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OSTKURVE ‘15 Nr. 9 6. November 2015 Das Magazin aus dem Regine-Hildebrandt-Haus Neue deutsche Verantwortung Außen- und Sicherheitspolitik im Wandel

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Das Magazin aus dem Regine-Hildebrandt-Haus

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OSTKURVE ‘15Nr. 9 – 6. November 2015Das Magazin aus dem Regine-Hildebrandt-Haus

Neue deutsche Verantwortung

Außen- und Sicherheitspolitik im Wandel

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Inhalt

VERMISCHTES

AKTUELLES

WISSEN

TITEL

12 Entscheidungen im November In Oberkrämer und Hohen Neuendorf werden Bürgermeister gewählt

14 Ein Jahr „PEGIDA“ Wie die Populisten das politi-sche Klima vergiften

15 Interview mit Heiko Maas Der Bundesjustizminis-ter zu Hetze auf Facebook, Twitter und Co.

17 Brandenburger Köpfe Personalien aus der SPD

4 Deutschlands Rolle in der Welt Neue Krisen, neue Verantwortung

8 Interview mit Günter Verheugen Bewaffnete Kon-flikte, Europas Rolle und Hoffnung auf Frieden

13 Kassiererinnen und Kassierer: Aufgepasst! Am 31. Januar ist Kassenschluss

20 Rechtliche Tipps 3 Fragen und 3 Antworten zur Arbeit im Ortsverein

21 Neues Hilfe-Portal Sachen, Zeit oder Geld spenden ... so kommt es vor Ort an

10 Auf einen Kaffee mit ... Britta Stark

16 Neumitglied des Monats Alva Grünke aus dem Ortsverein Woltersdorf

18 Mein liebstes Stück Brandenburg Oberkrämers Mühlensee

22 Abpfiff. Die Kurven-Glosse

Gegen Hass im Internet Interview mit Heiko Maas

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Auf einen Kaffee mit der ersten Brandenburger

Landtagspräsidentin Britta Stark

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Online Hilfe koordinierenEin neues Angebot

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Liebe Leserinnen und Leser,

Verteilungskämpfe und das gewaltsame Ringen um Vorherrschaft haben in den vergangenen Jah-ren rund um den Erdball deutlich zugenommen. Die Auswirkungen spüren wir mittlerweile auch bei uns. In dieser Situation muss Deutschland mehr Verantwortung überneh-men. Innenpolitisch durch die geordnete Aufnahme von Kriegsflüchtlingen. Außenpolitisch durch dip-lomatische Initiativen und den gezielten Einsatz von Entwicklungshilfe in den Krisengebieten. Deutsch-land hat sich in den ver-gangenen Jahren und Jahr-

zehnten hohes Ansehen erworben. Dieses müssen wir jetzt in die Waagscha-le werfen, wenn es darum geht, Konflikte einzudäm-men und Fluchtursachen zu bekämpfen.

Eure

Klara Geywitz Generalsekretärin

Alle Brandenburger SPD-Mitglieder haben im Oktober einen Brief von unserer Generalsekretärin erhalten. Darin ruft Klara Geywitz dazu auf, unsere Freunde, Bekannte oder Nachbarn einzuladen, SPD-Mitglied zu werden. Als kleine Einstiegshilfe für die Gespräche lie-gen dem Brief jeweils fünf Postkarten bei. Übrigens: Die fleißigsten Werber werden im März 2016 zu ei-nem exklusiven Treffen mit unserem Pateivorsitzen-den Sigmar Gabriel ins Willy-Brandt-Haus eingeladen.

Hört, hört!

Politische Jahrestage

November 20151. November1990: Manfred Stolpe wird zum ersten Ministerpräsiden-ten Brandenburgs gewählt (Amtszeit bis 26. Juni 2002).

4. November1950: Europäische Konvention zum Schutz der Men-schenrechte und Grundfreiheiten in Rom unterzeichnet.

1995: Israels Ministerpräsident Yitzhak Rabin in Tel Aviv von einem Rechtsextremisten ermordet.

9. November1990: Erster gesamtdeutscher Bundesrat in Berlin konstituiert.

10. November2000: Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften für homosexuelle Paare vom Bundestag beschlossen.

13.-14. November1980: Erste Delegiertenversammlung der Sozialdemo-kratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bun-des-SGK).

15. November2005: Matthias Platzeck wird in Karlsruhe zum SPD-Vor-sitzenden gewählt (Rücktritt am 10. April 2006)

16.-17. November1890: Generalkommission der Gewerkschaften (Vorläu-fer des ADGB und DGB) in Berlin konstituiert.

16. November1995: Oskar Lafontaine nach Kampfkandidatur gegen Rudolf Scharping zum SPD-Vorsitzenden gewählt.

19. November1990: Vertrag zum Abbau konventioneller Streitkräfte in Euro-pa (KSE) zwischen NATO und Warschauer Pakt unterzeichnet.

27. November1950: Bundesrechnungshof errichtet.

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Als 1989/1990 der „Eiserne Vorhang“ in Europa fiel, waren sich fast alle Experten sicher: Jetzt beginnt eine neue Zeit des Friedens, der Stabilität und der Demokratisierung. Manche schrieben gar vom „Ende der Geschichte“. 25 Jahre später ist die Ernüchterung entspre-chend groß. Überall auf der Welt nimmt die Zahl der krie-gerischen Konflikte zu. Über 60 Millionen Menschen befin-den sich aktuell auf der Flucht. Wie konnte das passieren? Wie lässt sich diese Entwicklung stoppen? Und vor allem: Was kann und muss Deutschland in dieser Situation tun?

Die Lage auf der Welt ist schwie-rig. In immer mehr Ländern ist die Gewalt auf dem Vormarsch. Mit dem bewaffneten Konflikt in der Ukraine kam der Krieg zurück nach Europa. Im Irak, in Libyen, Jemen, dem Sudan, Kongo, Somalia, Nigeria und

anderswo kämpfen der soge-nannte Islamische Staat, Boko Haram und andere islamisti-sche Terrororganisationen um die Vorherrschaft. In Asien heizt sich der Konflikt um Einfluss-sphären zwischen China und Japan immer stärker auf. Hinzu kommt das Pulverfass Nord-korea. Für SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist die

Ballung von Krisen bei Weitem kein Zufall. Er sagt: „Da entlädt sich die Erosion von bestehen-der Ordnung, das Ringen um Einfluss, der Kampf um Geltung und Dominanz. Die Welt ist auf der Suche nach neuer Ordnung und sie entlädt sich gewaltsam rund um den Erdball.“ Anders gesagt: Mit dem Scheitern der Sowjetunion ist 1989 nicht nur

Zivilmacht Deutschland. Politisch, wirtschaftlich und sozial spielt Deutschland weltweit eine wichtige Rolle. Eingebettet in eine gemeinsame europäische Au-ßen- und Sicherheitspolitik kann die Bundesrepublik mehr Verantwortung tragen.

Über den Zusammenbruch von Ordnung und ein „Volk guter Nachbarn“Deutschlands Rolle in der Welt

Deutsche Fregatte im Auslandseinsatz. Seit Anfang Mai 2015 beteiligt sich die Deutsche Marine an den Maßnahmen im Mittelmeer zur Rettung von Menschen in Seenot und zur Bekämpfung von Schleusern.

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Über den Zusammenbruch von Ordnung und ein „Volk guter Nachbarn“ein Imperium, sondern die ein halbes Jahrhundert geltende Nachkriegsordnung zusam-mengebrochen. Aus der bipo-laren Welt mit den zwei Macht-blöcken UdSSR und USA ist eine multipolare Welt mit vielen aufstrebenden Mächten gewor-den, die um Einfluss, Gebiete und Ressourcen konkurrieren.

Besonders kritisch sieht die Lage in Europas Nachbarschaft, in Syrien aus. Mittlerweile gibt es dort eine zweistellige Anzahl von Konfliktparteien, die auf syrischem Boden gegeneinan-der Krieg führen. Vor allem der Streit zwischen Sunniten und Schiiten hat längst den gesam-ten Nahen Osten erfasst. Auch im Norden Afrikas wird dieser Kampf ausgetragen. Die Kon-sequenz ist gravierend: Immer mehr Menschen fliehen vor den Bomben und Granaten aus ihrer Heimat. Längst sind die Nachbarländer nicht mehr in der Lage, noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Ohne die massi-ve Hilfe von außen drohen auch sie bald unter der Last der Flie-henden zu kollabieren.

In dieser Lage blicken viele Au-gen erwartungsvoll nach Euro-pa, allen voran nach Deutsch-land. Unser Land hat sich von einem Frontstaat des Kalten Krieges zu einer führenden Kraft in Europa entwickelt. Als größte Wirtschaftsmacht Euro-pas ist uns dieser Status zuge-

fallen. Standen wir vor 25 Jahren noch im Zentrum eines möglichen dritten Welt-krieges, sind wir heute erstmals in der deutschen Geschichte von b e f r e u n d e t e n Staaten umge-ben. Dass die-se Entwicklung neue Verantwor-tung mit sich bringt, wurde in Deutschland lange und gerne übersehen. Zu bequem war die Scheckbuchdip-lomatie und das Sich-Heraushal-ten aus politi-schen und militärischen Krisen. Doch inzwischen lässt sich die deutsche Verantwortung nicht mehr wegdiskutieren.

Vor einem Jahr hat Bundes-präsident Joachim Gauck die Debatte forciert. Er forderte, Deutschland müsse mehr Ver-antwortung in der Welt über-nehmen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die neue Rolle längst angenommen. Seit vielen Monaten bereist er eine Krisenregion nach der an-deren. Seine Motivation, politi-schen Rückschlägen mit neuen diplomatischen Initiativen zu begegnen, erklärt der SPD-Poli-

tiker mit einem Zitat von Willy Brandt: „Wir Deutschen wollen ein Volk guter Nachbarn sein.“ Denn Nachbarschaften wür-den, genau wie internationale Ordnungen, nur dann funkti-onieren, wenn ihre Bewohner Verantwortung übernehmen. Auch jenseits vom eigenen Gar-tenzaun. „Nachbarn müssen sich nicht mögen, aber in der Lage sein, gemeinsam Proble-me zu lösen, die alle betreffen“, sagte Frank-Walter Steinmeier kürzlich bei einer Rede an der Freien Universität Berlin.

Deutsche Diplomatie ist seit Jahren mehr und mehr gefragt.

Krisendiplomatie. Auf Facebook informiert Frank-Walter Steinmeier regelmäßig über seine Bemühungen für eine friedlichere Welt.

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Bei den Atomverhandlungen mit dem Iran saß die Bundesrepublik ebenso am Verhandlungstisch wie beim Ringen um Waffenru-he in der Ukraine. Vor allem der Rückzug der USA aus Europa führt zur neuen Aufgabenver-teilung. Deutschlands Situation ist dabei alles andere als leicht. Denn Europa hat deutsche Füh-rung über Jahrhunderte immer wieder mit einem hohen Blut-zoll bezahlen müssen. Daraus entstanden ist eine historisch gewachsene Vorsicht. Deutsch-lands Rolle kann daher immer nur die eines Vermittlers sein, der vor allem stets das Gesamtinter-esse Europas im Blick hat. An der Ukraine-Krise lässt sich die neue deutsche Herausforderung an-schaulich darstellen:

Während die neuen osteuropäi-schen EU-Staaten Angst hatten, Putins nächstes Opfer zu wer-den, zeigten sich EU-Staaten am westlichen Ende Europas wenig emotional betroffen. Mehr noch: Sanktionen gegen Russland, so ihre Befürchtungen, könnten der ohnehin schwachen Wirt-schaftskraft Spaniens, Portugals

oder auch Italiens neue Schwie-rigkeiten bereiten. Deutschland hatte daher zunächst die Aufga-be, eine gemeinsame Haltung Europas herzustellen, die eine Balance zwischen den Interes-sen der West-, Ost-, Nord- und Süd-Europäer darstellte. Erst als dies gelungen war, konnte Berlin wirkungsvoll agieren. In den Ver-handlungen mit der Ukraine und Russland war eine endgültige Konfliktlösung nicht herstellbar. Deutschland erreichte, gemein-sam mit Frankreich, nach inten-siven Verhandlungen immerhin eine Konfliktbegrenzung, die einen Flächenbrand in und um die Ukraine verhinderte. Nicht auszuschließen, dass ein solcher Flächenbrand zugleich einen neuen, langen Kalten Krieg in Europa ausgelöst hätte.

Nicht nur die Ukraine-Krise zeigt: Deutschlands erste und wichtigste Aufgabe ist der Zu-sammenhalt der Europäischen Union, um Frieden, Freiheit und Wohlstand zu sichern. Europa darf als politische Union nicht zerfallen. Die Folgen wären ka-tastrophal. Europa fiele in alte,

unfriedliche Zeiten zurück. Das Aufkommen links- und rechts-populistischer Parteien in ganz Europa macht den Zusammen-halt Europas nicht einfach. Ak-tuell zeigt sich das besonders in der Flüchtlingskrise. Die EU findet keinen gemeinsamen Nenner. Nicht nur Ungarns Pre-mier Orban sieht in den Flücht-lingsströmen „kein europäi-sches, sondern ein deutsches Problem“. Auch Staaten wie Frankreich oder Großbritannien tun sich angesichts starker eu-ropakritischer Parteien im Land sehr schwer mit solidarischer Unterstützung. Umso wichti-ger ist, dass Deutschland seine neue Verantwortung mit Ge-duld, Weitsicht und Fingerspit-zengefühl ausübt, damit anti-europäische Kräfte nicht weiter Zulauf bekommen und die EU von innen heraus zerstören. Die Europäische Union, das heraus-ragende Friedensprojekt der ver-gangenen Jahrzehnte, darf nicht in sich zusammenfallen oder von innen kollabieren.

Aber auch vor unserer Haustür haben wir neue Aufgaben: Die

Krisenherde, wohin man schaut. Die Welt ist in den vergangenen Jahren deutlich unsicherer geworden.

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Entwicklungshilfe im Vergleich. Nach den USA und Großbritannien ist Deutsch-land drittgrößter Nettozahler von Entwicklungshilfe. Quelle: bmz.de

Stabilisierung der europäischen Peripherie. Nur wenn dies ge-lingt, lassen sich große Fluchtbe-wegungen wie aktuell aus Syrien oder dem Irak verhindern. Kein Wunder also, dass Deutschlands oberster Diplomat Frank-Walter Steinmeier auch zu den schwie-rigen Gesprächen nach Iran oder Saudi-Arabien reist. Für ihn ist klar: „Der Konflikt in Syrien wird nur zu lösen sein, wenn auch diese Akteure zu Gesprächen bereit sind. Aber es reicht eben nicht, wenn wir mit ihnen reden, sondern sie müssen bereit sein, miteinander zu reden.“ Auch wenn dies noch ein weiter Weg sei, wie Frank-Walter Steinmeier klarstellt, steht für ihn doch fest: „Wir Deutschen sollten solche Gesprächskanäle ermöglichen und politische Prozesse unter-stützen, wo immer wir können. Dabei gilt natürlich: Politik, und erst recht Außenpolitik, ist die Kunst des Machbaren.“

In den Bereich des Machbaren fällt ein anderer Politikbereich, der auch in Deutschland meist viel zu wenig Beachtung er-fährt: die Entwicklungshilfe in den vom Krieg betroffenen Regi-onen. Dass in Flüchtlingscamps der Vereinten Nationen das Geld für Nahrung und Unterkünfte zur Neige geht, weil viele Nati-onen ihre Zusagen einfach nicht einlösen, ist ein kaum zu glau-bender Skandal. Wer Flücht-lingsströme stoppen will, muss diesen unhaltbaren Zustand schnell beenden. Entwicklungs-hilfe muss innerhalb der EU ei-

nen völlig neuen Stellenwert erhalten. Sie ist längst nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit. Entwicklungshilfe ist vor allem auch ein Gebot der Vernunft. Denn sie sichert die Zukunft der Menschen in den Entwicklungs-ländern. Gute Entwicklungspo-litik verhindert Fluchtursachen frühzeitig. Wer zuhause Hoff-nung spürt und Entwicklung sieht, wird seine Heimat nicht verlassen. Deutschland, nach den USA und Großbritannien drittgrößter Geldgeber für Ent-wicklungszusammenarbeit , kann und muss auch hier eine noch wichtigere Vorreiterrolle in und um Europa übernehmen.

Diese und andere Aufgaben sind neu für unser Land. Politiker wie Bürger müssen sich erst an die neue Rolle gewöhnen. Deutsch-land hat sich nicht um diese Ver-antwortung beworben. Als Land

mit der stärksten Wirtschafts-kraft und den meisten Einwoh-nern können wir uns ihr nicht länger verschließen. Deshalb braucht es in der Außen- und Sicherheitspolitik klarere Struk-turen. Wir müssen Ziele unserer Außen- und Sicherheitspolitik definieren, die im Einklang mit den Interessen Europas stehen.

Mehr Verantwortung in der Welt bedeutet nicht automa-tisch, Militär einzusetzen. Das kann für Deutschland auch künftig nur das äußerste Mittel sein. Politisch, sozial und wirt-schaftlich ist Deutschland aber stark. Eingebettet in Europa und ein internationales System aus Bündnissen und Organisationen kann Deutschland in Zukunft mehr Führungsverantwortung übernehmen. Als Zivilmacht mit Zivilcourage. Eben als guter Nachbar. MATTHIAS BEIGEL

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„Es ist Zeit, mit der Ukraine Klartext zu reden“Über die Lage in der Welt. Interview mit Günter Verheugen.

OSTKURVE: Lieber Günter Verheu-gen, 25 Jahre nach dem Fall des Ei-sernen Vorhangs sind bewaffnete Konflikte überall auf der Welt auf dem Vormarsch. Woher kommt diese weltweite Welle der Gewalt?

Günter Verheugen: Es ist leider wahr, dass sich die Hoffnungen nicht bestätigt haben, dass wir nach dem Ende des Kalten Krieges in eine Ära friedlicher weltweiter Kooperation eintreten würden. Man kann eher sagen, dass das Gegenteil eingetreten ist. Es gibt natürlich nicht die eine, alles er-klärende Ursache. Was man sicher sagen kann, ist, dass die wach-sende Kluft zwischen armen und reichen Regionen, also die soziale Ungleichheit auf globaler Ebene eine Hauptursache ist und dass die hemmungslose Verbreitung von Waffen aller Art des gewalt-same Austragen von Konflikten ermöglicht. Weltanschauliche Radikalisierung spielt sicher eine Rolle, aber auch diese hat natür-lich wieder Ursachen. Und wir müssen wohl auch erkennen, dass die westlichen Demokratien ins-gesamt , besonders aber die USA als die unbestrittene westliche Führungsmacht, fatale Fehler zu verantworten haben und ganze Regionen destabilisiert haben. Tony Blairs spätes Eingeständnis, welche Folgen der Irak-Krieg hat-te und warum er gar nicht hätte geführt werden sollen, spricht ja Bände. In vielen Teilen der Welt wird der Anspruch des Westens, das einzig richtige Modell zu ver-treten, nicht mehr akzeptiert und als Versuch der Fremdbestim-mung aufgefasst.

Schauen wir zunächst nach Euro-pa: Wie schätzt Du die Lage in der Ukraine ein? Kann Deutschland noch stärker zu einer anhaltenden Befriedung beitragen?

Wir haben in der Ukraine einen fragilen Waffenstillstand, zu dem die deutsche Außenpolitik einen wichtigen Beitrag geleistet hat. Ich sehe aber nicht, dass in der Ukrai-ne diese Atempause dazu genutzt wird, das Ruder herumzureißen und das verrottete politische Sys-tem grundlegend zu reformieren. Ich sehe den Kampf gegen die Kor-ruption und gegen den Raubtierka-pitalismus nicht. Und ich sehe auch nicht, dass der Versuch unternom-men wird, einen tragbaren Interes-senausgleich mit den abgefallenen Gebieten und vor allen Dingen mit dem wichtigsten Nachbarn, mit Russland, zu finden. Ich glaube, dass der internationale Druck auf die Regierung in Kiew sehr viel stär-ker werden muss. Und natürlich ist dabei auch Deutschland gefordert. Wir haben die Ukraine assoziiert, nun sind wir mitverantwortlich. Es ist an der Zeit, mit der Ukraine Klar-text zu reden.

Die Wirkung der Sanktionen gegen Russland sind umstritten. Sind sie aus Deiner Sicht sinnvoll?

Nein, ich glaube nicht, dass diese Sanktionen irgendwelche Prob-leme lösen werden. Sie sind uns von der USA mehr oder weniger aufgezwungen worden. Es ist gut, dass die Bundesregierung das Ge-spräch mit Moskau nicht abreißen lässt. Aber wir haben auch ein Pro-blem innerhalb der EU, weil eine ganze Reihe vor allem der neuen Mitgliedstaaten aufgrund ihrer historischen Erfahrungen Russland tief misstraut. Trotzdem muss der

Versuch einer Wiederannäherung gemacht werden. Wir können die gesamteuropäischen Fragen nicht ohne Russland lösen.

Auswirkungen des Krieges in Syri-en haben Europa auf dramatische Weise erreicht. Was kann Deutsch-land, was kann Europa tun, damit die Waffen möglichst bald schwei-gen und weniger Menschen flie-hen müssen?

Wenig, weil die EU international keine ernsthafte Größe ist. Und das ist unsere eigene Schuld. Nie-mand in der Welt kann uns daran hindern, global als eine geschlos-sene Gemeinschaft aufzutreten. Wir könnten das Gewicht haben, das nötig ist, in Fragen der Weltpo-litik eine gestaltende Rolle zu spie-len. Aber wir schaffen das zur Zeit nicht, und so können wir die Ursa-chen wenig bekämpfen, müssen aber mit den Folgen fertig werden.

Schon vor einem Jahr hat Bun-despräsident Gauck gefordert, Deutschland müsse mehr Verant-wortung in der Welt übernehmen. Stimmst Du ihm zu und wie soll dieses „Mehr“ an Verantwortung konkret aussehen?

Mir ist nicht wohl bei dieser Aus-sage, weil sie sich auf Deutschland bezieht und nicht auf die Euro-päische Union. Und was heißt ei-gentlich „Verantwortung“ über das hinaus, was die deutsche Außen-politik tut? Fast möchte man den Bundespräsidenten fragen, an wel-chen Kriegen sich unser Land nach

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„Es ist Zeit, mit der Ukraine Klartext zu reden“Über die Lage in der Welt. Interview mit Günter Verheugen.

Günter Verheugen (71), Mitglied der Brandenburger SPD. 1983 bis 1999 Mitglied des Deutschen Bundestages, 1987-1989 Vorwärts-Chef-redakteur, 1993-1995 SPD-Bundesgeschäftsführer, 1998-1999 Staats-minister im Auswärtigen Amt. Günter Verheugen wurde 1999 Erwei-terungs-Kommissar der EU, 2004-2010 Kommissar für Industrie und Unternehmenspolitik. Er arbeitet heute u.a. als Honorarprofessor an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).

seiner Meinung hätte beteiligen sollen? Ich fürchte nämlich, dass sich hinter dem Begriff „Verantwor-tung“ in diesem Zusammenhang nichts anderes verbirgt, als eine grö-ßere Bereitschaft zu militärischer Intervention. Wenn es dazu kommt, hat die Politik versagt. Wir haben als Europäer und als Deutsche an-dere Aufgaben. Im Augenblick ha-ben wir zwei Probleme von welt-politischer Bedeutung zu lösen: die Fragen nach der Zukunft der Türkei und nach der Zukunft der Ukraine. Hier würde ich mir mehr deutsche Verantwortungsbereitschaft wün-schen, indem wir beiden Ländern eine glaubwürdige europäische Per-spektive anbieten und sie auf ihrem Weg partnerschaftlich begleiten.

Innerhalb der Europäischen Union bröckelt die Solidarität. Ist eine ef-fektive gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nicht längst in weite Ferne gerückt?

Ja, es ist richtig, und es wird sich so schnell nicht ändern. Die Bereit-schaft, innerhalb der EU mehr ge-meinschaftliche Politik zu ermögli-chen, ist auch in Deutschland nicht sehr groß. Dabei ist eines ganz klar: in der Welt von morgen wird ein einzelner europäischer Natio-nalstaat niemals stark genug sein, seine Interessen noch wirkungsvoll zu vertreten. Das können wir nur gemeinsam. Wir müssen die euro-päische Einheit stärker als jetzt von den Herausforderungen der Zu-kunft her denken. Ich glaube auch, dass das große Zustimmung bei den Bürgerinnen und Bürgern fin-

den würde – vielleicht nicht beim jetzigen Zustand der EU, aber eine

bessere, eine refor-mierte EU könnte die-sen Anspruch durch-aus erheben.

In Deutschland schätzen wir die Vereinten Nationen. Doch trotz der vielen Krisen hat man der-

zeit nicht den Eindruck, dass es im Weltsicherheitsrat zu wirksamen Friedensbemühungen kommt. Wie beurteilst Du aktuell deren Rolle?

Das alte Problem. Die UNO kann nur tun, was die ständigen Mit-glieder des Sicherheitsrates er-lauben. Und das bedeutet oft: gar nichts. Die UNO-Reform wird seit Jahrzehnten diskutiert, ohne greif-bares Ergebnis. Dennoch: wir ha-ben nichts Besseres, und es ist jede Mühe wert, die Rolle der UNO zu stärken. Der UNO-Generalsekre-

tär hat vor wenigen Tagen gesagt, man könne im Syrien-Konflikt das Schicksal eines ganzen Volkes nicht von einer einzigen Person, Assad, abhängig machen. Richtig. Und wo war die Unterstützung aus der EU und aus Deutschland? Da war kei-ne, nur betretenes Schweigen.

Welche Hoffnung auf eine fried-lichere Welt kannst Du uns als er-fahrener Außenpolitiker machen?

Ja, das ist die Überlebensfrage schlechthin. Ich halte eine fried-liche Welt für möglich. Was man denken kann, kann man auch tun. Den ersten wichtigen Schritt habe ich schon erwähnt. Europa könnte sich zu einer Friedensmacht entwi-ckeln, auf die man in der Welt hört. Wir haben eigentlich alles, was man dazu braucht. Wir können die großen Weltmächte beeinflussen, wenn wir auf Augenhöhe mit ih-nen reden können. Dazu müssen wir politisch einig und wirtschaft-lich stark sein.

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Britta Stark ist seit einem Jahr Präsidentin des Brandenburger Land-tages. Sie ist die erste Frau, die dieses Amt bekleidet.

Auf einen Kaffee mit...

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Du bist vor fast genau einem Jahr zur Landtags-präsidentin gewählt worden. Was hat sich für Dich in diesem Jahr ganz persönlich geändert?

Zuallererst merke ich die Veränderung natürlich an meinem übervollen Terminkalender. Ich war auch als Landtagsabgeordnete aktiv und daher viel unterwegs. Das war aber kein Vergleich zu den Anforderungen, die mein Kalender nun an mich stellt. Für Hobbys und Familie bleibt jetzt leider viel zu wenig Zeit.

Auch an den Umstand, dass ich immer und über-all im Dienst bin und das Land repräsentiere, musste ich mich in den letzten Monaten erst ein-mal gewöhnen. Früher bin ich einfach auf mein Fahrrad gestiegen und zu den Terminen in mei-nem Wahlkreis geradelt. Jetzt verbringe ich oft viele Stunden im Auto und an so manchem Tag daher mehr Zeit mit meinem Fahrer, als mit mei-nem Ehemann.

Was hat Dich in diesem Jahr politisch am meis-ten bewegt?

Die Flüchtlingswelle aus den Kriegs- und Krisen-gebieten, die Europa insgesamt und in diesem Sommer nun auch Deutschland erreicht hat – aber auch und vor allem die große Empathie, die Hilfsbereitschaft und das ehrenamtliche Engage-ment, das die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gezeigt haben.

Nur mal angenommen, Du bekämst unerwar-tet einen freien Tag geschenkt, was würdest Du dann mit der gewonnenen Zeit tun?

Gesetzt der Fall, ich hätte plötzlich sehr viel Frei-zeit, dann würde ich es mir im Garten meines alten Bauernhauses bei einem Glas Rotwein ge-mütlich machen, die Ruhe und das ländliche Flair genießen und endlich wieder einmal dazu kom-men, meine Lieblingsautoren Martin Suter, Bern-hard Schlink oder Paulo Coelho zu lesen.

Du bist als begeisterte Radfahrerin bekannt. Welche Strecke kannst Du unseren Leserinnen und Lesern besonders ans Herz legen?

Landschaftlich besonders schön ist der Barnimer Teil des Radwanderweges Berlin – Usedom. Man startet am besten in der Hussitenstadt Bernau, die man auch sehr gut mit der S- oder Regional-bahn erreichen kann. Von hier führt ein gut aus-gebauter Radweg über die Bernauer Ortsteile La-deburg (mit sehenswerter Feldsteinkirche) und Lobetal nach Biesenthal (ca. 10 km) und von dort weiter zum Werbellinsee (insgesamt ca. 35 km).

Den Rückweg kann man dann auch mit dem Bus antreten, der eine begrenzte Anzahl von Fahrrädern huckepack vom Werbellinsee nach Eberswalde transportiert. Kräfteschonend errei-chen so Fahrer und Drahtesel den Bahnhof, von dem aus stündlich der Regionalexpress RE1 in Richtung Berlin verkehrt.

Was nimmst Du Dir für Dein zweites Amtsjahr als Landtagspräsidentin vor?

Als Landtagspräsidentin habe ich mir vorgenom-men, bei den Brandenburgerinnen und Bran-denburgern wieder mehr Lust auf Demokratie zu wecken. Warum spiegelt sich das hohe Maß an ehrenamtlichem Engagement der Menschen in unserem Land nicht auch in einer adäquaten Wahlbeteiligung wider? Wenn ich mit Besuchern des Landtages oder mit Bürgern in meinem Wahlkreis ins Gespräch komme, habe ich nicht den Eindruck, dass sie politisch desinteressiert sind – ganz im Gegenteil. Was viele Menschen aber vermissen, ist ein echter Dialog – ein Dialog auf Augenhöhe. Diesen Dialog zwischen Politik und Bürger auf den verschiedensten Ebenen im-mer wieder zu initiieren und zu befördern, darin sehe ich auch weiterhin eine meiner wichtigsten Aufgaben.

Liebe Britta, wir danken für das nette Gespräch.

Auf einen Kaffee mit... Britta StarkErste Präsidentin des Brandenburger Landtages

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Bürgermeister-Wahlen

Entscheidungen im NovemberIn zwei Kommunen in Oberhavel stehen in diesem Jahr noch Bürgermeisterwahlen bevor. In bei-den kämpfen SPD-Kandidaten um den Rathaussessel: Josef Andrle in Hohen Neuendorf und Cars-ten Schneider in Oberkrämer.

In Hohen Neuendorf kämpft Josef Andrle für eine familien-freundliche Stadt. Er will, dass Kitas vormittags künftig beitragsfrei sind. Außerdem setzt er sich ein für mehr bezahlbare Woh-nungen, eine besse-re Beleuchtung von Wegen und Plätzen sowie für eine bes-sere Zusammenar-beit von Ordnungs-amt und Polizei.

Carsten Schneider (Foto: rechts neben OHV-Landrat Ludger Weskamp) will das Rathaus von Ober-krämer erobern. Als Fraktionsvorsitzen-der der SPD-Fraktion in der Gemeindever-tretung ist er vielen Bürgerinnen und Bürgern als kom-petenter Ansprech-partner bekannt. Aktuell setzt er sich dafür ein, kinder-reiche Familien bei den Kita-Gebühren zu entlasten.

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Das Jahr neigt sich langsam aber sicher dem Ende entgegen. Daher gilt es jetzt schon, erste Vorberei-tungen für den Kassenabschluss im Ortsverein zu treffen. Spätes-tens zum 31. Januar eines jeden Jahres müssen die Kassenab-schlüsse von den Ortsvereinsvor-ständen beschlossen sein und an die jeweils zuständige SPD-Ge-schäftsstelle übermittelt werden. Achtung, das Parteiengesetz ist streng und nimmt die Verantwort-lichen entsprechend in die Pflicht.

Unser Praxistipp:

Die meisten Ortsvereine nutzen zur Buchführung bereits die Soft-ware „SPD-Kassenbuch“. Nähere Hinweise und Informationen er-halten die Ortsvereinskassierer dazu in den jeweiligen SPD-Ge-schäftsstellen. Sollten wichtige Zugangsdaten verloren gegangen sein, kann sich der entsprechende Ortsvereinskassierer über ein On-line-Formular des Dienstleisters „Office-Consult“ melden. ◼

Achtung, Ortsvereinskassierer!

STICHTAG

31.01.K A S S E N B E R I C H T !

Der Beweis: „SPD-Kassenbuch“ erleichtert die Arbeit!

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NACHGEHAKT:

Wie PEGIDA die Stimmung im Land vergiftetDresden. Montag für Montag ziehen Tausende durch die Stra-ßen. Immer vorne mit dabei: alt-bekannte Nazigrößen. Auf der Bühne werden fremdenfeindliche Parolen gebrüllt. Vor der Bühne johlen sie, wenn ein hasserfüll-ter Redner KZs herbeiwünscht und tragen symbolische Galgen für Kanzlerin und Vizekanzler. Dresden, die schöne Stadt an der Elbe, ist seit einem Jahr Synonym für ein anderes, ein hässliches Deutschland.

Im Januar berichtete die OSTKUR-VE intensiv über PEGIDA. Während viele damals noch von „besorg-ten Bürgern“ sprachen, warnte Dirk Wilking, Geschäftsführer des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung, bereits

in der OSTKURVE: „Wir sehen bei den Demonstrationen vorneweg immer wieder bekannte Nazis.“ NPD, freie Kameradschaften und andere Gruppen versuchen, aus der Stimmung Kapital zu schla-gen. „In besonderem Maße gilt das auch für die AfD.“ Brandenburgs Verfassungsschutzchef Carlo We-ber erklärte gegenüber der OST-

KURVE: „Seit der Bundestagswahl 2013 versuchen Rechtsradikale mit höchsten Anstrengungen, aus der zunehmenden Zahl von Bür-gerkriegs-Flüchtlingen Kapital zu schlagen. Sie hetzen im Internet und auf Demonstrationen. In ei-nem Flugblatt werden Flüchtlinge mit ,fremden Giften‘, die ein Volk befallen, in Verbindung gebracht. Das ist pure NS-Agitation.“

Ein Jahr später: PEGIDA hat sich zu einer offen fremdenfeindlichen Bewegung entwickelt. Niemand, der Montags dem Tross hinterher-läuft, kann sich davon mehr frei-sprechen. Das Gift, das PEGIDA in unsere Gesellschaft trägt, ist nicht mehr zu übersehen. Im sächsi-schen Freital ging ein rechter Mob auf Flüchtlinge los und konnte

nur im letzten Moment von der Polizei ge-stoppt werden. Man wolle die „Treibjagd eröff-nen“ und halte „Zyklon B für das richtige Willkom-mensgeschenk“ sagten die „be-sorgten Bürger“ in die Kamera eines Nach-richtensenders. Der schreckli-che Hass gegen

Fremde hat im vergangenen Jahr zugenommen. Höhepunkt war das Attentat auf die Kölner Ober-bürgermeisterkandidatin Henri-ette Reker. Der Täter gab zu, sie wegen ihrer Flüchtlingspolitik auf offener Straße töten zu wollen.

In Brandenburg, und das ist die gute Nachricht, sind bislang alle

Versuche, fremdenfeindliche Bewegungen auf die Straße zu tragen, am Widerstand der Zivil-gesellschaft gescheitert. Frem-denfeindliche Attacken gab es allerdings auch bei uns. In Nauen fiel eine Schulturnhalle Brand-stiftern zum Opfer. Flüchtlingen hätte die Halle als Notunterkunft dienen sollen. Gegen Parteibü-ros von SPD und Linken kam es zu Steinwurfattacken. In Cottbus gab es gewaltsame Übergriffe gegen ausländische Studenten.

Besonders vergiftet ist das Kli-ma auf Facebook. Unverhoh-len lassen Fremdenfeinde dort ihren Hassbotschaften freien Lauf oder rufen zu Straftaten auf. Bundesjustizminister Heiko Maas will das nicht hinnehmen. Gegenüber der Ostkurve erklär-ter er im Interview: „Die Justiz geht jetzt schneller gegen Het-zer vor.“

PEGIDA marschiert durch Dresden.

Januar-Titelseite der OSTKURVE. Aus-führlich berichteten wir über das neue Phä-nomen, deren Ursachen und Gefahren.

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„Die Justiz geht jetzt schneller gegen Hetzer vor“

Das Internet ist voll von hasserfüllten Botschaf-ten. Besonders Facebook

sticht immer wieder heraus. Als Justizminister hast Du Dich be-reits mit Facebook-Verantwortli-chen getroffen. Was ist bei dem Gespräch herausgekommen?

Maas: Facebook hat sich klar zu seiner Verantwortung bekannt und ist bereit, seinen Teil zur Lö-sung dieser gesamtgesellschaft-lichen Aufgabe beizutragen. Das ist ein wichtiges Signal. Wir sind uns im Ziel einig: Fremdenfeind-liche und rassistische Hassbot-schaften, die gegen Strafgesetze verstoßen, müssen schneller und umfassender aus dem Netz ver-schwinden.

Wir haben mit Facebook die Einrichtung einer Task Force verabredet. Diese wird bis Jah-resende konkrete Vorschläge erarbeiten, wie man insbeson-dere das Beschwerdemanage-ment der sozialen Netzwerke verbessern kann. Das geht nur, wenn man andere Plattformbe-treiber einbindet und auch mit den zivilgesellschaftlichen Orga-nisationen spricht, die als Inter-net-Beschwerdestellen bereits umfassende Erfahrungen bei der Bekämpfung von Hass und Het-ze im Internet haben.

OSTKURVE: Was kann man als Facebook-Nutzer tun, wenn man auf widerliche Postings stößt, z.B. man solle „Ausländer an einem Strick um den Hals aus Deutschland zerren“, Facebook die Löschung aber verweigert?

Das Internet prägt die De-b a t t e n k u l t u r und das gesell-schaftliche Kli-ma. Deshalb sollte niemand ignorieren, was dort vor sich geht. Die Justiz darf das nicht. Diejenigen, die mit dem Inter-net Geld verdie-nen, dürfen das aber auch nicht.

Unabhängig von einer Beschwer-de bei Facebook, sollten die Strafverfolgungsbehörden ein-geschaltet werden. Volksverhet-zung, Aufforderung zu Straftaten und Bedrohung – das Strafrecht setzt der Meinungsfreiheit klare Grenzen. Anfang Oktober hatte in Mecklenburg-Vorpommern ein 26jähriger im Internet ange-kündigt, eine Flüchtlingsunter-kunft anzuzünden. Schon einen Tag nach seinem Posting wurde er vom Amtsgericht Wismar im beschleunigten Verfahren zu fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. In ganz Deutschland geht die Justiz jetzt immer öfter und immer schneller gegen Het-zer im Internet vor.

Facebook ist nur das prominen-teste Beispiel im Netz. Gibt es keine gesetzliche Möglichkeit, Volksverhetzung im Netz wir-kungsvoll zu unterbinden?

Wenn die Grenzen zur Straftat überschritten sind, muss die Jus-

Bundesjustizminister Heiko Maas über Hass im Internet

tiz aktiv werden und diejenigen bestrafen, die solche Kommenta-re verfassen. Das tut sie auch, ak-tuelle Urteile und Ermittlungen zeigen es. Das ist ein wichtiges Signal, das jedem rechten Hetzer deutlich macht: Was in der ana-logen Welt verboten ist, ist auch in der digitalen Welt nicht erlaubt und wird bestraft.

Bei der Verantwortung für Hass-kommentare wird ein Hostpro-vider wie Facebook durch das europaweit harmonisierte Tele-medienrecht privilegiert. Er muss für die Inhalte, die seine Nutzer posten, zivil- und strafrechtlich grundsätzlich nicht gerade ste-hen. Das gilt aber nur dann, wenn er rechtswidrige Postings unver-züglich löscht, sobald er von deren rechtswidrigem Inhalt erfährt. Lei-der reagiert Facebook bei Hassbot-schaften bisher viel zu langsam und lehnt die Löschung gemelde-ter Postings häufig ab. Wenn das so bleibt, riskiert Facebook sein Haftungsprivileg und nimmt in Kauf, dass dann seine Mitarbeiter für Rechtsverstöße zur Rechen-schaft gezogen werden können.

EXKLUSIV-

INTERVIEW

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Mit dem Roten Adler durchs Jahr

Politik interessiert mich, weil Politik größtenteils mitbestimmt, was in der Welt so abgeht, und davon möchte ich ein Teil sein. Außerdem kann man, wenn man mitmacht, die Dinge besser durchschauen.

Die SPD ist meine Partei, weil schon mein Vater seit vielen Jahren Mitglied ist und in meinem Wohnort Woltersdorf Vorsit-zender ist und ich nur Positives mitbekomme.

Zur SPD gekommen bin ich einfach weil ich jetzt Lust hatte mitzumachen. Ich bin zum 18. Geburtstag eingetreten. Ich bin ein ziemlich impulsiver Mensch, wenn ich etwas jetzt machen möchte, schieb ich es nie lange auf. Politikunterricht hat mich auch schon immer interessiert, leider hab ich jetzt erst einen richtig guten Lehrer, aber besser spät, als nie.

Kontakt zur örtlichen SPD hatte ich ebenfalls schon, auch durch meinen Vater :)

Neumitglied des monats

Mehr auf der Facebook-Seite der SPD Brandenburg

Alva Grünke 18 Jahre

OV Woltersdorf

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Am 11.11. beginnt die närrische Zeit: Dazu passen Spritzku-

chen ganz ausgezeichnet!

Foto

: Sta

dt E

bers

wal

deDer SpritzkuchenGustav Louis Zietemann, geboren 1807, seines Zeichens Konditor und Lebküchler, erhielt am 23. Februar 1832 die Geneh-migung, sich als Konditor in Eberswal-de niederzulassen. Dort bot er erstmals Eberswalder Spritzkuchen an. Brandteig als Ausgangsmaterial gab es zwar schon länger. Zietemann entwickelte aber die Technik, Kringel auf Papier zu spritzen und an-schließend in heißem Fett auszubacken.

Schon gewusst?

Ende September wurde Stefan Zierke zum neuen Sprecher der Landesgruppe Brandenburg der SPD-Bundestagsfraktion ge-wählt. Er tritt damit die Nach-folge der Bundestagsabgeord-neten Andrea Wicklein an, die nicht mehr für das Sprecheramt kandidierte.

Andrea Wicklein, seit 2002 im Deutschen Bundestag, wird bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2017 nicht erneut antre-ten.

Im April 2016 will Ralf Tebling (im Foto rechts, neben Felix Menzel) SPD-Bürgermeister

von Premnitz (HVL) werden. Ralf Tebling ist schon seit vielen Jah-ren Ortsvorsteher des Stadtteils Mögelin und seit 2012 Vorsitzen-der Premnitzer Stadtverordne-tenversammlung. Der bisheri-ge Bürgermeister Roy Wallenta (parteilos) wird voraussichtlich nicht wieder kandidieren.

Brandenburger Köpfe

„Spritzkuchenbursche Gustav“, Bronze von Eckhard Herrmann,

2007 eingeweiht anlässlich des 175-jährigen Jubiläums der

Eberswalder Spritzkuchen

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Ein Spaziergang am Mühlensee: Erholung für Körper und Geist

Carsten Schneider,

Oberkrämer

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Mein

BrandenburgStück

liebstes

Macht mit und sendet uns Euer liebstes Stück Brandenburg an [email protected]

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3 Fragen zur Arbeit im Ortsverein

Service

Grundsätzlich Ja. Um Mitglied der SPD zu werden, muss das 14. Lebensjahr gem. §2 Organisationsstatut vollendet sein. Weder das Organisationsstatut noch die Finan-zordnung oder das Parteiengesetz enthalten Regelungen über ein Mindestalter für Vorstandsmitglieder. In den Kommentierungen zum Vereinsrecht heißt es, dass natür-liche Personen zumindest beschränkt geschäftsfähig sein müssen. 14-Jährige sind dies. Voraussetzung ist jedoch, dass eine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegt. Aber Achtung: Aufgrund der besonderen Haftungsrisiken wird davon abgeraten, dass Minderjährige Ämter des Vorsitzenden, Kassierers oder Revisors übernehmen.

Immer mal wieder kann es durch Unachtsamkeit geschehen, dass bei der Versendung einer E-Mail an mehrere Empfänger, diese nicht in die BCC-Adresszeile eingefügt wer-den und somit für alle anderen Empfänger sichtbar sind. Dies kann, sofern es sich um private Adressen handelt, zu weitreichenden Konsequenzen und hohen Bußgeldern führen, da die Verwendung eines offenen E-Mail-Verteilers einen Datenschutzverstoß darstellt. Aus diesem Grund bitte immer sorgfältig prüfen, dass die Empfangsadressen im BCC-Feld des E-Mail-Programms eingefügt werden.

Grundsätzlich Ja. Parteien haben Anspruch auf Zulassung von politischen Veranstal-tungen in öffentlichen Einrichtungen der Kommunen. Voraussetzung ist immer, dass die Einrichtung der Öffentlichkeit „gewidmet“ wurde, sie also für die Öffentlichkeit und nicht nur einen privaten Personenkreis zugänglich ist. Die Stadthalle, der Gemein-deraum oder auch ein Veranstaltungsraum im Rathaus sind öffentliche Einrichtungen. Für die Nutzung darf die Kommune eine Gebühr erheben.

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28. November, Potsdam, Kongresshotel

Landesparteitag Kinderbetreuung Auf dem nächsten Landesparteitag bietet

der Landesverband Kinderbetreuung durch einen professionellen Dienst-

leister an. Delegierte und Gäste, die diese kostenlos in Anspruch nehmen wollen, melden sich bitte unter Angabe des Kindes-

alters und der gewünsch-ten Betreuungszeit bis zum 20. November beim

SPD-Landesverband unter: [email protected] bzw. Tel. 0331-730 980 0

Wie verbindet man Helfende und Hilfesuchende am besten miteinander? Wie kommt die Hilfe dort an, wo sie gebraucht wird? Seit Anfang Okto-ber gibt es darauf eine Antwort: HelpTo – das Flüchtlings-Hilfe-Por-tal. Mit wenigen Klicks kann man eigene An-gebote oder Gesuche einstellen und auf vor-handene Einträge reagieren, egal ob es sich um Sachspenden, ehrenamtliches Engagement oder die Vermittlung von Arbeit oder Wohnraum han-delt. HelpTo bringt Flüchtlinge, engagierte Bürger,

Initiativen, Organisationen, Kommunen und Un-ternehmen zusammen und unterstützt die Helfer

vor Ort. HelpTo ist auf Städte und Landkreise ausgerichtet und kann kostenlos genutzt werden. Bei Interesse reicht eine E-Mail an [email protected]. HelpTo ist ein ge-meinnütziges Projekt des Vereins Neues Potsdamer Toleranzedikt und finanziert

sich über Spenden, Sponsoring und Kooperatio-nen.

Mehr Informationen unter: www.helpto.de

Flüchtlingshilfe leicht gemacht

Service

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abpfiff.D i e K u r v e n - G l o s s e

Ostkurve.

Alleestraße 9, 14469 Potsdam

0331 –73 09 80 - 0

0331 – 73 09 80 - [email protected]

www.spd-brandenburg.de

Facebook.com/SPDBrandenburg

youtube.com/SPDBrandenburg

twitter.com/ostkurve

IMPRESSUM.

Klara GeywitzGeneralsekretärin (V.i.S.d.P.)

Daniel Rigot Landesgeschäftsführer

Matthias Beigel Stellv. Landesgeschäftsführer

Birgit Gorholt Arbeitsgemeinschaften

Wilma JacobiFinanzen

Arnulf Triller Politik und Kommunikation

Der SPD-Landesverband im Regine-Hildebrandt-Haus

Bildnachweise: Iris Schneider (S.2u); BMJ (S.2o,15); Oliver Lang (S. 3ol); clipdealer.de (S.1,3o,4, 6,17, 21); Piotr Drabik, Lizenz CC BY 2.0; SPD-Landtagsfraktion (S.10); Marc Dietzschkau (S.14); Alva Grünke/privat (S.16); Stadt Eberswalde (S.17); Carsten Schneider (S.18)

FAX

Deutschland ist tief verunsichert. Wurde unser Sommermärchen 2006 gekauft? Ist am Ende sogar der Kaiser himself darin verwickelt? Nein, das wollen wir uns nicht vorstellen. Nun gut, diese merkwürdige Pressekonferenz vom DFB-Chef konnte uns nicht beruhigen. Waren dann doch mehr neue Fragen als Ant-worten. Aber zum Glück hat der Franz ja gute Freunde. Den Alfred zum Beispiel. Der arbeitet bei einer Zeitung und hat nach eigenen Aus-sagen sofort nach Bekanntwerden eine – Ach-tung – „Intensiv-Recherche“ gestartet. Die bestand dann darin, beim Franz anzurufen und sich erzählen zu lassen, wie der Franz die ganze Geschichte sieht. Das wurde dann ratzfatz veröffentlicht, natürlich mit der Schlagzeile „Beweis, Sommermärchen nicht gekauft!“ Ja, mit guten Freunden hat der Franz echt Glück. Bei der FIFA war der Franz lange mit dem Sepp

befreundet. Der Sepp musste sich auch schon mal erklären, zum Beispiel, warum man eine Fußball-WM ins 50 Grad heiße Katar vergibt (ganz ohne Stimmenkauf natürlich). Oder warum der Sepp nichts unternimmt, wenn auf den FIFA-WM-Baustellen Sklaven die Drecks-arbeit machen. Da sprang der Franz dem Sepp zur Seite und erklärte, dass er noch nie einen Sklaven-Arbeiter gesehen hätte. Niemand sei dort – kein Scherz – angekettet. Und schon war der Sepp gerettet. Der Franz. Unter Freunden hilft man sich. Hat er ja sogar schon besungen:

„Lass doch die andern reden, was kann uns schon geschehn, wir werden heut und morgen,nicht auseinander gehn.

Gute Freunde kann niemand trennen, gute Freunde sind nie allein, weil sie eines im Leben können, füreinander da zu sein ...“

Gute Freunde kann niemand trennen