Operative Therapie der peripelvinen Morel-Lavallée-Läsion; Operative treatment of the peripelvic...

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1 Oper Orthop Traumatol 2011 © Urban & Vogel Operative Therapie der peripelvinen Morel-Lavallée-Läsion Daniel Köhler, Tim Pohlemann 1 Zeichner: Jörg Kühn, Heidelberg Operative Orthopädie und Traumatologie Zusammenfassung Operationsziel Hämatomausräumung, Blutstillung, Verkleinerung des Totraumes durch Vakuumsysteme und Minimierung des Risikos sekundärer Komplikationen wie Vollhautnekrosen und tiefer Infekte, sekundärer Wundverschluss. Indikationen Morel-Lavallée-Läsion (MLL). Jedes größere epifasziale Hämatoserom. Kontraindikationen Keine. Operationstechnik Zentrale Inzision im betroffenen Gebiet, Bestimmung der subkutanen Ausdehnung des Hämatoms, Hautschnitt über die gesamte Länge der Läsion, Blutstillung, Débride- ment, Einlage von Vakuumschwämmen, sekundärer Wundverschluss bei guter Granulation und sauberen Wundverhältnissen, ggf. plastische Deckung mit Spalt- haut. Weiterbehandlung Die Vakuumtherapie ist so lange fortzuführen, bis die För- dermenge der Pumpe weniger als 30 ml/24 h erreicht. Vor sekundärem Wundverschluss ist Keimfreiheit sicherzu- stellen. Im weiteren Verlauf tägliche Verbandswechsel, ggf. Druckverbände. Engmaschige Laborkontrollen. Teilbe- lastung bis zur Wundkonsolidierung. Ergebnisse Die Vakuumbehandlung der MLL ist ein relativ neues Kon- zept. Es existieren noch keine größeren Fallzahlen. Acht Patienten unserer Klinik konnten retrospektiv ausgewer- tet werden, von denen fünf eine begleitende instabile Be- ckenverletzung hatten. Sowohl die Notfallstabilisierung als auch die Einleitung der Vakuumtherapie erfolgten in allen Fällen am Unfalltag. In drei Fällen wurde initial ein Keim nachgewiesen. Die Vakuumtherapie dauerte 8,5 Ta- ge (4–14). Der Wechsel der Verbände wurde nach 2,6 Tagen (1–4) vorgenommen. Sechs Patienten konnten sekundär verschlossen werden, zwei bedurften einer Spalthautde- ckung. Komplikationen wurden nicht beobachtet. Die Va- kuumtherapie erleichtert das Wundmanagement und hat einen positiven Einfluss auf die qualitative und quantita- tive Granulation. Bakterielle Kolonialisierungen werden reduziert. Schlüsselwörter Morel-Lavallée-Läsion · Operative Therapie von Beckenverletzungen · V.A.C.™-Therapie Oper Orthop Traumatol 2011 DOI 10.1007/s00064-010-9025-6 Online-first-Publikation: 10. Dezember 2010 1 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Universitätsklinikum des Saarlandes, Kirrbergerstr. 1, 66421 Hom- burg/Saar

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1Oper Orthop Traumatol 2011 © Urban & Vogel

Operative Therapie der peripelvinen Morel-Lavallée-LäsionDaniel Köhler, Tim Pohlemann1

Zeichner: Jörg Kühn, Heidelberg

Operative Orthopädie und Traumatologie

ZusammenfassungOperationsziel

Hämatomausräumung, Blutstillung, Verkleinerung des Totraumes durch Vakuumsysteme und Minimierung des Risikos sekundärer Komplikationen wie Vollhautnekrosen und tiefer Infekte, sekundärer Wundverschluss.

IndikationenMorel-Lavallée-Läsion (MLL).Jedes größere epifasziale Hämatoserom.

KontraindikationenKeine.

OperationstechnikZentrale Inzision im betroffenen Gebiet, Bestimmung der subkutanen Ausdehnung des Hämatoms, Hautschnitt über die gesamte Länge der Läsion, Blutstillung, Débride-ment, Einlage von Vakuumschwämmen, sekundärer Wundverschluss bei guter Granulation und sauberen Wundverhältnissen, ggf. plastische Deckung mit Spalt-haut.

WeiterbehandlungDie Vakuumtherapie ist so lange fortzuführen, bis die För-dermenge der Pumpe weniger als 30 ml/24 h erreicht. Vor

sekundärem Wundverschluss ist Keimfreiheit sicherzu-stellen. Im weiteren Verlauf tägliche Verbandswechsel, ggf. Druckverbände. Engmaschige Laborkontrollen. Teilbe-lastung bis zur Wundkonsolidierung.

ErgebnisseDie Vakuumbehandlung der MLL ist ein relativ neues Kon-zept. Es existieren noch keine größeren Fallzahlen. Acht Patienten unserer Klinik konnten retrospektiv ausgewer-tet werden, von denen fünf eine begleitende instabile Be-ckenverletzung hatten. Sowohl die Notfallstabilisierung als auch die Einleitung der Vakuumtherapie erfolgten in allen Fällen am Unfalltag. In drei Fällen wurde initial ein Keim nachgewiesen. Die Vakuumtherapie dauerte 8,5 Ta-ge (4–14). Der Wechsel der Verbände wurde nach 2,6 Tagen (1–4) vorgenommen. Sechs Patienten konnten sekundär verschlossen werden, zwei bedurften einer Spalthautde-ckung. Komplikationen wurden nicht beobachtet. Die Va-kuumtherapie erleichtert das Wundmanagement und hat einen positiven Einfluss auf die qualitative und quantita-tive Granulation. Bakterielle Kolonialisierungen werden reduziert.

SchlüsselwörterMorel-Lavallée-Läsion · Operative Therapie von Beckenverletzungen · V.A.C.™-Therapie

Oper Orthop Traumatol 2011

DOI 10.1007/s00064-010-9025-6

Online-first-Publikation: 10. Dezember 2010

1 Klinik für Unfall-, Hand- und WiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum des Saarlandes, Kirrbergerstr. 1, 66421 Hom-burg/Saar

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VorbemerkungenDie Morel-Lavallée-Läsion (MLL) wurde nach ihrem Erstbeschreiber benannt, der die Verletzung 1863 als „Décollement traumatiques de la peau et des couches sous-jacents“, (traumatische Ablösung der Haut und darunterliegender Schichten) beschrieb [8].

Neben anderen Lokalisation an Rumpf, Gesäß und Oberschenkeln bezieht sich der Terminus MLL meist auf die peritrochantäre Region im Rahmen von schweren Verletzungen am Becken [7], z.B. durch Überrolltraumata (Pkw, Lkw etc.) oder Stürze aus groß-er Höhe oder bei hoher Geschwindigkeit (Fahrrad, Mo-torrad). Begleitende knöcherne Verletzungen des Be-ckens sind häufig aber nicht obligat.

Pathophysiologisch kommt es durch Druck- und Scherkräfte zu einer Separation des Unterhautfettge-webes von der Faszie und dem konsekutiven Abreißen von Lymph- und Blutgefäßen, die die Faszie perforie-ren. Der entstandene Hohlraum füllt sich rasch mit Flüssigkeit und lässt sich palpatorisch als Fluktuation oder Hypermobilität der Haut erkennen. Auch Hypäs-

thesien können ein Hinweis auf die MLL sein. Haut-kontusionen oder direkte Hinweise wie Reifenabdrü-cke sind eher selten. In fast einem Drittel der Fälle wird die MLL nicht sofort diagnostiziert [4].

Die Folgen einer verzögerten Diagnose können zum einen Vollhautnekrosen sein, die durch direkten Druck oder durch Gefäßlazerationen und konsekutive Ischä-mie bedingt sind, zum anderen können – trotz geschlos-senem Hautmantel – sekundäre Infektionen der Wund-höhle entstehen [3, 5].

Um katastrophale Komplikationen zu vermeiden, sollten daher auch begleitende Beckenringverletzungen analog zu offenen Frakturen behandelt werden. Die ho-hen Mortalitätsraten bei diesen Verletzungsmustern sind zum einen durch das Verbluten des Patienten in der Anfangsphase, zum anderen durch septische Kom-plikationen im Verlauf bedingt [2]. Neben der initialen externen Stabilisierung, z.B. mit einer Beckenzwinge oder einem ventralen Fixateur externe, sollte die The-rapie der Weichteile im Vordergrund stehen.

AbstractObjective

Evacuation of haematoma, haemostasis, reduction of dead space by vacuum systems for minimisation of secondary complications as full skin necrosis and deep infections, sec-ondary wound closure.

IndicationsMorel-Lavallée lesion (MLL).All larger epifascial haematomas.

ContraindicationsNone.

Surgical TechniqueCentral longitudinal incision, detection of the subcutanous extent of the haematoma, transection of the full length of the lesion, haemostasis, debridement, application of vacu-um systems, secondary wound closure or splitskin coverage.

Postoperative ManagementVacuum therapy must be continued until secretions are less than 30 ml/24 h. Negative bacterial culture before wound closure is imperative. Daily change of wound dressings, fre-

quent controls of inflammation parameters. Weight bear-ing until consolidation of soft tissue.

ResultsOperative treatment of the MLL with vacuum systems is a relatively new concept and results on larger collectives have not been published yet. Eight patients in our hospital un-derwent vacuum therapy after sustaining a MLL, five of them with concomitant instability of the pelvic ring. Emer-gency stabilisation and initiation of vacuum therapy were performed on day of admission. Three patients had initially positive bacterial colonialisation. Duration of vacuum ther-apy was 8,5 days (4–14). Dressings were changed every 2,6 days (1–4). Six wounds could be closed secondarily, two needed split skin coverage. Complications were not ob-served. Vacuum therapy facilitates wound management and helps to reduce bacterial colonialisation. It has also been proved to have a beneficial effect on qualitative and quantitative granulation.

Key WordsMorel-Lavallée lesion · Operative treatment of pelvic ring injuries · V.A.C.™ therapy

Operative treatment of the peripelvic Morel-Lavallée lesion

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Vorteile• Im Vergleich zur perkutanen Drainierung lässt die

offene Wundbehandlung eine präzise Wundbeurtei-lung zu. Zusammen mit der Vakuumtherapie be-schleunigt sie die Heilung und reduziert das Infekti-onsrisiko [3].

• Pathophysiologisch bewirkt die Reduktion des Dru-ckes von innen durch die Entlastung des Hämatoms eine Erhöhung des Perfusionsdruckes der verbliebe-nen subkutanen Gefäße, so dass die Gefahr sekun-därer Hautnekrosen vermindert wird.

• Die V.A.C.™-Therapie erleichtert das Wundma-nagement, scheint einen positiven Einfluss auf die qualitative und quantitative Granulation und die Mi-krozirkulation zu haben und reduziert bakterielle Kolonialisierungen [1, 9, 10].

Nachteile• Ausgedehnte Schnittführungen können im Hinblick

auf weitere Operationen wie z.B. Osteosynthese des Acetabulums oder Hüftendoprothese bei unsachge-mäßer Planung den Zugang erschweren.

• Durch Narbenkontrakturen können nachhaltig funk-tionelle Beeinträchtigungen entstehen.

Indikationen• Größere subkutane und epifasziale Flüssigkeitsmen-

gen. Richtwerte kritischer Volumina können auf-grund großer interindividueller Differenzen und kleiner Fallzahlen nicht genannt werden.

• Kleinere epifasziale Wundhöhlen können klinisch in-apparent bleiben und bedürfen in der Regel keiner operativen Entlastung.

Kontraindikationen• Keine.

Patientenaufklärung• Allgemeine chirurgische Risiken.• Wundheilungsstörungen, Infektionen.

• Oft mehrere Operationen notwendig.• Nachblutungen, Hämatom.• Transfusion von Blutderivaten und damit verbunde-

nen Komplikationen.• Bleibende Gefühlsstörungen.• Erhöhtes Infektionsrisiko bei zusätzlichen Osteosyn-

thesen.• Notwendigkeit einer plastischen Deckung, unschöne

ästhetische Ergebnisse.

Operationsvorbereitungen• Klinische Untersuchung: Inspektion, Palpation.• Standard-Röntgenaufnahme des Beckens.• Sonografie.• Ggf. perkutane Drainierung.• Eine Computertomographie des Beckens ist hin-

sichtlich der genauen Lokalisation und des Ausdeh-nung der MLL anzuraten.

• Exakte Planung der Schnittführung bei begleitenden Becken- oder Acetabulumfrakturen.

• Präoperativer Beginn einer Antibiotikaprophylaxe (z.B. Cefuroxim).

Instrumentarium• Grundsieb.• Jet-Lavage.• V.A.C.™-System mit Vakuumpumpe.

Anästhesie und Lagerung• Intubationsnarkose.• Seitenlagerung ohne frei bewegliches Bein bei iso-

lierter MLL.• Seitenlagerung mit frei beweglichem Bein bei beglei-

tender Acetabulum- oder Hüftfraktur.• Rückenlagerung wird insbesondere bei polytrauma-

tisierten Patienten bevorzugt. • Bauchlagerung bei isolierter glutealer oder lumbaler

MLL.• Seitenlagerung: Das betroffene Bein muss nicht frei

beweglich abgedeckt werden. Die Abdeckung sollte

Operationsprinzip und -zielUnmittelbar nach der Diagnosestellung chirurgische Therapie mit Eröffnung der Seromhöhle, Blutstillung und Vakuumtherapie. Berücksichtigung später not-wendiger Zugänge bei der Schnittführung.Nach Ausräumen des Hämatoms, einer Nekrektomie, ausgiebiger Spülung (+ pulsatiler Lavage) und Bluttro-

ckenheit wird die Wunde mit einem Vakuumsystem (z.B. V.A.C.™) verschlossen, das nach 48–72 h gewech-selt wird. Bei sterilen, granulierenden Wundverhält-nissen Verschluss mit großlumigen Drainagen. Ver-bleibende Defekte müssen unter Umständen plas-tisch, z.B. mit Spalthaut, gedeckt werden.

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Operationstechnik

Abbildungen 2 bis 11

Die Operationstechnik wird am Beispiel einer Morel-Lavallée-Verletzung in der peritrochantären Region darstellt.

jedoch sehr großzügig erfolgen, da die Schnittfüh-rung u.U. erheblich größer ausfällt als präoperativ geplant wurde. In Notfallsituationen kann die Ope-ration auch in Rückenlage durchgeführt werden. Nach distal muss die Abdeckung eine mögliche Kom-partmentspaltung am Oberschenkel ermöglichen (Abbildung 1).

Abbildung 1Seitenlagerung.

Abbildung 2Die kutanen Manifestationen sind vielfältig. Häufig zeigt sich die Haut zentral ischämisch, und an den Rändern finden sich Ein-blutungen.

Abbildung 3 Zentrale Inzision von 3–4 cm im Verlauf der o.g. Kennlinien.

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Abbildung 4 Entlastung des Hämatoms. Mit dem Sauger oder einer großen Klemme werden die subkutanen Ausmaße der Läsion identifi-ziert. Entnahme eines Abstriches oder einer Gewebeprobe zur mikrobiologischen Untersuchung.

Abbildung 5 Scharfes Durchtrennen der Kutis und Subkutis auf voller Länge der Läsion.

Abbildung 6 Einsetzen eines Wundspreizers. Ausgiebige Spülung, z.B. mit Ringer-Lösung, ggf. unter Verwendung einer pulsatilen Lavage (Jet-Lavage), Kürettage mit scharfem Löffel und bipolare Blut-stillung.

Abbildung 7Zurechtschneiden eines oder mehrerer grobporiger schwarzer Vakuumschwämme, um ein frühzeitiges Verstopfen des Vaku-umsystems zu vermeiden (z.B. V.A.C.® GranuFoam® Dressing). Die Größe der Wundhöhle ist dabei vollständig auszufüllen, ohne die Wundhöhle dabei zu stark zu dehnen (keine Tampo-nade).

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Abbildung 8 Beim Wundverschluss werden Klammernähte zur Befestigung des Vakuumschwammes verwendet. Dabei ist unbedingt auf eine spannungsfreie Adaptation zu achten.

Abbildung 9 Überkleben des OP-Feldes mit einer wasser- und gasdichten Fo-lie. Die Folie wird über dem Vakuumschwamm ca. 2 × 2 cm eröff-net und eine Saugvorrichtung (T.R.A.C.™) darüber geklebt. Her-stellen eines intermittierenden Unterdruckes von 100 mmHg durch Verbinden mit einer entsprechenden Vakuumpumpe. (4’ Sog – 1’ Entlastung). Ggf. muss der Druck in Abhängigkeit von der Fördermenge postoperativ angepasst werden. Die Schritte 6–9 sind so lange alle 48–72 h zu wiederholen, bis sich die Se-kretion <30 ml/24 h reduziert hat und sich kein Keimnachweis ergeben hat.

Abbildung 10 Bei sauberem Wundaspekt und guter Granulation Entfernung des Vakuumverbandes und Einlage zweier großlumiger Drai-nagen (14–16 Ch), die nach proximal ausgeleitet werden. Die Drainagen werden entfernt, wenn die Sekretion <30 ml/24 h beträgt. Bei persistierender Sekretion >4 d erneute Wundrevisi-on.

Abbildung 11 Subkutannähte bei spannungsfreien Wundverhältnissen und Hautklammernaht.

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Bei instabilen Beckenringfrakturen sollte vor der Ope-ration der MLL eine externe Stabilisierung des Beckens durch einen supraacetabulären Fixateur oder eine Be-ckenzwinge vorgenommen werden. Bei der Notwendig-keit einer lebensrettenden Notfallstabilisierung des Be-ckens muss die MLL ggf. offen behandelt werden. So-bald der Zustand des Patienten es erlaubt, erfolgt die Beckenosteosynthese bevorzugt als Zugschraubenos-teosynthese. Ein stabiler Beckenring und spannungs-freie Weichteile gelten als „bester Schutz“ vor sekun-dären Infektionen.

Ein Beckengürtel oder andere externe weichteilkom-primierende Stabilisierungen sind bei Vorliegen einer MLL in Verbindung mit Beckenringverletzungen obso-let, da hierdurch die Weichteilperfusion zusätzlich kom-promittiert würde. Die definitive Osteosynthese von Beckenring- oder Acetabulumfrakturen sollte so bald wie möglich vorgenommen werden.

Postoperative Behandlung• Operative, geplante Wechsel der Vakuumschwäm-

me nach 48–72 h. • Einengen der Wundhöhle, z.B. durch Naht des Sub-

kutangewebes gegen die Faszie.• Beenden der Vakuumtherapie bei Keimfreiheit,

guter Granulation und rückläufiger Sekretionsmen-ge: Wundverschluss und Einlage großlumiger Drai-nagen. In der Regel sind drei bis vier Revisionen nö-tig.

• Bilanzierung der Sekretionsmenge aus den Draina-gen. Die Drainagen sollten erst gezogen werden,

wenn die Fördermenge <30 ml/24 h beträgt und die Entzündungswerte rückläufig sind. Bei zu großer Se-kretion erneute Wundrevision und erneute Vakuum-therapie. Serum- und Blutverluste sollten ausgegli-chen werden.

• In der unmittelbaren postoperativen Phase wird bei mobilen Patienten Bettruhe verordnet, um ein Ver-kleben der Wundflächen zu unterstützen. Bei rück-läufiger Sekretion Mobilisation des Patienten mit Teilbelastung der betroffenen Extremität. Übergang zur Vollbelastung erst nach Wundkonsolidierung.

• Größere Hautdefekte müssen gegebenenfalls durch Spalthauttransplantate gedeckt werden.

Fehler, Gefahren und Komplikationen• Sekundäre bakterielle Besiedlung der Wundhöhle

insbesondere bei polytraumatisierten Patienten mit abgeschwächter Immunantwort: Antibiotika-Pro-phylaxe, bei Keimnachweis resistenzgerechte Be-handlung und Verschluss der Wunde.

• Persistierende Sekretion durch einen Mangel an Ge-rinnungsfaktoren: Substitution.

ErgebnisseIm Verlauf der letzten 4 Jahre wurden bei uns zehn Pa-tienten mit peripelviner MLL behandelt und am Unfall-tag operiert. Bei acht Patienten wurde eine V.A.C.™-Therapie eingeleitet, bei zwei Patienten wurde das Dé-collement nach Débridement und Drainageneinlage primär verschlossen. Von den acht Patienten hatten fünf eine begleitende instabile Beckenverletzung, zwei-mal komplex mit Rektumaushülsverletzung und/oder

Besonderheiten

Abbildung 12 Bei zu großem Restde-fekt können die Wun-dränder durch adaptie-rende Nähte auf die Faszie „herunterge-näht“ werden.

Abbildung 13Deckung des Rest-defektes mit Spalthaut.

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Harnröhrenabriss. Alle Patienten erhielten präoperativ eine Antibiotikaprophylaxe, die nach dem Abstricher-gebnis resistenzgerecht umgestellt wurde. Ein positiver initialer Abstrich zeigte sich in drei von acht Fällen. Das Becken stabilisierten wir zweimal notfallmäßig mit ei-ner Beckenzwinge und dreimal mit einem supraaceta-bulären Fixateur externe. Die Vakuumtherapie dauerte durchschnittlich 8,5 d (4–14 d), wobei die Verbände nach 2,6 d gewechselt wurden (1–4 d). Die Beckenfrak-tur konnte nach 4,8 d (3–7 d) endgültig stabilisiert wer-den. In keinem Fall lag eine Verbindung zwischen der MLL und den Osteosynthesezugängen vor. Bei sechs Patienten konnte bei negativem Abstrichergebnis die Haut sekundär verschlossen werden, in zwei Fällen war eine Spalthautdeckung erforderlich. Tiefe Infekte mit knöcherner Beteiligung mussten in keinem Fall festge-stellt werden. Während die Verwendung von Vakuum-verbänden bei Verletzungen der Extremitäten ein stan-dardisiertes Verfahren ist, ist die Anwendung nach Weichteilverletzungen am Rumpf und speziell am Be-cken ein relativ neues Konzept [6]. Steiner et al. [11] konnten in ihrer Studie zur Behandlung der MLL am Becken 20 Patienten einschließen. Von diesem Kollek-tiv wurde ein Patient konservativ behandelt und die Lä-sion heilte komplikationslos aus. Von den operativ be-handelten Patienten wurde in vier Fällen eine Vakuum-therapie nach durchschnittlich 4,25 Tagen (1–9) begonnen. Die Therapiedauer betrug im Schnitt 12,5 Tage, wobei die Wechsel nach 2,72 Tagen (1–4) durch-geführt wurden. In drei Fällen konnte die Wunde pri-mär verschlossen werden, in einem Fall war eine Spalt-hautdeckung erforderlich.

Literatur1. Argenta LC, Morykwas M. Vacuum-assisted closure: a new method

for wound control and treatment: clinical experience. Ann plast Surg 1997;38:563–76, discussion 577.

2. Giannoudis PV, Pape HC. Damage control orthopaedics in unstable pel-vic ring injuries. Injury 2004;35:671–7.

3. Hak DJ, Olson SA, Matta JM. Diagnosis and management of closed inter-nal degloving injuries associated with pelvic and acetabular fractures: the Morel-Lavallée lesion. J Trauma 1997;42:1046–51.

4. Hudson DA, Knottenbelt JD, Krige JE. Closed degloving injuries: results following conservative surgery. Plast Reconstr Surg 1992;89:853–5.

5. Kellam J, McMurtry R, Paley D. The unstable pelvic fracture. Orthop Clin N Am 1987;18:25–41.

6. Labler L, Trentz O. The use of vacuum assisted closure (VAC) in soft tis-sue injuries after high energy pelvic trauma. Langenbecks Arch Surg 2007;392:601–9.

7. Letournel E, Judet R., edited by Elson RA. Fractures of the acetabulum. 2nd ed. Berlin – Heidelberg – New York: Springer-Verlag 1993;363–97.

8. Morel-Lavallée V.A.F. Décollement de la peau et des couches sous-ja-cents. Archives generales de medicine, 1863.

9. Morykwas MJ, Argenta LC, Shelton-Brown EI. Vacuum-assisted closure: a new method for wound control and treatment: animal studies and basic foundation. Ann Plast Surg 1997;38:553–62.

10. Mullner T, Mrkonjic L, Kwasny O. The use of negative pressure to pro-mote the healing of tissue defects: a clinical trial using vacuum sealing technique. Br J Plast Surg 1997;50:194–9.

11. Steiner CL, Trentz O, Labler L. Management of Morel-Lavallée lesion with pelvic and/or acetabular fractures. Eur J Trauma 2008;34:708–11.

KorrespondenzanschriftDaniel KöhlerKlinik für Unfall-, Hand und WiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum des SaarlandesKirrbergerstr. 166421 Homburg/SaarTelefon (+49/6841) 1631-502, Fax -503E-Mail: [email protected]