Offener Brief zum Internationalen Frauentag 8. März

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1 Offener Brief an Bürgermeister Dipl. Ing. Wolfgang Rümmele und den Leiter der Abteilung Personal und Personalentwicklung Dr. Hanno Ledermüllner zum Internationalen Frauentag 2010 Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rümmele, sehr geehrter Herr Dr. Ledermüllner, wir nehmen den Internationalen Frauentag zum Anlass, Sie erneut auf unsere bestens bekannten Forderungen hinzuweisen. Symbolisch dafür, dass es in Dornbirn bisher nur einer Frau gelungen ist, auf einem Leitungsstuhl zu sitzen, während alle anderen 33 von Männern besetzt sind, haben wir Ihnen einen übergroßen Leitungsstuhl mitgebracht. Die Plexiglasscheibe soll Sie symbolisch daran erinnern, dass es im Dornbirner Rathaus für Frauen eine „gläserne Decke“ gibt, die 33 Männer in ihren Leitungspositionen schützt. Wir fordern Sie auf, ein förderndes Umfeld und Klima zu schaffen, in dem es sich Frauen vorstellen können, sich für Leitungsposten zu bewerben. Denn wer qualifizierte Frauen als künftige Abteilungsleiterinnen im Amt haben will, muss sich rechtzeitig darum kümmern. Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rümmele, setzen Sie das um, was Sie im ORF-Interview gesagt haben, machen Sie Sachpolitik: aber bitte für Frauen und Männer gleichermaßen. Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rümmele, sehr geehrter Herr Dr. Ledermüllner, Eltern versichern glaubhaft, dass die Unterbringung ihrer Kinder immer wieder, für jedes Kind einzeln, nachgefragt werden muss, d. h. die Eltern haben wenig bis keine Wahlmöglichkeiten. Im Gegenteil, sie müssen „dankbar“ das erfragte Ergebnis annehmen. Das muss sich ändern, denn Kinderbetreuung ist kein Gnadenakt! Auf der Homepage der Stadt Dornbirn ist zu lesen: „Mo - Fr: 07.30 - 17.30 Uhr durchgehend mit Mittagstisch Besonderheit: ganzjährige Betreuung (auch während den Ferien)“ Tägliche, von 7.00 – 18.30 Uhr, und ganzjährige Betreuung von Kindern von 3 – 6 Jahren, auch während der insgesamt 14 Wochen Ferien, muss Standard werden und darf keine Besonderheit einer einzigen Betreuungseinrichtung sein.

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Offener Brief an Bürgermeister Dipl. Ing. Wolfgang Rümmele und den Leiter der Abteilung Personal und Personalentwicklung Dr. Hanno Ledermüllner

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Offener Brief an Bürgermeister Dipl. Ing. Wolfgang Rümmele und den Leiter der Abteilung Personal und Personalentwicklung Dr. Hanno Ledermüllner zum Internationalen Frauentag 2010

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rümmele, sehr geehrter Herr Dr. Ledermüllner, wir nehmen den Internationalen Frauentag zum Anlass, Sie erneut auf unsere bestens bekannten Forderungen hinzuweisen. Symbolisch dafür, dass es in Dornbirn bisher nur einer Frau gelungen ist, auf einem Leitungsstuhl zu sitzen, während alle anderen 33 von Männern besetzt sind, haben wir Ihnen einen übergroßen Leitungsstuhl mitgebracht. Die Plexiglasscheibe soll Sie symbolisch daran erinnern, dass es im Dornbirner Rathaus für Frauen eine „gläserne Decke“ gibt, die 33 Männer in ihren Leitungspositionen schützt. Wir fordern Sie auf, ein förderndes Umfeld und Klima zu schaffen, in dem es sich Frauen vorstellen können, sich für Leitungsposten zu bewerben. Denn wer qualifizierte Frauen als künftige Abteilungsleiterinnen im Amt haben will, muss sich rechtzeitig darum kümmern. Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rümmele, setzen Sie das um, was Sie im ORF-Interview gesagt haben, machen Sie Sachpolitik: aber bitte für Frauen und Männer gleichermaßen. Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rümmele, sehr geehrter Herr Dr. Ledermüllner, Eltern versichern glaubhaft, dass die Unterbringung ihrer Kinder immer wieder, für jedes Kind einzeln, nachgefragt werden muss, d. h. die Eltern haben wenig bis keine Wahlmöglichkeiten. Im Gegenteil, sie müssen „dankbar“ das erfragte Ergebnis annehmen. Das muss sich ändern, denn Kinderbetreuung ist kein Gnadenakt! Auf der Homepage der Stadt Dornbirn ist zu lesen: „Mo - Fr: 07.30 - 17.30 Uhr durchgehend mit Mittagstisch Besonderheit: ganzjährige Betreuung (auch während den Ferien)“ Tägliche, von 7.00 – 18.30 Uhr, und ganzjährige Betreuung von Kindern von 3 – 6 Jahren, auch während der insgesamt 14 Wochen Ferien, muss Standard werden und darf keine Besonderheit einer einzigen Betreuungseinrichtung sein.

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Wir fordern Sie daher auf, personell und finanziell dafür zu sorgen, dass ausreichend Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden. Kinderbetreuung ist kein Gnadenakt. Die Stadt Dornbirn sollte lernen, sich den Eltern und Kindern gegenüber als Dienstleisterin zu verstehen. Junge Frauen und Männer müssen wählen können, wie sie ihr Leben mit Kindern und Beruf gestalten wollen. Dazu gehört, dass Eltern größtmögliche Planungssicherheit bei der Organisation ihres Beruf- und Familienalltags vertrauen können und nicht abhängig sind vom wechselnden Bedarf anderer Eltern. Wer präventiv arbeiten will, muss sich so früh als möglich, nicht erst mit 4 - 5 Jahren, um das Wohl aller Kinder kümmern. Und das in sehr guten Betreuungs- und vor allem Fördereinrichtungen, da leider nicht alle Kinder in ihren Ursprungsfamilien ausreichend betreut und gefördert werden. Wer umgekehrt keine Chancengleichheit für alle Kinder haben will und Frauen mit kleinen Kindern nicht in der Erwerbsarbeit haben will, baut keine ausreichenden Betreuungseinrichtungen – schon gar keine kostenlosen. Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rümmele, einen Tag (!) vor der Mai-Stadtvertretungssitzung 2009 hat Martin Konzet nebenbei erwähnt, dass wir Grüne zum Tagesordnungspunkt 12 – „Neubestellung Sparkassenrat der Dornbirner Sparkasse“ die „Entsendung einer grünen Frau in den ausschließlich männlichen Aufsichtsrat der Dornbirner Sparkasse AG vorschlagen werden“. Daraufhin haben Sie innerhalb weniger Stunden ultraschnell gleich zwei qualifizierte Frauen als Neo-Sparkassenrätinnen (Wagner und Kaufmann) „gefunden“ und gegen die bereits dafür vorgesehenen Männer ausgetauscht. Daraus folgt der logische Schluss: Wer Frauen finden will, findet sie auch. Wir fordern Sie auf, bei künftigen Besetzungen den Umweg über Männervorschläge zu unterlassen und gleich nach Frauen zu suchen, bis mindestens ein Verhältnis von 4 Frauen zu 6 Männern erreicht ist.

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Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rümmele, die ignorante Grundhaltung der Stadt Dornbirn in Gender- und Frauenpolitik muss sich ändern. Das lässt sich gut am Beispiel der Vergabe von Straßennamen zeigen: • Wider besseres Wissen wird seit Jahren in Dornbirn versucht, neue Straßen nur nach

„großen Söhnen“ zu benennen, der letzte Versuch wurde vor drei Monaten gestartet. Der Platz bei der alten Postgarage sollte in der Dezembersitzung Franz Negrelli Platz benannt werden.

• Zwei Tage vor der Stadtvertretungssitzung übergab Edith Bösch Ihnen eine Liste mit

gut recherchierten Gegenvorschlägen. Denn

1. gibt es bereits eine Negrellistraße (benannt nach seinem Bruder), 2. liegen die näheren Umstände seines Wirkens im Dunkeln und

3. hat Dornbirn 74 (!) Männerstraßennamen und ganze zwei Frauenstraßennamen

aufzuweisen. • Bei der folgenden Stadtvertretungssitzung wurde der Platz neutral „Hintere

Achmühlerstraße 1“ benannt. • Bleibt zu hoffen, dass Ihre Anmerkung, „dass Frauen, die für Straßennamen in

Dornbirn in Frage kommen, in Dornbirn geboren sein müssen“ – auch für Männer gilt. Fest steht, dass nur 17 der 74 bestehenden Männer von Dornbirns Straßennamen in Dornbirn geboren sind. Ein Detail am Rande: beide Negrellibrüder wurden im Trentino geboren.

Wir fordern Sie auf dafür zu sorgen, dass Straßennamen künftig im Verhältnis 3 Frauen : 1 Mann vergeben werden, damit auch große Töchter der Stadt oder des Landes endlich öffentlich gewürdigt werden. Und wir erwarten selbstverständlich, dass für die Vergabe von Frauenstraßennamen keine Extrahürden eingebaut werden, die den Männern bisher erspart geblieben sind.

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Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rümmele, ein weiteres Beispiel für die ignorante und unprofessionelle Grundhaltung der Stadt Dornbirn in Genderfragen ist der Umgang der Stadt mit Sprache und Bildern: Ungeachtet mehrerer Verordnungen

• wird eine geschlechtergerechtere Sprache in Texten der Stadt Dornbirn meist nur für die Begrüßung verwendet und

• werden Bilder unbedarft in Szene gesetzt, wie das folgende Beispiel zeigt:

Wann soll denn die Gesellschaft damit beginnen,

• Mädchen für technische Berufe zu begeistern • Buben für Kindergartenpädagogen oder Volksschullehrer und • beide, besonders aber Buben, Verzicht auf Gewalt zu lehren

wenn nicht in der Kinderbetreuung und/oder im Kindergarten? Wir fordern Bürgermeister Rümmele und Dr. Ledermüllner auf, endlich im Rathaus für ausreichend qualitative Fort- und Weiterbildung in Genderfragen zu sorgen.

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Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rümmele, ein letztes, jedoch sehr bezeichnendes Beispiel für Ihre Grundhaltung gegenüber einer gerechteren Sachpolitik für Frauen zeigt sich in der Weigerung, den Artikel 13(3) des Bundesverfassungsgesetzes zum Thema Genderbudgeting umzusetzen, der da lautet: „Bund, Länder und Gemeinden haben bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben.“ Diese Rechtslage besteht bereits seit dem 1. 1. 2009.

Wir fordern Sie, Herr Bürgermeister Rümmele, dringend auf, den Artikel 13(3) des Bundesverfassungsgesetzes umzusetzen. Mit freundlichen Grüßen Die Dornbirner grünen Frauen und Männer Dornbirn, 8. 3. 2010