November/Dezember - DFB

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Offizielles Magazin für die Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund 6/2015 November/Dezember Titelthema Schiedsrichterinnen: Wie professionell unsere Frauen heutzutage arbeiten Porträt Die Schiedsrichter des Jahres 2015: Felix Brych und Katrin Rafalski Lehrwesen Der Torwart: Was der letzte Mann darf und was nicht Tagung Symposium: Austausch zu aktuellen Problemen Deutschlands „Schiedsrichterin des Jahres“: Katrin Rafalski ist seit dieser Saison als Assistentin in der 2. Bundesliga im Einsatz.

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Offizielles Magazin für die Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund

6/2015November/Dezember

Titelthema

Schiedsrichterinnen:Wie professionell unsere Frauen heutzutage arbeiten

Porträt

Die Schiedsrichterdes Jahres 2015:Felix Brych undKatrin Rafalski

Lehrwesen

Der Torwart:Was der letzteMann darf undwas nicht

Tagung

Symposium:Austausch zuaktuellenProblemen

Deutschlands „Schiedsrichterin des Jahres“:Katrin Rafalski ist seit dieser Saison alsAssistentin in der 2. Bundesliga im Einsatz.

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3S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 6 / 2 0 1 5Dieser Ausgabe ist ein Prospekt der Firma Allzweck-Sportartikel beigeheftet. Wir empfehlen, zur Durchsicht diesen Teil herauszunehmen.

Editorial Inhalt

Liebe Leserinnen und Leser,

die Diskussionen um die Notwendigkeit einesVideobeweises im Fußball werden in den kom-menden Jahren nicht weniger werden.

Da einzelne Schiedsrichter-Entscheidungenmehr und mehr ins Zentrum der Nachbetrach-tung der Bundesliga-Spiele rücken, zahlreicheKameras aus allen Positionen offenbar dazugenutzt werden, jeden Pfiff bis ins kleinsteDetail zu hinterfragen, wird der Mensch alszuständiger Spielleiter dieser Aufgabe irgend-wann wohl nicht mehr gerecht werden können.

Diese Entwicklung ist aus meiner Sicht kaumaufzuhalten, da das „Geschäft Fußball“ vonEmotionen und Gefühlsausbrüchen lebt unddiese auch braucht. Ganz offensichtlich istdabei die Aufgabe des Schiedsrichters ein ide-ales Medium zum Transport von Emotionen,sind die offensichtlichen und scheinbaren Feh-ler unserer Unparteiischen mehr dazu geeig-net als die Aktionen und Fehler der Fußballer.

Fehlerlosigkeit aber wird es nicht geben,solange Menschen während eines Spiels dieVerantwortung tragen. Fehler passieren demSchiedsrichter auf dem Feld genauso wie möglicherweise einem Video-Schiedsrichter in einem Übertragungswagen.

Wir, die zuständige Schiedsrichter-KommissionElite des DFB, verschließen uns diesen neuenIdeen und Vorstellungen keinesfalls.

Im Gegenteil: Wir sehen es als unsere Auf-gabe an, die immer wieder diskutierten tech-nischen Möglichkeiten und Hilfen für unsereSchiedsrichter unter die Lupe zu nehmen und fachlich zu hinterfragen.

Das Projekt des Video-Schiedsrichters, das seit einiger Zeit in Holland getestet wird,haben wir uns deshalb gezielt angesehen. Eswird dabei deutlich, dass uns dieser Ansatznicht entscheidend voranbringt.

Es bleiben viel zu viele Unwägbarkeiten undFragen offen.

Wenn man weiß, dass die Übermittlung einerendgültigen Aussage über eine strittige

TV-Schiedsrichterunter der Lupe

Herbert Fandel, Vorsitzender des DFB-Schiedsrichter-Ausschusses.

Situation im Schnitt elf Sekunden dauert, wirdjedem sofort klar, dass dies keine Lösung seinkann.

Elf Sekunden können im Fußball eine Ewigkeitsein. Der Ball kann längst über weitere Spiel-situationen hinweg gespielt sein, ein Eingriff,

eine Rückkehr zur Ausgangssituation regel-technisch unmöglich werden. Und ob die Entscheidung eines Video-Schiedsrichtersdann immer korrekt sein wird, ist mehr alsunwahrscheinlich.

Es bedarf also einer Klärung all‘ der offenenFragen, die für die Praxis erst einmal ab-schließend beantwortet sein müssen. Darüberhinaus muss man immer wissen, dass ohnehindie FIFA zu allererst „grünes Licht“ gebenmuss. Ohne deren Zustimmung sind alle Über-legungen umsonst.

***

Mit Beginn der Spielzeit amtieren im Profi-fußball neben Bibiana Steinhaus zwei weitereSchiedsrichterinnen: Riem Hussein hat sichmit guten Leistungen als Schiedsrichterineinen Platz in der 3. Liga der Männer ebensoverdient wie Katrin Rafalski, die in der 2. Bundesliga als Assistentin fungiert.

Ich freue mich darüber, weil damit auch deutlich wird, dass nur die Leistungen darüber entscheiden können, wer in welcherKlasse eingesetzt wird. Geschlecht, Hautfarbeoder sonstige Unterscheidungsmerkmale spielen keine Rolle und werden für uns auch in Zukunft bei der Bewertung unserer Schieds-richter keine Rolle spielen.

Ihr

Herbert Fandel

Titelthema

Gewachsene StrukturenDer bundesweite Aufwärtstrend bei den Schiedsrichterinnen 4

Panorama 10

Ehrung

Die Besten einer SaisonDr. Felix Brych und Katrin Rafalski sind die „DFB-Schiedsrichter des Jahres“ 13

Regel-Test

Von Tornetzen und Hilfsfahnen 17

Analyse

Kleiner Schubser - große WirkungDie Nachbetrachtung der ersten Spieltageder Saison 2015/2016 19

Lehrwesen

Die Rolle des TorwartsDer „letzte Mann“ als Schwerpunkt im aktuellen DFB-Lehrbrief Nr. 63 24

Tagung

Austausch mit den NachbarnDie Ergebnisse des Schiedsrichter-Symposiums in Kaiserau 28

Blick in die Presse 31

Aus den Verbänden 32

Vorschau 1/2016 34

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Titelthema

Gewachsene Strukturen

Es war das Jahr 1989, der Trai-ner der Frauen-Nationalmann-

schaft hieß Gero Bisanz, die bril-lante Mittelfeld-Regisseurin wardie heutige Bundestrainerin SilviaNeid, und die Mannschaft wurdemit einem 4:1-Sieg gegen dasfavorisierte Team aus Norwegenzum ersten Mal Europameister.

Der erste Titel überhaupt für dienoch junge Elf, ein großer Erfolg,den der DFB damals natürlichgerne honorieren wollte.

Wie intensiv 1989 vorab über diegeeignete Prämie nachgedachtwurde, ist leider nicht überliefert.Am Ende der Überlegungen kam

man zu dem Schluss, den Fußbal-lerinnen die wohl größte Freudemit geblümten Tassen, Untertas-sen und Kuchentellern bereiten zu können.

Jenes Kaffeeservice aus saarlän-dischem Haus ist seither zu eini-ger Berühmtheit gelangt.

Erst kürzlich konnte ein Musterdavon hinter Glas bei einer Aus-stellung zu Geschlechterfragen imDeutschen Historischen Museum Berlin besichtigt werden – alsSymbol für den stiefmütterlichenUmgang, den der DFB in denAnfangsjahren des Frauenfuß-balls (welchen man bis 1970 ausGründen von „Schicklichkeit undAnstand“ sogar offiziell verbotenhatte) pflegte.

Glücklicherweise haben sichStrukturen und Image längstgewandelt. Zwar unterscheidenwir im Sprachgebrauch immernoch zwischen „Frauenfußball“und „Fußball“ (zu dem wir statt-dessen eigentlich „Männerfuß-ball“ sagen müssten), dennoch ist die Professionalisierung beiden Frauen in den vergangenenJahren weit fortgeschritten.

Die Erfolge der DFB-Mannschaftlocken immer mehr Zuschauer indie Stadien und vor die Fernseher,im internationalen Vereinsfußballdominieren deutsche Teams, undauch das Niveau der Bundesligenist deutlich gestiegen. So über-rascht es nicht, dass sich auch imBereich der Schiedsrichterinnenvieles positiv entwickelt hat.

Auch hier lohnt ein Blick in dieVergangenheit. Vor 20 Jahren gabes in Deutschland lediglich gut900 Schiedsrichterinnen, 2015sind es knapp 2.600. Eine Stei-gerung um mehr als 150 Prozent und – was sogar noch entschei-dender ist – gegen den Trend beiden männlichen Kollegen.

Bis es im Frauenfußball so professionell zuging, wie es heute der Fall ist, hat es lange Jahregedauert. Inzwischen sind aber nicht nur sämtliche Schiedsrichter-Teams der 1. und 2. Bun-desliga rein weiblich besetzt, immer mehr Frauen schaffen zudem den Sprung in den Profi-bereich der Männer. SRZ-Reporter Tobias Altehenger hat die FIFA-Schiedsrichterin AngelikaSöder bei einem ihrer Spiele begleitet – wirft zunächst aber einen Blick in die Historie desdeutschen Frauenfußballs.

Auf geht’s: FIFA-Schiedsrichterin Angelika Söder im Einsatz mit ihren Assistentinnen SusanneGrams (links) und Monika Pieczonka.

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den 1990er-Jahren als erste Frauüberhaupt in die Bastion „Männer-fußball“.

In den nächsten Jahren folgten ihr nur wenige nach, bis schließlichBibiana Steinhaus 2007 der Auf-stieg in die 2. Bundesliga gelang.Eine absolute Erfolgsgeschichte,basierend auf harter Arbeit undTalent, die Bibiana Steinhaus fürviele Jung-Schiedsrichterinnenüber Jahre hinweg zum Vorbildgemacht hat. Inzwischen gehörtsie längst zu den erfahrenstenSpielleitern in der zweithöchstendeutschen Spielklasse und pfeift inihrer neunten Zweitliga-Saison.

Zur neuen Spielzeit hat BibianaSteinhaus im Profifußball der Männer Gesellschaft bekommen:Riem Hussein leitet seit dem Sommer Spiele der 3. Liga, KatrinRafalski ist in der 2. Bundesliga als Assistentin im Einsatz.

Bei der Zweitligapartie des SC Paderborn gegen RB Leipzigstanden Bibiana Steinhaus undKatrin Rafalski kürzlich gemein-sam auf dem Platz, die Hälfte des Schiedsrichter-Teams bei einer Partie im Männerfußball war damit weiblich. Im Jahr 2015ein Modell für die Zukunft?

Ist man nach all‘ den Fehlern, die gemacht wurden, nach all‘ den Jahren des stiefmütterlichenUmgangs mit dem Frauenfußballund seinen Schiedsrichterinnennicht inzwischen bereit für mehrFrauen im Profifußball der Män-ner? Die Antwort darauf ist wohlein „Ja, aber“.

Zwar berauschen sich vor allemdie Boulevard-Medien gerne andem Klischee der Frau, „die den(harten) Männern zeigt, wo's lang geht“ und fordern immer wieder mal vehement den Auf-stieg von Bibiana Steinhaus in die Bundesliga. Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel hat abermehrfach darauf hingewiesen,dass es der Schiedsrichter-Kom-mission Elite des DFB nur um die Leistung ihrer Unparteiischengehe – ob Mann oder Frau spieledabei keine Rolle.

Das heißt: Wenn Bibiana Steinhaus,Riem Hussein oder Katrin Rafalskiam Ende der Spielzeit im oberenTableau der Beobachtungsständeliegen, steht weiteren Beförderun-gen im Männerfußball nichts imWeg.

***

Angelika Söder hat es bei den Männern noch nicht in den Profi-

Bereich geschafft, aber sie ist aufdem besten Weg dahin. Es ist einverregneter Sonntag im Früh-herbst, und im Ulrich-Haberland-Stadion in Leverkusen wirdBundesliga gespielt. Bayer Lever-kusen empfängt die SGS Essen. An der einzigen kleinen Kaffee-bude beschweren sich EssenerGästefans noch über das Fehlender Currywurst im generell überschaubaren kulinarischen

Gertrud Regus bei einem Ein-satz am Millerntor in Ham-burg im Jahr 1994.

Bevor es aber so viele Mädchenund Frauen gab, die Lehrgängebesuchten und nach erfolgreichabsolvierter Prüfung zur Pfeifegriffen, war es in den 1990er-Jah-ren an der Tagesordnung, dass inerster Linie männliche Schieds-richter bei Spielen der höchstenFrauen-Ligen pfiffen oder assis-tierten.

Beliebt waren die Begegnungenbei den männlichen Unpartei-ischen meist nicht, sodass ge-witzte Ansetzer oft ungewöhnlicheStrategien anwandten, um diesePartien besetzen zu können. Sienannten dann beim Telefonanrufnur die Namen der Vereine, umdem Schiedsrichter, der sichgedanklich schon auf ein Derbyoder Spitzenspiel freute, nach des-sen Zusage beiläufig mitzuteilen,dass es sich hierbei übrigens umein Frauenspiel handelte.

Auch das hat sich heute verän-dert: Die Schiedsrichter-Teams der 1. und 2. Frauen-Bundesligasind mittlerweile komplett weib-lich besetzt. Immer mehr Frauenschaffen zudem den Sprung in die – alleine aufgrund desZuschauer-Aufkommens nach wievor als prestigeträchtiger angese-henen – Profiligen der Männer.

Gertrud Regus aus Hallstadt wardabei die Pionierin: Als Assistentinder 2. Bundesliga schaffte sie es in

500

1000

1500

2000

2500

3000

1994 2000 2006 2012 01.07.15

AAnnzzaahhll SScchhiieeddssrriicchhtteerriinnnneenn

Positiver Trend: In den vergangenen 21 Jahren hat sich dieZahl der Schiedsrichterinnen in Deutschland mehr als ver-dreifacht: Gab es 1994 erst 829 von ihnen, so sind es aktuellrund 2.600 Unparteiische. Deutlich erkennbar ist der Schub,den der Zweitliga-Aufstieg 2007 von Bibiana Steinhaus demFrauen-Bereich gab. Mit 2.790 weiblichen Unparteiischenwurde im Jahr 2011 – also in dem Jahr, in dem die Frauen-WMin Deutschland stattfand – die Höchstzahl erreicht.

Angelika Söder aus Ingolstadt steht seit vergangenem Jahrauf der FIFA-Liste.

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Titelthema

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Angebot, da führt das Schiedsrich-terinnen-Team unten die Mann-schaften aufs Feld.

Angelika, 26 Jahre alt, 1,69 Metergroß, kommt aus Ingolstadt undarbeitet als Psychologin für dieCaritas.

Schiedsrichterin wurde sie mit 12, inzwischen pfeift sie in derRegionalliga Bayern und in der 1. Frauen-Bundesliga. Seit Anfangdes Jahres trägt sie zudem dasFIFA-Wappen. Beim DeutschenFußball-Bund gilt sie als großesTalent, jung und trotzdem schonerfahren, konsequent und freund-lich, so wird sie eingeschätzt, und so tritt sie auch an diesemSonntag auf.

Die Bundesliga-Begegnung zweierMannschaften aus dem unteren

Die Frauen-Quote der Landesverbände

Landesverband Anteil der Frauen unter den Absolute Zahl derSchiedsrichtern des LV Schiedsrichterinnen

Der Norden liegt vorne

1. Niedersächsischer FV 4,9% 570

Schleswig-Holsteinischer FV 4,9% 98

3. Hamburger FV 4,6% 170

4. Saarländischer FV 4,5% 49

5. FV Rheinland 4,2% 54

6. Bremer FV 3,8% 20

FV Niederrhein 3,8% 105

8. Berliner FV 3,7% 42

FV Sachsen-Anhalt 3,7% 59

10. LFV Mecklenburg-Vorpommern 3,5% 33

Sächsischer FV 3,5% 110

12. Württembergischer FV 3,4% 222

Thüringer FV 3,4% 59

14. FLV Westfalen 3,3% 163

FV Mittelrhein 3,3% 71

FLV Brandenburg 3,3% 53

17. Bayerischer FV 3,1% 418

18. Südwestdeutscher FV 3,0% 53

19. Badischer FV 2,8% 39

20. Hessischer FV 2,6% 173

21. Südbadischer FV 2,4% 37

2.598

Vergleicht man den Anteil der weiblichen Unparteiischen an der Gesamtzahl aller Schiedsrichter einesLandesverbandes, so fällt dabei ein Nord-Süd-Gefälle auf: Während die Spitze durch Landesverbändeaus dem Norden eingenommen wird, haben große Verbände wie Bayern oder Hessen zwar absolutgesehen viele Schiedsrichterinnen - ihr Anteil an der Gesamtzahl ist im Vergleich aber eher gering.

ersten Hälfte fallen bereits fünfTore, die Heimmannschaft ausLeverkusen geht mit einer knap-pen 3:2-Führung in die Halbzeit-pause. Schöne Spielzüge, mehrereAluminiumtreffer, ein verschosse-ner Strafstoß, der im Nachschussverwandelt wird: Die knapp 500Zuschauer auf der Tribüne sindbegeistert.

Und nicht nur sie: Auch SimoneHorn kommt aus dem Staunenkaum heraus. Die Westfälin ist andiesem Sonntag offizielle Beob-achterin und sieht längst nichtjedes Wochenende ein so aufre-gendes Spiel. Als Assistentin warsie selbst vor einigen Jahren noch in der Frauen-Bundesliga im Ein-satz, heute unterstützt sie dieUnparteiischen als Coach, in allen Spielklassen der Frauen undin ihrem Heimatverband bei denMännern bis zur Westfalenliga.

Zwischen den Männer- und Frauen-Spielklassen sieht Simone Hornauch im Jahr 2015 noch deutlicheUnterschiede. „Das kann manschon am Zuschauer-Aufkommenfestmachen“, meint sie.

„Eine Kulisse von 500 Leutenerzeugt naturgemäß wenigerDruck und Anspannung als ein volles Stadion mit mehreren zehn-tausend Menschen. Außerdem laufen die Spiele bei den Frauendeutlich seltener aus dem Ruder.Für die Schiedsrichterinnen ist das natürlich einerseits ange-nehm, andererseits wünschen sich die Frauen sicherlich auch mal etwas mehr Herausforde-rung.“ Spielen Frauen denn gene-rell fairer als Männer? SimoneHorn schmunzelt. „Generell ist das wohl so.“

Heute scheint das jedenfalls zuzu-treffen. Zwei Gelbe Karten stehenam Ende auf ihrem Beobachtungs-block, 20 Foulspiele, nichts Wildesdabei. Aber der Spielverlauf hat esin sich. In der zweiten Halbzeitwird es dramatisch. Essen schafftnach einem Zwei-Tore-Rückstanderst den Ausgleich auf 4:4, in derletzten Minute der Nachspielzeitgelingt der Gastmannschaft sogarnoch der Siegtreffer zum 5:4.

Früher war Simone Horn Assistentin in der 1. Frauen-Bundes-liga, heute beobachtet sie dort die Schiedsrichterinnen.

Tabellenmittelfeld avanciert dabeizum absoluten Topspiel. In der

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Nach dem Abpfiff sinken diegeschlagenen Leverkusenerinnenauf dem Rasen in sich zusammen.Nur der Trainer stürmt auf denPlatz und auf Angelika zu; vordem entscheidenden Tor will erein Foul an seiner Abwehrspiele-rin gesehen haben.

Angelika leitet das gesamte Spiel großzügig und verzichtetauch in der fraglichen Szene aufden Pfiff. Für Simone Horn auf der Tribüne völlig nachvollzieh-bar: „Aus meiner Perspektive war das eher ein Zusammenstoßals ein Foulspiel, weiterlaufen zulassen, war hier die korrekte Ent-scheidung.“

Noch mal ansehen wird sie sichdie Szene vor dem Coaching-Gespräch aber nicht: „Momentanist es im Vergleich zur Männer-Bundesliga noch so, dass nichtalle Spiele in vergleichbarer Qua-lität gefilmt werden; da wir aberalle unsere Schiedsrichterinnengleich behandeln wollen, könnenwir nicht manche Aufnahmenberücksichtigen und anderenicht.“

Nach dem Spiel folgt dann die Analyse. Angelika Söder ist zufrie-den mit der Spielleitung. „Die Big-Point-Entscheidungen habengepasst, grundsätzlich war dasSpiel aber trotz des ungewöhn-lichen Verlaufs nicht schwierig zu leiten.“ Simone Horn kann dem nur zustimmen. Das Coa-ching verläuft dementsprechendharmonisch, die Beobachterin hat ein paar Nachfragen und einpaar kleine Anmerkungen, ist mitder Spielleitung aber zufrieden.Ein faires Spiel, eine gute Spiel-leitung, man ist sich einig.

Ob Frauen generell fairer spielenals Männer, kann Angelika Södernicht klar beantworten. „Grund-sätzlich vielleicht schon, aber wir stellen in den letzten Jahrenfest, dass sich der Frauenfußballdem Männerfußball immer mehrannähert. Unsportlichkeiten wie‚Schwalben‘ gab es früher bei den Frauen so gut wie gar nicht,inzwischen gehört das mit zumGeschäft.“

Ihre Spiele bei den Männern derRegionalliga Bayern findet siedementsprechend auch nichtschwieriger zu leiten: „Anders,das trifft es vielleicht eher, dieHerausforderungen sind andere,weil Männer- und Frauenfußballsich eben unterscheiden.“ Aus diesem Grund stellt sie sich vorRegionalliga-Spielen auch nichtgroßartig um. „Stellungsspiel und Laufwege muss man viel-leicht ein bisschen anpassen, da die Männer grundsätzlichschneller unterwegs sind. Ansonsten orientiere ich meineSpielleitung aber am Spielver-lauf und nicht am Geschlecht der Spieler.“

Deutschlands Spitzen-Schiedsrichterinnen

Die bekannteste unter Deutsch-lands Schiedsrichterinnen istBibiana Steinhaus (36). VonSchiedsrichter-Chef HerbertFandel wurde sie einst als „weltbeste Schiedsrichterin“betitelt. Die Hannoveranerin lei-tet bereits seit dem Jahr 2007Spiele in der 2. Bundesliga derMänner, inzwischen kommt siedort auf 66 Einsätze. Darüberhinaus ist sie regelmäßig alsVierte Offizielle in der Bundes-liga unterwegs.

Im Frauen-Bereich hat BibianaSteinhaus in den vergangenenJahren den DFB bei allen gro-ßen Turnieren international ver-treten. So nahm sie mit ihremTeam zum Beispiel an den Olym-

pischen Spielen 2012 in London,den Europameisterschaften 2009und 2013 sowie den Weltmeister-schaften 2011 und 2015 teil. Beidem Turnier im eigenen Land vorvier Jahren leitete sie unter ande-rem auch das Finale zwischenJapan und den USA.

Ein neues Gesicht im Profi-Bereichist seit dieser Saison KatrinRafalski (33). Sie ist im Sommerals Schiedsrichter-Assistentin indie 2. Bundesliga aufgestiegen und gehört dort dem Team vonSchiedsrichter Patrick Alt an.

Seit neun Jahren ist Rafalskibereits DFB-Schiedsrichterin. Zuinternationalen Ehren kam sie vorallem an der Seite von Bibiana

Drei Frauen in der Elite

Die drei Frauen im Elite-Bereich: Bibiana Steinhaus,...

…Zweitliga-Assistentin Katrin Rafalski…

…sowie Drittliga-Schieds-richterin Riem Hussein.

Steinhaus, die sie zu den großenTurnieren begleitete. Auf DFB-Ebene wurde Katrin Rafalski indiesem Jahr als „Schiedsrichte-rin des Jahres“ ausgezeichnet(siehe Bericht ab Seite 13).

Ebenfalls neu dabei ist seit Som-mer Riem Hussein (35) alsSchiedsrichterin in der 3. Liga.Sie steht seit 2009 auf der FIFA-Liste und kam bereits bei der U 19-Europameisterschaft derFrauen 2012 in der Türkei zumEinsatz.

Auch Riem Hussein durfte sichschon mal über den Titel „DFB-Schiedsrichterin des Jahres“freuen, nämlich nach der Saison2012/2013.

Proteste oder zumindest Nachfragen zu Schiedsrichter-Ent-scheidungen gehören auch im Frauenfußball zum Geschäft.

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Titelthema

Vier Fragen an Carolin Greiner Mai

Carolin Greiner Mai war früherselbst langjährige Schiedsrich-terin der Frauen-Bundesliga.Heute ist sie in der DFB-Schiedsrichter-KommissionAmateure für den Frauen-Bereich zuständig, unter ande-rem setzt sie die Spiele der 1. Frauen-Bundesliga an.

Frau Greiner Mai, wie hat sichaus Ihrer Sicht der Frauen-Bereich im DFB in den vergan-genen Jahren entwickelt?

Carolin Greiner Mai: Wenn wiruns die Top-Ligen anschauen,dann können wir eine sehr guteEntwicklung in Leistungsstandund Qualität der Schiedsrichte-rinnen verzeichnen. UnsereUnparteiischen machen einenprima Job, das zeigt sich auchdaran, dass immer weniger Kritik von Seiten der Vereinekommt. Bezüglich der Nach-wuchs-Gewinnung hatten wiruns allerdings doch einenetwas größeren Schub durchdie Frauen-WM im eigenen Land erhofft. Hier sehen wiruns inzwischen ähnlichen Pro-blemen wie bei den Männernausgesetzt, insgesamt gehendie Zahlen bei den Schiedsrich-tern zuletzt ja wieder leichtzurück.

Die Aufstiegsmöglichkeiten imFrauen-Bereich sind aber nachwie vor gut, oder nicht?

Greiner Mai: Sie sind jedenfallsnach wie vor besser als bei denMännern. Trotzdem ist es auch inunserem Bereich heute nichtmehr so, wie es noch vor zehnJahren war. Damals gab es relativwenige Schiedsrichterinnen aufTop-Niveau, dementsprechendbekam man oft schon innerhalbvon rund zwei Jahren die Chance,in der 1. oder 2. Bundesliga zupfeifen. Heute ist das nicht mehrso einfach. Das ist aber auch gutso, denn natürlich brauchen auchdie Schiedsrichterinnen die Erfah-rung.

Mit Riem Hussein und Katrin Ra-falski sind zur laufenden Saisonzwei Frauen in den Profi-Bereichder Männer aufgestiegen. WelcheBedeutung hat so ein Aufstieg für das Schiedsrichter-Wesen beiden Frauen?

Greiner Mai: Es ist auf jeden Fallein gutes Zeichen für die Schieds-richterinnen in den unteren Ligen,weil der Aufstieg von Riem undKatrin zeigt, dass es sich lohnt, zu kämpfen und Einsatz und Leis-tungswillen zu zeigen. Dass es fürFrauen nach wie vor schwieriger

„Die Richtung stimmt“

ist, sich im Männer-Bereich zu etab-lieren, ist klar. Man sieht aber nun,dass Bibiana Steinhaus keine Ein-zelerscheinung mehr ist. Die Rich-tung stimmt.

Wie soll diese Richtung in derZukunft weiter definiert werden,welche Schritte sind im Frauen-Bereich in nächster Zeit zugehen?

Greiner Mai: Wir sind gerade schon dabei, die Strukturen zuändern, hier müssen aber noch viele Gespräche geführt werden.

Die „Frauen-Beauftragte“ Carolin Greiner Mai (rechts),hier im Einsatz als Schiedsrichter-Betreuerin bei derFrauen-WM 2011 in Dresden (zusammen mit FIFA-Schieds-richterin Jacqui Melksham aus Australien).

Einerseits mit den Schiedsrich-terinnen, andererseits aber auchin der Kommission. Ich denke,eine weitere Professionalisie-rung ist auch im Frauen-Bereichunabdingbar, allerdings wirddiese Professionalisierung – und das ist auch der Wunschder Schiedsrichterinnen – nichtso weit gehen wie bei den Män-nern im Elite-Bereich. Es werdenin absehbarer Zeit Maßnahmengetroffen werden, um die Wei-chen für die Zukunft zu stellen, in Stein gemeißelt ist hier abernoch nichts.

Der Frauenfußball im Jahr 2015ist nicht mehr mit der Zeit zu vergleichen, als der DFB seinerNationalmannschaft zum Europa-meistertitel ein Kaffeeserviceschenkte. Die Strukturen sindprofessionalisiert, der Fußball ist attraktiver geworden, undauch das Schiedsrichter-Wesenhat große Fortschritte gemacht.Dass zur neuen Spielzeit zweineue Schiedsrichterinnen in den Profi-Bereich der Männer vorgestoßen sind, ist ein klaresSignal. Jung-Schiedsrichterinnenwerden heute früher gefördert,

die Aufstiegsmöglichkeiten sindgut.

Ob Angelika Söder auch noch den Sprung in die Männer-Ligendes DFB schaffen wird, weiß sienicht. „Die Hoffnung ist natürlichda, die 3. Liga wäre der nächstekonsequente Schritt. Aber wirwissen alle, wie knapp es in derabsoluten Leistungsspitzezugeht, deswegen freue ich mich momentan erst einmal sehr über meine Berufung auf die FIFA-Liste.“

Genau wie im Männer-Bereich analysiert die Beobachterinzusammen mit den Unparteiischen die vorangegangene Spiel-leitung.

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Schiedsrichterinnen der 2. Frauen-Bundesliga 2015 /2016 * Stand: 1.10.2015

Die 20 Schiedsrichterinnen der Frauen-Bundesliga 2015 /2016

Fabienne Michel (21) 19 Südwestdeutscher FVAnna-Kristin Mielke (26) 16 Niedersächsischer FVAnnika Paszehr (23) 10 FLV WestfalenMonika Pieczonka (23) 1 Bayerischer FVAlessa Plass (29) 32 Bayerischer FVSvenja Pleuß (23) 17 Niedersächsischer FVAnne-Kathrin Schinkel (28) 20 Thüringer FVHanna Schlemmer (28) 33 Südwestdeutscher FVWiebke Schneider (26) 9 Hessischer FVMiriam Schweinefuß (21) 2 FV Sachsen-AnhaltSabine Stadler (36) 70 Hessischer FVIrina Stremel (23) 1 Niedersächsischer FVCaroline Telahr (27) 36 FV NiederrheinChristine Weigelt (30) 62 Sächsischer FVFranziska Wildfeuer (21) 8 Schleswig-Holsteinischer FV

Name (Alter*) Spiele* Landesverband

Samira Bologna (24) 0 Südbadischer FVSusann Dittmar (28) 38 Sächsischer FVLaura Duske (28) 10 FV MittelrheinFranziska Erkes (26) 19 FV NiederrheinCorinna Feldmann (25) 32 Niedersächsischer FVSilke Fritz (25) 16 Württembergischer FVSaskia Geweke (24) 8 Niedersächsischer FVAnnette Hanf (27) 54 Bayerischer FVAnna-Lena Heidenreich (24) 9 Schleswig-Holsteinischer FVJacqueline Herrmann (23) 35 Hamburger FVKristina Hofbauer (23) 18 Bayerischer FVMelissa Joos (23) 1 Württembergischer FVAnja Klimm (23) 16 Niedersächsischer FVAndrea Knauer (29) 28 Bayerischer FVSonja Kuttelwascher (28) 9 Badischer FV

Name (Alter*) Spiele* Landesverband

Ines Appelmann (27)

BL seit: 2011Spiele: 29Landesverband:Südwest

Christina Biehl (29)

BL seit: 2008Spiele: 57Landesverband:Südwest

Mirka Derlin (30)

BL seit: 2010Spiele: 35Landesverband:Schleswig-Holst.

Sina Diekmann (26)

BL seit: 2014Spiele: 8Landesverband:Niedersachsen

Daniela Illing (38)

BL seit: 2003Spiele: 85Landesverband:Sachsen

Inka Müller-Schmäh(39)

BL seit: 1997Spiele: 118Landesverband:Berlin

ChristineBaitinger (41)

BL seit: 1999Spiele: 126Landesverband:Württemberg

Sandra Stolz (32)

BL seit: 2011Spiele: 30Landesverband:Brandenburg

Franziska Haider (29)

BL seit: 2013Spiele: 13Landesverband:Bayern

Susann Kunkel (32)

BL seit: 2015Spiele: 1Landesverband:Schleswig-Holst.

Katrin Rafalski (33)

BL seit: 2007Spiele: 67Landesverband:Hessen

Karoline Wacker (24)

BL seit: 2014Spiele: 6Landesverband:Württemberg

Kathrin Heimann (29)

BL seit: 2011Spiele: 26Landesverband:Westfalen

Marija Kurtes (28)

BL seit: 2006Spiele: 80Landesverband:Niederrhein

Angelika Söder (26)

BL seit: 2008Spiele: 54Landesverband:Bayern

Nadine Westerhoff (32)

BL seit: 2014Spiele: 7Landesverband:Westfalen

Dr. Riem Hussein (35)

BL seit: 2006Spiele: 77Landesverband:Niedersachsen

Imke Lohmeyer (26)

BL seit: 2012Spiele: 16Landesverband:Niedersachsen

Bibiana Steinhaus (36)

BL seit: 1999Spiele: 66Landesverband:Niedersachsen

Marina Wozniak (36)

BL seit: 2005Spiele: 84Landesverband:Westfalen

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Panorama Deniz Aytekin bei der

U 17-Weltmeisterschaft

FIFA-Schiedsrichter Deniz Aytekinkommt erstmals bei einer Fuß-ball-WM zum Einsatz: Die FIFAnominierte den 37-Jährigen ausOberasbach für die U 17-Welt-meisterschaft in Chile, die vom 17. Oktober bis zum 8. Novemberausgetragen wird.

Als Assistenten begleiten ihnGuido Kleve (Nordhorn) und Mar-kus Häcker (Waren/Müritz) nachSüdamerika.

Aytekin steht seit 2011 auf derFIFA-Liste und leitete internatio-nal bisher drei WM- und zwei EM-Qualifikationsspiele. Als Tor-richter war er bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine imSchiedsrichter-Team von Wolf-gang Stark.

Für das Turnier in Chile sind 21Schiedsrichter sowie 42 Assis-tenten aus insgesamt 33 Ländernnominiert.

Walter Horstmanngestorben

Nur eine Woche vor seinem 80. Ge-burtstag ist der langjährige FIFA-Schiedsrichter Walter Horstmanngestorben. Der Hildesheimer leitete 144 Bundesliga-Spiele,

Deniz Aytekin ist mit seinen Assistenten Markus Häcker(links) und Guido Kleve für die U 17-WM in Chile nominiert.

„Hand Gottes“: Maradona trifftSchiedsrichter wieder

„Es war ein wenig mit meinem Kopfund ein wenig mit der Hand Gottes“,sagte der argentinische National-spieler Diego Maradona nach demViertelfinale der Fußball-Weltmeis-terschaft 1986 in Mexiko zwischenArgentinien und England (2:1).

Kurz zuvor hatte der ehemaligeWeltklasse-Stürmer den Ball mitder Hand über Englands TorhüterPeter Shilton gelupft – ein irregulä-res Tor, das der damalige Schieds-richter Ali Bennaceur anerkannte.

29 Jahre nach einem der berühmtes-ten Tore der Geschichte trafen sichbeide Akteure wieder: ArgentiniensFußball-Legende besuchte bei einerTunesien-Reise Schiedsrichter AliBennaceur, der im WM-Viertelfinaledie „Hand Gottes“ übersehen hatte.

Bundesliga-Alltag 1971: Walter Horstmann (rechts) mitLinienrichter Volker Roth nach dem Spiel Bayern Münchengegen den VfL Bochum.

darunter 1972 auch das ersteHeimspiel des deutschen Rekord-meisters Bayern München im neu erbauten Olympiastadiongegen den FC Schalke 04 (5:1).

Zu den Höhepunkten seiner Lauf-bahn zählte die Leitung des DFB-Pokalfinales 1975 in Hannover

zwischen Eintracht Frankfurt und dem MSV Duisburg (1:0). Von1970 bis 1982 stand er auf derFIFA-Liste und kam unter ande-rem in fünf A-Länderspielen undweiteren 40 internationalenBegegnungen zum Einsatz.

Noch während seiner aktiven Zeitund auch viele Jahre danachdiente Walter Horstmann demFußball innerhalb des Nieder-sächsischen Fußballverbandes.Insbesondere dem Schiedsrichter-Wesen gab er wertvolle Impulse.

Zahlreiche Auszeichnungen undEhrennadeln bis hin zur Verlei-hung des Bundesverdienstkreuzesam Bande sind Zeugen seiner Ver-dienste und Würdigung seines unermüdlichen Eintretens für denFußball.

Walter Horstmann war nicht nurein bedeutender Schiedsrichter,sondern auch eine große prä-gende Persönlichkeit für den Fuß-ballsport.

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Italiener führen GrüneKarte ein

In unserer vorherigen Ausgabeberichteten wir über die GrüneKarte im Kreis Northeim-Einbeck(Niedersachsen), die Trainer undFußballer zu mehr Fairness undRespekt gegenüber Schiedsrichternanhalten soll.

In einer etwas anderen Funktion soll diese Kartenfarbe nun auch inItaliens Profi-Bereich zum Einsatzkommen: Die Grüne Karte soll in der Serie B eingeführt werden. ImGegensatz zur Gelben und RotenKarte stellt die Grüne keine Bestra-fung dar, sondern Spieler, Trainerund auch Fans können damit be-lohnt werden. „Wir wollen nichtmehr nur denjenigen bestrafen, der etwas falsch macht, sondernauch das Gegenteil belohnen“,erklärte ein Liga-Sprecher.

Geht es nach den Verantwortlichen,zeigt der Unparteiische zukünftigfür faires Spiel oder freundlicheAktionen den grünen Karton – etwa,wenn der Ball trotz offensiver Mög-lichkeiten bei einer Verletzung desGegners ins Aus gespielt wird.

Nach Faustschlag:Ein Jahr Haft aufBewährung

Nach einem Angriff auf einenSchiedsrichter ist ein Hobby-Fußballer aus Essen zu einemJahr Haft auf Bewährung verur-teilt worden.

Zuvor wurde gegen ihn bereitsein lebenslanges Fußball-Verbotverhängt.

Der 25-Jährige hatte einem Un-parteiischen Ende 2014 in einemSpiel der Freizeitliga nach einerGelb/Roten Karte einen so hartenFaustschlag versetzt, dass der 57-jährige Schiedsrichter bewusst-los zu Boden ging.

Im Krankenhaus wurden ein doppelter Kieferbruch, eineleichte Gehirnerschütterung und Schürfwunden diagnosti-ziert. Wochenlang konnte derSchiedsrichter nur flüssigeNahrung zu sich nehmen.

Der Angeklagte zeigte sich vorGericht geständig und entschul-digte sich für seinen Ausraster.

Das Geheimnis hinterPierre Claude

Wenn man sich die Zahl seinerAnsetzungen anschaut, dannmüsste Pierre Claude zu den Top-Schiedsrichtern der Rheinlandligagehören. Der Blick auf den Wohn-ort „Musterhausen“ löst jedocherste Skepsis aus. Denn strenggenommen ist Pierre Claude keinSchiedsrichter.

Der Name steht als Synonym füralle luxemburgischen Unpartei-ischen, die in Rheinland-Pfalz seiteinigen Jahren in der Grenzre-gion zu Luxemburg zum Einsatzkommen. Der Fußballverband

Rheinland pflegt seit einigen Jahren einen Austausch mit demdortigen Fußballverband undsetzt alle Referees aus dem Nach-barland im DFBnet unter demNamen Pierre Claude an.

„Das habe ich damals mit CharlesSchaack, dem Vorsitzenden derluxemburgischen Schiedsrichter,so vereinbart, um die Austausch-spiele im DFBnet besetzen zukönnen“, berichtet Erich Schnei-der, der Vorsitzende des Ver-bands-Schiedsrichter-Ausschus-ses, und fügt an: „Es ist aber keinPhantasiename – Pierre Claudeexistiert wirklich.“

Besagte Person sei beim luxem-burgischen Verband verantwort-lich für das Schiedsrichter-Wesen.Den richtigen Namen der Unpar-teiischen ins System zu stellen,sei jedoch nicht möglich, da dieVernetzung mit dem luxemburgi-schen Verband nicht vorhandensei.

Deshalb pfeift in der Rheinland-liga noch ein weiterer Musterhau-sener: Hinter Bernard Petry ver-stecken sich die französischenAustausch-Referees.

Neben der Bewährungsstrafemuss der Verurteilte 3.000 EuroSchmerzensgeld zahlen.

„Gewalt und Faustrecht haben auf dem Fußballplatz nichts zusuchen“, fügte Richter MatthiasPohlkamp seinem Urteil hinzu.Es sei oberstes Gebot einesjeden Sportlers, die Entschei-dungen der Schiedsrichter zuakzeptieren.

Besonderer Einsatz fürGuido Winkmann

Die 15. Deutsche Meisterschaft derWerkstätten für behinderte Men-schen wurde im September in derSportschule Wedau ausgetragen.

Das Eröffnungsspiel der National-mannschaft der Menschen miteiner intellektuellen Beeinträchti-gung gegen die DFB-Betriebs-mannschaft (Endstand: 2:4) standdabei unter der Leitung vonBundesliga-Schiedsrichter GuidoWinkmann aus Kleve.

„Der Leiter der DFB-Schiedsrich-ter-Abteilung, Lutz Michael Fröh-lich, verfolgte am nächsten Tagebenfalls das Turniergeschehenund drückte insbesondere demTeam aus Berlin, das er vor einemJahr in der Werkstatt besuchthatte, die Daumen“, berichtete

WM-Viertelfinale 1986:Maradona lupfte den Ballmit der Hand über denenglischen Keeper PeterShilton.

Tobias Wrzesinski, der stellver-tretende Geschäftsführer derDFB-Stiftungen Egidius Braun und Sepp Herberger.

Insgesamt kamen die besten 16Teams aus deutschlandweit 2.500 Werkstätten zusammen und

lieferten sich spannende Spieleum den Meistertitel.

Am Ende konnten sich die Reck-linghäuser Werkstätten die Deut-sche Fußball-Meisterschaft derWerkstätten für behinderte Men-schen sichern.

Es sei ein „emotionales Wiederse-hen“ gewesen, schrieb Maradonaauf Facebook. „Ich gab ihm ein Trikot der argentinischen National-mannschaft, er schenkte mir einFoto vom legendären Spiel, das beiihm zu Hause hing. Für Ali, meinenewigen Freund“, postete Maradona.

Er pfeift nicht nur in den Bundesliga-Arenen: Guido Wink-mann beim Turnier für Menschen mit Behinderung.

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Die internationalen Spiele der Deutschen im Juli und August 2015

FIFA-Schiedsrichter unterwegs

Name Wettbewerb Heim Gast Assistenten/Vierte Offizielle/Torrichter

Deniz Aytekin Champions League Manchester United FC Brügge Kleve, Häcker, Willenborg, Siebert, Brand

Felix Brych Champions League Celtic Glasgow Malmö FF Borsch, Lupp, Christ, Dankert, Fritz

Bastian Dankert Champions League Partizan Belgrad Dila Gori (GEO) Foltyn, Rohde, Brand

Christian Dingert Europa League AIK Solna (SWE) Atromitos Athen Pickel, Gittelmann, Hartmann

Marco Fritz Europa League Hajduk Split (CRO) FC Koper (SVN) Achmüller, Schaal, Brand

Daniel Siebert Champions League Celtic Glasgow Stjarnan (ISL) Pickel, Osmers, Stegemann

Tobias Stieler Europa League FK Partizani Tirana Strømsgodset IF (NOR) Henschel, Ittrich, Stegemann

Tobias Stieler Europa League Cherno More Varna (BG) Dinamo Minsk (BLR) Henschel, Ittrich, Winkmann

Tobias Stieler Europa League AEK Larnaca (CYP) Girondins Bordeaux Häcker, Thielert, Winkmann

Tobias Welz Europa League Spartak Trnava (SVK) PAOK Saloniki Foltyn, Bandurski, Brand

Tobias Welz Europa League Legia Warschau Zorya Luhansk (UKR) Foltyn, Henschel, Hartmann

Felix Zwayer Champions League Schachtar Donezk Fenerbahçe Istanbul Kleve, Steuer, Stegemann

Felix Zwayer Europa League HJK Helsinki FC Krasnodar (RUS) Schiffner, Achmüller, Winkmann

Panorama

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Aus dem Leben eines Amateur-Schiedsrichters

In der Ausgabe 5/2015 derSchiedsrichter-Zeitung stelltenwir das Buch „ICH PFEIFE!“ vonChristoph Schröder vor, der darin aus seinem Leben als Ama-teur-Schiedsrichter erzählt.

Dasselbe Thema hat sich nunauch der Hamburger Unpartei-ische Ralph „Drago“ Vollmers aus-gesucht, der im September eben-falls ein Buch veröffentlichte: „Ey, Schiri, wir wissen, wo deinAuto steht! – Aus dem nichtimmer lustigen Leben eines Amateur-Schiedsrichters“.

Der 47-Jährige, hauptberuflichVersicherungs-Angestellter, schil-dert darin sein Leben für den Fußball – und wie eng Glück undGefahr in den Amateur-Ligenzusammenliegen.

Dabei geht er der Frage nach, was Schiedsrichter für Menschensind: Masochisten? Recht-Haber?Beamten-Typen? Wieso haben siesich ausgerechnet dieses Hobbyausgesucht? Sind sie vielleichteinfach nur Fußball-Liebhaber?

Die überraschenden Antwortenliefert der Hamburger in Erzäh-

lungen, die den Leser in einebesondere Welt zwischen Skanda-len am Elfmeterpunkt und einergemütlichen Currywurst in derVereinsgaststätte entführen.

Seine Begeisterung für den Ama-teurfußball schilderte Vollmers ineinem Interview gegenüber der„Welt“: „Das unmittelbare Mitten-drin. Ich bin voll im Geschehen,ich habe Kontakt, ob ich will odernicht, mit Fans, Trainern, Offiziel-len. Mich macht es glücklich, Teildes Sports zu sein, Teil der ‚Fussi-familie‘. Den Sport zu leben. Undzu helfen, dass er fair bleibt.“

Das 264 Seiten umfassende Taschenbuch ist im Schwarzkopf &Schwarzkopf Verlag erschienenund kostet 9,99 Euro.

Schiedsrichter und jetztauch Buchautor: Ralph„Drago“ Vollmers.

Die Obleute und ihre Referenten bei der Pilot-Veranstaltungin Duisburg.

Obleute auf der Schulbank

In der Sportschule Wedau in Duis-burg kamen Schiedsrichter-Obleuteverschiedener Fußball-Kreise zueiner Weiterbildung zusammen.Unter der Leitung von AndreasThiemann und Wolfgang Mierswa,Mitglieder in der DFB-Schieds-richter-Kommission Amateure,erhielten die Teilnehmer Informa-tionen zum Thema „Personal-Management“.

Darüber hinaus diskutierten dieObleute unter anderem zu denPunkten „Rhetorik und Gesprächs-führung“, „Möglichkeiten einerMediation“ und „Planung und Fle-xibilität in der Lehrarbeit“.

Das Treffen war eine Pilot-Veran-staltung und orientierte sich anden seit längerer Zeit durchge-führten Weiterbildungen für Lehr-warte. Ob und in welcher Formkünftig ähnliche Maßnahmen fürObleute fortgeführt werden, wirddie Nachbetrachtung zeigen.

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Ehrung

Die Besten einer SaisonWas für die Bundesliga-Teams die Deutsche Meisterschaft bedeutet, ist für die Unparteiischen der Titel des „DFB-Schiedsrichters des Jahres“. Denn mit dieser Auszeichnung kürt der DeutscheFußball-Bund die besten Unparteiischen einer Saison. In der vergangenen Spielzeit waren das Dr. Felix Brych bei den Männern und Katrin Rafalski bei den Frauen. SRZ-Reporter David Bittner war bei der Preisverleihung im Oktober in Mainz dabei.

DFB-Präsident Wolfgang Niers-bach reiste in diesem Jahr per-

sönlich zum Stützpunkt-Lehrgangder Bundesliga-Schiedsrichter, umdie Trophäen an die beiden Preis-träger zu überreichen: „Allein dieTatsache, dass es diese Ehrunggibt, ist klasse. Und dass die Preis-verleihung im Kreis der Schieds-richter stattfindet, ist eine tolleSache, die wir im kommendenJahr fortführen möchten.“

Das deutsche Schiedsrichter-Wesen gehöre zur absoluten Welt-spitze, sagte Niersbach in seinerAnsprache an die Unparteiischen.„Es gibt viele Momente, in denenich begeistert bin, wie ihr eurenschwierigen Job meistert.“

In Richtung des Preisträgers FelixBrych stellte der DFB-Präsidentfest: „Es ist ein Zeichen absoluterStärke, wie Felix Brych nach dem‚Phantomtor‘ in Hoffenheim wie-der zurückgekommen ist und das

Strahlende Sieger: Dr. Felix Brych und Katrin Rafalski sind „DFB-Schiedsrichter des Jahres 2015“.

deutsche Schiedsrichter-Wesen bei der WM 2014 hervorragendvertreten hat. Er hat eine großar-tige Saison hinter sich und ist völlig verdient ‚DFB-Schiedsrich-ter des Jahres‘.“

Zu den Kriterien, nach denen dieSchiedsrichter-Kommission Eliteden „besten Unparteiischen einerSaison“ auswählt, sagte Schieds-richter-Chef Herbert Fandel:„Neben den Leistungen in einerSaison spielen auch Außenwirkungund Ansehen eines Schiedsrich-ters in Deutschland, aber auch imAusland, eine bedeutende Rolle.Der ‚Schiedsrichter des Jahres‘muss eine Person sein, die über

den Platz hinaus eine Wirkung fürdie Schiedsrichterei erzielt – dasist bei beiden Preisträgern in die-sem Jahr der Fall.“

Für Felix Brych ist es nach 2013bereits die zweite Auszeichnungzum „DFB-Schiedsrichter des Jahres“. Nach seinem Einsatz beider Fußball-Weltmeisterschaft2014 in Brasilien hatte er eineglänzende Saison hingelegt, diemit der Leitung des DFB-Pokal-endspiels 2015 schließlich ihrenHöhepunkt fand.

„Beifall und einen Pokal gibt es füruns Schiedsrichter selten, daherfreue ich mich sehr darüber“, sagteFelix Brych, nachdem er die Tro-phäe in Empfang genommen hatte.

Die vergangene Saison habe auchseine persönlichen Erwartungenübertroffen, sagte der Unpartei-ische, für den der Titel einen gro-ßen Stellenwert hat: „Denn dieseAuszeichnung ist Feedback undBestätigung für die Leistungeneiner ganzen Saison durch dasFachgremium der DFB-Schieds-richter-Kommission Elite.“

Ob sich der 40-jährige Unpartei-ische derzeit auf dem Höhepunkt

„Die Verantwortungist größer geworden“

Dank und Anerkennung desDFB-Präsidenten WolfgangNiersbach galten nicht nurden beiden Preisträgern, son-dern allen Schiedsrichtern.

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seiner Schiedsrichter-Karriere be-findet? „Das kann ich erst sagen,wenn es eines Tages vorbei ist“,grinste Felix Brych. Wohlwissend,dass er allein international nochfünf Jahre vor sich hat.

es schon vor einem Einsatz Laune,die Tasche für die nächsten zweiTage zu packen.“

Überhaupt ist Felix Brych derzeitmit Freude bei der Sache: „Es gab

Dabei ist die Liga, in der er geradeeingesetzt wird, für Felix Brycherst einmal zweitrangig: „Dennich will in jedem Spiel meinerVerantwortung und auch derErwartungshaltung der Vereinegerecht werden. Ich habe ge-merkt, dass die im Laufe derJahre größer geworden ist.“

Und wohin soll für Felix Brych sein Weg als Schiedsrichter noch führen? Klar, die Teilnahmean der Europameisterschaft imkommenden Jahr in Frankreich ist das nächste Ziel. Darüber hin-aus macht sich Deutschlands Spitzen-Schiedsrichter noch keineGedanken. „Ich genieße derzeitdie Zeit, getreu dem Motto: ‚DerWeg ist das Ziel’. Und je längerdieser Weg noch andauert, umsobesser!“

Als klasse Zeichen wertete Wolf-gang Niersbach, dass die Schieds-richterei bei den Frauen längstnicht mehr nur mit dem NamenBibiana Steinhaus verbunden sei.Nach Riem Hussein und Marija Kurtes in den Vorjahren heißt die Preisträgerin bei den Frauenin diesem Jahr erstmals KatrinRafalski.

Ehrung

Die Leitung des DFB-Pokalendspiels zwischen Borussia Dort-mund und dem VfL Wolfsburg zählte für Dr. Felix Brych zu den Highlights 2015.

„Es ist im Moment einfach einesuper Zeit, die ich sehr genieße. In den vergangenen Jahren hatteich mit meinem Team viele span-nende Ereignisse und durfte tolleSpiele pfeifen. Es läuft derzeitziemlich erfolgreich.“

Weil aber der Fußball ein Tagesge-schäft ist, in dem sich von heuteauf morgen alles ändern kann,möchte der Unparteiische die jetzige Zeit unbedingt genießen.„Dazu tauche ich zwischen denSpielen auch gerne mal kurz ab“,erzählte Felix Brych.

Eine wichtige Voraussetzung fürden derzeitigen Erfolg sieht derMünchner in der Zusammenstel-lung seines Teams: Die Assisten-ten Mark Borsch und Stefan Luppsind schon länger mit dabei, undseit 2014 gehören nun auch Bas-tian Dankert und Marco Fritz alsTorrichter international fest zuseinem Team. „Die Truppe passtsehr gut zusammen. Da macht

wohl auch mal eine Phase in mei-ner Karriere, in der es nicht sospaßig war, als der Druck manchesüberlagert hat. Dass ich zuletztan den großen Turnieren teilneh-men durfte, hat sicherlich etwasvon dem persönlichen Druckgenommen – und deshalb seheich manche Dinge inzwischen entspannter.“

Und das, obwohl der Unpartei-ische Woche für Woche meistensbei denjenigen Spielen im Ein-satz ist, die besonderes Konflikt-Potenzial bergen.

„Natürlich gibt es gerade bei denSpitzen-Spielen ein gewisses Risiko, in den medialen Fokus zugeraten – aber schon die Anset-zung zu solchen Begegnungen ist bereits eine Auszeichnung. Es war ein langer Weg, an solcheSpiele heranzukommen. AlsSchiedsrichter liebt man die Her-ausforderung und nimmt dieseimmer wieder gerne an.“

Katrin Rafalski mit ihren Assistentinnen Ines Appelmann(links) und Olivia Depta nach dem Frauen-Bundesliga-Spieldes FC Bayern München gegen Turbine Potsdam.

Bei Rafalski stimmtdas „Gesamtpaket“

Steckbriefe

Dr. Felix Brych40

München

Bayern

Jurist

Alter

Wohnort

Verband

Beruf

Herausragende Spieleund Turniere

DFB-Pokalfinale 2015Weltmeisterschaft 2014Finale Europa League 2014Confederations Cup 2013Olympia 2012

Katrin Rafalski33

Baunatal

Hessen

Röntgentechnische Assistentin

Alter

Wohnort

Verband

Beruf

Herausragende Spieleund Turniere

Frauen-WM 2015DFB-Pokalfinale 2013Olympia 2012Frauen-WM 2011U 20-WM 2010

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DFB-Schiedsrichter des Jahres

1975 Heinz Aldinger

1976 Ferdinand Biwersi

1977 Walter Eschweiler

1978 Rudolf Frickel

1979 Jan Redelfs

1980 Volker Roth

1981 Klaus Ohmsen

1982 Walter Horstmann

1983 Franz-Josef Hontheim

1984 Wolf-Dieter Ahlenfelder

1985 Dieter Pauly

1986 Volker Roth

1987 Aron Schmidhuber

1988 Dieter Pauly

1989 Karl-Heinz Tritschler

1990 Dieter Pauly

1991 Aron Schmidhuber

1992 Aron Schmidhuber

1993 Karl-Josef Assenmacher

1994 Hellmut Krug

1995 Dr. Markus Merk

1996 Dr. Markus Merk

1997 Alfons Berg

1998 Bernd Heynemann

1999 Hellmut Krug

2000 Dr. Markus Merk

2001 Herbert Fandel

2002 Hellmut Krug

2003 Hellmut Krug /

Dr. Markus Merk

2004 Dr. Markus Merk

2005 Herbert Fandel

2006 Dr. Markus Merk

2007 Herbert Fandel

2008 Herbert Fandel /

Dr. Markus Merk

2009 Florian Meyer

2010 Wolfgang Stark

2011 Manuel Gräfe

2012 Knut Kircher

2013 Dr. Felix Brych

2014 Felix Zwayer

2015 Dr. Felix Brych

Von allen Schiedsrichterinnen der Frauen-Bundesliga hatte siein der vergangenen Saison diebesten Beobachtungs-Ergeb-nisse erzielt. Und auch in derRangliste der Drittliga-Assisten-ten stand sie am Ende der Spiel-zeit auf Platz eins.

„Dass ich nun auch noch als‚Schiedsrichterin des Jahres’ ausgezeichnet werde, darüberfreue ich mich riesig“, sagte dieUnparteiische. Der Titel sei „eine riesen Ehre“ für sie und„ein weiterer Meilenstein“ inihrer Karriere. „Die Auszeichnungzeigt, dass ich auf einem gutenWeg bin und ist großer Anspornfür mich, weiter hart an mir zuarbeiten.“

Bei Katrin Rafalski stimme ein-fach das „Gesamtpaket“, erklärtCarolin Greiner Mai, die als Mit-glied der DFB-Schiedsrichter-Kommission Amateure den Frauen-Bereich betreut.

„Katrin ist nicht nur eine topSchiedsrichterin, sondern zeigtauch sehr gute Leistungen an der Linie, vor allem auch inter-national.“

Für die Unparteiische selbst istes gerade die Mischung aus Pfei-

fen und Winken, die ihr Spaßmacht: „Beide Tätigkeiten macheich unheimlich gerne. Beidesergänzt sich auch gegenseitigsehr gut. Denn als Schiedsrich-terin weiß ich zum Beispiel, inwelchen Situationen eine Assis-tentin Unterstützung gebrauchenkönnte und umgekehrt.“

Krönung der vergangenen Saisonwar für die „DFB-Schiedsrichterindes Jahres“ natürlich die Teil-nahme an der Frauen-Weltmeis-terschaft 2015 in Kanada. Dortgehörte Katrin Rafalski dem Team von WM-SchiedsrichterinBibiana Steinhaus an und kamdreimal zum Einsatz. „Die Spielesind alle gut gelaufen, daher war es für uns ein sehr positivesTurnier.“ Erst der Halbfinal-Ein-zug des deutschen Teams bedeu-tete schließlich das Turnierausfür die deutschen Schiedsrichte-rinnen.

Aufgrund ihrer sehr guten Leis-tungen als Assistentin kommtKatrin Rafalski seit dieser Saisonauch in der 2. Bundesliga derMänner zum Einsatz. Dort gehörtsie zum Team von SchiedsrichterPatrick Alt. Ihre Feuertaufe hatKatrin Rafalski bereits bestanden,am 4. Spieltag beim Duell Sand-hausen gegen Heidenheim.

Das Beste, was der DFB derzeit international zu bieten hat:die Unparteiischen Marco Fritz, Stefan Lupp, Dr. Felix Brych,Mark Borsch und Bastian Dankert (von links) vor dem EM-Qualifikationsspiel Niederlande gegen die Türkei (mit im Bild:die beiden Spielführer Wesley Sneijder und Gökhan Gönül).

„Die 2. Bundesliga ist noch maldeutlich schneller als die 3. Liga –aber die Spiele dort machenunheimlichen Spaß. Ich freuemich über jeden Einblick, den ichhier noch bekommen werde.“

Nachdem Bibiana Steinhaus nunschon seit acht Jahren alsSchiedsrichterin in der 2. Bundes-liga amtiert, spiele es längst keineRolle mehr, ob ein Mann oder eineFrau im Einsatz ist. „Das Einzige,was zählt, ist, dass die Entschei-dungen richtig getroffen werden“,betonte Rafalski.

Ob die aktuelle Saison für KatrinRafalski noch einmal genausospannend und erfolgreich wirdwie die vorherige? Die Voraus-setzungen jedenfalls sind ge-geben: Neben den OlympischenSpielen in Rio stehen 2016 auchdie U 20-Weltmeisterschaft inPapua-Neuguinea und die U 17-Weltmeisterschaft in Jordanienvor der Tür. „Und natürlich hoffe ich, mich für eines diesergroßen Turniere empfehlen zukönnen“, blickte Katrin Rafalskizuversichtlich ins kommendeJahr.

DFB-Schiedsrichterin des Jahres

2004 Christine Frai

2005 Elke Günthner

2006 Christine Baitinger

2007 Bibiana Steinhaus

2008 Christine Baitinger /

Bibiana Steinhaus

2009 Bibiana Steinhaus

2010 Bibiana Steinhaus

2011 Bibiana Steinhaus

2012 Christine Baitinger /

Bibiana Steinhaus

2013 Dr. Riem Hussein

2014 Marija Kurtes

2015 Katrin Rafalski

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Eine Marke der Daimler AG

Liebt steile Pässe.Der neue GLC. Auf jedem Gelände in seinem Element.

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Regel-Test Fragen

Situation 1Da es bis kurz vor Spielbeginn hef-tig geschneit hat, sind die Linienauf dem Spielfeld nicht mehr zuerkennen. Der Schiedsrichter ord-net deshalb an, dass Hilfsfahnenaufgestellt werden. Solche stehenaber nicht zur Verfügung, sodassder Platzwart stattdessen „Hüt-chen“ aufstellt. Darf der Schieds-richter dies zulassen? Wenn ja, wie viele dieser „Hütchen“ bzw.Hilfsfahnen sind nötig und wo sindsie zu platzieren?

Situation 2Ein Spieler ist über seinen eigenenTorwart verärgert und verlässt –ohne sich beim Schiedsrichterabzumelden – das Spielfeld. Nach15 Minuten meldet er sich währendeiner Spielunterbrechung beimSchiedsrichter an und möchtewieder am Spiel teilnehmen. Wasunternimmt der Schiedsrichter?

Situation 3Schiedsrichter-Ball: Nachdem derBall den Boden berührt hat, willder Verteidiger ihn seinem Tor-wart zuspielen. Ein Gegner läuftauch in diese Richtung. Der Ver-teidiger sprintet nun dem Ballhinterher und spielt ihn noch einweiteres Mal, damit ihn der Geg-ner nicht erreichen kann. Wie reagiert der Schiedsrichter?

Situation 4Der Schiedsrichter beendet mitdem Pfiff die erste Halbzeit. Als er sich umdreht, sieht er das Fah-nenzeichen des Assistenten. Derteilt ihm mit, dass unmittelbar vor dem Pfiff der Verteidiger inseinem Strafraum den gegneri-schen Angreifer mit der Faustgeschlagen hat. Entscheidungendes Schiedsrichters?

Situation 5Zu einem Punktspiel der Kreisligasind keine Tornetze vorhanden,

und es können auch keinebeschafft werden. Deshalb erklärtder Schiedsrichter den Mann-schafts-Verantwortlichen, dass er das Spiel nicht anpfeifen wird.Handelt der Schiedsrichter regel-konform?

Situation 6Der Spielertrainer des Heimver-eins läuft unangemeldet auf dasFeld und hält unmittelbar daraufden ballführenden Gegenspieleram Trikot fest. Dadurch wird einaussichtsreicher Angriff unterbun-den. Der Schiedsrichter unter-bricht das Spiel. Wie hat er zuentscheiden?

Situation 7In der Halbzeitpause wechseln einFeldspieler und der Torwart diePosition, einschließlich ihrer Aus-rüstung. Der Schiedsrichterbemerkt dies erst, als der Torwartin der 51. Minute den Ball fängt.Daraufhin unterbricht er das Spiel.Handelt er korrekt?

Situation 8Freistoß etwa 25 Meter vor demeigenen Tor: Der Verteidigerschießt den Ball in Richtung desTorwarts. Als er sieht, dass dieserzu spät kommt, läuft er dem Passhinterher, erreicht den Ball nochvor dem Stürmer – schießt ihnaber versehentlich ins eigene Tor.Entscheidung des Schiedsrichters?

Situation 9In welchen Fällen muss derSchiedsrichter sowohl einen indi-rekten als auch einen direktenFreistoß mit Pfiff freigeben?

Situation 10Vor der Ausführung eines Ecksto-ßes entfernt der Schütze dieEckfahne und legt sie zur Seite,um besser Anlauf nehmen zu kön-nen. Wie muss der Schiedsrichterreagieren?

Was der Schiedsrichter tun muss, wenn die Markierungen zumBeispiel wegen Schnee nicht mehr sichtbar sind, darum gehtes gleich in der ersten Regelfrage.

17

Von Tornetzen und Hilfsfahnen

Situation 11Der Schütze täuscht beim Straf-stoß in unsportlicher Art undWeise. Der Torwart kann den Balljedoch zum Eckstoß abwehren. Beider Ausführung war zudem einMitspieler des Schützen zu früh inden Strafraum gelaufen. Wie ent-scheidet der Schiedsrichter?

Situation 12Der Spielführer der Heimmann-schaft verlässt das Spielfeld in der Nähe der Eckfahne unbemerktvom Schiedsrichter-Team. Kurzdarauf bekommt der Schiedsrich-ter jedoch mit, wie der Spielführeraußerhalb des Spielfelds auf derLaufbahn einen Ordner schlägt.Wie muss der Schiedsrichter ent-scheiden?

Situation 13Der Torwart hat einen Ball sichergefangen und will einen Abschlagausführen. Nachdem der Ball dieHände des Torwarts verlassen hat – aber noch bevor er ihn mitdem Fuß trifft – geht ein Angreiferdazwischen und angelt sich den

Ball mit dem Fuß. Der Torwart istdarüber so verärgert, dass er dem Angreifer hinterherläuft und ihn heftig mit der Faustgegen dessen Rücken schlägt. Wie hat der Schiedsrichter zu entscheiden?

Situation 14Bei einem fairen Zweikampf imMittelfeld verliert ein Spieler ohnegegnerisches Verschulden einenSchuh. Der Spieler nimmt denSchuh anschließend in die Hand,läuft mehrere Meter in RichtungBall und schießt diesen dann insSeitenaus. Wie muss der Schieds-richter entscheiden und was giltes bei der Entscheidung zu beach-ten?

Situation 15Während sein Team im Angriff ist,markiert der Torwart mit dem Fußeine Hilfslinie von der Mitte desTors bis zur Strafstoßmarke. Wieverhält sich der Assistent, derdiese Aktion sofort wahrnimmt,und was muss der Schiedsrichterveranlassen?

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Weil der korrekte Spielfeldaufbau eine Grundvoraussetzung für eine regelgerechte Spielleitungist, hat Lutz Wagner diesen als Schwerpunkt für den aktuellen Regel-Test gewählt.

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Regel-Test Antworten

Situation 1Da die „Hütchen“ keine Gefahr für die Spieler darstellen, soll derSchiedsrichter deren Verwendungzulassen. Es sind insgesamt zehnHilfsfahnen/„Hütchen“ aufzu-stellen. Diese sind einen Meteraußerhalb des Spielfelds zurKennzeichnung der beiden Straf-räume und der Mittellinie zu platzieren.

Situation 2Der Schiedsrichter verwarnt denSpieler vor Wiedereintritt wegendes unerlaubten Verlassens desSpielfelds und erlaubt ihm dannaber die weitere Teilnahme amSpiel.

Situation 3Weiterspielen, da der Ball beimSchiedsrichter-Ball mit demBodenkontakt im Spiel ist unddanach beliebig oft von jedemSpieler gespielt werden darf.

Situation 4Strafstoß und Feldverweis. DerHalbzeit-Pfiff beendet kein Spiel,sondern führt nur eine Unterbre-chung herbei. Somit ist auchnoch eine Spielstrafe möglich.

Situation 5Nein. Nur eine Meldung im Spiel-bericht ist erforderlich. Ein Spielmuss auch ohne Tornetze ausge-tragen werden.

Situation 6Indirekter Freistoß, wo sich derBall bei der Unterbrechungbefand. Verwarnung wegen unerlaubten Betretens des Spielfelds und nachfolgend„Gelb/Rot“ wegen des unsport-lichen Haltens.

Situation 7Nein, er hätte eine Spielunter-brechung abwarten müssen. Sogibt es Schiedsrichter-Ball, wo

sich der Ball bei der Unterbre-chung befand, da das Spiel ausdiesem Grund nicht zu unterbre-chen war. Außerdem werdenbeide Spieler verwarnt.

Situation 8Tor, Anstoß. Hier kommt die „Vorteil“-Bestimmung zur Anwen-dung.

Situation 9Bei allen Freistößen – ob direktoder indirekt – gilt, dass siedurch Pfiff freigegeben werdenmüssen, wenn• zuvor die „Mauer“ auf die

vorgeschriebene Distanz beordert wurde,

• eine Persönliche Strafe aus-gesprochen wurde,

• eine Verletzung mit Behandlung auf dem Spiel-feld erfolgte,

• eine Auswechslung voran ging.

Situation 10Er unterbricht die Ausführungund fordert den Spieler auf, dieEckfahne wieder aufzustellen, daSpielfeldaufbauten weder verän-dert noch entfernt werden dür-fen.

Situation 11Indirekter Freistoß für die Mann-schaft des Torwarts und Verwar-nung für den unsportlich täu-schenden Schützen.

Situation 12Schiedsrichter-Ball und Feldver-weis. Da das Verlassen des Spiel-felds von keinem Mitglied desSchiedsrichter-Teams wahrge-nommen wurde, kann es auchnicht sanktioniert werden.

Situation 13Indirekter Freistoß für die Mann-schaft des Torwarts und Feldver-weis gegen den Torwart. Hier ist

die Chronologie der Vergehen zubeachten: Das erste Vergehenwurde vom Angreifer verübt.

Situation 14Es gibt einen indirekten Freistoß,aber keine Persönliche Strafe.Denn das Spielen ohne Schuhstellt keine Unsportlichkeit dar,sondern ist „nur“ eine potenzielleGefährdung der eigenen Gesund-heit. Zudem muss der Spielerauch nicht das Spielfeld verlas-sen, um sich den Schuh wiederanzuziehen.

Situation 15Der Assistent unterrichtet denSchiedsrichter in der nächstenSpielunterbrechung. Eine sofor-tige Unterbrechung wäre nichtgerechtfertigt und regeltechnischfalsch. Der Schiedsrichter lässtdie Markierung entfernen undverwarnt den Torwart aufgrunddieser Unsportlichkeit.

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Es sieht zwar nicht schön aus – aber ein löchriges oder gar fehlendes Tornetz ist kein Grund,ein Fußballspiel abzusagen.

Von Tornetzen und HilfsfahnenSo werden die auf Seite 17 beschriebenen Situationen richtig gelöst.

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Analyse

Kleiner Schubser – große WirkungAcht besonders interessante Szenen aus den ersten Spieltagen der Saison 2015/2016 haben sich LutzMichael Fröhlich und Lutz Lüttig diesmal vorgenommen, um sie ausführlich zu analysieren und für denalltäglichen Gebrauch nutzbar zu machen.

Es war eines der Kernthemenbeim Sommer-Trainingslager

der deutschen Top-Schiedsrichter –das Halten, Zerren, Schubsen undStoßen im Strafraum. Nach undnach hatten sich national wieinternational Praktiken des„Abwehrkampfs“ eingeschlichen,die auch mit der großzügigstenAuslegung und Anwendung derRegel 12 oft nicht mehr in Einklangzu bringen waren.

Die Notwendigkeit, hier gegenzu-steuern, wurde während der Tageim Allgäu bei der Analyse vielerSzenen aus der abgelaufenen Sai-son von der Schiedsrichter-Kom-mission „Elite“ deutlich herausge-stellt. Zu viele „Ringkämpfe“, die

sich vor einigen Jahren keinAbwehrspieler getraut hätte, blie-ben ungeahndet; zu oft wurde dievon Trainern, (Abwehr-)Spielernund Reportern gern genutzte Flos-kel „Das reicht aber nicht für einenElfmeter“ durch das Ausbleibendes eigentlich notwendigen Pfiffsbestätigt.

Dass hier die Zügel von denSchiedsrichtern angezogen wür-den, wurde auch den Vereinenbekannt gemacht. Und die Unpar-teiischen beließen es nicht beiWorten.

Im Topspiel der Bundesliga BayernMünchen gegen Bayer Leverkusen(3. Spieltag) fliegt ein hoch herein

Foto 1a

geschlagener Freistoß von XabiAlonso in Richtung „langer“ Pfos-ten. Dort springt Arturo Vidal hoch,

um den Ball auf und natürlich mög-lichst ins Tor zu köpfen. Der vondem hohen Sprung offensichtlichüberraschte Leverkusener RobertoHilbert schiebt Vidal, der sich inder Luft befindet, mit beiden Hän-den nach vorn (Foto 1a). Durchdiese gar nicht einmal harte, dafüraber effektive Attacke fällt der Bay-ern-Spieler ins Kreuz und kann denheranfliegenden Ball nicht mehrmit dem Kopf erreichen.

Das ist ein ausschließlich auf denGegner orientiertes Verhalten Hil-berts, der selbst keine Chance hat,den Ball zu erreichen – und wirdvöllig zu Recht von SchiedsrichterFlorian Meyer mit einem Strafstoßgeahndet.

***

Auch im DFB-Pokalspiel MSV Duis-burg gegen Schalke 04 (1. Runde)wird ein Strafstoß gegen die Duis-burger verhängt. Der (ehemalige)Schalker Julian Draxler leitet miteinem schönen Steilpass einenAngriff seiner Mannschaft über dielinke Seite ein. Während sein Kol-lege Klaas-Jan Huntelaar den Ballannimmt, will Franco di Santo inden Strafraum laufen, um die zuerwartende Flanke zu verwerten.

Mit beiden Händen sorgt der Leverkusener Roberto Hilbert dafür, dass Bayern-Spieler ArturoVidal nicht an den Ball kommen kann.

Aus einer anderen Perspektive erkennt man, wie gefährlichdie Situation für das Leverkusener Tor war.

Foto 1b

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Analyse

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Bereits außerhalb des Strafraums „beharkt“ der DuisburgerBranimir Bajic seinen Gegenspieler…

Foto 2a

Foto 3a

„Klammer-Fußball“: Der Münchner Stephan Hain „umarmt“seinen Gegenspieler Mike Frantz.

Der Duisburger Abwehrspieler Bra-nimir Bajic schaut nicht zum Ball,sondern nur zu seinem Gegenspie-ler di Santo. Die Gefahr ahnend,versucht er den Schalker schonaußerhalb des Strafraums zu hal-ten (Foto 2a). Und das Reißen, Zer-ren und Drücken hört auch imStrafraum nicht auf (Foto 2b), bisdi Santo zu Fall kommt. Obwohlsich das Vergehen abseits desBalls ereignet, hat SchiedsrichterWolfgang Stark die Szene gut imBlick und entscheidet vollkommenzu Recht auf Strafstoß, plus einerzwingend erforderlichen GelbenKarte wegen des lang anhaltenden,unsportlichen Haltens.

Da viele Spieler (und auchZuschauer und Trainer) den Grundfür den Pfiff nicht mitbekamen –sie hatten sich auf den noch ziem-lich weit entfernten Ball konzen-triert – macht der Schiedsrichtermit beiden Armen eine Geste desKlammerns. Das ist in diesem Fallzur Verdeutlichung seiner Ent-scheidung sinnvoll, zumal dieGelbe Karte zu „Gelb/Rot“ für denDuisburger führte.

***

Während diese Szene sich im lau-fenden Spiel ereignete und wegenihrer Ballferne besonders schwierigzu erkennen war, liegt die Proble-matik darin, bei Standard-Situatio-nen das Geschehen im Strafraumangemessen zu beurteilen, häufigin der Fülle der Zweikämpfe. Ein probates Mittel ist sicherlich,

vorsorglich tätig zu werden, alsoauch mal die Ausführung des Frei-stoßes oder Eckstoßes zu unter-binden, um „Ordnung“ zu schaffen.

Die beste Wirkung hat jedoch einberechtigter Strafstoßpfiff wie imZweitligaspiel 1860 Münchengegen den SC Freiburg (2. Spiel-tag). In Erwartung eines FreiburgerFreistoßes von der rechten Seitekommt es zu einer größeren Spie-leransammlung samt Pärchenbil-dung im Münchner Strafraum.Unmittelbar nach der Ausführungdes Freistoßes umklammert Ste-phan Hain den Oberkörper seinesFreiburger Gegenspielers MikeFrantz von hinten mit beidenArmen (Foto 3a). Als der Ball her-anfliegt, gehen beide Kontrahen-ten rücklings zu Boden (Fotos 3bund 3c).

Solch klare Aktionen, die in keinerWeise dem Ball gelten, sondernausschließlich darauf abzielen,durch den regelwidrigen Einsatzeines oder gar beider Arme denGegner im Strafraum zu behindern,müssen mit einem Strafstoßgeahndet werden. Eine Verwar-nung ist in diesem Fall nicht zwin-gend, da der gefoulte Spieler mitdem Rücken zum Tor steht unddamit zunächst keine torgefährli-che Situation vorliegt.

***

Und noch einmal der Strafraummit einer Szene, die für sehr vielDiskussionsstoff sorgte, was fast

Foto 2b

…und setzt das auch im Strafraum fort.

Foto 3b

Als der Ball heranfliegt, sind die Spieler schon auf dem Wegnach unten,…

Foto 3c

…wo die beiden dann mehr oder weniger unsanft landen.

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immer der Fall ist, wenn derSchiedsrichter wie in diesem Fallauf Strafstoß und „Notbremse“entscheidet, also auch noch dieRote Karte zeigt.

Beim Spielstand von 1:1 läuft die79. Minute im Spiel des 1.FC Kölngegen den Hamburger SV (3. Spieltag). Schneller Konteraus der Kölner Hälfte. Nach einerPassfolge über zwei Stationenerreicht Kölns Angreifer AnthonyModeste den HSV-Strafraum(Foto 4a). Allerdings gelingt esihm dort nicht, den Ball richtig zu kontrollieren.

Mit der Sohle des rechten Fußesversucht er, den Ball mitzunehmen(Foto 4b), gerät dabei aber ohneFremdeinwirkung ins Straucheln.Weil Modeste sein Tempo verrin-gern muss, wird er vom HSV-Abwehrspieler Emir Spahic einge-holt. Dabei berührt der leicht denRücken des Kölner Angreifers mitder Hand, allerdings eher um einenZusammenprall zu vermeiden, alsum ihn zu schubsen.

Und der strauchelnde Modestegeht auch nicht dadurch endgültigzu Boden, sondern weil er mit demlinken Fuß in Spahic‘ Kniekehle einhakt (Foto 4c). Weiterspielenwäre die richtige Entscheidunggewesen.

***

Themawechsel: Leider immernoch an der Tagesordnung ist dieAttacke auf die Beine des Geg-ners mit „offener Sohle“. Ein Bei-spiel dazu aus dem Spiel desHamburger SV gegen den VfBStuttgart (2. Spieltag).

Der Ball ist längst schon nachvorn gespielt worden (Foto 5a),als Stuttgarts Florian Klein mitdurchgestrecktem Knie und dergenannten „offenen“ Sohle denHamburger Matthias Ostrzolekangreift und ihm heftig gegendas linke Schienbein tritt. Dieserbrutale Tritt (Foto 5b) ohne einereelle Chance, den Ball spielen zukönnen, muss zwingend einentotalen Feldverweis („Rot“) nachsich ziehen.

Auch wenn ein Spieler wie in die-sem Fall nur zwei Minuten zuvorwegen eines Foulspiels schon dieGelbe Karte gesehen hat: Es reichteinfach nicht aus, in dieser Situa-tion noch einmal „Gelb“ (und da-mit „Gelb/Rot“) zu ziehen. Nachdem Motto: Ich habe ihn ja vomPlatz gestellt. Die Gesundheitsge-fährdung ist hier offensichtlich,und der muss Rechnung getragenwerden.

Noch eine Anmerkung dazu: DieStuttgarter führten zu diesem Zeitpunkt 2:1 in Hamburg, und der Spieler war, wie beschrieben,gerade verwarnt worden. Es istnicht unsere Aufgabe, die Gründefür ein solch erstaunliches Verhal-ten eines Profi-Fußballers zu fin-den. Aber es zeigt mal wieder: Man muss immer mit allem rech-nen - expect the unexpected.

***

Wann können wir bei einem imAbseits stehenden Spieler voneinem Eingreifen ins Spiel spre-chen? Wann muss also die Fahnekommen und ein indirekter Frei-stoß verhängt werden? Ein kniffli-ges Beispiel dafür lieferte das Qua-lifikationsspiel zur Europa Leaguezwischen Borussia Dortmund unddem Wolfsberger AC.

In der 41. Minute bietet sich Pierre-Emerick Aubameyang kurz vordem Strafraum der Österreicherfür einen Steilpass an. Sein KollegeShinji Kagawa spielt den Ball aller-dings etwas zu spät, sodass Auba-meyang sich im Abseits befindet(Foto 6a).

Bevor wir die Szene weiterbeschreiben, zitieren wir zunächstaus dem Rundschreiben Nr. 3 derFIFA, in dem sich der WeltverbandMitte Juli 2015 mit zusätzlichenRichtlinien zur Abseitsregel be-fasste. Darin heißt es unter ande-rem: „Ein Spieler in Abseitsstellungist zu bestrafen, wenn er eineoffensichtliche Aktion ausführt, diedie Möglichkeiten eines Gegnersbeeinträchtigt, den Ball zu spielen.Dabei bezieht sich der Begriff der,Beeinträchtigung‘ auf die poten-zielle Möglichkeit eines Gegners,

…hat allerdings Probleme, den Ball unter Kontrolle zu bringen.

Der Kölner Anthony Modeste strebt dem Hamburger Tor zu,…

Letztlich bleibt er mit dem Fuß in der Kniekehle seines Gegen-spielers hängen und stürzt.

Foto 4b

Foto 4c

Foto 4a

Der Stuttgarter Florian Klein (dunkles Trikot) kommt viel zuspät, um den Ball zu spielen.

Foto 5a

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Analyse

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Foto 6c zeigt diesen Sachverhaltnoch einmal aus anderer Sicht.Wobei man hier auch schon fastvon einem Zweikampf um denBall sprechen kann, zumal wennman sich vom Standbild löst unddas Tempo des Spiels einbezieht.Das Tor, das Kagawa dann ausdieser Situation erzielte, wurdealso zu Recht nicht anerkannt.

***

Eine der vielen Aufgaben desSchiedsrichters besteht darin,dafür zu sorgen, dass die Spiel-unterbrechungen möglichst kurzsind. Schließlich ist ein Spielfeldkein Wartesaal. Also ist Tempogefragt, es darf nicht langelamentiert und debattiert wer-den, der Ball soll rollen.

Nun gibt es aber einen zu Rechtimmer noch sehr beachtenswer-ten Grundsatz jeder Spielleitung:Sicherheit geht vor Schnelligkeit.Wenn der auf den Kopf gestelltwird, gibt es meistens Ärger. Soauch im Spiel der 3. Liga zwi-schen den Stuttgarter Kickersund Fortuna Köln (1. Spieltag).

Der Schiedsrichter hat nacheinem Foul zu Recht einen Frei-stoß für die Kickers in der Nähedes Kölner Strafraums angeord-net. Der Stuttgarter Gerrit Müllerlegt sich schnell den Ball zurechtund spielt ihn flach und steil inden Lauf seines Mitspielers Fabian Baumgärtel, während derSchiedsrichter mit einem Kölnerspricht (Fotos 7a und 7b). Als ermerkt, dass der Ball „rollt“,

zuckt sein Arm kurz hoch, aberer kann sich nicht zu einem Pfiffdurchringen.

Der Wunsch, das Spiel schnellfortzusetzen, hat in diesem Sekun-denbruchteil beim Unparteiischendie Notwendigkeit besiegt, eineordnungsgemäße Ausführung desFreistoßes zu gewährleisten. DieFolge: Der Stuttgarter Angreiferverwandelt die Vorlage zum 2:0,der Schiedsrichter erkennt dasTor an.

Keine Frage, ein Fehler, denn eineSpielfortsetzung muss in Ruheund geordnet erfolgen. DerSchiedsrichter muss die Übersichtüber das Geschehen behalten.Wenn er selbst keine Spieler bin-det (zum Beispiel durch eineErmahnung), dann sind schnelleSpielfortsetzungen möglich. Ermuss aber den Moment der Spiel-fortsetzung im Blick haben.

In diesem Spiel hat der Schieds-richter durch das Gespräch miteinem Abwehrspieler die Bot-schaft vermittelt, dass das Spielnoch nicht freigegeben ist. Wirdder Ball dennoch gespielt, ist eineklare Kommunikation notwendig:Spiel stoppen, am besten durcheinen deutlichen Doppelpfiff.Dann ohne Hektik das Gesprächbeenden. Und erst dann, wennalles geregelt ist, die Spielfortset-zung erlauben.

***

Zum Schluss wollen wir noch aufein Ereignis eingehen, das im

Florian Klein malträtiert mit einem brutalen Tritt das Bein desHamburger Matthias Ostrzolek.

Als der Dortmunder Shinji Kagawa den Ball spielt, befindetsich sein Mitspieler Pierre-Emerick Aubameyang im Abseits.

Der Angreifer beeinträchtigt den Abwehrversuch des weißgekleideten Österreichers,…

Foto 5b

Foto 6a

Foto 6b

Während der Schiedsrichter noch mit einem Kölner Spielerspricht,…

Foto 6c

…was hier noch einmal aus einer anderen Perspektive zuerkennen ist.

den Ball zu spielen und umfasstauch Situationen, in denen dieBewegung eines Gegners, um denBall zu spielen, verzögert, behin-dert oder verhindert wird.“

Die Szene, die wir jetzt weiterbeschreiben, ist ein Lehrbeispiel

für genau diesen Sachverhalt: Derim Abseits stehende Aubameyangdreht sich um 180 Grad aus der„Lauflinie“ des Balls. Die Bewe-gung des Österreichers Palla, derden Ball wegspitzeln will (Foto6b), wird dadurch „beeinträch-tigt“, wie es im FIFA-Text heißt.

Foto 7a

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„großen“ Fußball zum Glück sehrselten vorkommt, bei den Ama-teuren leider inzwischen viel zuoft: ein Spielabbruch.

Im DFB-Pokalspiel VfL Osnabrückgegen RasenBallsport Leipzig (1. Runde) steht es 1:0 für dieHeimmannschaft, es läuft die 71. Minute.

Der Leipziger Davie Selke schei-tert bei einer guten Chance imletzten Moment im OsnabrückerStrafraum. Der Ball wird zur Eckeabgewehrt. Daraufhin wird derAngreifer vom Osnabrücker Aus-wechselspieler Michael Hohn-stedt, der sich neben dem Toraufwärmt, angeschrien undoffensichtlich verhöhnt (Foto 8a).

Die Zuschauer beteiligen sich aufihre Weise daran, indem sieGegenstände in Richtung Selkeaufs Spielfeld werfen. Schieds-richter Martin Petersen ist hinzu-geeilt, um die Gemüter zu beruhi-gen. Im nächsten Moment wird ervon einem roten Feuerzeug amKopf getroffen (Fotos 8b und 8c).

Foto 7b

Schiedsrichter Martin Petersen wird von einem roten Gegen-stand (Feuerzeug) am Kopf getroffen.

Foto 8b

Wenn ein Schiedsrichter auf demFeld tätlich angegriffen wird oder durch Gegenstände, dieZuschauer auf das Feld werfen,verletzt wird, dann gibt es keinePerspektive mehr für eine Fort-setzung des Spiels. Ausgeschlos-sen ist auch eine Übernahme desSpiels durch den Vierten Offiziel-len oder einen der Schiedsrich-ter-Assistenten.

In Osnabrück hat Martin Petersenrichtig reagiert und ist gemein-sam mit seinen Assistenten in dieKabine gegangen (Foto 8d), dabeiunterließ er Gesten oder Zeichen,die den Spielabbruch bereitsankündigen. Es ist sinnvoll, diesein einem solchen Fall unumgäng-liche Maßnahme erst in der Kabinean den Veranstalter, die Mann-schafts-Verantwortlichen (Spiel-führer) und die Sicherheitskräftezu kommunizieren, die dann allesWeitere veranlassen müssen.

Das Spiel in Osnabrück wurdebekanntlich vom DFB-Sport-gericht mit 2:0 für RB Leipziggewertet.

Der Schiedsrichter hat offensichtlich Schmerzen, während einweiteres Wurfgeschoss auf dem Spielfeld landet.

Foto 8c

Foto 8a

Einwechselspieler Michael Hohnstedt betritt das Spielfeld, umden Leipziger Davie Selke verbal zu attackieren.

…wird der Freistoß bereits von den Stuttgartern ausgeführt.

Schiedsrichter Petersen hält sich den Kopf und begibt sichmit seinen Assistenten in die Kabine.

Foto 8d

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Lehrwesen

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Lehrwesen

Der Torwart zählt zu den Indivi-dualisten in einer Mannschaft.

So wie der Schiedsrichter kann erimmer dann zum einsamstenAkteur auf dem Spielfeld werden,wenn ihm ein spielentscheidenderFehler unterläuft.

Lange Jahre waren die Männerzwischen den Pfosten die „Tor-wächter“, die ihre Position nichtverlassen durften und mit gekonn-ten Paraden auf der Linie glänzten.

Erst in den 60er-Jahren widerlegtePetar „Radi“ Radenkovic von denMünchener Löwen als einer derersten Keeper in Deutschland mitseinem Auftreten diese spieltakti-sche Ausrichtung. Oft verließ erwie ein Feldspieler sein Tor, umden Ball über die Strafraumgrenzehinaus bis ins Mittelfeld zu drib-beln.

An die Gefahr für das eigene Tor,wenn ein solcher Ball einmal vomGegner abgefangen wurde, dachteer nicht. Zum Glück für Radenkovicgab es zu der Zeit noch nicht die„Dreifach-Bestrafung“, wenn er insolch einer Situation einmal zueiner „Notbremse“ gegriffen hätte.

Erst in den vergangenen Jahrenwurde zunehmend deutlich, dassdie Rolle des Torwarts als „mit-spielender elfter Mann" inzwi-schen völlig neu definiert wird.Schlagworte wie „Strafraum-Beherrschung“ und „der Torwartspielt mit“ zeigen auf, dass sichdas Torwartspiel erkennbar verän-dert hat.

Manuel Neuer sorgte bei der Fuß-ball-WM in Brasilien für solcheSchlagzeilen. Im Spiel Deutschland

gegen Algerien kam er oft so weitaus dem Tor heraus, dass er vonden Kommentatoren schon alszusätzlicher Feldspieler gesehenwurde.

Parallel zu dieser veränderten tak-tischen Torwartrolle glich derInternational Football AssociationBoard (IFAB) die Spielregeln bezüg-lich des Torwartspiels mehrfachdem aktuellen Geschehen an.

So genießt der Keeper zwar nachwie vor einige Sonderrechte, dieihm vor allem in Regel 12 gegeben

Spielender Torwart: Das Einsatzgebiet von Manuel Neuer geht oft über die Strafraum-grenze hinaus.

Im Vergleich zu den Feldspielern genießt der Torwart innerhalb des eigenen Strafraumsbesondere Rechte – allerdings auch nicht alle Freiheiten. „Der Torwart im Mittelpunkt desGeschehens“ lautet der Titel des aktuellen DFB-Lehrbriefs Nr. 63. Günther Thielking stellt denInhalt dieser Lehreinheit vor.

Die Rolle des Torwarts

werden. Gleichzeitig werden ihmaber auch Pflichten auferlegt, dieregeltechnische Bestimmungenbetreffen und seinen privilegiertenAktionsradius im Spiel einschrän-ken.

Ausgehend von der Brisanz, diesich damit ergibt und bei der esauch für die Schiedsrichter imZusammenhang mit dem Gesche-hen rund um den Torhüter geht,bearbeitet der Lehrbrief 63 des-halb das Thema „Der Torwart imMittelpunkt des Geschehens“. Inden darin dargestellten Vorschlä-

gen für eine abwechslungsreicheLehrarbeit sprechen die Verfasservier Schwerpunkte an:

• Die grundsätzlichen Rechte und Pflichten des Torwarts

• Vergehen durch den Torwart• Vergehen gegen den Torwart• Der Torwart bei der Strafstoß-

Ausführung (einschließlich „Elfmeterschießen“)

Hinweise auf die besondere Stellung des Torhüters gibt es in den Regeln 3 und 4. Dort wirddavon gesprochen, dass zu

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einem Team elf Spieler gehören,„...von denen einer der Torwartist“. Dieser muss sich durch seine Kleidung von den anderenSpielern und vom Schiedsrichterunterscheiden.

Ein Spiel darf nur dann beginnen,wenn sich bei beiden Mannschaf-ten ein Torwart auf dem Spielfeldbefindet. Der Schiedsrichter mussdies vor dem Anpfiff zur erstenund zu Beginn der zweiten Halb-zeit kontrollieren.

Kommt es während des Spielsdazu, dass der Torhüter ausge-tauscht wird, so darf er durcheinen anderen Torwart von derBank ersetzt werden. Dies istaber nur möglich, wenn seineMannschaft das Auswechsel-Kon-tingent noch nicht erschöpft hat.Andernfalls kann er nur durcheinen Spieler ersetzt werden, der sich auf dem Spielfeld befin-det und der sein Spielertrikot mit dem Dress des Torwartstauscht. Dieser Torhüter-Tauschkann nur in einer Spielunterbre-chung erfolgen und muss demSchiedsrichter mitgeteilt werden.

Zu den besonderen Rechten desTorwarts gehört es, dass er denBall in seinem Strafraum in dieHände nehmen darf und damitsicher kontrollieren kann. AlsKontrolle zählt bereits, wenn ernur mit einem Teil einer Hand

Hat der Keeper den Ball einmalfreigegeben, so darf er ihn erstdanach wieder mit den Händenberühren, wenn er von einemanderen Spieler gespielt wurde.Verstößt der Torwart gegen dieseBestimmung, so hat der Schieds-richter dort einen indirekten Frei-stoß zu verhängen, wo die erneuteBerührung stattfindet.

Ein indirekter Freistoß gegen denTorhüter ist auch dann zu verhän-gen, wenn ihm der Ball von einemMitspieler beim Einwurf zugewor-fen wird und er ihn dann mit denHänden aufnimmt. Ebenso greiftdie Rückpass-Regel, wenn er dasLeder von einem Mitspieler mitdem Fuß zugespielt bekommt undnun mit der Hand berührt.

Zu den Vergehen durch den Tor-wart, die in dieser Lerneinheitanzusprechen sind, gehört schließ-lich noch die „Notbremse“, bei derder Torhüter eine klare Torchanceder angreifenden Mannschaftregelwidrig zunichtemacht.

Spielt er den Ball außerhalb desStrafraums absichtlich mit derHand, bringt er einen Gegnerdurch Beinstellen zu Fall oder hälter einen Gegner fest, so ist immerdann ein Feldverweis gegen denTorwart auszusprechen, wenn erdamit den möglichen Torerfolg desGegners verhindert. Die hierbeiauszusprechende Spielstrafe rich-tet sich nach dem Ort des jeweili-gen Vergehens und ist gemäßRegel 12 auszusprechen.

den Ball berührt, gleich ob amBoden, am Körper oder auf deroffenen Hand. Er darf dann nichtmehr attackiert werden.

Außerdem ist es nicht erlaubt,den Torwart anzugreifen, wenn er den gefangenen Ball wieder ins Spiel bringen will und diesendabei auf den Boden prellt oderin die Luft wirft.

Hat der Torwart den Ball gefan-gen, so muss er ihn innerhalb vonsechs Sekunden wieder freigeben.Er kann jetzt bis zur Strafraum-grenze laufen. Genauso darf erden Ball in den Händen halten, umeinen Mitspieler zu suchen. Undes ist ihm erlaubt, innerhalb die-ser vorgegebenen Zeit Anweisun-gen an seine Mitspieler zu geben.

Überschreitet er die sechs Sekun-den jedoch, so verwirkt er einenindirekten Freistoß. Dieser wirdvom Gegner dort ausgeführt, woder Torhüter den Ball zu langegehalten hat.

Die Fußballpraxis hat gezeigt,dass der Schiedsrichter diese Zeitnicht mit der Stoppuhr in derHand kontrollieren soll. Erkennter jedoch, dass der Torwart dasSpiel absichtlich verzögert, dannsollte er ihm zum Beispiel zurufen:„Geben Sie den Ball frei!“, ehe derPfiff gegen die Mannschaft desTorwarts erfolgt.

Gern außerhalb des Strafraums: Torwart Petar Radenkovic(1860 München) im Jahr 1968.

Ungewohntes Bild: Als Borussia Dortmund im Mai 2014 dasAuswechsel-Kontingent erschöpft hatte und Roman Weidenfel-ler mit „Rot“ vom Platz musste, ging Kevin Großkreutz ins Tor.

Wie die „Sechs-Sekunden-Regel“hat auch die „Rü�ckpass-Regel“ das Ziel, den Spielfluss zu erhal-ten. Es soll nicht passieren, dassder Torhüter den Ball kontrolliert,um Zeit zu vergeuden, oder dasssich Torwart und Abwehrspielerden Ball mehrfach zuspielen, ohne dass der Gegner die Chancebekommt einzugreifen.

Wie bereits angesprochen, darfder Torwart nicht nur beimAbschlag oder beim Abwurf gehin-dert werden – auch darf er beieinem Eckstoß oder Freistoß nichtbehindert oder bedrängt werden.Stellt sich der Gegner in solchenSituationen direkt vor dem Torhü-ter auf, um ihm die Sicht auf denBall zu nehmen, so muss der

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Lehrwesen

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Sechs Fragen an Günter Perl

Die praktischen Fragen zumaktuellen Lehrbrief-Thema,dem Torwart, beantwortet die-ses Mal Bundesliga-Schieds-richter Günter Perl.

Herr Perl, wie intensiv kontrol-lieren Sie vor dem Spiel die Aus-rüstung der beiden Torleute undworauf achten Sie dabeibesonders?

Günter Perl: Der Schiedsrichterwählt vor dem Spiel für sein Teameine Farbe, die sich sowohl vonbeiden Torhütern als auch vonden Mannschaften unterscheidet.National können beide Torhüterzwar dieselbe Trikotfarbe tragen –dennoch ist es am sinnvollsten,wenn sich auch hier beide Torhü-ter voneinander unterscheiden.Nicht zuletzt zum Ende des Spielswegen eventueller „Ausflüge“ des Torhüters, dessen Mann-schaft gerade im Rückstand ist.

Der Fünf-Meter-Raum wird man-chmal auch als „Schutzzone“ fürden Torhüter bezeichnet. Was istda dran?

Perl: Den Passus, dass der Torhü-ter in seinem Fünf-Meter-Raumbesonderen Schutz genießt, hatman schon vor einigen Jahrenaus dem Regelbuch entfernt.

Das heißt: Wir behandeln den Tor-wart wie einen normalen Feldspie-ler. Besonderen Schutz genießt erallerdings, wenn er den Ball mitseinen Händen kontrolliert – danndarf er nicht angegriffen werden.

Oft gibt es im Vorfeld von Eckstö-ßen kleine Gerangel im unmittel-baren Bereich des Torhüters.Wann und wie sollte der Schieds-richter hier eingreifen?

Perl: Hier ist der Schiedsrichtervor allem gefordert, eine solcheSituation frühzeitig zu erkennenund im Vorfeld präventiv – alsonoch bevor der Ball im Spiel ist –einzugreifen. Als Schiedsrichterspreche ich die fehlbaren Spieleran, sich korrekt zu verhalten undsolche „Ringkämpfe“ um den Tor-hüter herum zu unterlassen.

Laut Regelwerk darf der Torwartden Ball im laufenden Spiel sechsSekunden lang in den Händen

„Ein Hinweis wirkt meist Wunder“

halten. Wie genau stoppen Siediese Zeit mit?

Perl: Wenn mir auffällt, dass sichein Torhüter zu viel Zeit lässt, denBall wieder freizugeben, wird sehrwohl genau mitgezählt. Und dannerfolgt bei nächster Gelegenheitein Hinweis an den Keeper, sich andie „Sechs-Sekunden-Regel“ zu halten. Kommt er dem nicht nach,gibt es ansonsten beim nächstenVerstoß den indirekten Freistoß für den Gegner. Ein Hinweis desSchiedsrichters an den Torwart zurrechten Zeit wirkt meist Wunder.

Wie sollte man als Schiedsrichterreagieren, wenn die gegnerischeMannschaft reklamiert, dass der

Günter Perl (45) pfeift seitzehn Jahren in der Bundes-liga.

Schiedsrichter präventiv vorge-hen und bereits vor der Ausfüh-rung die Angreifer ermahnen, sichsportlich zu verhalten.

Letzter Punkt: das Verhalten desKeepers beim Strafstoß. Den Teil-nehmern muss deutlich gemachtwerden, dass sie hierbei nach der Devise „Sicherheit vor Schnel-ligkeit“ vorzugehen haben. Dazugehört es, darauf zu achten, dass sich der Torwart bei der Ausführung eines Strafstoßesunbedingt auf der Torlinie auf-zustellen hat und diese Linie

erst dann verlassen darf, wennder Ball getreten wurde.

Schließlich hat der Unparteiischeauch jede Unsportlichkeit sofortzu unterbinden. Versucht der Torwart, den Schützen in irgend-einer Form zu provozieren, ver-zögert er den Ablauf oder nimmt er nicht seine vorgeschriebenePosition zwischen den Pfostenein, so ist er zunächst zu ermah-nen. Kommt er diesen Anweisun-gen auch dann nicht nach, sospricht der Referee eine Verwar-nung gegen ihn aus.

Torhüter beim Abschlag überdie Strafraumlinie tritt?

Perl: Das Übertreten, das häufigaus dem Schwung des Abschlagszustandekommt, ist nicht verbo-ten. Wird dabei allerdings derBall noch außerhalb des Straf-raums mit der Hand geführt,muss es natürlich einen direktenFreistoß geben. Hier kann derneutrale Assistent helfen, weil ermeist den besseren Blick auf dieSituation hat.

Zum Thema „Notbremse“: Liegteine solche nicht immer vor, wennder Torwart als „letzter Mann“den gegnerischen Stürmer foult?

Perl:Wenn ein Torhüter durch ein Foulspiel eine eindeutige Tor-möglichkeit verhindert, ist ernatürlich genau wie ein Feldspie-ler des Feldes zu verweisen. Aberbei Vergehen des Torhüters mussder Schiedsrichter sehr genauabwägen, ob es sich tatsächlichum eine „Notbremse“ handeltoder nicht. Denn läuft ein Stür-mer mit dem Ball im Strafraumvom Tor weg – zum Beispiel inRichtung der Eckfahne – und wirddann vom Torhüter auch als „letz-ter Mann“ gefoult, spricht man nicht immer zwangsläufig vonder Vereitelung eines Tores.

Als „letzter Mann“ läuft derTorwart schnell Gefahr, durchein Foulspiel eine glasklareTorchance zu vereiteln.

Bei der Arbeit an diesem Themageht der Lehrbrief 63 vom klassischen Lernmodell „Einlei-tung – Hauptteil – Schluss“ aus.Die Verfasser beginnen mit einemImpulsreferat, in dem der Lehr-wart zunächst die theoretischenGrundlagen zum Torwartspielanspricht.

In der Arbeitsphase werden Video-szenen aus der Bundesliga undvon internationalen Spielen ana-lysiert, und abschließend folgt alsLernkontrolle ein Fragebogen mitzehn Regelfragen.

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EROBERT BÄLLEIM MITTELFELD.UND HERZENIM STURM.Anna-Maria, Spielerin beim FC Viktoria 1889 Berlin.Eine von 1,1 Millionen Spielerinnen, die täglich beweisen, wie ernst es ihnen mit diesem Spiel ist.Mehr über Anna-Maria und den Amateurfußball in Deutschland auf kampagne.dfb.de

UNSERE AMATEURE. ECHTE PROFIS.

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Tagung

Austausch mit denBeim zweitägigen Schiedsrichter-Symposium Anfang September ging es international zu. NebenSchiedsrichter-Funktionären aus Deutschland nahmen auch Gäste aus einigen Nachbarländern teil:Vertreter aus der Schweiz, Belgien, Liechtenstein, Österreich, den Niederlanden, Dänemark undLuxemburg. SRZ-Mitarbeiter David Hennig berichtet.

Bei der gemeinsamen Tagung in Kamen-Kaiserau ging es

vor allem darum, sich über die Entwicklungen im Schiedsrichter-Wesen auszutauschen undLösungsansätze für aktuelle Problemstellungen zu entwickeln.

„Wir haben 2,1 Millionen Menschenin Deutschland, die als Spieler aufdem Platz stehen. Denen stehen66.000 Schiedsrichter zur Verfü-gung, die aktiv Spiele pfeifen“,sagte der für den Amateurfußballund Schiedsrichter-Bereich zustän-dige DFB-Direktor Willi Hink.

Produktive Gespräche: Beim Symposium kamen deutsche Schiedsrichter-Funktionäre und aus dem Ausland (im Bild derSchweizer Markus Bissig) in Kamen-Kaiserau zusammen.

Er machte deutlich, dass sich sei-ner Meinung nach die Bemühun-gen in der Vergangenheit zu starkauf den Profi-Bereich konzentrierthätten. 95 Prozent des Fußballsmachten die Akteure an der Basisaus. Es gäbe, so der DFB-Direktor,viele Philosophien des Schieds-richter-Tuns.

Dies wurde auch bei einem Blickauf den Status quo in den ande-ren europäischen Ländern schnelldeutlich. Dabei zeigte sich, dassteils gewaltige Unterschiede in der Struktur, der Größe und der

Organisation des Schiedsrichter-Wesens vorzufinden sind. Diesepräsentierten die internationalenVertreter jeweils in kurzen Vor-trägen.

In den Niederlanden beispielsweisegibt es zum Beispiel die offiziellenVerbands-Schiedsrichter, die - wiein Deutschland - offiziell angesetztwerden. Den überwiegenden Anteilder Spiele leiten allerdings soge-nannte Vereins-Schiedsrichter, diein erster Linie bei den Begegnun-gen des eigenen Klubs zum Einsatzkommen und sich dabei zunächst

bewähren müssen. Auch in ande-ren Ländern ist es üblich, dassUnparteiische nach der Prüfungzunächst einmal eine Probezeitdurchlaufen, bevor sie aner-kannte Schiedsrichter werden.

Als „sehr lohnenswert“ beschreibtDFB-Schiedsrichter-Lehrwart LutzWagner den internationalenGedanken-Austausch während des Symposiums. Natürlich seiendie meisten Dinge nicht eins zueins übertragbar – aber: „Wirhaben doch einige Denkanstößebekommen.“

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NachbarnIn Gruppenarbeiten wurden kon-krete Themenfelder gemeinsammit allen Teilnehmern näherbeleuchtet. Zum Beispiel derBereich „Betreuung von Schieds-richtern, Schiedsrichter alsSportler, Erhaltung und Verab-schiedung“. In seiner Einführungin die Gruppenarbeitsphase sagteHink: „Ein respektvoller Umgangmit denen, die aufhören wollen,ist ein ganz wichtiges Zeichen fürAktive.“

Denn die Verabschiedung könneauch zugleich eine Gewinnung fürdas Ehrenamt sein. Schiedsrich-ter könnten in unterschiedlichenFunktionen nach ihrem Ausschei-den an die Gruppe gebunden wer-den. Die Teilnehmer rieten, ineiner frühzeitigen Kontaktauf-nahme das „Warum“ des Aus-scheidens zu ermitteln und dieInteressen, die Qualifizierung unddie Eignung des Schiedsrichtersfestzustellen und ihm Betäti-gungsfelder in der Schiedsrich-ter-Gruppe aufzuzeigen.

Grundsätzlich müsse dazu jedochder Kontakt und die Kommunika-tion zwischen den Schiedsrich-tern und den jeweiligen Verant-wortlichen verbessert werden.Auch könne der Gruppenzusam-menhalt durch erhöhte Wert-schätzung einzelner Schiedsrich-ter und Gruppen sowie durchgemeinschaftliche Aktivitätengesteigert werden. Denn schließ-lich sei die Schiedsrichter-Tätig-keit mehr, als nur Spiele zu leiten.

Um nachhaltig für die Schieds-richter-Tätigkeit zu werben,befassten sich die Teilnehmerunter dem Punkt „Gewinnung vonSchiedsrichtern, Image und Wer-bung“ mit der Eigen- und Fremd-wahrnehmung der Unparteiischenund entwickelten Maßnahmen zurWerbung und Imageverbesse-rung. Besonders die Gewinnungvon Schiedsrichterinnen stand

Verfügung und könne ein Augeauf das Schiedsrichter-Soll desjeweiligen Vereins haben. „DieseInstitution ist jedoch nur so gutwie die Person, die es macht“,sagte Geyer und appellierte aneine bessere Kommunikation zwi-schen Schiedsrichter-Verantwort-lichen und Vereinen.

Um Klubs zu motivieren, mehrUnparteiische auszubilden und an den Verein zu binden, sollstärker auf Bonussystemegesetzt werden. Beispielsweisemit einer Ausbildungsprämieoder einer Belohnung bei Über-soll sollen finanzielle Anreizegeschaffen werden. Mehr und

Helmut Geyer (links), der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichter-Kommission Amateure, bei derGruppen-Diskussion.

hier im Fokus. „Der Frauen-Bereichist ein Wachstumsmarkt im Fuß-ball – hier müssen sich auch dieSchiedsrichter besonders enga-gieren“, sagte Wolfgang Mierswa,Mitglied der DFB-Schiedsrichter-Kommission Amateure.

Dabei wurde deutlich, dass einefinanzielle und materielle Unter-stützung durch den Verbandgewährleistet sein müsse, um

„Unterschiede regen an, viel-leicht in Zukunft auch andereWege zu beschreiten“, betonteMierswa.

„Die Organisation und die Struk-tur des Schiedsrichter-Bereichssowie die Zusammenarbeit mitanderen Gruppen“ war ein wei-teres Thema. Hier standenbesonders die Zugehörigkeit desSchiedsrichters zu einem Vereinund die Pflichten der Klubs imFokus. Einigkeit bestand darin,dass die Vereinsbindung derUnparteiischen erhalten bleibenmuss. „Die Vereine können ausder Verpflichtung nicht entlassenwerden“, betonte Horst Ebel vom

entsprechende und zielgruppen-orientierte Kommunikations-Maßnahmen intern wie externanzustoßen. Individuelle Maßnah-men auf lokaler Ebene im Dialogmit den Vereinen seien aberweiterhin unersetzlich, um neueSchiedsrichter zu gewinnen. „Die Probleme sind überall diegleichen, jedoch die Handha-bung ist unterschiedlich“, stellteMierswa fest.

In Dänemark zum Beispiel sinddie Vereine außen vor, hier orga-nisieren sich die Schiedsrichterin einer eigenen Vereinigung.

Württembergischen Fußballver-band. Auch Helmut Geyer, Vorsit-zender der DFB-Schiedsrichter-Kommission Amateure, pflichtetedem bei: „Es ist nach wie vor eingutes Instrument.“ Doch dieBetreuung durch die Vereinemüsse besser werden.

Auch wenn es in vielen Klubsbereits praktiziert wird, so solltedas Konstrukt des Vereins-Schieds-richter-Beauftragten weiter aus-gebaut werden. Als Bindegliedzwischen Verein und Schiedsrich-ter-Bereich steht dieser alsAnsprechpartner für Fragen zur

vor allem transparentere Kommu-nikation wünschten sich dieAkteure auch zwischen Schieds-richter-Funktionären und Aktiven.Neben frühzeitigen Perspektiv-und Karriere-Gesprächen als Ver-trauensbasis und ein Zeichen fürWertschätzung sollte gerade beider Schiedsrichter-Bewertunggrößtmögliche Transparenz gel-ten, indem Qualifikations-Richtli-nien, Kriterien und auch Beob-achtungs-Ergebnisse frühzeitigund offen kommuniziert werden.

Unter der Überschrift „Ausbil-dung, Weiterbildung, Informa-

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tions-Bereitstellung“ standbesonders deren Qualität im Zent-rum der Diskussionen. Einigwaren sich die Teilnehmer, dassdiese vor der reinen Quantitätgehen müsse. „Die ‚Soll-Erfüller‘,die dem Druck des Vereins nichtstandgehalten haben, schadendem Image des Schiedsrichtersoftmals mehr, als dass sie demSchiedsrichter-Wesen helfen“,sagte Gundolf Walaschewski, derehemalige Vorsitzende desSchiedsrichter-Ausschusses desFußball- und Leichtathletik-Ver-bandes Westfalen.

Bei der Auswahl potenzieller Kandidaten könne nach niederlän-dischem Vorbild auf ein Einstiegs-interview durch den Lehrwart oderandere Ausschussmitgliedergesetzt werden. Auch eine „Probe-zeit“ und eine „Anwärter-Kenn-zeichnung“ seien denkbare Mittel,um die Eignung festzustellen.

Um die Schiedsrichter-Ausbildungattraktiver zu gestalten und den„Praxis-Schock“ zu minimieren,sprachen sich die Teilnehmerdafür aus, den Praxisanteil zuerweitern und die neuen Unpar-teiischen schneller auf den Platz zu führen. Dabei spielten E-Learning zur Verkürzung derPräsenzzeiten und auch die

Betreuung der Neulinge durchqualifizierte Paten eine wesentli-che Rolle.

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Tagung

Ergebnis-Sicherung: Bernd Domurat fasste die Ergebnisse derGruppenarbeit zusammen.

Stimmen der internationalen Gäste

Pascal Engels, Belgien: „DieVeranstaltung war in mehrererHinsicht sehr hilfreich: Sie gabuns die Möglichkeit, zu verste-hen, wie das Schiedsrichter-Wesen in anderen Ländern orga-nisiert ist. Dabei hat sichgezeigt, dass uns alle die glei-chen Themen beschäftigen. Ausden Diskussionen ergaben sichviele praktische Tipps. Zudemkonnten wir unser Netzwerkerweitern und informelle Kon-takte knüpfen.“

Charles Schaack, Luxemburg:„Das Symposium war eine sehrgute Idee mit zahlreichenErkenntnissen. Es zeigte, wieman Schiedsrichter-Funktionäreaktiv in eine Diskussionsrundeintegriert – im Vergleich zuanderen Lehrgängen. In allenWorkshops gab es positiveErkenntnisse, die hilfreich aufdem weiteren Weg der Schieds-richter-Entwicklung sein kön-

nen. Interessant ist, dass die Pro-bleme in allen Regionen und Län-dern ähnlich gelagert sind. Insbe-sondere Schiedsrichter-Rekrutie-rung und -Erhaltung, die Verab-schiedung Aktiver, aber auch derMangel an weiblichen Spielleite-rinnen sind Schwerpunkte, diesich wie ein roter Faden durch alleDiskussionsrunden zogen.“

Markus Bissig, Schweiz: „DenGrundgedanken und die Idee, sichin dieser Form mit dem Themaauseinanderzusetzen, fand ichabsolut genial. Die Organisationund Struktur der Veranstaltungwaren hervorragend und die The-men-Schwerpunkte gut gewählt.Interessante Aspekte aus denDiskussionen, wie zum Beispiel beider Gewinnung und der Erhaltungvon Schiedsrichtern, werden wirsicherlich für uns aufnehmen undweiterverfolgen. Eine solche Ver-anstaltung muss nicht jedes Jahrfortgesetzt werden. Aber zum

„Wir haben ähnliche Probleme“

„Im Hinblick auf die Altersspanneund die Größe der Zielgruppe istkaum gewährleistet, dass die Bot-schaft ankommt“, beschrieb LutzWagner eines der größten Hinder-nisse, einen Lehrabend zielgrup-penorientiert zu gestalten. Umdas Niveau der Schiedsrichterund das Interesse an den Lehr-abenden zu steigern, müssebesonders die Qualifizierung derLehrwarte fortgesetzt werden.

Diese könnten durch ein Gesamt-Lehrkonzept, die Definition derZielgruppen und einen erweiter-ten Lehrstab sowie ein attrakti-ves örtliches Umfeld verbessertwerden. Auch im Hinblick auf denWissenstransfer müssten mit derstärkeren Nutzung der neuenMedien neue Wege beschrittenwerden, um Informationenunmittelbar und einheitlich zurVerfügung zu stellen.

Über die Ergebnisse des Symposi-ums zeigten sich die Teilnehmer

Beispiel in drei Jahren noch-mal zu schauen, ob sichErfolge eingestellt haben, daswäre schon interessant.“

Marco Dettwiler, Schweiz: „Ichbin überzeugt, dass mit demSymposium eine ausgezeichneteBasis für die Zukunft gelegtwerden konnte. Besondersinteressant und nützlich ist ausmeiner Sicht die Erkenntnis,dass in allen Verbänden imSchiedsrichter-Wesen die Pro-bleme ähnlich gelagert sind:unter anderem fehlenderRespekt, Gewalt und Schieds-richter-Mangel. Die Schaffungvon Verständnis und Unterstüt-zung für das Schiedsrichter-Wesen in anderen Fußball-Berei-chen ist eine große Herausfor-derung, der wir uns gerne stel-len und an der wir intensivarbeiten. Dafür müssen wirauch bereit sein, Neues zuwagen.“

und Verantwortlichen am Endezufrieden. „Der Blick über dienationalen Grenzen hinweg warsicherlich hochinteressant. Aberes ist ebenso wichtig, dass sichdie 21 Landesverbände auf DFB-Ebene austauschen, denn auchhier gibt es aufgrund der unter-schiedlichen strukturellen Vor-aussetzungen höchst unter-schiedliche Vorgehensweisen,beispielsweise in den BereichenAusbildung oder Talentförde-rung“, betonte Helmut Geyer.

Die Ergebnisse des Schiedsrich-ter-Symposiums werden nundurch die „ArbeitsgruppeSchiedsrichter-Entwicklung“ imDetail nachgearbeitet und ineinen Umsetzungsvorschlaggebracht. Dieser wiederum wirdbei der Obleute-Lehrwarte-Tagung im November vorgestellt.Ziel ist es, konkrete Handlungs-felder der Schiedsrichter-Ent-wicklung in den DFB-Masterplan2016 bis 2019 aufzunehmen.

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Der Strafstoß für den FC Bayernim Spiel gegen den FC Augsburgerregte am 4. Spieltag die Ge-müter. In der „Süddeutschen“geht Redakteur Christof Kneersehr fair und in gut erklärenderWeise mit diesem schiedsrich-terlichen Unglück des Teams um Knut Kircher um.

Gut zweieinhalb Stunden hat KnutKircher gebraucht, bis er wieder zuHause war. Er hat schon schönereHeimfahrten nach Rottenburg amNeckar erlebt, auch die Presse-schau am Abend ist schon mal ent-spannter ausgefallen. Natürlich hater zu Hause noch mal die Szenedes Tages angeschaut, natürlichhat er noch mal all die Sätzegehört, und einmal ist er sichselbst auf dem Bildschirm erschie-nen. Kircher sah also Kircher undhörte ihn sagen: „Das bringt Augs-burg leider keine Punkte mehr,sorry, tut uns leid, aber Wahrneh-mung und Auslegung waren falsch.Das war kein Elfmeter.“

Knut Kircher ist der Mann, dem dieSpieler vertrauen. Das Sportmaga-zin „kicker“ veranstaltet regelmä-ßig eine Umfrage unter Fußballpro-fis, und bei der Frage nach dembeliebtesten Schiedsrichter landetKircher nur dann auf Platz zwei,wenn er nicht gerade auf Platz einslandet. Kircher ist der riesenhafteRuhepol in einer dauererregtenBranche. Es wird dunkel, wenn ersich vor den Fußballern aufbautund mit seiner Körpergröße von1,96 Meter Schatten wirft, und wennes um ihn herum besonders wildtobt, legt er den Spielern aus gro-ßer Höhe die Hand auf die Schulter.Meistens reicht das zur Deeskalie-rung. Beim Spiel der Bayern gegenAugsburg reichte es nicht.

Knut Kircher habe „gut gepfiffen“,er sei „sehr souverän aufgetreten“,das müsse man „mal loben“. Dassagte später weder ein Schiedsrich-ter-Funktionär noch Knut Kirchers

Machtlos im Signalgewitter

Ehefrau. Es sagte Jan-Ingwer Call-sen-Bracker, Abwehrspieler jenerAugsburger Elf, die Kirchers spek-takulärer Fehlentscheidung eine1:2-Niederlage in letzter Minute zu verdanken hatte. Auch Augs-burgs Torwart Marvin Hitz, der den unberechtigen Elfmeter ausdem Tor klauben musste, meinte,Kircher habe „ja nichts machenkönnen, wenn der Assistent dieFahne hebt“.

der Teamchef und für die Entschei-dung verantwortlich.“

Der Fehlpfiff von München gewährteinen anschaulichen Einblick in das Handwerk eines Schiedsrichter-Teams: Er zeigt, welche komplexenWege gerade die geschulten Wahr-nehmungen mitunter gehen können, bis sie sich zu einer Ent-scheidung – in diesem Fall Fehlent-scheidung – verdichten.

Schiedsrichter keine hundertpro-zentige Wahrnehmung hat, derAssistent sich aber sicher ist, dannübernimmt der Chef die Entschei-dung“, sagt Kircher. Aber als er mitseinen Assistenten kurz nach Spiel-schluss die ersten Bilder sah, saher, dass er nichts sah: Es gab kei-nen Check, keinen Rempler, keinenverirrten Arm, es gab überhauptkeine aktive Bewegung von Feulnerin Richtung Costa – eine solcheBewegung wäre die Voraussetzunggewesen, um den Tatbestand „Foul“überhaupt in Erwägung zu ziehen.

Es zählte zu den Kuriositäten desTages, dass Kircher seinen Irrtumvor den Kameras schon längstmannhaft eingeräumt hatte, alsmancher Bayer die Szene immernoch auf versteckte Foulanteileabsuchte. „Douglas macht einenHaken, und Feulner blockiert ihnschon“, meinte etwa Thomas Mül-ler, „von einer ‚Schwalbe‘ war dasweit entfernt.“ Müller hatte aberohnehin seinen skurrilen Tag, weiler im Spiel diesmal ein paar sehrlustige Tapsigkeiten vorführte, dieihn selbstverständlich nicht daranhinderten, mit der Vorlage zuLewandowskis 1:1 (77.) und dem Elfmeter zum 2:1 das Spiel zu ent-scheiden. „Den Elfmeter muss man nicht geben, kann man aber“, sagte er.

Das konnte man zwar nicht, aberman muss wohl den Rest des Spielsbetrachten, um solche Sätze zuverstehen. Die Bayern waren einer-seits etwas genervt von sich selbst,Pep Guardiola mahnte angesichtsder gemütlichen ersten Hälfte, manmüsse „90 Minuten spielen, nicht45“, und er hoffe, „dass das eineLehre für die Zukunft“ sei. Anderer-seits hat es den Bayern nicht ge-fallen, dass die Elfmeter-Debatte„die zehntausend Prozent Ball-besitz“ überdeckte, die das 2:1 amEnde rechtfertigten.

Das Spiel Bayern gegen Augsburgwird Knut Kircher übrigens niemehr pfeifen, aber das liegt nichtan der Fahne seines Assistenten.Kircher, 46, hat die vom DFB vor-geschriebene Altersgrenze dem-nächst erreicht und wird am Saisonende aufhören.

Der falsche Strafstoß wurde nicht nur im Spiel, sondern auchin den Tagen danach diskutiert.

Zwar klang bei jedem Augsburgereine massive Verärgerung überThomas Müllers unberechtigtes Elfmetertor durch, die Wortwahlreichte je nach Temperament, Stimmung und Technik des Frage-stellers von „Witz“ (Torschütze Alexander Esswein), „absoluterWitz" (Trainer Markus Weinzierl),„bodenlos“ (derselbe) und „Frech-heit“ (derselbe) bis zu „keineAhnung, wie er das da draußennicht sehen kann“ (Torwart Hitz);und vor der x-ten Kamera ließ sichWeinzierl am Ende noch zu der Formulierung hinreißen, sein Teamsei „beschissen worden“. Aberdirekt oder indirekt enthielt jederdieser Vorwürfe die Botschaft: DerKircher, der kann nix dafür. DerAssistent Kempter, der war's!

Natürlich kann Kircher dieseehrenvolle Interpretation nichtgutheißen, kraft Amtes, aber auch aus Überzeugung. „RobertKempter hat mich über die Jahreschon in so vielen Spielen inengen Situationen gerettet“, sagte er nach einer eher kurzenNacht, „wir sind ein Team, ich bin

Als Bayerns Douglas Costa vonrechts draußen loszog, hatte Kir-cher seinen Blick eher zur Mittegerichtet, weil die Schiedsrichterseit dieser Saison aufgefordertsind, heimliche Umtriebe im Straf-raum schärfer zu ahnden. „Wir wollen in dieser Saison noch mehrauf das Positionsgerangel im Zent-rum achten“, sagt Kircher, „etwadarauf, ob ein Abwehrspieler einenStürmer hält oder wegschiebt,bevor der Ball da ist.“

So nahm Kircher nur aus demAugenwinkel den „Auffahr-Unfall“ auf der rechten Spur wahr: Costaschlug einen Haken, rumpelte inAugsburgs Markus Feulner hineinund stürzte – im nächsten Momentging ein Signalgewitter über Kir-cher nieder. Der Empfänger in sei-nem Ohr piepte, der Empfänger anseinem Oberarm vibrierte, unddraußen zückte der AssistentKempter die Fahne, funkte Foul und blieb auch auf Nachfrage beiseinem fatalen Urteil.

„Unter allen Schiedsrichter-Teamsgilt die Absprache: Wenn der

Blick in die Presse

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Aus den Verbänden

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Westfalen

Jung-Schiedsrichter-Projektüberzeugt

Die Nachwuchs-Schiedsrichter desKreises Bochum im Fußball- undLeichtathletik-Verband Westfalen(FLVW) haben beim FörderprojektJiVE (Jugend im Verein) der Sparda-Bank Bochum den erstenPlatz belegt und als Preisgeld2.500 Euro erhalten, die dem Förderverein „Schiri-Plus“ für seinen Nachwuchs zur Verfügungstehen. Insgesamt wurden von der Bochumer Sparda-Bank 5.000 Euro ausgeschüttet.

Die erfolgreiche Bewerbung wurdevon den Vorstandsmitgliedern undKreis-Schiedsrichter-Lehrwarten

Die Lehrwarte Norbert Koch (Vierter von links) und Heiko Schneider(rechts) freuen sich mit den jungen Schiedsrichterinnen über den gewon-nenen Preis.

Norbert Koch, Klaus-Dieter Leien-decker und Heiko Schneider aus-gearbeitet und eingereicht.

Ausgezeichnet wurde „Schiri-Plus“für sein hervorragendes Engage-ment bei der Erarbeitung von Stra-tegien zur Konflikt-Vermeidung undDeeskalation sowie für die Förde-rung der Integration von Sportlernund Schiedsrichtern mit Migra-tions-Hintergrund. Weiterhin wur-den die Bemühungen zur Förde-rung von Frauen und Mädchen, hierbesonders als Schiedsrichterinnen,anerkannt. Immerhin sind inzwi-schen im Fußball-Kreis Bochum 17 weibliche Unparteiische tätig,die bis zur Bezirksliga als Schieds-richterinnen und bis zur Junio-rinnen-Bundesliga als Assistentin-nen eingesetzt werden können.

Heiko Schneider

Schiedsrichter fordern Maß-nahmen

Anlässlich einer Regelschulungfür Journalisten in der HFV-Sportschule sind die Hambur-ger VSA-Schiedsrichter mit einem offenen Brief an dieÖffentlichkeit gegangen. Anlasswar die Häufung respektlosenVerhaltens, wie Beleidigungen,Bedrohungen und körperlicheAttacken gegen Schiedsrichter in Hamburg.

DFB-Schiedsrichter Norbert Grud-zinski sagte: „Die Vorfälle in denletzten Wochen sind entsetzlich.Die Verrohung der Sitten schrei-tet voran. Wir haben den Ein-druck, dass viele Vereine dieSchiedsrichter nicht mehr schüt-zen. Wir fordern Konsequenzenund Maßnahmen in den Klubs,damit wir unserem ehrenamt-lichen Hobby wieder mit Freudenachgehen können!“ HamburgsVSA-Vorsitzender Wilfred Diekertergänzte: „Wir werden uns vorbe-halten, zu bestimmten Vereinenkeine Schiedsrichter mehr zuschicken!“

Carsten Byernetzki

Hamburg

Stoppt die Gewalt gegen Schiedsrichter auf Hamburgs Fußballplätzen (vonlinks): Michael Ehrenfort (VSA-Aktivensprecher), Wilfred Diekert (VSA-Vorsit-zender), Murat Yilmaz (stellvertretender VSA-Aktivensprecher) und NorbertGrudzinski (DFB-Schiedsrichter).

Niederrhein

Mönchengladbach/Viersensiegreich

Fast 200 Jung-Schiedsrichter undSchiedsrichterinnen nahmen amdiesjährigen DEKRA-Jung-Schieds-richter-Masters des Fußballver-bandes Niederrhein (FVN) teil, dasdiesmal auf dem Sportgeländevon Rhenania Hinsbeck stattfand.Ungeschlagen Sieger wurde dieMannschaft des Kreises Mön-chengladbach/Viersen, die sich imFinale gegen den Kreis Remscheiddurchsetzte. Den dritten Platzbelegte das Team des Kreises

Kempen/Krefeld vor den Spielernaus Düsseldorf.

Verbands-Schiedsrichter-ObmannAndreas Thiemann und die Vertre-ter des Gastgebers, des KreisesKempen-Krefeld, Kreis-Vorsitzen-der Willi Wittmann, Schiedsrich-ter-Obmann Werner Gatz undOrganisator Robin Seifert zeigtensich bei der Siegerehrung sehrzufrieden und stellten die gutenspielerischen Leistungen der jun-gen Unparteiischen heraus. Siegaben der Hoffnung Ausdruck, „dass die Tradition des Turniersnoch lange beibehalten werdenkann“.

Tim Pelzer

Verbands-Schiedsrichter-Obmann Andreas Thiemann (Mitte) beglück-wünschte die Teilnehmer des diesjährigen DEKRA-Jung-Schiedsrichter-Masters des Fußballverbandes Niederrhein in Hinsbeck.

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Hessen

Schleswig-Holstein

Mecklenburg-Vorpommern

„Konflikten souverän begegnen“

Das Fair-Play-Forum des HessischenFußballs hat einen neuen Aufbau-Workshop für Schiedsrichter ent-wickelt. Er trägt den Namen „Kon-flikten auf dem Fußballplatz souve-rän begegnen“ und soll den bereitsbestehenden Basis-Workshopergänzen. Beide Workshops sindTeil der seit 2012 laufenden Kam-pagne „Nein! zu Diskriminierungund Gewalt“.

Im Rahmen eines Workshops wur-den 15 Schiedsrichter-Lehrwartevon Referenten des Hessischen Fuß-ball-Verbandes (HFV) und der Sozi-alstiftung des Hessischen Fußballsausgebildet. Dabei wurden ihnendie neuen Konzepte des Aufbau-

Workshops „Konflikten auf demFußballplatz souverän begegnen“vermittelt und mit ihrer Hilfeweiterentwickelt. „Es geht in die-sem Workshop vor allem um dieKörpersprache und Kommunikationauf dem Platz“, erklärt ChristineKumpert, Referentin für Gesell-schaftliche Verantwortung beimHessischen Fußball-Verband undMitentwicklerin des Workshops.„Wir stellen im Workshop viele Sze-nen vor, während und nach demSpiel nach, in denen ein Schieds-richter deeskalierend auf Situatio-nen einwirken kann.“

Mitentwickelt wurde der neue Auf-bau-Workshop für Schiedsrichterunter anderem von Andreas Schrö-ter, dem Verbands-Lehrwart derhessischen Schiedsrichter, ThorstenSchenk sowie Schiedsrichter undFernsehmoderator Max Schradin.Dieser konnte durch seine Schau-spiel-Ausbildung und Erfahrung in

der Medienbranche den Teilneh-mern viel über Körpersprache undPräsenz auf dem Spielfeld vermit-teln.

Die ausgebildeten Lehrwarte fun-gieren nun ihrerseits als Referentendes neuen Schiedsrichter-Work-shops. Geplant ist, ab Oktober 2015allen Schiedsrichtern der teilneh-menden Vereinigungen das Ange-

Die Teilnehmer des Aufbau-Workshops mit Christine Kumpert, Referentin fürGesellschaftliche Verantwortung beim Hessischen Fußball-Verband.

bot dieses Aufbau-Workshops zuunterbreiten. Er soll in Gruppen mitmaximal 30 Personen stattfinden.Die Schiedsrichter-Vereinigungensind zum Großteil bereits seit 2012Partner der Kampagne „Nein! zuDiskriminierung und Gewalt“ undhaben bereits den Basis-Workshopbelegt.

Sascha Timmas

Schiedsrichter beim Beachsoccer

Das Finale der Schleswig-Holsteini-schen Beachsoccer-Serie am Ost-seestrand von Damp war gleichzei-tig auch der Regional-Entscheid zurDeutschen Beachsoccer-Meister-schaft. Deshalb nahmen auch Mann-schaften aus den anderen nord-deutschen Landesverbänden an die-sem Turnier teil. Martin Pfefferkornaus Hamburg und Sven Schlickmann(Niedersachsen) ergänzten alsSchiedsrichter das sechsköpfige

Team des Schleswig-HolsteinischenFußballverbandes, zu dem auch die beiden DFB-SchiedsrichterSebastian Chilcott und Malte Gerhardt gehörten.

Dass Schiedsrichter trotz der Tatsa-che, dass man zuvor erst seltenoder sogar überhaupt noch nichtmiteinander auf dem Feld bzw. imSand gestanden hat, bei einer gutenvorherigen Absprache dennoch rei-bungslos bei der Spielleitung har-monieren können, haben die Unpar-teiischen bei diesem Turnier ein-drucksvoll unter Beweis gestellt. Inden insgesamt 24 achtzehnminüti-gen Partien auf zwei Spielfelderngab es trotz des sportlichen Ehrgei-

zes und einiger intensiver Begeg-nungen kaum Beschwerden seitensder Teilnehmer, was vor allem ander einheitlichen Linie der beimBeachsoccer gar nicht so einfachenRegelauslegung lag. Somit konntenauch die Schiedsrichter am Endedes knapp siebenstündigen Turnier-tags mit ihrer Leistung zufriedensein.

Diese gelungene Zusammenarbeitmöchten die beteiligten norddeut-schen Verbände auch im nächstenSommer fortsetzen, indem mandann den Schiedsrichter-Austauschbei den verschiedenen Beachsoccer-Turnieren auf Landesebene weiterintensiviert.

Fabian Thiesen

Das Schiedsrichter-Team beim Beachsoccer-Finale in Damp (hinten von links): Marc Werner, Torben Twinger, Malte Gerhardt, Sebastian Chilcott und Olaf Sulimma; (vorne von links): Martin Pfefferkorn, Sven Schlickmann und Dajinder Pabla.

Förderkader im Saarland

Auf Einladung des SaarländischenFußballverbandes (SFV) besuchtenSchiedsrichter der Fördergruppedes Landesfußballverbandes Meck-lenburg-Vorpommern das Saarland.Angeführt wurde die Gruppe vonLehrwart Enrico Barsch sowie Regionalliga-Schiedsrichter FlorianLechner.

Der Lehrgang stand vorrangig imZeichen des Kennenlernens und derWeiterentwicklung der jungenSchiedsrichter. Neben dem Besuchder Zweitliga-Begegnung zwischendem 1. FC Kaiserslautern und dem SC Freiburg standen sowohl tägli-ches Training als auch theoretische

Einheiten auf dem Programm, indenen die talentierten Unpartei-ischen zu ausgewählten ThemenReferate vorbereiten sollten.

Schließlich wurden die Gäste ausMecklenburg-Vorpommern auch inden Spielbetrieb des SaarländischenFußballverbandes eingebunden undleiteten Begegnungen der Saarland-liga. Im Anschluss wurden die Spielein der Gruppe ausgewertet und Hin-weise für künftige Spielleitungengegeben.

Am Ende des Lehrgangs zeigten sichsowohl die Mecklenburger Delega-tion als auch die saarländischenGastgeber überaus zufrieden mitdem Austausch, der im nächstenJahr fortgesetzt werden soll.

Florian LechnerAlexander Stolz

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SpielplanImpressum

Vorschau 1/2016

Erstmals kommen in diesem Jahr neben den Obleuten und Lehrwarten auch die Öffentlichkeits-Mitarbeiter aus den Verbänden zu einer gemeinsamen Tagung in Frankfurt am Main zusammen.Gemeinsam bespricht man mit der Schiedsrichter-Kommission Amateure um Helmut Geyer dieaktuellen Entwicklungen an der Basis. Bernd Peters fasst die Ergebnisse zusammen.

Wenn Nachwuchs-Schiedsrichter beim DFB-Länderpokal zum Einsatz kommen, ist dies einebesonders intensive Form der Nachwuchs-Förderung: Nach den täglichen Spielleitungen gibt eseine umfangreiche Analyse durch erfahrene Coaches gleich hinterher. Bianca Riedl berichtetdarüber, wie das Team der Schiedsrichter in Duisburg arbeitet.

Ein Spiel dauert 90 Minuten, bei Pokalspielen kannes eine Verlängerung geben, und die Nachspielzeitist allein Sache des Schiedsrichters – das sind nurdrei Beispiele, bei denen der Faktor Zeit für denSchiedsrichter eine Rolle spielt. Günther Thielkingstellt den aktuellen DFB-Lehrbrief Nr. 64 vor, dereben diesen Faktor Zeit zum Thema hat.

Titelthema

Schiedsrichterbeim Länderpokal

Die Ausgabe erscheint am 15. Dezember 2015.

Lehrwesen

Der Lehrbrief undder Faktor Zeit

bequem per E-Mail:[email protected]

ABO

Tagung

Treffen der Obleute,Lehrwarte und „Ömis“

Herausgeber:Deutscher Fußball-Bund, Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt/Main,Telefon 0 69/6788-0,www.dfb.de

Verantwortlich für den Inhalt:Ralf Köttker

Koordination:David Bittner, Thomas Dohren

Mitarbeiter dieser Ausgabe:Tobias Altehenger, Lutz Michael Fröhlich, Florian Götte, David Hennig, Martin Moers, Günther Thielking, Lutz Wagner

Lektorat:Klaus Koltzenburg

Konzeptionelle Beratung:Lutz Lüttig

Bildnachweis:David Bittner, firo, fishing4, Amac Garbe, Getty Images, Udo Gottschalk, David Hennig, imago, Carsten Kobow, Tobias Ritz

Gestaltung, Satz und Druck:AWD Druck + Verlag GmbH,Otto-Brenner-Straße 7, 52477 Alsdorf,Telefon 0 24 04/2 2071, Fax 0 24 04/8 18 22, E-Mail: [email protected]

Anzeigenverwaltung: AWD Druck + Verlag GmbH, Manfred Kuper

Erscheinungsweise:Zweimonatlich. Jahresabonnementspreis 15,– Euro. Lieferung ins Ausland oder per Streifband aufAnfrage. Abonnements-Kündigungen sind sechsWochen vor Ablauf des berechneten Zeitraumsdem Abonnements-Vertrieb bekannt zu geben.

Zuschriften, soweit sie die Redaktion betreffen,sind an den Deutschen Fußball-Bund,Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt/Main,[email protected], zu richten.

Vertrieb:AWD Druck + Verlag GmbH, Otto-Brenner-Straße 7, 52477 Alsdorf,Telefon 0 24 04/2 2071, Fax 0 24 04/8 18 22, E-Mail: [email protected]

Nachdruck oder anderweitige Verwendung derTexte und Bilder – auch auszugsweise und inelektronischen Systemen – nur mit schriftlicherGenehmigung und Urhebervermerk.

Die DFB-Schiedsrichter-Zeitung wird auf PEFC-zertifiziertem Papier gedruckt.

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Leistung, die Respekt verdient.Schiedsrichterin zu sein, ist ein harter Job. Und doch bringen über 70.000 Frauen und Männer Woche für Woche Fairplay ins Spiel – mit Neutralität, Sachverstand und einer großen Portion Leidenschaft. Genau wie DEKRA: Seit 90 Jahren sorgen wir dafür, dass auch abseits des Rasens alles im grünen Bereich ist. www.dekra.de

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