Nirgends kannst mehr hingehen - Augustin über Verdrängung im öff. Raum

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  • 8/6/2019 Nirgends kannst mehr hingehen - Augustin ber Verdrngung im ff. Raum

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    10 Nr.297, 4. 5.- t7. 5. 2011 tun & lassen

    ber fehlende ffentliche Rume und einen PolizeibergriJfaufeinen ObdachlosenNirgends kannst mehr hingehenDie vom Karlsplatz vertriebene Drogenszene sucht einen Lebensraum. DieStadt Wien will das Entstehen eines neuenTreffpunkts im ffentlichen Raum verhindern. Aktuell mit einem massiven Polizeiein -satz rund um die U6-Station JosefstdterStrae.

    Denstag, 12. April, 16 Uhr, U6-Stationsgebude josefstdter Strae, MDraum. ZweiExekutivbeamte drcken einen Obdachlosen, den sie wenige Minuten zuvor aus denRumlichkeiten des Tageszentrum JOSI geleitethaben, zu Boden, eine Kollegin legt ihm Handschellen an. Nun wird der wehrlose Mann am Kragen hochgezogen, bekommt von einem Polizisten eine Ohrfeige und dann einen Schlag mit demKnie ins Gesicht. Das ist viel zu brutal!, regt sichder Augenzeuge auf, der die Szene durch die offenstehende nir beobachtet. Seine Ansprechpartnersind zwei Polizeibeamte, die vor dem Mllraumstehen . Was denn? - Dass Sie ihn sch lagen!Noch dazu, wenn er in Handschellen ist.)) - Nein.

    da ist nichts. So was machen wir nicht. - Doch!Ich hab es ja gerade gesehen.Treten wir ein paar Schritte zurck. Das Otto-Wagner-Gebude der U6-Station Josefstdter

    Strae ist von einem Baugerst umgeben. EineNotmanahme, denn seit einigen Monaten falltder Verputz ab, brckelt die Fassade. Es ist spter Vormittag, vor dem Obdachlosen-Tageszen trum JOSI halten sich rund 60 Leute auf, darun ter acht Polizisten. Einer der Beamten hlt ein.Klemmbrett mit einer Liste in der Hand. Im Ru del streifen die Uniformierten zwischen den Ein gngen von JOSI und U-Bahn hin und her, haltenmutmaliche Drogenkonsumenten und -hndlerauf .durchsuchen Taschen, blttern in Ausweisenund rztlichen Verschreibungen, sprechen Weg-weisungen aus, offiziell, und auch inoffiziell: Ver-lassen Sie jetzt bitte diese rtlichkeit, und damitist das erledigt. Einen grauhaarigen Mann fangen sie bereitsbei der 2er-Straenbahnstation ab. Ich darf danimmer umsteigen, haben sie gesagt. Darf michda nimmer aufhalten , erzhlt er nach der Iden tittsberprfung. Und zeigt flir die ManahmeVerstndnis, weil seit sie den Karlsplatz gesperrtham, spielt sich's hier ab.

    Ein Mann, der mit einer Bierdose beim Kebab-Stand lehnt, mischt sich ein: Auch er habeeinen Platzverweis fr die gesamte Station. Wa rum, frage ich. Weil er nicht da wohne, sagt er.Gestern htten sie ihn aus der Karlplatzpassagevertrieben, dabei habe er nur ein Kapperl gekauft. Er trgt tatschlich eine neue Sportkappe. Das sind ja keine Zustnd, nirgends kannstmehr hingehen!

    Welche Probleme lst die Ve rtreibung voneinem Ort zum anderen?Das Tageszentrum josefstdter Strae existiertbereits seit 22 Jahren. Hier knn'en Obdachloseessen, kochen, duschen , Wasche waschen. einenRuheraum bentzen, Beratung bekommen , an dere Leute treffen. Eine Qualitt der Einrichtungist die besondere Lage zwischen den Grtelfahrbahnen, also ohne direkte Anrainer. Die ermglichte es den Klienten der JOSI bisher, den ffentlichen Raum vor der Einrichtung zu nutzen, unddort auch Alkohol oder Haschisch zu konsumieren, ohne gleich Aufregung und Vertreibung zuriskieren. Etliche begannen sogar, Verantwortung fr diesen ihrem>Platz zu bernehmen

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    der zerschlagenen Karlsplau-Szene flchteten zum Grtel - wo sie freilich ebenfalls keine Freirume vorfanden . Linke Se ite: Razzia am Karlsplaa

    dafr zu so rgen, dass am Abend der Mllwird.~ D a s hier war einer der letzten ffentlichenin Wien, von denen diese Leute nicht perwurden. sagt Alexander Minieh,des Zen trums. Als er vor zwlf Jahren in

    JOSI anfing, habe es noch den klassischengegeben: Rauschebart , keine bertrieene Krperpflege, mit ode r ohne Alkoho lprob- Im Laufe de r Ze it vernderte sich die Ob-achlosenpopulation: Heute haben wir es mitchiedenen Gruppen zu tun. Das sind Pernen mit Alkoholproblema6k . Personen mit

    Suchtproblematik, Personen mit psy-und Personen mitund, wobei diese letzte Grupwieder in verschiedene Gruppen zerfallt, je. All diese Gr uppen sind in ihrenhr unterschiedlich und versich nicht selbstverstndlich.Zugenommen hat der Andrang in und vor der

    in den letzten drei Jahren nicht zuletzt durchVertreibung der Ob dachlosen von and erenten in Wien, z. B. von den Bahnhfen undVorp ltzen. Seit einigen Monaten nutztauc h ein Teil der vom Karlsp latz vertrieden Platz vor der V-Bahntation und vor dem Tageszentrum als neuen

    Es wird getrunk en und gepbelt, Passanftihlen sich belstigt oder gar

    eingeschchtert, und der Weg zur V-Bahn gestal-tet sich als regelrechter SpierutenlauD>, schreibteine Bezirkszeitung Anfang Mrz. Seit Mit te Mrzist die Polizei dauerprsent . was laut inoffiziellen Quellen im Monat Kosten von einer Million Emo verursachen soU . Die Sze ne hier kannaber nicht mit dem Karlsp latz ve rglichen wer den., betont Polizeisprecher Johann Go lob. Dereinzige Drogenhandel, der von uns beanstandetwerden konnte, war Cannabis-Verkauf in einerSeitengasse.Die Obdachlosen vor der JOSI sehen die Polizeiprsenz unterschiedJjch . .eWenn sie die Junkies vertreiben , ist mir das r e c h ~ meint eine r. Einanderer erlebt die Uniformierten als Provokation. Er habe ihnen heute schon ein Gedicht vorgetragen, ein schnes Gedicht, und was habe er alsAntwort erhalten? Wenn Sie so wei ter machen ,kriegen Sie gleich zwlf Stunden Platzverbot!. -Du bist halt goscher!>, sagt seine Fre undin. -Na und? Was woUen sie denn da? Ist das Vorbeu gung? Nein , Diskriminierung ist das . Dann soUensie gleich wieder den Hitler holen!. Die Polizistenwrden nur ihre Arbeit machen, sagt sie, es gebeauch nette, mit den en man reden knne.

    Teure und massive Polizeieinstzemachen aggressivAlexander Minich spricht von einem prinzipieUguten Verhltnis zur Polizei. Und dass sie nun

    sofort vor Ort ist, wenn es im Tageszentrum zuprekren Konfliktsituationen kommt, sei auchkein Nachteil. Andererseits ist schon feststeUbar,dass die Grundaggression hier seit der ma ss ivenPoUzeiprsenz ein Stck weit hher ist als vorher Hauptproblem se i der sehr verengte nutzbare ffentliche Raum . (Es braucht in Wien wesent lich mehr ffentliche Rume fr Randgruppen.Und das so ll durchaus mitten im urbanen Ge-biet sein, denn eine Ges ellschaft muss es aushal ten , Phnomene. die sie produ ziert, auch zu Gesich t zu bekommen Kritik an der aktueUen Drogenpolitik der Stadtuern auch Barbara Berner und Lukas Schobervon der BAST (Bundesarbeitsgemeinschaft Stra ensozialarbeit sterreich), einer ehrenamtlichenlnteressensgemeinschaft der heimischen Street workerinnen. Die Zerstrung des funktionierenden Systems Karlsplatz. und der Versuch, dieSzene zu zersplinern, erschwere die Hilfe fr dieDrogenkonsumentensehr. Es besteht auerdemdie Gefa hr, dass nun wieder vermehrt Spritzen inParks, aufffen tlichen Toiletten oder in Mllrumen herumliegen .Apropos M llraum . Der Obdachlose, der lautAugenzeugenbericht im Mllraum der U6-Station von Polizisten geschlagen wurde, sagt, er kn ne sich an nichts erinnern. Se in Brustkorb tueihm weh , das schon. Vor aDem beim Lachen . -Fortsetzung folgt

    Text und Fotos: Peter A. Krobatll