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LIZEI EIN ARTNER P P D Gewerkschaft der Polizei Fußball – gemeinsam und fair!

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LIZEIEIN ARTNER

PPD

G e w e r k s c h a f t d e r Po l i z e i

Fußball –gemeinsam und fair!

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Gewerkschaft der Polizei

gemeinsam und fair!

www.VDPolizei.de

Fußball –

Kapitel 1: „GEMEINSAM und FAIR“: NRW muss eine Vorreiterrolle übernehmen.......................0

Gewalt als Event? ...........................................................0

Drei Fragen an ... ..........................................................0

10 Positionen der Gewerkschaft der Polizei für friedlichen Fußball .....................................................0

Kapitel 2: Fußball ist nicht unser Leben, aber unser Alltag.................0

Kapitel 3: Ein friedlicher Fußballnachmittag .....................................0

Kapitel 4: Sicherheit durch Service ..................................................0

Kapitel 5: Gewalt beginnt bei der Beleidigung ................................0

Kapitel 6: Auf dem Weg zu einem besseren Miteinander ..................0

Impressum

Verantwortlich für den redaktionellen Teil:pressto – agentur für medienkommunikation, KölnRedaktion: Thomas Eckelmann, Walter Liedtke, Robert Sedlak, Simone Wroblewski und Stephan Hegger, GdP NRW

Titelfoto/Foto Innentitel: Manfred Vollmer, GdP NRW

Nachdruck des redaktionellen Teils nur nach ausdrück-licher Genehmigung des Herausgebers

Sämtliche hier veröffentlichte Anzeigen, die im Kundenauf-trag für die Drucklegung vom Verlag gestaltet wurden, sindurheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Vervielfältigungund elektronische Speicherung ist nur mit Zustimmung desAnzeigenkunden und des Verlages erlaubt. Verstöße hier-gegen werden vom Verlag, auch im Auftrag des Anzeigen-kunden, unnachsichtig verfolgt.

Verlag, Anzeigenwerbung und Gestaltung:VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBHAnzeigenverwaltungEin Unternehmen der Gewerkschaft der PolizeiForststraße 3 a • 40721 HildenTelefon 0211 7104-0 • Telefax 0211 [email protected]

Geschäftsführer: Bodo Andrae, Joachim KranzAnzeigenleiterin: Antje KleukerGestaltung und Layout: Jana Kolfhaus

Satz und Druck: Griebsch & Rochol Druck GmbH & Co. KG, Hamm© 2014

12/2014/95

Ausgabe Ruhrgebiet

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Die Chancen, dass das gelingen kann,stehen nicht schlecht: Immerhin verfolgenan Rhein und Ruhr jede Saison 4,5 Milli-onen Zuschauer alleine die Spiele der 1.Bundesliga. Im Schnitt sind das 52.000Zuschauer pro Spiel. Das ist mehr, als vie-

le Städte und Gemeinden in DeutschlandEinwohner haben. Gemessen daran ist dieZahl der gewalttätigen Auseinanderset-zungen in den Stadien und in derenUmfeld gering. Oft sind sie allerdingsbesonders brutal.

Am 18. Januar 2014 hätte es bei einer Mas-senschlägerei zwischen gewalttätigenAnhängern des 1. FC Köln und von Schal-ke 04 mitten in der Kölner Innenstadt fastden ersten Bundesligatoten gegeben. Drei-ßig Jahre nach dem tödlichen Angriffgewalttätiger HSV-Fans auf den erst 16-jährigen Bremer Fußballfan Adrian Malei-ka. Dass es in Köln nicht erneut zu einemToten gekommen ist, war nur dem schnel-len, beherzten Eingreifen der Kölner Poli-zei zu verdanken. Dabei war die Tat bei-leibe nicht der einzige brutale Vorfall dervergangenen Monate. Nur fünf Wochenzuvor, am 6. Dezember 2013, hatten 400Anhänger von Dynamo Dresden auf demWeg zu einem Zweitligaspiel gegen Armi-nia Bielefeld eine Spur der Gewalt durchdie Bielefelder Innenstadt gezogen. Auchhier war es nur dem konsequenten Ein-greifen der Polizei zu verdanken, dass ausder Spur der Gewalt nicht eine Spur derVerwüstung geworden ist.

Mit Dortmund, Schalke, Mönchengladbach, Leverkusen, Köln und Paderborn

kommen in der Bundesliga-Saison 2014/2015 gleich sechs der 18 Erstliga-

Vereine aus NRW. Düsseldorf und Bochum spielen zudem in der 2. Bundesli-

ga. Kein anderes Bundesland stellt derart viele Spitzenklubs. Mit dem 80.000

Zuschauer fassenden Dortmunder Signal Iduna Park steht in NRW nicht nur

das größte Fußballstadion Deutschlands, sondern in NRW finden Woche für

Woche auch die meisten Ligaspiele statt. Wenn es um neue Wege geht, die

den Fußball wieder zu einem Ereignis machen, bei dem der Sport im Vorder-

grund steht und nicht die Ausschreitungen gewaltbereiter Fans, muss NRW

deshalb eine Vorreiterrolle übernehmen.

GEMEINSAM und FAIR:NRW muss eine Vorreiterrolle übernehmen

Kapitel 1

2

Ausschreitungen gewaltbereiter Fans Anfang April 2014 bei

einem Pokalspiel von Rot-Weiss Essen gegen den MSV Duisburg

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17 Polizistinnen und Polizisten wurdenbei den Auseinandersetzungen verletzt,zwei von ihnen schwer. Einer der in Bie-lefeld eingesetzten Polizisten hätte sogarfast sein Augenlicht verloren, weil einDresdener Gewaltfan aus unmittelbarerNähe mit Leuchtspurmunition auf seinGesicht geschossen hat. Nur das herunter-geklappte Visier hat den Beamten vorschwersten Verletzungen bewahrt.Auch im Ruhrgebiet ist es in den vergan-genen Jahren immer wieder zu hässlichenAuseinandersetzungen verfeindeterUltra-Gruppierungen gekommen. ImRuhrgebiet fallen nicht nur die Fangrup-pierungen des Regionalligavereins Rot-Weiss Essen, der es in den fünfziger Jah-ren immerhin zum Deutschen Meister undzum Pokalsieger gebracht hat, immer wie-der negativ auf, sondern auch bei den Fansder Spitzenklubs Borussia Dortmund undSchalke 04 kommt es häufiger zu gewalt-tätigen Auseinandersetzungen unterein-ander verfeindeter Ultra-Gruppierungen. Auf Schalke eskalierte die Situation EndeAugust 2013 während eines Champions-League-Spiel gegen PAOK Saloniki, alsSchalker Ultras demonstrativ eine maze-donische Flagge aufgezogen hatten, umdie Saloniki-Fans bis zur Weißglut zu rei-zen. Nachdem alle Versuche des Vereins,das Einrollen des Banners durchzusetzen,gescheitert waren, schritt die Polizei einund verhinderte so eine unmittelbar dro-hende Stürmung des Spielfelds. Die Situ-ation im Stadion wäre dann nicht mehr zukontrollieren gewesen. Trotzdem wurdedie Polizei anschließend massiv von derVereinsführung von Schalke kritisiert.Geschäftsführer Peter Peters nannte denPolizeieinsatz „völlig unverhältnismäßig“.Er habe dafür „kein Verständnis“, erklär-te er gegenüber den Medien. Dass die Poli-zei nur deshalb eingeschritten war, weilzuvor der Sicherheitsdienst des Vereinsvollkommen versagt hatte, ließ er dabeiunerwähnt. Innenminister Ralf Jäger(SPD) drohte Schalke 04 daraufhin an, bisauf weiteres auf den Einsatz der Polizeiim Stadion zu verzichten, falls die Polizei-präsenz von der Vereinsführung nichtmehr gewünscht sei, und legte damit denFinger in die Wunde. Schließlich ist derVerein für die Sicherheit der Besucher imStadion selber verantwortlich. Erst wennder Verein versagt, kommt die Polizei insSpiel. Zur Abwehr einer unmittelbar dro-henden Gefahr für Leib und Leben und

zur Verfolgung von Straf-taten – aber nicht zur rou-tinemäßigen Verstärkungeines permanent überfor-derten Ordnungsdien-stes. Auch bei den Revierder-bys ist es in den letztenJahren immer wieder zugewalttätigen Ausein-andersetzungen gekom-men. Einer der traurigenHöhepunkte: Im Oktober2013 haben angereisteBVB-Anhänger im Schal-ker Stadion nicht nurPyrotechnik abgefackelt,sondern auch gezieltLeuchtspurmunition indie mit Familien und Kin-dern besetzten Schalke-Blocks gefeuert. Das Spielwurde aus Sicherheits-gründen unterbrochen,noch bevor es richtigbegonnen hatte. Zuvorhatten DortmunderUltras bereits auf demWeg ins Stadion sogarunbeteiligte Passantenangegriffen. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zeigtesich schockiert. „Mich hatdas Verhalten unserer Fans extrem geär-gert. Dafür muss man sich schämen, dasgeht gar nicht“, sagte er nach dem Spielund kündigte harte Maßnahmen gegenü-ber den Rädelsführern an.Mit Fankultur hat das Auftreten vielerUltra-Gruppierungen nichts zu tun. DieGewerkschaft der Polizei (GdP) hat des-halb in den vergangenen Jahren immerwieder darauf gedrängt, dass sich die Ver-eine und ihre Fangruppierungen von denGewalttätern in den eigenen Reihen tren-nen, statt deren oft aus der Anonymitätder Masse begangenen Straftaten zu ver-harmlosen. Das gilt vor allem für dieUltras – auch wenn sie für den Vereinwichtig sind. „Ultras sind besonders treueAnhänger. Sie tragen mit ihren Choreo-graphien wesentlich zur Stimmung in denStadien bei. Aber die Ultras dulden inihren eigenen Reihen Gewalttäter, dienicht am Fußball interessiert sind, sondernausschließlich an Auseinandersetzungenmit den Anhängern anderer Vereine. Das

ist nicht hinnehmbar“, betont GdP-Lan-desvorsitzender Arnold Plickert. 10.400 Personen zählt die in Duisburgangesiedelte Zentrale InformationsstelleSporteinsätze der Polizei (ZIS) in ihremaktuellen Jahresbericht für die Fußballsai-son 2012/2013 bundesweit in der 1. und2. Bundesliga zur Gruppe der Problem-fans, die zur Gewalt neigen (Kategorie B)oder unmittelbar zur Gewalt entschlossensind (Kategorie C). 2.400 davon kommenaus NRW. Nimmt man die 3 .Liga und diefünf Regionalligen hinzu, sind es sogarmehr als 17.000 Problemfans, 4.900 davonaus NRW. Um sie geht es. Sie prägen diehässliche Seite des Fußballs und lassendabei fast vergessen, dass der Fußball Jahrfür Jahr alleine in den oberen vier Spiel-klassen mehr als 19 Millionen friedlicheFans in die Stadien lockt.Um das zu ändern, setzt die GdP auf denDialog mit allen Beteiligten, bei der Poli-zei und den Vereinen, beim DFB und denFan-Initiativen. Bereits zweimal, 2009 und

Kapitel 1

3

Der Fußball gehört den Fans, nicht den Gewalttätern!

Revierderbys sind nicht nur besonders spannend, sondern sie gehören auch zu den Risikospielen, bei denen die Poli-zei mit starken Einsatzkräften vor Ort ist, um die untereinan-der verfeindeten Fangruppierungen zu trennen. Das galterst recht für das am 25. März 2014 in Dortmund ausgetra-gene Revierderby von BVB und Schalke 04. Damit es dortnicht erneut zu den von vielen befürchteten gewalttätigenAuseinandersetzungen kommt, hatte die GdP gemeinsam mitder Vereinsführung des BVB und von Schalke im Vorfeld desSpiels einen Appell an die Fans veröffentlicht: „Niemand willerneut Bilder sehen, wie wir sie alle noch von Augen haben:verletzte Zuschauer, verletzte Polizisten, zerstörte Sicherheits-abtrennungen, als Wurfgeschosse benutzte Pyros, gewalttä-tige Auseinandersetzungen mitten in der Innenstadt.“, heißtes in dem gemeinsam vom GdP-Landesvorsitzenden ArnoldPlickert, BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke undSchalke-Boss Clemens Tönnies unterschriebenen Aufruf.Gemeinsam appellierten die GdP und die beiden Bundesli-gaklubs an die Fans: „Feuern Sie Ihre Mannschaften an, las-sen Sie uns ein Derby erleben, bei dem es auf dem Platzheiß hergeht. Aber verhalten Sie sich friedlich, distanzierenSie sich von den Krawallmachern und von allen, die vorGewalt nicht zurückschrecken. Bieten Sie denen kein Forumund keinen anonymen Rückzugsraum, die das tolle Revierd-erby nur als Bühne für gewalttätige Auseinandersetzungenmissbrauchen wollen.“4.000 Beamte waren an diesem Tag neben den vereinsei-genen Ordnern in Dortmund im Einsatz. Aber es bliebruhig.

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2011, hat der Landesbezirk NRW zu einemeigenen Fußballforum geladen. 2015 sollein weiteres Forum folgen. Mit den Fuß-ballforen setzt die GdP auf den gemeinsa-men Dialog – und auf Veränderung: Von den Vereinen erwartet die GdP, dasssie Fangruppierungen, die Gewalttäter inden eigenen Reihen dulden, ihre Unter-stützung entziehen. Das reicht von derStreichung der Privilegien wie dem freienZugang der Fangruppen in die Stadienaußerhalb der Spiele über den Entzug derMöglichkeit zum Einlagern von Transpa-renten und Fahnen in eigenen Räumen imTribünenbereich bis zum Fortfall der Kar-tenkontingente zur Weiterverteilung

innerhalb der Fangruppen. Bei gewalttä-tig gewordenen Fans müssten die Vereinezudem das Instrument der Stadionverbo-te konsequenter einsetzen. Auch den DFB sieht die GdP in der Pflicht.Der Vorwurf: Lange Zeit haben der DFBund die Vereine bei Gewalttäten unter denFans weggeschaut. Das gilt auch bei derPyrotechnik. „Die Gespräche über ein kon-trolliertes Abbrennen von Pyros, die derDFB mit den Fangruppen geführt hat,waren ein Fehler. Ihr Abfackeln auf voll-besetzen Tribünen ist ein nicht zu verant-wortendes Sicherheitsrisiko“, warntArnold Plickert. „Aber das wissen inzwi-schen auch die Verantwortlichen beim

DFB. Inzwischen steht auch beim DFBdie Sicherheit in den Stadien ganz obenauf der Tagesordnung.“ Für die GdP istdeshalb entscheidend, dass der DFB unddie Vereine jetzt das Ende 2012 nach län-gerer, kontroverser Diskussion verabschie-dete Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“mit Leben füllen. Gefordert sind aber auch die Politik unddie Polizei. „Wir müssen mehr dafür tun,um die Gewalttäter von den echten Fuß-ballfans zu trennen“, fordert Plickert. Einsder Instrumente dazu ist die konsequen-te Verhängung von Bereichsvertretungs-verboten im Umfeld der Stadien und vonMeldeauflagen. Wenn ein polizeibekann-ter Gewaltfan nicht zum Auswärtsspielanreisen kann, sondern sich in seinemWohnort zu einer Gefährderansprache beider Polizei einfinden muss, würde das vielfür die Sicherheit der Spiele bringen. Hier-zu brauchen wir einheitliche Regelungenin den Polizeigesetzen der Länder. Auchbeim Einsatz von speziell ausgebildetenFußballstaatsanwälten hapert es noch.Bereits 2009 hatte die GdP auf ihrem dama-ligen Fußballforum in Gelsenkirchengefordert, dass bei Risikospielen eigeneFußballstaatsanwälte vor Ort sind. Schwe-re Straftaten im Umfeld der Spiele könn-ten dann sofort geahndet werden. DerAbschreckungseffekt für potenzielleGewalttäter wäre enorm. Alle anderenStrafverfahren müssten grundsätzlich amWohnort durchgeführt werden. Wieder-holungstäter würden dadurch schnellererkannt. Ausreden, bei der Straftat würdees sich um einen einmaligen Ausrutscherhandeln, gingen dann vor Gericht nichtmehr durch. Aufgegriffen hat die Politikdie Forderungen trotzdem bis heute nicht. Von der Polizei würde sich die GdP beimanchen Spielen einen geringeren Perso-naleinsatz wünschen. Aber das funktio-niert nur im Konsens mit der Politik undden Vereinen. „So lange die verantwort-lichen Einsatzführer fürchten müssen,dass sie sich nach jedem Fußballspiel, beidem sie mit geringeren Kräften vor Ortwaren, hinterher vor dem DüsseldorferInnenausschuss verantworten müssen, istdas schwierig. Hier fehlt ein Signal derPolitik“, bedauert der GdP-Vorsitzende.Zudem müssten die Vereine endlich mehrund vor allem besser qualifizierte Ordnerbereitstellen. Nicht nur bei den Hochrisi-kospielen. Dann könnte die Polizei ihreneigenen Personaleinsatz zurückfahren.

Kapitel 1

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Gemeinsamer Aufruf von GdP, BVB und Schalke

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Gemessen an den mehr als fünfein-halb Millionen Zuschauern, die alleine dieMannschaften der 1. und 2. Bundesliga inder vergangenen Saison in NRW in die Sta-dien gelockt haben, sind 247 Verletzte aufden ersten Blick wenig. Für die GdP ist estrotzdem nicht hinnehmbar, dass Fußball-fans und die bei den Spielen eingesetztePolizisten Gefahr laufen, Opfer einesgewalttätigen Angriffs zu werden. Denndie Angriffe sind eine Straftat, die mit Fan-kultur nichts zu tun haben. Die GdP dringtdeshalb seit langem darauf, dass die Täterendlich konsequent verfolgt werden,damit sich beim Fußball etwas ändert. Unterstützt sieht sich die GdP auch druchden ZIS-Bericht, der die begangenenGewalttaten in den vier oberen Ligen auf-listet. Fast ein Drittel der dort in der ver-gangenen Saison von Fußballfans in NRWbegangenen 1.900 Straftaten sind Körper-

verletzungen (28,7 Prozent). In jedem sieb-ten eingeleiteten Strafverfahren ging esum Landfriedensbruch (12,7 Prozent) oderum Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz(12 Prozent). Eine Besserung ist nicht inSicht – allen anderslautenden Hoffnungenzum Trotz. Auch nicht bei der Zahl derGewalttäter unter den Fußballfans. LautZIS-Bericht ist ein Rückgang des gewalt-bereiten Potenzials unter den Anhängernder NRW-Vereine in den ersten vier Ligen„weiterhin nicht erkennbar“. Auch die Beobachtung der GdP, dass sichdie Gewaltauseinandersetzungen deruntereinander verfeindeten Fangruppenzunehmend auf öffentliche Straßen undPlätze außerhalb der Stadien verlagern,wird durch den Bericht bestätigt. Die Mas-senschlägerei von Köln war dabei nichtnur ein trauriger Höhepunkt, sondern sieliegt auch voll im Trend. Selbst dann, wenn

die Schlägereien zwi-schen den Anhängernder verschiedenenKlubs mitten in derInnenstadt stattfinden,wollen die beteiligtenFans die Polizei außenvor halten. Die Ausein-andersetzungen wer-den deshalb häufig zuZeiten geplant, andenen die für das Spielvorgesehenen Einsatz-kräfte der Polizei nochnicht vor Ort sind,

oder für die Zeit nach dem Spiel, wenn dereigentliche Polizeieinsatz längst beendetist. Um ein Einschreiten der Polizei zu ver-hindern, werden Ort und Zeit der geplan-ten Schlägerei oft konspirativ über dasHandy verabredet. Nur einzelne Mitglie-der der beteiligten Gruppen kennen die

Fußball ist die schönste Nebensache der Welt, manchmal aber eine gefährliche. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden in

der Bundesliga-Saison 2012/2013 – die Daten für die Saison 2013/2014 werden erst im Herbst 2014 veröffentlicht –

247 Menschen bei gewalttätigen Auseinandersetzungen am Rande der Fußballspiele verletzt. 128 Opfer waren Unbetei-

ligte, weitere 56 Mal traf es Polizisten. Unter den Störern, von denen die Gewalt ausgegangen war, gab es 63 Verletzte.

Das geht aus dem NRW-Jahresbericht 2012/2013 hervor, den die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze der Polizei

(ZIS) Ende vergangenen Jahres erstmals veröffentlicht hat. Auch auf Druck der GdP. Bis dahin gab es den jährlichen ZIS-

Bericht nur mit bundesweiten Daten.

Gewalt als Event?Kapitel 1

5

Unter den mehrere Millionen Zuschauern,die in NRW regelmäßig im Stadion die Spie-le ihres Vereins verfolgen, gelten knapp5.000 als Problemfans, weil sie entweder beiGelegenheit zur Gewalt neigen (Fans derKategorie B) oder sogar als offen Gewaltsuchend bekannt sind (Kategorie C).

Fast sieben Millionen Zuschauer verfolgenin NRW allein in den obersten vier Spielklas-sen Saison für Saison die Fußballspiele ihresVereins. Mit 4,5 Millionen Zuschauern ent-fällt der Löwenanteil davon auf die 1.Bundesliga.

Details. Trotzdem werden auch hier oftvollkommen Unbeteiligte Opfer der ver-feindeten Fangruppen.

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Der Fußball wird in Deutschlandimmer attraktiver. Nahezu flächendek-kend sind in den vergangenen Jahrenmoderne Stadien entstanden, die immergrößere Menschenmassen anziehen.Auch international mischt der deutscheFußball ganz vorne mit. Gleichzeitig gibtes aber immer wieder massive Ausein-andersetzungen zwischen verfeindetenFangruppen und der Polizei. Droht beimFußball eine Eskalation der Gewalt?Arnold Plickert: Das glaube ich nicht.Auch wenn wir Anfang des Jahres fast denersten Bundesligatoten gehabt hätten,muss man anerkennen, dass die Polizei,aber auch der DFB und die Vereine in denvergangenen Jahren viel in die Sicherheitder Spiele investiert haben. Aber es gibteine Gruppe von Fans, die wir trotz allermodernen Sicherheitskonzepte nicht errei-chen, weil sie ausschließlich an Randaleinteressiert sind, aber nicht am Fußball.Die erreichen wir weder als Polizei nochdie Vereine oder die Faninitiativen.

Bundesweit gibt es nach Einschätzungder ZIS 4500 ausschließlich an Gewaltorientierte Fußballfans der Kategorie C,1400 davon kommen aus NRW. Wiekommt es, dass eine so kleine Gruppepermanent das Gesicht des Fußballsprägt?Arnold Plickert: Für mich sind das keineFans, sondern Straftäter, und so müssenwir sie auch behandeln, nicht nur die Poli-zei, sondern auch die Vereine und dieanderen Fans. Genau daran fehlt es aber,weil viele Fangruppen Gewalttätern ausden eigenen Reihen lieber den Schutz derAnonymität für ihre Straftaten bieten, stattsich von ihnen zu distanzieren. Das giltvor allem für gewaltbereite Ultras. Wobeiauch klar ist: Nicht alle Ultras sind Gewalt-täter. In der jüngsten Zeit treten zudem verstärkt wieder Hooligans auf. Diese Gruppierun-gen hatten sich eigentlich schon vom Fuß-ball abgemeldet, die Aktionen der Ultras

mit ihren Choreographien für den Vereinfanden sie langweilig. Erst als die Hooli-gans gemerkt haben, dass die Ultras mitihrer Gewalt im Rampenlicht der Medienstehen, war für sie der Fußball wiederinteressant. Das ist eine neue explosiveMischung, weil sich diese Gruppen nochweniger kontrollieren lassen und zudemzum Teil dem rechtsextremen Spektrumzuzuordnen sind.

Wie groß sind die Chancen, das Pro-blem der zunehmenden Gewalt in denStadien und im Umfeld der Spiele inabsehbarer Zeit wieder in den Griff zubekommen?Arnold Plickert: Die Gewalt beim Fuß-ball hat eine lange Tradition, sie wird des-halb nicht über Nacht verschwinden.Trotzdem können wir das Gewaltproblemzurückdrängen, wenn endlich alle, die fürdie Sicherheit bei den Spielen eine Ver-antwortung tragen, ihre Auf-gaben angehen statt immerneue Arbeitsgruppen einzu-setzen, wie das zuletzt dieInnenministerkonferenz imJuni in Bonn wieder gemachthat. Den DFB und die Verei-ne sehe ich vor allem bei derUmsetzung des Ende 2012verabschiedeten Konzepts„Sicheres Stadionerlebnis“ inder Pflicht. Dazu gehörtauch, dass die Vereine end-lich genügend und vor allembesser qualifizierte Ordnerzur Verfügung stellen, unddass der DFB Hochrisiko-spiele nicht permanent aufden späten Abend legt, wennsich die Situation zusätzlichdurch Alkohol und Dunkel-heit verschärft. Die Fansmüssen sich ohne jedesWenn und Aber von Gewalt-tätern in den eigenen Reihendistanzieren. Und die Politik

muss endlich die rechtlichen Vorausset-zungen dafür schaffen, dass Meldeaufla-gen und Bereichsbetretungsverbote fürGewalttäter nach bundesweit einheit-lichen Standards verhängt werden kön-nen. Die Hoffnung, dass sich der enormePersonaleinsatz, mit dem die Polizei fürSicherheit bei den Fußballspielen sorgt,kurzfristig reduzieren lässt, halte ich dage-gen für pures Wunschdenken. Straftatenwird es beim Fußball immer wieder geben,so wie wir das auch bei anderen Großver-anstaltungen erleben. Wenn wir trotzdemdie Einsatzstärke der Polizei reduzierenwollen, wächst damit das Risiko, dass beieinem bestimmten Spiel auch schon malzu wenig Polizisten vor Ort sind. Dass gehtnur, wenn diese Entscheidung auch vonder Politik mitgetragen wird. Und es gehtnur, wenn dadurch die friedlichen Fansund die vor Ort eingesetzten Polizistennicht gefährdet werden.

Arnold Plickert, Vorsitzender der Gewerkschaft die Polizei (GdP) in NRW, über Gewalt in den Stadien und die

Chancen, den Fußball wieder zu einem Ereignis zu machen, bei dem der Sport im Vordergrund steht und nicht die

Ausschreitungen einer kleinen Minderheit.

Drei Fragen an …

Kapitel 1

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Arnold Plickert, Vorsitzender der Gewerkschaft die Polizei (GdP) in NRW

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Die schönste Nebensache der Welt ist für viele Menschen der Fußball. Seit Jahren steigen die Zuschauerzahlen im

Bereich der Bundesligen, aber auch in den unteren Ligen erfreuen sich die Vereine sehr treuer Fans. Jedes Jahr wer-

den über 4 Mio. Fußballspiele in Deutschland ausgetragen, von denen weit über 95 % friedlich verlaufen. Trotzdem

beschäftigt die Gewalt im Fußball alle Beteiligten, insbesondere die Vereine und die Polizeibehörden. Rund 10.000

gewaltbereite Fußballfans versuchen immer wieder sowohl gegnerische Fans als auch die stets anwesende Polizei in

gewaltsame Auseinandersetzungen zu verwickeln. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) pflegt seit Jahren sehr gute

Kontakte zum DFB und arbeitet intensiv an Konzepten zur Reduzierung der Gewalt im deutschen Fußball. Die GdP

formuliert 10 Punkte für einen friedlichen Fußball, damit die schönste Nebensache der Welt tatsächlich schön ist.

10 Positionen

Kapitel 1

7

der Gewerkschaft der Polizei für friedlichen Fußball

Kolleginnen und Kollegen nach wie vor motiviert ihre Ein-sätze versehen. Die individuelle Überlastung der Kollegin-nen und Kollegen der Einsatzhundertschaften ist nur durcheine vernünftige Neueinstellungspraxis abzubauen.

5. Viele Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte müssen sich inden Einsatzsituationen vielfältigen Beleidigungen aussetzen.Die Gewerkschaft der Polizei vertritt die Auffassung, dassvor allem die Bezeichnung A.C.A.B. oder abgewandelte For-men über den Grad der individuellen Deliktsform der Belei-digung auch einen strafwürdigen kollektivbeleidigendenCharakter hat. Wir fordern die Justizminister des Bundes undder Länder auf, die kollektive Beleidigung einer Berufsgrup-pe nicht tatenlos hinzunehmen.

6. Um die Einsatzbelastung der Landes- und der Bundespolizeideutlich zu senken, ist es notwendig, einer Kollision vonGroßereignissen mit polizeilicher Einsatznotwendigkeitfrühzeitig entgegenzuwirken. Es ist zu begrüßen, dass diezwischen der GdP und dem DFB geführten Gespräche dazugeführt haben, eine Spitzenbelastung der Polizei, zum Bei-spiel rund um den 1. Mai 2011 zu reduzieren, gleichwohl lässtsich ein vernünftiges Einsatzmanagement nur dann künftigumsetzen, wenn die wichtigen Akteure wie Bundesregie-rung, Landesregierungen, DFB und Polizeiführungen sichnoch stärker abzustimmen versuchen.

7. Die GdP fordert ein Alkoholverbot im Bereich des ÖPNV,denn Alkohol ist der Gewaltbeschleuniger schlechthin.

8. Die Fanbegleitung durch den jeweiligen Heimatverein mussauf allen An- und Abreisewegen verbessert werden.

9. Die Versorgung reisender Fans in Zügen des Nah- und Fern-verkehrs muss sowohl in sanitärer als auch in gastronomi-scher Hinsicht verbessert werden, wobei es nicht auf 1.-Klas-se-Standards, sondern zumindest auf die Einhaltung von Mi-nimalstandards ankommt. In den Regelzügen muss darüberhinaus anlassbezogen mehr Transportkapazität zur Verfü-gung gestellt sein.

10. Die Verwendung von Pyrotechnik innerhalb und außerhalbvon Stadien muss verboten bleiben.

1. Die Richtlinien des DFB zur Stadionsicherheit haben sichbewährt, obwohl die Zahl der Stadionverbote leicht rück-läufig ist, stellen sie ein probates Mittel zur Gewaltpräven-tion dar. Nach den Vorfällen der Hinrunde der Fußballsai-son 2011/2012 fordert die Gd P eine absolut konsequenteHaltung der Vereine im Umgang mit bekannten Fußballge-walttätern sowie die Anwendung der DFB-Stadionrichtli-nien außerhalb der Profi-Ligen. Hausverbote und nach ent-sprechendem Verfahren auch Stadionverbote müssen kon-sequent gegenüber jeder Person ausgesprochen werden, derdie Stadionordnung oder Strafgesetze innerhalb und außer-halb der Stadien verletzt.

2. Um jugendliche Gewalttäter aus dem Fußballbereich frühzei-tig die Grenzen aufzuzeigen, müssen auch die Straftaten die-ser Personen möglichst rasch in einem Strafverfahren bear-beitet werden. Die Erfahrung zeigt, dass es in der Justizgegenüber sogenannten Fußballstraftätern durchaus eine ge-wisse Nachsicht zu geben scheint. Die GdP empfiehlt daher,die Justiz im Umgang mit sportspezifischen Kriminalitäts-phänomenen zu sensibilisieren.

3. Die GdP bleibt bei ihrem Nein zur Beteiligung der Fußball-vereine an den Kosten von Polizeieinsätzen, weil dies ausgrundsätzlichen Erwägungen (Gleichbehandlung der Kos-tenverursacher, Vereine als Nicht-Störer) nicht zielführendist, die eingenommenen Mittel nicht der Polizei zur Verfü-gung gestellt würden und lediglich Vereine der ersten undzweiten Bundesliga betroffen wären. Die GdP setzt darauf,dass sich die Fußballvereine ihrer finanziellen Verantwor-tung für eine nachhaltige Präventionsarbeit bewusst sind.

4. Der deutliche Anstieg der polizeilichen Einsatzzeiten in denletzten Jahren, der insbesondere auf Großereignisse im Fuß-ball, Veranstaltungs- und Demonstrationsbereich zurückzu-führen ist, zeigt klar auf, dass die personelle Ausstattung derPolizeien auch im Bereich der geschlossenen Einheiten zu ge-ring bemessen ist. Die massive Belastung der Kolleginnenund Kollegen vergrößert das Gesundheitsrisiko und verrin-gert die Qualität des Einsatzgeschehens, obwohl sehr viele

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Fußball ist das mit Abstand größtegesellschaftliche Ereignis nicht nur inDeutschland. Mehr als zwanzig MillionenZuschauer verfolgen pro Saison bei Windund Wetter in den Stadien die Spiele der

Mannschaften aller Klassen. In den Fuß-ballvereinen wird gesellschaftlich wert-volle Arbeit geleitstet. Niemandem kannes daher gleichgültig sein, wenn Schattenauf die „schönste Nebensache der Welt“fallen, wenn nach einem Spiel mehr überfeige Gewalt als über mutige Doppelpäs-se berichtet wird.

Das „Nationale KonzeptSport und Sicherheit“

Von allen Beteiligten wird viel getan, umFußballereignisse zu aufregenden, aberfriedlichen Erlebnissen zu machen, bei

denen außer dem Rasen niemand zuSchaden kommt. Das „Nationale KonzeptSport und Sicherheit“ erstreckt sich vonder Fanbetreuung im Rahmen der Sozi-alarbeit über bundesweit abgestimmte

Stadienordnungen bis hin zur Erarbei-tung von Rahmenrichtlinien für Ordner-dienste und bauliche Sicherheitsstan-dards für Stadien. Die Beteiligten sehendie Gefahr, dass „Jugendliche unter demEinfluss gewaltbereiter Personen (Grup-pen) abweichendes Verhalten lernen bzw.festigen. Ausschreitungen führen zuAnsehensschädigungen einzelner Verei-ne, des Sports allgemein und der staat-lichen Gemeinschaft insgesamt, wennzum Beispiel bei Fußballspielen im Aus-land deutsche Gewalttäter auftreten.“ DieAllianz gegen Gewalt ist breit aufgestellt:Ihr gehören der Deutsche Fußballbund,der Deutsche Sportbund, der DeutscheStädtetag, die Innenministerkonferenz,

die Jugendministerkonferenz, die Sport-ministerkonferenz, das Bundesministe-rium des Innern und das Bundesminis-terium für Familie, Senioren, Frauen undJugend an.

Polizei in Dauerbelastung

In Abwandlung des Fußballliedes „Fuß-ball ist unser Leben“ stellt manche Ein-satzkraft für sich fest: „Fußball ist nichtmein Leben, aber mein Alltag“.

Ultras werden zunehmendaggressiver

Die meisten Mitglieder der sogenannten„Ultras“-Gruppierungen sind zwischen18 und 25 Jahre alt. Die Polizei beobach-tet eine Steigerung der Aggressivität vonAngehörigen der „Ultra“-Gruppierungensowie eine Solidarisierung gegenüber Mit-arbeitern der Ordnungsdienste und Ein-satzkräften der Polizei, wenn diese gegenMitglieder einer „Ultra“-Gruppe ein-schreiten. Häufig wird Pyrotechnik im Stadion– ins-besondere im Stehplatzbereich – im Sicht-schutz übergroßer, teilweise den ganzenFanblock überspannender Fahnen undTransparente gezündet. Dadurch wirden zum Beispiel Videoüberwachungsmaß-nahmen der Sicherheitskräfte unterlaufen.Dem gleichen Zweck dienen zur Vermum-mung hochgezogene Schals bzw. insGesicht heruntergezogene Kapuzen.Durch die starke Rauchentwicklungkommt es regelmäßig zu teilweise erheb-lichen Gesundheitsschädigungen, vondenen auch viele unbeteiligter Stadion-besucher betroffen sind.

Spieler wechseln die Vereine. Trainer werden entlassen und Vorstände nicht

wiedergewählt. Einzig die Zuschauer und die polizeilichen Einsatzkräfte

scheinen immer präsent zu sein.

Fußball ist nicht unserLeben, aber unser Alltag!Polizei im Wochenend-Dauereinsatz rund um die Stadien

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Kapitel 2

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Überfüllte Züge, verschmutzte Abteile und Toiletten

So sieht die Bundespolizei die LageGefahren, Störungen und Straftaten in Zusammenhangmit Fußballspielen verlagern sich auf den öffentlichenRaum, insbesondere auf die Anfahrtswege und hier-bei auf die Züge und Bahnhöfe. Gewalttäter suchengerade an Knoten- oder Zielbahnhöfen die Ausein-andersetzung mit rivalisierenden Fangruppierungen,stellt das Bundespolizeipräsidium Potsdam fest.Die Zuschauerzahl anlässlich von Fußballspielen steigtseit den 1990er Jahren kontinuierlich an. Während inder Saison 1991/92 noch 11,4 Millionen Fans dieSpiele der Bundesligen besuchten, verzeichnete dieBundesligasaison 2013/2014 insgesamt 21 Millionen

Zuschauer. Die Entwicklung der Zuschauerzahlen geht einher mit einem Anstieg bundesweiter Reisebewegungen und führt zu einerhöheren Nutzung und Auslastung des Öffentlichen Personenverkehrs. Unterstützt wird diese Entwicklung durch das seit der Ligastruk-turreform stark gestiegene Zuschauerinteresse. Günstige Angebote des Regionalverkehrs, um insbesondere bei Auswärtsspielen grö-ßere Strecken zurückzulegen, sowie der besondere Event-Charakter machen das Verkehrsmittel Bahn für Fußballfans besonders attrak-tiv. Lange Reisezeiten werden als gemeinschaftliches Fußballerlebnis eingeplant. Die daraus resultierenden Auswirkungen verlagernsich – auch nicht zuletzt aufgrund der hohen Sicherheitsstandards in den Stadien der Bundesligen – dabei auf den öffentlichen Raum.

Erhebliche Ordnungsstörungen in den BahnenDie fußballtypischen Verhaltensweisen (u. a. Fangesänge, Choreografien) gehen – in Verbindung mit einem hohen Alkoholkonsum –zum Teil mit erheblichen Sachbeschädigungen, mit Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz durch das Abbrennen von Pyrotechnik, mitKörperverletzungsdelikten sowie Landfriedensbrüchen einher und prägen an den Wochenenden an bestimmten Örtlichkeiten das Bilddes Öffentlichen Personenverkehrs. Hinzu kommen – in der Öffentlichkeit wahrnehmbare – erhebliche Ordnungsstörungen (insbeson-dere Lärmbelästigungen und Verschmutzungen). Auch die Polizeivollzugsbeamten sind dabei der räumlichen Enge in überfülltenZügen, verschmutzten Abteilen und Toiletten ausgesetzt. Diese Entwicklungen erfordern auf Seiten der Bundespolizei einen hohen inter-nen und externen Planungs-, Abstimmungs- und Koordinationsaufwand. Dies geht mit einem hohen personellen und materiellen Kräf-teaufwand einher und erfordert gleichzeitig eine hohe Flexibilität aller eingesetzten Kräfte, um die öffentliche Sicherheit oder Ordnungunter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit gewährleisten zu können. Die Bundespolizei setzt hierzu regelmäßig an jedem Spiel-wochenende ca. 2.200 Polizeibeamte ein.

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Ein Einsatzwagen der Bundespo-lizei steht in einer Seitenstraße amBahnhof. In der Wache treffe ich Ste-fan Voss, den Einsatzführer der Zwei-ten Einsatzhundertschaft derBundespolizeiabteilung in SanktAugustin. „Im Lauf der letzten Jahreist die Fußballfanbegleitung ein nichtunerheblicher Faktor unserer Arbeitgeworden“, berichtet er: „Neben denanderen Tätigkeiten wie zum Beispielrund um Demonstrationen, derUnterstützung der Landespolizeienund dem Transportschutz.“ Dochkein Einsatz kann ohne eine gute Vor-bereitung gelingen: „Für die Fanbe-gleitung zu diesem Spiel haben wiruns im Vorfeld mit unseren örtlichenBundespolizeiabteilungen in Kölnund Dortmund abgesprochen.Außerdem können wir auf das Wis-sen der fankundigen Beamten undauch der szenekundigen Beamten inder Kooperation mit dem Land NRWzurückzugreifen, um über die Anzahl derreisenden Fußballfans wie auch der sogenannten „Problemfans“ genauere Aus-künfte zu bekommen.“ Auf der Basis die-ser Lageeinschätzung wird dann entschie-den, wie viele Kräfte der Bundespolizeifür eine Fanbegleitung zum Einsatz kom-men. Das heutige Spiel gilt als nicht unpro-blematisch, deswegen ist eine kompletteHundertschaft im Einsatz. „Bei jedem sol-

chen Einsatz müssen wir uns auch überdie Versorgung der beteiligten Beamtin-nen und Beamten Gedanken machen.“ Siewerden während des Spiels in Leverku-sen in einem Zelt des THW versorgt, bevorsie die Fans dann später wieder auf ihremHeimweg begleiten. Bei jeder Tempera-tur sind die Beamtinnen und Beamten involler Montur im Einsatz. Mit ihren Sicher-heitswesten, die sie unter der Uniform tra-

gen müssen, sehen sie ein wenig wie Eis-hockeyspieler aus. „An heißen Tagen undbei der Begleitung zu weit entfernt liegen-den Auswärtsspielen ist ein guter Vorratan Mineralwasser unerlässlich“, weiß derEinsatzleiter.Die Bundespolizei ist weit davon ent-fernt, in jedem Fußballfan gleich einenGewalttäter zu sehen: „Der Fan ist eigent-lich ein friedliebender und vor allen Din-

gen sportbegeisterter Mensch“, meint Ste-fan Voss: „Aber es gibt schwarze Schafe,die, treten sie geballt auf, eine ganz eige-ne Dynamik entwickeln. Die zunehmen-de Gewalt aus diesen Problemfanberei-chen ist eine ernste Sache.“ Nach seinerErfahrung versuchen vor allem die sogenannten Ultras sich der Begleitungoder der Beobachtung durch die Bundes-polizei zu entziehen.

Es ist ein strahlend blauer Frühlingssonntag. Die Fußgängerzone vor dem

Hauptbahnhof in Gelsenkirchen ist ruhig und fast menschenleer. Einige

Bundespolizistinnen und -polizisten blinzeln in voller Montur in der Sonne. Es

ist noch etwas Zeit bis zum Beginn ihres heutigen Einsatzes. Der Auftrag: Die

Begleitung des harten Kerns der Schalker Fans zum Auswärtsspiel. Denn am

Nachmittag steht das Bundesligaspiel Bayer Leverkusen gegen Schalke 04 an.

Ein friedlicher FußballnachmittagUnterwegs mit der Bundes- und Landespolizeizum Spiel Bayer Leverkusen – Schalke 04

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Katz-und-Maus-Spiel auf dem Bahnsteig

Und so sieht es auch zuerst im BahnhofGelsenkirchen aus. Die Hundertschaftsteht verteilt an den Aufgängen zum Bahn-steig. Einige Beamte in Zivil schwirren aus.Sie schauen, wo sich die Fans wohl heutesammeln. Denn der Fanblock, das lerneich als erstes, bildet eine starke Einheit. Siegehen zusammen zum Bahnhof, sie fah-ren gemeinsam zum Auswärtsspiel, siegehen als geschlossene Gruppe ins Sta-dion. Auf dem Bahnsteig beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Einsatzkräften.Zum ersten möglichen Regionalzug nachLeverkusen erscheinen nur ein paar unor-

ganisierte Schalker Fans in blau-weißerMontur. Die Einsatzleitung entscheidet:Wir fahren noch nicht mit. Der Zug fährtab. Dann plötzlich, von einer Sekundeauf die andere, sind rund 200 Schalke-Fansauf dem Bahnsteig. Nur junge Männer imAlter zwischen 18 und 25, schätze ich.Ganz im Outfit ihres Vereins, mit Fahnen,viele haben eine 0,5-l-Bierflasche in derHand. Die Beamten in Zivil geben dieInformation an die Einsatzleitung weiter,in welchem Bereich die Anführer der Fan-gruppe stehen.Die nächste S-Bahn Richtung Düsseldorfwird zum Austesten genutzt. Erst tun dieFans so, als wollten sie einsteigen. Schonplatzieren sich die Polizisten rechts und

links an jeder Tür der S-Bahn. Die Fans tre-ten bis an die Bahnsteigkante, einige gehenschon in den Zug. Dann kommt aus ihrerMitte das Kommando: „Aussteigen!“ Allegehorchen. Man wartet eine weitere Vier-telstunde. Dann, beim Regionalexpressnach Essen, wird es ernst. Die Bundes-polizisten stellen die Eskorte an allenTüren, die Fans steigen ein. Die Einsatz-leitung sagt dem Lokführer, wann er dieTüren schließen und abfahren kann. ZumGlück ist es ein recht leerer Regionalex-press, in den die mehr als 200 Fans unddie im Einsatz befindlichen Bundespoli-zisten drängen. So wird es zwar eng, vie-le Fans und alle Polizisten müssen ste-hen, aber es entsteht keine drangvolle

Enge. Bei Fahrten zu Spielen am Freitag-abend ist das anders, berichtet Einsatzlei-ter Stefan Voss. Da kommen die Fangrup-pen und die Polizei in schon gut gefüllteZüge. „Wir wünschten uns seitens derBahn mehr Transportkapazitäten, daswäre für alle, besonders für die Fußball-fans, wesentlich angenehmer.“

Die Regeln müssen eingehalten werden

Heute herrscht eine entspannte Sonntags-stimmung. Bis Essen gibt es keine beson-deren Vorkommnisse. Stefan Voss freut

das, aber er weiß, das ist nicht immer so:„Wir sehen es nicht gerne, wenn in denBahnen Fangesänge angestimmt werden,die nicht für Kinderohren geeignet sind.Es wird geraucht, mitunter legt man dieFüße auf dem Sitz ab. Da versuchen wir,regulierend einzugreifen, was nicht immereine einfache Geschichte ist. Da sind mei-ne Kolleginnen und Kollegen gefordert,mit Fingerspitzengefühl, aber auch mit dernotwendigen Bestimmtheit die Anweisun-gen durchzusetzen, die ja der Sicherheitder Bahnreisenden dienen. Das Einschrei-ten ist von unserer Seite aus gekennzeich-net durch Augenmaß und Konsequenz.“Heute muss ein Bundespolizist nur ein-mal lauter werden, weil die Menschen auf

dem Bahnsteig nicht den Platz fürdie aussteigenden Gäste freimachen. Radfahrer, die mit demRegionalexpress zu einem Sonn-tagsausflug aufbrechen wollen,müssen abgewiesen werden. DerZug ist zu voll, um noch Räderunterzubringen. Die Fußballfansbeginnen einen Smalltalk mit denBeamten, fragen sie nach der Höheihrer Sonntagszulage.

Umsteigen in Essen

In Essen geht der Adrenalinspiegelkurz etwas in die Höhe. Denn derFanblock setzt sich als geschlosse-ne Gruppe in Bewegung: Hin zudem Gleis, von dem der nächsteRegionalexpress nach Leverkusenabfährt. Einer inmitten der Fangrup-pe gestikuliert und treibt die übri-gen an, zügig loszugehen und zeigt

ihnen an, wo es lang geht. Vorweg gehenEinsatzkräfte der Bundespolizei – undauch am Schluss der Gruppe. Als wir zumAbfahrtbahnsteig hochgehen, sehe ich,dass die Bundespolizisten, die der Grup-pe vorausgingen, den Aufgang für dieübrigen Passanten abgesperrt haben, bisalle Fans oben sind. Plötzlich befinde ichmich hinter einer Menschenkette vonBeamten. Auf dem Abfahrtbahnsteig ange-kommen, bekommt Einsatzleitung derBundespolizei durchgesagt, wie viele pro-blematische Fans unterwegs dazugestoßensind. Im Polizeijargon gibt es A-, B- undC-Fans. Die A-Fans sind die normalen Sta-dionbesucher, die C-Fans der harte Kernder als gewaltbereit eingestuften Fans.

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Alkohol und defekte Toiletten

Bei Fans aller drei Kategorien gehört Bier-flasche in der Hand heute zum Grundout-fit. „Das Thema Alkohol und Glasflaschenspielt in der Fußballfanbegleitung leidereine immer bedeutungsvollere Rolle. Esist nicht die Regel, aber es gibt einzelneFangruppierungen, die schon beim Ein-steigen sehr alkoholisiert sind. Was danndas Einwirken und das Zusprechen sehrschwierig gestaltet“, meint Stefan Voss.Doch heute ist das nicht der Fall.Funktionsuntüchtige Toiletten in Zügensind für die Fanbegleitung ein Dauer-ärgernis. Sie verursachen Stress im Zug,weil sich Fans, die ihr Bier wieder los wer-den wollen, auf der Suche nach einer funk-tionierenden Toilette durch den ganzenZug bewegen. Während unserer Fahrtnach Leverkusen haben wir es nur miteiner herrenlosen Handtasche zu tun, dieeine Reisende im Regionalexpress liegengelassen hat. Sonst gibt es keine besonde-ren Vorkommnisse.Auf dem Bahnsteig in Leverkusen endetdann die Zuständigkeit der Bundespoli-zei: „Bei problematischen Spielen würdenwir nach kurzer Absprache mit den Ein-satzkräften der Landespolizei diese beiBedarf auch auf dem Weg zum Stadionunterstützen“, berichtet mir der Einsatz-leiter. Dann setzen sie auch ihre Helme auf– zu ihrer eigenen Sicherheit, aber auch,um ihrem Auftreten noch etwas mehrNachdruck zu verleihen. Aber heute istdas nicht nötig.Auf dem Bahnsteig entsteht dann docheine leicht konfrontative Situation: ZweiSchalke-Fans fühlen sich von einem Beam-ten beleidigt und wollen den Einsatzleitersprechen. Stefan Voss wird gerufen,spricht mit ihnen und gibt ihnen seine Visi-tenkarte.

Solidarität in der Gruppe

Ich bin derweil an der Seite von EPHKKlaus Kapellner, der seitens der 13. Bereit-schaftspolizeihundertschaft aus Bonn dieBegleitung der Fans vom Bahnhof bis zumStadion übernimmt. Ich gehe gemeinsammit ihm die Treppe vom Gleis RichtungUnterführung herunter und erlebe eineÜberraschung. Wieder haben die Beam-ten eine Menschenkette gebildet. Die

Schalker Fans stehen in einem Pulk vorder Unterführung, zum Aufbruch Rich-tung Stadion bereit. Aber sie warten. „Esgeht um die beiden Fans, die noch aufdem Gleis bei der Bundespolizei stehenweil sie einem Beamten vorwerfen, siebeleidigt zu haben“, erklärt mir KlausKapellner: „Erst, wenn die wieder bei denanderen sind, werden die losgehen.“ Undgenau so ist es. Schnellen Schrittes kom-men die beiden Schalke-Fans wenig spä-ter die Treppe herunter und als sie wie-der bei ihrer Gruppe sind, setzt sich derTross der Fans in Bewegung.„Hier in Leverkusen haben wir eigentlicheine idealtypische Situation“, weiß KlausKapellner: „Es gibt einen 10-Minuten-Fußweg zum Stadion. Zuerst geht der anden Bahngleisen entlang. Da müssen wirnur die Seite zum Stadtpark absichern.“Während wir den Fans in kurzem

Abstand folgen, sehe ich, dass im Stadt-park berittene Polizei den Zug begleitet.„Anschließend geht es über das FlüsschenDhünn und dann auf einem Fußweg zwi-schen abgezäunten Sportanlagen vonBayer Leverkusen und dem Fluss aufdirektem Weg zum Stadion.“ Da gibt eskeine neuralgischen Punkte. In entspann-ter Atmosphäre nähern wir uns der Bay-Arena. Bei anderen Stadien, die in den1970er Jahren gebaut sind, hat man vielunübersichtlichere Anreisewege als hierin Leverkusen. Einige Wildpinkler, dieschnell unter eine Fußgängerbrücke ver-schwinden, lassen Klaus Kapellner und

seine Kolleginnen und Kollegen einfachgewähren.Der Regionalexpress aus Essen kam recht-zeitig in Leverkusen an, sodass jetzt auchkeine Hektik bei der Einlasskontrolledurch den Ordnerdienst des Vereins ent-steht. „Das ist ein weiterer Punkt, an demes knallen kann“, weiß der erfahrene Poli-zist: „Wenn durch Zugverspätungen dieFans erst knapp vor dem Spiel am Stadionsind oder wenn zu wenig Ordner da sind,sodass die Fans befürchten, nicht recht-zeitig zum Anpfiff in ihrem Block zu ste-hen.“ Erst wenige Wochen zuvor hattendie Fans eine solche Situation selbst ver-schuldet, berichten mir die Einsatzkräf-te: Da zogen Kaiserslautern-Fans imRegionalexpress auf dem Weg nachFrankfurt mehrmals die Notbremse,wodurch sich die Ankunft des Zuges starkverzögerte.

Die Schalke- und Leverkusen-Fans wer-den am Stadioneingang vom privatenOrdnerdienst durchsucht. Im Polizeibe-richt steht später, dass es zwei Anzeigenwegen des Verstoßes gegen das Betäu-bungsmittelgesetz gegeben hat. Eineharmlose Bilanz für ein als gefährlich ein-gestuftes Bundesligaspiel.Im Stadion werden die Fans striktgetrennt. Sie stehen sich diagonal gegen-über. Übrigens in den einzigen beiden Blö-cken im Stadion, die von hohen Zäunenumgeben sind. Block „G“ für die Gästeund Block „C“ für die Fans der Heim-mannschaft.

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Fangesänge auch beim Rückstand

Ich halte mich weiter in der Nähe derSchalker Fans auf. Der sogenannte „Kapo“sitzt auf dem Zaun, der den Gästeblockumschließt, mit dem Gesicht zum Fan-block und stimmt die Gesänge an. „Das ist schon eine Fankultur, muss ichzugeben“, meint Einsatzleiter POR Hans-Dieter Husfeldt anerkennend. Von derPolizeiwache im Stadion im Bereich derSüdtribüne hat er einen optimalen Blickauf den Gästeblock. Nach dem 1:0 fürLeverkusen werden sie ruhiger, machen

ihre Choreographien aber weiter. Aberauch nach dem 2:0 für Leverkusen unter-stützt der Schalker Fanblock die Stars auf

dem Rasen unverdrossen weiter. Wie trü-gerisch die Ruhe sein kann, das merkeich, als der Leiter des vom Verein gestell-

ten Ordnungsdienstes vorbeischaut undsich kurz mit den Polizisten berät. Dieszenekundigen Beamten im Leverkuse-ner Fanblock wollen gehört haben, dasseinige der Leverkusen-Fans in der Pauserüber zu den Schalker Fans gehen woll-ten, um die Konfrontation zu suchen.Sofort informiert Klaus Kapellner seineMitarbeiter von der Bereitschaftspolizei.Sie sollen auf dem Weg hinter den Rän-gen aufpassen und gegebenenfalls eineMenschenkette bilden und die Leverku-sener Fans zum Umkehren auffordern.Eine Schlägerei, das braucht nun wirk-lich niemand an diesem friedlichen Fuß-ballnachmittag.

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Fußball ist in Deutschland ein groß-artiges Erlebnis – deutscher Fußball istaber derzeit nicht nur sportlich top... Wenn man Vergleiche mit anderen Län-dern in Europa zieht, dann stellt man fest,dass wir tolle Stimmung und Choreogra-fien auch ohne gefährliche Pyrotechnik inden Stadien haben, die ihresgleichensuchen – der 1. FC spielt quasi immer vor50.000 fußballbegeisterten Zuschauern. Diese Stimmung sollten wir erhalten hel-fen. Wie können wir als Polizei unserenBeitrag leisten? „Die Schaffung sicherer Rahmenbedin-gungen bei Fußballspielen ist ein Gesamt-kunstwerk aller Netzwerkpartner unterEinbeziehung der Fans! Nur wenn jederBeteiligte (Verein, Fans, Fanprojekte,Stadt, Verkehrsbetriebe, Polizei, Justizusw.) seine Rolle verantwortungsbewusstund aktiv wahrnimmt, kann Fußball dieschönste Nebensache der Welt bleiben“sagt Volker Lange.

Strategieplanung und Umsetzung vorOrt: Im Rahmen des örtlichen Ausschus-ses Sport und Sicherheit (ÖASS) treffensich vor, während und nach der Saisonalle Netzwerkpartner zu strategischenBesprechungen. Gemeinsam wird dieLage beurteilt, Rückblicke – Ausblicke –Verantwortlichkeiten – Ziele besprochen.Hier wird der Dreiklang Dialog – Trans-parenz – Konsequenz zum Wohle derBesucher und des Fußballsports erarbei-tet. Daneben betritt die Vereinsführungdes 1.FC Köln um den Präsidenten Wer-ner Spinner seit Sommer 2012 z.B. mit derAG Fankultur neue Wege in derZusammenarbeit mit Fußballfans, aberauch mit Vertretern der sog. „aktiven Fan-szene“ – dazu gehören auch Personen, dieihr individuelles Interesse mitunter übergeltendes Recht stellen (Straftaten bege-hen!) und uns als Polizei, aber auch denVerein z. T. vor erhebliche Probleme stel-len. Neben den Opfern dieser Straftäterwird häufig auch das Ansehen des Verei-nes massiv geschädigt.Heterogene Ultraszene – wachsende Ver-mischung von Gewaltsuchenden Grup-pen: Es gibt viele Ultras, die aus lauterFreude am Fußball, aus Begeisterung fürihren Lieblingsverein, die ganze Wochelang nichts anderes tun, als für ein Aus-wärtsspiel oder Heimspiel tolle und vielbeachtete Choreografien vorzubereiten. Es gibt leider aber auch einige (wenige)Ultras, die Gewalt im Fußball nicht kon-sequent verurteilen, die nicht nur das Fuß-ballerlebnis suchen, sondern neben oder

mit den bekannten Gewalttätern (Hooli-gans und Hooltras) auch gemeinsamgegen einschreitende Polizeibeamte oderandere Menschen Gewalt anwenden. Diese im Vergleich zur Zuschauermengewenigen Straftäter mischen sich unterfriedliche und begeisterte Fans und instru-mentalisieren den Fußball, um von dortGewalttaten und Straftaten ausüben undihr mitunter zweifelhaftes Ego auslebenzu können. Diesen gilt es beweissicher dasHandwerk zu legen, damit der Fußball-sport durch Ausschreitungen nicht wei-ter beschädigt wird und wieder die schön-ste Nebensache der Welt werden kann.Verantwortung übernehmen und selbstgestalten lassen: Die seit Jahren Wochefür Woche mit ihrem Verein, ihrer Mann-schaft und vielen Gleichgesinnten unter-wegs durch die Republik reisenden Fanssind Profis, allerdings gibt es aus Sicht vonVolker Lange in der Organisation und imVerhalten „noch Luft nach oben“. Reisenkostengünstig und attraktiv zu planenund durchzuführen ist eine spannende,aber auch lohnende Aufgabe. Sich mit denvielen Bahn- und Nahverkehrsunterneh-men auseinanderzusetzen erscheint mit-unter sehr schwierig, auch wenn langsammehr Verständnis – trotz Börsenorientie-rung – vorhanden zu sein scheint. Wenneine lange Bahn- oder Busreise ohne Stö-rungen und verschlossenen Toiletten ver-laufen ist, ein packendes Spiel erlebt wur-de und am Ende noch drei Punkt einge-fahren wurden, war das Wochenendetopp – und die Siegesfeier beginnt auf derRückreise.Schuld sind immer „die anderen“: Aufzahlreichen Veranstaltungen, Fankongres-sen, Regionalkonferenzen und in Forenfordern aktive Faninitiativen vollmundigeine Zurückhaltung der Polizei. Sie wol-len die Polizei nicht in „ihrem“ Stadionsehen, dem „Jugendzentrum der Gegen-wart“. Sie machen den alleinigen Trägerdes staatlichen Gewaltmonopols schonwegen seiner „provokativen“ Anwesen-heit zum Schuldigen – leider verkennen

Kölner Polizeitaktik zur Eindämmung von Gewalt im Fußballumfeld des

1. FC Köln: „Fußball ist einfach ein gesellschaftlicher Faktor in Köln, der nicht

wegzudenken ist. Wir müssen uns also darum kümmern“, meint Volker Lange,

der Leiter der Polizeiinspektion 3 im Kölner Westen. Als er im September 2010

die Verantwortung für die Einsätze der Polizei in Sachen Fußball in Köln über-

nahm, hat er erst einmal alle Routinen bei Polizeieinsätzen am Stadion des

1. FC Köln auf den Prüfstand gestellt.

Sicherheit durch ServiceMannschaftsspieler und Selbstverantwortung sind gefordert

Text und Fotos: Volker Lange Kapitel 4

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Volker Lange

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sie dabei, dass sich aggressive Gewalttä-ter leider auch im Fußballumfeldbewegen. Vertrauensvorschuss!? Neues wagen – istweniger manchmal mehr? Wenn es denFans gelingt, sich gut zu organisieren undfriedlich zu bleiben, hat die Polizei alserste etwas davon! Möglicherweise weni-ger Dienste zu leisten und weniger ner-venaufreibenden Stress, Gesunderhaltung– ein lohnendes Ziel! Weniger unnötige Gewaltszenen sinddoch ein gutes Argument, selbst aktiv überunsere undankbare Rolle nachzudenken.Nehmen wir die Fanfunktionäre beimWort und die Vereine in die Pflicht, übenwir überall dort Zurückhaltung, wo esrechtlich und taktisch vertretbar ist ohneden Schutz unbeteiligter Besucher aufzu-geben.Ein Versuch ist es allemal wert – ohne,dass wir auf andere bewehrte Mittel ver-zichten. Prävention durch polizeiliche Maßnah-men nach individueller Prognose: Nachgründlicher Analyse des Störerverhaltensist in Köln der erste Schritt eine Pflichten-mahnung per Brief – quasi die eindring-liche Verwarnung des Schiedsrichters. Beiwiederholtem relevantem Auftreten kön-nen Bereichsbetretungsverbote für Heim-und Gastfans mit einer Zwangsgeldan-drohung von 500 Euro verfügt werden.

Meldeauflagen werden zunehmend ausder Politik gefordert, sie sind aber ein ein-schneidendes Instrument und bedürfensehr trennscharfer Betrachtung. Vor Ort,am Spieltag, haben sich dann persönlicheGefährderansprachen mit Personalienfest-stellungen, Platzverweise oder im Einzel-fall Ingewahrsamnahmen bewehrt.Prävention durch Vereine und Verbän-de: Ergänzend zur polizeilichen Präven-tion arbeiten die Verbände, Vereine undsonstige Gremien auf ihre Art und Weisean einem friedlichen Fußballfest mit. Vomsozialpädagogischen Fanprojekt, großenFanklubs oder der Stadt Köln organisier-te Jugendarbeit trägt langfristig sicher dieerhofften Früchte.Bei hartnäckigen Verstößen gegen dieSpielregeln übernimmt der 1.FC Kölnaktiv seine Möglichkeiten nach dem Haus-recht und verhängt bei entsprechenderZukunftsprognose (Einsichtsfähigkeit)mitunter sehr zeitnah zunächst örtlicheStadionverbote. Bundesweite Stadionver-bote alleine sind nach Ansicht vielerExperten kein Allheilmittel, insbesonde-re auch, weil viele Stadionverbotler mitauf die Auswärtsreise gehen und sich imStadionumfeld aufhalten – hierbei bleibtes nicht immer friedlich. Repression – Gewalttätern die rote Kar-te zeigen: Bei entsprechendem Verhaltenist eine professionelle Beweisführung

unerlässlich, die technischen und takti-schen Mittel dafür sind vorhanden. Mitden SKB abgestimmtes, entschlossenesEinschreiten insbesondere der Bereit-schaftspolizei ist hier Ziel führend. Wir alsPolizei müssen die Staatsanwaltschaft indie Lage versetzen, den Sachverhalt recht-lich sauber zu bewerten. Die zahlreichenEinstellungen sind ärgerlich, erwecken siedoch mitunter einen falschen Eindruck. Die Aktenlage muss es der Justiz schwermachen, die Täter nicht zeitgerecht anzu-klagen bzw. nicht zu verurteilen. Hieraufmüssen wir uns konzentrieren, dann errei-chen wir womöglich eine dauerhafte Ver-besserung der Rahmenbedingungen. Transparenz durch Hospitationen – ein Bild sagt mehr als tausend Worte!Zahlreiche Wissenschaftler, Richter, Gre-mienmitglieder und Medienvertretersind seit vier Jahren regelmäßige Gästein der Einsatzbewältigung. Ohne selbstzuständig zu sein oder Verantwortung zutragen, erhalten sie einen tiefen Einblickin die gesamten Abläufe des Einsatzge-schehens. Tief beeindruckt ob der vielen Mühen allerbeteiligten Partner stellen sie Fragen überFragen – und sprechen viel gesellschaft-liche Anerkennung für das Geleistete derKolleginnen und Kollegen aus. Vielleichtkönnen zukünftig auch konstruktive Hil-fen beigesteuert werden.

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Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten ent-schied schon im Jahr 2000, dass die im Tra-gen eines Bekleidungsstücks mit derAbkürzung ACAB implizierte Aussage,alle Polizisten seien Bastarde, höchstenseine Beleidigung eines Kollektivs sein kön-ne. Dieses Kollektiv sei aufgrund derunüberschaubaren Masse an Polizistenjedoch nicht ausreichend definierbar. DasAmtsgericht hat in diesem Urteil in Anleh-nung an das „Soldaten sind Mörder“-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ver-deutlicht, dass nur eine definierbare undeingrenzbare Gruppe durch die Aussage„ACAB“ beleidigt werden könne.In der Begründung des Beschlusses heißtes, nach der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofes und des Bundesverfassungs-gerichts (BVerfG) sei es „verfassungsrecht-lich zwar grundsätzlich unbedenklich, dieEhre eines Kollektivs zu schützen. Jedochmuss das Kollektiv, um beleidigungsfähigzu sein, klar abgrenzbar sein.“ Und wei-ter: „Sollte es sich bei der [...] Abkürzung„ACAB“ um den englischen Satz „AllCops Are Bastards“ handeln, ist damit eineunüberschaubar große Gruppe, nämlich„alle Polizisten“ („All Cops“) getroffen.„Alle Polizisten“ ist jedenfalls nach derRechtsprechung des BVerfG [...] kein aus-reichend definiertes Kollektiv. [...] Es kanndaher nicht mit der für eine Verurteilungwegen Beleidigung notwendigen Sicher-heit ausgeschlossen werden, dass derAngeschuldigte seiner Missachtunggrundsätzlich allen Polizisten gegenüberals den Vertretern der Staatsgewalt, völ-

lig unabhängig von ihrer Nationalität, aus-drücken wollte. Dies ist als (strafbare)Beleidigung einer unüberschaubaren gro-ßen Personengruppe zu werten.“ Eine gesellschaftlich relevante Organisa-tion hat das Anliegen der Gewerkschaftder Polizei bereits aufgegriffen: Der DFBlehnt ACAB-Banner kategorisch ab undhat seine Vereine schriftlich aufgefordert,derartige Banner aus Stadien zu entfernen.Auch Fangruppen wird das kollektive Tra-gen von ACAB-Kleidung nicht gestattet.

Straftatbestand der Beleidigung bestätigt

Der Erste Strafsenat des Oberlandesge-richts Stuttgart hat für den Fall, dass sich„ACAB“ gegen eine klar eingegrenzteGruppe von Polizisten richtet, die Straf-barkeit wegen Beleidigung bestätigt. „Die individuelle Bezeichnung eines Poli-zeibeamten („cop“) als „bastard“ istsowohl in der englischen wie auch in derdeutschen Sprache objektiv ehrverletzendund ist nach den Urteilsfeststellungenauch subjektiv gewollt als ehrverletzendgeäußert worden, ohne dass es dazuirgendeinen Anlass gegeben hätte. DieFormalbeleidigung ist daher weder durchWahrnehmung berechtigter Interessen

gemäß § 193 Strafgesetzbuch noch durchdas Grundrecht der Meinungsfreiheit nachArt. 5 Abs. 1 Grundgesetz gerechtfertigt.“

Ist „ACAB“ Volksverhetzung?

Denkbar ist auch eine Strafbarkeit wegenVolksverhetzung gemäß Paragraph 130Strafgesetzbuch (StGB). Der Tatbestands-voraussetzung ist dann ein Angriff auf dieMenschwürde der Betroffenen, in demdieser Teil der Bevölkerung beschimpft,böswillig verächtlich oder verleumdetwird und dies in einer Weise geschieht, dieden öffentlichen Frieden gefährdet. DerAngriff auf die Menschenwürde desBevölkerungsteils „Polizisten“ ist durch-aus gut zu vertreten. Fraglich ist aber, ob

damit der öffentliche Frieden gefährdetwird. Der öffentliche Friede wird danngefährdet, wenn Gefahrenpotenziale fürdie betroffene Bevölkerungsgruppe erhöhtwerden, sich die Aggressionsbereitschaftgegen diese Personen erhöht oder wennder sittliche und personale Wert dieserMenschen pauschal verringert wird. Alldiese Tatbestandsmerkmale können durcheine entsprechende Studie des Krimino-logischen Forschungsinstituts Niedersach-sen (KFN) zumindest soweit belegt wer-den, dass das Gefahrenpotenzial derGesundheitsbeschädigung für Polizistenklar gestiegen ist und es eine Wechselwir-kung zwischen Staatsverdrossenheit undAblehnung von Polizisten einerseits unddem zur Schau stellen dieser Ablehnungandererseits gibt.

ACAB steht für „All Cops Are Bastards“ („Alle Bullen sind Bastarde“). Die

Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht dadurch Polizistinnen und Polizisten

beleidigt und fordert, das Zeigen von Bannern mit dieser Aussage und das

Tragen von Kleidung, auf der diese vier Buchstaben zu sehen sind, zu

verbieten. Die Rechtslage zu diesem Thema ist jedoch komplex.

Gewalt beginnt bei der BeleidigungIst das Zeigen der Aussage ACAB strafbar?

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Herr Beckmann, lassenSie uns über einige „offe-ne Baustellen“ reden, dieIhnen aus Sicht der Fan-projekte an den Fußball-wochenenden auffallen.Das fängt mit der An- undAbreise an…Die An- und Abreise isteine wichtige Baustelle, umpotentielle Konfliktsitua-tionen zu entschärfen. DieBahn und die Bundespoli-zei wissen meist, mit wel-chem Zug der harte Kernder Fans fahren wird. DieBahn muss zum Beispielgewährleisten, dass mehr als eine Toiletteim Zug benutzbar ist. Das ist leider nichtimmer der Fall und sorgt regelmäßig fürUnmut. Kein Wunder, dass sich Fans auflangen Fahrten andere Wege überlegen,wenn sie nicht mehr anders können. Dabeigeht es übrigens nicht nur um Bierkonsum,auch ich als Sozialarbeiter muss mal aufdie Toilette, auch wenn ich nur Wasser trin-ke. Dann stehe ich vor demselben Problem.Eine weitere Anregung: Damit es nicht soeng wird, sollten einige Wagons mehrangehängt werden. Außerdem gehörenein paar große blaue Müllsäcke in jedenWagon, da die regulären Abfallbehälterviel zu klein sind und Müll somit in derRegel umherfliegt.Ich bin ein großer Fan von Sonderzügen.Dort muss die Bundespolizei nicht mitfah-ren, da in diesen Zügen der Ordnungs-dienst der Vereine zuständig ist. Vereinemit langer Sonderzugtradition (z.B.Bochum, Bielefeld) haben da, und das

bestätigt dort auch dieBahn, langfristig guteErfahrungen gemacht.Allerdings stimmt auch:Einige Fans benehmensich immer wieder dane-ben, wenn sie Bahn fah-ren. Respekt und Akzep-tanz gegenüber Perso-nen, aber auch Gegen-ständen nimmt leidergenerell ab – gerade beiJugendlichen.

Es gibt noch einigeandere Dinge, über diesich Fans beschweren –

zum Beispiel den Umgang mit dem The-ma Stadionverbot…Stadionverbote werden teilweise für Ver-fehlungen gegeben, die eigentlich Lappa-lien sind. Dazu gehören das Urinieren amZaun oder verbale Äußerungen. Das sindfür mich keine Gewalttaten. Es gesche-hen nur wenige wirklich strafrechtlichrelevante Dinge. Wir als Fanprojekte sindfür ein Anhörungsrecht von Fans, denenein Stadionverbot droht. Die Vereine sol-len sich anhören, was die Fans zu denVerfehlungen zu sagen haben und dannerst eine Entscheidung treffen. Die Akzep-tanz für Stadionverbote in der Fanszenewürde erhöht und es wäre auch leichter zuvermitteln, wenn die Verbote nur bei wirk-lich schweren Delikten (schwerer Raub,Körperverletzung u.ä.), evtl. bei gleich-zeitiger rechtskräftiger Verurteilung, wirk-sam werden würden, ansonsten sollten diebundesweiten Stadionverbote, wenn über-haupt, immer auf Bewährung ausgespro-

chen werden. Der DFB hat das maximaleStadionverbot von ehemals fünf Jahrenjetzt deutlich reduziert. Das ist gut. Dennfür einen 17-Jährigen ist ein fünf Jahre wäh-render Ausschluss eine Katastrophe.

Wie wichtig sind Treffen zwischen Fan-vertretern und den Ordnungskräften imVorfeld problematischer Spiele?In vielen Städten finden neben den regu-lären Organisationsbesprechungen vorsogenannten Problemspielen zusätzli-che Sicherheitsbesprechungen statt. Mitallen Vertretern beider Vereine, die rundum ein Spiel involviert sind und diewichtige Informationen geben können.Man tauscht sich aus und überlegt imVorhinein, wie man Situationen ent-schärfen kann. Man lernt sich kennen,tauscht Telefonnummern aus und wennSituationen aus dem Ruder zu laufendrohen, kann man sich anrufen unddeeskalierende Möglichkeiten durch-sprechen. Hier in Mainz gibt es dieseBesprechungen regelmäßig. Und wirarbeiten daran, dass das auch an mög-lichst vielen anderen Standorten umge-setzt wird.

Wie steht es um das gegenseitige Ver-ständnis von Fans und Polizei?Das Verhältnis zwischen Jugendlichenbzw. jungen Erwachsenen und der Polizeiist sehr belastet. Da befinden wir uns ineiner Art Spirale der gegenseitigen Ableh-nung. Eine wichtige Funktion der Fanpro-jekte ist es, das aufzubrechen. Wir versu-chen, in die Fanszene hereinzutragen,warum die Polizei so agiert, wie sie dastut. Dass sie in den überwiegenden Fällen

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) ist ein Zusammenschluss von Fußballfanprojekten in Deutsch-

land, die präventive sozialpädagogische Arbeit mit jugendlichen und heranwachsenden Fußballfans leisten. Einer ihrer

Bundessprecher ist Thomas Beckmann vom Fanprojekt bei Mainz 05. In der BAG sind zurzeit 50 dieser Projekte

zusammengeschlossen.

Auf dem Weg zu einembesseren MiteinanderFanprojekte vermitteln zwischen Fans und Polizei

Kapitel 6

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Thomas Beckmann

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Page 19: P LIZEI D P EIN ARTNER - gdp.de · Fußball – gemeinsam und fair! ... Wohnort zu einer Gefährderansprache bei der Polizei einfinden muss, würde das viel für die Sicherheit der

so reagieren muss, wie sie auftritt und rea-giert. Auch der Polizei gegenüber stellenwir das Verhalten und Auftreten der Fuß-ballfans dar und wollen für Verständniswerben. Jedoch ist nicht überallGesprächsbereitschaft vorhanden. Hier inMainz hat die Polizei aber ein offenes Ohr.Zum Beispiel wenn es um die Reduzie-rung der Masse der Einsatzkräfte geht.Weniger ist mehr. Selbst wenn viele Beam-te im Einsatz sind, müssen die nicht unbe-dingt öffentlich zu sehen sein. UnsereErfahrung zeigt: Wenn Polizei unbehelmtauftritt und die Hunde im Hintergrundgehalten werden, gibt es weniger Stress.Einsatzleiter haben da eine ganz schwie-rige Verantwortung. Unbehelmte Polizis-ten könnten natürlich leichter verletzt wer-den. Aber Fußballfans auswärts generellals potenzielle Gewalttäter zu empfangen,das kann auch nicht die Lösung sein.

Ganz heiß diskutiert wird ja das ThemaPyrotechnik – also das Abbrennen Ben-galischer Feuer in den Stadien…Wir sehen in diesem Thema Pyrotechnikdie Chance, die Spirale der Ablehnungaufzubrechen. Den gesamten Dialog Fans– Polizei – Ordnungshüter wieder in Gangzu setzen. Dieser Diskussionsprozess wirdin erster Linie über den DFB in Ganggesetzt, der für die Sicherheit in den Sta-dien zuständig ist. Diesem Dialog könn-ten sich dann andere Themen anschließen.Ich bin für einen kontrollierten Einsatz vonPyrotechnik. Auf der Südtribüne in Dort-mund, wo 25.000 Leute stehen, kann manso etwas sicher nicht machen. Aber in Sta-dien, wo mehr Platz ist, wo weniger Leu-te hingehen, da könnte man es eher umset-zen. Was nicht heißt, dass die pyrotechni-

sche Aktion in jedem Falle durchgeführtwerden muss bzw. kann. Das muss alleserläutert und erörtert werden.

Gibt es Maßnahmen der Polizei, die Sieals Fanprojektler nicht gutheißen können?Zum Beispiel die aktuelle Forderung, dassStadionverbotler an einem Spieltag nichtin die Züge der Deutschen Bahn einsteigendürfen. Das geht nicht. Ihnen geht esdarum, am Wochenende mit ihren Freun-den unterwegs zu sein. Wenn man insbe-sondere jugendliche Fans aus ihrem sozia-len Umfeld herausreißt, verursachen sieeventuell anderswo an diesem Tag Proble-me – größere, als wenn sie mit ihren Freun-den anreisen dürfen und danach wiedergemeinsam zurückfahren können. Für unsist es das Beste, wenn wir die Leute zusam-men haben: Die Stadionverbotler werdenvon der Polizei in eine Kneipe gelotst,schauen sich das Spiel an und fahren wie-der gemeinsam mit ihren Freunden zurück.

Welches Verhalten von Polizisten regt dieFans zurzeit eigentlich am meisten auf?Besonders auswärts gibt es eine Art Gän-gelung durch die Polizei. Wo Fußballfansdann oftmals auch geduzt werden. Wennman in der Gruppe geht, wird man in die

Seite gestoßen. Die Leute, die hinten lau-fen, was wir häufig als Fanprojekt machen,bekommen ganz oft einen Arm in denRücken. Nach dem Motto: „Geht dochschneller!“ Wenn man aber zurück duztoder um Zurückhaltung bittet, kommthäufig die Androhung: „Sie haben michnicht zu duzen, ansonsten nehmen wir Siemal mit zur Personalienfeststellung.“ Dasist schade. Es gibt so viele gute Beispielevon guter Fanbegleitung durch die Poli-zei, wenn es denn eine Kommunikationgibt. Hannover wird da immer berechtig-terweise als Vorbild gesehen. Dort gibt esdie so genannten Konfliktmanager, diedann direkt das Gespräch suchen. WennFangruppen von den Bussen nicht vongroßem Polizeiaufgebot in den Gästeblockbegleitet werden, sondern von einzelnengekennzeichneten Beamten, die ihnensagen: Hier geht’s lang, da geht’s hoch,dann signalisiert das Lockerheit und ver-mittelt den Fans das Gefühl, als Gast will-kommen zu sein. Das funktioniert und isterfolgreich.Oft ist es auch so, dass bei dem Umgangmit Gästefans jeder Einsatzleiter seineeigene Sicherheitsphilosophie umsetzt,was zu sehr ungleichen Szenarien je Stand-ort führen kann. Das erzeugt bei den Fans

keine Verhaltenssicherheit.Außerdem unterscheiden sichdie Fanszenen in ihrem Verhal-ten. Positives Verhalten solltedemnach auch durch die Artder polizeilichen Einsatzmaß-nahmen honoriert werden.Das funktioniert durchaus alspositive Verstärkung und wirdvon den Fans auch so wahr-genommen. Demnach dürfensich dann auch Fanszenen, diesich daneben benehmen, nichtüber freiheitsbeschneidendeMaßnahmen wundern, natür-lich immer im Rahmen derVerhältnismäßigkeit. Den sze-nekundigen Beamten fällt hiersicherlich eine bedeutendeAufgabe zu, solche Dinge zukommunizieren.Es ist generell einfach wichtig,dass man zu einem besserenMiteinander kommt.Dafür setzen sich die sozialpä-dagogischen Fanprojektesowohl auf Fan- als auch aufPolizeiseite verstärkt ein.

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Konfliktpotenzial AlkoholSo sieht die Bundespolizei die LageDie Bundespolizei registriert bei Reisebewegungen anlässlich von Fußballveranstaltungen zunehmendzwei Phänomene, die für die Gewalterscheinungen bezeichnend sind. Das ist zum einen der teils exzes-sive Alkoholmissbrauch während An- und Abreise und zudem die Verwendung pyrotechnischerErzeugnisse in Bahnhöfen und Zügen, die gleichermaßen Täter aber auch Polizisten und Unbeteilig-ten gefährden und verletzen und zudem regelmäßig Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz darstellen.Die Anreise- und Abreisephase mit erhöhtem Alkoholkonsum ist bei längeren Fahrwegen festerBestandteil zahlreicher Spielbegegnungen. Dabei werden durchaus Anfahrzeiten von zehn Stundenund mehr in Kauf genommen. Alkoholmissbrauch hat auch bei Fußballfans gewaltsteigernde undenthemmende Wirkung. Durch übermäßigen Alkoholkonsum entstehen bzw. verstärken sich Kon-fliktpotenziale nicht nur innerhalb und im Umfeld der Stadien, sondern auch auf Reisewegen. Hinzukommen durch den Alkoholkonsum bedingte Verschmutzungen, sowie oftmals die missbräuchliche Ver-wendung von Nothilfeeinrichtungen (u.a. Ziehen der Notbremse) und Widerstände gegen Vollstre-ckungsbeamte. Quelle: Bundespolizeipräsidium Potsdam

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