis einiger stabiler Isotope sondern auch zur Zusammensetzung der Luft in den (im Eis eingeschlossenen Luftbläs’chen) wurden gewonnen unter (z.T. mehr als millimetergenauer) Zuordnung dieser Daten zur jeweiligen Position z am jeweiligen Eisbohr-kern. Die mit all diesen Messungen verbundene, immense Forschungsarbeit wäre praktisch ohne wissenschaftlichen Wert geblieben, wenn es nicht gelungen wäre, diese Messungen in eine plausibel erstellte bzw. einer späteren Prüfung standhaltende Zeitskala einzuordnen; heißt, den nichtlinearen Zusammenhang zwischen z und t belastbar zu quantifizieren. Natürlich gilt dies für ganz andere stratigrafische Untersuchungen ebenso; denken Sie dabei an die Untersuchungen an Tiefsee-Sedimenten oder an die Sedimentbildung (in Form sog. Varven) in Seen des Inlands. Allein in Hinblick auf „altes Eis“ deutet das Wort „Zeitskalen-Erstellung“ schon auf ein großes Arbeitsgebiet hin, das wir hier nur ansatzweise behandeln können (Genaueres lässt sich unter

Schnitt durch einen modellhaft vereinfachten Eis-schild auf einem vereinfachend glatt angenomme-nen Felsgrund. Der oberste Punkt liegt auf der sog. Eisscheide, längs der ein kleines Eisvolumen sich senkrecht nach unten bewegt. Der zum Rand des Schildes deutende Eisfluss bewirkt die Streckung der jährlich erzeugten Eisschichten von jeweils bestimmtem Volumen, womit deren Dicken-Verringerung einhergeht. War die ursprüngliche Dicke einer solchen Schicht z.B. 50 cm, dann kann sie sich am Felsgrund auf mm-Bruchteile reduzieren. (Bild entnommen aus „Frozen Annals“, S. 55)

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www.iceandclimate.nbi.ku.dk/research nachlesen). Die 4 Grundlagen für die Aufstellung und Verbesserung einer in die Eiszeiten reichenden Zeitskala lauten gemäß ‚Niels Bohr Institute’:

((a)) Abzählen der (auf welche Weise auch immer) erkennbaren Jahresschichten im Eis,

((b)) Mathematisch-physikalische Formulierung des Eis-Flusses in Form eines Computer-Modells,

((c)) Synchronisation von Zeitskalen, die unabhängig voneinander an Eisbohrkernen unterschiedlicher Prove- nienz erstellt wurden, und

((d)) Vergleich mit Datenarchiven aus stratigrafischen Untersuchungen, die nichts mit dem „alten Eis“ aus Eis- schilden zu tun haben. Nach allem, was mir bis dato zum Sujet „Zeitskala für Eiszeitalter“ zugänglich geworden ist, drängt sich mir dazu die folgende Interpretation der Zusammenhänge und Schwerpunkte auf: Das Hauptziel der Arbeiten an einer allgemein anerkennbaren, absoluten Zeitskala, die dem Verlauf der verschiedensten Messungen (aufgetragen über der z-Richtung = Längsrichtung am Bohrkern) anzupassen ist, liegt in der Identifikation von möglichst vielen Schichten im Eis, die aus dem jährlichen Niederschlag (d.h. der jährlichen Akkumulation von Schnee auf dem Eisschild) stammen ((a)). Dies ist bis jetzt gelungen für Grönlandeis bis in eine Vergangenheit von genau 60202 „b2k“ (= Jahre vor dem Jahr 2000). Eine bedeutende Rolle bei der Ermittlung spielte dabei die Synchronisation von (unterschiedlich langen) Eiskernen, die an verschiedenen Stellen des grönländischen Eisschildes (vorzugsweise an der Ice Divide) erbohrt wurden ((c)). Bei der Synchronisation orientiert man sich u.a. an feinen Ascheschichten im Eis, die von früheren massiven Vulkanausbrüchen herrühren, und die sich mithin zur gleichen Zeit an all den Stellen auf dem Eisschild abgelagert hatten, von denen die Eisbohrkerne stammen. Der grönländische Eisschild enthält „nur“ Informationen, die bis in die erste vor der unsrigen liegende Warmzeit, die „Eem-Warmzeit“, hineinreichen. Das Ende des Eem liegt nach derzeitiger (vorläufiger?) Erkenntnis bei 120000 b2k. Dagegen weist einer der neueren Eisbohrkerne aus der Antarktis (EPICA, 2004) bis zu etwa 800000 Jahre zurück in die eiszeitliche Vergangenheit, wobei übrigens die Länge dieses Eiskerns nicht wesentlich größer ist als bei den längsten in Grönland erbohrten Eiskernen! Das mag auch daran liegen, dass in der Antarktis im Mittel weniger Schnee pro Jahr gefallen ist als in Grönland. Auf jeden Fall ist der Anteil an sehr dünnen „Jahres-schichten“ im antarktischen Eis sehr hoch, wenn man dort bis zum Felsgrund hinab bohrt. Und umso schwieriger wird es, auf größeren Bohrlängen Jahresschichten zu identifizieren, je weiter man in die Tiefe z geht. Andererseits ist vorstellbar, dass es nicht unbedingt von primärem wissenschaftlichen Interesse ist, Jahreszeiträume in den Aufzeichnungen zu bestimmen, wenn diese derart viele hunderttausend Jahre zurückliegen. So kommen für die Festlegung derart großer Zeitskalen (insbesondere der bei besagtem Eisbohrkern) andere Methoden stärker zum Zuge. Vor allem gilt dies für Eisfluss-Modelle ((b)), die – unter anderem – Variationen bei der Schneeakkumulation, Erfahrungen zum „Dünner Werden“ von Eisschichten sowie den Wärmefluss am Felsgrund berücksichtigen. Dabei darf man schon davon ausgehen, dass besagte Modelle im Laufe der Jahrzehnte immer besser geworden sind, um dem wahren Verlauf t = f(z) nahe zu kommen. Eine große empirische Stütze bietet hierbei der Vergleich mit Datenreihen längs der Tiefenrichtung bei Bohrkernen aus dem Tiefsee-Sediment ((d)). Gemeint ist der Gehalt an stabilen Isotopen in Kalkschalen, vorzugsweise denen von Foraminiferen, siehe die Ausführungen im Abschnitt - a -. Anmerkung: In Bild 18a ist als Proxy für die Temperatur an der Eisoberfläche zur Zeit t die Relation δD angegeben, die auf dem Isotopenverhältnis des Wasserstoffs RD beruht. Es ist D = 2H, also RD = 2H/1H. δD läuft jedoch im wesentlichen parallel zu δ18O. (Damit bin ich am Ende der wohl längsten Fußnote angekommen, die jemals geschrieben wurde.)

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Bild 18 b-2: Wenn in der Literatur globale/nord-hemisphärische T-Differenzen zwischen einer Warm- und einer Kaltzeit angegeben werden, dann beziehen sich diese Differenzen aus gutem Grund nicht auf die jeweils in diesen Zeiten erreichten, kurz-dauernden Extremwerte, sondern vielmehr auf für längere Zeitabschnitte repräsentative Mittelwerte; man vergleiche diesbezüglich auch mit Bild 18 b-1. Kombiniert man den aus dem (antarktischen) Vostok-Eiskern rekonstruierten T-Verlauf mit geologi-schen Befunden, dann wird die Größenordnung sichtbar, in denen sich der Meeresspiegel-Anstieg als Funktion der Temperatur bewegt: (I) Auf dem Höhepunkt des letzten Glazials (vor ~ 20 000 a) war der Meeresspiegel gegenüber

heute weltweit um ~120 m abgesenkt und stieg ab ~12 000 a BP (= Before Present) während 6000 a etwa auf die heutige Höhe an; dies bei einem ∆T von mehr als -7 °C. Als (mittlere) Anstiegsrate lässt sich aus den obigen Daten 2 m pro Jahrhundert (als Größenordnung) entnehmen.

(II) Während der (im Vergleich zu heute) um bis zu 2 °C wärmeren Eem-Warmzeit lag der Meeresspiegel um mehrere Meter (bis zu 5,5 m) über dem heutigen Niveau.

Bild 18b-1

Bild 18b-1 zeigt einen von kleineren Schwan-kungen befreiten Temperaturverlauf T = f(t). Dieser verdeut-licht insbesondere, dass die T-Differenz zwi-schen einer Warmzeit und der dieser nachfol-genden Kaltzeit häufig im Bereich von 5 bis 6 °C liegt. Bild entnommen aus: Christian-D. Schön-wiese (Universität Frankfurt/Main, Institut für Atmosphäre und Umwelt): „Natürliche Ursachen für Klima-änderungen“

Eem -Warmzeit

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Literatur:

- Hofbauer, G. (2006): Die Entdeckung der Eiszeit: Die Entwicklung der Vorstellungen von einer kalten Vergangenheit und Anmerkungen zum Thema „Klimawandel“. www.gdgh.de/Berichte/B10 (19. 02. 06).

- Gavin Schmidt: Cold Climates, Warm Climates: How Can We Tell Past Temperatures? http://www.giss.nasa.gov/research/briefs/schmidt_01/

- Zur Person Professor Sir Nicholas Shackleton in: http://www.quaternary.group.cam.ac.uk/history/directors/shackleton.html

- The Discovery of Global Warming; Temperatures from Fossil Shells in: http://www.aip.org/history/climate/forams.htm

- Greenland palaeotemperatures derived from GRIP bore hole temperature and ice core isotope profiles by S. J. Johnsen, D. Dahl-Jensen, W. Dansgaard, N. Gundestrup, Niels Bohr Institute, University of Copenhagen

(den Titel bei Google eingeben, um den vollständigen Beitrag zu erhalten)

- Ausführliche Darstellungen zu „Eis und Klima“ in: www.iceandclimate.nbi.ku.dk/research