Personal im Sozialmanagement: Neueste Entwicklungen in Forschung, Lehre und Praxis

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Herbert Bassarak • Sebastian Noll (Hrsg.)

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Neueste Entwicklungen in Forschung, Lehre und Praxis

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ISBN 978-3-531-18354-1 ISBN 978-3-531-94268-1 (eBook)DOI 10.1007/978-3-531-94268-1

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HerausgeberHerbert Bassarak Hochschule Nürnberg,Deutschland

Sebastian Noll Evangelische Hochschule Ludwigsburg,DeutschlandVoestalpine

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Inhalt Herbert Bassarak/Sebastian Noll

Personal im Sozialmanagement – Einführung .......................................... 7 I. Ausgangssituation Bernd Maelicke

Überlegungen zum strukturellen Spannungsfeld zwischen Fach- und Führungskräften in der Sozialwirtschaft ................................. 15

Wolfgang Hoffmann Verantwortung für Berufsbiografien als Folge der demographischen Entwicklung in der Sozialwirtschaft ........................... 25 Herbert Bassarak Sozialmanagement fordert Personal ........................................................ 33 II. Personalqualifikation

Klaus Grunwald Zur Bewältigung von Dilemmata und Paradoxien als zentrale Qualifikation von Leitungskräften in der Sozialwirtschaft ...................... 55 Paul Brandl Prozessorganisation einführen – Neue Aufgabenfelder von Sozialmanagern ............................................ 81

Karl-Heinz Boeßenecker/Andreas Markert Aus- und Weiterbildung in der Sozialwirtschaft: Fakten, Probleme und eine Vision .......................................................... 91

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6 Inhalt

III. Personalauswahl und -entwicklung Brigitta Nöbauer „Hat die Stellenanzeige ausgedient?“ – Maßgeschneiderte Lösungen zur Personalversorgung .......................... 107

Stefan Gesmann Systemisches Weiterbildungsmanagement als Bindeglied zwischen individuellem und organisationalem Lernen ......................... 125

Carsten Wirth Arbeitskräftewirtschaft in Projektnetzwerken: Ein Modell für die Sozialwirtschaft? .................................................... 147

IV. Personalführung und Betroffenenbeteiligung

Michael Herzka Gerechtigkeit als Profession – Führungsethik in Sozialen Organisationen ........................................... 169

Sebastian Noll Das mittlere Management und seine Brückenfunktion in Führung und Wandel ........................................................................ 183

Wolf Rainer Wendt Im Wohlfahrtsmix mit den Sorgenden arbeiten: Humanressourcen, die nicht übersehen werden sollten ....................... 197

AutorInnenverzeichnis .................................................................................. 211

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Personal im Sozialmanagement – Einführung Herbert Bassarak/Sebastian Noll Dem Sozialsektor in Deutschland kommt eine enorme Bedeutung zu: Alleine für Verbände der Freien Wohlfahrtspflege arbeiten über 1,5 Millionen Beschäf-tigte. Hinzu kommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen sowie im stark wachsenden privat-gewerblichen Sozialsektor. Neben diesen hauptamtlich Beschäftigten setzen sich geschätzte 2,5 bis 3 Millionen Ehrenamtliche sowie eine unbestimmte Zahl freiwilliger Helfer für soziale Zwecke ein.

Die heterogene Zusammensetzung des Personals steigert die Komplexität – Koordination, Kooperation sowie Führung und Leitung stellen eine immense Herausforderung für das Sozialmanagement dar. Dabei ist das Personal der entscheidende Erfolgsfaktor. Hier ist ein wachsender Trend zur Professionalisie-rung durch Qualitätsentwicklung sowie Fort- und Weiterbildung zu konstatie-ren. Andererseits sind die Mitarbeitenden der größte Kostenfaktor.

Diese und weitere Problemstellungen sowie Herausforderungen standen im Mittelpunkt einer internationalen Fachtagung zum Personal im Sozialmana-gement, die am 6. Mai 2011 an der Fakultät Sozialwesen der Dualen Hochschu-le Baden-Württemberg in Stuttgart stattfand. Veranstalter war die Bundesar-beitsgemeinschaft Sozialmanagement/Sozialwirtschaft1, Ko-Veranstalter waren die Internationale Arbeitsgemeinschaft Sozialmanagement/Sozialwirtschaft sowie die Fachgruppe Sozialwirtschaft der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit.

Die über 60 Wissenschaftler und Praktiker referierten und diskutierten die neusten Entwicklungen in Forschung, Lehre und beruflicher Praxis. Nach einlei-tenden Referaten über die Ausgangssituationen und aktuellen Bedingungen des Personals im Sozialmanagement aus Sicht von Wissenschaft und Praxis wurden die Felder Personalqualifikation, Personalauswahl und -entwicklung sowie Per-sonalführung und Betroffenenbeteiligung in parallelen Panels behandelt. Die Teilnehmer nutzten nach Inputreferaten in jedem Panel lebhaft die Möglichkei-ten zum Hinterfragen und zu kritischen Auseinandersetzungen.

1 Siehe www.bag-sozialmanagement.de

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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Beispielhaft neben anderen Entwicklungen bzw. Erkenntnissen lassen sich drei Schlussfolgerungen ziehen: Der Fachkräftemangel ist aktuell eines der dringlichsten Probleme, an des-

sen Handling mit innovativen Lösungen z.B. bei der Personalsuche und -bindung gearbeitet wird.

Eigenheiten und Ansprüche im Sozialbereich erfordern ein Personalmana-gement, das sich vom Forprofit-Bereich abhebt. Gleichzeitig aber kann die Sozialwirtschaft vieles aus anderen Bereichen (z.B. der Wirtschaft) lernen und in eigenen Arbeitsfeldern unter Berücksichtigung ihrer Spezifika an-zuwenden versuchen.

Eine stärkere Einbindung von systemtheoretischen bzw. allgemein organi-sationssoziologischen Erkenntnissen und Methoden erweitert den Analyse- und Gestaltungsspielraum im Feld.

Für den vorliegenden Band haben die Referenten ihre Beiträge zu Artikeln aus-gebaut, um die Ergebnisse und Erkenntnisse der Fachtagung zu dokumentieren.

Bernd Maelicke fasst einleitend die Entwicklung des Sozialmanagements in seinem Beitrag zusammen. Er geht dabei auf die Genese der letzten Jahrzehn-te ein, in der Ziele und Konzepte der Sozialen Arbeit mit denen des Manage-ments sozialer Organisationen zusammengeführt wurden. Dabei erhöhen sich die Anforderungen an das Management fortwährend. Aber durch ein integriertes Management, das gegenüber Neuentwicklungen offen und innovationsbereit ist, lassen sich die vielfach unterschiedlichen und nicht leicht zu vereinbarenden Anforderungen als Fach- und auch als Führungskraft zusammenführen.

Nach der Darstellung der Entwicklung der Disziplin geht Wolfgang Hoff-mann in seinem Aufsatz zu Berufsbiographien auf eines der gegenwärtig dring-lichsten Probleme ein: den Fachkräftemangel. Dieser stellt die Arbeitgeber vor die Herausforderung, ihr Personal dauerhaft an sich zu binden und schwer-punktmäßig auch Mitarbeitenden über 50 noch Perspektiven zu bieten. Hoff-mann stellt anhand einer typischen Erwerbsbiographie in der Jugendhilfe ein 4-Phasen-Konzept vor, mit dem dies gelingen kann. Praktische Anregungen zur Personalentwicklung schließen den Beitrag ab.

Herbert Bassarak rundet mit seinem Beitrag die Skizzierung der Aus-gangssituation ab. Für ihn ist angesichts der gegenwärtigen Sparpolitik im Sozi-alsektor im Speziellen wie auch des neoliberalen Denkens im Allgemeinen das Personal im Sozialmanagement der Erfolgsgarant der Sozialen Arbeit. Wenn es ausreichend in seinen Fach-, Feld- und personalen Kompetenzen ausgebildet ist, kann es die notwendige Adressatenorientierung mit sozialwirtschaftlichen Denkweisen verknüpfen und somit Effektivität, Effizienz und Qualität fördern.

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Voraussetzung für ‚gute Arbeit‘ sind allerdings faire Beschäftigungsverhältnisse und eine optimale Personalentwicklung.

Im ersten Beitrag im Kapitel zur Personalqualifikation beschäftigt sich Klaus Grunwald mit Dilemmata und Paradoxien in Sozialorganisationen – Bei-spiele hierfür sind die Dualitäten von Effizienzdruck und gleichzeitig zu erhal-tender Innovationsfähigkeit oder von Stabilität und Wandel. Mit diesen Gegen-sätzen müssen Führungskräfte tagtäglich umgehen. Grunwald lehnt Manage-mentkonzepte ab, die eine Lösung von Dualitäten in Aussicht stellen, sondern plädiert für ein Sowohl-Als-Auch: Aufgabe einer Führungskraft ist es, die ver-schiedenen, oft widersprüchlichen Anforderungen wahrzunehmen, soweit wie möglich handhabbar und bewältigbar zu machen und sich nicht auf eine Seite zu fixieren. Dieses Dilemmatamanagement sollte ein wichtiger Bestandteil der Personalentwicklung sein.

Paul Brandl setzt seinen Fokus auf den Wandel von Sozialorganisationen. Er sieht in der Einführung von Prozessmanagement ein essentielles neues Auf-gabenfeld für Sozialmanager, um Effizienz und Effektivität zu steigern. Da Prozessmanagement in den grundständigen Ausbildungen kaum eine Rolle spielt, ist es eine spätere Qualifizierungsaufgabe, die Thematik in den Füh-rungsebenen und auch auf den Mitarbeiterebenen zu implementieren. Er schlägt dafür einen vielfach von ihm selbst angeleiteten und sich bewährenden Lehr- und Lernkreislauf vor, in dem die Teilnehmer mit Hilfe des Prozessmanage-ments die Probleme ihrer eigenen Einrichtungen angehen und ihre Fortschritte in die Lerngruppe zurückspiegeln.

Ein weiterer Artikel beschäftigt sich mit der Frage nach dem Ist-Stand in der Aus- und Weiterbildung im Sozialmanagement bzw. in der Sozialwirtschaft, Karl-Heinz Boeßenecker und Andreas Markert betrachten darin schwerpunkt-mäßig den akademischen Bereich. Sie konstatieren im Abgleich mit ihren frühe-ren Bestandsaufnahmen weiterhin eine dynamische Ausweitung der Studien-gänge Sozialmanagement/Sozialwirtschaft an Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die aber vermehrt mit einer inhaltlichen Zerfaserung und Zersplitterung einhergeht. Dagegen stellen sie ihre Vision von Studiengängen unter dem Label „Management der Arrangements in der Sozial-wirtschaft“, die neben anderen Merkmalen branchen- und nicht trägerspezifisch ausgerichtet sind, ein hochschulübergreifendes Kerncurriculum haben sowie die Anschlussfähigkeit zwischen verschiedenen Ausbildungsrichtungen und -ebenen garantieren.

Innovative Möglichkeiten der Personalsuche stehen im Artikel von Brigit-ta Nöbauer im Passus zur Personalauswahl und –entwicklung im Mittelpunkt. Zukunftsträchtige Entwicklungen sind aufgrund des Fachkräftemangels nötiger denn je, wie am Beispiel der Altenbetreuung in Oberösterreich verdeutlicht

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wird. Nöbauer schlägt Such- und Auswahlmöglichkeiten vor, bei denen die Sozialorganisationen nicht mehr nur Bewerber selektierend herausfiltern, son-dern selbst aktiv werden. Auch mit Hilfe des „Employer Branding-Ansatzes“, der an zwei Praxisbeispielen demonstriert wird, lassen sich zielgruppenspezifi-sche Handlungsmöglichkeiten entwickeln. Im Mittelpunkt stehen dabei die Arbeit am Arbeitgeberimage und durchdachte Suchstrategien.

Der zweite Aufsatz dieses Themengebiets befasst sich mit dem Komplex der Weiterbildung. Stefan Gesmann zeigt, dass Sozialorganisationen ihre Mitar-beitenden erfolgreich fort- und weiterbilden müssen, da sonst ihre Existenz in Gefahr ist. Allerdings orientiert sich die Fort- und Weiterbildung in der Praxis häufig zu wenig an den Bedürfnissen, Interessen und Wünschen von Mitarbei-tern und Organisation und bleibt so zu einem großen Teil ineffektiv. Er schlägt deshalb ein systemisches Weiterbildungsmanagement vor. Dieses zeichnet sich vor allem durch eine detailliert gestaltete Vor- und Nachbereitungsphase sowie durch die Einbeziehung des Teams aus, aus dem der weiterzubildende Mitarbei-ter stammt. Damit gelingt es nach Gesmann, sowohl Kompetenzsteigerung beim Mitarbeiter als auch Nutzen für die Gesamtorganisation zu generieren.

Die Untersuchung von Carsten Wirth geht der Frage nach, was die Sozi-alwirtschaft, insbesondere die Akteure in der Beschäftigungsförderung, von Mechanismen einer reflexiven Arbeitskräftewirtschaft in anderen Branchen lernen können. Als Beispiel dient die Fernsehproduktion, in der die Aus- und Weiterbildung an die Arbeitskräfte selbst bzw. an das organisationale Umfeld ausgelagert ist. Dieses Modell einer reflexiven Arbeitskräftewirtschaft mit sei-nem starken Projektnetzwerkcharakter kann der Beschäftigungsförderung als Vorbild für mehr Effektivität dienen (beispielsweise durch ein Poolmanage-ment) und würde eine Korrektur der reinen Ökonomisierungsstrategie mit ihrem Zentralisierungscharakter der letzten Jahre bedeuten.

Der erste Artikel im Abschnitt zur Personalführung setzt sich mit Füh-rungsethik in Sozialorganisationen auseinander. Michael Herzka verdeutlicht, dass Zweck und Aufgaben des Nonprofit-Sektors für die Gesellschaft die Sozi-alunternehmen und ihre Führungsebenen besonderen moralischen Maßstäben unterwerfen. Aufgabe jeder Führungskraft ist es, den Spagat zwischen diesen Anforderungen und einer gleichzeitig verlangten sozialwirtschaftlichen Be-triebsführung zu meistern. Mit ihrer berufsethischen Basis, ihrer Reflexions- und Dialogfähigkeit sind sie dafür aber gut gerüstet.

Mit dem mittleren Management rückt Sebastian Noll eine wichtige Gruppe in der Personalführung in Nonprofit- und Sozialorganisationen in den Mittel-punkt. In seiner Sandwich-Position zwischen Topmanagement und Mitarbeiten-den hat es vor allem die kommunikativen Prozesse zwischen beiden Organisati-onsebenen zu gestalten. Diese Brückenfunktion trägt auch zum Verlauf und

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Erfolg von Veränderungsprozessen maßgeblich bei, denen die Sozialwirtschaft zunehmend ausgesetzt ist. Durch ihre sozio-emotionale Rationalität begleitet und stützt das mittlere Management die betroffenen Mitarbeiter in Change-Prozessen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Organisationsführung die Funktionen des mittleren Managements wahr und ernst nimmt.

Die Akteurskonstellationen im Wohlfahrtsmix sind abschließend Gegen-stand des Artikels von Wolf Rainer Wendt. In Pflege, Erziehung und Betreuung im gesundheitlichen und sozialen Bereich außerhalb der Akutversorgung spielen Selbsthilfe und Freiwilligenarbeit eine große Rolle, die in ihrer Bedeutung von professioneller Seite allerdings zu wenig ernst genommen wird. Wendt plädiert dahingehend für einen Prämissenwechsel: Statt professioneller Fremd- soll die Eigenversorgung im Zentrum stehen; der professionellen Hilfe kommt bei der persönlichen und häuslichen Problembewältigung eine ergänzende Assistenztä-tigkeit zu. Eine derart fallspezifische, aber grundsätzlich abnehmerorientierte Wohlfahrtsproduktion wäre weniger aufwendig, aber dafür nachhaltiger. Aller-dings sind auf dem Weg dorthin noch beträchtliche organisatorische Innovatio-nen und Veränderungen sowie Kompetenzerweiterungen auf Seiten des Fach-personals nötig.

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I. Ausgangssituation

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Überlegungen zum strukturellen Spannungsfeld zwischen Fach- und Führungskräften in der Sozialwirtschaft Bernd Maelicke 1. Die Entwicklung in den 70er und 80er Jahren Die 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts waren in Deutschland geprägt von einer bewussten gesellschaftspolitischen Beendigung der Nachkriegszeit und den Aufbruch in eine neue Phase der Reform: „Mehr Demokratie wagen“. Auch in der Sozialpolitik und in der Sozialen Arbeit wurden die Hilfesysteme modernisiert und Konzepte einer „Neuen Fachlichkeit“ in nahezu allen Arbeits-feldern entwickelt, erprobt und schrittweise etabliert.

Ein zentraler Entwicklungsschwerpunkt lag auf der Professionalisierung der Fachkräfte. Höhere Fachschulen wurden umgewandelt in Fachhochschulen, aus Fürsorgern wurden Dipl. Sozialarbeiter, Universitäten richteten neue Studi-engänge für Dipl. Pädagogen ein, die Sozialwissenschaften entdeckten den Untersuchungsgegenstand der Sozialen Arbeit.

Neue Berufsbilder entstanden mit entsprechender Absicherung in den Aufgabenbeschreibungen und Organigrammen der Trägerorganisationen und in den Tarifverträgen. Fachinstitute wie das Deutsche Jugendinstitut (DJI) oder das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) gewannen mit großzügiger Bundesförderung an fachlicher Bedeutung.

Die bundesweiten Fort- und Weiterbildungsakademien entdeckten neben den Fachkräften eine neue Zielgruppe: die Führungskräfte in den Ämtern, in den Verbänden, in den Diensten und Einrichtungen der Jugend- und Sozialhilfe. Sie waren zumeist berufserfahrene frühere Fachkräfte mit einer Grundausbildung als Fürsorger oder mit einer Ausbildung als Jurist, Psychologe oder Soziologe (keine Betriebswirte, nicht aus anderen Branchen, schon gar nicht aus der Wirt-schaft).

Die Hauptthemen ihrer Weiterbildung waren Führungs- und Personalfra-gen, Arbeits- und Sozialrecht, modellhafte Entwicklungen in den diversen Ar-beitsfeldern. Begleitende Supervision thematisierte ihr Führungsverhalten, ihre Stärken und Schwächen in der Leitung der Organisationen und im Umgang mit

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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auf Grund ihrer gewachsenen Professionalität zunehmend selbstbewussten fach-lichen Teams.

Albrecht Müller-Schöll, Leiter der Diakonischen Akademie in Stuttgart, brachte zusammen mit Manfred Priepke und anderen Experten (auch aus der Schweiz und aus Österreich) von diversen Studienreisen in den USA Begriff und Konzeption des Sozialmanagements mit und löste damit den anschließen-den Boom der „2. Phase der Professionalisierung“ aus – die Entdeckung und Qualifizierung des mittleren, höheren und TOP-Managements in den Organisa-tionen der Sozialen Arbeit. Weitere Akteure waren z.B. Dieter Sengling, Harald Hottelet, Robert Groell, Fritz Thürnau, Bernd Maelicke.

Hauptansatz war die herrschende Lehre des „managements by objectivs“. Ungezählte aktuelle und potentielle Führungskräfte arbeiteten sich in der Folge-zeit durch das System der Grundsatz-, Rahmen – und Ergebnisziele – im Rah-men des Management-Regelkreises Ziele setzen, Planen, Entscheiden, Realisie-ren, Kontrollieren. Im Grunde war es das kleine (kleinstmögliche) Einmaleins der Managementlehre, es war täglich erfahrenes und bestätigtes Alltagswissen und deshalb von einer großen Überzeugungskraft.

Dieser Kernbereich wurde später angereichert durch Module wie Unter-nehmensphilosophie, Corporate Identity, Aufbau- und Ablauforganisation, Per-sonalentwicklung, Führung und Zusammenarbeit, Projektmanagement, Sozial-marketing – alles relativ „weiche“ Management-Bausteine.

An zahlreichen Weiterbildungsstätten und später auch an Fachhochschulen und Universitäten entstanden lawinenartig neue Sozialmanagement-Studiengänge, sowohl in Deutschland wie in Österreich und in der Schweiz. Letztere schon sehr früh in fachlicher Anlehnung an die dortige Betriebswirt-schaftslehre für Non-Profit-Organisationen und für Systemisches Management.

In der Fachliteratur kam es insbesondere im Hinblick auf das Vokabular und die Aufgaben der fachlichen Leitung und Kontrolle zu zahlreichen Kontro-versen, die über die Jahre hinweg eher die Notwendigkeit dieser eigenständigen Profession des Managements in sozialen Organisationen bestätigte. Umstritten blieben der Dienstleistungs- und der Kundenbegriff – andererseits entstanden durch diese Polarisierung wichtige Anregungen auch für die Professionalisie-rung der Soziale Arbeit leistenden Fachkräfte.

Im Nachhinein betrachtet war es eine Zeit der schrittweisen und organi-schen Zusammenführung der Ziele und Konzepte der Sozialen Arbeit mit den Zielen und Konzepten eines Managements sozialer Organisationen.

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2. Die Entwicklung seit 1990 Gegen Ende der 80er Jahre zeichnete sich ein Paradigmenwechsel ab: die Mo-dernisierung der Verwaltung (New Public Management – NPM) setzte sich als Megatrend in Kommunen, Ländern und im Bund durch – beschleunigt durch seitdem ununterbrochen neu verkündete und realisierte Haushaltskonsolidierun-gen, was in Wahrheit immense Einsparprogramme in den öffentlichen Kassen beabsichtigte. Sowohl das Konzept des NPM (bereits konzeptionell in den 60er Jahren unabhängig von der Kassenlage entwickelt) wie die Weiterentwicklung des Sozialmanagementkonzepts wurden nun konfrontiert mit dem Vorrang des Prinzips der Wirtschaftlichkeit bis hin zur vom Neoliberalismus strategisch gewollten Existenzbedrohung von Trägern und Organisationen.

Globalisierung, strukturelle Arbeitslosigkeit, Überschuldung der öffentli-chen Haushalte – dies waren und sind nur einige der gesellschaftlichen Mega-trends, die sich in der Folgezeit massiv auf die Lebensqualität der Zielgruppen Sozialer Arbeit wie auch auf die (Über-)Lebensfähigkeit sozialer Organisatio-nen auswirkten.

Der Begriff der Sozialwirtschaft wurde in Deutschland zur fachlichen Leitkategorie, die neben der Zielsetzung des Sozialen das Ziel des wirtschaftli-chen und nachhaltigen Handelns im Rahmen einer eigenständigen Branche betonte. Fachliche Effektivität und wirtschaftliche Effizienz dominierten fortan den Alltag in allen Arbeitsfeldern und Betrieben und Unternehmen öffentlicher, privat-gemeinnütziger und privat-gewerblicher Träger. Alte Abgrenzungen zwischen NPO- und FPO-Orientierung verloren und verlieren im zunehmenden Wettbewerb rapide an Bedeutung – gefördert durch die schrittweise Entwick-lung einer europäischen Sozialpolitik im Rahmen der EU.

Staatliche Ausgaben und Aufgaben werden systematisch zurückgeführt. Mindeststandards, Grundsicherung und privat finanzierte Zusatzleistungen sind die neuen Leitlinien der sozialpolitischen Entwicklung. Der Marktanteil gewerb-licher Anbieter steigt (z.B. bis zu 60 % in der Pflege), Qualität und Preise wer-den zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren.

Sozialmanager werden zu Spezialisten des Finanzierungsmix. Leistungs-verträge, Qualitätsvereinbarungen und Kontraktmanagement bestimmen den Handlungsrahmen sowohl der Fach- wie der Führungskräfte. Sozialraumorien-tierung, Strategische Allianzen und Netzwerkmanagement sind weitere neue Aufgabenstellungen an das neue Anforderungsprofil.

Die Diskrepanz zur bisherigen Professionalisierung der Fachkräfte in den sozialen Dienstleistungsorganisationen wurde so immer größer, integrierende Gegenstrategien waren und sind immer mehr erforderlich. Das Konzept der „lernenden Organisation“ im Prozess der anhaltenden kontinuierlichen Verbes-

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serung setzt sich durch, „Kernunternehmen“ und „Satellitenorganisationen“ werden gebildet, „Lebens-langes Lernen“ aller Fach- und Führungskräfte und Konzepte des Advanced bzw. Mixed Leadership sind die neuen Trends. 3. Neue Anforderungen an das Management Die Qualifizierung der Führungskräfte in der Sozialen Arbeit wird in den nächs-ten Jahren und Jahrzehnten ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Es kommt auf allen Managementebenen zu einem Generationswechsel, da ca. 50% der Führungskräfte in den nächsten 10 bis 15 Jahren altersbedingt ausscheiden wer-den. Ein großer Teil – wenn nicht der größte – der Nachwuchskräfte bzw. der Aufsteiger werden Frauen sein, sodass sich insofern ein grundlegender Wandel in den Führungsetagen ergeben wird.

Hinzu kommen neue fachliche Herausforderungen, die sich in folgenden Zielen ausdrücken: research&development – Kompetenzen in Forschung und Entwicklung entrepreneurship – Fähigkeit, unternehmerisch und selbstverantwortlich zu

agieren system balancing – Kompetenz, mit Komplexität kreativ, verantwortlich

und handlungsfähig umzugehen networking – Koordination von Querschnittsaufgaben und Netzwerkent-

wicklung leadership – Entwicklung von situativer Führungs- und Teamfähigkeit excellency – Bereitschaft zu hohen Arbeitsbelastungen und Spitzenleis-

tungen gender competence – Chancen-, soziale und Gleichstellungs-Gerechtigkeit,

Nachhaltigkeit

4. Neue Anforderungen an die Soziale Arbeit Bereits 1987 wurde in dem Sammelband „Soziale Arbeit als Soziale Innovati-on“ herausgearbeitet, dass zum Wesenskern der Sozialen Arbeit ihr Auftrag der Sozialen Innovation gehört. Dabei geht es nach Habermas (1973) weniger um die Systemintegration (also die eher technokratische Absicherung des Funktio-nierens des bestehenden Systems), sondern vor allem um die Sozialintegration, also die an ethischen Werten und Grundsätzen orientierte Entwicklung der Ge-sellschaft wie auch der Förderung/Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit:

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„Beide Ziele werden als miteinander verbunden angesehen: Der gesellschaftliche Fortschritt bedingt die Individuation der menschlichen Persönlichkeit, die persönliche Emanzipation des Menschen bedingt ihrerseits den gesellschaftlichen Fortschritt. Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Die Innovationsforschung orientiert sich also sowohl am sozialen System als auch an den lebenden Menschen.“ (Habermas 1973)

Soziale Arbeiter und Soziale Manager sind deshalb tatsächlich grundsätzlich als innovativ (mit dem Auftrag der Sozialen Innovation ausgestattet) zu verstehen. Sie in erster Linie greifen gesellschaftliche Defizite und Problemlagen auf (ge-messen an ihren Werten wie z.B. Sozialer Gerechtigkeit) und werden damit Wegbereiter für gesellschaftlichen Fortschritt. In ihren Strategien und beabsich-tigten Wirkungen erkennen sie zunehmend die Dynamik gesellschaftlicher und ökonomischer Entwicklungen als ineinandergreifende Innovationsprozesse an und leisten damit wichtige Beiträge zur Sicherung und Weiterentwicklung einer sozialen Marktwirtschaft. 5. Integriertes Management in der Sozialwirtschaft Diese grundlegenden und umwälzenden Entwicklungen spiegeln sich auch wie-der im strukturellen Spannungsfeld zwischen den Fach- und den Führungskräf-ten in der Sozialwirtschaft. Es geht darum, „Kernbestände“ zu sichern und „Sa-tellitenentwicklungen“ zu ermöglichen und diese in einen Mainstreaming-Prozess von Forschung und Entwicklung zu integrieren. Kernbestände sind aus meiner Sicht: Es besteht weitgehend Einverständnis zu den Spezifika Sozialer Arbeit,

insbesondere ihrer interdisziplinären Eigenart (Soziale Arbeit als Komplex-leistung) und ihrem Gestaltungs-/Mitwirkungsauftrag in sozialpolitischen Entscheidungsprozessen (Soziale Innovationen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene). Hinzu kommt ihre Einbindung in die sich (national und international) ständig weiterentwickelnde Profession.

Es geht nicht nur um die konkrete Soziale Arbeit im Einzelfall, sondern immer auch um gesellschaftliche Verursachungen und strukturelle Aus-grenzungs- bzw. Integrationsprozesse.

Wirtschaftliches Handeln ist ein Gebot des verantwortlichen Umgangs mit Ressourcen, Nachhaltigkeit ist ein zentrales Kennzeichen gerade sozialer Dienstleistungsorganisationen.

Die Sozialwirtschaftslehre entwickelt sich insbesondere in Deutschland zu einer spezifischen Fachdisziplin der Integration der Fachwissenschaften der Sozialen Arbeit, der Sozialpolitik, Volkswirtschaft, Soziologie, Psycholo-gie, Erziehungswissenschaft und Betriebswirtschaft.

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In der Branche der Sozialwirtschaft sind Anbieter sozialer Dienstleistungen in öffentlicher, frei-gemeinnütziger und privat-gewerblicher Trägerschaft integriert. Ihr Verhältnis ist sowohl durch Konkurrenz wie durch Koopera-tion gekennzeichnet – sie entwickeln zunehmend branchenspezifische Merkmale und Interessenvertretungen.

Der Veränderungsprozess bewirkt analoge Organisationsentwicklungen sowohl bei öffentlichen wie bei frei-gemeinnützigen wie bei privat-gewerblichen Unternehmen. Best-Practice-Beispiele und Benchmarking-Projekte kennzeichnen diesen träger-übergreifenden Entwicklungsprozess – gemeinsames Lernen und strategische Allianzen sind weitergehende Per-spektiven.

Die Professionalisierung der Fachkräfte und der Führungskräfte muss inten-siviert werden – Lebenslanges Lernen ist ein unverzichtbares Qualitäts- und Überlebensmerkmal. Integration div. Fachwissenschaften und interdiszipli-näres und vernetztes Handeln sind die zentralen Leitlinien.

Manager in Sozialen Organisationen bedürfen einer spezifischen Aus-, Fort- und Weiterbildung und entsprechender Führungskräfte-Entwicklungsplanung. Vorhergehende berufliche Erfahrungen als Fachkraft sind zwar im mittleren Management von Relevanz, verlieren diese jedoch im höheren und im TOP-Management – hier sind besondere Kompetenzen zur Systemanalyse und Systemsteuerung gefragt.

Kernbestand in diesen Bildungsprozessen sind folgende Module: Sozialpolitische Rahmenbedingungen Werteorientierung, Ethik Sozialer Arbeit Handeln in komplexen Situationen Management Sozialer Dienstleistungen Managementmodelle in der Sozialen Arbeit Organisationsentwicklung Personalentwicklung Diversity-Management Mixed Leadership Wissens-Management Innovations-Management Netzwerk-Management Quartiers-Management Sozial-Marketing Finanzierungs-Management Qualitäts-Management Wirkungsorientierte Steuerung

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Risiko-Management Controlling

Die Module stehen untereinander in einem systemischen Zusammenhang. Sie charakterisieren als Ganzes sowohl den Entwicklungsstand einer Organisation, die Steuerungs- und Interventionsschwerpunkte des Managements wie auch das neue Anforderungsprofil an die Führungskräfte. Die Einzelelemente sind unter-einander vernetzt und befinden sich in einem dynamischen Gleichgewicht, das der ständigen begleitenden Analyse und Steuerung bzw. Gegensteuerung bedarf. Sie sind in einer Organisation nie gleichermaßen fortentwickelt. Veränderungen jedes einzelnen Elements haben Auswirkungen auf alle anderen. Die Führungs-kräfte sind Teil des Systems – mit der besonderen Aufgabe der Steuerung bzw. Unterstützung von Stabilisierungs- und Veränderungsprozessen mit dem Ziel, das Unternehmen lernbereit und überlebensfähig zu erhalten.

Es macht wenig Sinn, nur die Führungskräfte mit diesen Inhalten und Me-thoden vertraut zu machen. Sie müssen vielmehr bereits in Grundzügen auch in der Ausbildung der Fachkräfte vermittelt und später in gemeinsamen Fortbil-dungsprojekten von Fach- und Führungskräften implementiert, erprobt und evaluiert werden.

Abb. 1: Integriertes Management in der Sozialwirtschaft

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6. Zwischenbilanz und Perspektiven Eine Zwischenbilanz zeigt sowohl Übereinstimmungen in der Sicherung des Kernbestands wie auch zahlreiche gravierende offene und divergierende Frage-stellungen – zumal im internationalen Vergleich.

Diese Ungeklärtheit und Offenheit wäre in früheren Zeiten ein Ansatz-punkt für Kritik und Mängelanalyse gewesen – heute sind dies eher Merkmale offener und innovationsbereiter Systeme und damit ihrer Zukunftsfähigkeit in Zeiten rapider Veränderungen der Rahmenbedingungen und zunehmender Komplexität. Vertiefung des Standes der Fachdiskussion ist demnach angezeigt: Quantitativer und qualitativer Ausbau von Forschung und Entwicklung Konzeptionsarbeit zum Zusammenhang von Sozialer Arbeit (Fachkräfte),

Sozialem Management (Führungskräfte) und der Branche der Sozialwirt-schaft

Weiterentwicklung von Managementmodellen im grenzüberschreitenden Diskurs

Untersuchung der Annäherung bzw. Abgrenzung von NPO- und FPO-Organisationen

Klärung der Alleinstellungsmerkmale Werteorientierung und sozialpoliti-sche Mandatsfunktion

Organisationsmodelle für soziale Dienstleistungsorganisationen Mixed Leadership als Spezifikum Sozialer Arbeit Sozialraumorientierung, Versorgungs- und Prozessketten Fachliche Klärungen zu wirkungsorientierter Steuerung, Effizienz und

Effektivität Sozialer Arbeit (output, outcome, impact) mit entsprechenden Folgerungen bei der Konstruktion des sozialen Problems, der Problemlö-sung, der Umsetzung und des Controlling.

Der Start dieser fachlichen Entwicklung durch Müller-Schöll u.a. in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts geschah in einer Phase des Aufbruchs und des (naiven) Glaubens an den gesellschaftlichen Fortschritt und der wachsenden sozialen Gerechtigkeit. Heute stellen sich die fachlichen Herausforderungen weitaus komplexer dar. Erforderlich ist deshalb eine Offensive von Forschung und Entwicklung möglichst im internationalen Verbund – gestützt durch regio-nale Modellprojekte und Netzwerkmanagement zur Förderung und Evaluierung derartiger Innovationsprozesse.

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7. Literatur Arnold, Ulli/Maelicke, Bernd (Hrsg.) (2009): Lehrbuch der Sozialwirtschaft. 3. Aufl. Baden-Baden:

Nomos Fritze, Agnes/Maelicke, Bernd/Uebelhart, Beat (Hrsg.) (2011): Management und Systementwick-

lung in der Sozialen Arbeit. Baden-Baden: Nomos Habermas, Jürgen (1973): Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus. Frankfurt am Main: Suhr-

kamp. Maelicke, Bernd (Hrsg.) (1987): Soziale Arbeit als soziale Innovation. Weinheim/München:

Juventa. Maelicke, Bernd (Hrsg.) (2005): Innovation und Management in der Sozialwirtschaft, Neuwied,

Luchterhand Maelicke, Bernd (Hrsg.) (2008): Lexikon der Sozialwirtschaft. Baden-Baden: Nomos

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Verantwortung für Berufsbiographien als Folge der demographischen Entwicklung in der Sozialwirtschaft1 Wolfgang Hoffmann Die personale Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt wird sich in den kom-menden 10 Jahren grundlegend ändern. Die demographische Entwicklung kann nahezu sicher vorhergesagt werden. Die Bevölkerung in Deutschland wird zu-nehmend älter. Es werden deutlich weniger junge Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Bis zum Jahr 2020 wird es mehr über 50-jährige als unter 30-jährige Erwerbstätige geben. Die Sozialwirtschaft muss, wenn sie weiterhin ihren Dienstleistungsauftrag erfüllen will, entsprechende Personalentwicklungs- und Bildungsmaßnahmen einleiten.

Beim genauen hinschauen wird man aber feststellen, dass die zu erwarten-de Entwicklung ohnehin notwendige und sinnvolle Personal- und Organisati-onsentwicklungsmaßnahmen nur dringlicher machen und die damit ohnehin notwendigen Prozesse beschleunigen. Die Instrumente dafür liegen meist vor – was oft fehlt, ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Veränderungen und ein auf die veränderten Rahmenbedingungen bei der Belegschaft abgestimmtes Konzept für folgende Situation: 1. Es wird immer weniger gut ausgebildetes Personal für die Leistungserbrin-

gung in der Sozialwirtschaft zur Verfügung stehen. 2. Das vorhandene Personal wird in Zukunft deutlich länger arbeiten müssen.

Die heute fast durchgängig genutzte Altersteilzeit ist ab Ende 2009 ausge-laufen und die Regelarbeitszeit ist auf 67 Jahre heraufgesetzt worden. Die Unternehmen sind also gezwungen, den „Marktwert“ ihres vorhandenen Personals über einen sehr viel längeren Zeitraum zu erhalten. Das bedeutet nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit. Viel wichtiger wird es sein, die Motivation für die Arbeit für einen viel längeren Zeitraum zu erhalten

1 Der Artikel ist die leicht geänderte Version von: Wolfgang Hoffmann: Personalentwicklung - Verantwortung für Berufsbiographien. In: Sozialwirtschaft. Zeitschrift für Führungskräfte in sozialen Unternehmungen. 1/2010. 20-22

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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und die Fachlichkeit auf eine längere Dauer den Erfordernissen des Aufga-benbereichs anzupassen.

Schon ab dem Jahr 2010 haben 50-jährige Mitarbeitende noch bis zu 17 Jahre zu arbeiten! Während sich in den letzten Jahren viele Mitarbeitende ab dem 50. Lebensjahr auf den vorzeitigen Ruhestand ab ca. dem 58. Lebensjahr als Per-spektive eingelassen haben, wird es in Zukunft notwendig sein, 50-jährige Mit-arbeitende im Rahmen der Personalentwicklung darauf anzusprechen, welche Perspektiven sie sich für die kommenden 17 Berufsjahre vorstellen. Mit 50 Jahren muss das Potential in den Menschen nochmals neu entdeckt und geför-dert werden. Neue Bildungsangebote und Personal- und Organisationsentwick-lungskonzepte müssen sich an dieser Herausforderung orientieren. 1. Die Arbeitskraft als das entscheidende (Human-) kapital Es sind im Wesentlichen die Mitarbeitenden, die über den Erfolg oder Misser-folg eines Unternehmens entscheiden. Das Personal ist das entscheidende Leis-tungspotential in der dienstleistungsorientierten Sozialwirtschaft. Folgendes Potential muss als Ressource „Arbeitskraft“ in Zukunft ca. 45 Jahre erhalten und gefördert werden: Talent und Begabung im Umgang mit Menschen Freude/Motivation an der Ausübung der Tätigkeit Fachlichkeit Engagement und Innovation Erfahrung Gesundheit

Die Ausprägung dieses Potentials bestimmt den „Marktwert“ der Mitarbeiten-den. Es ist also nahe liegend, dass sowohl die Mitarbeitenden, als auch das Un-ternehmen ein großes Interesse daran haben müssen, diesen „Marktwert Perso-nal“ über einen Zeitraum von 45 Jahren zu erhalten. Für Führungskräfte wird dies die entscheidende Herausforderung der kommenden Jahre sein.

Den Mitarbeitenden muss klar sein, dass es keine „Nischen“ mehr geben wird, in denen man sich ab dem 50. Lebensjahr bis zum Erreichen des (Vor-) Ruhestandes bequem einrichten kann. Nur ein hoher, für den Arbeitgeber attrak-tiver „Marktwert“ der Arbeitsleistung ist Voraussetzung für ein ausreichend hohes Leistungspotential und damit für eine Sicherung des Einkommens. Das Unternehmen braucht „bis zur letzten Stunde“ leistungsstarke und motivierte Mitarbeitende um erfolgreich seinen Dienstleistungsauftrag erfüllen zu können.

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Verantwortung für Berufsbiographien 27

Immer weniger junge Menschen werden dem Arbeitsmarkt zur Verfügung ste-hen. Die Mitarbeitenden über 50 Jahre bleiben als Leistungsträger unverzicht-bar. Die Investition in dieses Potential ist für die Unternehmen keine „Kannleistung“, sondern ein Pflichtaufgabe!

Der Erhalt und Erweiterung der Potenziale der vorhanden Mitarbeitenden kommt auf strategischer Ebene somit eine grundlegende Bedeutung zu. Sowohl Mitarbeitende als auch die Träger müssen fortlaufend darauf achten, schlum-merndes Potential zu wecken und es für das Unternehmen nutzbar zu machen. Kontinuierliche Bildungsangebote erhalten den Marktwert der Mitarbeitenden als „Kapital“ des Unternehmens. 2. Bildungszyklus eines beispielhaften Berufslebens Schauen wir uns beispielhaft die Phasen eines zukünftigen Berufslebens an. Dafür nehme ich eine Person, die mit 25 Jahren die pädagogische Ausbildung beendet hat und direkt nach der Ausbildung eine Stelle im Bereich der stationä-ren Jugendhilfe beginnt. 1. Phase (1. – 5. Berufsjahr) Mit hohem Engagement und ausrechender fachlicher Grundqualifikation werden die Grundanforderungen erfüllt. Die Person ist leistungsbereit, hoch motiviert und engagiert. Nach 2 Jahren wird eine mögliche Befristung des Arbeitsverhält-nisses aufgehoben. Gleichzeitig wird verabredet, dass ergänzend zur Grundqua-lifikation zusätzliche Fachkompetenz wünschenswert ist. Um den „Marktwert“ der Person zu erhöhen, bieten sich folgende Fortbildungen an (noch keine Zu-satzqualifikation als Spezialisierung): Klientenzentrierte Gesprächsführung Deeskalationstraining

Diese Investitionen werden sich lohnen. Der „Marktwert“ der Person ist hoch, sie ist auch noch nach 5 Berufsjahren für jeden Arbeitgeber attraktiv.

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2. Phase (6. – 15. Berufsjahr) Nach 5 Berufsjahren im Bereich der stationären Jugendhilfe muss eine Bilanz gezogen werden: bist Du in diesem Bereich Jugendhilfe an der richtigen Stelle? Entsprechen die Anforderungen Deiner Fachlichkeit? Willst Du auch die nächsten 10 Jahre mit diesem Personenkreis arbeiten? Wie stellst Du Dir die nächsten 10 Jahre Deines Berufslebens vor?

Es stehen entscheidende Weichenstellungen an. Um das Kapital „Arbeitskraft“ der Beispielperson für das Unternehmen weiter effektiv nutzen zu können, muss in die Bildung investiert werden. Diese Investition erhöht gleichzeitig den „Marktwert“ des gesamten Personalbestandes.

Stellen beide Partner jetzt fest, dass der Bereich der Jugendhilfe auch für die nächsten 10 Jahre die richtige Entscheidung ist, muss eine Erweiterung der fachlichen Kompetenzen erfolgen. Eine Spezialisierung als Zusatzausbildung zur Fachkraft für „Traumaerkennung und –behandlung“ kann an dieser Stelle die richtige Entscheidung sein. Mit der Erweiterung der Fachlichkeit wird gleichzeitig im laufenden Personalentwicklungsprozess die Phase der Karriere-planung (andere Funktion, Einbinden in Projekte, erweitere Zuständigkeitsbe-reiche...) beginnen.

Mögliche alternative Entscheidungen können zu diesem Zeitpunkt aber auch sein: 1. Die Person entscheidet sich für ein anderes Arbeitsfeld. Ein Wechsel steht

an. Fluktuation als Chance für beide Seiten! 2. Die Partner sind unsicher, ob eine Perspektive von 10 Jahren angebracht ist.

Alternativen werden erwogen. Die Entscheidung für eine Spezialisierung und einer Karriereplanung entfällt. Stattdessen wird der „Marktwert“ der Person durch laufende, nicht ausschließlich zielgruppenspezifische Fortbildungen erhalten. Nur gut ausgebildete Mitarbeitende sind attraktiv für andere Arbeitgeber!

Egal, wie die Berufsbiographie im Einzelfall weiter verläuft; in jedem Fall muss weiter in Erhalt und Verbesserung der Fachkompetenz investiert werden. Nach 15 Berufsjahren ohne laufende Ergänzung der Grundqualifikation und ohne Veränderung der beruflichen Perspektiven sinkt der „Marktwert“ einer Fach-kraft erheblich. Die Motivation und damit die Leistungsbereitschaft lassen nach. Die Person wird auch für andere Arbeitgeber zunehmend unattraktiv. Wo das Personal das entscheidende Leistungspotential ist, muss sich der Träger dann

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den Vorwurf gefallen lassen, den „Wert“ genau dieses Potentials „Mitarbeiten-de“ nicht ausreichend bewahrt und gefördert zu haben. 3. Phase (16. – 25. Berufsjahr) Unsere Beispielperson ist jetzt 40 Jahre alt. Wenn die Personalentwicklung gut gelungen ist, haben wir es mit einer Person zu tun, die über eine Zusatzausbil-dung verfügt, aktiv in Veränderungsprozesse einbezogen wurde und Erfahrun-gen in mindestens noch einem weiteren Arbeitsfeld der Jugendhilfe hat. Diese Person ist auf jetzt auf dem Gipfel ihres „Markwertes“. Folgende Fragen geben jetzt Aufschluss über die weiteren Perspektiven: Entspricht die derzeitige Aufgabe/Funktion den Erwartungen? Sind berufliche Perspektiven bei diesem Träger realistisch erkennbar? Ist das Arbeitsfeld der Jugendhilfe auch für die nächsten 10 Jahre attraktiv? Sind berufliche Perspektiven in anderen Arbeitsfeldern (bei einem anderen

Träger) denkbar/wünschenswert? Entspricht die Qualifikation/Fachlichkeit den anzustrebenden Berufsper-

spektiven? Grundsätzliche berufliche Veränderungen/Entwicklungen müssen jetzt eingelei-tet werden. Dies ist der richtige Zeitpunkt für eine mögliche Neuorientierung beruflicher Perspektiven. „Schlummernde Potentiale“ können gefördert und für das Unternehmen nutzbar gemacht werden. Werden weitergehende Führungstä-tigkeiten angestrebt, muss eine Managementausbildung geplant werden. Bei einer Veränderung des Tätigkeitsfeldes im Umfeld der Jugendhilfe (bei dem gleichen Träger) sind zusätzliche Kompetenzen notwendig.

Ist ein Wechsel in ein Arbeitsfeld außerhalb der Jugendhilfe wünschens-wert, sind die entsprechend notwendigen Qualifikationen zu organisieren. Für ein Unternehmen kann es langfristige sehr attraktiv sein, zum richtigen Zeit-punkt auch in Bildungsangebote zu investieren, die ein Wechsel einzelner Mit-arbeitender zu einem anderen Träger ermöglichen. Investition in Fluktuation als Konzept! 4. Phase (26. – 42. Berufsjahr) Wir sind bei dem oben genannten Beispiel angekommen. Unsere Person ist jetzt 50 Jahre alt und hat 25 Jahre Berufserfahrung in der Jugendhilfe hinter sich. Bestenfalls hat sich die Person laufend qualifiziert, hat sich durch Zusatzausbil-

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dungen spezialisiert, ist nicht mehr im stressigen Gruppendienst eingebunden und war im bisherigen Berufsleben aktiv an Veränderungsprozessen beteiligt. Bisher haben Unternehmen in dieses „Humankapital“ der über 50-jährigen kaum noch investiert. Auch das Interesse der Mitarbeitenden an Bildungsange-boten lässt in dieser Phase deutlich nach. Berufliche Perspektiven rücken deut-lich in den Hintergrund. Der Erhalt des Geleisteten hat Priorität. Da ein Aus-scheiden aus dem Berufsleben vor dem 67. Lebensjahr in Zukunft aber ausge-schlossen ist, stellen sich folgende Fragen: Wie willst Du die nächsten 17 Berufsjahre verbringen? In welchem Bereich willst Du nochmals „so richtig durchstarten“? Welche Deiner Potentiale wurden bisher zu wenig oder gar nicht für das

Unternehmen genutzt? Was kannst Du heute besser als vor 15 Jahren? Welche Strukturen im Unternehmen ver- oder behindern Dein Engage-

ment? Was möchtest Du in Zukunft nicht mehr machen?

Da zu diesem Zeitpunkt ein Wechsel zu einem anderen Träger (eventuell in ein ganz anderes Arbeitsfeld) eher unwahrscheinlich ist, bleibt unsere Beispielper-son die nächsten 17 Jahre auf der Lohnliste des Jugendhilfeträgers. Es muss also in seinem Interesse sein, diese Ressource für sein Unternehmen weiter effektiv zu nutzen. Jetzt profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer von einer bisher ge-lungenen Personal- und Bildungsentwicklung. Die Person ist gut ausgebildet, hat eine gute Beziehung zum Unternehmen, ist motiviert und an neuen Aufga-ben interessiert. 17 Berufsjahre sind allemal genug Grund, neue Perspektiven zu entwickeln und weiter in die Bildung für diese Person zu investieren. 3. Perspektiven und Anregungen Nein, es gibt den „Königsweg“ nicht. Es gibt keine Patentrezepte oder einfache Instrumente für die anspruchsvolle Gestaltung von zukünftigen Berufsbiogra-phien. Es gibt aber eine Wahrheit: Wer sich nicht ab sofort mit diesem Thema beschäftigt und die passenden „Stellschrauben“ für einen wertschätzenden Um-gang mit den Mitarbeitenden im Unternehmen sucht, wird es in spätestens 10 Jahren auf dem konkurrierenden Sozialmarkt sehr schwer haben, seinen Dienst-leistungsauftrag erfüllen zu können. In Zukunft werden die Unternehmen sehr viel stärker Verantwortung und Engagement für die Berufsbiographien ihrer Mitarbeitenden übernehmen müssen.

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Dabei wird es notwendig sein, mit 50-jährigen Mitarbeitenden im Rahmen der Personalentwicklung nochmals ganz neue Perspektiven zu erarbeiten. Mit 50 Jahren muss das Potential dieser Menschen nochmals neu entdeckt und ge-fördert werden. Neue Bildungsangebote, Personalentwicklungskonzepte, Kon-zepte des betrieblichen Gesundheitsmanagement und der Arbeitsbedingungen müssen sich an dieser Herausforderung orientieren. 3.1 Individuelle Lösungen als Konzept Das Prinzip der „individuellen Lösungen“ sollte zum Konzept erklärt werden. Jede Berufsbiographie orientiert sich neben den Anforderungen der Unterneh-men primär an den Bedürfnissen, Fähigkeiten, Macken und individuellen Eigen-schaften der Mitarbeitenden. So individuell wie die einzelnen Menschen sind, so individuell werden in Zukunft auch die Berufsbiographien, insbesondere ab dem 50. Lebensjahr sein. Gleichmacherei als Maßstab für einen „gerechten Umgang“ mit allen Mitarbeitenden wird den zukünftigen Erfordernissen nicht mehr ge-recht. Mit jeder Einzelperson muss individuell eine individuelle „Startbahn“ geplant werden, die ein nochmaliges „berufliches Durchstarten mit 50“ ermög-licht. Lassen Sie niemanden in ihrer/seiner Nische zurück! 3.2 Personalentwicklungskonzepte neu gestalten In Zukunft wird eine erfolgreiche Personalentwicklung daran zu messen sein, ob es gelingt, Berufsbiographien gezielt zu steuern und dabei Potentiale laufend zu entdecken und zu fördern. Die Arbeitskraft und Motivation des Personalbestan-des über einen Zeitraum von 45 Berufsjahren als das entscheidende (Human-) kapital zu entwickeln und zu erhalten gilt als die große Herausforderung für Führungskräfte. Bildung und Gesundheit müssen in modernen PE-Konzepten stärker integriert werden. Strategisches Management kommt an der Personal-entwicklung nicht mehr vorbei. Personalentwicklung ist der strategische Schlüs-sel für eine erfolgreiche Unternehmenspolitik. 3.3 Mitarbeiterpools ermöglichen Gestaltungsspielraum Größere Personaleinheiten ermöglichen einen wünschenswerten Gestaltungs-spielraum für Mitarbeitende und Unternehmen. Wechsel von Arbeitsbereichen und Arbeitsfeldern sind nur in größeren Einheiten denkbar. Die langfristige

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Qualifizierung von Mitarbeitenden für zukünftige Anforderungen können in der strategischen Personalentwicklung nur in größeren Einheiten sinnvoll und effek-tiv geleistet werden. Größere Komplexeinrichtungen haben an dieser Stelle einen klaren Vorteil, müssen diesen aber konsequenter für die Personalentwick-lung nutzen. Kleine, oft spezialisierte Einrichtungen oder Träger, die ausschließ-lich Leistungen in z.B. den Bereichen Jugendhilfe, Alten- oder Behindertenhilfe erbringen, kommen sehr schnell an ihre Grenzen. Sie sind wenig flexibel und können nicht genügend alternative Arbeitsfelder und damit wenig Gestaltungs-spielraum bieten. Die Perspektive „einmal Jugendhilfe, immer Jugendhilfe“ kann sich als großes Problem bei der Gestaltung von Berufsbiographien erwei-sen.

Größere Einheiten durch Kooperationsverträge mit anderen Trägern in der Region können für Mitarbeitende und Träger attraktive Perspektiven schaffen. Mitarbeitende werden strategisch auf zukünftige Bedarfe geschult, Karrierepla-nungen sind nicht nur auf kleine Einheiten beschränkt, personale Potentiale können besser genutzt werden. In größeren Einheiten können die Träger auf Befristungen bei den Arbeitsverträgen weitestgehend verzichten. Die Mitarbei-tenden werden ihnen dies durch Engagement und Verbundenheit danken. Fluk-tuation als Konzept kann realisiert werden. 3.4 Fluktuation als Konzept Nur gut ausgebildete Mitarbeitende sind auch für andere Arbeitgeber attraktiv. Mitarbeitende, die nur deshalb im Unternehmen bleiben, weil sie an andere Stelle keine Chance haben, sind meist nicht das gewollte Personal. Wenn Sie Ihre Mitarbeitenden attraktiv für andere Träger machen, sind sie auch für Ihr Unternehmen attraktiv. Fluktuation ermöglicht auch für Ihr Unternehmen eine Neuorientierung. Qualifizieren Sie also auch um Fluktuation zu ermöglichen. Das ist gut angelegtes Geld. Der Wert Ihres Unternehmens (Frage: „Bin ich für die Zukunft gut aufgestellt?“) hängt ganz entscheidend von dem „Gesamt-marktwert“ Ihrer Mitarbeitenden ab. Mitarbeitende, die nach 15 Berufsjahren in der Jugendhilfe nur deshalb im Unternehmen bleiben, weil sie für andere Berei-che nicht über die notwendige Kompetenzen verfügen, werden sich auf Dauer nicht als die Leistungsträger erweisen. Was spricht also dagegen, in Fluktuation zu investieren?

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Sozialmanagement fordert Personal Herbert Bassarak Die beiden zentralen Referenzbegriffe dieser Publikation sind ‚Sozialmanage-ment‘ und ‚Personal‘. Der Titel dieses Beitrages erscheint mehrdeutig; … will er auch sein. 1. Geld regiert die Welt Aktuell beschäftigen sich verantwortungsbewusste Politikerinnen und Politiker insbesondere mit der Frage einer immer schärferen Verschiebung der gesell-schaftlichen Koordinaten von einem verfassungsrechtlich am Gemeinwohl aus-gerichteten demokratischen und sozialen Rechtsstaat hin zu einem von neolibe-ralen Kräften bestimmten Gebilde, das auf alle Systeme des Staates prägend Einfluss nimmt. Weiter treibt ganz Europa die Frage um, wie der mit der Fi-nanzmarkt- und Wirtschaftskrise verbundenen enormen Schuldenlast etlicher Staaten wirksam begegnet werden kann, zumal die Konjunktur zu Beginn des Jahres 2011 deutlich an Tempo eingebüßt hat. Seit Lissabon ist die ‚Soziale Marktwirtschaft‘ im EU-Vertrag zwar verankert. Trotzdem mehren sich vehe-mente Klagen über das Zurückdrängen des Sozialstaates. Aber nach den Kom-ponenten, der Definition oder dem System der Sozialen Marktwirtschaft und deren Bedeutung für das Sozialmanagement befragt, fehlen bislang eindeutige Antworten. Die wirtschaftliche Erholung in Deutschland scheint zudem mit gebremster Dynamik erneut in einen Abwärtssog geraten zu sein, der insbeson-dere im europäischen Raum die Folge der massiven Sparprogramme und der tiefen Skepsis über die weitere wirtschaftliche Entwicklung vor dem Hinter-grund der Schuldenkrise ist. Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach zum Ende des Jahres und darüber hinaus noch verstetigen.

In dieser Krise bluten die Steuerzahler für die Banken; … und der Staat ist quasi in Geiselhaft. Eine Haushaltskonsolidierung allein durch Ausgabenkür-zung, Buchungstricks und Finanzjonglage ist nicht zielführend und knebelt auch das Sozialmanagement. Die rigiden Sparprogramme wirken sich in den diversen Geschäftsfeldern der Sozialen Arbeit negativ aus.

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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Ein kurzer Blick auf die letzten Jahre offenbart auch dem in der Wirt-schafts- und Finanzpolitik nicht so Sachkundigen rasch und gut nachvollziehbar, dass in Deutschland die Steuern seit 1998 insgesamt kräftig gesunken sind. Das Unvermögen politischer Kräfte und damit einhergehend die bedingten Einnah-meausfälle in Milliardenhöhe sind ein wesentlicher Grund für das Staatsdefizit und die immer beschränkter werdende Handlungsfähigkeit der Verantwortung tragenden Entscheider. In diesem Jahr würden laut Medienberichten Bund, Län-der und Gemeinden über fünfzig Milliarden Euro Steuern mehr einnehmen, wenn die Steuergesetze von 1998 noch gelten würden. Insbesondere die Ein-kommensteuerreform der rot-grünen Koalition mit der Senkung der Spitzen-steuersätze zeigte nachhaltige Wirkung. Hinzu traten die für Kapitaleigner güns-tige Abgeltungssteuer, die Unternehmenssteuersenkung sowie die Entlastungen, welche die Große und dann die Schwarz-Gelbe Koalition in der Krise beschlos-sen (z.B. für Hoteliers). Die ließ die finanzpolitische Schere der ‚Gewinner‘ und ‚Verlierer‘ noch weiter aufklaffen. Steuererhöhungen scheinen aus dem Blick-winkel verantwortungsbewusster Sozialpolitik zum gegenwärtigen Zeitpunkt unumgänglich, z.B. eine Anhebung des Einkommensteuertarifs für hohe Ein-kommen, eine höhere Erbschaftsteuer, die Wiedereinführung der Vermögen-steuer und eine Finanztransaktionssteuer.

In den letzten Jahren hat Soziale Arbeit eine betriebswirtschaftlich ausge-richtete Ökonomisierung durchdrungen und mittels einseitig geprägter Denk-muster zur Erbringung und Bewirtschaftung sozialer Dienstleistungen vielfach zu einer Fragmentierung und Entfremdung von Fachlichkeit im systemischen Sinne geführt. Soziale Arbeit, die möglichst billig angeboten werden soll, läuft Gefahr, immer öfter auf Werte und fachliche Standards zugunsten betriebswirt-schaftlicher Logik zu verzichten. Die Hauptrichtung der Kritik an den neolibera-len Konzepten richtet sich sowohl gegen die Form deregulierenden marktradika-len Wirtschaftens als auch gegen die Reduktion sozialstaatlichen Gemeinwohls; so werden die ‚Verlierer‘ der Neoliberalisierung für ihren persönlichen Nieder-gang zum Teil noch selbst verantwortlich gemacht und an den Pranger gestellt.

Ein ökonomisches Effizienzdenken, welches steuerfinanzierte Sozial- und Bildungsausgaben in ein Verhältnis zum möglichen wirtschaftlichen Ertrag setzt und mit zur Entscheidungsgrundlage für soziale Dienstleistungen macht, fordert Sozialmanagement geradezu heraus. Damit die sozialen Probleme und Problem-lagen nicht völlig aus dem Ruder laufen bedarf es einer sozialverantwortlichen Steuerungsregelung. Der mit dem sozialdarwinistischen Denkansatz neoliberaler Politik einhergehende, ungerechte und unsoziale Effekte fördernde Umbau, der regulative Eingriffe staatlicher Organe und Instanzen in die Wirtschaftsprozesse zum Teil ausschaltet und negiert, wird nicht nur fachpolitisch gebrandmarkt, sondern es muss ihm auch ein Sozialmanagement entgegengestellt werden,

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welches ihr sich aktiv einmischendes Mandat durch eindeutige Haltung im Sin-ne einer gerechten Gesellschaft sozialverantwortlich wahrnimmt und auch quali-fiziertes Personal fordert.

Wirtschaftliche Paradigmen halten jedoch nach wie vor Einzug in diverse Geschäftsfelder der Sozialen Arbeit. Ausgaben sollen reduziert und möglicher Nutzen maximiert werden. Den daraus erwachsenden sozialen Problemen und Problemlagen steht allerdings ein sächlich wie personell unzureichend ausge-stattetes System der Jugendhilfe gegenüber, das seinerseits durch die Finanznot des Bundes, der Länder, der Bezirke und insbesondere der Kommunen quasi am Existenzabgrund steht und vielfach sich über das Mittel der Privatisierung und Personalkosteneinsparungen aus der Krise zu retten sucht.

Unstrittig ist, dass unser sozialer und demokratischer Rechtsstaat umfas-sender ist als die Summe seiner kollektiven Versicherungssysteme. Er schließt auch die Verantwortung für ausreichende Angebote qualitativ hochwertiger öffentlicher Güter ein wie das der Erziehung, der Bildung und der Betreuung. Die Entwicklungschancen für Familien, für Migranten, für Behinderte, für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie der leichtere und gerechtere Zugang zu gleichen Bildungsangeboten, zu kulturellen Gütern und nicht zuletzt auch zur Teilhabe am materiellen Reichtum dieser Gesellschaft müssen verstärkt disku-tiert und sichergestellt werden. Diese und andere Aspekte gehören thematisiert, wenn der Sozialstaat in seiner Rolle als Garant des – sozial – regulierten Kapita-lismus betrachtet wird.

Ein aktueller Versuch ist das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesre-publik Deutschland. Dahinter verbirgt sich z.B., dass Minderjährige aus Fami-lien mit geringen Einkommen gefördert und unterstützt werden sollen. Sie sol-len nicht von Kultur, Sport und Freizeit, Mittagessen, Ausflügen und Klassen-fahrten, Schülerfahrkosten und Lernförderung ausgeschlossen sein, nur weil nicht genügend Geld vorhanden ist. So sollen die betroffenen Kinder und Ju-gendlichen z.B. bei Ausflügen und Ferienfreizeiten mitfahren, Sport- und Mu-sikangebote nutzen, bei Bedarf Nachhilfe bekommen oder am gemeinsamen Mittagessen in der Schule, der Kindertageseinrichtung, des Hortes oder bei der Tagesmutter teilnehmen. Doch das System ist unvollkommen und die eigentli-che Zielgruppe wird nur zum Teil und zudem nur äußerst schleppend erreicht. Sozialmanagement ist gefordert und fordert Personal, z.B. im Bereich der Schulsozialarbeit.

Von höchster Priorität – auch über die tagespolitische Debatte hinaus – wird wohl die Frage nach der Finanzarchitektur unseres Staates und seiner in der Öffentlichkeit wirkenden Präsentation sein. Wenn dem Staat – mit beein-flusst durch die aktuellen Ergebnisse der Föderalismusdiskussion und den hier-von getroffenen Entscheidungen ausgehend – quasi seine steuernd Einfluss

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nehmenden Hände gebunden sind, dann müssen sich die Länder, die Bezirke und die Kommunen im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verstärkt engagieren und die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellen. Denn es kann nicht genug hervorgehoben werden, dass der Sozialstaat schon in seiner heutigen Verfassung einen höheren Nutzen stiftet als Kosten verursacht!

Weitere aktuelle Entwicklungen wie der hohe Anteil von Teilzeitstellen bei Fachkräften der Sozialen Arbeit, die Zunahme von Befristungen, aber auch die mitunter schlechte Bezahlung weisen auf nicht günstige Rahmenbedingun-gen hin. Hinzu tritt die wachsende Besorgnis, dass die bereits einleitend benann-te Ökonomisierung des gesamten sozialen Sektors zu einer Verschlankung von Strukturen sowie Verdichtung von Arbeitsprozessen bei gleichzeitig schlechter werdender Bezahlung führt.

Soziale Organisationen sind deshalb gezwungen, vor allem den Wirkungs-grad ihrer finanziellen und personellen Ressourcen zu erhöhen und Manage-mentkompetenzen zu qualifizieren. Der in diesem Kontext als Diffusion zu veranschaulichende Prozess kennzeichnet dabei die Einführung und Verbreitung von Innovationen in einem sozialen System. Art, Maß und Form der Innovati-onskraft, Veränderungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit hängen wesentlich von der professionellen Führungs- und Leitungsqualifikation und der eigentli-chen Qualität beruflichen Handelns ab.

Die Dienstleistungsqualität wird immer häufiger als Erfolgsfaktor gese-hen. Neben dem Kontraktmanagement gewinnen sowohl Qualität (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) als auch Qualitätsmanagement immer mehr an Bedeutung. Träger Sozialer Arbeit müssen sich mit stetig steigenden Qualitäts-anforderungen auseinandersetzen; ihre sozialen Dienstleistungen stehen unter dem Anspruch der Adressatenorientierung, um den Bedürfnissen, Interessen und Wünschen der rat- und hilfesuchenden Menschen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu entsprechen. Die Adressaten gewöhnen sich relativ schnell an verbesserte Qualitätsniveaus, entsprechend nehmen auch die Anforderungen zu. Um als Träger Sozialer Arbeit diesen Anforderungen gerecht werden zu können, ist ein umfassendes Qualitätsmanagement unerlässlich.

Trotz begrenzter und in manchen Bereichen sogar rückläufiger finanzieller Ressourcen gilt es nicht nur für die im Sozialmanagement Verantwortung Tra-genden, die Leistungsfähigkeit sozialer Einrichtungen und Dienste durch struk-turelle Innovationen und personelle Verbesserungen auf einem angemessenen Niveau qualitätssichernd zu befördern. Es gilt, mittels adäquater Steuerungsin-strumente den Wirkungsgrad der sozialen Dienstleistungen – soweit möglich – zu erhöhen. Hierbei kommen quasi zwangsläufig Organisationsstrukturen, Ver-fahrensweisen sowie vor allem die involvierten Akteure und deren Leistungsfä-higkeit verstärkt in den Blick. Leistungsfähigkeit und Innovationskraft hängen

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dabei wesentlich auch von der Qualität der Führungs-, Leitungs- und Leistungs-prozesse sowie der verantwortlichen Entscheidungsträger ab.

Das Management sieht sich mit neuesten Anforderungen und komplexen Prozessen konfrontiert, die verstärkt nach Innovation, modellhaften Konzeptio-nen und Verfahrensweisen verlangen, die auf der operativen Ebene nicht nur kurzfristige Handlungsperspektiven ermöglichen, sondern auch eine auf Zukunft ausgerichtete strategische und normative Zielsetzung und Gestaltung der sozia-len Organisationen anstreben. Innovationen und Veränderungen müssen deshalb auch in sozialwirtschaftlich tätigen Organisationen als fortdauernder Prozess zielgerichtet gestaltet werden. Und dies hat wohlgemerkt als Prozess zu erfol-gen, in dem eine Balance gefunden werden muss zwischen erforderlichen Pha-sen und Schritten zur Veränderung im Sinne von Verbesserung und Erneuerung, die – soweit wie möglich – in einem partnerschaftlich ausgerichteten Diskurs konsequent gegangen werden, so dass weder Erstarrung noch Überforderung der sozialen Organisation einschließlich Überlastung ihrer Sozialmanager verur-sacht werden. 2. Beruf und berufliche Handlungskompetenz Beruf und berufliche Handlungskompetenz sind im Sozialmanagement wie in der Sozialen Arbeit zentral und werden vornehmlich durch theoriegeleitete An-sätze, Programme, Konzepte und Kompetenzen determiniert.

Beruf enthält zwei Komponenten, eine gesellschaftliche und eine persona-le. Die gesellschaftliche Komponente betrifft die durch die Arbeitsteilung be-stimmte Position und die an diese Position gebundenen Funktionen in konkreten Arbeitsorganisationen. Die personale Komponente beinhaltet die – durch syste-matische Ausbildung erworbene – Summe von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Das Berufsbild übernimmt gleichsam eine Mittlerrolle zwischen Berufs-ausbildung und Berufsausübung ein und muss dem Einzelnen ermöglichen, seine berufliche Identität als Mitglied eines Berufsstandes finden und bestim-men zu können. Die berufliche Identität entwickelt sich in einem Prozess wäh-rend der Ausbildung bzw. des Studiums und der Berufstätigkeit. Sie umfasst das Bewusstsein vom eigenen Wissen und Können zur Lösung spezifischer Aufga-ben sowie das Bewusstsein von der Notwendigkeit und dem Wert des Berufes, hier des Sozialmanagers. Sie ist die notwendige Voraussetzung, andere Berufe und deren Berufsrollenträger in ihrer Eigenständigkeit und Bedeutung anzuer-kennen.

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Das Wahrnehmen und Erkennen eines sozialen Problems bzw. einer sozia-len Problemlage erfordert berufliche Handlungskompetenz, unter der die geord-nete Menge aller Dispositionen zu verstehen ist, die notwendig ist, um reaktiv, aber auch bewusst die anfallenden Aufgaben gezielt sozialwirtschaftlich vertret-baren Lösungen zuzuführen. Es geht hier um die spezifische Fähigkeit, eine berufliche Position und die hiermit verbundenen Funktionen in einer konkreten Arbeitsorganisation planend, organisierend, gestaltend, steuernd und evaluie-rend übernehmen zu können. Die Reflexivität neuer Planung, Organisation, Gestaltung, Steuerung sowie Evaluation zeigt sich in einem neuen Verständnis von ‚Ent-Wicklung‘ beruflicher Identität und Handlungskompetenz. Es geht nicht mehr um die unbedingte Durchsetzung von Strategien, Zielen und die geradlinige Durchführung von Plänen, sondern um ein ‚Sich-Entwickeln‘. Pla-nung, Organisation, Gestaltung, Steuerung und Evaluation erfordern dann auch ‚Selbst-Beobachtung‘, ‚Selbst-Erfahrung‘, ‚Selbst-Beschreibung‘, ‚Selbst-Evaluation‘, auch und insbesondere in den Modulen der Curricular der Ausbil-dung von Sozialmanagern. Auch hier ist Sozialmanagement gefordert.

Um soziale Probleme und Problemlagen in Theorie und Praxis zu erken-nen und problemlösenden Maßnahmen zuzuführen ist es demnach zunächst notwendig, sich über die in der Praxis des Erwerbslebens erforderliche berufli-che Handlungskompetenz grundlegende Gedanken zu machen: ‚Fachkompetenz‘ beinhaltet die auf den Hochschulen erworbenen berufs-

spezifischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie beinhaltet auch die exemplarische Kenntnis mindestens eines Berufsfeldes und die Fähig-keit, sich neue Berufsfelder zu erschließen. Sie wird erst in einem konkre-ten Arbeitsfeld fruchtbar; sie ist aber nicht an konkrete Arbeitsfelder ge-bunden. Sie ist als Disposition an die Person gebunden und muss durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Supervision und Coaching ge-stützt werden.

‚Feldkompetenz‘ umfasst die spezifischen Kenntnisse und Fertigkeiten, die an ein konkretes Arbeitsfeld und einen Sozialraum gebunden sind. Hierzu gehören vor allem präzise Kenntnisse über den institutionellen Rahmen, durch den das Arbeitsfeld bestimmt wird, den organisatorischen Aufbau des Trägers, die verfügbaren und ggf. einzuwerbenden Ressourcen (vor allem Arbeitsmittel), die Kooperationen und Netzwerke, Verfahrens- und Ar-beitsweisen sowie die Rat- und Hilfesuchenden, die Adressatengruppen (z.B. ihre spezifischen sozialen Probleme und Problemlagen, ihre soziokul-turelle und sozioökonomische Zugehörigkeit).

Die Feldkompetenz muss ggf. immer neu erworben werden. Nicht nur beim Wechsel des Anstellungsträgers, sondern auch bei wesentlichen strukturel-len Änderungen des Handlungssystems (Innovation).

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‚Personale Kompetenz‘ wird bei anderen Berufen häufig mit der Bestim-mung der Fachkompetenz oder als soziale Kompetenz erfasst. Bei sozialen Berufen scheint die gesonderte Betrachtung der personalen Kompetenz aber gerechtfertigt, da die berufsspezifischen Kenntnisse und Fertigkeiten nur angewandt werden können, wenn bestimmte Voraussetzungen, die in der Person begründet sind, erfüllt sind. Zur personalen Kompetenz gehören vor allem Problembewusstsein, das Wissen um die eigenen Einstellungen und Vorurteile und die Fähigkeit, mit diesen umzugehen sowie die Fähigkeit, kognitive Dissonanzen ertragen, eigene Probleme bewältigen und berufs-spezifische Belastungen ertragen zu können (z.B. Diskrepanz zwischen Problemerfassung und Begrenzung der Lösungsmöglichkeiten).

Die Orientierung an den Bedürfnissen, Interessen und Wünschen der Rat- und Hilfesuchenden einerseits und die Beachtung vorgegebener ökonomischer Sach-zwänge andererseits, auf die einleitend hingewiesen wurde, beeinflussen die Geschäftsfelder sozialer Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen sowie die dort praktizierten Verfahrensweisen und stellen ihre Führungs- und Leitungs-kräfte vor komplexe, sich ständig verändernde Herausforderungen, zumal die zur Verfügung stehenden Ressourcen ihr berufliches Handeln begrenzen.

Die in der Sozialen Arbeit wie im Sozialmanagement erforderliche beruf-liche Handlungskompetenz bildet den wesentlichen Teil des Führungs- und Leitungswissens sowie -könnens, wodurch wiederum Denkweisen und Hand-lungsnotwendigkeiten der involvierten Akteure nicht unwesentlich beeinflusst werden. Um ihre Verantwortung bei der Innovation und Veränderung sozialer Organisationen sowie der Steuerung und Kontrolle der Strukturen und Verfah-rensweisen wahrnehmen zu können, benötigen Sozialmanager grundlegende sozialwirtschaftliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie ein seis-mographisches Verständnis für die – potentiell konfliktträchtigen – Schnittstel-len und -mengen fachlichen und wirtschaftlichen Handelns. Zentrale Struktur-merkmale des Sozialmanagements liegen des Weiteren in den relationalen Ar-beitsbeziehungen der beteiligten Akteure begründet. Das in spezifischen Kon-texten und mit unterschiedlichen Instrumenten, Methoden und Techniken wir-kende Personal, der zentrale Erfolgsfaktor sozialer Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen einschließlich ihrer Dienstleistungen, kann auf den verschiede-nen Bereichen und Ebenen der jeweiligen Systeme Effektivität, Effizienz und Qualität hemmen oder befördern. Dies verweist forschungsmethodologisch auf die besondere Rolle von Sozialmanagement und natürlich auf die des Personals als Garant für fachlich fundiertes, ‚richtiges‘ berufliches Handeln. Ob ein Sozi-almanager allerdings ‚effektiv‘ arbeitet, also die ‚richtigen‘ Dinge tut, und ihre Ressourcen ‚effizient‘ nutzt, also die Dinge ‚richtig‘ tut, ist im Interesse der

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Adressaten jeweils kritisch zu hinterfragen. Die Kenntnis allein über das ‚richti-ge‘ Tun der ‚richtigen‘ Dinge bietet allerdings noch keine hinreichende Quali-tätsgarantie, sondern setzt gerade im Sozialmanagement berufliche Handlungs-kompetenz voraus. 3. Erfordernisse richtigen Handelns – Sozialmanagement Der Titel dieses Beitrages erscheint – wie einleitend hervorgehoben – mehrdeu-tig. Er schließt neben den skizzierten markt- und quasimarktökonomischen Dimensionen nicht nur regionale und sozialraumbezogen sozialisationsrelevante Areale mit ihren lebensweltorientierten Bereichen ein, sondern knüpft zugleich an das an den Bedürfnissen, Interessen und Wünschen von Menschen ausgerich-tete problemlagenbezogene Denken und „richtige Handeln“ an.

Wie in anderen Wirtschaftsbranchen ist Soziale Arbeit in ihren ausgewie-senen Geschäftsfeldern angehalten, den ‚Erfolg‘ ihres ‚richtigen Handelns‘ nachzuweisen. Es gilt den ‚Erfolg‘ messbar zu machen, nach innen wie nach außen. Doch was das Sozialmanagement von den Trägern der Marktökonomie unterscheidet ist die Definition dessen, was als ‚Erfolg‘ bezeichnet wird. ‚Er-folg‘ in marktökonomisch geleiteten Unternehmen drückt sich vornehmlich in der Rendite der Shareholder aus. Anstelle der Rentabilität als universelle Er-folgsgröße greifen in der Sozialwirtschaft individuelle organisationsspezifische Erfolgsgrößen wie z.B. der Zuwachs an Lebensqualität und Autonomie von Menschen mit Migrationshintergrund. Um diesen ‚Erfolg‘ messbar zu machen und für die Politik nachvollziehbar zu gestalten, bedarf es neben der klassischen Kontrolle eines soliden Wirkungscontrollings. Während im klassischen Control-ling Fragen der binnenstrukturellen innerorganisatorischen Effizienz (Gegen-überstellung von Input und Output) im Vordergrund stehen, sind es im Wir-kungscontrolling Fragestellungen der Effektivität einer sozialen Organisation bei ihren Zielgruppen, welches dort ansetzt, wo das klassische Controlling auf-hört, nämlich der quantitativen Leistungsmenge, also beim Output (z.B. wö-chentliche Anzahl der Nutzer von Angeboten der Offenen Jugendarbeit). Der Output stellt die Grundlage für die qualitativen Wirkungseffekte dar. Und mit der Festlegung diverser Wirkungsausprägungen wie ‚Effect‘ als direkte, objektiv ersichtliche und nachweisbare Wirkung (z.B.

Erhöhung der Anzahl der Angebote Offener Jugendarbeit annehmenden Teilnehmer),

‚Impact‘ als subjektiv erlebte Wirkung des Leistungsempfängers bzw. der Stakeholder (z.B. Bereitschaft an den Angeboten der Offenen Jugendarbeit teilzunehmen) und

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‚Outcome‘ als gesellschaftliche Wirkung der Leistung (z.B. Verhinderung von Straffälligkeit)

verknüpft ist die einfache Fragestellung nach den komplexen Dimensionen der exakten Messung dieser Wirkungen. Über die Ebene der direkten, objektiv er-sichtlichen und nachweisbaren Wirkung hinaus erscheint allerdings eine Bewer-tung mittels konkreter Kennzahlen wenig bzw. kaum noch möglich, weshalb diesbezüglich das Wirkungscontrolling auf qualitative Verfahren angewiesen ist und in spezifischen Einzelfällen auch ohne fundierte Zahlenwerke handeln muss.

Als ein querschnittübergreifender Steuerungsbereich der Sozialen Arbeit geht es im Kontext ‚richtigen Handelns‘ beim Sozialmanagement um eine grundlegende anwendungsbezogene (Theorie-) Entwicklung, um das klare Kon-zipieren und um das qualitätssichernde Etablieren als zusätzliche Spezialqualifi-kation zur Gestaltung von Strukturen und Prozessen sowie um die berufliche Identität der Fachkräften und die von ihnen gemeinsam mit den Co-Produzierenden erzeugten Produkte und Wirkungen.

Sozialmanagement fordert qualifiziertes Personal und Sozialmanager sind gefordert, kritisch – auch in gesamtgesellschaftlichen Bezugssystemen – zu denken und ‚richtig‘ zu handeln, worunter eine spezifische Form des bewussten, gezielten, systematisch geregelten und kontrollierten Vorgehens zur Lösung konkreter Aufgaben und Aufträge zu verstehen ist. Sozialmanagement ist insbe-sondere in Zeiten wachsender Armut und zum Teil gesellschaftlicher Verelen-dung, wodurch auch die Aufwendungen für die Jugendhilfe zwangsläufig stei-gen, unbestritten ein zentrales Aufgabenfeld. In diesem Kontext stellt Sozialma-nagement ein primär vernunft- bzw. evidenzbasiertes Stellwerk auch an den Schnittstellen Sozialer Arbeit dar, um die gesellschaftliche Teilhabe junger Menschen und ihrer Familien befördern und verwirklichen zu helfen (siehe aktuell das Bildungs- und Teilhabepaket). Sozialmanagement und das produzie-rende wie steuernde Personal müssen deshalb auf der Grundlage der Gesamt-verantwortung, Planungsverantwortung und Gewährleistungsverpflichtung als zentrale Aufgabe der öffentlichen Hand immer wieder – den jeweiligen aktuel-len Anforderungen entsprechend – neu justiert und qualifiziert werden.

Nicht selten wird in der beruflichen Praxis allerdings das, was man im so-zialen Dienstleistungsbereich zum ‚Erfolg‘ bringen will, weniger kritisch hinter-fragend mit Sozialmanagement betitelt. Eine derartige Einstellung und Mentali-tät birgt die Gefahr in sich, dass Sozialmanagement in Misskredit geraten und ein inflationärer Gebrauch des Begriffes Sozialmanagement zu einer leeren Worthülse mutieren kann. Der Begriff Sozialmanagement ist nämlich per se noch kein Beitrag zur automatischen Steigerung von Effektivität, Effizienz und

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Qualität. Sozialmanagement kann dies allerdings werden und nachhaltig wirken, wenn verschiedene Grundvoraussetzungen und Rahmenbedingungen erfüllt sind. Sozialmanagement muss deshalb insbesondere von den auf der normativen, strategischen sowie operativen Ebene wirken-

den Akteuren den Verantwortung tragenden Führungs- und Leitungsebenen gewollt sein;

in der Aufbau- und Ablauforganisation einer sozialen Organisation einen angemessenen Platz einnehmen (z.B. Stabsstelle, Projektmanagement);

einen klaren Planungs-, Organisations- und Steuerungsauftrag haben sowie über fachlich qualifiziertes Personal verfügen.

Sozialmanagement hat als offenes System zudem die Aufgabe, sich permanent selbst zu hinterfragen sowie Selbst- und Fremdreflexion insbesondere hinsicht-lich der beruflichen Handlungskompetenz des Personals (Fach-, Feld- und per-sonale Kompetenz) sowie Evaluation und Fortschreibung zu ermöglichen. Zent-rale Fragestellungen, denen Sozialmanagement nachzugehen hat, lauten bei-spielhaft wie folgt: Was sind die sozialen Probleme und Problemlagen von heu-te, morgen und übermorgen und welche Aufgaben haben Priorität? Wie müssen soziale Organisationen eingerichtet und ausgestattet sein, um auf dem Markt bestehen zu können? Wie muss das Anforderungsprofil der Fachkräfte zukünftig aussehen? Welche Instrumente, Methoden und Techniken werden problemlö-sende Aktivitäten und Maßnahmen befördern und zusätzlich Synergieeffekte erzeugen? Was können Fort- und Weiterbildung, aber auch Supervision, Coa-ching und Mentoring bewirken? Was ist im Kontext von Sozialmanagement generell zu tun, um den Trägern sozialer Einrichtungen und Dienste einschließ-lich der Angebote Attraktivität zu verleihen und zu einem Effektivität, Effizienz und Qualität bringendem Steuerungsinstrument zu machen? Welche Funktion und Bedeutung hat das Personal für Sozialmanagement innerhalb einer Organi-sation, z.B. wie ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe, der die Gesamtverant-wortung, Planungsverantwortung und die Gewährleistungsverpflichtung inne hat? Hier sind eine binnenstrukturelle Unterstützung für die Bereiche und Ebe-nen der Führung und Leitung hinsichtlich der Planung, Organisation und Steue-rung der sozialen Infrastruktur sowie die darüber hinausgehenden Servicefunk-tionen für die sozialen Einrichtungen und Diensten auch frei-gemeinnütziger Träger Sozialer Arbeit und deren spezifischen Schnittstellen und Schnittmengen zu nennen, die zu kompetenten Nahtstellen werden müssen.

Die Aneignung von Kompetenzen und die Sicherstellung eines Bildungs-erfolges als Voraussetzungen für z.B. eine erfolgreiche soziale Integration ist jungen Menschen heute zumeist nur dann möglich, wenn die erforderlichen Erziehungs- Bildungs- und Betreuungsleistungen in den Familien und deren

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sozialem Umfeld durch entsprechende Einrichtungen, Dienste und Veranstal-tungen sowie qualifizierte Fachkräfte flankiert werden. Fachkräfte sollten des-halb schon genau wissen, was in komplexen und krisenhaften Situationen zu tun ist und was man ggf. auch zu unterlassen hat. Unsicherheit und Zaghaftigkeit sind in den Geschäftsfeldern der Sozialen Arbeit weder guten Berater noch Bündnispartner; es hilft niemanden, Angst zu haben, etwas nicht „richtig“ zu machen oder aus Ratlosigkeit in blindem Aktionismus nach dem Motto „Viel hilft viel“ verfallen zu wollen.

Die öffentliche Hand und hier die Träger der öffentlichen Jugendhilfe müssen nicht zuletzt auf der Grundlage ihrer Gesamtverantwortung, Planungs-verantwortung und Gewährleistungsverpflichtung das Heft des Handelns wieder deutlicher in die Hand nehmen, um das schlingernde Schiff auf einen sozialver-träglich sicheren Kurs zu bringen. Deshalb sollte niemals, weder direkt oder indirekt, die Steuerung wesentlicher Aufgaben und Verfahrensbestandteile in die Hände derjenigen geben werden, die selbst Nutznießer der zu entscheiden-den Maßnahmen sind. Solange die Träger der öffentlichen Jugendhilfe wesentli-che Bereiche der Sozialen Arbeit den Trägern der freien Jugendhilfe ohne Kon-trolle bzw. Controlling überlassen (siehe z.B. Berlin und Hamburg und dort die – ausufernden – Bereiche der ‚Hilfe zur Erziehung‘), müssen sie sich nicht wundern, wenn sie zu „sachlich und rechnerisch richtig“ zeichnenden „Zuarbei-tern“ für das Ausfüllen der Überweisungsträger degradiert werden. Deshalb sind wirtschaftlich denkende und zugleich auch ‚richtig handelnde‘ Fachkräfte unbe-dingt erforderlich. Unbestritten besteht folglich zwischen dem „richtigen Han-deln“ der Beschäftigten einer sozialen Organisation und ihrem die Aufbau- und Ablauforganisation determinierenden Sozialmanagement ein enger erkenntnis-leitender, sich in der Regel wechselseitig beeinflussender Zusammenhang. Die jeweils zu ergreifenden Aktivitäten bzw. einzuleitenden Maßnahmen, um ziel-orientiertes Denken und „richtiges Handeln“ zu ermöglichen, müssen bewusst geplant, organisiert und gesteuert werden. Insofern muss sich jeder Sozialmana-ger mit der Frage nach dem „richtigen Handeln“ zur Lösung konkreter Aufga-ben und Fragestellungen auseinandersetzen. 4. Beschäftigungsverhältnisse und Personalentwicklung Soziale Arbeit hat sich in den letzten Jahren immer mehr von ihrem gesell-schaftlichen Auftrag zur Sicherung von Sozialstaatlichkeit und Interessensaus-gleich entfernt. Nicht selten werden Fachkräfte der Sozialen Arbeit in schein-selbstständige Beschäftigungsverhältnisse oder in die diskriminierenden Erfah-rungsstufenregelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst, die den

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Wechsel des Arbeitgebers mit Einkommenseinbußen bestrafen, gedrängt. In quasi allen Geschäftsfeldern der Sozialen Arbeit sind – vornehmlich bedingt durch die Auswirkungen der einleitend skizzierten Ökonomisierungstendenzen – strukturelle Veränderungen der Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisse wahrnehmbar, die besonders im Rahmen einer neoliberalen Gesellschaftsaus-richtung und veränderter Sozialstaatlichkeit in den zivilgesellschaftlichen Orga-nisationen nachhaltig zu wirken beginnen. 4.1 Beschäftigungsverhältnisse Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsbeziehungen sowie die Qualität der erbrachten sozialen Dienstleistungen verändern sich: Teilzeit, Befristung, Scheinselbstständigkeit, geringfügige Entlohnung und geförderte Beschäftigung (z.B. „Ein-Euro-Jobs“) nehmen zu. Um die Qualität von Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnissen im Dienstleistungssektor zu erhöhen, ist ein Bündel von Maßnahmen erforderlich, das nicht nur am Arbeitsmarkt ansetzen kann. Not-wendig sind nicht nur Mindestlöhne und allgemeinverbindliche Tarifverträge, sondern auch der Ausschluss prekärer Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisse, eine Reduktion bürokratisierender Überregulierung sowie eine bessere Finanzie-rung, vor allem personenbezogener Dienstleistungen.

Die Konsequenzen dieser Entwicklungen und Anforderungen sind kaum bekannt, wie eine neue Studie1 belegt. Gesellschaftspolitische Erfordernisse und Notwendigkeiten ökonomisch berechtigter Interessen und Forderungen der abhängig Beschäftigten werden nicht unerheblich tangiert, wie die Ergebnisse einer Befragung zur sozialen und beruflichen Lage von Fachkräften der Sozia-len Dienste in Berlin und Brandenburg dokumentieren. Die Ergebnisse belegen einen erheblichen Handlungsbedarf in der öffentlichen Jugendhilfe wie auch in der frei-gemeinnützigen Jugend- und Behindertenhilfe. Damit liegt erstmals auf quantitativ relevanter Basis mit rund 600 Befragungsteilnehmern eine umfas-sende Beschreibung der Beschäftigungsbedingungen der Fachkräfte Sozialer Arbeit vor. Die vorfindlichen Beschäftigungsbedingungen stehen in einem kras-sen Gegensatz zur beruflichen Qualifikation. Die Einkommen der Hochschulab-solventen liegen deutlich unterhalb der Einkommen vergleichbarer Berufsgrup-pen. Zwei Drittel der Beschäftigten in freier Trägerschaft werden nach den vor-liegenden Ergebnissen keine ausreichende Rente beziehen. Die Befunde stellen

1 Siehe Grote 2011: Macht und Ohnmacht in der Sozialen Arbeit. Das Praxisforschungsprojekt mit einer Laufzeit von 18 Monaten wurde von dem gemeinnützigen Träger „Soziale Dienste Berlin-Brandenburg e.V.“ im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft durchgeführt.

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die angewandten Verfahrensweisen und bestehende Steuerungsinstrumente wie die neuen Steuerungsmodelle sowie auch die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit grundsätzlich in Frage.

Es wird deutlich, dass nicht nur in den zurückliegenden Jahren (und dieser Prozess wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken) neben den sich verschärfenden, weniger arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsmarktbedingungen mit ihren Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisse sowie den permanent wachsenden psycho-sozialen Anforderungen, die nicht selten mit einem Burn-out verbunden sind, noch ein weiteres Problem verschärfend hinzu-tritt: Der in den kommenden Jahren sich noch schneller vollziehende Rückgang der Wohnbevölkerung und demographische Wandel beschleunigen mittlerweile in vielen Geschäftsfeldern der Sozialen Arbeit einen akuten Fachkräftemangel (z.B. im Kontext des Bildungs- und Teilhabepakets des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hinsichtlich der Schulsozialarbeit).

Neben den einleitend thematisierten sozialen Problemen und Problemla-gen und den damit verbundenen Fragestellungen zu den gesamtgesellschaftli-chen, insbesondere wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Grundlagen, geht es somit auch um Antworten hinsichtlich des in naher Zukunft nicht unerhebli-che Verwerfungen hervorrufenden demografischen Wandels und seine mögli-chen ökonomischen und rechtlichen Auswirkungen auf die Sozial-, Familien-, Jugend- sowie Bildungs- und Schulpolitik.

Von hoher gesellschaftspolitischer Relevanz sind neben dem wachsenden Fachkräftemangel die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnissen in etli-chen Geschäftsfeldern der Sozialen Arbeit, was das Risiko der Spaltung des Arbeitsmarktes und letztendlich der Gesellschaft in sich birgt. Mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsverträgen wird Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einseitig das Risiko aufgebürdet. Auch hier sind Sozialmanager gefordert, die auf die vielfältigen wie vielschichtigen Fragen steuernd sozialver-trägliche Antworten geben müssen.

Sozialmanager sind demnach gefordert, zufriedenstellende Antworten zu geben, soziale Probleme und Problemlagen problemlösenden Maßnahmen zuzu-führen und die hierzu erforderlichen Strukturen und Geschäftsprozesse zu opti-mieren. Dabei kann organisationales Lernen helfend zur Seite stehen, unter dem ein Prozess der Verbesserung der Problemlösungs- und Handlungskompetenz, der Erhöhung und Veränderung der organisationalen Wissensbasis sowie der Veränderung des gemeinsamen Bezugsrahmens von und für Mitglieder inner-halb einer sozialen Organisation verstanden werden kann. Dies geschieht in Lernprozessen auf individueller, gruppenbezogener und organisationaler Ebene zur Wissenserweiterung bzw. Verhaltensmodifikation der gesamten Organisati-on. Organisationales Lernen ist kein abgeschlossener Vorgang, sondern ein

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permanenter Lernprozess mit dem Ziel, den sich ständig ändernden Umwelt- und Rahmenbedingungen fachlich zu stellen. In diesem Kontext sind weitere zentrale Begrifflichkeiten wie Organisationsentwicklung und Personalentwick-lung von Bedeutung; uns interessiert im Folgenden die Personalentwicklung. 4.2 Personalentwicklung Wo der soziale Wandel sich beschleunigt, die Anforderungen sich ändern und die finanziellen Spielräume immer enger werden, hängt der zuvor thematisierte ‚Erfolg‘ einer sozialen Organisation und ihrer Dienstleistungen im Wesentlichen davon ab, wie mit der ‚Ressource Fachkraft‘ umgegangen wird und ob diese in der Lage ist, ‚richtig‘ zu handeln.

Personalentwicklung ist unverzichtbarer Bestandteil von Organisations-entwicklung. Ein systemübergreifendes Personalmanagement zielt in diesem Kontext insbesondere ab auf effektive Verfahren der Leistungsermittlung, die primär aus unterschiedli-

chen Funktionen der Zielvereinbarung und Zielerreichungsüberprüfung be-stehen;

die Potentialermittlung, welche insbesondere die Erstellung von Anforde-rungs- und Potentialprofilen verfolgt, bei der es vor allem um das Erkennen von Eignung und Befähigung (Personalauswahl, Personalführung, Perso-nalentwicklung, Personalbedarfsplanung und Personaleinsatz) geht.

Diese beiden Instrumente, die Leistungsermittlung und die Potentialermittlung, konstituieren zentral das Gesamtkonzept eines innovativen Personalmanage-ments und bilden eine wesentliche Grundlage moderner Steuerung sozialer Organisationen.

Die Definition von Auswahlkriterien sowie die Nutzung von Analysein-strumenten sind – wie zuvor angedeutet – von unterschiedlichen Erfolgsfaktoren abhängig. Die Erfolgsfaktoren reichen von dem spezifischen Anforderungsprofil über allgemeine Grundsätze zu Ausschreibungsverfahren sowie der Steuerung des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens bis hin zur Einstellung oder Verset-zung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Personalentwicklung bewirkt in diesem Kontext das Zusammenführen von persönlichen Kompetenzen, Motivationen und Interessen mit den betrieblichen Zielen. Hier sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie Führungs- und Leitungs-kräfte gefordert. Personalentwicklung gestaltet – professionell begleitet – den gezielten Aufbau und Ausbau persönlicher und beruflicher Handlungskompe-tenz in einem aktivierenden Führungsstil sowie in der Offenheit von Lernpro-

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zessen. Als Prozess umfasst sie alle Maßnahmen, die sich auf die Auswahl, Qualifikation und individuelle berufliche Entwicklung aller Bediensteten bezie-hen und die in den angestrebten Wirkungen gegenwärtige und zukünftige be-triebliche Anforderungen ebenso berücksichtigen wie persönliche Kompeten-zen, Motivationen und Interessen. Und sie berücksichtigt darüber hinaus bereits alle Aktivitäten und Maßnahmen im Vorfeld der Personaleinstellung (z.B. Stel-lenprofile), sowie Überlegungen zum Personalaustritt (z.B. Altersteilzeit).

Zudem wird sich durch den demographischen Wandel die personale Situa-tion auf dem Beschäftigungs- und Arbeitsmarkt grundlegend ändern. Auch soziale Organisationen werden gezwungen sein, die Leistungsfähigkeit ihres Personals über einen sehr viel längeren Zeitraum zu erhalten und weiter zu qua-lifizieren. In diesem Zusammenhang haben Ausbildung, Personalentwicklung, Personalauswahl und Personaleinsatz eine zusätzlich erhöhte zentrale Bedeu-tung im Management sozialer Organisationen.

Sozialmanager, die z.B. im öffentlichen Dienstleistungsbereich wirken und in einem Innovations- und Veränderungsprozess involviert sind, kommen früher oder später zu dem Punkt, an dem sie die Bedeutung des Personals und der Personalentwicklung klar erkennen und fordern. Die Umsetzung betriebli-cher Reformüberlegungen hängt in diesem Zusammenhang wesentlich von der Akzeptanz des Managements und der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Diese müssen daher rechtzeitig auf die mit dem Reformprozess verbundenen Anforderungen vorbereitet werden. Eine strategisch orientierte soziale Organisation wird sich vorrangig mit jenen Adressatengruppen beschäf-tigen, die formal eine „Schlüsselfunktion“ haben (z.B. Fachbereichsleitungen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schnittstellen übergreifenden Servicebe-reiche).

Last but not least ist hervorzuheben, dass Personalentwicklung mittlerwei-le in zahlreichen sozialen Organisationen etabliert ist, vielfach in Form eines Personalentwicklungskonzepts oder einzelner modularisierter Bausteine, sei es in Form von Stellen oder von Stellenanteilen. Vielfältige Bestandsaufnahmen bei sozialen Organisationen zeigen, dass in etlichen Bereichen ziel- und leis-tungsorientiert Personalentwicklungsaktivitäten unternommen werden. Eine strategische Ausrichtung sowie ein Personalentwicklungscontrolling kommen jedoch noch wesentlich zu kurz.

Personalentwicklung scheint vor allem dann am wirksamsten zu sein, wenn sie sich aus dem Leitbild, den strategischen Zielen der sozialen Organisa-tion ableitet, vom ‚Kommunalen Management‘ aktiv unterstützt wird, die Ver-antwortlichkeiten auf den unterschiedlichen Ebenen klar erkennt, wahrnimmt und eine angemessene Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher-stellt.

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4.3 Kommunales Management Kommunales Management (Heinz 2000)2, eine zentrale Grundvoraussetzung und Rahmenbedingung für Innovation und Veränderung sozialer Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen liegt im Interesse der gesamten Wohnbevölkerung, und zwar in vielerlei Hinsicht. Kommunales Management ist zu verstehen als ein dynamischer, vielschichtiger und zugleich komplexer Prozess, welcher sich durch drei Dimensionen auszeichnet: Normatives Management begründet kommunales Handeln und definiert die

zentralen Grundsätze und Verhaltensmuster. Strategisches Management zielt auf die Entwicklung eines integrierten

Zielsystems mit glaubwürdigen, identitätsstiftenden Zielen als Grundlage ihres kommunalen Handelns.

Operatives Management vollzieht kommunales Handeln in Maßnahmen zur möglichst effektiven und effizienten Zielerreichung.

Kommunales Management zeichnet sich bei sachgemäßer Anwendung durch seine Plausibilität, seine Stimmigkeit sowie durch seine kompakte Geschlossen-heit aus. Im Kontext strategischen Managements gilt es vor allem mit vier Leit-fragen systematisch prozessorientiert zu planen, zu organisieren, zu gestalten und zu steuern, halt zu managen: Was wollen wir für die Bürgerinnen erreichen? Was müssen wir dafür tun? Wie müssen wir es tun? Welche Ressourcen müssen wir dafür einsetzen?

Diese Leitfragen sollten zudem zum durchgängigen Struktur- und Arbeitsprin-zip von Politik, Führung, Beschäftigten sowie Bestandteil der Ausbildung wer-den.

2 Siehe hierzu Heinz 2000.

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Sozialmanagement fordert Personal 49

5. Bologna-Prozess fordert und fördert Personal im Sozialmanagement Auf die Erfordernisse der Ausbildung fokussierend ist vor allem der seit 1999 laufende Bologna-Prozess ins Visier zu nehmen.

Seit 1999 sehen sich die Hochschulen nun dem sog. Bologna-Prozess mit seiner Herausforderung einer umfassenden Studienreform gegenüber. Diese zielt auf eine strukturelle und inhaltliche Erneuerung der Studienangebote im Kontext eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes ab. Seit über zehn Jahren will dieser Bologna-Prozess mit der Entwicklung von Qualifikations-rahmen diesen Erfordernissen bildungs- und hochschulpolitisch Rechnung tra-gen. Im europäischen Rahmen soll sich ein Wandel von der Input-Orientierung zur Output-Orientierung vollziehen. Dieser Wandel soll die Vielfalt an Qualifi-kationen neu abbilden und neu definieren. Zugleich soll er in einem sich zu-nehmend diversifizierenden Hochschulsystem Transparenz gewährleisten und dem Bedürfnis nach Verständlichkeit Rechnung tragen. Er zielt ab auf die Schaffung eines Systems leicht vergleichbarer Abschlüsse, was jedoch in der Praxis nicht immer zu gelingen scheint und zum Teil ins Gegenteil gekehrt wird.

Bisher wurden deutsche Studienprogramme in der Regel primär durch ihre Studieninhalte, Zulassungskriterien und Studienlänge beschrieben. Bereits im September 2003 sprachen sich die europäischen Bildungsminister in dem „Ber-liner Kommuniqué“ dafür aus, für ihre Hochschulsysteme einen Rahmen ver-gleichbarer und kompatibler Hochschulabschlüsse zu entwickeln. Dieser sollte darauf abzielen, Qualifikationen im Hinblick auf Arbeitsbelastung, Niveau, Lernergebnisse, Kompetenzen und Profile zu definieren. Des Weiteren ver-pflichtete man sich, einen übergreifenden Rahmen für Abschlüsse im europäi-schen Hochschulraum zu entwickeln. Am 21.04.2005 wurde im Zusammenwir-ken der Hochschulrektorenkonferenz, der Kultusministerkonferenz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung der „Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse“ erarbeitet und von der Kultusministerkonferenz beschlossen.

Zentrale Ziele eines Qualifikationsrahmens sind vor allem die Erreichung erhöhter Transparenz, leichterer Verständlichkeit und besserer Vergleichbarkeit der angebotenen Studiengänge (z.B. durch diverse Qualifikationsprofile), spezi-fische Information, Unterstützung bei der Evaluation und Akkreditierung sowie Erleichterung bei der Curriculumentwicklung. Ein Qualifikationsrahmen stellt somit die systematische Beschreibung der zu erwerbenden Kompetenzen und Qualifikationen dar, die ein Absolvent nach einem erfolgreichen Abschluss haben soll.

Der Fachbereichstag Soziale Arbeit stellte sich dieser Herausforderung auf nationaler Ebene im Ergebnis bereits im Mai 2006. Der von ihm an der ASH

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Berlin einstimmig verabschiedete „Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit“ stellt, wie in seinem Entwicklungsprozess deutlich wurde, ein tragfähiges Kompro-missbündel dar. Er eröffnete im unmittelbaren Anschluss einen intensiv genutz-ten Diskussionsrahmen und erzeugte auf dieser erfreulicherweise stabilen Basis mit den beiden bisher entwickelten ‚Qualifikationsprofilen‘ „Sozialmanage-ment/Sozialwirtschaft“ und „Schulsozialarbeit“ über die Grenzen des eigenen Faches hinaus vielfältige Synergieeffekte. Etliche Schnittstellen wurden Naht-stellen und beflügelten Impulse für Akkreditierungsverfahren. Darüber hinaus begrüßte die Hochschulrektorenkonferenz diesen Entwicklungsprozess aus-drücklich und würdigte diesen „Meilenstein der Bologna-Reform in Deutsch-land“ durch eine personelle und finanzielle Unterstützung.

So fordert nicht nur Sozialmanagement qualifiziertes Personal, sondern auch die Hochschulrektorenkonferenz und die Kultusministerkonferenz.

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6. Literatur Grote, Herwig (2011): Macht und Ohnmacht in der Sozialen Arbeit: Strukturen Sozialer Dienstleis-

tungen in Berlin und Brandenburg und ihre Bedeutung für die Beschäftigungssituation der Fachkräfte. Auswertungsbericht der Befragung zur sozialen und beruflichen Lage von Fachkräf-ten der Sozialen Dienste in Berlin und Brandenburg. Berlin: GEW, Landesverband Berlin (unter Mitwirkung von Bassarak, Herbert, Eichinger, Ulrike, Frank, Mathias, Schlizio-Jahnke, Heike und Stuwe, Ulla (Soziale Dienste Berlin-Brandenburg e.V.)

Heinz, Rainer (2000): Kommunales Management. Überlegungen zu einem KGSt-Ansatz, Stuttgart:

Schäffer-Poeschel

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II. Personalqualifikation

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Zur Bewältigung von Dilemmata und Paradoxien als zentrale Qualifikation von Leitungskräften in der Sozialwirtschaft Klaus Grunwald Innerhalb der Tagung „Sozialwirtschaftliche Bedeutung des Personals im Sozi-almanagement“ ist dieser Beitrag im Panel „Personalqualifikation“ angesiedelt. Der Hintergrund der folgenden Überlegungen wird gebildet durch Ergebnisse der neueren Organisationslehre, insbesondere der Organisationssoziologie. Das Grundverständnis, das eine Führungskraft von der Organisation und ihrem Ma-nagement hat, prägt auch das Bild, das diejenige vom Management, der Führung und der Qualifizierung von Personal hat. Führungskräfte in der Sozialwirtschaft benötigen, um selber qualifiziert mit Herausforderungen der Führung und Ent-wicklung von Personal umgehen zu können, ein organisationstheoretisch reflek-tiertes Verständnis von Fragen der Organisationsgestaltung und der Personal-führung (vgl. Grunwald/Steinbacher 2007; Grunwald 2009b).1

Im Folgenden wird am Beispiel des Konzepts des Dilemmata-managements knapp umrissen, welche Konsequenzen eine soziologisch reflek-tierte Vorstellung von Rationalität und das auf ihr aufbauende Organisationsver-ständnis für Fragen der Organisationsgestaltung und der Personalführung nach sich ziehen. Das Thema „Management“ wird insofern nicht aus der Sicht der Führungspersönlichkeit angegangen, sondern vielmehr über den Umweg eines Organisationsverständnisses, das Einrichtungen der Sozialwirtschaft wie alle Organisationen als komplexe Gebilde modelliert. Die These ist, dass eine zent-rale Qualifikation von Leitungskräften gerade in der Sozialwirtschaft darin be-steht, Führungs- und Organisationsdilemmata bewusst wahrzunehmen und mit ihnen produktiv umzugehen. Da die Grundlage für das Konzept des Dilemmata-managements in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Terminus der Zweckrationalität besteht, wird es zunächst kurz um den Begriff der Zweckra-tionalität gehen. Weiter wird die Debatte um Dilemmata und Paradoxien der Unternehmensführung entfaltet, indem die Begriffe geklärt und verschiedene Erscheinungsformen beschrieben werden, um dann das Konzept des

1 Dieser Beitrag greift passagenweise auf Grunwald 2006, 2009b und 2011a zurück und führt diese weiter.

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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Dilemmatamanagements zu skizzieren. Ein Ausblick fokussiert dieses auf die Rolle der Führungskraft in sozialen Organisationen.

1. Der Abschied von der Zweckrationalität

Sowohl Max Weber als auch Frederick Taylor und Henri Fayol gehen da-von aus, dass Organisationen stark geprägt sind durch eine rationale Anordnung von Zwecken und Mitteln. Folgt man Max Weber, so handelt derjenige zweck-rational, der in seinen Handlungen eine Abwägung von verschiedenen Zwecken vornimmt, möglichst günstige Mittel zur Umsetzung der festgelegten Zwecke wählt und bei dieser Auswahl von Zwecken und Mitteln potentielle uner-wünschte Konsequenzen berücksichtigt (vgl. Kühl 2002: 252). Voraussetzung für zweckrationale Entscheidungen im Weberschen Sinne ist, dass der Entschei-dungsträger sich seiner Interessen und Werte bewusst ist, über möglichst umfas-sende Informationen über die verschiedenen Handlungsalternativen verfügt und die möglichen Folgen der verschiedenen Alternativen sorgfältig bedenkt. Der Begriff der Zweckrationalität meint in diesem Zusammenhang nicht einfach, dass die einzelnen Organisationsmitglieder ihr Handeln an Zwecken orientieren, sondern vielmehr, dass die Organisation im Ganzen maßgeblich durch eine stringente Zweckorientierung geprägt ist und die ganze Organisation in Form von Zweck-Mittel-Ketten formuliert werden kann.

In der neueren Organisationslehre wird die zweckrationale Begründung derselben inzwischen vielfältig kritisiert. So spricht Luhmann beispielsweise von einer „Entthronung des Zweckbegriffs“ (Kühl 2002: 266) und Friedberg konstatiert eine „Demontage der klassischen Vorstellung von einer instrumen-tellen und versachlichten Organisation“ (1995: 95). Ansatzpunkt der Kritik einer eindimensionalen zweckrationalen Begründung von Organisationen ist dabei die „Abstraktheit der Zweckbestimmung“ (Kühl 2002: 266; Hervorhebungen Klaus Grunwald): „Häufig sind gerade die Oberzwecke so abstrakt, schwammig und interpretationsfähig formuliert, dass sich aus der Zwecksetzung keine eindeutig richtigen Mittel ableiten lassen.“ (ebd.: 266) Die Integrationsfähigkeit eines Gesamtzwecks bezogen auf die verschiedenen Zielsetzungen der einzelnen Abteilungen einer Organisation ist jedoch begrenzt. Dies ist auch sichtbar bei innerorganisatorischen Differenzen zwischen unterschiedlichen Sektoren von Einrichtungen der Sozialwirtschaft, beispielsweise bei Auseinandersetzungen zwischen den pädagogischen Bereichen einer Organisation und der eigenen Verwaltung.

Hier ist hervorzuheben, dass diese Betrachtungsweise der neueren Organi-sationssoziologie nicht das Vorhandensein von Zwecken und von Zweckrationa-

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Zur Bewältigung von Dilemmata und Paradoxien 57

lität in Institutionen leugnet. Zwecksetzungen gehören zum Alltag einer Organi-sation, das ist unbestritten. Was aber durch die neuere Organisationssoziologie bestritten wird ist die Anschauung, eine Organisation sei im Kern bestimmt durch eine hierarchisch aufgebaute Zweck-Mittel-Pyramide, die der Garant der Rationalität sei; sie sei quasi allein und vor allem definiert durch „rationale“ Zweck-Mittel-Zusammenhänge. Vielmehr sind Zweck-Mittel-Relationen ein Merkmal von Organisationen neben anderen, und nicht unbedingt das zentrale.

Schreyögg betont, dass es neben einem Verständnis von organisatorischem Handeln als Ergebnis beabsichtigter organisationaler Gestaltungsmaßnahmen auch implizite oder emergente Prozesse und Strukturen in Organisationen gibt. Gemeint sind damit „ganz generell Handlungsmuster, die sich aus den Ord-nungsprinzipien formaler Organisation nicht erklären lassen, ja mehr noch, die sich außerhalb oder neben den Erwartungsbahnen der formalen Struktur bewe-gen.“ (Schreyögg 2003: 417) Von emergenten Phänomenen kann gesprochen werden, wenn diese „sich auf keine einzelne Intention (Ausgangsziel) zurück-führen lassen“ und „das Ergebnis nicht vorhersagbar ist, weil sich die das Er-gebnis bestimmende Struktur erst im Laufe des Prozesses entwickelt (...).“ (ebd.: 417) Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass emergente Phänomene partiell steuerbar sind: Sie entziehen sich nicht jeglicher Beeinflussung durch Organisationsmitglieder oder Außenstehende, sind aber auch nicht im engeren Sinne vollständig oder weitestgehend steuerbar.

Vor diesem Hintergrund grenzt sich die neuere Organisationssoziologie von klassischen Organisations- und Managementkonzepten ab und wirft ihnen eine Verengung auf ein rationalistisches, statisches und strukturelles Bild von Organisationen vor. Die neueren Ansätze der Organisationssoziologie befassen sich u.a. mit den Themen Politik in und von Organisationen, Organisationskul-tur, Wandel von Organisationen sowie dem Konzept der „Organisationsgesell-schaft“, das erhebliche Schnittstellen zum Governancebegriff aufweist. Diese können hier aus Umfangsgründen nicht näher betrachtet werden, sind aber an anderer Stelle gut nachlesbar (vgl. Grunwald 2011a; Grunwald 2009b).

Insofern kann man mit D. Baecker davon ausgehen dass die Bedeutung von Rationalität für Organisationen schlichtweg überschätzt wird, Zweckratio-nalität mithin zunehmend entmythologisiert wird. An die Stelle einer allgemei-nen Zweckbestimmung in und für Organisationen, die in ihrer Abstraktheit und Einheitlichkeit oft die konkrete Wirklichkeit verfehlt, wie beispielsweise die Problematik von zwar wunderschön formulierten, aber an der Basis dennoch kaum akzeptierten Leitbildern zeigt, tritt eine Vielzahl von Zweck- und Sinnbe-stimmungen der verschiedenen Bereiche und Abteilungen. Diese Vielzahl von Zweck- und Sinnformulierungen wird von Cyert und March als Sammlung von lokalen Rationalitäten bezeichnet (vgl. Cyert/March 1995: 158). Außerdem wird

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in der neueren Organisationssoziologie das Augenmerk verstärkt auf die Ab-sorption von Ungewissheit gelenkt als fortlaufendem Prozess, bei dem die Her-leitung, Begründung und verbliebene Fragwürdigkeit von Entscheidungen ge-wissermaßen verschluckt und damit Ungewissheit absorbiert wird, wie auch Luhmann knapp und klar formuliert: „Unsicherheitsabsorption findet statt (...), wenn Entscheidungen als Entscheidungsprämissen akzeptiert und dem weiteren Entscheiden zugrunde gelegt werden.“ (1993: 299) Auch diese Konzepte kön-nen hier nicht weiter vertieft werden (vgl. Grunwald 2006). Im Folgenden geht es vielmehr um Dilemmata und Paradoxien in Organisationen und ein sie auf-nehmendes Dilemmatamanagement.

2. Zu den Begriffen „(Führungs-)Dilemma“ und „Paradoxie“ Hier ist zunächst zu klären, was unter einem Dilemma zu verstehen ist. Eine erste Bestimmung liefern Müller-Stewens/Fontin, sofort auf das Thema „Füh-rung“ bezogen: „Grundsätzlich beschreibt ein Führungsdilemma eine Situation, in der ein Entscheidungsträger vor die Schwierigkeit der Wahl zwischen zwei einander widersprechenden Handlungslogiken gestellt wird, wobei für beide i.a. gute Gründe sprechen.“ (1997: 3) Neuberger definiert ein Dilemma auf der Grundlage der führungstheoretischen Diskussion folgendermaßen: „Es muss eine Entscheidung getroffen werden zwischen mindestens zwei gegebenen, gleichwertigen und gegensätzlichen Alternativen.“ (Neuberger 2002: 337) Das bedeutet, es besteht ein Zwang zu Entscheidungen („muss“), der auch nicht durch reine Analyse oder Reflexion erledigt werden kann („Entscheidung“). Die Formulierung „gegebenen, gleichwertigen und gegensätzlichen Alternativen“ meint, dass es um eindeutig bezeichnete Alternativen geht, die auch tatsächlich existent sind („gegebenen“), und dass beide Seiten der Alternativen prinzipiell anzustreben („gleichwertig“) und konträr („gegensätzlich“) sind.

Ein Dilemma ist nach Gebert zu unterscheiden von einem Widerspruch. Ein Widerspruch meint immer einen logischen Zusammenhang, bei dem zwei Pole sich widersprechen. Ein solcher logischer Widerspruch ist aber bei einem Dilemma nicht notwendig gegeben, sondern hier sind verschiedene Handlungs-orientierungen mindestens teilweise pragmatisch miteinander unvereinbar. Inso-fern liegt bei einem Dilemma das „Kriterium für die ‚Widersprüchlichkeit’ (...) nicht in einem logischen, sondern in einem empirischen Zusammenhang“ (Ge-bert 2002: 152): Widersprüchlich sind dilemmatische Konstellationen „dann, wenn sie zumindest partiell pragmatisch unvereinbar sind, die Realisierung des einen Handlungsmusters also zu Lasten des anderen Handlungsmusters geht (und umgekehrt).“ (Gebert 2002: 152)

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Häufig wird in der einschlägigen Literatur (vgl. Gebert 2004a, 2004b; Kühl 1998, 2002; Neuberger 1995, 2000, 2002; Stahl 1999) auch mit dem Be-griff des Paradox gearbeitet, wobei die Begriffe teils synonym verwendet, teils voneinander abgegrenzt werden (vgl. Neuberger 2002: 362). Folgendermaßen können die Begriffe unterschieden werden: Bei einem Paradox sind die Alterna-tiven in sich widersprüchlich, es geht um einen Selbstwiderspruch („Nicht-A ist in A enthalten“, z.B. „Leben ist Tod“), der ein logisches Problem darstellt. Bei einem Dilemma wird ein Kontinuum betrachtet, in dem es zwei gegensätzliche Pole und zwischen diesen wiederum Abstufungen gibt. Neuberger fasst den Unterschied zwischen Dilemma und Paradox sehr plastisch:

„Ein Dilemma bringt die Qual der Wahl auf den Entscheidungs-Punkt: auf eine von zwei Al-ternativen muss man sich festlegen. Man steht an einem Scheideweg. Anders bei einem Para-dox: Hier gibt es nichts zu entscheiden oder anders: die Entscheidung ist getroffen und man ist nun konfrontiert mit in sich widersprüchlichen Konsequenzen. Wenn man A gesagt hat, bekommt man unausweichlich Nicht-A und umgekehrt. Statt der Qual der Wahl trifft einen der Fluch der getroffenen Wahl.“ (Neuberger 2002: 354)

Kühl geht ebenfalls davon aus, dass ein Paradox prinzipiell nicht auflösbar ist, während der Begriff des Dilemmas stärker den Druck auf die Organisation her-vorhebt, eine Entscheidung zugunsten einer Alternative zu fällen, obwohl „eine genau entgegengesetzte Handlungsempfehlung ähnlich attraktiv erscheint.“ (Kühl 2002: 257f.) Auf diese Weise kann eine deutliche Trennlinie zwischen beiden Termini gezogen werden: Während ein Sachverhalt häufig als paradox gekennzeichnet wird, wenn er zwar widersprüchlich scheint, es aber in Wirk-lichkeit gar nicht ist, wird umgekehrt sowohl von Gebert als auch von Neuber-ger ein Sachverhalt als Dilemma bezeichnet, wenn ein Gegensatzpaar „auf der Handlungsebene partiell unvereinbar ist.“ (Gebert 2004a: 197; Hervorh. im Original)

Diese Definition einer Paradoxie weicht deutlich ab von der Begrifflich-keit Luhmanns, der in seinem Beitrag „Die Paradoxie des Entscheidens“ die Position vertritt: „Die Entscheidung verhüllt das Entscheidende“ (199: 288) und eine Paradoxie definiert als die „Einheit von etwas Unterschiedenem“, die „Ein-heit einer Form mit zwei Seiten“ (ebd.: 292). Auf dieser Basis verwendet Simon den Begriff der „pragmatischen Paradoxie“: „Eine Paradoxie entsteht dann, wenn ein Satz gerade dann wahr ist, wenn er falsch ist, und gerade dann falsch, wenn er wahr ist. Eine pragmatische Paradoxie entsteht, wenn dieser Satz eine Handlungsaufforderung ist. Sie wird gerade dann befolgt, wenn sie nicht befolgt wird, und nicht befolgt, wenn sie befolgt wird“ (Simon 2007c: 70; Hervorh. K. G.; vgl. Simon 2007b, 2007a). Er konkretisiert dieses Begriffsverständnis fol-gendermaßen:

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„Nehmen wir als Beispiel eine Weggabelung (...), an der für den Wanderer die Möglichkeit besteht, den rechten oder linken Weg zu wählen“ (ebd.). Hier liegen zwei Handlungen vor, „die nicht gleichzeitig realisiert werden können (...), nämlich gleichzeitig nach rechts und nach links zu gehen. In diesem (...) Fall steht man vor einer Situation, in der zwei Optionen sich im Sinne der zweiwertigen Logik gegenseitig ausschließen: Entweder/oder, beides gleichzeitig geht nicht. Was tun, wenn beide Optionen überlebensnotwendig sind? Was, wenn aus der Tatsache, dass man nach links geht, die Notwendigkeit erwächst, nach rechts zu gehen, und aus der Tatsache, dass man nach rechts geht, die Notwendigkeit, nach links zu gehen? Dann kommt man in die Klemme...“ (ebd.: 71; Hervorh. im Original)

Bei dieser Konkretisierung des Begriffs „pragmatische Paradoxie“ stehen ein Individuum und seine Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten im Zent-rum. Ein Bauer, der Obst erntet (Operation A) und auf dem Markt verkauft (Operation B), muss beide Handlungen vornehmen, um sein Auskommen zu finden. Er kann jedoch als Person nicht gleichzeitig beide Operationen ausfüh-ren, sondern muss sich zwischen ihnen entscheiden. Wenn er erntet, kann er nicht verkaufen, wenn er verkauft, kann er nicht (gleichzeitig) ernten. Mit ande-ren Worten: Er kann als Person diese pragmatische Paradoxie (beides gleichzei-tig auszuführen) nicht auflösen. Simon betont nun, dass die „Lösung für das Problem der pragmatischen Paradoxien (...) die Bildung von Organisationen“ ist:

„Durch die kommunikative Kopplung autonomer, widerspruchsfreier Subsysteme (Abteilun-gen etc.), die nicht autonom handeln können, wird die Paradoxie so in Struktur übersetzt, dass die Handlungsfähigkeit der Organisation als zusammengesetzter Einheit hergestellt und gesichert wird. Was Organisationen als Akteure von menschlichen Individuen unterscheidet und ihren evolutionären Vorteil ausmacht, ist, dass sie nicht den Beschränkungen von Raum und Zeit unterworfen sind und gleichzeitig Handlungen vollziehen können, die sich gegensei-tig logisch ausschließen.“ (ebd.: 74; Hervorh. K.G.)

Die Paradoxie-Entfaltung liegt in dieser Lesart darin, „dass es der Organisation als handelnder Einheit durch Strukturbildung und -differenzierung möglich ist, sich nicht zwischen sich logisch ausschließenden Operationen/Funktionen ent-scheiden zu müssen. Sie kann beide gleichzeitig, nebeneinander realisieren“ (ebd.). Dies ist gewissermaßen der entscheidende, ihre Existenz rechtfertigende Vorteil von Organisationen.

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3. Ausprägungen von Dilemmata und Paradoxien Dilemmata und Paradoxien werden seit den 1990er Jahren vielfältig beschrieben und diskutiert. Bereits 1995 wurde in einer von der Hans-Böckler-Stiftung fi-nanzierten Studie von Baethge, Denkinger und Kadritzke ein „Führungskräfte-Dilemma“ zwischen den Polen „Unternehmen“ und „Lebenswelt“ festgemacht: „Die Führungskräfte geraten immer stärker in Widersprüche zwischen betriebli-chen Organisationsformen, Standards und Verhaltensanforderungen einerseits und externen, aus dem sozialen Umfeld kommenden kulturellen und politischen Normierungen andererseits“ (1995: 402). Patak und Simsa befassen sich bereits 1993 mit „Paradoxien in Nonprofit-Organisationen“ und formulieren auf der Basis einer Untersuchung von „politisch-sozialen“ Nonprofit-Organisationen wie beispielsweise Greenpeace oder einem Bewährungshilfeverein etliche The-sen zu zentralen Spannungsfeldern. So beschreiben sie, dass politisch-soziale Nonprofit-Organisationen sich einerseits häufig „gegen Organisation“ stellen, sie andererseits aber benötigen würden (ebd.: 143), oder die Ziele von politisch-sozialen Nonprofit-Organisationen „meist unerreichbar“ seien, was mit dem Spannungsfeld „Allmacht versus Ohnmacht“ einhergehe (ebd.: 246). Mintzberg unterscheidet in seinem Werk „Managen“ insgesamt 13 Dilemmata, die relativ nah am Führungsalltag sind. Er nennt beispielsweise ein „Oberflächlichkeits-syndrom“ („Wie kann man in die Tiefe gehen, wenn der Druck so groß ist, die Arbeit vom Tisch zu bekommen?“), ein „Planungsdilemma“ („Wie kann man in einem so hektischen Job planen, Strategien bilden oder einfach nur nachdenken, geschweige denn vorausdenken?“) oder ein „Kontrollparadox“ („Wie kann man den notwendigen Zustand kontrollierter Unordnung aufrechterhalten, wenn der eigene Manager einem Ordnung aufzwingt?“) (2011: 207).

Müller-Stewens und Fontin haben in Gesprächen mit Unternehmen etliche Dilemmata herausgearbeitet (1997: 40ff.), von denen drei im Folgenden kurz benannt werden sollen. Unter der Überschrift „Zentralisierte Dezentralisation“ wird darauf verwiesen, dass Organisationen einerseits über Dezentralisierungs-prozesse immer weiter flexibilisiert werden (was für viele Felder der Sozialwirt-schaft von großer Bedeutung ist), andererseits es aber einer verstärkten Zentrali-sation bedarf, „um die Vorteile des Ganzen nutzen zu können“ (ebd.. 40). Ein Dilemma besteht ebenfalls in „partizipativen Themenvorgaben“, sprich in der Frage, von wem in einer Einrichtung neue, wichtige Themen eingebracht wer-den sollen – einerseits kann gerade auf solche, zentral eingesteuerte Themen nicht verzichtet werden, die sich dem (Top-)Management zeigen, andererseits „ist die Identifikation der umsetzenden Teileinheiten mit neuen Themen dann besonders groß, wenn diese aus der Teileinheit selbst kommen“ und von ihr

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akzentuiert werden (ebd.: 42). Relevant ist nach Müller-Stewens/Fontin über-dies das Dilemma der „selektiven Kommunikation“:

„Einerseits besteht die Notwendigkeit, dass die Anspruchsgruppen an einem Unternehmen rückhaltlos über die Sachlage dieses Unternehmens zu informieren sind. Andererseits sind heute viele Entwicklungen und Ereignisse in ihrer Tragweite nur sehr schwer einschätzbar, sodass man es bevorzugt, nur selektiv zu informieren, um eine Organisation nicht durch ver-frühte Spekulationen zu paralysieren” (ebd.: 42).

Ein Dilemma, das in der Literatur häufig beschrieben wird und das sich gut eignet, grundsätzliche Charakteristika von Dilemmata zu diskutieren, ist die Dualität von Effizienz und Slack. Sie meint, dass im Interesse einer Optimie-rung der Effizienz Personalressourcen und Sachmittel maximal ausgelastet wer-den müssen und insofern „Strukturen und Prozesse so weit wie möglich stan-dardisiert und vereinfacht werden“ müssen (Stahl 1999: 183). Allerdings ist unter diesen Voraussetzungen „kein Platz für ‚Slack’, also für überschüssige Ressourcen und Pufferkapazitäten, für Mehrfachbesetzungen von Funktionen oder die bewusst parallele Einrichtung von Stellen, Abteilungen oder Teams“, weil Slack „unter dem Gesichtspunkt kurzfristiger Effizienz immer Verschwen-dung“ ist (ebd.: 184; im Original Hervorh. vorhanden). Die Reduzierung von Slack in einer Organisation führt in aller Regel zu kurzfristigen Einsparungen, bringt aber längerfristig oft auch eine Schwächung der Organisation mit sich, die sich z.B. in zunehmendem Stress der MitarbeiterInnen und/oder in einer zurückgehenden organisationalen Problemlösekapazität der Gesamteinrichtung niederschlägt.

Für Stahl ist die Dualität von Effizienz und Slack überdies einer von meh-reren Faktoren, die häufig lediglich als Randbedingungen oder Rahmungen angesehen werden, obwohl sie in Wirklichkeit für ein Unternehmen von exis-tenzieller Bedeutung sind (vgl. 1999: 183ff). Zu diesen Faktoren gehören neben den genannten Spannungsfeldern Effizienz versus Slack sowie geschlossene versus offene Organisationskultur auch die Paare Misstrauen versus Vertrauen sowie Erhöhung versus Verminderung von Komplexität. Von existenzieller Bedeutung für das Überleben und Gedeihen einer Organisation sind sie alle, weil sie über die Ausprägung und Konstanz von Schlüsselfähigkeiten eines Unternehmens entscheiden, nämlich über das Ausmaß und die Qualität von Handlungsfähigkeit, Lernfähigkeit und Empfindlichkeit gegenüber den Bedürf-nissen und Wünschen der unterschiedlichen Stakeholder (vgl. Kirsch 1990: 471ff., 492ff.).

Neben der Dualität von Effizienz und Slack wird in der neueren Organisa-tionslehre im allgemeinen und im Change Management im besonderen häufig das Gegensatzpaar Stabilität versus Wandel aufgegriffen, weil für das Überle-

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ben einer Organisation oftmals sowohl tiefgreifende Veränderungen als auch verlässliche Kontinuitäten notwendig sind und die Führungskraft oft einerseits den Wandel initiieren und fördern soll und andererseits aber auch die notwendi-ge Stabilität im Wandelprozess garantieren muss (vgl. Grunwald 2005: 1318; Grunwald 2001). Diese Frage einer Gestaltung organisationalen Wandels zwi-schen Stabilität und Wandel ist eng verbunden mit den Möglichkeiten und Grenzen eines Kulturwandels (vgl. Wöhrle 2002) und dem Einsatz von Kom-munikation und Macht in Organisationen (vgl. Fackelmann 2010). Tuckermann beschreibt organisationalen Wandel im Kern „als Entfaltung von Paradoxien“ (2007: 3) und bezeichnet die Entfaltung von Paradoxien allgemein als ein „Kernthema von Management“ (ebd.: 2). Weitere zentrale dilemmatische Kons-tellationen sind beispielsweise die Gegensatzpaare Kontrolle versus Autonomie, Expansion versus Konzentration, Integration versus Differenzierung, Koopera-tion versus Konkurrenz, Innovation versus Konzentration auf Bewährtes, Ho-mogenität versus Heterogenität und Eindeutigkeit versus Mehrdeutigkeit (vgl. Gebert 2004a: 196; Gebert 2002,: 153).

Der zentrale Hintergrund für Dilemmata in Organisationen besteht laut Gebert in der Existenz partiell gegensätzlicher Zielorientierungen der Unter-nehmensführung. So stehen Unternehmen auf der einen Seite im Zeichen des zunehmenden und sich verschärfenden Wettbewerbs vor der Aufgabe, „Innovativität, Wandlungsfähigkeit und Kreativität“ zu fördern (Gebert 2004a: 195). Auf der anderen Seite stehen sie angesichts eines steigenden Effizienz- und Qualitätsdrucks vor der Anforderung, die „Einhaltung von Zeit- und Kos-tenbudgets“ und die „Zuverlässigkeit und Stabilität der Prozesse“ zu gewährleis-ten (ebd.). Steht beim Zielbündel der Innovativität eine Erweiterung von Akti-onsspielräumen im Mittelpunkt der Handlungsstrategien, so geht es beim Ziel-bündel der Zuverlässigkeit, Termintreue und Prozessstabilität primär um den Einsatz von „ordnenden Regelwerken und Kontrollstrategien“, die eine Ein-schränkung von Handlungsspielräumen mit sich bringen (ebd.). Es stehen sich also angesichts der Zielbündel der Innovation und der Effizienz Handlungsmus-ter gegenüber, die zumindest teilweise in Form der Vergrößerung oder der Ver-kleinerung von Freiräumen gegensätzlich sind (vgl. Gebert 2004b: 148f.).

Vor dieser Folie lassen sich Dilemmata in Organisationen laut Gebert in einem „theoretischen Bezugsrahmen“ zusammenbinden in die beiden gegensätz-lichen Grundorientierungen der offenen und der geschlossenen Organisation (Gebert 2004a: 196ff; vgl. Gebert/Boerner 1995). Mit dem Begriff der „Ge-schlossenheit“ verbindet sich dabei „Stabilität, Vorausschaubarkeit, Harmonie, ein festes Rollengefüge, Sicherheit, Ordnung und Eindeutigkeit“, die alle die Undurchlässigkeit einer Systemgrenze fördern (Stahl 1999: 189). Mit dem Be-griff der „Offenheit“ verbindet sich dagegen „Innovation, Vielfalt, Individuali-

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tät, Freiheit, Toleranz und Lernen“, die eher im Zeichen einer offenen und durchlässigen Systemgrenze stehen (ebd.).

Diese beiden Grundorientierungen lassen sich beispielsweise am Konzept der Organisationskultur konkretisieren: So schlägt sich eine geschlossene Orga-nisationskultur in einem großen Zusammenhalt der Mitglieder nieder („Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, wir ziehen alle an einem Strang, wir sind anders und vielleicht auch besser als die Anderen usw.“), die einerseits eine Stärke, andererseits aber auch eine gewisse Blind- oder Borniertheit gegenüber Um-weltanforderungen und/oder -veränderungen bedeuten kann (ebd.). Eine offene Unternehmenskultur dagegen zeigt sich in einer Vielfalt und Flexibilität der Einrichtung, die einerseits positiv gewendet eine hohe Lernfähigkeit und Krea-tivität, andererseits aber auch ein beträchtliches Maß an Instabilität, aufwändi-gen Interaktionen, Konfliktgeladenheit und Unordnung mit sich bringen kann.

Bezogen auf die Grundorientierungen der offenen und geschlossenen Or-ganisation ist hervorzuheben, dass es weder die geschlossene noch die offene Organisation gibt; Organisationen sind vielmehr in aller Regel als Gemengela-gen aus geschlossenen und offenen Strukturmustern zu kennzeichnen. Die ge-schlossene oder die offene Organisation sind Idealtypen von Organisationen im Sinne von Polen, zwischen denen sich eine konkrete Einrichtung im Zeitverlauf und in Bereichen immer wieder neu zu verorten hat. Die einzelnen positiven Merkmale von geschlossenen oder offenen Organisationen sind dabei immer auch mit ungeplanten negativen Sekundäreffekten verknüpft, die der Erreichung der Primärziele entgegenstehen. Diese Mischungen aus geschlossenen und offe-nen Strukturelementen beruhen letztlich darauf, dass jede Organisation in das Grundspannungsfeld aus Innovation und Effizienz eingebunden ist. 4. Management von Dilemmata und Paradoxien Das Management von Dilemmata und Paradoxien soll zunächst auf ein Mana-gementkonzept bezogen werden, in dem insbesondere der Terminus der Parado-xie breit verwendet wird. So diskutiert das St. Galler Managementkonzept Spannungsfelder zunächst hinsichtlich der Organisationsprofile. Hier werden fünf Organisationsprofile formuliert, Technostruktur versus Soziostruktur, Pa-läste versus Zelte, Hierarchien versus Netze, Fremdorganisation versus Selbst-organisation und stabilisierende versus entwicklungsfähige Organisation (vgl. Gomez/Zimmermann 1993: 32ff.). Daneben wird die Organisationsdynamik thematisiert unter der Überschrift „Paradoxien unternehmerischer Dynamik“ (vgl. Bleicher 2011: 499): „So ist auch eine dynamische Gestaltung und Len-kung der Unternehmensentwicklung durch das Unternehmerische und das Ma-

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nagement prinzipiell durch den Umgang mit Paradoxien gekennzeichnet“; „pa-radoxe Spannungsverhältnisse zwischen unterschiedlichen Gestaltungs- und Lenkungsmustern, die einer Auflösung bedürfen“, ergeben sich in der normati-ven, strategischen und operativen Dimension des Managements in unterschied-lichem Ausmaß (ebd.: 460; Hervorh. im Original). Für die „funktionale Bewäl-tigung“ von Paradoxien ist „die Herstellung eines dynamischen Fließgleichge-wichts“ notwendig um zu verhindern, dass „pathologische Systemprozesse (...) greifen, die zu überlebenskritischen Entwicklungen führen können“ (ebd.: 507).

So überzeugend diese Konturierung von Management, die Paradoxien ausdrücklich aufgreift und zu Kernthemen unternehmerischer Dynamik erklärt, einerseits sein mag, so problematisch ist die in diesem Verständnis implizierte, teils auch ausdrücklich formulierte Vorstellung, dass „das entglittene Gleichge-wicht durch ein Umsteuern der Entwicklung in eine neue Richtung gesucht und wiedergefunden werden“ kann (ebd.). Noch deutlicher wird dieses Steuerungs-verständnis in der Formulierung eines „durch das Management zu beherrschen-den Entwicklungsprozesses“ (ebd.: 503). Hier zeigen sich gravierende Unter-schiede zwischen einem Systemverständnis eines Teils der St. Galler Schule, wie es insbesondere von Bleicher (vgl. 2011), Malik (vgl. 2008) und Gomez (vgl. Gomez/Zimmermann 1993; Gomez/Probst 1995) vertreten wird und einem systemischen Management, das auf der Luhmannschen Systemtheorie aufbaut (vgl. beispielsweise Luhmann 2006; Backhausen/Thommen 2007; Backhausen 2009; Baecker 1994, 2003, 2007; Simon 2007b, 2007c). Während bei den ge-nannten Vertretern der St. Galler Schule die Leitdifferenz diejenige zwischen dem „Ganzen und seinen Teilen (mit der Suggestion, dass der Vorrang dem Ganzen gebührt)“ ist, besteht sie bei der soziologischen Systemtheorie Luh-manns zwischen „System und Umwelt(en)“ (Pfriem 2001: 335). Insofern lässt sich gerade das von Bleicher vertretene System- und Managementverständnis, das auch den Umgang mit Paradoxien letztlich im Horizont von „Ganzheitlich-keit“ (vgl. Bleicher 2011: 64ff.) interpretiert, aus Sicht der Luhmannschen Sys-temtheorie und dem auf ihr aufbauenden Managementverständnis nachdrücklich kritisieren: „Entkleidet man Bleichers Konzept ‚Integriertes Management’ sei-ner eher Selbstverständliches transportierenden Gehalte, hat hier die (technokra-tisch zu konnotierende) Systemsteuerung eindeutig obsiegt: ‚Ganzheitlichkeit’ wird von oben fit gemacht und harmonisiert“ (Pfriem 2001: 335). Insofern zeigt sich, dass dieses Konzept zwar die Thematik der Paradoxien im Management aufgreift, aber durch den technokratischen Einschlag, der mit einem soziolo-gisch reflektierten Steuerungsverständnis nicht zu vereinbaren ist, nicht substan-tiell zum Konzept eines Dilemmatamanagements beitragen kann.

Allgemein lässt sich festhalten, dass sich dilemmatische Konstellationen in Organisationen in zwei Erscheinungsformen konkretisieren, zum einen in

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gleichzeitigen Mischungsverhältnissen unterschiedlicher Pole eines Dilemmas und/oder Mischungsverhältnissen zwischen positiven intendierten Merkmalen und ungeplanten negativen Sekundäreffekten, zum anderen in der zeitlichen Entwicklung der verschiedenen Ausprägungen der benannten Mischungsver-hältnisse: „Führung hat es insofern nicht nur mit dilemmatischen Konstellatio-nen und entsprechenden Mischungen aus offenen und geschlossenen Anteilen zu tun, sondern mit im Fluss befindlichen Mischungen“ (Gebert 2002: 160). Diese zeitliche Entwicklung von Mischungsverhältnissen wird von Bleicher im Kontext des St. Galler Managementmodells als „Pulsieren“ gefasst (vgl. 2011: 530ff.), während Gebert sie „Oszillieren“ nennt (vgl. 2004a: 198f.). So lassen sich Mischungen als „Dilemmaentschärfungen im zeitlichen Querschnitt“ be-zeichnen, Oszillationen als Ergebnis des Pulsierens von Organisationen dagegen als „Dilemmaentschärfungen durch ein zeitliches Nacheinander des schwer Vereinbaren“ (Gebert 2004a: 199).

Dieses Oszillieren wird von Gebert (vgl. 2004a: 198f.) folgendermaßen begründet: Jedes positive Merkmal eines Dilemmas ist zwangsläufig verbunden mit negativen Sekundäreffekten. Die Verstärkung des positiven Merkmals bringt also eine Zuspitzung der negativen Sekundäreffekte mit sich. Im Beispiel: Je mehr Lernchancen und Mehrdeutigkeiten vorhanden sind, desto größer ist auch die Gefahr von Orientierungslosigkeit und Beliebigkeit. Gleichzeitig be-deutet das aber, dass das korrelierende positive Merkmal der geschlossenen Organisation angesichts der eigenen „Probleme“ durch die negativen Sekundär-effekte an Reiz und Überzeugungskraft gewinnt. So gewinnt beispielsweise das entsprechende positive Merkmal der geschlossenen Organisation „Eindeutigkeit, Gewissheit“ angesichts der Zunahme von Orientierungslosigkeit deutlich an Attraktivität. Diese Entwicklung kann zu einem zyklischen Prozess führen, zum Beispiel zu einem Wechsel von Dezentralisierung über eine Re-Zentralisierung zu einer erneuten Dezentralisierung (vgl. Gebert 2004a: 198f.; 2004b: 150; 2002: 155ff.). Solche Oszillationen können auch als Ausdruck organisationaler Selbstregulation verstanden werden, um eine Schnittstelle zum Konzept des Entwicklungsorientierten Managements zu markieren (vgl. Grunwald 2011c).

Dilemmatische Konstellationen sind aber weder durch Mischungen noch durch Oszillationen aufhebbar im dialektischen Sinne. Insofern hat Dilemmatamanagement grundsätzlich letzten Endes einen „Kompromisscharak-ter“ (ebd.; Hervorh. K.G.). Die den Dilemmata zugrunde liegenden Dualitäten werden zwar bearbeitet und in gewissem Sinne handhabbar gemacht, aber sie werden nicht im strengen Sinne aufgelöst. Dilemmatamanagement bleibt so eine prozessbezogene Aufgabe der Unternehmensführung, die eher der Strategie des „Sowohl-Als-Auch“ als der des „Entweder-Oder“ folgt (vgl. Stahl 1999).

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Die Notwendigkeit der Strategie des „Sowohl-Als-Auch“ wird bezogen auf die Dualität von offener und geschlossener Unternehmenskultur deutlich, wenn man sich die Gefahr der wachsenden Polarisierung vergegenwärtigt, die mit der Strategie des „Entweder-Oder“ verbunden ist (vgl. Gebert/Boerner 1995: 366ff.):

„Wenn man das offene oder das geschlossene Muster puristisch praktiziert (...), wird damit zwangsläufig das jeweilige Gegenmodell verweigert. Unterstellt man, dass jedoch immer ein Bedarf nach dem Gegenmodell besteht – zeitparallel oder sich entwickelnd – so ist es plausibel, dass mit zunehmendem Purismus das unerreichbare Gegenmodell entsprechend attraktiver wird. Bezogen auf unser ‚Pendelmodell’ würde dies bedeuten, dass z.B. bei puristischem Praktizieren die Gefahr immer größer wird, dass das Pendel umso heftiger und umso irreversibler in das Gegenmodell umschlägt. Purismus – sowohl im offenen als auch im geschlossenen Muster – heizt also die Schwingungen des Pendels an“ (Gebert/Boerner 1995: 375; vgl. Gebert 2002: 166).

Will man dieser Gefahr eines „unkontrollierten zeitlichen Nacheinander(s) der Extreme von Offenheit und Geschlossenheit“ entkommen, bietet sich einerseits ein „räumlich/funktionale(s) Nebeneinander von Offenheit und Geschlossen-heit“ an (Gebert/Boerner 1995: 375f.; Hervorh. K.G.). Andererseits bietet sich eine „Strategie des zeitlichen Nacheinanders“ an, bei der „man die beiden Wel-ten der offenen und geschlossenen Organisation nicht (...) zeitgleich, sondern im zeitlichen Nacheinander praktiziert“ (Gebert 2002: 165; Hervorh. K.G.). Diese Strategie baut auf der in einer Organisation „ohnehin selbstregulativ angelegten Neigung zur zyklischen Oszillation“ auf (ebd.) – Bleicher spricht hier vom „pul-sierenden Unternehmen“ (2011: 830) – und führt sie weiter zu einer bewussten, durch Führung geprägten Unternehmensentwicklung, beispielsweise indem ein Unternehmen im Anschluss an eine Aufbruchsphase (sie entspricht der „Öff-nung“ der Organisation) in eine Phase der Konsolidierung (diese entspricht der „Schließung“ der Organisation) geführt wird (vgl. Gebert 2002: 165). Wichtig ist hier, bei einer solchen Strategie des zeitlichen Nacheinanders nicht in eine Unternehmenspolitik des Entweder-Oder zu verfallen. Diese würde bedeuten, auf allen Dimensionen gleichzeitig sehr ausgeprägt zu öffnen oder zu schließen – „und dies noch zusätzlich in abrupter Form, wie es für einen turn around kennzeichnend ist“ (ebd.). Wichtig ist aber auch wahrzunehmen, wann eine Organisation Impulse zur Fokussierung der Unternehmensentwicklung benötigt im Sinne eines derselben vorgreifenden und sie anregenden Setzen von Impul-sen in einer spezifischen Richtung: „Insgesamt zeigt sich die Aufgabe für das Management der Unternehmensentwicklung darin, ein in sich stark pulsierendes System zu gestalten und zu lenken“ (Bleicher 2011: 532) – allerdings ohne (den bei Bleicher mitschwingenden) sozialtechnologischen Steuerungsphantasien zu erliegen.

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Insofern ist – wie das Beispiel der offenen versus geschlossenen Organisa-tionskultur zeigt – ein die Pole ausbalancierender und von Lernprozessen ge-prägter Umgang mit dem Grunddilemma „offene versus geschlossene Organisa-tionsformen“ notwendig. Gebert/Boerner stellen in diesem Zusammenhang heraus, dass es – ganz im Sinne eines Diversity Managements – wichtig ist zu lernen, „die im Betrieb ohnehin vorfindbare Pluralität der Werte, Normen, Überzeugungen, Führungs-, Kommunikations- und Kooperationsmuster nicht primär als Gefahr, Panne oder gar Chaos, sondern als Chance“ zu begreifen (1995: 397; Hervorh. K.G.). Die Unternehmensführung sollte sich also bemühen „eine Organisationskultur zu verlebendigen, die nicht homogenisierend dem offenen oder geschlossenen Pol zugeneigt ist, sondern gerade in Abweichung davon Pluralität auf ihre Fahnen schreibt“ (ebd.: 397).

In einer Unternehmung – nicht nur, aber insbesondere der Sozialwirtschaft – stellt sich insofern „das Problem einer ‚klugen’ Balancierung, wobei die Art der Balancierung zielbezogen und situationsrelativiert gestaltet werden muss“ (Gebert/Boerner 1995: 432). Gebert bringt diese Anforderung, „auf die sich Führung heute einzustellen hat“, prägnant auf die Formel: „Führen heißt damit: balancieren“ (2002: 162; Hervorh. K.G.). Zu unterscheiden sind auf der Basis unterschiedlicher Dimensionen der offenen und geschlossenen Organisation – hier wird differenziert zwischen der anthropologischen, der sozialen und der erkenntnistheoretischen Dimension (vgl. ebd.: 154f.) – „die Vorgehensweise des Kompromisses von der Vorgehensweise der Kombination“ (ebd.: 162): Ein Kompromiss ist dadurch definiert, dass über die verschiedenen Dimensionen hinweg eine Position gesucht wird, die „nicht zu weit von einem mittleren Offenheits- bzw. Geschlossenheitsgrad entfernt“ ist (ebd.). So werden bei-spielsweise Entscheidungskompetenzen delegiert, diese aber eng begrenzt. Eine Kombination ist dadurch bestimmt, dass „ein soziales System auf bestimmten Dimensionen deutlich offene und zugleich auf anderen Dimensionen deutlich geschlossene Ausprägungen“ aufweist (ebd.). Wird bei der Kompromissstrate-gie die Widersprüchlichkeit pro Dimension intradimensional ausbalanciert, so geschieht dies bei der Kombinationsstrategie interdimensional (vgl. ebd.: 163).

Sowohl der Kompromiss als auch die Kombination dienen der Entschär-fung von Dilemmata, ausdrücklich nicht der Aufhebung derselben. Damit ver-bleiben „trotz aller Balancierungsbemühungen ungeplante negative Sekundäref-fekte der jeweiligen Mischungen“ und „genau in diesen verbleibenden negativen Sekundäreffekten“ liegen „die Wurzeln dafür, dass im Zuge der Balancierungs-prozesse ‚Anpassungen an die Anpassungen’ erforderlich sind“, wodurch der Balanceprozess nicht als einmaliger, sondern als immer wieder neu notwendiger Vorgang zu verstehen ist (Gebert 2002: 165). Alle Mischungen behalten letzt-lich einen Kompromisscharakter (egal, ob sie der Strategie des Kompromisses

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oder der Kombination folgen), womit die „Antriebskräfte der Eigenregulation sozialer Systeme virulent“ bleiben und „immer wieder neue ungeplante Nach-fragen erzeugt“ werden, die wieder neu ausbalanciert werden müssen (ebd.). Insofern ist die oben zitierte Formel zu erweitern: „Führen heißt dann im Ergeb-nis: balancieren in Permanenz“; dies stellt gleichermaßen eine Herausforderung für Führungskräfte und MitarbeiterInnen als auch eine Chance für die perma-nente Initiierung und Gestaltung von Innovationen in Organisationen dar (ebd., Hervorh. im Original). Führung ist insofern gerade unter dem Fokus des Dilemmatamanagements zu verstehen als kontinuierliche Gestaltung organisa-tionaler Lernprozesse, wie es gleichfalls im Konzept des Entwicklungsorientier-ten Managements hervorgehoben wird (vgl. Grunwald 2011c).

Auch Jäger und Beyes betonen, dass die Balance zwischen den einzelnen Polen der Dilemmata immer wieder neu gefunden und erarbeitet wird und vor allem ihre geschichtliche Entwicklung berücksichtigt werden muss: Sie be-schreiben in einer qualitativen Studie „Entwicklungen, Themen und Praktiken des Managements von Nonprofit-Organisationen“ und stellen diese unter die Überschrift „Von der Kunst des Balancierens“ (vgl. 2008). Aufgrund ihrer In-terviews mit Leitungskräften größerer Nonprofit-Organisationen kommen sie ebenfalls zum Ergebnis, dass Leitungshandeln im Wesentlichen als „Ausbalan-cieren und zeitweilige(s) Lavieren zwischen unterschiedlichen Ansprüchen und Positionen“ beschrieben werden kann, die in ihren jeweiligen Entstehungskon-texten verstanden werden sollten: „Ein ‚Gespür’ für die Historie der und für die sich teilweise widersprechenden Positionen innerhalb der Organisation drückt sich in einem Managementhandeln aus, das ein Balancieren in komplexen Zu-sammenhängen ermöglicht“ (Jäger/Beyes 2008: 108).

Kühl betont im Kontext des Flexibilitätsdilemmas als der Frage nach dem adäquaten Maß an Flexibilität und Konstanz in Organisationen, dass eine zentra-le Anforderung an Unternehmen bezüglich des Umgangs mit Dilemmata darin besteht, beide Seiten eines Dilemmas zur gleichen Zeit zur Geltung kommen zu lassen: „Die beiden, sich eigentlich widersprechenden Pole müssen sich im Unternehmen zur gleichen Zeit entfalten können“ (1995: 126). Bezogen auf das Flexibilitätsdilemma bedeutet das, dass Organisationen Strukturen ausbilden müssen, die einerseits ausreichend stabil, andererseits ausreichend flexibel sind. Es geht also um einen gleichzeitigen Bezug auf Stabilität und Wandel: „Nicht die einseitige Betonung von Wandlungsfähigkeit, sondern eine intelligente Mi-schung von Routinen, Ritualen und Programmen mit einer Öffnung der Organi-sation für Veränderungen ermöglicht es also, externes Chaos produktiv umzu-setzen, ohne an übersteigerter interner Unsicherheit zugrunde zu gehen“ (ebd.).

Das wird auch deutlich an dem Beispiel der Dualität von Effizienz und Slack, das oben bereits erwähnt wurde. Es verdeutlicht, dass im Interesse einer

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fortschrittsfähigen Organisation nicht ein ausschließliches „Entweder-Oder“ praktiziert werden sollte, sondern vielmehr die beiden, für sich jeweils sinnvol-len Pole von möglichst großer Effizienz der Leistungserbringung einerseits und angemessener Gewährleistung von Slack als Vorbedingung für eine ausreichen-de Problemlösekapazität andererseits fortlaufend austariert werden sollten. Die Strategie des „Sowohl-Als-Auch“ verbindet sich auf diese Weise mit der Gestal-tung eines fortlaufenden Lernprozesses (vgl. Grunwald 2009b: 104ff.). Ein Sozialmanagement, das dieser Strategie folgt, setzt damit die Idee einer lernen-den Organisation auf Dauer so um, dass unterschiedlichste Spannungsfelder immer wieder neu austariert werden: Management „wird so zur Handhabung von Dualitäten, zum Balanceakt über einem Netz vielfältiger Handlungsmög-lichkeiten“ (Stahl 1999: 185).

Damit ergibt sich die Frage, ob bzw. inwieweit Dilemmata und Paradoxien überhaupt als Problem anzusehen sind. So stellt Neuberger heraus, dass die Widersprüche in Dilemmata und Paradoxien nicht notwendig als Problem im negativen, störenden Sinne verstanden werden müssen, sondern vielmehr als erwünscht weil entwicklungsfördernd angesehen werden können. Hier wird in Rechnung gestellt, dass Entwicklungsprozesse häufig auf Spannungsfelder zwi-schen konkurrierenden Polen angewiesen sind. Es wird in diesem Zusammen-hang betont, „dass – dialektisch gesehen – Fortschritt, Wandel oder Anpassung nur deshalb möglich sind, weil in den Dingen Widersprüche (Negationen) vor-handen sind, die sich gegenseitig (durch Negation der Negation) zu neuen Ent-wicklungsebenen vorantreiben“ (Neuberger 2002: 361). Diese Einschätzung wird sowohl vom systemischen Management der St. Galler Schule (vgl. Blei-cher 2011) als auch vom Konzept Entwicklungsorientiertes Management (vgl. Klimecki/Probst/Eberl 1994; Grunwald 2011c) geteilt und nimmt in beiden Ansätzen eine zentrale Stellung ein.

Aus der oben beschriebenen, sehr radikalen Sicht des Konstrukts der „pragmatischen Paradoxie“ erweist sich das Nebeneinander von sich widerspre-chenden Organisationseinheiten sogar als der zentrale evolutionäre Vorteil von Organisationen im Vergleich mit Individuen. Hier ist nicht die Bekämpfung von Dilemmata und Paradoxien gefragt, sondern vielmehr eine Entfaltung derselben. Eine solche strukturelle Paradoxieentfaltung meint, „dass eine handelnde Ein-heit sich in Untereinheiten ausdifferenziert, die unabhängig voneinander hand-lungsfähig sind“ (Simon 2007c: 74). Dabei finden zwei parallele Prozesse statt. Einerseits kommt es „zur Entkopplung der physisch handelnden Einheit von der sozial definierten Identität der handelnden Einheit“ (ebd.). Wenn die eine Per-son Obst erntet und eine andere Person es auf dem Markt verkauft, sind beide in ihren Handlungen autonom. „Aber ihr Freiraum ist dadurch begrenzt, dass sie kommunikativ miteinander gekoppelt sind, d.h. Mitglieder einer übergeordneten

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Einheit: der Organisation. Sie ist intern differenziert und strukturiert und ihre Subsysteme sind jeweils allein handlungsfähig“ (ebd.).

Das Konzept des Dilemmatamanagements lässt sich vor dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen beziehen auf den Diskurs um Profession, Profes-sionalisierung und Professionalität (vgl. Dewe/Otto 2011a, 2011b). Schütze benennt im Kontext der Professionalisierungsdebatte ausdrücklich „Paradoxien des professionellen Handelns“, die aus seiner Sicht für professionelles Handeln unhintergehbar sind: „Die unaufhebbaren Kernprobleme bzw. die Paradoxien des professionellen Handelns sind der paradoxe Interaktions- und Arbeitsaus-druck der Strukturkomponenten der gesellschaftlichen Institution Profession. (...) Die systematischen Fehlerpotentiale sind zusammen mit den unaufhebbaren Kernproblemen professionellen Handelns immer und unvermeidbar gegeben“ (1996: 187f.). Eine Berücksichtigung und Bearbeitung derselben ist für profes-sionelles Handeln – in der Fachlichkeit der Sozialen Arbeit wie im Management sozialer Einrichtungen – zwingend notwendig: „Nur wenn der Professionelle sich offen mit den unaufhebbaren Kernproblemen seines Arbeitsfeldes als Handlungsparadoxien auseinandersetzt, kann er die Fehlerpotentiale der Profes-sion bewusst und wirksam kontrollieren“ (ebd.). Dieses Verständnis von Profes-sionalität „im Sinne eines habitualisierten, szenisch-situativ zum Ausdruck kommenden Agierens unter typischerweise sowohl hochkomplexen wie auch paradoxen Handlungsanforderungen“ lässt sich insofern nicht nur auf die Fachlichkeit der Sozialen Arbeit, sondern auch auf die Leitung von (sozialwirt-schaftlichen) Unternehmen beziehen (Dewe/Otto 2011a: 1131), ohne dass hier-mit die Differenzen zwischen Profession und Management, Profession und Organisation bzw. zwischen Professionalisierung und Managerialismus einge-ebnet werden dürfen (vgl. Otto/Ziegler 2011; Beckmann/Otto/Schrödter 2009; Kessl 2009). Professionalität bedeutet insofern sowohl in der Sozialen Arbeit als auch im (Sozial-)Management, Dilemmata und Paradoxien bewusst wahrzu-nehmen und reflektiert zu bearbeiten, ohne sich falschen Hoffnungen auf eine (noch dazu schnelle) „Lösung“ derselben hinzugeben.

Dieses Verständnis von Professionalität markiert das Gegenteil zu einer „Konsistenzpolitik, die das Kriterium der Widerspruchsfreiheit in den Vorder-grund stellt“, da gerade sie Gefahr läuft, „einseitige (und zugleich extreme) Polungen“ im Sinne einer Entweder-Oder-Politik hervorzurufen (Gebert 2002: 166). Die Problematik derselben besteht in einer „erheblichen Destabilisierung der Organisation“, da sie den nächsten Pendelausschlag provoziert. Insofern ist das „Streben nach Widerspruchsfreiheit in einer auf der Handlungsebene wider-sprüchlichen Welt (...) ein Widerspruch an sich und deswegen tendenziell ba-lanceverhindernd“ (ebd.; Hervorh. im Original).

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5. Ausblick: Zur Rolle der Führungskraft im Dilemmatamanagement Vor dem Hintergrund der bislang entfalteten Überlegungen zu den Grenzen der Zweckrationalität sowie des Managements von Dilemmata und Paradoxien soll es nun um die Rolle von Leitungskräften im Managementprozess und damit auch im Personalmanagement gehen. Insbesondere stellt sich die Frage, warum Leitungskräfte immer wieder dazu neigen, die – wie bislang gezeigt – mit Ma-nagement notwendig verbundenen Paradoxien und Dilemmata im laufenden Tagesgeschäft zu verdrängen und warum eher schlichte Managementkonzepte, die mögliche „Lösungen“ für Widersprüche (und damit tendenziell Wider-spruchsfreiheit) versprechen, durchaus ihren Absatz finden.

Gebert verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass gerade die Anfor-derung an Führungskräfte, „im Ergebnis nicht Konsistenz, sondern Kompromis-se anzustreben (...) nicht nur ein kulturelles Problem, sondern auch ein eminent kognitiv-emotionales Problem“ darstellt: „Verlangt wird von der Führungskraft Dilemma-Akzeptanz, also das Aushalten dilemmatischer Konstellationen und das Leben mit diesen Konstellationen in dem Bewusstsein, dass dilemmatische Konstellationen nicht aufhebbar, sondern nur entschärfbar sind“ (2002: 166; Hervorh. K.G.). Auch Simon betont, dass es der Mehrheit der Menschen schwer falle, zwischen „entscheidbaren und unentscheidbaren Fragen unterscheiden zu können und viel Uneindeutigkeit auszuhalten, auch und gerade, wenn von Mit-arbeitern und Stakeholdern klare Vorgaben etc. erwartet werden“ (Simon 2007c: 86). Gerade weil die zentrale Aufgabe von Führung „nicht rationales Entschei-den im Sinne einer Entweder-oder-Logik“, sondern die Entscheidung „zwischen verschiedenen rationalen Optionen“ ist, obwohl bzw. weil dabei nicht mittels rationaler Kriterien entschieden werden kann, benötigt eine Führungskraft aus seiner Sicht eine hohe Ambiguitätstoleranz als die Fähigkeit, „Vieldeutigkeit, Ambivalenz, Widersprüchlichkeit, Grautöne, Paradoxien zu ertragen“ (ebd., Hervorh. im Original).

Einen anderen Antwortversuch liefert Stahl (1999), der hervorhebt, dass die Einfachheit der Strategie des „Entweder-Oder“ im Vergleich zur Sperrigkeit der Strategie des „Sowohl-Als-Auch“ in der Praxis deutlich mehr Überzeu-gungskraft habe (Hervorh. K.G.). Eine wesentliche Ursache für diese Präferenz sieht der Autor in dem „Hang zum Reduktionismus“ des Menschen (Stahl 1999: 179): Führt eine Entscheidung oder ein Entscheidungsensemble nicht zum Er-folg, können die Ursachen an wenigen Faktoren festgemacht werden, zum Bei-spiel an unzureichendem Kostenmanagement oder einem unfähigen Geschäfts-führer. Damit sind auch die zu ziehenden Konsequenzen eher einfacher Natur, was in gewisser Weise einem (fast heroischen) Bild des Managers als Macher entspricht: Es geht dann um klare Entscheidungen, ein „härteres Durchgreifen“,

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einen Austausch von Personal oder ähnlichem (ebd.). Während die Strategie des „Entweder-Oder“ sich dementsprechend mit Klarheit, Einfachheit und Verläss-lichkeit verbindet, verknüpft sich die Strategie des „Sowohl-Als-Auch“ mit einer Pluralität von Deutungs- und Handlungsmustern, mit „Vorläufigkeit und Unbestimmtheit“ (ebd.).

Der Charme schlichter Konzepte und einfacher Lösungen greift jedoch angesichts neuerer organisationssoziologischer Konzepte deutlich zu kurz. Neu-ere Ansätze der Organisationssoziologie weisen unter der oben bereits erwähn-ten Terminologie der „Absorption von Ungewissheit“ darauf hin, dass der Pro-zess des Organisierens (vgl. Weick 1998) maßgeblich geprägt wird durch das kollektive Ansinnen, die vorzufindenden Unklarheiten, Ungewissheiten und Widersprüche in Organisationen zu verringern. Die Umwelt trägt in aller Regel widersprüchliche, konfliktäre Anforderungen an eine Organisation und ihre Mitglieder heran. Für diese widersprüchlichen Umweltanforderungen gibt es in der Sozialwirtschaft – auch angesichts der durchaus divergierenden Interessen unterschiedlicher Stakeholder – viele Beispiele. Eine Organisation muss auf diese widersprüchlichen Anforderungen reagieren und sich zu ihnen verhalten, sonst läuft sie Gefahr, ihre eigene Existenz aufs Spiel zu setzen. Hierarchische Gliederungen und Organigramme, Ablaufpläne und Prozessdiagramme, Ar-beitsverträge und Arbeitszeitregelungen, Führungsrichtlinien und Dienstanwei-sungen sind unter dem Gesichtspunkt der „Absorption von Ungewissheiten“ im Kern dafür da, die Widersprüchlichkeit von Umweltanforderungen für die Or-ganisationsmitglieder zu reduzieren und handhabbar zu machen: Weil die Alter-nativen und Wahlmöglichkeiten nicht mehr unendlich, sondern vielmehr einge-grenzt sind durch gewisse Vorentscheidungen und Aufmerksamkeitsfilter, kön-nen sich die Mitglieder einer Organisation überhaupt begründet, sprich rational verhalten in ihren Entscheidungsprozessen.

Für die Führungskräfte in sozialen Einrichtungen bedeutet das, dass eine wichtige Existenzberechtigung des Managements darin liegt, allgemeine und diffuse Paradoxien und Widersprüche der Organisation zu überführen in formu-lier- und greifbare Spannungsfelder und Dilemmata. Führungskräfte bürgen dafür, den Umgang mit den Paradoxien und Dilemmata in Organisationen in eine kanalisierte und damit bearbeitbare Form zu bringen. Die von Führungs-kräften angestoßene Auseinandersetzung mit der Komplexität der Umwelt einer Organisation ist dabei nicht irgendwann einmal abgeschlossen, sondern stellt vielmehr eine immer wieder neu anzugehende Herausforderung dar. Dilemmatamanagement hat insofern viel zu tun mit der permanenten Auseinan-dersetzung mit Widersprüchen in der Organisation und in ihrer Umwelt. Die Frage, was muss neu bedacht und entschieden werden und wo kann die Einrich-tung auf bestehende Muster im Umgang mit Paradoxien und Dilemmata zu-

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rückgreifen – sprich, wo kann Ungewissheit absorbiert werden und wo muss sie wieder neu integriert werden –, muss damit immer wieder neu gestellt und bear-beitet werden. Kühl bringt das sehr schön auf den Begriff, wenn er festhält, dass die Herausforderung für die Führungskräfte und deren Organisationsgestaltung darin besteht,

„Dilemmata nicht als Hemmschuh zu begreifen, dem mit psychologischen und sozialpsychologischen Methoden beizukommen ist, sondern sie als einen möglichen Motor von Wandel in Organisationen zu begreifen. Dilemmata sind Hinweise auf nicht auflösbare Widersprüche oder Widersinnigkeiten, die nicht standardisierte Kommunikation notwendig machen; Kommunikationen, die für die Entwicklung von Organisationen genutzt werden können.“ (1997: 17)

Dilemmata und Paradoxien können von einer Organisation aber auch nicht per-manent thematisiert werden – das ist die andere Seite der Medaille: Über die Benennung und Bearbeitung von Dilemmata und Paradoxien entwickeln Orga-nisationen zwar eine sehr vielschichtige und komplexe Perspektive auf die wis-senschaftlichen, politischen, kulturellen und ökonomischen Aspekte der jeweili-gen Umwelt und bauen damit eine interne Komplexität auf, die eine sinnvolle Antwort auf die Komplexität der internen oder externen Umwelt darstellt. Das Anwachsen dieser internen Komplexität kann jedoch gleichzeitig erhebliche Probleme in der inneren Stabilisierung der Organisation mit sich bringen. Inso-fern lässt sich auch nicht allgemein sagen, je mehr Paradoxien umso offener bearbeitet werden, umso besser, weil die Passung zur Komplexität der Umwelt steigt – oder umso schlechter, weil die innere Stabilität der Organisation Scha-den nimmt. Es gibt also keine allgemeine Regel, „wann eine Organisation in ihren Selbstbeschreibungen Paradoxien entfalten und wann eher ausblenden sollte“ (Kühl 2002: 274).

Das bedeutet auch, dass Leitungskräfte in Organisationen vor einer dop-pelten Anforderung stehen: Sie müssen einerseits die Komplexitätswahrneh-mung reduzieren, indem sie die Unbestimmtheit von Entscheidungen absorbie-ren. Sie müssen also einen Großteil der Entstehungsgeschichte und des Kontexts einer Entscheidung gezielt so verkürzen, dass mit der gefallenen Entscheidung in der Folge in einer vertretbaren Zeit weitergearbeitet werden kann. Leitungs-kräfte müssen andererseits aber auch – und das wird in der neueren Manage-mentdebatte immer mehr betont – die Komplexität systematisch erhöhen, indem sie Dilemmata und Paradoxien so entfalten, dass sie in der Organisation wahr-genommen und bearbeitet werden können. ManagerInnen können somit auch als „Paradoxieentfaltungsinstanz“ verstanden werden, deren Aufgabe darin besteht, widersprüchliche Anforderungen nicht komplett von der eigenen Organisation

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oder Abteilung fernzuhalten, sondern sie immer wieder neu in einer bearbeitba-ren Form in die Einrichtung eindringen zu lassen (vgl. ebd.: 262).

Schon Patak und Simsa halten dementsprechend fest, dass „es bestimmte notwendige Widersprüche und Spannungsfelder gibt, die zwar permanent Schwierigkeiten in Bezug auf die Steuerbarkeit von Organisationen mit sich bringen, die sich aber grundsätzlich nicht auflösen lassen – und auch gar nicht vollständig aufgelöst werden dürfen“ (1993: 242). Mintzberg akzentuiert ange-sichts der „Dilemmata des Managens“ unter Rückgriff auf eine Formulierung von Chester Barnard aus dem Jahr 1938, dass die Funktion von Führung darin besteht, „widerstreitende Kräfte, Interesse, Bedingungen, Positionen und Ideale miteinander zu versöhnen“ (Barnard nach Mintzberg 2011: 205f.) und hebt hervor, dass es um eine Versöhnung von Polaritäten geht, nicht um den Versuch einer Auflösung. Diesen Gedanken aufnehmend und radikalisierend lässt sich festhalten: Erfolgreiches Management in sozialwirtschaftlichen Einrichtungen zeichnet sich gerade durch das Wahr- und Ernstnehmen und die ausdauernde Arbeit an Paradoxien und Dilemmata und den Verzicht auf schnelle „Lösungen“ aus. Leitungskräfte in der Sozialwirtschaft müssen für diese Herausforderung on und off the job sensibilisiert und qualifiziert werden, ohne dass die strukturellen Rahmungen, die bei Dilemmata und Paradoxien und ihrer Bearbeitung immer eine Rolle spielen, entweder überbetont (die Führungskraft als „Opfer“ struktu-reller „Zwänge“) oder übergangen werden (die Führungskraft als „Held“, der unbeeinflusst durch jegliche strukturelle Rahmenbedingungen agiert).

Leitungskräfte in der Sozialwirtschaft sind insofern – wie Führungskräfte in anderen Wirtschaftsbereichen ebenfalls – vor dem Hintergrund eines beim Konzept des Dilemmatamanagements implizierten systemischen Organisations- und Managementverständnis zunächst gut beraten, sich nicht von einem „heroi-sche(n) Führungsideal“ leiten zu lassen, das der Komplexität von (sozialwirt-schaftlichen) Organisationen mit allen Dilemmata und Paradoxien keinesfalls gerecht werden kann (vgl. Backhausen/Thommen 2007; vgl. Baecker 1994, 2007). Sie sind darüber hinaus gut beraten, keine einsamen Entscheidungen zu treffen, ohne auf die Wissensressourcen der Organisation zurückzugreifen, son-dern stattdessen „das Wissen und die Erfahrung von Mitarbeitern der unter-schiedlichen Hierarchieebenen zu nutzen“ und „den Widerspruch zur eigenen Meinung einzufordern“ (Simon 2007b: 86f.). Sie sollten „wissen, dass logische Entscheidungen das Gegenteil von rationalen Entscheidungen sein können“ – nichts anderes bedeutet Ambiguitätstoleranz –; sie sollten „sich nicht von kon-textfreien, vermeintlich absolut gültigen Prinzipien oder Kategorien“ leiten lassen, sondern immer von „der Funktion und Funktionalität, dessen, was zur Wahl steht“; sie sollten schließlich „Unentscheidbarkeit als einen Normalfall“ ansehen und dennoch in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass Entscheidungen

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getroffen werden (ebd., Hervorh. im Original). Diese zentralen Kriterien sollten grundsätzlich – um den Bogen zum Tagungsthema „Personal im Sozialmana-gement“ zu schließen – sowohl bei der Auswahl als auch bei der Personalent-wicklung von Führungskräften Berücksichtigung finden.

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Weick, Karl E. (1998): Der Prozeß des Organisierens. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Wöhrle, Armin (2002): Change Management. Organisationen zwischen Hamsterlaufrad und Kul-

turwandel. Augsburg: Ziel Wöhrle, Armin (Hrsg.) (im Druck): Auf der Suche nach Sozialmanagementkonzepten und Manage-

mentkonzepten für und in der Sozialwirtschaft. Eine Bestandsaufnahme zum Stand der Diskus-sion und Forschung. Augsburg: Ziel

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Prozessorganisation einführen – Neue Aufgabenfelder von Sozialmanagern Paul Brandl 1. Ausgangssituation Die (betriebswirtschaftliche) Ausbildung von Führungskräften im Bereich der Sozialwirtschaft und der Sozialverwaltung ist recht unterschiedlich, noch mehr das von diesem Personenkreis absolvierte interne oder überbetriebliche Weiter-bildungsprogramm im Bereich der Betriebswirtschaftslehre. Was sich in der Industrie seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts bereits vollzogen hat, steht nun im Sozialbereich im Zuge von sinkenden Budgets, steigenden Kun-denwünschen und der demografischen Entwicklung vor bzw. in der Haustür: Die Einführung von Prozessorganisation. Hat man schon bisher jahrelang ver-sucht, punktuell Einsparungsmöglichkeiten zu finden und zu realisieren, so kann man – ähnlich einer Abmagerungskur – dies nur begrenzt tun, sonst wird es krankhaft. Einen weiteren Produktivitätsfortschritt kann man nur erzielen, wenn es in den funktional organisierten Unternehmen bzw. Institutionen der Sozial-wirtschaft ein Umdenken in Richtung „Prozessorganisation“ gibt. Genau da setzt nun der Beitrag an, in dem von einem Führungsmodell (vgl. Weiss 2003: 127) ausgegangen wird, das der Prozessorganisation gerecht wird und die Füh-rungskraft als Unternehmer im Unternehmen sieht:

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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Abb.1: Aufgabenfelder einer Führungskraft

Dieses Führungsmodell geht klar über den klassischen Personalbereich und das Controlling hinaus und fokussiert in einem ersten Schritt auf die kundenorien-tierte Ausrichtung der Arbeitsabläufe, insbesondere auf deren Optimierung. In einem zweiten Schritt muss dann – neben einer ständigen Verbesserung der Prozesse und Strukturen – das Augenmerk auf die (zukünftige) Gestaltung der Dienstleistungen gelegt werden, um sowohl den sich verändernden und meist komplexer werdenden Kundenbedürfnissen als auch den finanziellen Rahmen-bedingungen der Anbieter sozialer Dienstleistungen besser gerecht werden zu können.

Neben der klassischen Personal-Führung und dem Controlling rücken so-mit weitere Handlungsfelder in den Mittelpunkt: 1. Zunächst gilt es die Leistungsprozesse zu optimieren, d.h. die Wertschöp-

fung zu erhöhen und den nichtwertschöpfenden Anteil zu minimieren. Es bedarf des Redesigns der Prozesse im Sinne des Erhöhens der Effizienz. Dies führt zu einer Leistungsverdichtung und damit zu höherer Wertschöp-fung oder zu einer Verringerung der personellen Ressourcen.

2. In einem zweiten Schritt bedarf es des Überprüfens der Wirkung bzw. des Überprüfens des Kundennutzens einer Dienstleistung. Somit rückt die Ef-fektivität in den Mittelpunkt.

3. Werden diese Aktivitäten systematisch im ganzen Unternehmen umgesetzt, so wird dies eine Frage der strategischen Ausrichtung dieser Bemühungen

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sein. Schließlich wird noch das Veränderungsmanagement in das Hand-lungsrepertoire dazukommen.

2. Leistungsprozesse managen… …steht in der funktionalen Organisation nicht wirklich auf der Tagesordnung. Es erfolgt ein punktuelles Sparen, dort wo Potenzial vermutet bzw. beobachtet wird. Ganz anders ist die Vorgangsweise in der Praxis des Prozessmanage-ments: dem Prozess-Kreis folgend, ist zu Beginn eine Prozesslandkarte für das eigene Unternehmen zu entwickeln (vgl. etwa Brandl 2010: 78 ff.), die das Un-ternehmen als auf die Kunden ausgerichtete Leistungsprozesse hinsichtlich Name, Beginn und Ende des jeweiligen Prozesses darstellt. Anschließend sind die gewachsenen Arbeitsabläufe einem systematischen Redesign bzw. einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess zur Erhöhung des Kundennutzens bei gleichzeitiger Kostensenkung zu unterziehen. Die neugefundenen Lösungen sind Schritt für Schritt zu implementieren (vgl. Wagner/Patzak 2007: 76):

Abb. 2: Process-Cycle

Parallel zur Erstellung der Prozesslandkarte (Phase 1) kann ein am Reifegrad von Organisationen orientiertes Qualitätsmanagement in Anlehnung an das

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CMMI, Capability Maturity Modell Integration (vgl. Chrisses et al. 2009), mit-gedacht und implementiert werden. Es ist davon auszugehen, dass dieser Pro-zess des Redesigns und der Qualitätssicherung einen längeren Zeitraum in An-spruch nimmt.

Im nächsten Schritt „Prozessdefinition“ werden in Phase 2 jene Arbeits-schritte identifiziert, die keine Wertschöpfung bringen, sondern Kategorien der Verschwendung zuzuordnen sind (Brandl 2010 und 2006):

Abb. 3: Arbeitsschritte ohne Wertschöpfung

Anschließend werden beim Redesign die Arbeitsschritte so gestaltet, dass das Ausmaß dieser nichtwertschöpfenden Anteile möglichst gering gehalten wird und somit das Ausmaß der Wertschöpfung steigt. Beispielsweise wird in einem Altenheim die Essensversorgung optimiert (vgl. Stumpf 2006) oder die Versor-gung von Inkontinenzmaterial erfolgt – nach dem Vorbild „just in time“ – di-rekt auf die Stationen und unter Auflassung der meist im Keller angesiedelten Läger samt deren Verwaltung (vgl. Kocmich 2007). Auch das Zusammenfassen von Leistungen (z.B. Zentralküche für mehrere Einrichtungen, Einkauf, Versi-cherungen, Überprüfungen, …) muss in weiterer Folge angedacht werden, um auch die strukturellen Kosten im Auge zu behalten und darauf zu achten, dass der Kundennutzen zumindest gleich bleibt. Die im Zuge des Redesigns erzielten oder erzielbaren Verbesserungen – auch wenn sie nur grob dargestellt werden können – sollten für die Entscheidungsträger quantitativ und qualitativ darge-stellt werden. Anschließend an das Optimieren eines Prozesses geht es – sofern

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es steuerungsrelevant ist – in Phase 3 des Prozesskreises etwa nach einem (hal-ben) Jahr um das Setzen von steuerungsrelevanten Kennzahlen und deren Im-plementierung sowie in weiterer Folge in Phase 4 („Monitoring“) um ein Be-obachten des Prozesses insbesondere hinsichtlich der strategischen Ausrichtung (vgl. Wagner/Patzak 2007).

Die strukturelle Schiene, etwa die Neuorganisation des Verkaufs, die Re-organisation der Essensversorgung oder auch der Logistik der Medikamenten-versorgung bildet ein weiteres Handlungsfeld von Führungskräften der Sozial-wirtschaft. Während es z.B. bei der Essensversorgung um die Zentralisierung der Küchenleistung und die Belieferung anderer Organisationseinheiten geht, stellt die Optimierung der Medikamentenversorgung durch Verblisterung ein Beispiel für die Erhöhung der Wertschöpfung durch den Einsatz von IT und Technologie dar.

Spätestens nach der Optimierung der Prozesse sind die Adaptierung der al-ten sowie die Entwicklung von neuen Dienstleistungen an der Reihe. Ein Bei-spiel für die Erweiterung des bisherigen Angebotes: Da sich neben den wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen auch noch andere Faktoren für die Gestaltung von Dienstleistungen verändern (wie z.B. bei der mobilen Hilfe das Ausmaß der (Eigen-)Leistungen von Angehörigen, mehr Singles, späteres Pensionierungsal-ter der Angehörigen, unterschiedliche Wohnorte, etc.), wird die medizinische und pflegerische Betreuung von zunehmend immobilen Personen nicht mehr ausreichen. Auch technische Errungenschaften vom Sturzmelder bis zur elekt-ronischen Übermittlung der Vitaldaten werden nicht ausreichen. Es bedarf zu-nehmend auch einer Art „Haushaltsmanager“, der vom Einkauf über den mobi-len Friseur bis hin zum Elektriker Agenden nach Bedarf übernimmt (vgl. Fami-lienservice – home care – Elder Care 2011).

Ein weiteres Beispiel für die Neugestaltung schon bisher erbrachter Leis-tungen wäre z.B. das Behandeln eines „einfachen“ Harnweginfekts eines/r Heimbewohners/in (vgl. Schlecht 2009: 19) im jeweiligen Altenheim – entspre-chende materielle und personelle Ausstattung vorausgesetzt – statt in einem Krankenhaus. Durch die Verlagerung der Leistungserbringung in ein Altenheim würde die Behandlung für die meist multimorbiden HeimbewohnerInnen ange-nehmer und für die Krankenkassen auch kostengünstiger sein und zudem dem Gedanken einer integrierten Altenbetreuung näher kommen (vgl. auch Mayr/Lehner 2009).

Die Führungskräfte in den Sozialeinrichtungen sind für die systematische Einführung des Prozessmanagements in den Unternehmen der Sozialwirtschaft nicht ausgebildet worden und müssen sich die dafür notwendigen Qualifikatio-nen erst aneignen. So bedarf es bei der Einführung des Prozessmanagements der begleitenden Maßnahmen der Personalentwicklung. Sie hat die oben inhaltlich

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dargestellte Qualifizierung der Zielgruppen zu übernehmen: Unterschiedliche Veranstaltungen sind im Zuge der Qualifizierung der Führungskräfte, der Pro-jektteams und der übrigen MitarbeiterInnen anzubieten. 3. PE-Maßnahmen im Sinne einer strategieumsetzenden

Personalentwicklung Gemeinsam mit der Unternehmensleitung sind die Zielgruppen im Unternehmen zu identifizieren und der Qualifikationsbedarf festzulegen. Entsprechend dem Modell einer strategieumsetzenden Personalentwicklung (Stiefel 2010) und den Basisprozessen der Organisationsentwicklung (Glasl et al. 2008) ist zu fragen, welche Qualifikationen für welche Zielgruppe in welchem Zeitraum notwendig sind und wie diese Qualifikationen erworben werden können. Stiefel geht davon aus, dass die zur Verfügung stehenden Mittel genau auf diese strategischen Qualifizierungserfordernisse ausgerichtet werden müssen. Er setzt einerseits den Zeithorizont (z.B. 1 und 3 Jahre) mit den Zielgruppen in Beziehung und be-schreibt andererseits ihren Qualifikationsbedarf etwa folgend: 1. Die wichtigste Zielgruppe sind die oberen Führungskräfte, die nicht nur die

Richtung, sondern auch den Rahmen und die finanziellen Mittel bereitstel-len müssen. Sie gilt es zu überzeugen, indem man mit ihnen z.B. eine Ex-kursion zu Betrieben macht, die Prozessorganisation bereits eingeführt ha-ben. Sie können sich dort über die zu erwartenden Ergebnisse austauschen und so von dem Change-Projekt überzeugt werden. Sie müssen dann auch sichtbar hinter dem Projekt stehen.

2. Die mittleren Führungskräfte und weitere spezielle Personengruppen wie z.B. Personalentwickler benötigen Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich des Projektmanagements, des Prozessmanagements und der anzuwenden-den Instrumente, so dass dieser Personenkreis alle anderen Projektmitarbei-terInnen gut unterstützen kann. Auch eine Integration in das Führungskräf-tenachwuchs-Programm erschiene zielführend.

3. Darüber hinaus sind alle in den Projekten involvierten MitarbeiterInnen ausreichend in Prozessmanagement zu schulen, so dass das notwendige Wissen zur Bearbeitung der Projekte vorhanden ist.

4. Schließlich sollen im allgemeinen Bildungsprogramm Informationen zum konkreten Change-Projekt, eine Reihe von Beispielen, Übungen und In-strumente zum Projektmanagement sowie Literatur zum Selbststudium be-reitgestellt werden. Besichtigungen in anderen Betrieben im Sinne von Ac-tion Learning (Donnenberg 1999) sind ebenfalls ein nicht nur Wissen, son-dern auch Einstellungsänderungen fördernder Ansatz. Es sei an dieser Stelle

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auch darauf hingewiesen, dass die konsequente Einführung von Prozessma-nagement ein länger dauernder Prozess ist.

Stiefel schlägt weiterführend auch eine interessante methodische Variante, ein sog. Korridorthema, vor (Stiefel 1996). Dieses Korridorthema, in unserem Fall die Einführung von Prozessmanagement, würde in einem ersten Schritt dann über etwa ein Jahr geplant werden, womit das Thema konzentriert von oben nach unten auf allen Ebenen und in allen relevanten Bereichen im jeweiligen Unternehmen zeitnah abgearbeitet werden würde. Mit dieser konzentrierten Form wird auch ein Beitrag zu einer entsprechenden Kulturveränderung in ei-nem Unternehmen geleistet. Diese methodische Variante diente uns als eine Art „Blaupause“ für das nachfolgend dargestellte Lehr-/Lernmodell. 4. Seminarangebot mit integriertem Lerntransfer In der Ausbildung von Führungskräften in Seniorenheimen haben wir im Rah-men eines überbetriebliches Ausbildungsprogrammes der Altenbetreuungsschu-le des Landes Oberösterreich ein Modell entwickelt, in dem die teilnehmenden Führungskräfte in Kleingruppen an Hand von Beispielen aus den eigenen Be-trieben arbeiten. Diese Beispiele werden nach dem Motto ausgesucht: „Was mich schon lange stört!“ oder/und „Das geht ja viel einfacher!“ Die im Zuge der Veranstaltung erarbeiteten Lösungen werden als eine Art von erwachsenenge-rechter „Prüfung“ den jeweiligen Führungskräften präsentiert. Üblicherweise werden diese Lösungen (ggf. mit kleineren Abänderungen) in den Realbetrieb des zu Grunde liegenden Betriebes übernommen. Manchmal werden die Lösun-gen von anderen TeilnehmerInnen und Führungskräften in weitere Betriebe übertragen. Die Lernarchitektur dieses Gegenstandes/Lernthemas sieht folgend aus:

Wir orientierten uns bei der Erstellung des Lernmodells am sog. NPI-Kreislauf (NPI-Kreislauf 2011). Indem wir als Thema die starke Belastung der MitarbeiterInnen zu Grunde gelegt (Arbeitssituation) und als Ziel die kunden-orientierte Entlastung der MitarbeiterInnen als Ziel (Bildungsziel) definiert hatten, konnten wir recht gut den Lernbedarf der beteiligten Personen und somit die Bildungsziele definieren. Indem wir mit „Live“-Projekten (Lernsituation) arbeiten, ist die Lernmotivation eine sehr hohe, da eine konkrete Umsetzung und Erleichterung in der Arbeitssituation von den TeilnehmerInnen erwartet wird (Arbeitssituation – Transfer):

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Abb. 4: NPI-Kreislauf

Wir stellen am jeweiligen Lerntag praktisch einsetzbare Instrumente vor, die die TeilnehmerInnen bis zum zweiten Lerntag anwenden sollen. Im Verlauf des zweiten Lerntages werden die Erhebungen und Beobachtungen gemeinsam besprochen, ein Soll-Bild entworfen und erste Umsetzungsschritte diskutiert. Im Anschluss daran können die TeilnehmerInnen in ihren Lerngruppen weiterarbei-ten und die beiden Trainer stehen nach Bedarf für die Projekt-Beratung bereit. Es erfolgt spätestens hier auch die Vorbereitung zur Verfassung eines Projektbe-richtes und der Präsentation vor den Führungskräften. Bis zum dritten Lerntag werden die Ergebnisse für eine „Erstbegutachtung“ oder „Rüttelstrecke“ vorbe-reitet, präsentiert, diskutiert und ergänzt. Die Präsentation der Gruppenergebnis-se vor den Führungskräften stellt theoretisch gesehen eine Art „double-loop-learning“ (Argyris) dar. Es geht nicht nur um einen Informationsaustausch in der Lerngruppe, sondern auch um eine Information der Führungskräfte über das Ausmaß des Lerntransfers und gleichzeitig um eine Anregung Projekte anderer Lerngruppen in den jeweils eigenen Bereich zu übernehmen:

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Abb. 5: Lernarchitektur

Mit dieser Lernarchitektur gehen wir mittlerweile in die fünfte Auflage. Das Lernmodell wurde zu einer Art „Selbstläufer“. Was jetzt hier noch fehlt, ist die Adaptierung auf einen konkreten Betrieb und die Verzahnung mit einem pro-zessorientierten Qualitätsmanagement. 5. Fazit Geht es in einem Unternehmen um das ständige Optimieren von Arbeitsabläu-fen und das Neugestalten von Dienstleistungen, so übernehmen die Führungs-kräfte dabei vielfach neue unbekannte Aufgaben. Es bedarf daher einer differen-zierten Qualifizierungsschiene innerhalb eines Change-Projektes. Dies anzubie-ten ist Aufgabe der Personalentwicklung. Mit Unterstützung der Geschäftsfüh-rung kann so ein Kulturwandel in Richtung einer Prozessorganisation unterstützt werden. Dabei sind Lernformen in den Mittelpunkt zu stellen, die nicht nur erwachsenengerecht sind und einen nachhaltigen Lerntransfer für das jeweilige Unternehmen ermöglichen, sondern genau diese (Kultur-)Veränderung produ-zieren. Personalentwicklung wird so zu einem Erfolgsfaktor in derartigen Chan-ge-Projekten, in dem sie Führungskräfte punktgenau für die Übernahme von neuen Aufgaben qualifiziert.

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6. Literatur Brandl, Paul (2006): Produktivitätsentwicklung – Analyseinstrumente praktisch und einfach, in:

Newsletter Sozialmanagement. 6. S. 5 Brandl, Paul (2010): Optimieren und Neugestalten – Zukunftsstrategien für die mobile und stationä-

re Altenpflege. Linz: Wagner Verlag Brandl, Paul/Heyduk, Christine/Stumpf, Judith (2008): Die Prozesslandkarte zeigt den Weg zur

lernenden Organisation. In: Zeitschrift für Sozialwirtschaft. 1. S. 23 ff. Chrisses, Mary B./Konrad, Mike/Shrum, Sandy (2009): CMMI: Richtlinien für Prozess-Integration

und Produktverbesserung. München: Addison-Wesley. Familienservice (home care – elder care) http://www.familienservice.de/xi-490-0-1000-95-0-de.html

(Zugriff am 25.04.2011) Donnenberg, Otmar (1999): Action Learning. Ein Handbuch. Stuttgart: Klett Cotta Glasl, Friedrich/Kalcher, Trude/Piber, Hannes (2008): Professionelle Prozessberatung. Das Trigon-

Modell der sieben OE-Basisprozesse. 2. Aufl. Bern/Stuttgart: Haupt. Hübler, Ulrike (2010): Prozessanalyse Multi-Dose-System. Linz: Unv. Diplomarbeit Kocmich, Sandra (2007): Just in time im Altersheim. Linz: Unv. Diplomarbeit Mayr, Margit/Lehner, Markus (2009): Herausforderungen der integrierten Versorgung im Alter.

Linz: Wagner NPI-Kreislauf: http://www.learn-and-work.com/lw/download/de_m3.pdf. (Zugriff: 25.4.2011) oder Peterke, Jürgen (1994): Double Loop Learning. In: Personalwirtschaft. 5. S. 26 f. Schlecht, Andreas (2009): Lean Care – Wertschätzende und wertschöpfende Pflege im Altenheim.

Linz: Unv. Diplomarbeit Stiefel, Rolf Th.(1996): Lektionen für die Chefetage. Stuttgart: Klett Stiefel, Rolf Th. (2010): Strategieumsetzende Personalentwicklung. Wien: Linde Stumpf, Judith (2006): Zum Guten wenden, Kernprozess und Supportprozesse am Beispiel „Essens-

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Aus- und Weiterbildung in der Sozialwirtschaft: Fakten, Probleme und eine Vision Karl-Heinz Boeßenecker/Andreas Markert Aktuell sind etwas mehr als 2,8 Millionen Personen in den unterschiedlichen Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsberufen beschäftigt, Ärzte nicht mitge-rechnet (s. Abb. 1). Bedenkt man, dass zehn Jahre zuvor rd. 550.000 Menschen weniger in diesem Bereich hauptberuflich tätig waren, zeigt sich der Sozial- und Gesundheitssektor als ein boomender und volkswirtschaftlich bedeutsamer Arbeitsmarkt. Unverändert prekär allerdings sind sowohl die Beschäftigungs-verhältnisse als auch das Qualifikationsniveau der hier Beschäftigten. Relativ hoch ist der Anteil von Teilzeitbeschäftigten, vergleichsweise gering ist der Akademisierungsgrad dieser Personengruppen, denn nur eine Minderheit von knapp 15 % verfügt über einen Hochschulabschluss.

Sozialpflegerische Berufe 2009 total In % Beschäftigte 1.171.546 100 mit abgeschlossener Berufsausbildung 838.827 71,6 mit Hochschulabschluss (FH/Uni) 174.560 14,9 Frauenanteil 979.412 83,6 Teilzeitbeschäftigungen 544.769 46,5 Gesundheitsberufe (ohne Ärzte u. Apotheker) 2009 Beschäftigte 1.686.853 100 mit abgeschlossener Berufsausbildung 1.376.472 81,6 mit Hochschulabschluss (FH/Uni) 28.677 1,7 Frauenanteil 1.489.491 88,3 Teilzeitbeschäftigungen 600.520 35,6 Alle Sozial- und Gesundheitsberufe 2.858.399 100

Abb.1 Eigene Zusammenstellung nach: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-schung der Bundesagentur für Arbeit: Online Plattform „Berufe im Spiegel der Statistik“ 25.07.2011

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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Hauptsächliche Produktionsstätten dieses „Humankapitals“ sind damit nicht die Hochschulen, sondern vielmehr die rund 1.400 zählenden Einrichtungen der schulischen und beruflichen Bildung (s. Abb. 2), unterhalten von Trägern der freien Wohlfahrtspflege.

© Boeßenecker 2011 18

Aus-/Fort-/Weiterbildung Freie Wohlfahrtspflege 20081.638 Einrichtungen mit 13.645 Beschäftigten – darunter

Einricht. Plätze VZ-Besch. TZ-Besch.

Hochschulen 50 1.486 635 466

FS SozPäd 122 5.744 698 1.248

FS Heilpäd 32 1.495 166 124

Krankenpfl. 553rd.

9.768 1.154 894

Altenpflege 1.400 328 11.332 772 1.314

ZD-Schulen 20 316 53 78

F/Weiterbi 242 10.422 1.177 1.508

Berufssch. 89 4.708 582 571

Eigene Zusammenstellung nach: BAGFW, Gesamtstatistik 2008

Abb. 2: Aus-/Fort-/Weiterbildung Freie Wohlfahrtspflege

Und damit nicht genug. Denn neben diesen Einrichtungen bestehen weitere Schulen in freigemeinnütziger oder staatlicher Trägerschaft. Aber auch privat-gewerbliche Unternehmen wie der TÜV mit seinen DEKRA-Akademien sind in diesem Feld als Anbieter aktiv und wären zahlenmäßig hinzuzurechnen. Was für den Qualifizierungsbereich in der Sozialen Arbeit fortwirkt, ist im Wesentlichen das institutionelle Gefüge der traditionellen Wohlfahrtspflege. Die hier vorfindbaren Zersplitterungen in zahlreiche, kaum noch zu übersehende, zu-meist rechtlich selbständigen Einzelorganisationen – in der Regel mitglied-schaftlich verzahnt mit einem der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege – (Boeßenecker 2005), wird neuerdings ergänzt um weitere Akteure. Die aus

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Aus- und Weiterbildung in der Sozialwirtschaft 93

diesen alten Strukturen resultierenden Kommunikations-, Kooperations- und Konkurrenzprobleme werden damit keineswegs einfacher lösbar, sondern ver-stärken eher die Neigung zu organisatorischen Binnenlösungen.

Dabei haben sich die Rahmenbedingungen für die Produktion sozialer Dienstleistungen in den letzten 20 Jahren substanziell verändert. In diesem Kon-text erodierte nicht nur das alte Begriffsverständnis von Sozialer Arbeit im Sin-ne einer subsidiär und korporatistisch verfassten Wohlfahrtsproduktion. Auch entwickelte sich die „Produktion und Ko-Produktion“ sozialer Dienstleistungen immer stärker als ein Teil einer umfassenderen Sozialwirtschaft und Gemein-wirtschaft. Allerdings tragen viele der bestehenden Organisations- und Träger-strukturen diesem neuen Sachverhalt nur eingeschränkt Rechnung. Der Ent-wicklungsstau gilt gleichermaßen, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt, so-wohl für die dachverbandlichen Trägerstrukturen als auch für die Organisations- und Leitungsstrukturen der Einrichtungsträger. Angesichts eines immer stärker wettbewerblich agierenden Sozialmarktes sowie zunehmender Finanzierungs-probleme ist dies auch keineswegs verwunderlich.

Umso mehr stellt sich die Frage, ob die Fachkräfte der sozialen Arbeit auf diese neuen Rahmenbedingungen überhaupt ausreichend vorbereitet sind, denn bezogen auf die bestehenden Aus- und Fortbildungsangebote lassen sich gleich mehrere strukturelle Schwachstellen benennen: Fachlich, organisatorisch und räumlich hochgradig zersplittert sind die

Bildungsangebote der verschiedenen Träger. Ob in frei-gemeinnütziger, staatlicher oder privat-gewerblicher Träger-

schaft konkurrieren die Anbieter in einem wettbewerblichen Verhältnis zu-einander. Was überwiegt ist Konkurrenz, nicht Kooperation.

Die Ausgestaltung der Bildungsangebote erfolgt vornehmlich auf der Basis von jeweiligen Organisations- und Trägerinteressen. Was fehlt, ist eine sektorale Orientierung auf den Bereich der Sozial- und Gesundheitswirt-schaft.

Von Ausnahmen abgesehen, bleiben Bildungskonzepte an den tagesaktuel-len Aufgaben und Anforderungen kleben, ohne die strategische Entwick-lung des Wohlfahrtssektors insgesamt in den Blick zu nehmen. Was domi-niert, sind betriebswirtschaftlich verengte Sichtweisen.

Gefangen in diesen Käseglocken vollziehen sich Qualifizierung und Rekru-tierung der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter in der Wohlfahrtspflege als ein „learning by doing“.

Fehlende strategische Ausrichtungen und eine vernachlässigte Forschung und Entwicklung begünstigen die unkritische Adaption „fachfremder“ Konzepte, was u.a. die geringe Innovationsfähigkeit des Gemeinnützigen Sektors erklärt.

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Für die Neugestaltung alter und Entwicklung neuer Ausbildungs-/Qualifizierungskonzepte sprechen also nicht nur veränderte sozialwirtschaftli-che Rahmenbedingungen, sondern ebenfalls diese defizitären Bedingungen der Fachpraxis selbst. 1. Studiengänge im Bereich Sozialmanagement/Sozialwirtschaft Vorgenannte Befunde führen zu der Frage, in welcher Weise die akademischen Ausbildungsstätten diese veränderten Rahmenbedingungen aufgreifen und in ihr Studien-, Aus- und Fortbildungsportfolio mit aufnehmen. Zu erkennen sind folgende Entwicklungen und Tendenzen:

Die mit Bologna und Lissabon seit 1999 ausgelöste Entwicklungsdynamik prägt nach anfänglichen Widerständen inzwischen ebenso auch die Fakultäten und Hochschulen für Soziale Arbeit und Sozialpädagogik. Bezogen auf das Jahr 2007 lassen sich fast 300 grund- und weiterbildende Studiengänge konstatieren, die in sehr unterschiedlicher Weise auf die Anforderungen des Bologna-prozesses reagieren. Und in besonderer Weise gewinnt die schon lange geführte Debatte zur Bedeutung des lebenslangen Lernens an Bedeutung. Die mit einer solchen Perspektive notwendigerweise anders auszugestaltende Durchlässigkeit und Verknüpfung von beruflichen Qualifizierungen und akademischer Bildung und Ausbildung steht zwar auf der Tagesordnung, steckt jedoch immer noch in den Kinderschuhen. Zumindest gilt dies für die deutsche Entwicklung.

Veränderte Rahmenbedingungen der Fachpraxis als auch das neue europä-isch induzierte hochschulreformpolitische Umfeld bilden gewissermaßen das Biotop für die Herausbildung spezialisierter und scheinbar marktgerechter Stu-dienangebote. Konzentrierten sich solche Entwicklungen zunächst auf techni-sche und betriebswirtschaftlich-kaufmännische Berufe, so entstehen ab Mitte der 1990er Jahre ebenfalls auch für den sozialen Bereich neue Studienangebote mit sozialmanagerieller/sozialwirtschaftlicher Ausrichtung. Ausdruck finden diese Entwicklungen in der seit nunmehr zwei Dekaden an deutschsprachigen Hochschulen beobachtbare boomartige Ausweitung von Studiengängen im Bereich Sozialmanagement/Sozialwirtschaft. Aktuell (Wintersemester 2010/11) bestehen zumindest 118 Studiengänge in diesem Bereich – davon sind 90 an Hochschulen in der Bundesrepublik, 19 in Österreich und neun in der Schweiz angesiedelt (vgl. Boeßenecker/Markert 2011).

Institutionell verankert sind die 118 Studiengänge zu fast zwei Dritteln an Fachhochschulen und zu etwa einem Drittel an Universitäten. Die übrigen Stu-dienmöglichkeiten im Bereich Sozialmanagement/Sozialwirtschaft werden von

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Dualen Hochschulen bzw. Berufsakademien vorgehalten. Der bis zur letzten Erhebung von 2006 noch zu beobachtende Trend eines sukzessiven Rückganges universitärer Angebote hat sich damit nicht fortgesetzt.

Innerhalb der Hochschulen liegt die Hegemonie bei der Ausgestaltung sol-cher Studiengänge bei den sozialwissenschaftlichen Fakultäten und Fachberei-chen. Mehr als jedes dritte Studienangebot ist dort angesiedelt. Wirtschaftswis-senschaftliche, theologische sowie verwaltungswissenschaftliche Fakultä-ten/Fachbereiche erreichen in diesem Zusammenhang ebenso eine Größenord-nung von jeweils etwa 10 Prozent wie Fakultäten und Fachbereiche, die unter dem kombinierten Label ‚Wirtschaft und Soziales‘ o.ä. firmieren. Andere hoch-schulinterne Zuordnungen, hierunter auch ‚Sozialwirtschaft‘, kommen demge-genüber nur in Einzelfällen vor.

Setzt man die mittlerweile 118 bestehenden Studienangebote in Beziehung zu der Situation der vergangenen Jahre, so lässt sich die Entwicklung Sozialma-nagement relevanter Studiengänge an deutschsprachigen Hochschulen als konti-nuierlicher Prozess der dynamischen Ausweitung und kaum übersehbaren Aus-differenzierung entsprechender Lehrangebote beschreiben. Gab es Mitte der 1990er Jahre gerade einmal neun (sic!) entsprechende Studiengänge, so erhöhte sich ihre Zahl in der Folgezeit stetig. Im Jahr 2000 waren es bereits 42, drei Jahre später schon 71 und zum Wintersemester 2006/2007 näherte sich die An-zahl der Studiengänge im Bereich Sozialmanagement/Sozialwirtschaft mit 96 bereits stark der 100er-Marke an (vgl. Boeßenecker/Markert 2007). Damit hat sich die Anzahl der entsprechenden Lehrangebote innerhalb von 15 Jahren mehr als verdreizehnfacht bzw. gegenüber der letzten Erhebung 2006 immerhin noch um ein Viertel erhöht. Die enorme Dynamik des Feldes wird zudem dadurch unterstrichen, dass mehr als die Hälfte der zum Wintersemester 2010/2011 exis-tierenden Lehrangebote erst in den Jahren ab 2005 institutionalisiert worden ist. Und ebenso gilt es auf einen „Bereinigungsprozess“ zu verweisen, denn nicht alle dieser angebotenen Studiengänge erwiesen sich als durch potentielle Nach-frager ausreichend akzeptiert und marktfähig. So wurden in den letzten vier Jahren mehr als ein Dutzend Studienangebote wieder eingestellt.

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Abb.3: Entwicklung der Studiengänge Sozialmanagement/Sozialwirtschaft an Fachhochschulen und Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Bei aller Unterschiedlichkeit in den Zugängen und inhaltlichen Aufbereitungen, ist bei den angebotenen Studiengängen durchgängig die Annahme immanent, dass die jeweils vermittelten Inhalte und Gegenstände relevant und passend für die Praxis sind. Allerdings liegen nach wie vor keine umfassenden empirischen Validierungen zu der Frage vor, ob bzw. inwieweit bestehende Sozialmanage-mentangebote auch tatsächlich mit den Inhalten und Anforderungen der sozial-wirtschaftlichen Praxis korrespondieren. Dies gilt sowohl für Fachtagungen unterschiedlicher Provienz und Ausstattung, für kurzfristige Weiterbildungsver-anstaltungen als auch – wie erwähnt – für Studiengänge im Bereich Sozialma-nagement/Sozialwirtschaft. Interessante Anhaltspunkte, die eine gewisse, jedoch nicht hinreichende Annäherung an die Beantwortung dieser Frage ermöglichen, bieten empirische Rekonstruktionen, die seit Ende der 1990er Jahre realisiert worden sind. In diesem Zusammenhang lassen sich die folgenden inhaltlichen Zugänge unterscheiden: Zum einen hat Sylvia Kempe einen Vergleich der Cur-ricula deutschsprachiger Sozialmanagementstudiengänge vorgenommen (Albert 2003 und Kempe 2008). Zum anderen sind von unterschiedlichen AutorInnen Befragungen von Leitungskräften der Sozialwirtschaft durchgeführt worden. So

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hat Cornelia Bader bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt eine Studie zum Anspruch und zur Wirklichkeit des Sozialmanagements in Non-Profit-Organisationen publiziert (Bader 1999). Etwas später haben Sandra Nüß und Herbert Schubert recherchiert, welche Erwartungen Führungskräfte der Sozialen Arbeit an Sozialmanagementkompetenzen haben (Nüß/Schubert 2001). 2007 haben schließlich Karin Beher, Holger Krimmer, Thomas Rauschenbach und Annette Zimmer eine Studie über ‘Führungskräfte in gemeinnützigen Organisa-tionen‘ vorgelegt (Beher et al. 2007). Einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt weisen Untersuchungen auf, die sich auf die Auswertung von Stellenausschrei-bungen für Fach- und Leitungskräfte der Sozialwirtschaft konzentrieren – so die Arbeiten von Sabine Herrenbrück (Herrenbrück 2004) sowie noch einmal Sand-ra Nüß und Herbert Schubert (Nüß/Schubert 2001). Abgerundet wird das Spekt-rum empirischer Rekonstruktionen von Ausbildungs- und Praxisprofilen anhand von Absolventenbefragungen. Hier sind bspw. die an den Hochschulen Braun-schweig-Wolfenbüttel und Mittweida vorgenommenen Studien zu nennen (Kolhoff 2006) bzw. (Kempe 2007). Konsequenzen für die Theorie- und Praxisentwicklung Die skizzierten Studien verweisen u.E. auf die folgenden Trends und Anforderungen: Mit Blick auf die Theorieentwicklung bleiben die Konturen nach wie vor eher unscharf. Dies insofern, als die rekonstruierte Dynamik und curriculare Diversität der bestehenden Studienangebote den gegenwärtigen Stand der Theorieentwicklung in diesem Feld abbildet und zum Teil (mit-)bedingt. Wenngleich sich einzelne, teilweise stark divergierende Ansätze ausmachen lassen, Konzepte des Sozialmanagements entweder in andere Disziplinen (etwa der Sozialen Arbeit) zu integrieren oder aber Ansätze des Sozialmanagements selbst für andere Denk- und Theorierichtungen zu öffnen (vgl. bspw. zusammenfassend Wöhrle 2003), so kann gegenüber dem Stand der 1990er Jahre durchaus eine fachliche Weiterentwicklung konstatiert werden. Die Vorstellung jedoch, ein in sich stimmiges und sozialpolitisch hergeleitetes Konzept des Sozialmanagement gewissermaßen „schulbildend“ verankern zu können, blieb bislang, trotz vieler Bemühungen, Illusion.

Im Hinblick auf die Professionalisierungsfähigkeit des Sozialmanage-ments sind vor diesem Hintergrund die Pfade (zumindest mittelfristig) vorge-zeichnet (vgl. ausführlicher Markert 2008a, 2008b). Konkret lässt die beschrie-bene Theoriesituation berufsstrukturelle Professionalisierungsansätze, etwa in der klassischen Definition Abbots, der Profession als „exclusive occupational groups applying somewhat abstract knowledge to particular cases“ (Abbott

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1988: 8) beschreibt, bis auf weiteres als wenig angemessen und funktional er-scheinen. Zwar indiziert die Ausweitung der Studienangebote ein Voranschrei-ten sozialwirtschaftlichen Expertenwissens, zwar verweisen die angeführten Studien darauf, dass AbsolventInnen von Sozialmanagement-Studiengängen häufig Führungspositionen übernehmen – aber weder ein für anerkannte Profes-sionen typischer exklusiver Kompetenzbereich und eine hiermit einhergehende relative Unabhängigkeit von fremdkontrollierenden Einflüssen noch die Ausbil-dung eines eigenen professionellen Habitus’ und die Etablierung von Institutio-nen fachlicher Selbstkontrolle werden angesichts der bestehenden Struktur und institutionellen Verortung des Sozialmanagements bis auf Weiteres im Bereich des Möglichen liegen. Zudem fehlen in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die für Professionen typischen eigenständigen Ausbildungsinstitutionen fast voll-ständig.

Weiterführender erscheinen demgegenüber stärker handlungstheoretisch orientierte Ansätze der Professionstheorie, die stärker die Qualität als die Exklu-sivität professionellen Handelns fokussieren (vgl. für den Bereich der Sozialen Arbeit Dewe/Otto 2005). Hierbei geht es zum einen darum, dass der zur Verfü-gung stehende Handlungs- und Entscheidungsspielraum von den betreffenden Fachkräften als ausreichend für eine komplexitätsangemessene Berufsausübung wahrgenommen wird. Zum anderen erscheint in handlungstheoretischer Sicht-weise eine Übernahme und Anwendung (fach-)fremder Wissensbestände als nicht weiter problematisch oder Professionalität reduzierend. Vielmehr kommt es darauf an, Wissenselemente anderer Disziplinen kreativ in die eigenen Hand-lungsvollzüge und Problembearbeitungen zu integrieren. Die heterogene Struk-tur des sozialwirtschaftlichen Feldes bietet folglich in dieser, stark kompetenz-bezogenen Perspektive (potenziell) Chancen für die Entwicklung und Anwen-dung einer sozialmanageriellen Professionalisierung. Professionelles Handeln ist folglich v.a. sondern anhand der Angemessenheit und Qualität der erledigten Tätigkeiten zu messen.

Komplementär zu der skizzierten disziplinären und professionstheoreti-schen Einordnung sind aus rein quantitativer Sicht die beobachtbaren Entwick-lungen bei der Verbreitung und Durchsetzung sozialwirtschaftlicher Studien-gänge als durchaus beeindruckend zu bezeichnen. Und zu sehen ist: der Aus-, Fort- und Weiterbildungsbedarf in der Sozialwirtschaft ist groß und keine Ein-tagsfliege. Kritisch zu kommentieren und zu diskutieren sind allerdings gleich mehrere Punkte; schlagwortartig: Ungesteuerte Diversifizierung hält unverändert an. Eine fachliche

Controllinginstanz ist nirgendwo zu sehen. Qualitätssicherung per Akkreditierung hat vorwiegend formalen Charakter,

fokussiert die Einhaltung von Verfahren und quantitativen Vorgaben.

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Aus- und Weiterbildung in der Sozialwirtschaft 99

Die vorhandenen Studienangebote sind quantitativ mehr als ausreichend. Es gibt keinen Bedarf für weitere Präsenzstudiengänge traditionellen Zu-schnitts.

Notwendig sind stattdessen berufsbegleitende und dezentral realisierbare Studienprogramme in Abstimmung mit Trägern und Politik.

Das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis ist eher das einer friedlichen Koexistenz, als das einer sich wechselseitig befruchtenden Beziehung. Proklamierte Konvergenzprozesse zwischen Sozialpolitik und Betriebswirt-schaft werden kaum eingelöst.

Es fehlt an validen quantitativen und qualitativen Rückmeldungen zur Re-levanz der Studienangebote aus der Sicht von Teilnehmern, Trägern und Klienten.

Das Fazit der Studiengangsentwicklung fällt zwiespältig aus, denn es gibt ein Einerseits und ein Andererseits. Einerseits dokumentieren die seit den 1990er Jahren neu entstandenen Studiengänge des Sozialmanagements durchaus eine Erfolgsgeschichte. Denn unter den Rahmenbedingungen des Bolognaprozesses zeigen viele Hochschulen ihre Fähigkeit, auf Veränderungen der beruflichen Praxis zu reagieren und hierzu neue Studienangebote anzubieten. Die Medaille hat jedoch auch eine andere Seite, die kritisch und nachfragend zu kommentie-ren ist. Denn wie gezeigt, ist dieser Prozess ein „reaktiver“ und in weiten Berei-chen mit wenig sozialpolitisch qualitativer Substanz verbunden. Insbesondere durch die Rezeption eines adaptiven Employability Verständnisses, das vorwie-gend an den vordergründigen Anforderungen des Arbeitsmarktes orientiert ist, bleibt nämlich der sozialpolitische Gestaltungsauftrag von Sozialer Arbeit auf der Strecke. 2. Vision: Management der Arrangements in der Sozialwirtschaft Zu werben ist deshalb für eine neue Sichtweise, d.h. Revision bei der weiteren Ausgestaltung sozialmanagerieller Studiengänge. Dabei sollte allen Beteiligten klar sein, dass solche qualitativ anderen Studiengänge nicht vom grünen Tisch eines akademischen Elfenbeinturms entwickelt werden können, sondern des Commitment weiterer Akteure bedürfen.

Dies gilt umso mehr, als solche neuen Studienprogramme in ihrer inhaltli-chen und organisatorischen Ausprägung anschlussfähig sein müssen an vorgän-gige und/oder parallele Berufstätigkeiten/-erfahrungen in sozialwirtschaftlichen Organisationen. Berufliche Praxis heißt hier nicht die Konzentration auf träger-spezifische Anforderungsprofile und damit verbundene Erwartungen. Vielmehr

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100 Karl-Heinz Boeßenecker/Andreas Markert

geht es um eine branchenspezifische, d.h. trägerunabhängige Ausrichtung. Nicht Organisationen und deren interessenspolitisch begründeten Ansprüche an ein Sozialmanagement wären der Referenzpunkt, sondern vielmehr Bedarfe und Entwicklungsanforderungen der Sozialwirtschaft als Teil eines gemeinwohlori-entierten Wirtschaftssektors. Ein hochschulübergreifendes Kerncurriculum der Sozialwirtschaft/des Sozialmanagements könnte dabei durch spezifische Studi-enschwerpunkte, durchgeführt von unterschiedlichen und jeweils fachlich aus-gewiesener Hochschulen, angeboten und realisiert werden.

Unabdingbar ist in diesem Zusammenhang, dass ein solches Kerncurricu-lum nicht als singuläres Projekt der Hochschulebene entwickelt wird, sondern eine inhaltliche und methodische Anschlussfähigkeit bzw. Durchlässigkeit zwi-schen den Aus- und Weiterbildungsangeboten der Hochschul- und der Fach-schulebene realisiert wird. Unproduktive Parallelstrukturen könnten so langfris-tig durch fachlich überzeugende Referenzbereiche abgelöst und berufliche Auf-stiegsmöglichkeiten fachlich flankiert werden.

Zudem ist es in diesem Zusammenhang u.E. unverzichtbar, dieses Kern-curriculum durch regelmäßige Rekonstruktionen des sozialwirtschaftlichen Theorie-Praxis-Verhältnisses empirisch wie theoretisch zu fundieren. Im Kon-text einer anzustrebenden, verstetigten interdisziplinären und interinstitutionel-len Kooperation könnten so vergleichsweise valide Kriterien zur (Weiter-) Ent-wicklung des sozialwirtschaftlichen Feldes benannt werden.

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Aus- und Weiterbildung in der Sozialwirtschaft 101

2

Vision: Studiengänge Sozialmanagement im Verbundsystem = Management der Arrangements in der Sozialwirtschaft!

SH-Initiativen

GewerblicheAkteure

Zielgruppenz.B.

Ältere Menschen

Gemeinwesenz.B.

Leben im Stadtteil

Problemez.B.

Wohnungslosigkeit

Wohlfahrts-verbände

Städt. Dienste

Bürger-schaft

Sozialwirtschaft

Profit-UnternehmenIn der Sozial-

wirtschaft

HOCHSCHULEN

Fachpraxis / Fachschulen

Abb. 4: Vision

In einer solchen sachzielbezogenen Ausrichtung läge nun auch der Abgren-zungskern gegenüber profitorientierten Wirtschaftsakteuren, was zugleich auf die Begrenztheit bei der Übertragung von betriebswirtschaftlich hergeleiteten Managementkonzepten hinweist.

Eine solche Orientierung wird wohl nur in vernetzten Strukturen möglich sein und erfordert einen Verbund der Hochschulen mit Wohlfahrtsverbänden, Sozialunternehmen, Akademien und Bildungsstätten. Das damit verbundene Commitment wäre der Garant dafür, dass sich strategische Partnerschaften der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Forschung und Entwicklung in der Sozialwirtschaft nachhaltig entwickeln können. Dies böte auch die Chance, die bisherigen Begrenzungen singulärer Ansätze zu überwinden, verbunden mit einer handlungsbezogenen Renaissance der Frage, was denn den Kern der Pro-fession Sozialer Arbeit ausmachen kann und soll. Gelingt dies, ohne sich hierbei auf formelhafte Präambelerklärungen zu verständigen, dann ließe sich auch die Ausprägung eines Sozialmanagements fachlich bewältigen. Der durchaus be-

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102 Karl-Heinz Boeßenecker/Andreas Markert

rechtigten Angst vor einer Zerfaserung und Zersplitterung der Profession in atomisierte Teildisziplinen wäre dann der Boden entzogen.

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Aus- und Weiterbildung in der Sozialwirtschaft 103

3. Literatur Abbott, Andrew (1988): The System of Professions. An Essay on the Division of Labor, Chicago:

Univ. of Chicago Press Albert, Sylvia (2003): Vergleichende Analyse von an deutschsprachigen Hochschulen angebotenen

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Bader, Cornelia (1999): Sozialmanagement. Anspruch eines Konzepts und seine Wirklichkeit in Non-Profit-Organisationen. Freiburg/Br.: Lambertus Verlag

Bassarak, Herbert/Wöhrle, Armin. (Hrsg.) (2005): Sozialwirtschaft und Sozialmanagement im deutschsprachigen Raum – Bestandsaufnahme und Perspektiven, Augsburg: Ziel Verlag

Beher, Karin/Krimmer, Holger/Rauschbach, Thomas/Zimmer, Annette (2007): Die vergessene Elite. Führungskräfte in gemeinnützigen Organisationen. Bürgerschaftliches Engagement und Mana-gement, München: Juventa

Boeßenecker, Karl-Heinz (1999): Recherche. Studiengänge Sozialmanagement/Sozialwirtschaft/ New Public Management. Ms.

Boeßenecker, Karl-Heinz (2005): Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Eine Einführung in Organisationsstrukturen und Handlungsfelder der deutschen Wohlfahrtsverbände. Weinheim/ München: Juventa

Boeßenecker, Karl-Heinz/Markert, Andreas (2000): Übersicht der Studiengänge Sozialmanage-ment/Sozialwirtschaft an deutschsprachigen Hochschulen. Düsseldorf: Arbeitsmaterialien 12 des Forschungsschwerpunktes Wohlfahrtsverbände der Fachhochschule Düsseldorf

Boeßenecker, Karl-Heinz/Markert, Andreas (2007): Sozialmanagement studieren – Studienangebote im Bereich Sozialmanagement/Sozialwirtschaft und Analysen veränderter Rahmenbedingun-gen. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung Arbeitspapier 141

Boeßenecker, Karl-Heinz/Markert, Andreas (2011): Studienangebote im Bereich Sozialmanage-ment/Sozialwirtschaft an deutschsprachigen Hochschulen. Befunde, Analysen und Perspektiven eines dynamischen Feldes. Baden-Baden: Nomos Verlag

Dewe, Bernd/Otto, Hans-Uwe (2005): Profession. In: Otto/Thiersch (2005): S. 1399-1423 Herrenbrück, Sabine (2004): Arbeitsmarktanalyse Sozialmanagement, Ms. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2011): Online-Plattform: Berufe im Spiegel der

Statistik. Nürnberg: http://bisds.infosys.iab.de Kempe, Sylvia (2007): Ergebnisse der Befragung von Absolventinnen und Absolventen des post-

gradualen Studienganges ‚Sozialmanagement‘, Ms. Kempe, Sylvia (2008): Vergleichende Untersuchung der deutschsprachigen Sozialmanagementstu-

diengänge anhand ihrer Curricula. In: Bassarak/Wöhrle (2005): S. 92-97 Kolhoff, Ludger (2006): Fernstudiengang Sozialmanagement "Master of Social Management

(M.S.M.)"- Absolventenbefragung zur Reakkreditierung. http://www.ostfalia.de/export/sites/default/de/s/download/Absolventenbefragung.pdf

Maelicke, Bernd (Hrsg.) (2008): Lexikon der Sozialwirtschaft. Baden-Baden: Nomos-Verlag Markert, Andreas (2008a): Profession. In: Maelicke (2008): S. 799-802 Markert, Andreas (2008b): Studiengänge im Bereich Sozialmanagement/Sozialwirtschaft – Anmer-

kungen zur aktuellen Situation und zu zukünftigen Herausforderungen. In: Mar-kert/Buckley/Vilain/Biebricher (2008): S. 199-209.

Markert, Andreas/Buckley, Andrea/Vilain, Michael/Biebricher, Martin (Hrsg.) (2008): Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft. Beiträge zu einem Feld im Umbruch, Münster und Berlin: Lit Ver-lag

Nüß, Sandra/Schubert, Herbert (2001): Managementkompetenzen in der sozialen Arbeit – was verlangt die Praxis. In: Schubert (2001): S. 143-171

Otto, Hans-Uwe/Thiersch, Hans (Hrsg.) (2005): Handbuch Sozialarbeit/Sozialpädagogik, München: Luchterhand Verlag

Page 97: Personal im Sozialmanagement: Neueste Entwicklungen in Forschung, Lehre und Praxis

104 Karl-Heinz Boeßenecker/Andreas Markert

Schubert, Herbert (Hrsg.) (2001): Sozialmanagement. Zwischen Wirtschaftlichkeit und fachlichen Zielen. Opladen: Leske und Budrich

Wöhrle, Armin (2003): Grundlagen des Managements in der Sozialwirtschaft. Baden-Baden: Nomos Verlag

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III. Personalauswahl und –entwicklung

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„Hat die Stellenanzeige ausgedient?“ – Maßgeschneiderte Lösungen zur Personalversorgung Brigitta Nöbauer In Österreich wird für viele Berufsgruppen im Gesundheits- und Sozialbereich, v.a. aber für Ärzte, Krankenpflegepersonal, für Betreuungspersonen in der Al-ten- bzw. Behindertenarbeit und in der Sozialpädagogik ein Personalmangel prognostiziert. Zahlreiche Einrichtungen spüren ihn bereits jetzt. Am Beispiel der Altenbetreuung in Oberösterreich (ÖO) soll hier zunächst der kolportierte Personalengpass im Sozialbereich auf seine Plausibilität überprüft werden. An-schließend stelle ich einige Grundideen zu einer zeitgemäßen Personalsuche dar und beschreibe an Hand von zwei Projekten, welche Wege Gesundheits- und Sozialeinrichtungen in der Personalsuche gehen könnten. 1. Entwicklung von Arbeitskräfte-Angebot und –Nachfrage am Beispiel

der Altenbetreuung in Oberösterreich

Arbeitskräfte-Angebot und –Nachfrage determinieren im Gesundheits- und Sozialbereich in gewissem Ausmaß den Spielraum der Einrichtungen in Bezug auf ihre Personalausstattung, da viele Berufe an bestimmte Ausbildungsab-schlüsse geknüpft sind, die nicht einfach durch andere substituiert oder intern fortgebildet werden können.

Das Land OÖ erhebt jährlich den von den Wohlfahrtsträgern gemeldeten Personalbedarf pro Jahr und stellt ihn der voraussichtlichen Zahl an Absolven-tInnen gegenüber.

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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108 Brigitta Nöbauer

Bedarfsdeckung Altenpflege/betreuung in Oberösterreich (Fachsozialbetreu-erInnen-Altenarbeit1) Jahr Bedarfseinschätzung Voraussichtl. Anzahl

der AbsolventInnen Differenz

2010 475 316 -159 2011 433 574 141 2012 828 532 -296

Abb. 1: Bedarfsschätzung für FachsozialbetreuerInnen-Altenarbeit in Oberös-terreich 2010-2012 (Land Oberösterreich 2011: 7)

Die Abbildung zeigt für 2010 bis 2012 einen schwankenden Saldo mit einer erwarteten Unterdeckung im Jahr 2012. Diese Daten sind zwar nur Orientie-rungspunkte, weil viele Faktoren nicht berücksichtigt sind. Dass der Trend plau-sibel ist, zeigt aber auch der sog. „Bedarfs- und Entwicklungsplan“ für Oberös-terreich. Er sieht zwischen 2010 und 2015 eine mengenmäßige Aufstockung in der Pflege und Betreuung um insgesamt rund 300 Personaleinheiten vor2 (OÖ. LRH 2010: 13). Dazu kündigt sich in Oberösterreich eine große Anzahl an Pen-sionierungen für die kommenden Jahre an. Eine Studie von Kranewitter et al. (2008: 13) lässt den Schluss zu, dass 2015 etwa 25 % der in der Altenbetreuung beschäftigten Personen 56 Jahre und älter sein werden. Zum Personalbedarf auf Grund des Bedarfs- und Entwicklungsplanes kommt also ein erheblicher Ersatz-bedarf durch Pensionierungen.

Neben den mengenmäßigen Bedarfen ist auch eine zunehmende Vielfalt in der Leistungserbringung – und damit verbunden eine Ausdifferenzierung der Anforderungen an das Personal festzustellen. Noch vor einigen Jahren ging man davon aus, dass der Abschluss der einschlägigen Ausbildungen ausreichende Qualifikation für jedes Alten- und Pflegeheim in OÖ sei. Vor allem die MitarbeiterInnen spüren, dass unterschiedliche pflegerische Schwerpunkte (z.B. Demenz, Wachkoma) und Betreuungskonzepte (z. B. Hausgemeinschaften, Teamorganisation) verschiedenste Zusatzqualifikationen, aber auch Einstellungen und Haltungen erfordern.

1 Die FachsozialbetreuerInnen-Altenarbeit (FSB-A) stellen in Österreich die Hauptgruppe der Beschäftigten in der Altenarbeit dar. 2 Diese Aufstockung ist vor allem in der mobilen Pflege und Betreuung geplant (OÖ. LRH 2010: 13).

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Maßgeschneiderte Lösungen zur Personalversorgung 109

Dieser mengen- und qualifikationsbezogenen Entwicklung sehen sich viele Einrichtungen eher hilflos gegenüber, weil sie aus mehreren Gründen geringe Einflussmöglichkeiten auf das Personalangebot sehen. Zum einen sind sie auf Grund der klar definierten Berufsbilder und entspre-

chenden Ausbildungen darauf angewiesen, dass ausreichend ausgebildetes Personal auf dem Arbeitsmarkt ist. Dazu kommt eine geringe regionale Mobilität der in der Altenbetreuung tätigen Personen3, die es notwendig macht, die Ausbildungen entsprechend dezentral anzubieten, da sonst regi-onale Versorgungslücken vorprogrammiert sind. Wie der Arbeitsmarkt für eine bestimmte Einrichtung aussieht, kann diese also tatsächlich nur bedingt steuern.

Hinderlich für eine ausreichende Personalversorgung sind auch die immer wieder kolportierten schlechten Arbeits- und Entgeltbedingungen in diesen Berufen, die einer genaueren Analyse nur selten standhalten. Ähnliches gilt auch für die publizierten hohen Quoten an BerufsaussteigerInnen im Pfle-ge- und Sozialbereich (z.B. Ludwig Boltzmann-Institut 2003, Hasselhorn et al. 2005). Eine repräsentative Studie für Oberösterreich kam zum Ergebnis, dass zwischen 80 und 90 % der Personen, die die Ausbildung zur Altenbe-treuung abgeschlossen haben, noch in der direkten Betreuung und Pflege tä-tig sind4 (Kranewitter et al. 2008: 60). Das von Interessensvertretungen, der Wissenschaft und den Medien beschriebene negative Image dürfte also nicht mit dem von den Beschäftigten wahrgenommenen Berufsalltag über-einstimmen. Auch die Fluktuationsrate liegt etwa im Bereich anderer Bran-chen; gleichwohl gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den Einrich-tungen5.

Diese Entwicklungen zeigen, dass auf überbetrieblicher Ebene Rahmenbedin-gungen zum Abdecken des Personalbedarfs notwendig sein werden, z. B. was die Ansprache von Berufs-InteressentInnen, die Wiedergewinnung von Perso-

3 In OÖ fahren z. B. nur 20 % der FachsozialbetreuerInnen-Altenarbeit weiter als 20 km zu ihrem Arbeitsplatz, für knapp 35 % liegt die Arbeitsstelle im eigenen Wohnort (Kranewitter et al. 2008: 65). 4 In der Studie wurden für Oberösterreich verschiedene Abschlusskohorten seit 1994 untersucht, da seit diesem Zeitpunkt die Ausbildung geregelt ist. Je nach Kohorte sind zwischen 80 und 90 % der Befragten noch in der Altenbetreuung tätig. Jene Personen, die nicht mehr tätig sind, arbeiten zumeist in einem verwandten Beruf im Gesundheits- und Sozialbereich. Nur ein sehr geringer Anteil ist in einem berufsfremden Bereich beschäftigt. 5 Das Land OÖ gibt für den Zeitraum von 2005 bis 2009 eine durchschnittliche Fluktuation von 10,1 % für DGKP bzw. 6,6 % für FSB-A in Alten- und Pflegeheimen an. Zum Vergleich: Das „Netzwerk Humanressourcen“ erhob für 2008 in ausgewählten oberösterreichischen Unternehmen aus Industrie und Gewerbe eine durchschnittliche Fluktuation von 9 %.

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110 Brigitta Nöbauer

nen mit Berufsunterbrechung oder die berufsbegleitende Weiterqualifizierung betrifft.

Darüber hinaus sind aber die einzelnen Einrichtungen gefordert Maßnah-men zu setzen, um angesichts der angespannten Personalsituation handlungsfä-hig zu bleiben: Es geht darum, jene MitarbeiterInnen zu gewinnen, die sie für eine Umsetzung ihrer Dienstleistungen und Betreuungskonzepte benötigen. Die eigene Attraktivität am Arbeitsmarkt und die Einstellungen der eigenen Mitar-beiterInnen zum Arbeitgeber sind sehr wohl von den einzelnen Trägern und Einrichtungen gestaltbar. Darauf wird auch der Schwerpunkt dieses Beitrags liegen. 2. Handlungsmöglichkeiten für eine ausreichende Personalversorgung Bis vor wenigen Jahren konnten die Einrichtungen im Gesundheits- und Sozial-bereich mit einem eher kurzfristigen Agieren auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich sein. Vereinfacht kann dieser Zugang wie folgt skizziert werden:

Freie Stelle Ausschreiben der Stelle

Viele Bewerbun-gen

Auswahlprozess

Suchprozess Auswahlprozess Abb. 2: Traditioneller Zugang zu Personalsuche und –auswahl

Bei einem Besetzungsbedarf wird die Organisation auf dem Arbeitsmarkt aktiv. Typisches Instrument ist die Stellenanzeige (in Printmedien oder auf der Home-page). Dieser Zugang basiert darauf, dass ausreichend Bewerbungen eingehen, die in einem möglichst guten Auswahlprozess selektiert werden. Viele Sozialor-ganisationen spüren, dass ihnen die Voraussetzungen für dieses Vorgehen ab-handen gekommen sind. „Wir müssen jeden nehmen“ ist häufig zu hören. Er-folgskritisch ist also nicht mehr der Auswahlprozess, sondern überhaupt die Möglichkeit, auswählen zu können. Zeitgemäße Zugänge gestalten also in erster Linie den Suchprozess neu:

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Maßgeschneiderte Lösungen zur Personalversorgung 111

Arbeitgeber-Image auf-bauen und

pflegen („Employer Branding“)

Kontakte zu potenziellen

BewerberInnen knüpfen, Bezie-hungen pflegen

Bei Besetzungsbe-darf auf diese Kon-takte zurückgreifen

(Auswahlprozess)

Suchprozess Auswahlprozess Abb. 3: Merkmale zeitgemäßer Zugänge zu Personalsuche und –auswahl Unter den gegebenen Bedingungen ist kontinuierliche aktive Präsenz am Ar-beitsmarkt gefordert. Es geht zunächst darum, in den Köpfen potenzieller Be-werberInnen als attraktiver Arbeitgeber präsent zu sein. Organisationen bauen darüber hinaus auch gezielt Kontakte zu möglichen MitarbeiterInnen auf, um bei Bedarf relativ rasch darauf zurückgreifen zu können. Unter Umständen kann sogar auf klassische Auswahlverfahren verzichtet werden, z.B. wenn die Orga-nisation bei der Stellenbesetzung auf bewährte PraktikantInnen zurückgreift oder ehemalige MitarbeiterInnen anspricht. Insgesamt rücken Organisationen vom klassischen „one-best-way“ ab und entwickeln unterschiedliche, an den Zielgruppen ausgerichtete Maßnahmen zur Personalversorgung. Dabei geht der Fokus weit über Nachbesetzungen hinaus.

Im Detail greifen Organisationen auf folgende Maßnahmen zurück, um ih-re Personalversorgung zu sichern: 2.1 Personalstand auch über den internen Arbeitsmarkt sicher stellen Bei Personalknappheit am externen Arbeitsmarkt kann die Personalausstattung auch auf anderen Wegen gesichert werden. Die Analyse des Fluktuationsverhaltens von MitarbeiterInnen und die Ent-

wicklung entsprechender Bindungsmaßnahmen helfen Abgänge und Such-aktivitäten zu reduzieren. Viele Organisationen haben erkannt, dass eine Fluktuationsanalyse und Austrittsinterviews wertvolle Hinweise auf Hand-lungsmöglichkeiten geben können.

Das Kontakt-Halten mit MitarbeiterInnen, die eine Einrichtung durch Kün-digung oder Karenz verlassen (haben), entwickelt sich ebenfalls zu einem Instrument zum Sichern des Personalbestands (sog. „Re-Hire“). Letzteres

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112 Brigitta Nöbauer

gewinnt auch deshalb an Bedeutung, weil MitarbeiterInnen immer häufiger andere Organisationen kennen lernen möchten – um möglicherweise wieder zurück zu kehren. Der Trennungsphase wird daher besondere Aufmerk-samkeit geschenkt (z.B. über Austrittsgespräche, Kontaktvereinbarungen usw.). Durch Zusendung der Mitarbeiter-Zeitung, Einladungen zu Veran-staltungen oder zu Festen kann z.B. relativ einfach der Kontakt mit ehema-ligen MitarbeiterInnen aufrecht erhalten werden.

Wenn der Arbeitsmarkt für bestimmte Qualifikationen schwierig wird, bilden Wirtschaftsunternehmen vielfach ihre MitarbeiterInnen berufsbeglei-tend weiter (s. z.B. Kriegesmann et al. 2008, DGFP – Deutsche Gesell-schaft für Personalführung 2009). Solche Weiterbildungen, z.B. von Reini-gungspersonal zu Heimhilfen oder von Heimhilfen zu FSB-A und zu DGKP6 (Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen) werden in der Altenbetreuung kaum genutzt. Diese Maßnahmen hätten nicht nur eine gewisse Bindungswirkung an die Einrichtung, sie würden die Altenbetreu-ung auch für junge Menschen mehr zu einem Beruf mit lebenslanger Per-spektive werden lassen. Dass dies künftig wichtiger wird, zeigen Ergebnis-se der Studie von Kranewitter et al. (2008: 128), nach der sich knapp 30 % der unter 25jährigen FSB-A in fünf Jahren in einer anderen Tätigkeit im Gesundheits- und Sozialbereich sehen, knapp 10 % dieser Gruppe schätzen sich sogar in einem völlig anderem Berufsfeld. Zur Gruppe mit signifikant höherer Neigung zu einem Berufswechsel zählen auch männliche Beschäf-tigte (knapp 30 %). Hingegen geben über 40jährige FSB-A bzw. Personen, die die Ausbildung vor 2002 abgeschlossen haben, signifikant weniger an, in einen ausbildungsfremden oder einen anderen Beruf im Gesundheits- und Sozialbereich wechseln zu wollen. Angesichts des sinkenden Durch-schnittsalters der Auszubildenden in den Schulen für Sozialberufe ist also eine höhere Veränderungsneigung als bisher zu erwarten. Wenn dieser auch Angebote gegenüber gestellt werden, kann die Entwicklungsbereitschaft jüngerer FSB-A im Sinne der Personalversorgung positiv genutzt werden. Zu dieser Thematik könnten Ausbildungseinrichtungen gemeinsam mit den Trägern innovative Konzepte entwickeln.

6 Eine europäische Studie ortet Nachholbedarf vor allem im mittleren Bildungssektor bzw. in der dualen Berufsausbildung für potenzielle Berufswechsler, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Die Konzeption modularer Ausbildungssysteme (Baukasten-Modelle) oder die Berücksichtigung informeller Kompetenzen könnten die Durchlässigkeit im Sinne eines lebenslangen Lernens erhöhen. (http://www.kmuforschung.ac.at/de/Forschungsberichte/ Vortraege/2010/Erwachsenenbildung_berufliche_Mobilitaet.pdf). Praktikable Konzepte stehen jedoch weitgehend aus.

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2.2 Vorausschauendes und aktives Vorgehen Besonders für Positionen, die am Arbeitsmarkt schwer zu finden sind, planen Personalverantwortliche möglichst frühzeitig Besetzungen (z.B. bei Pensionie-rungen oder der Neueröffnung/Erweiterung von Einrichtungen). Zusätzlich kann über sog. KandidatInnen-Pools für zügige und passgenaue (Nach-)Besetzung gesorgt werden. Frühere BewerberInnen, PraktikantInnen, TeilnehmerInnen an Fachveranstaltungen, Alumnivereine o.ä. eignen sich zum Aufbauen solcher Pools. Die früher eher passiv verwaltete „Bewerberkartei“ wird durch aktive und kreative Methoden des Kontakt-Haltens mit InteressentInnen abgelöst. 2.3 Realistische Rekrutierung Unternehmen und BewerberInnen möchten sich möglichst frühzeitig ein realis-tisches Bild voneinander machen können und setzen dabei auf gemeinsame Arbeitserfahrungen. Vor allem Praktika, die Aufnahme ehemaliger Mitarbeiter-Innen oder Empfehlungen bestehender MitarbeiterInnen basieren auf dem Prin-zip einer realistischen Rekrutierung. Entscheidungen werden dadurch besser als durch klassische Auswahlverfahren abgesichert und die Frühfluktuation niedrig gehalten (Kieser et al. 1990). 2.4 Employer Branding Das aktive Vorgehen schließt auch ein bewusst gestaltetes Auftreten am Ar-beitsmarkt ein, das in der Literatur seit einigen Jahren als „Employer Branding“ diskutiert wird. Dahinter stehen folgende Grundgedanken (Trost 2009a: 16 ff.): Unternehmen setzen sich bewusst mit den gesuchten Zielgruppen auseinan-

der: Welche Merkmale/Qualitäten sollten BewerberInnen mitbringen? Wel-che Arbeitgeber-Merkmale sind für die Zielgruppen attraktiv? Wie und wo suchen potenzielle MitarbeiterInnen eine Stelle? Darauf aufbauend können je nach Zielgruppe unterschiedliche Botschaften und vielfältige Suchkanäle entwickelt werden.

Ein Unternehmen kann sich nur dann glaubwürdig positionieren, wenn es halten kann, was es am Arbeitsmarkt verspricht. Man sucht daher zunächst in der Organisation nach Stärken und Besonderheiten, die das Unternehmen einzigartig machen und auch für die gesuchte Zielgruppe attraktiv sind. In diesem Zusammenhang entdecken Einrichtungen bestehende Mitarbeiter-

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114 Brigitta Nöbauer

Innen als wichtige und glaubwürdige „Markenbotschafter“ und binden sie bewusst in die Imagearbeit und Suchaktivitäten ein (Tomczak et al. 2008).

Die Unternehmen erarbeiten ein durchgängiges Arbeitgeber-Profil für ihren Arbeitsmarkt-Auftritt. Dieses wird z.B. wirksam in der Wahl der Medien und deren Gestaltung oder in den Botschaften, mit denen die Zielgruppen erreicht werden soll. Dabei ist durchaus gewünscht, dass manche Personen sich nicht angesprochen fühlen – eine Vorauslese soll bereits über die Bot-schaften bzw. Suchwege erfolgen.

Die Deutsche Employer Branding Agentur (DEBA) stellt den Ablauf eines Employer-Branding-Prozesses wie folgt dar: Abb. 4: Die Phasen im Employer Branding (in Anlehnung an DEBA 2010)

Employer Branding umfasst im Wesentlichen drei Schritte: die Analyse (intern – bei Mitarbeitern/extern – bei den möglichen Bewerbern), die Entwicklung der Strategie sowie deren Umsetzung intern und am Arbeitsmarkt. Im folgenden Abschnitt werden zwei Projekte beschrieben, deren konzeptueller Zugang der Ansatz des Employer Branding ist.

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Maßgeschneiderte Lösungen zur Personalversorgung 115

3. Employer Branding in der Praxis 3.1 Arbeitgeber-Image und Arbeitgeber-Eigenschaften in einer

sozialpädagogischen Einrichtung

Im Rahmen eines Projektes wurde der Anstoß zur Einführung einer Employer Branding-Strategie bei einem Freien Jugendwohlfahrtsträger vorgenommen.7 Die Organisation betreibt 18 dezentrale Wohngruppen für Kinder und Jugendli-che in Österreich und beschäftigt ca. 100 SozialpädagogInnen.

Neben der Erfassung der Präferenzen möglicher BewerberInnen sollten die Wahrnehmungen der bestehenden MitarbeiterInnen8 über ihren Arbeitgeber erhoben, und mit der Außensicht von SozialpädagogInnen in Ausbildung9 ver-glichen werden. Außerdem wurde ermittelt, wie SozialpädagogInnen eine Stelle suchen.

Vor allem die Gegenüberstellung der Außen- und Innensicht war für die Diskussion von Maßnahmen aufschlussreich. Die bestehenden MitarbeiterInnen schrieben der Einrichtung mit hoher Übereinstimmung viele positive Arbeitge-ber-Eigenschaften zu, während nur wenige potentielle BewerberInnen überhaupt Eigenschaften nennen konnten. Diese waren zwar überwiegend positiv, im Ge-gensatz zum internen Bild aber sehr uneindeutig (s. Abb. 5).

7 Das Projekt wurde im Rahmen eines viermonatigen Praktikums in der Einrichtung durchgeführt. Die Strategie soll die Einrichtung u.a. unterstützen, den Personalbedarf generell zu decken bzw. den Männeranteil der beschäftigten SozialpädagogInnen zu erhöhen. 8 Anzahl der ausgewerteten Fragebögen: 78 9 Anzahl der ausgewerteten Fragebögen: 64

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Abb. 5: Arbeitgeber-Attribute von MitarbeiterInnen bzw. SozialpädagogInnen in Ausbildung (Pachner-Schmidthaler 2010, eigene Darstellung)

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Maßgeschneiderte Lösungen zur Personalversorgung 117

Auch die Einschätzung des Rufs bzw. die Wahrnehmung als Arbeitgeber fiel bei der Auswertung der internen Befragung erheblich besser aus als bei den poten-tiellen BewerberInnen. Während etwa 2/3 der MitarbeiterInnen der Einrichtung einen (sehr) guten Ruf attestieren, schreiben ihr nur etwa 50 % der Sozialpäda-gogInnen in Ausbildung einen (sehr) guten Ruf zu. Das sehr eindeutige und äußerst positive interne Bild vom Arbeitgeber wird offensichtlich nach außen nicht wirksam genug kommuniziert.

Der Organisation wurde klar, dass sie durch die positive Einstellung der MitarbeiterInnen über ein hohes Potenzial für eine erfolgreiche Positionierung verfügt, dies am Arbeitsmarkt aber viel stärker genützt werden könnte. Dazu kommt, dass mehr als 2/3 der befragten Personen in Ausbildung angaben, sich bevorzugt bei bestehenden MitarbeiterInnen über ein Unternehmen zu informie-ren. Der Anteil der Männer, die diese Vorgehensweise wählen, ist sogar noch höher.

Als ein weiteres geeignetes Instrument stellten sich Praktika heraus; über 80 % der potentiellen MitarbeiterInnen gaben an, sich aufgrund guter Prakti-kumserfahrungen wieder bei dieser Einrichtung zu bewerben. Es liegt also nahe, speziell auf MitarbeiterInnen-Kontakte und PraktikantInnen zu setzen, da diese einerseits MultiplikatorInnen in Bezug auf das Image sind und die Praktikums-erfahrungen andererseits häufig zu Bewerbungen führen.

Da sich bei beiden Befragungen die Homepage des Unternehmens als wichtige Informationsquelle über den Arbeitgeber darstellte (für mehr als 90% kommt diese Form der Information über ein Unternehmen (sicher) in Frage), wurde als Reaktion auf die Ergebnisse auch der Internetauftritt des Unterneh-mens neu gestaltet. 3.2 Entwicklung zielgruppenspezifischer Suchwege in einer Altenbetreuungs-

Einrichtung Ein Anbieter stationärer und ambulanter Altenbetreuung sieht sich mit einer zunehmend schwierigen Personalsuche vor allem bei den FachsozialbetreuerIn-nen Altenarbeit (FSB-A) sowie bei Diplomierten Gesundheits- und Kranken-pflegepersonen (DGKP) konfrontiert. Obwohl die Organisation auch eine Aus-bildungseinrichtung für FSB-A betreibt, wurden zur Personalrekrutierung vor-wiegend Stellenanzeigen, die Homepage sowie das Arbeitsmarktservice einge-setzt. In einem Projekt10 wurde der Suchprozess aus der Perspektive der Ziel-gruppen betrachtet (Zielgruppen-Analyse). 10 Das Projekt wurde in einer Lehrveranstaltung zum Personalmanagement im Studium Sozialmanagement an der Fachhochschule OÖ, Campus Linz, durchgeführt. Die Studierenden

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Die gewonnenen Informationen zu den Motiven und Suchaktivitäten der Befragten lenkten den Blick der Auftraggeber auf neue Potenziale in der Perso-nalgewinnung. Fast alle DGKP in der geriatrischen Weiterbildung wollten auch im Altenbetreuungsbereich tätig werden, in erster Linie in einem Alten- und Pflegeheim. Diese Personen suchen in erster Linie eine neue Herausforderung oder wollen nach der Elternkarenz wieder berufstätig werden. Von den anderen DGKP konnte sich nur ein geringer Anteil einen Wechsel in die Altenarbeit vorstellen, wobei die Gründe vor allem in der Tätigkeit und ihren Rahmenbe-dingungen lagen (Belastung, Bezahlung, fehlende Herausforderungen…). Aus dieser Information lassen sich für den Auftraggeber bereits einige wichtige Maßnahmen entwickeln: Eine Präsenz in einer geriatrischen Weiterbildung (z.B. in Form von Vorträgen, Praktikumsangeboten …) könnte dafür sorgen, dass die Einrichtung als möglicher Arbeitgeber wahrgenommen wird. Die Einrichtung ist vor allem im ambulanten Bereich tätig, daher müssen gesetzte Maßnahmen auch die Präferenz der DGKP für ambulante Einrichtungen erhöhen. Wenn der tem-poräre Ausstieg aus der Pflege einen Umstieg in die Altenbetreuung begünstigt, so könnte bewusst Zugang zu dieser Gruppe gesucht werden, z.B. über Orientie-rungsangebote in Kooperation mit Krankenhäusern.

Für die Auftraggeber war interessant, dass sich die Suchaktivitäten bei den beiden Gruppen – DGKP und FSB-A – sehr unterschiedlich gestalten:

erhoben die Sichtweise relevanter Berufsgruppen (DGKP, FSB-A und Heimhilfen). Dabei wurden insgesamt 101 FSB-A in drei Ausbildungseinrichtungen (letztes Ausbildungssemester) mittels Fragebogen befragt. Die Daten zu den DGKP stammen aus 46 standardisierten Interviews, die je zur Hälfte mit DGKP in einer geriatrischen Weiterbildung und mit DGKP ohne Bezug zur Altenbetreuung geführt wurden. Die Ergebnisse zu den Heimhilfen werden hier nicht dargestellt.

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Maßgeschneiderte Lösungen zur Personalversorgung 119

Bevorzugte Suchwege DGKP Bevorzugte Suchwege FSB-A

1. Gezielte Kontaktaufnahme mit interessanten Einrich-tungen

1. Über das Praktikum

2. Homepages von Einrichtun-gen

2. Empfehlungen von Be-kannten, Freunden

3. Stellenanzeigen in Zeitun-gen

3. Empfehlungen von Koll-egInnen

4. Empfehlungen von Koll-egInnen

4. Homepages von Einrich-tungen

5. Empfehlungen von Freun-den, Bekannten

5. Stellenanzeigen in Zeitun-gen

Abb. 6: Suchwege von DGKP und FSB-A im Vergleich (gereiht nach Häufigkeit der Nennungen)

Zirka 70 % des Diplompersonals nehmen gezielt Kontakt mit Einrichtungen auf. Die bewusste Gestaltung der Homepage scheint für DGKP wesentlicher zu sein als Zeitungsinserate, etwa die Hälfte der Befragten geben sie als Informations-quelle über freie Stellen an. KollegInnen und Bekannte spielen zwar für 30-40 % eine Rolle, die Berufsgruppe scheint sich aber eher selbst ein Bild von einem Arbeitgeber machen zu wollen. Den DGKP muss demnach Gelegenheit dazu gegeben werden; als Option wurden Praktikumsangebote vor bzw. während der geriatrischen Ausbildung diskutiert.

Bei den FSB-A versuchen mehr als 60 % über das Praktikum einen Ar-beitgeber zu finden. Von den Befragten geben auch knapp 40 % an, bereits eine fixe Jobzusage zu haben. Das bedeutet, dass für interessierte Einrichtungen nach Ausbildungsende vermutlich nur mehr die Hälfte der AbsolventInnen zur Ver-fügung steht. Wenn das Praktikum eine so bedeutende Rolle spielt ist es wich-tig, bereits vor den Praktikumsentscheidungen in den Schulen präsent zu sein und bei den Praktika gute Erfahrungen zu ermöglichen.

Einen hohen Stellenwert haben für FSB-A auch Empfehlungen, sei es von Bekannten oder KollegInnen. Vermutlich sind auch hier die Praktikumserfah-rungen anderer Personen von Bedeutung. Der hohe Stellenwert der eigenen Erfahrungen wie auch der Empfehlungen vertrauter Personen unterstreicht die Bedeutung realistischer Informationen für die Befragten. Daran zeigt sich auch, dass MitarbeiterInnen wichtige „Imageträger“ für eine Einrichtung sind und ihnen diese Tatsache bewusst gemacht werden muss.

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120 Brigitta Nöbauer

Auch für die FSB-A spielen die bisher vom Auftraggeber genutzten Zei-tungsanzeigen nur eine untergeordnete Rolle11. Auch das Verfassen von Blind-bewerbungen sowie das Arbeitsmarktservice sind für die befragten Berufsgrup-pen relativ bedeutungslos.

Neben den bevorzugten Suchwegen der Zielgruppe erhoben wir auch jene Faktoren, die einen Arbeitgeber in den Augen möglicher BewerberInnen attrak-tiv machen. Ein weiteres Ergebnis soll hier herausgegriffen werden, weil es im Bereich der Betreuung und Pflege häufig unterschätzt wird:

Neben den erwarteten Attraktivitäts-Faktoren wie Teamzusammensetzung, Nähe zum Wohnort oder Weiterbildungsmöglichkeiten einer Einrichtung haben auch ein zeitgemäßes Pflegekonzept sowie spezielle Schwerpunkte einer Ein-richtung (wie z. B. Demenz, Schwerstpflege) für 95 bzw. 90 % der Nennungen (sehr) hohe Bedeutung für beide Berufsgruppen.

Im Kontext des Employer-Branding-Ansatzes sind hier Positionierungspo-tenziale von Arbeitgebern angesprochen, die Einrichtungen nutzen können (Pet-kovic 2008: 194ff. bzw. Trost 2009a: 20): Positionierung über…

Beispiele

Angebote Weiterbildung, flexible Arbeitszeit, Entlohnung… Aufgaben Herausfordernde Tätigkeiten, spezielle Zusatzaufga-

ben, Aufbauarbeit (z. B. bei Neueröffnung einer Ein-richtung),…

Unternehmen und Produkte

Innovativer Träger, spezielle Klientengruppen, Be-treuungsmodell, Mitarbeit in einem Pilotprojekt…

Mitarbeiter Team, Engagement, Eigenständigkeit, Leistungsori-entierung…

Werte Konfessionelle Werte, Innovation, Dynamik, Stabili-tät

Abb. 7: Positionierungsmöglichkeiten und Beispiele (in Anlehnung an Trost 2009a: 20)

Aus der oben dargestellten Vielfalt an Positionierungsmöglichkeiten nutzen Einrichtungen überwiegend die Positionierung über Angebote (Stellenanzeige: 11 Dieses Ergebnis korrespondiert mit einer Umfrage der Hochschule Furtwangen (Trost 2009b), die künftige einen stark rückläufigen Einsatz der klassischen Stellenanzeige sowie von Personalberatungen prognostiziert. Dagegen werden laut Studie Talent-Relationship-Management, E-Recruiting und Karriere-Websites sowie Mitarbeiter-Empfehlungen an Bedeutung gewinnen.

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Maßgeschneiderte Lösungen zur Personalversorgung 121

„Wir bieten Ihnen ein gutes Team, Weiterbildung,…“). Mit diesen sind sie je-doch für BewerberInnen kaum unterscheidbar. Betreuungs- bzw. Pflegekonzep-te stellen Positionierungspotenziale über „Aufgaben“ bzw. „Produkte“ dar, mit denen sich Einrichtungen differenzieren und ganz bestimmte InteressentInnen-Gruppen ansprechen können. 4. Welche Aktivitäten könnten Einrichtungen zur Personalgewinnung

setzen?

Die Ergebnisse der beiden Beispielprojekte zeigen, dass es einer Kombination aus kontinuierlicher Imagearbeit und gut durchdachter Suchstrategien bedarf, um mit der schwierigen Arbeitsmarktsituation zu Recht zu kommen. 4.1 Kontinuierliche Imagearbeit Jeder Kontakt hinterlässt Eindrücke. Imagearbeit ist daher ein kontinuierliches Unterfangen, das sowohl auf Trägerebene als auch auf der Ebene der einzelnen Einrichtung bei allen Kontakten und Aktivitäten mitgedacht werden muss, z.B.: Wie sprechen MitarbeiterInnen über ihre Einrichtung? Wie werden Personen, die kündigen, verabschiedet? Wie werden Bewerbungen abgewickelt? (Wie) geht die Einrichtung auf mögliche spätere Zielgruppen zu (z.B. Pflichtschüle-rInnen)? (Wie) nutzt die Einrichtung MultiplikatorInnen wie Angehörige oder Lehrpersonal in Ausbildungseinrichtungen für die Imagearbeit? Welches Bild vermittelt die Homepage vom Träger/von der Einrichtung?

In dieser Perspektive geht es darum, eine Einrichtung bei möglichen (künftigen) Zielgruppen bzw. MultiplikatorInnen emotional positiv zu besetzen. Je ferner eine Zielgruppe der Entscheidung für eine Stelle ist (z.B. Pflichtschüle-rInnen, DGKP in Ausbildung, Angehörige), desto mehr muss die emotionale Komponente angesprochen werden. Dabei entstehen Zuschreibungen wie inno-vativ, offen, veraltet, starr usw. Konkrete Informationen spielen dabei eine un-tergeordnete Rolle.

Je näher aber eine Entscheidung ansteht (z.B. vor dem Praktikum oder am Ende der Ausbildung), desto mehr muss eine Einrichtung das Informationsinte-resse der InteressentInnen bedienen (Petkovic 2008: 195). Dies kann z.B. über Informationsveranstaltungen, Hausbesichtigungen, aber auch über die bereits oben erwähnten konkreten Arbeitserfahrungen geschehen.

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122 Brigitta Nöbauer

4.2 Informationsbasierte Suchstrategien entwickeln Wenn eine konkrete Stelle zu besetzen ist, so verschaffen spezifische und durchdachte Suchstrategien einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt. Diese setzen voraus, dass Einrichtungen ihre Zielgruppen und erwünschten Kompetenzen zunächst definieren. In der Vergangenheit beschränkte man sich dabei auf For-malqualifikationen wie z.B. Ausbildung zur DGKP. Dies wird allerdings in den seltensten Fällen den realen Anforderungen gerecht. Denn Einrichtungen wün-schen sich nicht nur Formalqualifikationen, sondern auch bestimmte Einstellun-gen, Erfahrungen und Zusatzqualifikationen von ihren MitarbeiterInnen. Wir animieren daher die Verantwortlichen, diese Anforderungen – auch im Sinne einer Selbstselektion von InteressentInnen – klar zu formulieren12. Dies ist häu-fig bereits ein spannender Verständigungsprozess innerhalb einer Einrichtung.

Sind die Zielgruppen klar, so können deren Präferenzen und Suchstrate-gien erhoben werden13 - es geht darum, die „Zielgruppe kennen zu lernen“. Forschungseinrichtungen können Träger und Einrichtungen dabei unterstützen, die Zielgruppen zu beforschen, so wie wir es in den beschriebenen Projekten getan haben. Auf dieser Basis können Botschaften und die Suchkanäle entwi-ckelt und möglicherweise völlig neue Rekrutierungsmöglichkeiten entdeckt werden.

Obwohl sich unsere Beispiele auf den externen Arbeitsmarkt beziehen, scheinen uns die Analyse des Fluktuationsverhaltens, die Weiterentwicklung und Bindung bestehender MitarbeiterInnen und das sog. „Re-Hire“ künftig wichtige Ansatzpunkte für die personelle Absicherung von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen zu sein. „Maßschneidern“ lohnt sich also.

12 Spezifische Anforderungen zu formulieren stößt angesichts der Personalknappheit häufig auf Unverständnis. Es macht allerdings für BewerberInnen einen Unterschied, ob sie auf Grund bestimmter Qualitäten ausgewählt wurden oder ob „sowieso jede/r genommen worden wäre“. Schon an diesem Punkt wird die Wertschätzung für MitarbeiterInnen und ihre Kompetenzen sichtbar. 13 Wir haben z. B. mit einer Einrichtung Überlegungen zur Rekrutierung von FSB-A für ein spezielles Betreuungskonzept entwickelt. Dabei wurde formuliert, dass zumindest ein Teil der MitarbeiterInnen Erfahrungen mit diesem Betreuungskonzept haben sollte. Auf dieser Basis haben wir Überlegungen angestellt, wie konkret dieser Personenkreis angesprochen und für die Einrichtung interessiert werden könnte.

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Maßgeschneiderte Lösungen zur Personalversorgung 123

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Trost, Armin (2009) Employer Branding. Arbeitgeber positionieren und präsentieren. Köln: Luchterhand

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Systemisches Weiterbildungsmanagement als Bindeglied zwischen individuellem und organisationalem Lernen Stefan Gesmann 1. Zu den Gemeinsamkeiten von Fröschen und Organisationen in der

Sozialen Arbeit Die tollkühne Behauptung, Organisationen und Frösche hätten Gemeinsamkei-ten, irritiert auf den ersten (und möglicherweise auch auf den zweiten) Blick, werden hier doch scheinbar „Äpfel“ mit „Birnen“ verglichen. Folgendes, oft zitiertes Experiment1 soll verdeutlichen, warum es trotz aller Skepsis erstaunli-che Parallelen im Verhalten von Fröschen und Organisationen zu geben scheint.

Fall 1: Man nehme eine Wasserschale, fülle diese mit Wasser und erwärme das Wasser so lange, bis dieses zu kochen beginnt. Nun nehme man einen Frosch und animiere diesen, in das kochende Wasser zu springen. Wie zu erwarten ist, wird der Frosch versuchen, so schnell wie möglich aus der Wasserschale zu springen, spürt er doch unmittelbar und in aller Deutlich-keit, dass Leib und Leben gefährdet sind. Fall 2: Man nehme erneut eine Wasserschale und fülle diese abermals mit Was-ser. Nun befördere man den Frosch in das lauwarme Wasser. Während der Frosch in der Wasserschale verharrt, erhöht man nun sukzessive die Was-sertemperatur, bis sich diese dem Siedepunkt nähert. Was passiert? Über-raschenderweise gar nichts! Anstatt fluchtartig mit einem Sprung das na-hezu kochende Wasser zu verlassen, gibt der Frosch alle Anzeichen des Wohlgefühls von sich. Das tragische Ende der Geschichte: Der Frosch be-ginnt bei lebendigem Leibe zu kochen, ohne es auch nur zu merken.

1 Vgl. Baecker 1994: 51, Senge/Klostermann 2006: 34.

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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126 Stefan Gesmann

Überträgt man dieses – zugegeben recht makabre – Experiment auf die Soziale Arbeit und tauscht den Frosch gegen Organisationen und die Wasserschalen gegen die jeweiligen Umwelten einer Organisation aus, so lassen sich große Gemeinsamkeiten in den Herausforderungen und Handlungsweisen von Frö-schen und Organisationen innerhalb der Sozialen Arbeit erkennen.

Ebenso wie Frösche, sind auch Organisationen in einem hohen Maße von ihrer Umwelt abhängig, beziehen sie doch aus dieser die notwendigen finanziel-len, personellen und materiellen Ressourcen, um ihre Leistungen auf dem Sozi-almarkt anbieten zu können.

Um ihr Überleben auf Dauer zu sichern, sind Organisationen innerhalb der Sozialen Arbeit, insbesondere seit der „neoliberalen Wende“ (Schubert 2005: 10) der 1990er-Jahre, ebenso wie Frösche gefordert, ihre relevante(n) Um-welt(en) kontinuierlich zu beobachten. Finden in der jeweiligen Umwelt radika-le Veränderungen statt (beispielsweise der Wegfall von Fördermöglichkeiten oder Änderungen der gesetzlichen Vorgaben etc.), müssen unverzügliche Reak-tionen innerhalb der jeweiligen Organisation eingeleitet werden, um deren Überleben zu sichern (Umstrukturierungsmaßnahmen, Entlassung von Mitarbei-tern2 etc.). Während bei solchen radikalen Veränderungen die Reaktion einer Organisation, ähnlich der des Frosches im ersten Fall, unverzüglich erfolgt, stellen schleichende Veränderungen eine ungleich größere Herausforderung für Organisationen dar. Hier neigen diese, ähnlich wie Frösche, zu „strukturellem Konservatismus“ (Merchel 2010: 84), also dazu, nur solche Informationen und Impulse an sich heranzulassen, die dem bisher konstruierten Sinnsystem der Organisation entsprechen. Finden die Informationen und Impulse innerhalb der Organisation keine sinnvolle Verknüpfung, werden sie also als sinnlos bewertet, bleibt die entsprechende Reaktion (Veränderungen von Verfahren, Strukturen o. ä.) aus. Dass ein solches Verhalten durchaus lebensgefährlich werden kann, dürfte anhand des Frosches im zweiten Fall des Experimentes nur allzu deutlich geworden sein. Baecker empfiehlt daher jedem Frosch:

„Der Frosch muss lernen, nicht von seinem Wohlgefühl auf die äußeren Bedingungen zu schließen, unter denen er lebt. Er muss lernen, sich irritieren zu lassen. Er muss unruhig wer-den und seinen eigenen Möglichkeiten immer ein Stück weit vorweg sein. Und er muss dem Kitzelgefühl trauen, das aus den Gliedern kommt, auch wenn der Kopf nicht weiß, worum es geht.“ (Baecker 1994: 52)

Überträgt man Baeckers Überlebenstipps für Frösche auf Organisationen inner-halb der Sozialen Arbeit, so lassen sich ähnliche Handlungsempfehlungen ablei-ten. Um auf Dauer das eigene Überleben zu sichern, müssen auch Organisatio- 2 Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden stets nur die männliche Form verwendet, gemeint ist jeweils auch die Weibliche.

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Systemisches Weiterbildungsmanagement 127

nen innerhalb der Sozialen Arbeit lernen, sich kontinuierlich in ihren bewährten Handlungsmustern und -routinen irritieren zu lassen. Sie müssen sich also „im-manent unruhig“ (Schreyögg 2008: 436) verhalten, um so frühzeitig und adä-quat auf radikale und vor allem schleichende Veränderungen in ihrer relevanten Umwelt reagieren zu können. Ähnlich wie der Frosch dem Kitzeln in den Glie-dern Beachtung schenken muss, auch wenn der Kopf nicht weiß, worum es geht, bedarf es innerhalb von Organisationen der Sozialen Arbeit einer Achtsamkeit für „(...) kleine Besonderheiten und feine Unterschiede“ (Weick et al. 2010: 34).

Das dauerhafte Überleben von Fröschen und von Organisationen in der Sozialen Arbeit, so lässt sich zusammenfassen, scheint in einem hohen Maße von deren Lernfähigkeit abzuhängen, also deren Fähigkeit, sich in ihren ge-wohnten Handlungsabläufen und -mustern stören, irritieren und verunsichern zu lassen (vgl. Siebert 2005: 34).

Organisationale Lernfähigkeit3 ist hierbei nicht mit einer permanenten fak-tischen Veränderung von Organisationen gleichzusetzen, vielmehr geht es um die fortlaufende Veränderungsbereitschaft, also die Fähigkeit, sich durch Un-vorhergesehenes, durch bisher Unentdecktes, durch neue Anforderungen aus der Umwelt, durch neues Wissen, durch neue Ideen von Organisationsmitgliedern in den bisherigen Sichtweisen, Denkmustern und Handlungsroutinen irritieren zu lassen (vgl. Böttcher/Merchel 2010: 81). 2. Irritationsanlässe in Einrichtungen der Sozialen Arbeit Überträgt man Baeckers Überlebenstipps konsequent auf Organisationen inner-halb der Sozialen Arbeit, so wird deutlich, dass sich Leitungskräfte in einem kontinuierlichen Dilemma bewegen. Einerseits tragen sie die Verantwortung dafür, verlässliche Strukturen und Regelwerke innerhalb einer Organisation zu etablieren, die der Reduktion von (interner und externer) Komplexität und der Abgrenzung der Organisation gegenüber ihrer Umwelt dienen (vgl. Luhmann 1973: 175). Andererseits sind sie dafür zuständig, die Organisation immer wie-

3 Wenn im Folgenden vom Lernen der Organisation oder vom organisationalen Lernen gesprochen wird, soll hiermit der Prozess der Veränderung des organisationalen Wissens verstanden werden. Als organisationales Wissen versteht der Autor das Problemlösungsmuster einer Organisation im Umgang mit Informationen (vgl. Wolf/Hilse 2009: 128). Dieses Problemlösungsmuster zeigt sich in den bestehenden Routinen und Handlungsmustern, mit denen eine Organisation ihre alltägliche Praxis realisiert, es ist somit sämtlichen internen Prozessabläufen einer Organisation impliziert (vgl. Simon 2007: 62). Mit einem solchen Verständnis vom Lernen einer Organisation bzw. organisationalem Lernen grenzt sich der Autor von Ansätzen ab, die das Lernen einer Organisation auf ein reines Anpassungslernen reduzieren, wie es unter Begriffen wie „Single-loop-learning“ oder „Einschleifen-Lernen“ bekannt geworden ist (vgl. Argyris et al. 2006: 37).

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der mit Irritationen zu versorgen, um eben diese Strukturen und Regelwerke und die hierdurch geprägten kollektiven Denkmuster und Handlungsroutinen konti-nuierlich auf deren Sinnhaftigkeit zu prüfen. Der reflektierte Umgang mit die-sem Dilemma aus Dynamik und Stabilität zeichnet sich in dem Maß an Lernfä-higkeit einer Organisation ab (vgl. Böttcher/Merchel 2010: 82).

Um diesen kontinuierlichen Drahtseilakt aus Stabilität und Wandel meis-tern zu können, benötigen Organisationen neben verlässlichen Strukturen und Regeln Anlässe und Orte, um sich „maßvoll irritieren“ bzw. „kontrolliert desta-bilisieren“ (Merchel 2004: 117) zu lassen. Leitungskräfte in Einrichtungen der Sozialen Arbeit sind daher gefordert, regelmäßige Anlässe und Orte zur indivi-duellen und/oder kollektiven Reflexion zu schaffen bzw. sicherzustellen, dass die bereits vorhandenen Möglichkeiten in Bezug auf deren „Irritations- und Reflexionspotenzial“ systematisch genutzt werden.

Folgende Anlässe bzw. Orte in Einrichtungen der Sozialen Arbeit bieten das Potenzial, individuell und/oder kollektiv die bestehenden Sichtweisen, Denkmuster und Handlungsroutinen innerhalb einer Organisation zu reflektieren (vgl. Merchel 2010: 85-88): Systematische Nutzung des Spektrums an beruflichen Kenntnissen, Erfah-

rungen und Sichtweisen von neu in die Organisation eintretenden Mitarbei-tern

Regelmäßige Konzeptreflexion Verfahren zum Umgang mit Fehlern Beschwerdemanagementsysteme Dokumentationssysteme Qualitätsmanagementsysteme Nutzung von Fachpublikationen Nutzung von Angeboten der beruflichen Weiterbildung

2.1 Die berufliche Weiterbildung als zentrale Irritationsinstanz Beim Vergleich der aufgeführten Anlässe bzw. Orte hinsichtlich ihres Potenzi-als zur Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit beizutragen, fällt die be-rufliche Weiterbildung in gewisser Weise „aus dem Rahmen“. Dies ist zum einen darin begründet, dass sie sich qua Definition der Erneuerung des Wissens, der Einübung beruflicher Methoden und der Reflexion der beruflichen Praxis

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Systemisches Weiterbildungsmanagement 129

verpflichtet (vgl. Peter 2001: 1963) und daher bereits eine gewisse Nähe zur organisationalen Lernfähigkeit suggeriert.4

Zum anderen unterscheidet sich die berufliche Weiterbildung im Hand-lungsfeld der Sozialen Arbeit im Vergleich zu den anderen genannten Anlässen bzw. Orten zur individuellen und/oder kollektiven Reflexion dadurch, dass sie i.d.R. unterschiedliche Professionen (Dipl.-Soz.Päd., Dipl.-Päd., Dipl.-Psych., Ju-

risten etc.) aus unterschiedlichen Institutionen zusammenbringt, oftmals außerhalb der eigenen Institution („off the job“) verortet ist,5 über eine gewisse institutionelle Verankerung verfügt, dementsprechend mit einem – wenn auch oftmals schwankenden – separaten

Budget ausgestattet ist. Ohne die genannten Charakteristika an dieser Stelle weiter vertiefen zu können, kann der beruflichen Weiterbildung insbesondere durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Professionen aus unterschiedlichen Institutionen in einem geschützten Rahmen, abseits der jeweiligen organisational geprägten Rollen- und Erwartungsmuster, ein beachtliches Irritationspotenzial attestiert werden. Oder um es angelehnt an Watzlawick6 zu sagen: Weiterbildungen können scheinbar nicht nicht irritieren.

Leitungskräfte innerhalb der Sozialen Arbeit, die dafür verantwortlich sind, die Organisation kontinuierlich mit Irritationen zu versorgen, sollten daher Vorkehrungen treffen, um das in den Lern- und Reflexionserfahrungen der Mit-arbeiter kondensierte Irritationspotenzial zur kontrollierten Destabilisierung der kollektiven Sichtweisen, Denkmuster und Handlungsroutinen zu nutzen.

Hierfür gilt es einerseits, auf die bereits bestehende institutionelle Veran-kerung der beruflichen Weiterbildung zurückzugreifen bzw. diese diesbezüglich zu optimieren, andererseits jedoch nicht der naiven Vorstellung zu unterliegen, dass die individuellen Lern- und Reflexionserfahrungen ohne Weiteres in die Organisation übertragen werden können. 4 Zum möglichen Zusammenhang zwischen der Lern- und Veränderungsfähigkeit von Organisationen und der Lernfähigkeit und den Lernerfahrungen der Mitarbeiter vgl. Wolf/Hilse 2009: 127, Hölzle 2006: 31. 5 Wenngleich empirische Belege zu Angeboten und Formen der beruflichen Weiterbildung innerhalb der Sozialen Arbeit fehlen, scheinen „off the job“-Weiterbildungen besonders stark nachgefragt zu sein. Die nachfolgenden Überlegungen beziehen sich daher primär auf solche Weiterbildungen. 6 „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ (Watzlawick et al. 1982: 53)

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130 Stefan Gesmann

2.2 Ein (ernüchternder) Blick in die Praxis

Obwohl Einigkeit darüber zu herrschen scheint, dass es sich bei der Sozialen Arbeit um eine „weiterbildungsintensive Profession“ (Höfener 2005: 186) han-delt, und dass Angebote der beruflichen Weiterbildung maßgeblich zur Profes-sionalisierung von Fachkräften der Sozialen Arbeit beitragen (vgl. Schulze-Krüdener 2005: 852), sucht man eine systematisierte Planung und Umsetzung von Weiterbildungsaktivitäten zur Flankierung dieses Professionalisierungspro-zesses in der Praxis oftmals vergeblich. Was man stattdessen vorfindet, kann eher als „Trial and Error bzw. muddling through“ (Boeßenecker/Markert 2008: 177) beschrieben werden.

Anstatt bei der Auswahl einer Weiterbildung die Organisationsziele und Mitarbeiterinteressen und -ressourcen gleichsam zu berücksichtigen, um so ein Optimum für die Entwicklung der Organisation und die der Mitarbeiter errei-chen zu können (vgl. Hölzle 2006: 35), findet diese Auswahl primär nach dem Wunschprinzip der Mitarbeiter statt (vgl. Finke/Heister 1996: 3). Demzufolge wählt der einzelne Mitarbeiter zu Beginn des Jahres eine Fachtagung oder Weiterbildungsveranstaltung nach seinen persönlichen Interessen und Vorlieben aus, wohingegen sich die Beteiligung des Vorgesetzten als Vertreter der Organi-sation und deren Ziele i.d.R. darauf beschränkt, eine Unterschrift auf dem ent-sprechenden Antragsformular zu leisten, um das notwendige Budget freizuge-ben. Überschreiten die Kosten der Weiterbildung das Normale, sprich das von allen Kollegen tolerierte und akzeptierte Maß, entsteht Gesprächsbedarf. Blei-ben die Kosten hingegen im Rahmen, kann auch auf das entsprechende Ge-spräch verzichtet werden (es sei denn, es gilt den Punkt Weiterbildung im jähr-lich routinemäßig stattfindenden Mitarbeiterjahresgespräch abzuarbeiten). Wel-che Weiterbildung wann, von wem und vor allem warum besucht wird, bleibt oftmals nebulös.

Da für eine systematische Evaluation (vgl. Heiner 2005: 483) der Weiter-bildungsaktivitäten oftmals die notwenigen Ressourcen (Zeit, Geld etc.) und/oder das entsprechende Wissen fehlen, beschränkt sich das Einholen von Rückmeldungen zur Weiterbildung i.d.R. auf Zufriedenheitsabfragen7 oder auf ein rhetorisch gefragtes „Und, wie war es?“ beim morgendlichen Kaffee in der Frühstückspause nach Rückkehr in die eigene Organisation. Ob und in welcher Form nach absolvierter Weiterbildung ein Rückfluss der Erkenntnisse und Er-fahrungen aus der Weiterbildung in die eigene Organisation erfolgt, scheint somit weitgehend dem Zufall oder aber dem jeweiligen Engagement des Mitar-beiters überlassen zu sein (vgl. Merchel 2005: 189). 7 Das Ausfüllen der sogenannten „Happy-Sheets“ (Kauffeld et al. 2009: 59), wobei i.d.R. unklar ist, was mit diesen Evaluationsergebnissen eigentlich genau passiert.

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Wenngleich der Blick in die Praxis bewusst überzeichnet ist und im Hand-lungsfeld der Sozialen Arbeit erste Professionalisierungstendenzen hinsichtlich des Einsatzes von Personalmanagementkonzepten festzustellen sind (vgl. Hölzle 2006, Grunwald/Steinbacher 2007, Klaus 2008), scheint in vielen Einrichtungen der Sozialen Arbeit hinsichtlich der beruflichen Weiterbildung nach wie vor ein gewisser Tunnelblick vorzuherrschen. Ein solcher Weiterbildungstunnelblick lässt sich durch eine verkürzte Wahrnehmung des Weiterbildungsprozesses (dieser wird i.d.R. auf die Phase der Durchfüh-

rung reduziert, die vor- und nachbereitenden Phasen werden vernachlässigt), und hiermit verbunden

der an diesem Prozess beteiligten Protagonisten (hier findet i.d.R. ausschließ-lich eine Fokussierung auf den sich weiterbildenden Mitarbeiter statt, das Ar-beitsumfeld, also die jeweilige Organisation und hier insbesondere die Kolle-gen aus dem Team, werden nahezu ausgeblendet)

charakterisieren.

Die Auswirkungen eines solchen eingeschränkten Blickwinkels sind hinrei-chend bekannt. So stellten Pawlowsky und Bäumer fest, dass knapp ¼ der Weiterbildungsteilnehmer die mangelnde Vorbereitung und knapp 2/3 die feh-lende Nachbereitung einer Weiterbildungsveranstaltung als Grund für den unzu-reichenden Transfer der erlernten Weiterbildungsinhalte in die berufliche Praxis nennen (vgl. Pawlowsky/Bäumer 1996: 154). Auch die Bedeutung des Arbeits-umfeldes als eine der zentralen Transferdeterminanten8 ist seit den Studien von Baldwin und Ford unumstritten.

Wenn Leitungskräfte innerhalb der Sozialen Arbeit das der beruflichen Weiterbildung inliegende Potenzial nutzen wollen, sowohl zur Kompetenzstei-gerung aufseiten der Mitarbeiter (im Weiteren als Transfer I. Ordnung bezeich-net) als auch zur Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit beizutragen (im Weiteren als Transfer II. Ordnung bezeichnet), braucht es eine Abkehr von jeglicher Form des Durchwühlens (muddling through) und Ausprobierens (Trial and Error). Gefragt ist vielmehr eine planvolle, systematische Gestaltung des gesamten Weiterbildungsprozesses, die sich als Gegenentwurf zum bestehenden Weiterbildungstunnelblick versteht. Gefragt ist also ein entsprechendes (syste-misches) Weiterbildungsmanagement.

8 In dem Modell von Baldwin und Ford wird der Transferprozess maßgeblich durch die Teilnehmermerkmale (Fähigkeit, Persönlichkeit, Motivation), die Weiterbildung und das Arbeitsumfeld bestimmt (vgl. Baldwin/Ford: 65).

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3. Systemisches Weiterbildungsmanagement Ein systemisches Weiterbildungsmanagement verpflichtet sich der systemati-schen Planung und Gestaltung des Weiterbildungsprozesses und bildet durch seine Fokussierung auf einen Transfer I. und II. Ordnung ein zentrales Binde-glied zwischen Personal- und Organisationsentwicklung. Hierfür bedient es sich eines erweiterten pädagogischen Blicks (vgl. Arnold 1995: 184), der sich als Gegenentwurf zum genannten Weiterbildungstunnelblick versteht und sowohl den Weiterbildungsprozess in seiner Gesamtheit (also neben der Phase der Durchführung auch die vor- und nachbereitenden Phasen), als auch die direkt und indirekt an diesem Prozess beteiligten Protagonisten in den Blick nimmt. Die jeweiligen Teams erhalten hierbei innerhalb des systemischen Weiterbil-dungsmanagements eine besondere Beachtung, stellen sie doch eine zentrale Schnittstelle zwischen individuellem und organisationalem Lernen dar.9

Obwohl das nachfolgende Phasenmodell von Berthel und Becker in sei-nem stringenten, linearen Ablauf von einem betriebswirtschaftlich geprägtem Ideal der technischen Machbarkeit inspiriert scheint und daher suggeriert, die Komplexität des Weiterbildungsprozesses durch exakte Planung und Steuerung in den Griff bekommen zu können, greift es den geforderten erweiterten päda-gogischen Blick durch die Gliederung des Weiterbildungsprozesses in drei Pha-sen (Phase 1: Vorbereitung, Phase 2: Durchführung, Phase 3: Nachbereitung) und die Berücksichtigung des Arbeitsumfeldes im Zuge der Umfeldanalyse auf und soll daher Orientierung für die weiteren Überlegungen bieten.

9 Zur Bedeutung von Teams für das organisationale Lernen vgl. Merchel 2005: 148, Senge/Klostermann 2006: 288, Willke/Gebauer 2006: 102.

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Abb. 1: Phasenmodell des Weiterbildungsmanagements (Berthel/Becker 2010: 407)

Im Gegensatz zu eher mechanistischen Weiterbildungsmanagementansätzen löst sich ein systemisches Weiterbildungsmanagement von der Vorstellung, die Protagonisten des Weiterbildungsprozesses (allen voran der sich weiterbilden-den Mitarbeiter, aber auch die Organisation, in der er tätig ist, und hier insbe-sondere sein näheres Arbeitsumfeld, sprich das Team, dem er angehört) seien „triviale Maschinen“10, die – als Mittel zum Zweck – von außen direkt gesteuert werden können. Stattdessen werden diese innerhalb eines systemischen Weiter-bildungsmanagements als „nichttriviale Systeme“ (Willke 1999: 31) betrachtet. 10 „Eine triviale Maschine ist durch eine eindeutige Beziehung zwischen ihrem »Input« (Stimulus, Ursache) und ihrem »Output« (Reaktion, Wirkung) charakterisiert. Diese invariante Beziehung ist »die Maschine«. Da diese Beziehung ein für allemal festgelegt ist, handelt es sich hier um ein deterministisches System; und da ein einmal beobachtbarer Output für einen bestimmten Input für den gleichen Input zu späterer Zeit ebenfalls gleich sein wird, handelt es sich dabei um ein vorhersagbares System.“ (von Foerster 1997: 206-207)

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3.1 Die nichttrivialen Protagonisten des Weiterbildungsprozesses Aus systemtheoretischer Sicht handelt es sich bei dem zentralen Protagonisten des Weiterbildungsprozesses – dem Mitarbeiter – um ein psychisches System,11 während die indirekt beteiligten Protagonisten (das jeweilige Team/die Organi-sation) als soziale Systeme betrachtet werden. Sowohl psychische als auch sozi-ale Systeme können als autopoietische, operational geschlossene, strukturell gekoppelte Systeme bezeichnet werden.

Als autopoietische Systeme sind sie in der Lage – um es mit Maturanas Worten zu sagen – sich selbst an ihren eigenen Schnürsenkeln emporzuziehen (vgl. Maturana/Varela 2009: 54). Hiermit ist gemeint, dass sie „(…) die Ele-mente, aus denen sie bestehen, durch die Elemente, aus denen sie bestehen, selbst produzieren und reproduzieren.“ (Luhmann 1985: 403) Für diesen tauto-logisch anmutenden Reproduktionsprozess verwenden psychische und soziale Systeme ihren jeweils einzigartigen Operationsmodus:

„Die Operationen eines sozialen Systems sind Kommunikationen, die sich aufgrund anderer Kommunikationen reproduzieren und damit die Einheit des Systems herstellen; außerhalb von sozialen Systemen gibt es keine Kommunikationen. Die Operationen eines psychischen Systems sind die Gedanken; und außerhalb von Bewußtsteinssystemen gibt es keine Gedan-ken.“ (Baraldi et al. 2008: 29)

Aufgrund der Selbstbezüglichkeit ihrer Operationen (Selbstreferenz) bilden autopoietische Systeme durch das Netzwerk ihrer internen Prozesse zusammen-gesetzte Einheiten und grenzen sich so gegenüber ihrer Umwelt ab (vgl. Simon 2007: 24). Diese „autopoietische Geschlossenheit“ (Martens/Ortmann 2006: 435) verleiht ihnen ihren eigenen Kopf (psychisches System) bzw. ihre innere Logik (soziales System) und verhindert, dass sie wie triviale Maschinen von Ereignissen in der jeweiligen Umwelt, im Sinne einer geradlinig-kausalen Ursa-che-Wirkungs-Beziehung determiniert werden können (vgl. Simon 2010: 17).

Trotz dieser operationalen Schließung sind psychische und soziale Syste-me zwingend aufeinander angewiesen, da die jeweils eine Systemart die not-wendige Umwelt der jeweils anderen Systemart darstellt (vgl. Luhmann 1984:

11 Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass der Mensch innerhalb der neueren Systemtheorie nicht als ein System, sondern vielmehr als ein Konglomerat von Systemen bezeichnet wird (organisches System, Immunsystem, psychisches System etc.) (vgl. Mayer/Wimmer 2003: 89). Allein psychische und soziale Systeme lassen sich jedoch durch Sinngebrauch charakterisieren (vgl. Luhmann 1984: 18).

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92).12 Psychische und soziale Systeme stehen daher in einem komplementären Verhältnis zueinander, oder anders formuliert, sie sind strukturell gekoppelt. „Strukturell gekoppelte Systeme sind aufeinander angewiesen – insofern sind sie nicht autark –, aber zugleich operieren sie autonom, sie bleiben also fürei-nander Umwelt.“ (Kneer/Nassehi 2000: 64)

Wenngleich psychische und soziale Systeme also hinsichtlich der Tiefen-struktur ihrer Selbststeuerung als geschlossene, autonome Systeme betrachtet werden müssen, die nahezu unabhängig und unbeeinflussbar von ihrer Umwelt operieren (vgl. Willke 2006: 10), bilden sie aufgrund ihrer strukturellen Kopp-lung koevolutive Einheiten, die sich gegenseitig irritieren und somit zur Selbst-veränderung anregen können (vgl. Simon 2009: 91, Luhmann 1984: 92). Ab-hängig von dem Festigkeitsgrad dieser strukturellen Kopplung,13 können also trotz operativer Schließung Veränderungen des einen Systems Veränderungen innerhalb des anderen Systems anregen. Wie die jeweilige Reaktion auf diese Irritation tatsächlich ausfällt, hängt jedoch ausschließlich von der internen Struktur, also dem eigenen Kopf bzw. der inneren Logik des jeweiligen Systems ab. 3.2 Die Phasen des systemischen Weiterbildungsmanagements Der systemtheoretische Blick auf die Protagonisten des Weiterbildungsprozes-ses gibt erste Hinweise, warum der sich weiterbildende Mitarbeiter nicht losge-löst von seinem beruflichen Umfeld betrachtet werden kann (Stichwort struktu-relle Kopplung). Zudem wird deutlich, dass sich der Weiterbildungsprozess trotz exakter Planung und Steuerungsabsichten nicht in einem linear-kausalen Sinne in den Griff bekommen lässt (Stichwort operationale Schließung). Nicht-triviale Systeme verfügen vielmehr über Myriaden von Möglichkeiten, um Steuerungsabsichten, die nicht ihrem eigenen Kopf bzw. ihrer innerer Logik entsprechen, abzubiegen, umzuleiten, umzudeuten, zu verzögern oder einfach nur zu ignorieren (vgl. Willke 2007: 25).

12 So setzt beispielsweise die Reproduktion der Kommunikation zwingend die Verfügbarkeit von psychischen Systemen voraus, die an der Kommunikation teilnehmen können (vgl. Baraldi et al. 2008: 186). 13 „Die Psyche eines Menschen ist meist fester mit den Kommunikationsmustern seiner Herkunftsfamilie gekoppelt als mit denen von Organisationen. Dort besteht ein beidseitiges Kündigungsrecht, und der Mitarbeiter, der sich zu sehr irritiert fühlt, kann kündigen, um allfälligen Veränderungsnotwendigkeiten zu entgehen; umgekehrt kann sich auch die Organisation von Mitarbeitern trennen, die durch ihren Beitrag zur Kommunikation zu viel oder zu wenig irritieren.“ (Simon 2009: 80-81)

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Wenngleich man sich somit von dem naiven Machbarkeitsglauben verab-schieden muss, den Weiterbildungsprozess in einem mechanistischen Sinne beliebig planen und gestalten zu können, gilt es, nicht in jenen anderen, ebenso naiven Glauben zu verfallen, man könne überhaupt keinen Einfluss auf diesen nehmen. Weiterbildungsmanagementansätze wie sie dem Phasenmodell von Berthel und Becker zugrunde liegen, bieten trotz aller Kritik Orientierung, um den bestehenden Weiterbildungstunnelblick innerhalb der Sozialen Arbeit zu öffnen und einen Transfer I. und II. Ordnung zu begünstigen. Um der Komple-xität des Weiterbildungsprozesses jedoch gerecht zu werden, bedarf es einer kritischen Reflexion und ggf. entsprechenden Umdeutung der innerhalb der einzelnen Phasen des Weiterbildungsprozesses eingesetzten Verfahren, wie sie im Folgenden exemplarisch anhand der vor- und nachbereitenden Phase er-folgt.14 3.2.1 Die vorbereitende Phase Innerhalb der vorbereitenden Phase übernimmt die Bedarfsanalyse eine rich-tungsweisende Funktion, da sie die Aufgabe hat, systematisch Daten für die Planung und Steuerung des Weiterbildungsprozesses bereitzustellen. Das Herz-stück einer solchen Weiterbildungsbedarfsanalyse stellt i.d.R. der Soll-Ist-Vergleich dar (vgl. Staudt 1995: 42). Hierbei findet ein Abgleich der für die Erstellung der betrieblichen Leistung notwendigen Qualifikationen (Soll) und der im Unternehmen vorhandenen Qualifikationen bzw. Qualifikationspotenzia-le (Ist) statt (vgl. Pawlowsky/Bäumer 1996: 96). Wird eine Diskrepanz zwi-schen Soll- und Ist-Wert festgestellt, liegt ein Qualifikationsbedarf vor.15

Zur Erfassung der jeweiligen Soll- und Ist-Zustände liegen innerhalb des Personalmanagements eine Vielzahl von Instrumenten und Verfahren vor, die von unterschiedlichen Ansätzen der Befragung, über Beobachtungen bis hin zu Dokumentenanalysen, reichen (vgl. Arnold 1995: 148-149, Berthel/Becker 2010: 411-418, Pawlowsky/Bäumer 1996: 108-123). Ob und in welcher Form diese Instrumente Einsatz finden, hängt maßgeblich vom jeweils zugrunde lie-genden Bedarfsverständnis und dem damit verbundenen theoretischen Zugang ab.

14 Die Evaluation der einzelnen Phasen des Weiterbildungsprozesses kann an dieser Stelle nicht ausreichend berücksichtigt werden. Zur Bedeutung von Ansätzen der Evaluation in Verbindung mit organisationalem Lernen sei an dieser Stelle insbesondere auf die Arbeiten von Heiner verwiesen (vgl. Heiner 1998). 15 Dieser Qualifikationsbedarf wird jedoch erst dann zu einem Weiterbildungsbedarf, wenn er mithilfe einer Weiterbildungsmaßnahme behoben werden kann (vgl. Hölterhoff et al. 1986: 83).

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Während Bedarf innerhalb mechanistischer Weiterbildungsmanagement-ansätze als objektive Größe betrachtet wird, die – dem technizistischen Mach-barkeitsdenken folgend – durch die Auswahl des richtigen (Mess-)Instrumentes entsprechend berechnet werden kann (vgl. Faulstich 1998: 114), sieht ein sys-temisches Weiterbildungsmanagement Bedarf als „(...) etwas im Dialog mit den Beteiligten zu Konstruierendes“ (Arnold 1991: 153) an.

Ein solches Bedarfsverständnis verwehrt sich nicht gegen den Einsatz von elaborierten Erhebungs- und Ermittlungsinstrumenten, favorisiert jedoch solche Verfahren, die im direkten Kontakt mit den Beteiligten stattfinden, und so einen Dialog auf Augenhöhe16 anstreben. Hierbei gerät nicht nur der einzelne Mitar-beiter und dessen Vorgesetzter in den Fokus der Betrachtung, sondern zugleich, entsprechend des geforderten erweiterten pädagogischen Blicks, auch das jewei-lige Umfeld,17 oder besser gesagt, die jeweilige Umwelt des Mitarbeiters.

Als Teile der Umwelt des psychischen Systems »Mitarbeiter« und damit zusätzliche Beteiligte innerhalb der „dialogischen Bildungsbedarfsanalyse“ (Arnold/Bloh 2009: 22) müssen insbesondere die Kollegen aus dem Team18 betrachtet werden. Teams und Mitarbeiter stellen i.d.R. relativ fest gekoppelte Systeme und damit koevolutive Einheiten dar. Jede weiterbildungsbedingte Veränderung auf der einen Seite (der Kollege, der beispielsweise innerhalb der beruflichen Weiterbildung einen neuen Ansatz der Gesprächsführung erlernt hat) wirkt somit zwangsläufig als Irritation auf die andere Seite (die Kollegen aus dem Team). Ob und inwiefern diese Irritation innerhalb des Teams verarbei-tet wird (ob der neue Ansatz der Gesprächsführung also unterstützt oder boykot-tiert wird), hängt allein von der teamspezifischen inneren Logik ab. Eben diese innere Logik, also die jeweils teamspezifischen Kommunikationsmuster, die sich in personenunabhängigen Strukturen, Prozessen und Operationsweisen eines Teams manifestieren, gilt es hinsichtlich der Ermöglichung eines Trans-fers I. und II. Ordnung bereits bei der gemeinsamen Konstruktion eines Weiter-bildungsbedarfs bestmöglich zu berücksichtigen. Dass dieser Prozess nicht frei von Konflikten ist, liegt auf der Hand, können doch allein zwischen den organi-sationalen Bedarfen (Vertreten durch den Vorgesetzten) und den individuellen Bedürfnissen eines Mitarbeiters Welten liegen (vgl. Pawlowsky/Bäumer 1996: 103). Berücksichtigt man zusätzlich die Perspektive des jeweiligen Teams, steigt nicht nur die Komplexität, sondern zugleich das Konfliktpotenzial. 16 Ein solcher Dialog auf Augenhöhe ist dadurch gekennzeichnet, dass die Gesprächspartner möglichst unvoreingenommen aufeinander zugehen, intensiv einander zuhören und sich nicht von vornherein auf eine Ansicht festlegen (vgl. Senge/Klostermann 2006: 288). 17 Vgl. die geforderte Umfeldanalyse im Phasenmodell von Berthel/Becker. 18 Da Teams als „Organisationen im Miniformat“ (Lederer 2005: 135) betrachtet werden können, werden sie im vorliegenden Fall als soziales System eingeordnet, das über eine eigene innere Logik verfügt.

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Werden diese Konflikte jedoch im Zuge der Bedarfsanalyse gemieden, tre-ten sie möglicherweise nach Beendigung der Weiterbildung auf. Das überspitzt dargestellte Ergebnis ist Frust auf allen Seiten: Der Mitarbeiter, der seine neu erlernten Fertigkeiten in der täglichen Praxis anwenden will, ist von den boykot-tierenden Kollegen frustriert, die Kollegen aus dem Team über den besser wis-senden Kollegen, der nun alles anders machen will, und der Vorgesetzte ist hinsichtlich des ineffizienten Mitteleinsatzes und der mangelnden Berücksichti-gung der Organisationsinteressen frustriert. 3.2.2 Die nachbereitende Phase Im Zentrum der nachbereitenden Phase des Weiterbildungsprozesses steht der Transfer. Unter Transfer wird in der gängigen Vorstellung die Übertragung des Erlernten aus dem Lernfeld in das Funktionsfeld bezeichnet (vgl. Faulstich 1998: 193).

Ein solches, eher mechanistisches Transferverständnis suggeriert, dass Wissen von der Situation, in der es erworben wurde (der beruflichen Weiterbil-dung), ohne Probleme abgelöst und in eine andere Situation (den beruflichen Kontext) übertragen werden kann. Ähnlich wie Geld von einem Konto auf ein anderes Konto transferiert wird, scheint Wissen somit von A nach B verlustfrei übermittelt werden zu können.

Dass diese Übertragung innerhalb der beruflichen Weiterbildung jedoch alles andere als verlustfrei abläuft, zeigen zahlreiche Untersuchungen, die alle zu ähnlich ernüchternden Ergebnissen kommen. So geht Bergel noch optimis-tisch davon aus, dass es immerhin 23 % der Seminarteilnehmer gelingt, erlernte Weiterbildungsinhalte in die berufliche Praxis zu übertragen (vgl. Bergel 2007: 11). Hummel hingegen hält eine Transferquote von lediglich 10 % für realis-tisch (vgl. Hummel 2001: 65).

Wenngleich beide Untersuchungen weitere potenzielle Transfervariablen unberücksichtigt lassen, dürfte deutlich werden, dass ein gelingender Transfer I. Ordnung kein Selbstläufer ist, wie es die Übertragungs-Metapher suggeriert, sondern vielmehr als unwahrscheinlich eingeschätzt werden muss (vgl. Alke 2008: 15).

Wie an anderer Stelle bereits skizziert wurde, können als Gründe für diese Unwahrscheinlichkeit insbesondere (1) die fehlende Nachbereitung, (2) die fehlende Zeit zur Umsetzung der Inhalte sowie (3) die mangelnde Kommunika-tion von Weiterbildungsinhalten betrachtet werden (vgl. Pawlowsky/Bäumer 1996: 154).

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Wenngleich zunehmend transfersichernde Tools den Markt fluten (vgl. Koch 2010: 29) und mit entsprechenden Slogans19 suggerieren, die o. g. Trans-ferhindernisse minimieren zu können, distanziert sich ein systemisches Weiter-bildungsmanagement von solchen komplexitätsreduzierenden Trivialisierungs-instrumenten und fordert stattdessen, auch in der nachbereitenden Phase, den Dialog auf Augenhöhe mit den Protagonisten des Weiterbildungsprozesses fort-zuführen.

Gelingt es beispielsweise Team-Sitzungen dahingehend zu nutzen, dass sie zu Kommunikations- und Reflexionsplattformen für absolvierte Weiterbildun-gen werden,20 auf denen nicht nur die Inhalte einer Weiterbildung gemeinsam diskutiert werden, sondern – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Be-darfe, Bedürfnisse und Befürchtungen der Beteiligten – auch deren konkrete Umsetzung (oder nicht Umsetzung, auch dies kann ein gemeinsames Ergebnis sein) gemeinsam durchdacht und konkret geplant wird, könnten zumindest zwei der drei zentralen Transferbarrieren (fehlende Nachbereitung und mangelnde Kommunikationsmöglichkeiten von Weiterbildungsinhalten) in Ansätzen aufge-fangen werden.

Eine solche Fortführung des Dialogs auf Augenhöhe innerhalb des Teams, die nicht mit einem Monolog von oben herab zu verwechseln ist, bei dem der Entsandte die Daheimgebliebenen bezüglich der Inhalte der Weiterbildung belehrt, steigert nicht nur die Chancen für einen gelingenden Transfer I. Ord-nung, sondern bildet auch das Fundament für einen Transfer II. Ordnung.

Wenn die individuellen Lern- und Reflexionserfahrungen des Mitarbeiters zur Irritation der kollektiven Sichtweisen, Denkmuster und Handlungsroutinen innerhalb einer Organisation beitragen sollen, stellen Teams den entscheidenden Stellhebel hierfür dar (vgl. Willke/Gebauer 2006, S. 102). Als soziale „Subsys-teme“ (Schwarz 2008: 184) innerhalb des sie umfassenden sozialen Systems Organisation verfügen sie über eine teamspezifische innere Logik21, die sie durch entsprechende Grenzziehung zu ihrer Umwelt aufrechthalten. Zugleich sind Teams durch strukturelle Kopplungen hochgradig mit anderen Teams ver-

19 Exemplarisch hierfür: „Virtuelles Transfercoaching kann den bisherigen Wirkungsgrad verdoppeln oder gar verdreifachen“, Quelle: https://www.virtuelles-coaching.com. 20 Innerhalb eines systemischen Weiterbildungsmanagements bilden Teamsitzungen auch die zentrale Kommunikationsplattform für die geforderte dialogische Bedarfsanalyse. 21 Als innere Logik eines Teams, so wurde bereits erwähnt, sollen die teamspezifischen Kommunikationsmuster bezeichnet werden, die sich in den personenunabhängigen Strukturen, Prozessen und Operationsweisen eines Teams manifestieren.

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netzt (und damit teilweise geöffnet), so dass lernende Teams22 kontinuierlich andere lernende Teams fördern können (vgl. Senge/Klostermann 2006: 288).

Da es sich sowohl bei dem weitergebildeten Mitarbeiter als auch dem je-weiligen Team, dem er angehört, um operational geschlossene, autopoietische Systeme mit jeweils unterschiedlichen Operationsmodi handelt (Gedanken als Operationsmodus des psychischen Systems; Kommunikation als Operationsmo-dus des sozialen Systems), können die im Zuge der Weiterbildung (möglicher-weise) veränderten Gedanken des psychischen Systems (des Mitarbeiters) nicht einfach in einem mechanistischen Sinne in das soziale System (das Team) ein-geschleust werden. Die einzige Möglichkeit, dass ein Gedanke ein Element eines sozialen Systems werden kann, besteht aus systemtheoretischer Sicht darin, dass dieser ausgesprochen und verstanden, also kommuniziert wird (vgl. Simon 2009: 90). Eine solche gelingende Kommunikation bedingt jedoch, 1. dass der jeweilige Mitarbeiter bereit ist, seine Lern- und Reflexionserfah-

rungen auch mitzuteilen, denn: „Was nicht in die Kommunikation kommt, gewinnt keine soziale Existenz oder Bedeutung“ (Simon 2007: 38) und

2. ein entsprechendes Verstehen auf Seiten des sozialen Systems erfolgt, denn: „Erst im Verstehen, nicht etwa schon bei der Mitteilung, kommt Kommuni-kation zustande.“ (Berghaus 2004: 74)

Da zahlreiche Gründe sowohl gegen ein solches Mit(anderen)teilen auf Seiten des psychischen Systems (exemplarisch: „Wissen ist Macht“23) als auch gegen ein Verstehen auf Seiten des sozialen (Sub-)Systems sprechen (exemplarisch: „Aber das haben wir doch schon immer so gemacht, warum sollen wir das denn jetzt ändern?“), muss gelingende Kommunikation und damit auch ein Transfer II. Ordnung als unwahrscheinlich eingeschätzt werden (vgl. Luhmann 1997: 190).

Um diese Unwahrscheinlichkeit eines gelingenden Transfer I. als auch II. Ordnung in Einrichtungen der Sozialen Arbeit minimieren zu können, braucht es neben einer „Infrastruktur des Lernens“ (Senge/Klostermann 2006: 496), die sich dadurch auszeichnet, dass sie die vor- und nachbereitenden Phasen des Weiterbildungsprozess auch strukturell innerhalb der Organisation verankert (z.B. als fester Bestandteil von Teamsitzungen), vor allem eine entsprechende lernförderliche Organisationskultur.24 Diese ist insbesondere hinsichtlich eines 22 Als lernende Teams sollen Teams bezeichnet werden, deren innere Logik eine Form von Veränderung, möglicherweise durch die weiterbildungsbedingten Lern- und Reflexionserfahrungen eines Mitarbeiters, erfahren hat. 23 Zur Bedeutung des Machtfaktors in Verbindung mit dem Lernen von Organisationen vgl. Merchel 2005: 160. 24 Kriterien, die eine lernförderliche Kultur charakterisieren sind: Wertschätzung von Unterschiedlichkeiten, Handlungs- und Entwicklungsspielräume für Organisationsmitglieder,

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Transfers II. Ordnung unabdingbar, da organisationale Lernfähigkeit nur dann entstehen kann, „(...) wenn die Organisationsmitglieder zum Einbringen indivi-dueller Reflexionsimpulse ermutigt und zur aktiven Einordnung ihrer Bewer-tungen und Fragestellungen in die übergreifenden Reflexionsprozesse motiviert werden.“ (Merchel 2004: 149)

4. Fazit Auch wenn der Blick in die Praxis der Sozialen Arbeit dies nicht immer vermu-ten lässt, muss unumgänglich klar sein, dass die berufliche Weiterbildung kei-nem Selbstzweck, sondern primär der betrieblichen Zielerreichung dient (vgl. Berthel/Becker 2010: 398). Betrachtet man das Überleben der Organisation neben der Erfüllung eines inhaltlich humanitären Auftrags (der Mission) als übergeordnetes Ziel, so kann der beruflichen Weiterbildung im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit das Potenzial attestiert werden, in zweifacher Hinsicht zum Überleben von Organisationen beitragen zu können. 1. Einrichtungen der Sozialen Arbeit erbringen als „Front Line Organizations“

(Merchel 2010: 93) ihre Leistung im unmittelbaren Austausch mit dem je-weiligen Adressaten. Da die Qualität dieser Leistung zunehmend darüber entscheidet, ob und in welchem Umfang Folgeaufträge erteilt werden, sind Einrichtungen innerhalb der Sozialen Arbeit auf motivierte und kompetente Mitarbeiter angewiesen. Die Steigerung der Kompetenz durch die Vermitt-lung von Fähigkeiten und/oder Fertigkeiten stellt eines der zentralen Cha-rakteristika der beruflichen Weiterbildung dar (vgl. Gnahs 2010: 66).

2. Als umweltabhängige Organisationen, so dürfte nach dem einleitenden Frosch-Experiment deutlich geworden sein, müssen Einrichtungen der So-zialen Arbeit über eine fortlaufende Veränderungsbereitschaft verfügen. Gelingt es, das der beruflichen Weiterbildung inliegende Irritationspotenzi-al zur maßvollen Irritation und/oder kontrollierten Destabilisierung der kol-lektiven Sichtweisen, Denkmuster und Handlungsroutinen zu nutzen, kann sich die berufliche Weiterbildung in Einrichtungen der Sozialen Arbeit zu einem zentralen „Sensorium für Prozesse des Wandels“ (Grunwald 2011: 1043) etablieren.

Um dieses der beruflichen Weiterbildung inliegende Potenzial nutzen zu kön-nen, ist es erforderlich, sich von jeder Form des Durchwühlens und Ausprobie-rens, also auch vom bestehenden Weiterbildungstunnelblick zu verabschieden. Experimentierfreude, Vertrauenskultur, Beziehungs- und Kooperationsnetz, Reflexionsfähigkeit, kollektive Sinndimension (vgl. Müller/Hurter 1999: 16-18).

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Stattdessen gilt es, den Blick hinsichtlich der vor- und nachbereitenden Phasen sowie der direkt und vor allem indirekt an diesem Prozess beteiligten Protago-nisten zu öffnen. Ein systemisches Weiterbildungsmanagement, das sowohl einen Transfer I. Ordnung als auch einen Transfer II. Ordnung forciert und in eine lernförderliche Unternehmenskultur eingebettet ist, bietet hierbei Hilfestel-lung, ohne jedoch dem Irrtum zu unterliegen, die Komplexität des Weiterbil-dungsprozesses mithilfe von mechanistischer Trivialisierungsinstrumente in den Griff kriegen zu wollen.

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143

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Arbeitskräftewirtschaft in Projektnetzwerken: Ein Modell für die Sozialwirtschaft? Carsten Wirth 1. Einleitung: Projektbasierte Organisation als Herausforderung Projekte galten lange Zeit nur als eine Form der Sekundärorganisation, um zeit-lich befristete, komplexe und/oder innovative Aufgaben Ergebnis orientiert zu bearbeiten (Staehle 1999: 769). Als Sekundärorganisationsform ist das Projekt in der vertikal-tief integrierten Unternehmung eher eine Ausnahme (Schelle 2010). In bestimmten Branchen, z.B. in der Kreativ- und Kulturwirtschaft (Mer-kel 2009), in der Bauwirtschaft (Apitzsch 2009), der IT-Industrie (Barley/Kunda 2004) oder der Organisationsberatung (Rudolph/Okech 2004) ist Arbeit in Pro-jekten der Normalfall. DeFillippi/Arthur (1998: 126) sprechen deshalb von „project-based organizing“. Zuweilen wird auch ein „project-based enterprise“ (DeFillippi/Arthur 1998: 125), z.B. in der Filmindustrie, für die Abwicklung eines Projekts gegründet.

Projektbasierte Arbeitsformen existieren auch in der Sozialwirtschaft. Dies gilt für die Kinder- und Jugendhilfe, wenn für neue Herausforderungen geeigne-te Programme entwickelt und erprobt werden (z.B. Kaiser 2010). In der Einglie-derungshilfe findet sich, z.B. stimuliert durch eine projektbasierte Finanzierung durch die Aktion Mensch, Formen projektbasierter Arbeit (Aktion Mensch 2010). Selbst in der Altenhilfe lassen sich Tendenzen einer „Projektifizierung“ (Midler 1995) der Dienstleistungsproduktion erkennen, z.B. im Zuge der Ent-wicklung seniorenpolitischer Programme (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen 2006). In besonderem Maße finden sich projektbasierte Arbeitsformen nach den Hartz-Reformen in den unterschiedlichen Segmenten der Beschäftigungsförderung, weil Aufgaben als Projekte ausgeschrieben und befristet anderen Organisationen übertragen wer-den (Burghardt/Enggruber 2010; Wirth 2007). Dies gilt für die Jugendberufshil-fe (Blickwede et al. 2006), die berufliche Beratung (von Jugendlichen) und für Arbeitsförderungsmaßnahmen nach dem SGB II und SGB III (Kaps/Schütz 2007; Gülker/Kaps 2006).

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148 Carsten Wirth

Von der projektbasierten Dienstleistungsproduktion ist der Einsatz von Arbeitskräften, das heißt von abhängig Beschäftigten, freien Mitarbeitern/innen und von Arbeitskräften rechtlich selbstständiger Unternehmungen genauso betroffen wie der von Ehrenamtlichen und Arbeitskräften in Arbeitsgelegenhei-ten. Damit ist die Koordination des Arbeitskräfteeinsatzes nicht mehr nur auf eine Organisation ausgerichtet, sondern entwickelt sich auch in interorganisatio-nalen Beziehungszusammenhängen. Dadurch entstehen neue Herausforderun-gen. Beispielsweise geht die Abwicklung von Projekten häufig mit einem rapi-den Aufbau und einem ebenso schnellen Abbau der involvierten Arbeitskräfte einher. Projektbasierte Formen von Arbeit tragen auch zur Entwicklung des Personals bzw. der Arbeitskräfte bei (Erkelenz 2008). In projektbasierten Ar-beitsformen mit einer hohen Fluktuation verbleiben diese Kompetenzen oder das Wissen dieser Arbeitskräfte aber nicht in der Unternehmung, sondern dif-fundieren in das Feld bzw. in die Region und stehen dort anderen Organisatio-nen zur Verfügung (DeFillippi/Arthur 1998). Ein betriebliches Kompetenz- oder Wissensmanagement kann somit nicht wirken, da der Nutzen von Investitionen in das Lernen der Arbeitskräfte nicht betrieblich abgesichert werden kann.

Für den organisationsübergreifenden Arbeitskräfteeinsatz wird auch der Begriff der „Arbeitskräftewirtschaft“ (Nienhüser 1999: 168) verwendet. Unter Arbeitskräftewirtschaft verstehe ich den organisierten Zugriff auf Arbeitskräfte und zwar unabhängig davon, ob dies in Organisationen geschieht, in denen Personal hierarchisch koordiniert wird, oder ob sich Organisationen mittels interorganisationaler Beziehungszusammenhänge einen Zugriff auf Arbeitskräf-te verschaffen. Derartige interorganisationale Beziehungen können netzwerk-förmig koordiniert werden, d.h. mit Bezug zu einem relativ stabilen Bezie-hungszusammenhang (zu diesem Netzwerkbegriff Windeler 2001). Nienhüser (1999: 168) spricht in diesem Fall von einer „netzwerkbezogenen Arbeitskräf-tewirtschaft“. Oder diese Beziehungen werden marktlich koordiniert, d.h. für den Zugriff auf die Arbeitskräfte sind Preise für Produkte oder Dienstleistungen entscheidend und z.B. nicht Erfahrungen in der Zusammenarbeit. Es handelt sich dann um eine „Markt-Subkontrahierung“ (Nienhüser 1999: 150). Ich be-zeichne diese Perspektivenerweiterung der Arbeitskräftepolitik auf interorgani-sationale Beziehungszusammenhänge im Zusammenspiel mit Arbeitskräften in der betrieblichen Organisation, dem Personal, als „reflexive Arbeitskräftewirt-schaft“ (Wirth 2010), wenn die Akteure, die Verantwortung für die Arbeitskräf-tewirtschaft übernehmen, kontinuierlich Daten erheben, aufbereiten, auswerten und verwerten. Mit anderen Worten: Mit Praktiken einer reflexiven Arbeitskräf-tewirtschaft ist ein Lernprozess verknüpft. 1 1 Praktiken einer reflexiven Arbeitskräftewirtschaft stellen auch an die Arbeitskräfte erweiterte und ggfs. neue Anforderungen. Weil diese komplex sind, werden diese in diesem Beitrag nicht

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Arbeitskräftewirtschaft in Projektnetzwerken 149

Eine Arbeitskräftewirtschaft erfolgt häufig in so genannten „Projektnetz-werken“ (Sydow/Windeler 1999), in denen Organisationen projektbezogen und zugleich projektübergreifend kooperieren. Die Akteure koordinieren in Projekt-netzwerken ihre jeweiligen zeitlich befristeten Projektaktivitäten unter Rückgriff auf Praktiken und Geschäftsbeziehungen aus vorhergehenden Projekten sowie unter Vorwegnahme möglicher Zusammenarbeit in zukünftigen Projekten. In dem rekursiven Zusammenspiel projektbezogener und projektübergreifender Koordination liegt die entscheidende Ursache dafür, dass es sich bei Projekt-netzwerken um mehr als bloß „temporary systems“ (Goodman 1981) handelt.

Die projektübergreifenden Beziehungen gewinnen über den Mechanismus der Aktualisierung und Institutionalisierung eine gewisse Ausdehnung in Zeit und Raum: Akteure aktualisieren im projektbezogenen Handeln Praktiken, In-teraktionen und Beziehungen aus früheren Projekten. Erst dadurch werden sie in die Lage versetzt, komplexe und risikoreiche Projekte zu bewältigen. Durch ihren Gebrauch im Projekt werden die Praktiken als viable Praktiken des Pro-jektnetzwerks institutionalisiert. Zugleich verändert dies Arbeit grundlegend, weil die Arbeitskräfte zwischen abhängiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit wechseln, an unterschiedlichen Arbeitsorten eingesetzt werden und die „Beleg-schaften“ instabil werden. Dies geschieht auch in der Teilbranche ‚Arbeitsförde-rung‘, in der sich im Zuge der Hartz-Reformen grundlegend neue Praktiken etablieren, neue Akteure aktiv werden und veränderte Regulationen greifen (dazu ausführlich Kapitel 2).

Da sich die Koordinationsform ‚Projektnetzwerk‘ immer mehr verbreitet, sie für die Ökonomisierung der (Dienstleistungs-) Produktion wichtiger wird, ihr ein hohes Innovationspotenzial attestiert wird und sie Flexibilität und Stabili-tät verbinden kann (Sydow 2009), frage ich: Was können die Akteure in der Sozialwirtschaft, insbesondere in der Beschäftigungsförderung, von Praktiken einer Arbeitskräftewirtschaft in Projektnetzwerken in anderen projektbasierten Branchen lernen?

Eine Reihe von Branchen kommt für die Analyse von Praktiken einer Ar-beitskräftewirtschaft in Frage. Ich stütze mich in meinen Ausführungen exemp-larisch auf die Produktion von fiktionalen Inhalten für das Fernsehen, weil man in dieser Industrie – was die Arbeitskräftepolitik angeht – schon seit einigen Jahren „die Zukunft in der Gegenwart erfahren“ (Windeler et al. 2001) kann.

Den empirischen Ergebnissen aus der Fernsehproduktion liegt eine Se-kundärauswertung von mehr als 80 leitfadengestützten Interviews mit Akteuren aus der Fernsehindustrie zugrunde, die im Rahmen des DFG-finanzierten For-schungsprojekts ‚Vernetzte Content-Produktion für das digitale Fernsehen‘ ausgeführt (siehe dazu aber Wirth 2010). Dieser Beitrag beschränkt sich somit auf eine Managementperspektive.

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150 Carsten Wirth

zwischen 1997 bis 2001 erhoben wurden. Im Zuge der Auswertung dieses empi-rischen Materials zeigte sich jedoch, dass sich die Art und Weise des Zugriffs auf Arbeitskräfte von dem in anderen Branchen unterscheidet. Deshalb wurde in den Jahren 2007 und 2008 – gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung (Projekt-nummer 2007-956-3) – eine Follow-up-Untersuchung durchgeführt, die die Arbeitskräftewirtschaft in der Fernsehproduktion analysiert. Die Daten wurden in sechs leitfadengestützten Interviews mit Akteuren aus der Fernsehindustrie erhoben und mit Bezug zu zentralen strukturationstheoretischen Kategorien (grundlegend dazu Giddens 1984) ausgewertet. Die Strukturationstheorie wurde als Bezugsrahmen ausgewählt, weil sie die Berücksichtigung kognitiver, norma-tiver und machtbezogener Aspekte sowie die Analyse des Zusammenspiels von Akteuren auf mehreren Ebenen (z.B. Individuum, Organisation, Feld und Ge-sellschaft) ermöglicht. Für die Interpretation der Veränderungen in der Arbeits-förderung wird nicht nur auf die einschlägige Literatur zurückgegriffen, sondern auch auf Gedächtnisprotokolle von Gesprächen mit Akteuren aus der öffentli-chen Arbeitsverwaltung und auf Beobachtungen im Rahmen von drei mehrwö-chigen Hospitationen in Arbeitsagenturen.

In diesem Beitrag zeige ich nach einer Einführung in die Arbeitskräfte-wirtschaft am Beispiel der Entwicklung von Arbeitskräften in der fiktionalen Fernsehproduktion, wie diese Arbeitskräftewirtschaft in Projektnetzwerken erfolgt (Kapitel 3) und was Akteure aus der Sozialwirtschaft, hier insbesondere aus der Beschäftigungsförderung, von derartigen Praktiken lernen könnten (Ka-pitel 4). Die Veränderungen in der Beschäftigungsförderung skizziere ich in Kapitel 2. 2. Produktion und Beschaffung von Arbeitsmarktdienstleistungen: Von

lokalen arbeitsmarktpolitischen Netzwerken zur zentralisierten Vergabe

Unter Arbeitsmarktdienstleistungen verstehe ich organisationsintern oder von Dritten erbrachte Dienstleistungen, die der Integration in Arbeit dienen sollen. Dazu gehören Dienstleistungen wie Arbeitsvermittlung und diese unterstützende Maßnahmen (z.B. Profiling), berufliche Beratung, Trainingsmaßnahmen oder die Förderung der beruflichen Weiterbildung. Für die Dienstleistungsproduktion kann die öffentliche Arbeitsverwaltung unterschiedliche Koordinationsformen nutzen: eine interne, hierarchische Koordination in einer Organisation, z.B. in der

Arbeitsagentur durch angestellte Arbeitsvermittler/innen,

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Arbeitskräftewirtschaft in Projektnetzwerken 151

eine netzwerkförmige Koordination in einem relativ stabilen Beziehungszu-sammenhang mit Trägern der Beschäftigungsförderung oder durch

eine marktliche Koordination der Beziehungen zu anderen Akteuren, die Arbeitsmarktdienstleistungen anbieten, und die primär über Preise koordi-niert wird (Windeler 2001).

In den Beziehungen zu Dritten arbeiten die örtlichen Arbeitsämter in der Zeit vor den Hartz-Reformen relativ eigenständig mit lokalen Anbietern insbesonde-re im Bereich der Förderung beruflicher Weiterbildung zusammen und sind zugleich diejenigen, die die Leistungen einkaufen. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, Benachteiligungen abzubauen und eine langfristige Integration in Arbeit zu erreichen (Bode 2011). Dazu werden auch (aber nicht nur) „Maßnahmen bestückt“ (Arbeitsamtsjargon), weil entsprechende Kontingente vor dem Hin-tergrund einen unsicheren Arbeitsmarktentwicklung eingekauft werden. Eine Zusammenarbeit mit privaten oder freigemeinnützigen Organisationen im Be-reich der Arbeitsvermittlung findet zu diesem Zeitpunkt insbesondere mit be-sonders schwierigen Zielgruppen statt. Leiharbeitsfirmen sind vor den Hartz-Reformen wegen ihrer inferioren Arbeitsbedingungen in der Arbeitsverwaltung stigmatisiert. Vor dem Hintergrund vorherrschender kognitiver Strukturen wird Leiharbeit als „moderner Sklavenhandel“ betrachtet. Dementsprechend hängen in einzelnen Arbeitsämtern auch Listen mit Leiharbeitsunternehmungen aus, die in der Vergangenheit durch besonders schlechte Arbeitsbedingungen aufgefallen sind. Verleiher sind kein bedeutsamer Adressat von Vermittlungsbemühungen.

Die Beziehungsqualität zu Trägern der Beschäftigungsförderung ist netz-werkförmig, weil die Arbeitsämter und die Träger der Beschäftigungsförderung ihre Beziehungen kontinuierlich, also wie in Projektnetzwerken, pflegen und wiederkehrend zusammenarbeiten. Dies wird u.a. durch eine Regelung im SGB III unterstützt, wonach die Akteure der Arbeitsmarktpolitik vor Ort eng zusam-menarbeiten sollen (§ 9 SGB III). Abgesichert wird dies des Weiteren durch eine entsprechende indirekte Repräsentanz eines Teils der Akteure aus der Be-schäftigungsförderung im Verwaltungsrat des örtlichen Arbeitsamtes und im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit, weil dort z.B. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen vertreten sind, die auch Betreiber von Trägern der Beschäftigungsförderung sind.

Die Träger der Beschäftigungsförderung ihrerseits betreiben ein ausge-prägtes Beziehungsmanagement auf unterschiedlichen Ebenen der Arbeitsver-waltung, um über deren Planungen informiert zu sein. So genannte Arbeitsbera-ter und die Leitungen der jeweiligen Ämter sind primäre Ziele der Beziehungs-pflege. Die Beziehungen kennzeichnen des Weiteren vor den Hartz-Reformen ein hohes Maß an Reziprozität, so dass eine wechselseitige Interessenberück-

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152 Carsten Wirth

sichtigung erfolgt. Im Extremfall werden in einzelnen Arbeitsamtsbezirken bis zu 97 % des Eingliederungstitels an einen (!) privatwirtschaftlichen Träger der Beschäftigungsförderung vergeben. Eine Folge dieser netzwerkförmigen Ko-operation ist ein relativ hohes Maß an Stabilität der Beschäftigung trotz befriste-ter Zusammenarbeit. Die Segmentierung der internen Arbeitsmärkte von Trä-gern der Beschäftigungsförderung gleicht der von Großunternehmen. Die Ar-beitsbedingungen regulieren in diesen zumeist BAT-ähnliche Tarifverträge. Kleinere, lokale Anbieter orientieren sich an diesen Arbeitsregulationen.

Die Koordinationsformen in den Beziehungen zu Dritten und die organisa-tionsinterne Koordination im Feld der Beschäftigungsförderung unterlagen im Zuge der Hartz-Reformen einem starken Wandel (Schütz 2008). Im Rahmen der internen Reorganisation der Bundesagentur für Arbeit (BA) kommt es zu einer Verbetriebswirtschaftlichung der Organisation und des Handelns (Hielscher 2007). Nicht die Erfüllung sozialpolitischer Aufträge sondern die Beschleuni-gung des Arbeitsmarktausgleichs, die Durchsetzung eines Niedriglohnsektors („Besser eine schlecht bezahlte Arbeit als keine Arbeit“), eine stärkere Kontrolle der Suchaktivitäten der Arbeitslosen („Die Arbeitslosen werden jetzt anders angepackt“), die Senkung der Zahl der registrierten Arbeitslosen durch eine Bereinigung der Statistik von z.B. Nichtleistungsempfängern/innen und die Reduzierung der Kosten der Arbeitslosigkeit sind zentrale Ziele, die auch mit verbilligten und neuen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten erreicht werden sollen. Praktiken eines „Förderns durch Fordern“ (Arbeitsamtsjargon) und die Einführung von Controlling sowie dessen Aufwertung lassen ökonomische Kategorien in den Vordergrund treten und verankern andere Regeln im Feld. Des Weiteren ändert sich die Akteurskonstellation im Feld. Eingeleitet über die Einbindung von Leiharbeitsunternehmungen in Personalserviceagenturen und fortgesetzt über Kooperationsabkommen der BA mit den 15 führenden Leihar-beitsunternehmungen (Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleis-ter 2006) wird Leiharbeit aufgewertet und letztendlich normalisiert. Zudem avanciert die Leiharbeitsbranche zum primären Ansprechpartner für die Ar-beitsvermittlung. Es gilt die Regel ‚Die haben die Arbeitsplätze‘, da die Unter-nehmungen Arbeitsplätze durch Leiharbeit im Aufschwung (und ggfs. darüber hinaus) substituieren, was durch eine Pseudo-Equal pay-Regelung gefördert wird, die vor allem auf von der DGB-Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarif-verträgen basiert.2

2 Diese Equal pay-Regelung sieht vor, dass für Leiharbeiter/innen eine Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern/innen des Entleihers erfolgt, es sei denn ein gültiger Tarifvertrag für die Leiharbeitsbranche liegt vor (§ 9 Nr. 2 AÜG). Eine weitere Abweichung vom Equal pay-Grundsatz ermöglicht die Regelung, dass ehemalige Arbeitslose in den ersten sechs Wochen ihrer Beschäftigung nach einer Phase der Arbeitslosigkeit in einem Leiharbeitsverhältnis nur ein

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Arbeitskräftewirtschaft in Projektnetzwerken 153

Durch regulative Veränderungen wird die Zusammenarbeit mit Vermitt-lungsdienstleistern (§§ 37, 421 i, g SGB III) ausgebaut und ein kompetitives Verhältnis zwischen internen und externen Arbeitsvermittlern/innen sowie zwi-schen externen Anbietern geschaffen, das aber – dies zeigen Evaluationen – keine Vorteile generiert (WZB/infas 2006; Kaps/Schütz 2007). Parallel dazu wird die Beschaffungsorganisation partiell zentralisiert: Für die Vergabe sind sogenannte regionale Einkaufszentren der BA zuständig; die inhaltlichen An-forderungen definieren die lokalen Agenturen. Dabei werden die eingekauften Dienstleistungen – wenn möglich – standardisiert (BA-Service-Haus 2006). Dies bevorzugt zum einen überregionale Anbieter, die nun bundesweit standar-disierte Pakete anbieten können, zum anderen forciert diese veränderte Praktik der Auftragsvergabe den Wettbewerb. Im Ergebnis kommt es zu einer Zerschla-gung gewachsener lokaler Netzwerke der Arbeitsmarktakteure und zu einer Vermarktlichung der Beziehungen. Der Preis der (standardisierten) Dienstleis-tung wird zum entscheidenden Kriterium für die Auftragsvergabe, was insbe-sondere kleine und mittlere Anbieter aufgrund von Kostennachteilen vom Markt verdrängt. Damit geht häufig ein Kompetenzverlust im regionalisierten Feld der Arbeitsförderung einher, weil Nischenprodukte wegfallen und insbesondere pädagogische und beraterische Kompetenzen eliminiert werden. In diesem Um-feld findet beispielsweise eine Agentur für Arbeit keine Dienstleister mehr, die bereit sind, sich um ein arbeitsmarktfernes Klientel, z.B. ehemalige Suchtkran-ke, zu kümmern. Mit den stärker vermarktlichten Beziehungen kommen ergeb-nisbezogene Formen der Honorierung zum Einsatz, die Bonus- und Malusregelungen einschließen. Diese Praktik der Honorierung führt – analog zur internen Reorganisation der BA – zu creaming-Effekten, die einen Wettlauf um arbeitsmarktnahe Arbeitslosengruppen auslösen und damit – unintendiert – die Langzeitarbeitslosigkeit verfestigen. Zugleich ziehen sich einige Träger der Beschäftigungsförderung von ihrem ursprünglichen Klientel, den arbeitsmarkt-fernen Gruppen, zurück. Insofern verändern sich neben der Regulation des Felds auch die Akteurskonstellation, die Beziehungsqualitäten und die Praktiken im Feld der Beschäftigungsförderung, die eine Arbeitskräftewirtschaft ermöglichen und erfordern.

Nettoentgelt in Höhe ihres Arbeitslosengelds erhalten können. Dies ist allerdings nur möglich, wenn erstmalig ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Arbeitslosen geschlossen wird.

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154 Carsten Wirth

3. Praktiken der Arbeitskräftewirtschaft in der fiktionalen TV-Content-Produktion

3.1 Grundlagen der reflexiven Arbeitskräftewirtschaft

Praktiken der Arbeitskräftewirtschaft müssen den Human Resources-Prozess (HR-Prozess) betrieblicher Personalpolitik ersetzen. Die Akteure beziehen dabei auch Arbeitskräfte der Netzwerkunternehmungen mit in ihre Überlegungen sowie in ihre Praktiken ein und erstrecken ihre Aktivitäten auf unterschiedliche Erwerbsformen und einzelne Segmente von Arbeitskräften. Sie beeinflussen interessengeleitet Kontexte, z.B. „organisationale Felder“ (DiMaggio/Powell 1983), um eine Arbeitskräftewirtschaft zu ermöglichen oder um sie zu optimie-ren.

Der Grad der Reflexivität der Praktiken der Arbeitskräftewirtschaft wie die Bedeutung interorganisationaler Beziehungen in der Arbeitskräftewirtschaft kann variieren. Während im rheinisch-westfälischen Steinkohlebergbau per Tarifvertrag der Einsatz von Subunternehmungen ausgeschlossen war und ist (Kock 1990), ist in anderen Branchen eine „invisible workforce“ (Sydow 1992: 15) erwerbstätig, die von einem Broker koordiniert wird. In der Praxis der meis-ten Branchen ist eine mittlere Position zwischen diesen beiden Extremen zu erwarten.

Praktiken einer Arbeitskräftewirtschaft müssen konkrete Probleme lösen. Vor diesem Hintergrund haben sich in der Personalwirtschaftslehre unterschied-liche Heuristiken herausgebildet, die auf Probleme und Problemlösungen durch die Akteure abheben (z.B. Hohendanner/Janik 2008). Deren Auswahl soll sich dabei an funktionalen Gesichtspunkten für die Beantwortung der jeweiligen Fragestellung orientieren. Für die Analyse der Praktiken einer reflexiven Ar-beitskräftewirtschaft in der TV-Content-Produktion können deshalb sogenannte Grundprobleme und funktionale Probleme unterschieden werden, weil grundle-gende Fragen in den Aktivitäten der Akteure bearbeitet und „gelöst“ werden. Abbildung 1 illustriert deren Zusammenhang:

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Arbeitskräftewirtschaft in Projektnetzwerken 155

Abb. 1: Zum Zusammenhang von Grundproblemen und funktionalen Problemen der reflexiven Arbeitskräftewirtschaft (Wirth 2010: 33)

Praktiken einer reflexiven Arbeitskräftewirtschaft müssen drei übergeordnete Probleme lösen. Jede Form der Arbeitskräftewirtschaft muss ein Effektivitäts-problem lösen. Damit wird sichergestellt, dass grundlegende Ziele einer Unter-nehmung und/oder eines Netzwerks, die diesen sozialen Systemen von außen vorgegeben werden, z.B. von Anteilseignern, erreicht werden. Die Lösung des Effizienzproblems verweist auf das ökonomische Prinzip in seiner wertmäßigen Ausprägung (Wöhe 2010: 1-2): Beispielsweise ist eine vorgegebene Dienstleis-tung oder ein gegebenes Produkt mit minimalem Geldaufwand zu realisieren. Anknüpfend an grundlegende Überlegungen von Staehle (1992) zur Funktion des Managements in Unternehmungen ist durch Praktiken einer reflexiven Ar-beitskräftewirtschaft darüber hinaus eine Ordnung mit privilegierten Positionen für bestimmte Akteure in Unternehmungen, im Netzwerk und/oder auf dem Markt abzusichern. Die Akteure müssen also das Problem der Herrschaftssiche-rung lösen. Dabei ist zu beachten, dass die anderen Akteure auch Ressourcen mobilisieren können und dementsprechend nicht vollständig ausgeliefert sind.

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156 Carsten Wirth

Machtgrundlagen können erodieren oder es kommt zu „Prozessen der Macht-umkehr“ (Bouncken/Müller-Lietzkow 2007), z.B. durch die Entwicklung ande-rer interorganisationaler Beziehungen.

Die Lösung der übergeordneten Grundprobleme basiert auf der Lösung funktionaler Probleme der Arbeitskräftewirtschaft. Diese reichen von der Si-cherstellung einer Arbeitskräfteversorgung bis zur Arbeitskräftefreistellung und substituieren im Zusammenspiel von betrieblicher Belegschaft und Arbeitskräf-ten in interorganisationalen Beziehungszusammenhängen die Elemente eines HR-Prozesses, mit dem Unternehmungen innerbetrieblich versuchen zu garan-tieren, dass Personal in der richtigen Quantität und Qualität zum richtigen Zeit-punkt vorhanden ist. Abbildung 2 zeigt die funktionalen Probleme der Arbeits-kräftewirtschaft:

Abb. 2: Funktionale Probleme der reflexiven Arbeitskräftewirtschaft (Wirth 2010: 37)

Mit der Lösung dieser funktionalen Probleme der Arbeitskräftewirtschaft ist die praktische Beantwortung von Fragen zu jedem einzelnen Prozessschritt ver-

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Arbeitskräftewirtschaft in Projektnetzwerken 157

knüpft. Abbildung 3 listet diese für die hier interessierende Arbeitskräfteent-wicklung auf (siehe dazu auch Wirth 2010: 35-36):

Funktionales Problem der Arbeitskräftewirt-schaft

Fragestellungen

Arbeitskräfte- entwicklung

Wer ist für Entwicklung neuer Kompetenzen der Arbeitskräfte zuständig?

Wie und wo erfolgt die Entwicklung neuer Kompetenzen?

Wie sind die Kosten und der Nutzen zwischen Arbeitskraft und Arbeitgeber bzw. Auftrag-geber verteilt?

Wer kann die Arbeitskräfteentwicklung mit-bestimmen?

Wie wird sichergestellt, dass die Arbeitskräf-teentwicklung einen Beitrag zur Lösung des Arbeitskräfteversorgungsproblems leistet?

Abb. 3: Lösungen für funktionale Probleme der Arbeitskräfteentwicklung – Fragestellungen

Wie diese Fragen in der TV-Content-Produktion praktisch beantwortet werden, ist Gegenstand des nächsten Abschnitts. 3.2 Praktiken der Arbeitskräfteentwicklung: Externalisierung an die

Arbeitskräfte und Quasi-Externalisierung an das organisationale Feld Die Unternehmungen in der Fernsehproduktion bilden kaum im dualen System der beruflichen Bildung aus. Sie entwickeln die Arbeitskräfte grundlegend an-ders als in traditionellen Branchen. Eine besondere Bedeutung haben dabei die Arbeitskräfte selbst und staatliche Ausbildungseinrichtungen.

Individuen, die ihre Arbeitskraft in der TV-Content-Produktion ent- oder weiterentwickeln wollen, agieren – wie für „Arbeitskraftunternehmer“ (Voß/Pongratz 1998) charakteristisch – proaktiv und unternehmen eine Reihe eigener Anstrengungen, um Zugang zu Qualifizierungsmöglichkeiten zu erhal-ten: (lange) Praktika junger Arbeitskräfte, die einige Filmhochschulen für die Aufnahme voraussetzen, eigene Weiterbildungsaktivitäten in selbst bezahlten

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158 Carsten Wirth

Kursen an Filmhochschulen von erfahrenen Arbeitskräften sind typische Bei-spiele für eine Umverteilung der Verantwortlichkeit für Aus- und Weiterbildung in Richtung Individuum, das in dieser Industrie seine Employability selbst fi-nanzieren und konstituieren muss.

Im Prozess der Arbeitskräfteentwicklung sind die individuellen Akteure auf Organisationen im Feld angewiesen. Insofern ist die individuelle Arbeits-kräfteentwicklung in das organisationale Feld bzw. die „Medienregion“ (Lutz/Sydow 2002) sozial eingebettet und vom Grad der Reflexivität der Akteu-re im Feld, die diese Angebote entwickeln, und den politischen Prozessen in Medienregionen abhängig. Die Akteure in der TV-Content-Produktion sind – auch wenn (Miss-) Erfolge häufig personalisiert werden – nicht ihres „eigenen Glückes Schmied“.

An den Filmhochschulen und anderen Ausbildungseinrichtungen, die in-dustrieweit transferierbare Kompetenzen entwickeln, partizipieren die potenziel-len Arbeitskraftnachfrager, indem sie Ausbildungsgänge in Public-Private-Partnerships co-finanzieren, Beiräte und Lehrbeauftragte stellen, die die Ausbil-dung Nachfrager gerecht zuschneiden und die Kontakte zu potenziellen Bewer-bern/innen für die Arbeitskräfteselektion nutzen. Die strategisch platzierten Akteure in dieser Industrie, die Fernsehproduzenten und insbesondere die Fern-sehsender, schaffen als „institutional entrepreneurs“ (DiMaggio 1988) die Vo-raussetzungen für eine Arbeitskräfteentwicklung, indem sie in Kooperation mit staatlichen Stellen wie Wirtschaftsministerien und Filmfördereinrichtungen solche Organisationen gründen, besetzen und fachlich-inhaltlich den marktlichen Anforderungen anpassen.

In Projektnetzwerken erfolgt über die Mitarbeit in unterschiedlichen Pro-jekten ein Learning by Doing, indem die Akteure ihre „boundaryless career“ (Arthur 1994) fortschreiben. Der Beitrag der Arbeitgeber zu dieser Form der Qualifizierung beschränkt sich auf die organisierte Unterweisung, die in die Arbeitszeiten integriert ist, nicht gesondert vergütet wird und dementsprechend zu einer Verlängerung der Arbeitszeiten führt. Ausgehend von der ersten Selek-tion eines Praktikanten/einer Praktikantin für ein Projekt kommt es – im Er-folgsfall – zur Aufnahme in den Pool eines Projektnetzwerks. Die wiederkeh-rende Re-Selektion ermöglicht den Erwerb von Kompetenzen, die sich nicht nur auf berufsfachliche Aspekte beschränkt, sondern auch die „Ausbildung“ kogni-tiver und normativer Strukturen einschließt, z.B. die Sichtweise, dass Arbeits-kräfte für ihre Employability selbst sorgen müssen. Insofern ist in den Prozess der Arbeitskräfteentwicklung auch die Absicherung von Herrschaft integriert, da die Arbeitskräfte für die Arbeit-/Auftraggeber funktionale kognitive und norma-tive Strukturen in einem Sozialisationsprozess internalisieren.

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Arbeitskräftewirtschaft in Projektnetzwerken 159

Die Fernsehproduzenten betreiben ein Poolmanagement, mit dem sie Ar-beitskräfte an andere, an höherwertige Aufgaben heranführen und dabei unter-nehmungs- und netzwerkspezifische Kompetenzen on-the-job vermitteln und zugleich funktions- und/oder produktspezifische Aufstiege im Pool eines Pro-jektnetzwerks realisieren. So lernen beispielsweise die Arbeitskräfte im Produk-tionsstab in Assistenzfunktionen als dritte/r, zweite/r und erste/r Aufnahmelei-ter/in die Koordination am Set, ehe sie sinnvoll als Produktionsleiter/in das Projektcontrolling durchführen können. Die der Produktionsleitung vorgesetzte Herstellungsleitung verantwortet die projektübergreifende Koordination in einer Unternehmung. Die erfolgreichen Fernsehschaffenden durchlaufen derartige Aufstiege in Kombination mit Studien und Kursen. Insofern ähneln diese Auf-stiegswege einem kontinuierlichen dualen Studium. Überlagert werden diese hierarchischen Aufstiege durch eine Weiterentwicklung hinsichtlich der Wertig-keit der Produkte. Daily und Weekly Soap Operas, Fernsehserien, TV-Movies und der klassische Spielfilm stellen unterschiedliche Kompetenzanforderungen an das Produktionspersonal und werden nach jeweils eigenen Regeln produziert, die wiederum im Zusammenspiel von Studium und Praxis gelernt werden. Da-bei sind die Arbeitskräfte in der Regel gezwungen, in der Produktion von quali-tativ höherwertigen Produkten erneut zu lernen und können deshalb in der Hie-rarchie der Funktionen zunächst nur untergeordnete Aufgaben wahrnehmen. Beide Formen des Aufstiegs gehen mit höheren Entgelten einher, so dass die damit assoziierten Entgelte eine Form des Qualifikationslohnes sind, aber die Entlohnung – da Lernen Zeit erfordert – auch gewisse senioritätsbasierte Ele-mente aufweist. Verständlich wird vor diesem Hintergrund auch die – positiv formuliert – Anreizwirkung des Zugangs zu Arbeit und Lernen.

Ergänzt wird dieses netzwerkbezogene Arbeitskräfteentwicklungssystem durch ein Lernen in Assistenzfunktionen in Produktionsunternehmungen, mit dem Absolventen/innen von Filmhochschulen und Arbeitskräfte mit Talent, aber noch wenig Berufserfahrung an die professionellen Standards der Produktion herangeführt werden. Sie sind – wenn die Arbeitskräfte gewisse Kenntnisse erworben haben – auch für die Besetzung von Produzentenpositionen bedeut-sam. Dies gilt insbesondere für den Fall von Notlagen. Ähnlich wie für Prakti-kanten/innen in der Produktion ermöglichen Notlagen Ein- und Aufstiege bzw. Lernen in Projekt(-netzwerk)en.

Abbildung 4 stellt die unterschiedlichen Praktiken der Arbeitskräfteent-wicklung in einem „Normalbetrieb“ des Dienstleistungssektors mit einem aus-geprägten Human Resource Management und die im Feld der TV-Content-Produktion gegenüber:

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Problem Problemlösungen in „Nor-

malbetrieben“ Problemlösungen in Projekt-netzwerken in der TV-Content-Produktion

Arbeitskräfte-entwicklung

Umfassende Personal-entwicklungs-anstrengungen in der fokalen Unternehmung in eigenen Bildungs-stätten und mit Trai-nern/innen aus dem Netzwerk der Personal-abteilung sowie ggf. in einer unternehmungs-eigenen Akademie, die auch netzwerkbezoge-ne Dienstleistungen für unterschiedliche Ziel-gruppen erbringt

Learning-on-the-Job im internen Arbeits-markt der Netzwerkun-ternehmung(en) durch Einarbeitung und Über-tragung neuer Aufga-ben

Zertifizierung der Lern-fortschritte

Individuelle Arbeits-kraftentwicklung von Neueinsteigern in Praktikas und Ferienjobs im Zusammenspiel mit Ausbildungsgängen an (Film-) Hochschulen

Individuell finanzierte Aus-, Weiter- und An-passungsqualifizierun-gen an (Film-) Hoch-schulen oder anderen Organisationen im Feld, die im Zuge von Public-Private-Partnerships Ar-beitskraftnachfrager und Lieferanten einbeziehen

Learning-on-the-Job im Zuge von boundaryless Careers in Projektnetz-werken

Assistentensystem als Form betrieblicher Aus-bildung für den Füh-rungskräftenachwuchs

Abb.4: Praktiken der Arbeitskräfteentwicklung in einem „Normalbetrieb“ und in Projektnetzwerken in der TV-Content-Produktion (Wirth 2010: 118)

Diese Form der Arbeitskräfteentwicklung substituiert die klassischen Ausbil-dungswege und trägt auf diese Weise zur Lösung des Effektivitätsproblems bei. Sie stellt sicher, dass die Organisationen in der TV-Content-Produktion auf ein entsprechendes Potenzial an Arbeitskräften zugreifen können, die anschlussfä-hige professionelle, unternehmungs- und netzwerkspezifische Standards erlernt haben.

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Die Praktiken der Arbeitskräfteentwicklung tragen zur Lösung des Effizi-enzproblems bei, indem sie die Kosten für die Arbeitskräfteentwicklung vor allem an die Arbeitskräfte externalisieren und an Organisationen im (regionalisierten) organisationalen Feld der TV-Content-Produktion – und dabei insb. an staatliche Einrichtungen – quasi-externalisieren. Insofern sind die Prak-tiken in der TV-Content-Produktion im Bereich der Arbeitskräfteentwicklung Ausdruck radikaler Umverteilung von Kosten der Arbeitskräfteentwicklung zu Lasten der öffentlichen Hand und der Arbeitskräfte.

Mit den Praktiken der Arbeitskräfteentwicklung sind auch herrschaftliche Momente verknüpft. Der Zugang zu Praktika, Studiengängen, Ferienjobs und zu Arbeit ist für die Arbeitskräfteentwicklung zentral. Insofern wird durch die fortwährende Re-Selektion in Projektnetzwerken auch die privilegierte Stellung einiger Akteure reproduziert. Zugleich internalisieren die Arbeitskräfte im Zuge der Arbeitskräfteentwicklung die kognitiven und normativen Strukturen dieser Industrie, die auch die Bedingungen prägen, unter denen Arbeit verausgabt wird. Die Einhaltung dieser Standards hinsichtlich Arbeitszeiten und anderen Fragen der Arbeitsregulation dient vor allem den Interessen der Fernsehprodu-zenten, die sich wiederum in einer starken Abhängigkeit von Fernsehsendern befinden. Sie agieren als „Transmissionsriemen“ der Fernsehsender und tragen zur Reproduktion von deren privilegierter Stellung bei.

Die Ausführungen zur Arbeitskräfteentwicklung haben nicht nur gezeigt, dass Arbeitskräften in zwischenbetrieblichen Beziehungen und in befristeter Beschäftigung eine zentrale Bedeutung für die erfolgreiche und wirtschaftliche Abwicklung zukommt, sie können – wie wir gleich sehen werden – auch das Management von Arbeitskräften und eine entsprechende Arbeitskräftepolitik in der Sozialwirtschaft befruchten. Dies gilt insbesondere für die Beschäftigungs-förderung. 4. Arbeitskräftepolitik in der Beschäftigungsförderung: Lernen von der

TV-Content-Produktion? Die TV-Content-Produktion als kreative Industrie und die Beschäftigungsförde-rung unterscheiden sich grundlegend hinsichtlich ihrer Ziele, ihrer Akteure und ihres Gegenstands. Aber aufgrund ähnlicher Koordinationsformen in beiden Feldern gibt es für die Arbeitskräftewirtschaft im Allgemeinen und Arbeitskräf-teentwicklung im Besonderen relevante Gemeinsamkeiten. Die Akteure in der Beschäftigungsförderung könnten von einer ähnlich proaktiven und reflexiven Gestaltung der Ausbildungslandschaft profitieren, weil sie durch die Arbeits-kräfteentwicklung die Arbeitskräfteversorgung sicherstellen. Derartige Koope-

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rationsformen finden sich z.B. an einigen Hochschulen, wenn diese sich mit den Arbeitgebern über „Vorfeldorganisationen“ vernetzen, z.B. eingetragene Verei-ne wie SoWiSo – Verein für Sozialwirtschaft an der Hochschule Kempten (sie-he www.sowiso-kempten.de), den Austausch pflegen und den Studierenden und Arbeitgebern die Chance einräumen, sich aneinander zu orientieren.

Eine reflexive Arbeitskräftewirtschaft erfordert auch in der Beschäfti-gungsförderung ein Denken in Netzwerken. Beziehungen zu Arbeitskräften können einen Beitrag leisten, die Unternehmung zu profilieren und von anderen Anbietern zu differenzieren. Der Zugang zu lukrativeren Aufträgen wird somit eher möglich, vor allem wenn Alleinstellungsmerkmale erarbeitet werden. Um-gekehrt können die Arbeitskräfte über ihre personalen Netzwerke ihren Zugang zu Arbeit optimieren und trotz befristeter Erwerbstätigkeit einen kontinuierli-chen Fluss von Projekten erzeugen, in dem sie erwerbstätig sind und lernen.

Aus Sicht der Arbeit-/Auftraggeber wird die Beziehungsqualität zu einer Variablen, die reflexiv weiterentwickelt werden kann. Die Transformation marktlicher in netzwerkförmige Beziehungen ist nur ein Beispiel dafür, wie eine Weiterentwicklung der Arbeitskräftepolitik erfolgen kann. Ausgestattet mit derartigen Ressourcen im Beziehungszusammenhang kann auch die Beziehung zum Auftraggeber, insbesondere der BA, anders gestaltet werden. Trotzdem bleibt es erforderlich, die Beziehung zum Auftraggeber kontinuierlich zu pfle-gen, um über neue Entwicklungen im Feld der Arbeitsförderung informiert zu sein.

Eine reflexive Arbeitskräftewirtschaft erfordert angesichts der Volatilität der Arbeitsnachfrage in projektbasierten Industrien ein Poolmanagement. Dazu gehört die Entwicklung von Kriterien für die Aufnahme in, die Entwicklung im und den Ausschluss aus dem Pool von Arbeitskräften einer Unternehmung. Damit wird auch die Entwicklung vom Rand zum Kern des Pools sowie umge-kehrt reflexiver gestaltet. Poolmanagement wird zum strategischen Kompe-tenzmanagement, das wiederum für die Auftragsakquise von zentraler Bedeu-tung ist, weil die Unternehmung bzw. das Netzwerk von Unternehmungen fle-xibel auf Ausschreibungen reagieren bzw. passende im Rahmen des Bezie-hungsmanagements initiieren kann. Kooperationsverbünde unterschiedlicher Träger der Beschäftigungsförderung, die mit einem Arbeitskräfteaustausch einhergehen, könnten erste Ansätze sein. Analog zu funktions- und produktspe-zifischen Karrieren in der TV-Content-Produktion könnte die Arbeitskräfteent-wicklung stärker poolbezogen geplant, realisiert und gesteuert werden. Eine befristete Mitarbeit in berufsvorbereitenden Maßnahmen oder in ausbildungsbe-gleitenden Hilfen könnte beispielsweise ein Einstieg sein, der vor der Akquise und Koordination von Arbeitsvermittlungsdienstleistungen für unterschiedliche Zielgruppen gefolgt wird, ehe mit der Laufbahn- und Karriereberatung (auf

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rechtlich selbstständiger Basis) eine weiterer realistischer Entwicklungsschritt im Pool bzw. im Feld der Beschäftigungsförderung vollzogen wird. Interessante Projekte könnten dementsprechende Anreize setzen. Diese Arbeitskräfteent-wicklung würde jedoch die Integration von Lernzeiten in die Arbeit und die Teilnahme an Kursen und Studien voraussetzen, die die Kompetenzen der Ar-beitskräfte zusätzlich erweitern.

Trotz hoher Fluktuation wirken on-the-job erworbene Kompetenzen wie transaktionsspezifische Investitionen und führen zu Bindungen. Das Verstärken oder Abschwächen dieser Bindungen durch die Einbeziehung in oder den Aus-schluss von Aus- und Weiterbildungsprogrammen kann die Strukturation des Pools reflexiver ausgestalten, Anreize setzen und neue Kompetenzen im Netz-werk entwickeln, was zugleich betriebliche Bindungen substituiert.

Inwieweit diese Überlegungen umsetzbar sind, hängt auch von der Praxis in der BA und im Feld der Beschäftigungsförderung ab. Insbesondere den stra-tegisch platzierten Akteur ‚BA‘ und seine Praktiken gilt es weiter zu beobach-ten, um entsprechende Strategien zu entwickeln. Beispielsweise ist nach den Erfahrungen in den letzten Jahren in bestimmten Regionen wieder eine stärkere Vernetzung mit lokalen Akteuren zu beobachten, die die Umsetzung der obigen Vorschläge erleichtern würde.

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IV. Personalführung und Betroffenenbeteiligung

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Gerechtigkeit als Profession – Führungsethik in Sozialen Organisationen1 Michael Herzka 1. Einleitung Organisationen, welche sich professionell mit der Produktion von sozialen Grundgütern befassen – Gerechtigkeit und soziale Sicherheit, Chancengleich-heit, gesellschaftliche Partizipation – müssen sehr hohen moralischen Anforde-rungen genügen. Sofern diese Organisationen als Rechtspersonen auftreten, Mitarbeitende beschäftigen und für die Erbringung von Dienstleistungen ent-schädigt werden, sind sie zudem als Wirtschaftsbetriebe zu verstehen. Und wie in allen Unternehmen sind die Führungskräfte in besonderem Masse mit Fragen der Moral und der Ethik konfrontiert.

In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob die Besonderheiten Sozialer Organisationen auch nach einer eigenen führungsethischen Konzeption verlangen. Die Hypothese lautet dabei, dass sich eine spezielle Führungsethik für Soziale Organisationen begründen lässt. Dafür müssen jedoch zwei Bedin-gungen erfüllt sein:

Erstens muss gezeigt werden, dass ein besonderer Fokus auf Führungs-kräfte innerhalb der Wirtschaftsethik notwendig und sinnvoll ist. Zum Gegen-stand der Führungsethik gehören dabei alle moralischen Fragen, mit denen sich aufgrund ihrer Rolle und Position spezifisch die Führungskräfte in einem Unter-nehmen befassen müssen sowie Aussagen darüber, wie in konkreten Situationen richtig zu handeln ist.

Zweitens muss dargelegt werden, dass Soziale Organisationen unter mora-lischen Gesichtspunkten eine ausreichend eigenständige Kategorie von Betrie-ben sind. Es gilt also aufzuzeigen, dass der Zweck und die Aufgabe von Sozialen Organisationen im Wesentlichen dem Bereich der Moral zugeordnet werden können. Ihre Formen, Strukturen und Tätigkeiten lassen sich sozialwissenschaft-

1 Dieser Beitrag basiert auf einer unveröffentlichten Arbeit im Rahmen der Advanced Studies in Applied Ethics an der Universität Zürich.

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_11, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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170 Michael Herzka

lich beschreiben, ihre moralische Sonderstellung unter den Wirtschaftsunter-nehmen muss jedoch aus gerechtigkeitstheoretischen Überlegungen folgen.

Auf dem Hintergrund dieser beiden Prämissen lässt sich die Forderung nach einer speziellen Führungsethik für Soziale Organisationen plausibel vertre-ten. In Anbetracht des besonderen gesellschaftlichen Auftrages dieser Unter-nehmen muss dabei die allgemeine Führungsethik mit den berufsethischen Standards sozialer Professionen verbunden werden. Neben den Pflichten – als Führungskraft und als Fachperson – sind in dieser besonderen Konstellation immer auch tugendethische Aspekte zu beachten.

Meine Überlegungen gründen zum einen auf eigenen Erfahrungen als Füh-rungskraft und als Mitarbeiter. Zum anderen sind sie durch viele Begegnungen mit Praktikerinnen und Praktiker geprägt, namentlich im Rahmen des Master-studiengangs in Sozialmanagement an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).2 Die Studierenden in dieser berufsbegleitenden Wei-terbildung sind Führungskräfte in stationären und ambulanten Einrichtungen des Sozialwesens mit privater oder öffentlicher Trägerschaft, im Bildungs- und Gesundheitswesen, in Hilfswerken, Kirchen und weiteren Nonprofit-Organisationen. Nach einigen Jahren Berufserfahrung als Fachkräfte haben sie eine Führungsfunktion übernommen und sehen sich mit vielfältigen neuen Er-wartungen von oben, unten und außen konfrontiert. Nicht selten setzen sie sich durch überhöhte Ansprüche selbst unter Druck. Manchmal sind sie verunsichert, häufig erleben sie gerade in Organisationen mit flachen Hierarchien, wie einsam es in der Führung sein kann.

Neue Führungskräfte möchten wissen, wie Führung gelingt und wie man eine erfolgreiche Managerin wird. Darauf kann die Hochschule keine Antworten geben, die geheimen Rezepte in fünf oder sieben Schritte zum glücklichen Ma-nager gibt es nicht. Zwar können theoretisches Wissen und praxisorientierte Methoden vermittelt werden, im Wesentlichen soll eine Weiterbildung die Füh-rungskräfte aber vor allem dazu anregen, ihre eigenen Erfahrungen, Erwartun-gen und Ansprüche kritisch zu reflektieren. Dabei kommen sehr rasch auch die ethisch-moralischen Aspekte von Führung zur Sprache.

2 Der Autor ist Leiter dieses Studiengangs am Departement Soziale Arbeit der ZHAW.

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Gerechtigkeit als Profession – Führungsethik in Sozialen Organisationen 171

2. Ist Führung eine Frage der Ethik? Bejaht man die – durchaus strittige – Prämisse, dass „Ökonomie und Ethik überhaupt in ein verträgliches Verhältnis zueinander gesetzt werden können“ (Zimmerli/Assländer 2005: 307), so ist das Spannungsfeld gegensätzlicher Mo-ralprinzipien – Gemeinschaftsorientierung versus Eigennutz – offensichtlich. Man kann wie Ulrich (2008) versuchen, die Widersprüchlichkeiten in einem integrativen Ansatz zu überwinden oder ihre Koexistenz als Realität einer „Bimoral Society“ (Hendry 2004) zu beschreiben. Mit den moralischen Proble-men, welche aus den Spannungen und Widersprüchen einer wettbewerbsorien-tierten Marktwirtschaft für Organisationen und Betriebe entstehen, befasst sich die Unternehmensethik beziehungsweise die angelsächsischen Business Ethics. Dabei lassen sich externe und interne moralische Fragestellungen unterscheiden (Audi 2010):

Corporate Social Responsibility (CSR) bezeichnet das Verhalten von Un-ternehmen gegenüber den verschiedenen Anspruchsgruppen (Stakeholder) wie Kundinnen oder Lieferanten, aber auch in Bezug auf die Gesellschaft im Allge-meinen. Unter CSR fallen so selbstverständliche Dinge wie die Respektierung der Menschenrechte und die Einhaltung vertraglicher Abmachungen, aber auch nicht geschuldete karitative Engagements oder Bemühungen um eine ökolo-gisch nachhaltige Produktionsweise. Die Interessen der Mitarbeitenden als Stakeholder (und nicht bloß als ‚Humanressource‘) sind ebenfalls zu berück-sichtigen. Unternehmensintern geht es dabei um die Respektierung der Rechte von Arbeitnehmenden, angemessene und gerechte Entlohnung, die Vermeidung von Willkür in Konfliktfällen, generell um den Umgang mit Macht und Abhän-gigkeit.

Die Grundsätze moralischen Handelns lassen sich zwar für ein bestimmtes Unternehmen oder auch für eine ganze Branche in Ethikkodizes fassen. Deren Umsetzung wird jedoch von den Entscheiden, Handlungen und Unterlassungen bevollmächtigter Personen (als Individuen und RollenträgerInnen) geprägt.3 Damit rücken die Führungskräfte als zentrale moralische Akteure in den Fokus: Unternehmensethik wird zu Führungsethik, Business Ethics zu Leadership Ethics oder Ethical Leadership. Ein großer Teil der führungsethischen Literatur ist dabei einer programmatischen Sichtweise verpflichtet. Moralisches Handeln soll als Teil einer Unternehmenskultur durch das Management vorgelebt und institutionalisiert werden (DesJardins 2009; Goodpaster 1991, 2007; Mendonca/Kanungo 2007). Führungsethik meint also zum einen, das Verhalten 3 Ob nur natürliche Personen – als Mitarbeitende, Manager oder Eigner – oder auch Unternehmen (Korporationen) Verantwortungssubjekte sein können, ist Gegenstand einer eigenen Debatte (vgl. Zimmerli/Assländer 2005, Bleisch/Huppenbauer 2011).

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der Führungskraft gemäß ethischen Grundsätzen (ethical management) und zum anderen die Sicherstellung einer Ethik-Kultur im Unternehmen, beispielsweise durch interne Richtlinien und Weiterbildungen (management of ethics).

Dass ein spezieller Fokus auf das moralische Handeln von Führungskräf-ten gerechtfertigt ist, kann selbstverständlich angezweifelt werden. So kritisiert Boatright (1999) aus marktliberaler Perspektive Ansätze, welche wie Goodpaster (1991) auf das moralische Handeln von Managern fokussieren („Moral Manager Model“). Nicht die einzelne Unternehmung und deren Mana-ger, sondern der Markt als Ganzes mit allen seinen Akteuren müsse in die Pflicht genommen werden. Innerhalb eines bestimmten Rahmens soll sich die Moral durch das freie Spiel der Marktkräfte entfalten („Moral Market Model“).

Unter ganz anderen Vorzeichen formuliert die Kritische Managementtheo-rie ihre Einwände und erhebt den Vorwurf einer Komplizenschaft der Wirt-schaftsethik mit der Ideologie der freien Marktwirtschaft, „enabling business to bluff ethical, to present a caring front while carrying on exploitative and unethical practices as usual behind its back.“ (Wray-Bliss 2009: 270) Anstatt die Selbstregulierungskraft des Marktes zu hinterfragen, werde den Führungskräften nun auch noch die Ausarbeitung und Implementierung von Ethikkodizes zuge-standen und so die Dominanz des zweckrationalen Managementdenkens (Managerialism) zementiert.

Aus steuerungsskeptischer Perspektive wird zudem grundsätzlich in Frage gestellt, ob moralisches Handeln – ebenso wie Visionen, Werte oder Unterneh-menskultur – durch die Führung von oben verordnet werden kann (Griffin 2002). Die gängige Vorstellung, dass einzelne, oft idealisierte Personen einen Betrieb und dessen Aktivitäten kontrolliert und kontrollierend führen können, wird abgelehnt. Es ist hier aber nicht die unsichtbare Hand des freien Marktes, welche die einzelnen Nutzenmaximierer dirigiert, sondern die Erkenntnis, dass wir auch im Wirtschaftsleben auf der Basis unserer individuellen Erfahrungen und Wünsche handeln, die weit über diejenigen eines simplen Homo Oeconomicus hinausgehen. Organisationen werden daher als sich permanent verändernde Muster von lokalen Interaktionen (Complex Responsive Processes) begriffen, in denen sich Führung und damit auch Führungsethik nur als emergente Prozesse beschreiben lassen (Stacey 2010).

Die genannten Positionen werfen also zum einen die Frage auf, wem die Verantwortung für ethisches Verhalten in der Wirtschaft zukommen soll (nicht einzelnen Führungskräften, sondern allen Wirtschaftssubjekten im Rahmen ihrer Rollen und gemäß den Prinzipien des Marktes). Zum anderen möchte man den Führungskräften nicht die Kompetenz zur Gestaltung der Moral überlassen, beziehungsweise bezweifelt, ob Führung überhaupt so wirkungsmächtig ist, dass sie für Ethik und Moral in und von Unternehmen zuständig sein kann.

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Nicht bestritten wird hingegen, dass Führung in den hierarchisch geführten Unternehmen einer kapitalistischen Marktwirtschaft notwendigerweise existiert. Damit bleibt es legitim und notwendig, sich auch mit der Ethik von Führungs-handeln zu befassen. Je nach theoretischem Standpunkt ergeben sich dabei sehr unterschiedliche Zugänge.

Aus konsequentialistischer Sicht wird vor allem auf Macht und Einfluss von Führungskräften verwiesen (Ciulla 2005). In der Tradition des Transformational Leadership-Konzepts von Burns (2010 [1978]) kommt dabei der Führung eine genuin moralische und moralbildende Qualität zu.4 Diese Sichtweise setzt sich der Kritik aus, dass Führungsethik primär bedeute, die Moral für die Erreichung ökonomischer Ziele zu instrumentalisieren. Weniger in der Effizienzlogik des Marktes gefangen scheinen demgegenüber deontische Begründungen, welche die besonderen Pflichten des Managements hervorheben. Diese entstehen aus den Verantwortungen gegenüber den vielfältigen Stakeholdern.5 Wie Neuberger (2002: 736) festhält, darf es dabei aber nicht um eine Sondermoral mit Privilegien und Ausnahmen gehen, denn „Spezialmoralen können nur mit höheren Verpflichtungen gekoppelt werden, die zu allgemein gültigen Forderungen hinzukommen.“ (Hervorhebung im Original) Verbreitet sind sodann tugendethische Begründungen der Führungsethik, namentlich mit Bezug auf die Vorbildfunktion von Leitungspersonen (Duska/DesJardins 2001, Gini 1998, Solomon 2002).

Allerdings wird es wohl kaum ausreichen, sich auf das persönliche Streben von Führungskräften nach dem moralisch Guten und dem gemeinschaftlichen Wohlergehen zu verlassen. Es wäre daher zu prüfen, wieweit sich auch in einer Führungsethik Tugenden und Pflichten verknüpfen lassen. Bei O‘Neill (1996) findet sich dazu das Konzept der gebotenen Tugend, wodurch sich der vermeint-liche Gegensatz zwischen universalistischen, geschuldeten Pflichten und einer partikularistischen Tugendethik zumindest teilweise überwinden lässt. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den sozialen Tugenden zu, etwa Solidarität und Mitgefühl oder Fürsorge und Anteilnahme. Allerdings gilt: „Selbst wenn eine Tugend geboten ist, wird ihre spezifische Äußerung in Gestalt dieser oder jener Handlung oder Einstellung dem Urteilsvermögen überlassen bleiben“ (O‘Neill 1996: 243).

4 Eine solche Position vertreten beispielsweise Mendonca/Kanungo (2007). Für eine kritische Diskussion siehe Solomon (2005) sowie ausführlicher Western (2008). 5 In Bezug auf die Mitarbeitenden besteht dabei die besondere Schwierigkeit, hierarchische Führung zu rechtfertigen und gleichzeitig die Autonomie des Individuums als hohes Gut zu bewahren. Vgl. dazu Bowie (2007).

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3. Soziale Organisationen als ‚Unternehmen der Moral‘? Wirtschaftsethik bezieht sich in der Regel auf die marktorientierte Privatwirt-schaft. Damit werden jedoch ganz wesentliche Teile des Sozialprodukts ausge-blendet, namentlich die staatlichen Leistungen sowie diejenigen des Nonprofit-Sektors.6 Als Soziale Organisationen bezeichne ich kollektive Akteure, welche Dienstleistungen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen erbringen. Diese können zwar als Teil des Nonprofit-Sektors verstanden werden, umfassen je-doch auch gewisse staatliche Institutionen sowie private Organisationen mit einem bedeutenden Anteil an staatlicher Finanzierung.

Als Betriebe können Soziale Organisationen der Sozialwirtschaft7 zuge-rechnet werden. Sie weisen hinsichtlich Führung und Management einige Be-sonderheiten auf (Herzka 2009b; Schröer 2009, Lawler/Bilson 2010). So haben Soziale Organisationen eine Vielfalt von Anspruchsgruppen und immer mindes-tens zwei unterschiedliche Kundenanliegen zu berücksichtigen: Diejenigen Personen, welche Dienstleistungen in Anspruch nehmen (KundInnen, NutzerIn-nen und KlientInnen) sind nicht mit jenen identisch, welche sie bezahlen (Steu-erzahlerInnen, SpenderInnen). Hinzu kommt, dass die erzielten Resultate häufig weit schwieriger zu messen sind als bei gewinnorientierten Unternehmen, wo-durch die Sozialen Organisationen gegen marktfundamentalistische Kritik schlecht gewappnet sind.8 Und nicht zuletzt ist hervorzuheben, dass die Mitar-beitenden in der Regel stark intrinsisch motiviert sind. Von der Arbeitgeberin wird dabei erwartet, dass dies im Handeln der Organisation und ihrer Führungs-kräften eine Entsprechung findet (Fürsorge, Altruismus, gesellschaftliches En-gagement).

Für KundInnen, Mitarbeitende und die Öffentlichkeit sind Soziale Organi-sationen demnach ‚Unternehmen der Moral‘. In einem Sozialstaat ist ihr Kern-geschäft die Herstellung und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen, wel-che Teilnahme und Teilhabe (Inklusion) der Schwachen ermöglichen sowie die

6 Trotz umfangreicher internationaler Forschung lässt sich der auch ‚Dritter Sektor‘ oder ‚Voluntary Sector‘ genannte Bereich weiterhin nur sehr ungenau erfassen. Wegweisend ist hier das 1990 begonnene Comparative Nonprofit Sector Project (CNP) der Johns Hopkins University, welches inzwischen 46 Länder umfasst (www.ccss.jhu.edu). Vgl. auch Anheier/Salamon (2006). 7 Sozialwirtschaft befasst sich theoretisch und praktisch damit, „wie sich ein humaner und sozialer Bedarf ökonomisch decken lässt." (Wendt 2007: 46) Priorität sind dabei „nicht erwerbsökonomische, sondern soziale Zwecke: Beseitigung von Notlagen, Erhalt und Wiederherstellung von Gesundheit, Erwerb von Bildung, Gelingen von Integration." (Wendt 2007: 47) 8 Ergebnisse werden meist nur sehr langfristig sichtbar und sind häufig eher qualitativer als quantitativer Natur. Dies gilt beispielsweise für die ‚erfolgreiche‘ Förderung eines benachteiligten Kindes, die ‚gelungene‘ Resozialisierung eines Strafentlassenen oder ‚gerechtere‘ Nord-Süd-Beziehungen.

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Lebenschancen aller Gesellschaftsmitglieder verbessern. Soziale Organisationen befassen sich also mit den grundlegenden moralischen Aufgaben, erstens durch Hilfeleistungen für diejenigen zu sorgen, die vorübergehend oder dauerhaft auf Unterstützung angewiesen sind sowie zweitens durch Bildung und Förderung zur Realisierung menschlicher Potentiale beizutragen. Soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sind komplementär zu den negativen Freiheitsrechten und konstitutiv für das menschliche Zusammenleben. Dies gilt für das kommunitaristische Verständnis der „Gemeinschaftsversorgung“ (Walzer 2006) ebenso wie für die universalistische Konzeption einer „normativen Logik der Zwischenmenschlichkeit“ (Ulrich 2008).9

Aus gesellschaftlicher und ökonomischer Sicht sind Soziale Organisatio-nen und ihre Mitarbeitenden die AgentInnen einer „institutionalisierten Solidari-tät“ (Bayertz 1996).10 Den Führungskräften kommt dabei die große Herausfor-derung zu, die Betriebe nach innen effizient und effektiv zu führen sowie gleichzeitig nach außen als „Moderatoren und Lobbyisten der Menschlichkeit und des Gemeinwohls“ (Schröer 2009: 145) zu wirken. Dabei sollten ihr Mana-gement- und Führungsverständnis und damit auch ihre Führungsethik über die Zweckrationalität marktwirtschaftlicher Betriebsführung hinausgehen (Mowles 2010).

Dies führt unweigerlich dazu, dass die genannten Spannungen der Bimoral Society in diesen Organisationen und für diese Führungskräfte noch weit stärker spürbar sind als in For-Profit-Organisationen. Wie nachfolgend gezeigt werden soll, ist dies nur zu bewältigen, wenn dem „Aufbau einer ethischen Kompetenz als zentraler Handlungskompetenz“ (Schröer 2009: 155) der notwendige Raum gegeben wird.

9 Seit Rawls (1979) werden Genese und Reichweite sozialer (distributiver) Gerechtigkeit sowie die Festlegung und der Umfang der zu verteilenden Güter intensiv und aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert (Rawls 2006, O‘Neill 1996, Walzer 2006, Schramme 2006, Miller 2008, Sen 2010). Unbestritten ist jedoch die gemeinschaftsbildende Kraft sozialer Gerechtigkeit. 10 Bayertz (1996: 321) beklagt eine „Auflösung“ interpersoneller Solidarität durch die „Dialektik der Verstaatlichung“. Ich meine jedoch, dass die Schaffung von Institutionen der sozialen Sicherung angesichts der Größe der Aufgabe und der damit verbundenen potentiellen Überforderung des Einzelnen nicht nur unumgänglich ist, sondern als kollektive moralische Leistung bewertet werden kann. Dies entbindet uns aber nicht von der individualethischen Auseinandersetzung mit Benachteilung und existentieller Not (vgl. Bleisch 2010: 203).

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4. Führungsethische Herausforderungen in Sozialen Organisationen Intuitiv gehen wir davon aus, dass Mitarbeitende in Sozialen Organisationen besonders hohen ethischen Standards genügen müssen. So beurteilen wir es als moralisch äußerst verwerflich, wenn der Buchhalter eines Hilfswerks Geld un-terschlägt. Noch schlimmer ist es, wenn das Geld von einer Schulklasse gesam-melt wurde und für behinderte oder hungernde Kinder in einem afrikanischen Kriegsgebiet gedacht war. Ein Betrugsfall in einer Bank oder einer Versiche-rungsgesellschaft wird hingegen nur Schlagzeilen machen, wenn er besonders dreist oder von außergewöhnlichem Ausmaß ist. Offensichtlich stört uns im Falle des Hilfswerks, dass mit der unmoralischen und widerrechtlichen Tat nicht nur der Betrieb geschädigt wurde. Wir halten die Tat für besonders schlecht, weil dadurch auch die hungernden, behinderten Kinder im afrikanischen Kriegsgebiet in der Verbesserung ihrer Lebensperspektive beeinträchtigt wer-den. Und nicht zuletzt auch, weil die moralisch gut handelnden Kinder der Geld sammelnden Schulklasse hintergangen wurden. Die Mehrstelligkeit des Ver-trauensmissbrauchs ergibt sich aus der Besonderheit der Märkte für soziale Dienstleistungen, also der Trennung von KonsumentInnen (die Kinder in Afri-ka) und Finanzierenden (die Schulklasse hier bei uns). Darüber hinaus bedroht die Tat das Solidarprinzip, auf welches die Ärmsten – und vielleicht unter ande-ren Umständen auch wir selbst – existentiell angewiesen sind.

Ähnliche Beispiele ließen sich für Sozialarbeiter, Psychologinnen, Lehr-kräfte etc. konstruieren. Demgegenüber halten wir es zwar für moralisch ver-werflich, wenn beispielsweise Bankangestellte gestohlene Datenträger mit ver-traulichen Informationen zum Kauf anbieten. Wir denken aber vielleicht auch, dass dies ein quasi natürlicher Nebeneffekt eines „Marktes ohne Moral“ (Schmidt 2010) sei, in welchem die skrupellose Maximierung des eigenen Pro-fits das erfolgreiche Geschäft erst ermöglicht.

Die treuhänderische Verantwortung für Spendengelder oder die Fürsorge gegenüber Menschen in Not erfordert ein besonderes moralisches Sensorium und einen gemeinschaftsorientierten Charakter (O‘Neill 1996). Mit dem Ent-scheid für eine professionelle Tätigkeit in Sozialen Organisationen anerkennen Mitarbeitende und Führungskräfte denn auch ganz spezifische ethische Stan-dards.11 Sie kommen „institutionell vermittelten Verpflichtungen“ (Witschen 2006: 36) nach, welche auch einen außerordentlichen Einsatz erfordern können.

11 Ähnlich wie andere Standesorganisationen schreiben auch nationale und internationale Berufsverbände der Sozialen Arbeit ihre Standards in Ethikkodizes fest (vgl. Bohmeyer/Kurzke-Maasmeier 2007). In der Schweiz wurde erst kürzlich einer neuer Berufskodex verabschiedet (Schmocker 2010). Es ist daher nicht notwendig, von Mitarbeitenden Sozialer Organisationen zu fordern, dass sie „mehr als die Pflicht“ (Witschen 2006) erfüllen, also supererogatorisch handeln.

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Dabei besteht immer sowohl die Versuchung, über das professionell Gebotene hinaus zu handeln, als auch die Gefahr, moralisch zu versagen.

Eine kontinuierliche Beschäftigung mit berufsethischen Fragen ist daher konstitutiv für die „moralischen Professionen“12 und in der Ausbildung sowie in der Praxis gut verankert. Für die Führungskräfte ergibt sich daraus bezüglich ethischer Reflexion zunächst jedoch keine Entlastung, sondern macht diese im Gegenteil noch sehr viel stärker erforderlich. So lässt sich etwa der Auftrag formulieren, dass die Leitung Sozialer Organisationen für eine „diskursiv-kritisch“ verfasste „Erwägungs- und Streitkultur“ (Lob-Hüdepohl 2007: 161) besorgt sein muss, welche die moralische Über- oder Unterforderung der einzel-nen MitarbeiterInnen verhindern soll.

Allerdings meine ich, dass auch für die Leitungspersonen selbst ausrei-chend Raum für Reflexion zur Verfügung stehen muss. Die Besonderheit von Führung in Sozialen Organisationen liegt nicht etwa bloß in einer höheren „compliance rate“ bezüglich Moralstandards, wie dies Ciulla (1995) für alle Führungskräfte fordert und die meiner Meinung nach ohnehin vorausgesetzt werden muss. Sondern es geht darum, die unauflöslichen Spannungen und Di-lemmata auszuhalten, welche die Bimoral Society für moralisch handelnde Führungskräfte bei der Produktion moralischer Güter mit sich bringt und so einer lähmenden moralischen Überforderung entgegenzuwirken.

Führungskräfte in Sozialen Organisationen müssen einerseits das Augen-merk ihrer Mitarbeitenden ständig auf die eminent moralische Aufgabe richten und andererseits gleichzeitig ihr eigenes Handeln führungsethisch reflektieren. Dies verlangt nach einem dialogischen Führungsverständnis13, dessen individu-elle Entwicklung und Umsetzung äußerst anspruchsvoll sind. Den vielleicht stärksten Ausdruck finden die besonderen Anforderungen an Führung in Sozia-len Organisationen aus meiner Sicht im Postulat einer unbedingten und umfas-senden Wertekohärenz. In Sozialen Organisationen muss das Führungshandeln gegenüber den MitarbeiterInnen und den übergeordneten Organen mit dem übereinstimmen, wofür eine Organisation ‚draußen‘ (gegenüber KlientInnen, FinanzgeberInnen, Öffentlichkeit) eintritt und womit sie von der Gemeinschaft beauftragt wurde. So gerät beispielsweise eine Organisation, die sich für die gesellschaftliche Partizipation benachteiligter Menschen engagiert, intern aber einen autoritären und ausgrenzenden Führungsstil pflegt, bei den MitarbeiterIn-nen schnell in Misskredit. Oder es wird in der Öffentlichkeit stark kritisiert,

12 Lob-Hüdepohl/Lesch (2007: 7) verweisen hierzu auf: Pantucek Peter/Vyslouzil Monika (Hrsg.) (1999): Die moralische Profession. Menschenrechte & Ethik in der Sozialarbeit. St. Pölten: Sozaktiv. 13 Dies entspricht bezüglich moralischen Fragestellungen einer primär diskursethischen Orientierung (vgl. Stimmer 2010).

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wenn ein Hilfswerk Spendengelder an der Börse verspekuliert, auch wenn dies in bester Absicht zur Mehrung der Mittel für den guten Zweck geschah.

Die beiden Perspektiven ‚nach innen‘ und ‚nach außen‘ zusammen zu bringen und dies im Denken und Handeln der Führungskraft für alle Beteiligten sichtbar zu machen, sind in meinem Verständnis elementare Bedingungen für moralisch gute Führungsarbeit in Sozialen Organisationen. Gelingt dies, so resultiert ein im doppelten Sinne ‚gutes Leben‘ in der Führung: Erfolg bei der Erreichung gemeinschaftsorientierter Ziele. Fehlt hingegen die führungsethische Kohärenz, wird die Führungskraft mit großer Wahrscheinlichkeit an den Wider-sprüchlichkeiten ihrer Aufgabe scheitern.

Trotz oder gerade wegen dieser Position ist jedoch die Idealisierung von Führung und Führungspersonen kritisch zu betrachten. Die Führungsrolle bringt es zwar mit sich, dass ihre TrägerInnen und deren Verhalten von internen und externen Anspruchsgruppen mit der Organisation und ihrem Auftrag gleichge-setzt werden. Und wie ich zu zeigen versucht habe, sind Soziale Organisationen als Unternehmen der Moral vielleicht noch mehr als andere Wirtschaftsakteure auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit angewiesen. Dadurch ist höchste moralische Integrität als „Super-Tugend“ (Solomon 2005: 31) der Führungskräfte unab-dingbar. Es wäre jedoch kontraproduktiv, nach „moralischen Helden und Heili-gen“ (O‘Neill 1996: 243) zu rufen. 5. Fazit: Führungsethik als Entwicklungsaufgabe Führungsethik mag zum Ziel haben, das amoralische Verhalten von wirtschaft-lich Handelnden zu verändern und zu verbessern (Green/Donovan 2010). In einer Marktwirtschaft muss sich das Investment in Ethik für den einzelnen Be-trieb jedoch auch auszahlen. Damit setzt sich Führungsethik immer der Kritik aus, als „instrumentalistische Unternehmensethik“ (Ulrich 2008: 453ff.) ledig-lich der Profitmaximierung zu dienen.

Sieht die Sache für Führungskräfte in Sozialen Organisationen anders aus? Man könnte argumentieren, dass sie bezüglich moralisch richtigem Handeln ein viel leichteres Spiel haben, stehen sie doch immer schon auf der Seite des Guten und Gemeinnützigen. Ich habe versucht, zunächst den gegenteiligen Standpunkt einzunehmen: Die Einsätze im Reputationskasino sind für Unternehmen der Moral sehr hoch. Führungskräfte in Sozialen Organisationen sind den Wider-sprüchen der Bimoral Society besonders stark ausgesetzt und sie müssen außer-ordentlich hohen moralischen Anforderungen genügen. Die große Spannung zwischen Nutzenmaximierung und Gemeinschaftsorientierung in Unternehmen der Moral hat ihre Quelle in den „multiplen Mandaten“ (Stimmer 2010: 157)

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sowie den damit verbundenen vielfältigen Stakeholdern und ihren Erwartungen (Wertekohärenz).

Die Aufgabe, einen solchen Betrieb zu führen, könnte also angesichts der mehrfachen moralischen Ladung leicht eine Überforderung darstellen. Aller-dings stehen den Führungskräften nicht nur ihre berufsethische Basis, sondern auch die für soziale Professionen elementaren und eingeübten Fähigkeiten zum Dialog und zur Reflexion als Ressourcen zur Verfügung. Sie verfügen aufgrund ihrer professionellen Erfahrung über eine gewisse Resilienz, wenn es darum geht, Unvereinbares miteinander zu denken und Widersprüche auszuhalten, Konflikte konstruktiv zu bearbeiten (oder nur schon zu erkennen). Auch wenn der Schwerpunkt einer Führungstätigkeit primär auf dem Gedeihen des jeweili-gen Betriebes in einem zunehmend kompetitiven Markt liegt, muss der für Sozi-ale Organisationen konstitutive „Gemeinwohlbezug“ (Beckmann et al. 2009: 32) in der Praxis immer aufrechterhalten bleiben. Widersprüche sind für soziale Professionen identitätsbildend. Damit sind ihre Führungskräfte gegenüber ande-ren Sektoren der Wirtschaft vielleicht sogar im Vorteil: Es lässt sich eine Füh-rungsethik entwickeln, welche Pflichten und Tugenden im Sinne von O‘Neill (1996) vergleichsweise widerspruchsfrei miteinander verbindet.

Erfolgreich zu führen muss in Sozialen Organisationen immer heißen, mo-ralisch gut zu führen. Dass diese anspruchsvolle Aufgabe bewältigt werden kann, zeigt der Blick in die Praxis: Vielen Organisationen wird von KlientInnen, FinanzgeberInnen und Mitarbeitenden – und nicht zuletzt auch von den Lei-tungspersonen selbst – eine gelingende, gute und anständige Führung attestiert.

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Das mittlere Management und seine Brückenfunktion in Führung und Wandel Sebastian Noll Die Literatur zum Themengebiet Personal innerhalb der Betriebswirtschaftsleh-re hat gerade in den letzten Jahren ein beträchtliches, mittlerweile schwer zu überblickendes Ausmaß erreicht. Ein Grund für diesen enormen Forschungs-drang mag in der Erkenntnis liegen, dass zur Befriedigung der Kundenbedürf-nisse der Personalfaktor eine entscheidende Rolle spielt. Stand früher eher die Optimierung technischer Produktionsfaktoren im Vordergrund, so ist jetzt der Stellenwert des Personals in jeder Phase von der Entwicklung bis zum Vertrieb erkannt und ergänzt die bisherige Forschungslandschaft. „Angesichts der Tatsa-che, dass viele Aufgaben immer komplexer und dynamischer werden, ist zu bedenken, dass diese von Menschen erledigt werden und technische Hilfsmittel letztlich nur Selbstzweck sind.“ (Wagner 2006: 221) Begünstigt wird dieser Trend natürlich dadurch, dass der tertiäre Sektor zwischenzeitlich hierzulande mehr zur Wertschöpfung beiträgt als der industrielle Bereich: „Waren zum Bei-spiel 1970 rund 45% der 26,6 Millionen Erwerbstätigen im früheren Bundesge-biet im Dienstleistungsbereich tätig, so waren es 36 Jahre später in Deutschland bereits mehr als 72%.“ (Statistisches Bundesamt 2011) Somit ist in den nächsten Jahren mit einem Wachstum an Forschung im Bereich Dienstleistungsmanage-ment zu rechnen. Und im Sozialbereich als quasi homogenem Dienstleistungs-bereich ist das Personal schon immer der entscheidende Erfolgsfaktor.

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass dem mittleren Manage-ment bis dato relativ wenig Aufmerksamkeit in der Forschung und Entwicklung zukommt. Führungsfragen nehmen eine zentrale Stellung in Abhandlungen zum Personal ein, allerdings wird weniger thematisiert, wer denn genau führt. Nicht das Topmanagement oder das höhere Management, sondern das sogenannte mittlere Management1 ist mir der Führung der meisten Mitarbeitenden betraut. Das trifft nicht nur auf den Privat-, sondern auch auf den Nonprofit- bzw. Sozi-alsektor zu. Deshalb soll nachfolgend diese wichtige Gruppe, die in jeder größe-

1 Differenzierung der drei Managementebenen nach Maelicke 2008: 662 oder auch Maelicke hier im Band. Nachfolgend wird vom Top- und vom mittleren Management gesprochen.

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_12, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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ren Organisation zu finden ist, im Fokus stehen. Deutlich zu thematisieren ist dabei ihre Rolle und Funktion bei Veränderungsprozessen, da gerade die Sozi-alwirtschaft gegenwärtig und nicht minder in Zukunft unter enormem Anpas-sungs- und Innovationsdruck steht. 1. Stellung und Funktion des mittleren Managements 1.1 Verortung in der Sandwichposition Zunächst ist zu fragen, was das mittlere Management eigentlich ist, wer sich in der Organisation dazu zählen kann? Relative Größe, Zusammensetzung und Bedeutung dieser Gruppe unterscheiden sich naturgemäß zwischen den ver-schiedenen Branchen aber auch innerhalb der gleichen Branche deutlich. Wich-tig zu betonen ist deshalb, dass das mittlere Management hier eine konstruierte Gruppe ist, mit deren Hilfe spezielle Anforderungen und Erkenntnisse im Ma-nagement modellhaft herausgearbeitet werden sollen. Als einfache Definition kann festgehalten werden, dass Angehörige des mittleren Managements Füh-rungsverantwortung tragen – im Gegensatz zu „einfachen“ Mitarbeitenden – und gleichzeitig selbst geführt werden. Zwar werden auch dem Topmanagement Ziele vorgegeben und es hat sich für seine Leistungen gegenüber den Aufsichts-gremien zu rechtfertigen, aber hier liegen Mechanismen der Evaluation und Kontrolle vor und kein Zustand direkt und unmittelbar ausgeführter Führung. „Das mittlere Management befindet sich also in einer Sandwichposition zwi-schen oberster Organisationsführung und eigenen Untergebenen und muss daher die beiden Rollen des Geführten wie die des Führenden annehmen.“ (Noll/Philippi 2008: 39) In der Praxis besteht die Anforderung sich zu verorten: Wo gehört man prinzipiell eher hin – positioniert man sich stärker als ei-

genständige und selbstinitiative Führungspersönlichkeit seiner Untergebe-nen oder ist man eher in der „ ‚Briefkastenfunktion‘…, in der Anweisungen nur ‚durchgereicht‘“ (Freimuth et al. 2003: 26) werden? Im letzteren Fall rechnet man sich eher zu den Geführten mit wenig eigenständigem Füh-rungsanspruch.

Was erfordert die Situation? Gleich welche Einordnung man gemäß eige-nem Charakter, der Ausbildung oder weiteren Einflussfaktoren vornimmt, so erfordert in der Praxis manche unerwartete Situation eine Ad hoc-Entscheidung zur eigenen Einordnung für den Einzelfall. Besonders in Change-Prozessen ist dies geboten, auf die später noch genauer eingegan-gen werden wird.

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Das mittlere Management und seine Brückenfunktion 185

Folgende Abbildung verdeutlicht die Sandwichposition des mittleren Manage-ments (kurz: MM)

Abb. 1: Sandwichposition – Eigen- und Fremdwahrnehmung, Quelle: Berater-gruppe für Verbands-Management (B’VM)

Diese eigene (situative) Einordnung kann aber nicht individuell entschieden werden. Die komplexen Wechselbeziehungen mit den Mitarbeitenden und eige-nen Vorgesetzten, deren Akzeptanz und der daraus resultierenden Mit- und Zuarbeit legitimieren die eigene Rolle. Diese Rolle muss letztlich ausgehandelt und durch die Ereignisse des Alltags immer wieder neu austariert werden.

Gerade in der modernen Arbeitswelt mit ihren heterogenen Formen der Arbeitsorganisation kommen zusätzliche Komplexitäten hinzu. Auch in Sozial-organisationen nimmt die Projektarbeit zu, d.h. es entstehen zeitliche begrenzte, zielorientierte Arbeitszusammenhänge, in denen die herkömmliche Linienunter-stellung aufgehoben ist, „Ausführungs- und Weisungsfunktionen werden aufga-benspezifisch neu verteilt.“ (Bernecker/Eckrich 2003: 82) Wer in der herkömm-lichen Hierarchie Vorgesetztenstatus hat, kann in einem Projekt normaler Mit-arbeiter sein und umgekehrt. Noch eine Stufe komplizierter ist die Schaffung einer dauerhaften Projektstruktur neben dem geltenden Organigramm in Form einer Matrixorganisation. Dieser Weg wird im Sozialbereich gewählt, um bei-spielsweise neue Herausforderungen anzugehen, die alle Bereiche dauerhaft betreffen. Ein Beispiel ist die Einrichtung von Arbeitskreisen zum demografi-

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schen Wandel, in denen Vertreter ambulanter und stationärer Bereiche zusam-menarbeiten, um übergreifend Lösungen für diese gemeinsame Herausforderung zu finden. Für das mittlere Management bedeutet dies eine fortlaufende Anpas-sung der eigenen Rolle von der Führungspersönlichkeit zum Geführten und zurück. 1.2 Die Abgrenzung zum Topmanagement Charakter und Funktion des mittleren Managements lassen sich am besten ver-deutlichen, wenn man sie zum Topmanagement idealtypisch kontrastiert:2 Wirkungsfeld: Angehörige des Topmanagements sehen die ganze Organisa-

tion als ihr Gestaltungsfeld, das mittlere Management beschränkt sich auf die Abteilung oder den Bereich, den sie/er führt.

Führungsstil: Das Topmanagement führt vor allem rational-analytisch – Entscheidungen werden danach an Fakten, langfristigen Überzeugungen sowie Strategien und Konzepten ausgerichtet und wenig von konkreten Be-ziehungen zu betroffenen Mitarbeitern beeinflusst, da der unmittelbare Kontakt zu diesen fehlt. Demgegenüber spielt dieser tägliche Austausch mit den Betroffenen für das mittlere Management eine wichtige Rolle, der Füh-rungsstil ist daher als mehr personenorientiert, kommunikativ und insge-samt situativ zu bezeichnen.

Konzeptionierungsgrad: Die konzeptionelle Ebene spielt beim mittleren Management im Unterschied zum Topmanagement eine weniger wichtige Rolle, vielmehr handelt das mittlere Management in den Bandbreiten, die ihm vom Topmanagement vorgegeben werden; Aufgabe ist die situative und personenbezogene Anpassung und Umsetzung der Vorgaben von oben in den eigenen Organisationsbereich.

Planungszeiträume: Die Organisationsführung denkt langfristig und hat Strategie, Mehrjahres- und Jahresplanung zu entwerfen und zu kontrollie-ren. Demgegenüber ist das mittlere Management für die mittel- und kurz-fristige Umsetzung der durch das Topmanagement vorgegebenen Planung verantwortlich.

Aufgabenarten: Idealtypisch können in jeder Organisation verschiedene Aufgabenarten unterschieden werden. Die hier im Mittelpunkt stehenden Managementaufgaben gliedern sich in die fünf Teilaufgaben Planung, Or-ganisation, Führung, Kontrolle sowie Innovation. Managementaufgaben

2 Vergleiche „Gegenüberstellung – Denken und Handeln verschiedener Ebenen“, hier maßgeblich erweitert – Quelle: Beratergruppe für Verbands-Management (B’VM)

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dienen der direkten und indirekten Steuerung und Anleitung des Personals, das wiederum mit den Ausführungsaufgaben als den eigentlichen Kernleis-tungsaufgaben einer Organisation betraut ist. Während das Topmanagement nur Managementaufgaben erfüllt, beschäftigten sich Sachbearbeiter nur mit Ausführungsaufgaben; den Angehörigen der mittleren Managementebenen kommt eine Zwischenposition zu, wie folgende Abbildung verdeutlicht.

Abb. 2: System-Management als multi-personale, arbeitsteilige Aufgabe (Schwarz et al. 2005: 83)

In der Praxis der Sozialwirtschaft fallen diese Differenzierungen zwischen den Ebenen sicherlich unterschiedlich aus. Eine Top- und eine mittlere Manage-mentebene gibt es bei mittelgroßen Sozialorganisationen mit geschätzten 60-100 Mitarbeitern. In den Organigrammen beispielsweise der großen Diözesan-Caritasverbände mit jeweils tausenden Angestellten umfassen beide Bereiche aber schon mehrere Ebenen, d.h. die Strategiearbeit spielt auf höchstem und zumindest zweithöchstem Level eine wichtige Rolle, während die eigentliche, breite Personalführung und Umsetzung der Vorgaben erst dann einsetzt. In Kleinstorganisationen im Gegensatz dazu ist die Führungsspitze gleichzeitig für

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die Umsetzung verantwortlich. Gleichzeitig müssen hier die Mitarbeitenden auch selbst Übersetzungsleistungen von der Unternehmensstrategie in die Um-setzung vornehmen, da es ein explizit mittleres Management nicht gibt. Trotz-dem bleibt aber auch in Kleinstorganisationen eine gewisse Aufgabentrennung bestehen. Aus diesen Gründen ist die gezeigte idealtypische Unterscheidung der Ebenen prinzipiell auf die meisten Organisationen übertragbar. 1.3 Die Kommunikationsbrücke Durch das bisher zu den Aufgabenbereichen des mittleren Managements Gesag-te dürfte deutlich geworden sein, welchen zentralen Stellenwert Kommunikation und entsprechende Fähigkeiten einnehmen. Eine zentrale Aufgabe des mittleren Managements ist die Übermittlung und Vermittlung der Planungen der Organi-sationsspitze in den eigenen Bereich zu den eigenen Mitarbeitern zur Umset-zung. Hier hat das mittlere Management eine Übersetzungs- und Konkretisie-rungsfunktion zu erfüllen. Allerdings verlaufen Kommunikationsströme nicht nur in eine Richtung „hinunter“ zu den Mitarbeitenden, vielmehr werden auch in die Gegenrichtung Rückkoppelungen über den Umsetzungsstand gegeben und Korrekturbedarf an strategischen Vorgaben angezeigt. In seiner Mittelposi-tion fungiert das mittlere Management also als Brücke mit zwei „Fahrstreifen“ zwischen Führung und Basis. Dabei müssen die mittleren Manager „vor allem in der Lage sein, die entsprechenden Kommunikationssituationen inhalts- und adressatengerecht zu gestalten“ (Philippeit 2009: 26), wie im Folgenden skiz-ziert wird. Bei der Informationsweitergabe in beide Richtungen sind zwei Di-mensionen beachtenswert: Was wird weitergegeben: Nicht jedes strategische Detail aus Führungskrei-

sen genauso wie nicht jedes Feedback von Mitarbeiterebene ist es wert, weitergegeben zu werden. Demnach kommt dem mittleren Management in den internen Organisationsflüssen eine Filterfunktion zu.

Wie wird weitergegeben: Genauso entscheidend ist es, dass die Informatio-nen neben dem quantitativen Aspekt qualitativ anschlussfähig gemacht werden. Entscheidend hierbei ist der Bedarf der jeweiligen Zielebene der Information. Sie muss verständlich, adressatengerecht und nutzungsorien-tiert sein.

Alle diese konkreten Anforderungen einer doppelten Transferfunktion hat das mittlere Management in seiner Sandwichposition täglich zu erfüllen, wie in nachfolgender Abbildung ersichtlich. Zentral ist, dass im Ergebnis die erfolgrei-che Umsetzung der Strategie garantiert ist und im Gegenzug nur die Informatio-

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nen als Feedback an die Führung gehen, die diese für ein eventuelles Umsteuern benötigen würde. Dem mittleren Management kommt also eine wichtige Funk-tion im Controlling zu.

Abb. 3: Doppelte Transferfunktion des mittleren Managements. Beratergruppe für Verbands-Management (B’VM) 2. Soziale Organisationen im Veränderungsdruck Die gezeigten Charakteristika des mittleren Managements sind natürlich nicht nur in Nonprofit-Organisationen anzutreffen, die geschilderten Herausforderun-gen gehören für sie auch in Privatorganisationen zum Alltag. Besonders gefor-dert ist das Führungspersonal auf der mittleren Ebene, wenn die tägliche Routi-ne verlassen wird und Änderungen anstehen. Dann wird in Projekten gearbeitet, deren Charakteristika schon beschrieben wurden. Das ist aufgrund sich ständig verändernder Umfeldbedingungen heute immer häufiger der Fall, „organisatio-naler Wandel ist vom Ausnahmefall zum Alltagsphänomen für Führungskräfte geworden.“ (Philippeit 2009: 21) Dabei kann die Notwendigkeit zum Wandel aus der Organisation selbst oder aus dem Umfeld stammen. „Die verschiedenen Einflusskräfte in und auf O. (= Organisationen, d. Verf.) müssen genau wie die unterschiedlichen Interessen, denen die O. ausgesetzt ist, … immer wieder neu berücksichtigt und aufgenommen werden.“ (Grunwald 2008: 739)

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Organisationen allgemein sind umweltoffene Systeme, die nur im Aus-tausch mit ihren Umfeldern existieren können. Von ihnen bekommen sie einer-seits ihren Input wie Finanzen und Personal und geben andererseits ihre Leis-tungen dahin ab. Diese Wechselbeziehungen funktionieren aber nur, wenn die Organisation und ihre Mitglieder den richtigen Zweck erfüllen. „Die Mitglieder können, wenn sie den Zweck richtig wählen, im laufenden Handeln davon aus-gehen, dass mit Erreichen des Zweckes der Fortbestand des Systems gesichert ist.“ (Luhmann 1976: 109) Diese Organisationszwecke werden im Umfeld defi-niert und stellen Lebens- und Legitimationsgrundlage dar. Bei Nonprofit-Organisationen sind diese Zwecke meist in den Satzungen festgelegt und spie-geln den Willen der Mitglieder wider, sich zusammenzuschließen und spezifi-sche Ziele erreichen zu wollen. So heißt es beispielsweise in der Satzung des Vereins der Berliner Stadtmission in § 2 zu Zwecken und Aufgaben des Ver-eins: „Der Verein dient der Förderung der christlichen Religion evangelischen Bekenntnisses sowie der Vermittlung missionarisch-diakonischer Grundsätze. Auch dient er der Förderung der Jugendhilfe, der Altenhilfe, des Wohlfahrtswe-sens und der Bildung und Erziehung.“ (Berliner Stadtmission 2004: 2) Der Ver-ein hat sich diesen Zwecken verschrieben, da er im Umfeld der Stadtmission einen entsprechenden Bedarf sieht. Schwinden diese Bedarfe und somit der Organisationszweck, ist das Überleben der Organisation gefährdet, sie bekommt dann beispielsweise nicht mehr die für sie lebenswichtigen Ressourcen. Eine Sozialorganisation erfährt dies z.B. dadurch, dass sie keine Spenden mehr gene-rieren oder keine Leistungsverträge mit den Kostenträgern mehr abschließen kann.

Die Privatwirtschaft ist aufgrund des Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage einem Veränderungsdruck schon immer ausgesetzt, aber für Nonprofit-Organisationen ist dies immer noch relativ neu. Und der Verände-rungsdruck auf die Sozialwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten über das geschilderte Maß, denen Organisationen wie beschrieben schon prinzipiell aus-gesetzt sind, enorm zugenommen. Verbunden mit der sich zuspitzenden kom-munalen Finanzkrise in den neunziger Jahren wurde die Praxis der freien Wohl-fahrtspflege von politischer Seite kritisch in den Blick genommen, da diese nach dem Subsidiaritätsgrundsatz für das Gros der sozialwirtschaftlichen Aufgaben-erfüllung verantwortlich war und ist. Korrespondiert hat mit dieser Entwicklung die Anwendung originär privatwirtschaftlicher Managementprinzipien auch im öffentlichen und sozialen Bereich nach dem Muster des international vertrete-nem New Public Management. Hierzulande wurden diese Ansätze vor allem unter dem Label der sogenannten Neuen Steuerung diskutiert und implemen-tiert. Danach sollen sich Sozialorganisationen nach den Prinzipien von Effekti-vität und Effizienz organisieren und führen lassen, was die früher statische und

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bürokratisch verfasste Organisationslandschaft erheblich tangiert. Die Sozial-dienstleister „verändern sich unter Zuhilfenahme managementwissenschaftlicher wie betriebswirtschaftlicher Instrumentarien zu Sozialbetrieben.“ (Dahme et al. 2008: 11) Dieser Wandel hat sowohl interne wie externe Seiten: Intern haben sich heutzutage Methoden und Instrumente der Strategie- und Organisations-entwicklung, des Controllings oder auch der Personalentwicklung schon zu einem Gutteil in der Sozialwirtschaft integriert. Weniger erfolgreich verlief bisher die Umsetzung der externe Dimension, hier sollte auf lokaler Ebene eine Marktsituation entstehen, in der die Kommunen als Kostenträger einen Kontrakt mit geeigneten privatgewerblichen oder freigemeinnützigen Dienstleistern schließen. Aber „der angestrebte Pluralismus mehrerer Anbieter, aus deren An-geboten sich die Kommune als Auftraggeber das Geeignete zur Erreichung ihrer Effizienz- und Effektivitätsziele aussuchen kann, ist nicht flächendeckend ent-standen.“ (Noll 2011: 111) Vielmehr konnten die etablierten Wohlfahrtsverbän-de insbesondere bei der stationären Altenhilfe und der Kinder- und Jugendhilfe ihre dominante Position bewahren. 3. Die Rolle des mittleren Managements bei Veränderungen 3.1 Charakteristika von Veränderungsprozessen Die Sozialwirtschaft hat also in den letzten Jahrzehnten viel Veränderungsdruck erlebt, entsprechende Prozesse gehören zum Alltag. Dabei ist aber auf das rich-tige Maß zu achten, „eine ständig sich verändernde Organisation überfordert den Menschen ebenso wie eine starre veränderungsresistente Organisation den Men-schen unterfordert.“ (Schneider 2010: 103) Veränderungsprozesse sind jeweils zielgerichtete Projekte, d.h. es gibt einen Ist-Zustand, der aus irgendeinem Grund von der Organisationsleitung als unbefriedigend gesehen wird und durch einen Soll-Zustand abgelöst werden soll. Ein Beispiel wäre die Einführung neuer Betriebsabläufe, mit denen mehr Effizienz und Effektivität der täglichen Arbeit erreicht werden sollen.

Veränderungen belasten jede Organisation, gleich ob sie privatwirtschaft-lich oder öffentlich-rechtlich Charakter hat oder aus dem Nonprofit-Bereich stammt. Hier sind verschiedene Faktoren zu bedenken: Zum einen laufen Ver-änderungsprozesse immer parallel zum Tagesgeschäft, das bedeutet für alle Beteiligten eine höhere Belastung im Vergleich zu „normalen“ Zeiten. Zum anderen besteht das Risiko bei Veränderungsprozessen „darin, dass sie trotz hohem finanziellem und personellem Aufwand im Laufe der Monate im All-tagsgeschäft versanden oder mit unbefriedigenden Teillösungen abgeschlossen

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werden.“ (Giroud/Philippi 2010: 6) Wandlungsprozesse bergen demnach ein gewisses Risiko des Scheiterns, bei ihrem Beginn ist weder abzusehen, wie die angestrebte Lösung genau aussieht, noch ob sie erreicht wird. Und als Projekte sind Veränderungsprozesse komplex und im Gegensatz zu den Alltagsprozessen einmalig und vor allem erstmalig – dadurch fehlt es an Erfahrung und Struktur.

Der wichtigste Erfolgsfaktor ist die Betroffenheit von Menschen, die mit Euphorie oder auch Ängsten und Sorgen die Veränderungsprojekte tragen, be-gleiten oder beobachten. Sie können das Projekt zum Erfolg führen oder Schei-tern lassen.3 Widerstände können sich in unterschiedlichster Form deutlich ma-chen sowie verdeckt oder offen zu Tage treten. Dabei sind Widerstände vom Management aber nicht als Problem, sondern als normale und erwartbare Be-gleiterscheinung von Wandlungsprozessen aufzufassen und zu behandeln. Wi-derstände können sich im Projektablauf verschärfen, „in der Regel sind sie zu Anfang noch relativ diffus und ungerichtet, während sich die Kräfte in der wei-teren Umsetzungsphase zu ‚Koalitionen‘ formieren.“ (Schridde 2011: 283) Denkbare Widerstandsformen reichen von Passivität gegenüber einem Wand-lungsprojekt bis zur massiven Gegenmobilisierung. 3.2 Funktionen der mittleren Manager Dem mittleren Management kommt eine Kernfunktion bei der Behandlung des Widerstands zu. Der Grund hierfür liegt in der bereits thematisierten Brücken-funktion zwischen Topmanagement und Basis. Die Angehörigen des mittleren Managements „kennen die betroffenen Mitarbeitenden im Gegensatz zur Topebene persönlich und können…auf deren individuellen Belange eingehen.“ (Noll/Philippi 2008: 39) Hier wird die zentrale Stellung des mittleren Manage-ments nicht nur im Alltag, sondern besonders bei Veränderungsprozessen deut-lich: Das Topmanagement gibt in Form von Leitbildern und Strategien die Rich-tung vor, auch bildet es die personelle Konstellationen des Wandels, in dem es die Projektgruppenbesetzung bestimmt. Das Vermittlungsmanagement an sich ist Sache des mittleren Managements, die Topebene initiiert, konzipiert und kontrolliert.4 Hilfreich zur Verortung der spezifischen Aufgaben des mittleren Managements ist das Promotorenmodell von Schwarz, wie es nachfolgend dar-gestellt ist.

3 Ausführlich zu Erfolgsfaktoren und Gestaltungsempfehlungen für Change-Prozesse: Giroud/Philippi 2010 4 Zur genauen Differenzierung der Aufgabenverteilung von Organisationsführung, mittlerem Mana-gement und Mitarbeiterbasis: Noll 2012

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Abb. 4: PromotorenInnen-Modell (Schwarz 2006: 133)

In der Figur des Sozialpromotors lassen sich die Funktionen der mittleren Ma-nagers in Change-Prozessen gut wiederfinden. Hier ist ihre Brückenfunktion zwischen Topebene und Basis angesprochen, sie sollen die Betroffenen infor-mieren, unterstützen und auf den Weg mitnehmen. Dies bildet eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz der Prozesse. Mit der Formulierung „sozio-emotionaler Rationalität“ wird treffend ausgedrückt, dass es beim Change-Management nicht nur um argumentative Überzeugungsarbeit geht; vereinfacht formuliert ist neben dem Kopf auch der Bauch anzusprechen, damit der einzelne Mitarbeitende als Gesamtperson mitgenommen wird. Es gilt vorübergehende Überlastungszustände zu erklären und zu legitimieren sowie Ängste ernst zu nehmen und diese gemeinsam mit den Betroffenen richtig einzuordnen. Und auch Unsicherheitsfaktoren, die diesen Prozessen inne wohnen, sind nicht zu tabuisieren. Wichtig ist Ehrlichkeit gegenüber den Mitarbeitern, dies hilft, Wi-derstände abzubauen.

Veränderungen werden in den seltensten Fällen wie ursprünglich geplant umgesetzt, sondern vielmehr in den herrschenden Betriebsablauf eingepasst, bei der Umsetzung gibt es also ein bestimmtes Potenzial an Mitgestaltung für die

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mittleren Manager. Sie „puffern den von oben ausgeübten Druck und passen die Veränderungen dem Rhythmus der operativen Organisation an.“ (Freimuth et al. 2003: 30) Bei der Einführung neuer Elemente genauso wie im späteren Alltag hat das mittlere Management auch Vorbildfunktion, nur dann ist es überzeugend und Akzeptanz entsteht. In diesem Kontext sind den Mitarbeitenden Vertrauen zu vermitteln und Transparenz vorzuleben.

Die in der Abbildung daneben erwähnten Funktionen des Sach- und Machtpromotors können ebenfalls von Managern der mittleren Ebene ausgeübt werden, werden in der Realität aber meist von anderen dominiert. Damit sie die Multiplikatorenfunktion erfüllen können, sind die Angehörigen der mittleren Ebene schon früh in die Erarbeitung der Strategie einzubinden. „Dies kann z.B. in Form eines ‚Visions-Workshops‘ für die Führungskräfte geschehen, an dem sowohl die von der Vision betroffenen Führungskräfte als auch das Top-Management teilnehmen.“ (Philippeit 2009: 29) Nur so können sie nachher überzeugend als Brückenbauer fungieren. 3.3 Empfehlungen für das mittlere Management Wandlungskompetenz und die gezeigten besonderen Aufgaben und Funktionen des mittleren Managements sind erlernbar, hier bieten die zahlreichen Sozial-management-Studiengänge eine gute Ausgangsbasis für zukünftige Führungs-kräfte auf dieser Ebene.5

Neben der Ausbildung sollten die besonderen Eigenschaften und Funktio-nen des mittleren Managements sowie die Thematik „Change-Management“ auch im betrieblichen Alltag diskutiert werden. Ein Jour fix ist hier empfeh-lenswert, sowohl in der Sozialorganisation selbst als auch zusammen mit ande-ren Organisationen: Über den Tellerrand blicken, das gegenseitige Schildern von Problemen und Umsetzungsschwierigkeiten hilft die eigene Situation gege-benenfalls zu entdramatisieren, und aus Erfolgsbeispielen kann gelernt werden. Ähnliche positive Effekte können mit Programmen zur Jobrotation erreicht werden; auch hier hilft beispielsweise der (vorübergehende) Wechsel in ein anderes Fachgebiet, den Blickwinkel zu erweitern und eigene Kompetenzen zu stärken.

5 Siehe Beitrag von Boeßenecker/Markert in diesem Band zur Entwicklung der Studiengänge

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4. Mittleres Management wahrnehmen Erste Voraussetzung für eine erfolgreiche Personalführung im Allgemeinen und die Gestaltung von Veränderungsprozessen – die heute auch in der Sozialwirt-schaft zum Alltag gehören – im Speziellen ist es, das mittlere Management von Seiten der Organisationsführung überhaupt wahr und ernst zu nehmen. Erst wenn seine hier dargestellten Eigenschaften und impliziten Funktionen präsent sind, kann das mittlere Management gezielt in seiner Brückenfunktion wirken. Der Weg dahin wird mit der zunehmenden Professionalisierung des Manage-ments sozialer Organisationen bereits beschritten, allerdings muss die spezielle Thematik des mittleren Managements im Zusammenspiel zwischen Theorie und Praxis weiter vertieft werden. Es bleibt daher zu hoffen, dass die damit verbun-denen Herausforderungen zukünftig stärker Eingang in die Managementliteratur finden werden.

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5. Literaturverzeichnis Berliner Stadtmission, Auszug aus der Satzung von 2004:

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Im Wohlfahrtsmix mit den Sorgenden arbeiten: Humanressourcen, die nicht übersehen werden sollten Wolf Rainer Wendt Der Sozialwirtschaft droht in ihren verschiedenen Versorgungsbereichen in zunehmendem Maße ein Mangel an Personal. Er ist in der Pflege längst einge-treten, in der Behindertenhilfe abzusehen und auch in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht zu verkennen. In dieser Situation ist es angebracht, das „Sorgepersonal“ insgesamt in Betracht ziehen, das an der sozialen Bearbeitung und Problembewältigung beteiligt ist. Zwar gehören formell zum Personal in Betrieben nur die Personen, die in abhängiger Stellung Arbeitsleistungen gegen Entgelt erbringen, aber in einem übertragenen Sinne ist der sozialwirtschaftliche Betrieb einer, der viele Helfer braucht. Das Geschehen außerhalb von Einrich-tungen und Dienststellen wird im personenbezogenen Einsatz mit erfasst – und es schließt auch die Menschen ein, die in diesem Geschehen sorgend für sich selber und füreinander helfend wirken. In der Pflege, in der Erziehung, in der Betreuung und in weiteren Leistungsbereichen stellen Angehörige, Nachbarn, Freunde, freiwillig, bürgerschaftlich oder in gemeinschaftlicher Selbsthilfe En-gagierte einen großen Teil der Humanressourcen in der Wohlfahrtsproduktion. Mit ihnen muss sozialwirtschaftlich gerechnet werden. Ob als Koproduzenten oder als selbständige Erbringer: sie sollten – nicht bloß als billiger Ersatz für teure Fachkräfte – im Personalmanagement des sozialwirtschaftlichen Gesche-hens hinreichend berücksichtigt werden. 1. Der Weg von Fremdversorgung zur Selbstversorgung Bei sozialen „Diensten am Menschen“ lässt sich heuristisch im Verlauf der letzten Jahrzehnte ein Wandel des Personaleinsatzes auf dem Weg von einst hauptsächlich stationärer Versorgung über inzwischen vorrangig ambulante Versorgung hin zu häuslicher Versorgung

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1_13, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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feststellen. Damit wandelt sich auch die Aufgabenverteilung in der personenbe-zogenen Leistungserbringung – mit Konsequenzen für das Personalwesen in der Sozialwirtschaft.

Stationäre Unterbringung hieß, dass Betroffene ganz auf das Tun und Las-sen des Personals in der Einrichtung angewiesen und bloß passives Objekt pro-fessioneller Verrichtungen waren. In ambulanten Diensten, wie man sie in den letzten Jahrzehnten bevorzugt, muss auf die Betroffenen insofern Rücksicht genommen werden, als ihr eigenes Handeln bestimmend für die Versorgungssi-tuation bleibt und von den fachlichen Interventionen unterstützt, korrigiert oder ergänzt wird. Bei häuslicher Versorgung schließlich finden wir das sozialwirt-schaftliche Geschehen und seine Gestaltung ganz in die Sphäre des eigenen Lebensraums von Menschen verlagert, die insoweit auch für die erwartete Leis-tung der hauptsächliche Produktionsfaktor sind.

Nehmen wir die Häusliche Pflege. Hier sind es die Betroffenen und ihre Angehörigen selber, die eine selbstständige Lebensführung bei Pflegebedürftig-keit aufrechterhalten. Pflegefachliche Hilfe stellt sich auf diese Selbstversor-gung ein. Ein pauschales Pflegegeld an den Leistungsberechtigten finanziert die eigene oder gemeinsame Sorgearbeit. Bei Sozialpädagogischer Familienhilfe wird im Haushalt einer Familie dahin gewirkt, dass deren Sorgearbeit in Hin-blick auf die Erziehung von Kindern und die interne Problembewältigung gelin-gen. Die Familienhelferin leistet eine dahin gehende Entwicklungsarbeit; sie spart damit gewissermaßen an Personal, das andernfalls für eine außerhäusliche Betreuung der Kinder nötig wäre. Ein drittes Beispiel: Tagesmütter übernehmen in ihrer Wohnung alternativ zu einer Kindertagesstätte die Betreuung einzelner Kinder von erwerbstätigen Eltern. In der Regel haben die Tagesmütter gleichalt-rige eigene Kinder, die auch anderweitig personalintensiv zu versorgen wären, wenn die Tagesmutter anstelle ihrer häuslichen Leistung einer anderen Beschäf-tigung nachginge.

Die Deckung eines Versorgungsbedarfs erfolgt in den genannten Fällen durch eine Kombination unterstützender Hilfen mit Selbstversorgung, wobei letztere gestärkt oder überhaupt erst mit der Unterstützung erreicht wird. Bei Tagesmüttern ist nicht selten die Selbstversorgung das Motiv für ihren personel-len Einsatz, weil ihnen die bezahlte Pflege ermöglicht, zu Hause zu bleiben und die eigenen Kinder mit zu versorgen.

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2. Sozialwirtschaft basiert auf Zusammenarbeit Bedenken wir die Natur des sozialwirtschaftlichen Geschehens: In ihm arbeiten Menschen mit Menschen und für sie. Im Unterschied zur Erwerbswirtschaft werden auf der Dienstleistungsseite sozialer Vorhaben keine Produkte waren-förmig hergestellt und fertig an den oder die Leistungsnehmer abgeliefert. Der Personenbezug geht hier soweit, dass die humandienstliche Arbeit als eine am Menschen, als people sustaining bzw. people changing und people processing (Hasenfeld 1983: 5 ff.), zumindest als gemeinsame, die Beteiligten selber betref-fende Arbeit, verstanden wird. Das sozialwirtschaftliche Produkt kommt nicht ohne ihre Nutzer und nur bei ihnen zustande. Insofern sind sie persönlich in den Leistungsprozess eingebunden und können bei Gestaltung des Personaleinsatzes berücksichtigt werden – unabhängig davon, in welchem Beschäftigungsverhält-nis die Mitarbeitenden im Übrigen bei einer sozialwirtschaftlichen Organisation angestellt sind.

Ursprünglich brauchte die Sozialwirtschaft gar keine Professionellen. Sie bestand nämlich in Genossenschaften und Gegenseitigkeitsvereinigungen, in denen man sich zur gemeinschaftlichen Selbsthilfe und gemeinsamen Bewälti-gung von Notlagen zusammenfand. Diese Organisationen waren Versiche-rungsvereine, kooperative Produktiv- oder Konsumgenossenschaften. Bis in die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hieß französischsprachig économie sociale nichts anderes. Daran ist zu erinnern, wenn wir für heute und morgen in der Sozialwirtschaft das Verhältnis von Fachkräften, Hilfskräften und zu er-schließenden Personalressourcen diskutieren. Es ist nicht zwingend, von profes-sionellen Diensten und ihrem Bedarf an Mitarbeitern auszugehen; die Gestal-tung nötiger Versorgung lässt sich auch von den Betroffenen und ihren Ein-satzmöglichkeiten her bedenken.

Die Tatsache der Hilfebedürftigkeit bei Klienten Sozialer Arbeit sollte nicht verdecken, dass diese häufig außerhalb des formellen Hilferahmens aktiv in ihren Belangen sind und durchaus von sich aus Unterstützung im eigenen Lebenskreis finden. Die Humanressourcen und das Sozialkapital von Hilfebe-dürftigen werden aber in der Regel beim Personaleinsatz von Diensten und Einrichtungen, der auf bestimmte personenbezogenen Leistungen und vorhan-dene Expertise zugeschnitten wird, nicht berücksichtigt. Naturgemäß sind die Möglichkeiten von Mitarbeit und Eigenengagement je nach Problematik sehr verschieden, und es muss von professioneller Seite einiges an Motivations-, Mentoren- und Trainingsarbeit getan werden, um Potenziale der Beteiligung zu erschließen. Hierzu gibt es Erfahrungen zum Beispiel mit Seniorengenossen-schaften, in Familienzentren, mit Gruppen von Psychiatrie-Erfahrenen oder von behinderten Menschen, wie sich jene Humanressourcen heben lassen. Dabei

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verlangt eine anders gestaltete Zusammenarbeit, Verteilung von Arbeitslast und Verantwortung auch veränderte Strukturen der Leistungserbringung, die sich nicht wie die gewohnten auf den Einsatz des Fachpersonals und auf ihre Exper-tise konzentrieren.

Zu untersuchen und darzustellen ist, wie sich in der Koproduktion von Wohlfahrt und im Wohlfahrtsmix die Zuständigkeiten von Professionellen, ihren Adressaten und weiteren Personengruppen, die mit betroffen oder beteiligt sind, verschieben und neu justieren lassen. Es wird dazu eine Perspektive für sozialwirtschaftliche Unternehmen zu erörtern sein, in der sie innovativ mit ihren Nutzern solche betrieblichen Arrangements entwickeln, in denen näher an den Adressaten (gemeinde- und haushaltsnah, im Sozialraum und niedrigschwellig) ihre Potenziale der Mitarbeit und selbständigen Gestaltung realisiert werden. Darauf bezogen ergeben sich dann auch neue Aufgaben für das Sozialmanagement an der Schnittstelle von betriebsinterner Personalorgani-sation und der Lebensführung derjenigen, die in eigener und gemeinsamer Wohlfahrtsproduktion mitwirken. 3. Sorgen als humane Ressource Es gibt in der Altenpflege, in der Jugendhilfe oder der Behindertenhilfe und allgemein in der sozialen und gesundheitlichen Versorgung viel mehr „Sorge-personal“ als gewöhnlich im Personalmanagement der sozialwirtschaftlichen Unternehmen in Betracht gezogen wird. Der 6. Altenbericht der Bundesregie-rung 2010 stellt fest, dass von den pflegebedürftigen Personen in Deutschland knapp 70 Prozent zu Hause bleiben. „Von den zu Hause versorgten Personen werden wiederum etwa 70 % allein von Angehörigen versorgt, ohne dass fach-pflegerische Unterstützung im Rahmen des SGB XI in Anspruch genommen wird.“ (Altersbilder 2010: 358) Das heißt, die pflegenden Angehörigen sind die hauptsächliche Ressource in der Altenpflege. Oft sind sie auch selbstständig in ihrem Lebenskreis um Hilfe bemüht (und darüber hinaus in der Suche nach Haushalts- und Pflegehelferinnen). Sie sollten darin und in ihrer Bereitschaft unterstützt werden, bei einem mit ihnen abgestimmten Arrangement mit dem einen oder anderen Fachdienst oder einer Einrichtung zusammen eine nötige Versorgung zu gestalten.

Die Feststellung, dass Angehörige und Freunde als Pflegepersonen (carers) einen größeren Anteil an der Versorgung pflegebedürftiger, behinderter oder chronisch kranker Menschen haben als die formellen Einrichtungen und Dienste, ist international in verschiedenen Studien getroffen worden (vgl. Dow 2004, Destefanis/Musella 2010, Carers UK 2011). Wie in Deutschland wird in

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anderen entwickelten Ländern immer noch der größere Teil versorgungsbedürf-tiger alter, chronisch kranker und behinderter Menschen in ihrem Haushalt ver-sorgt, auch wenn die demografische Entwicklung dahin führt, dass mehr von ihnen alleinstehend sind. Pflegepersonen (carers) erbringen in Großbritannien informell mit ihren Leistungen einen monetär einzuschätzenden Wert, der grö-ßer ist als das Budget des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) insgesamt (Carers UK 2011).

Man hat im angelsächsischen Raum erkannt, dass eine Unterstützung die-ser informellen Versorgung verlangt, die Gegenüberstellung von „Laienpflege“ und professioneller Expertise und beider Abgrenzung voneinander aufzugeben und Sorgearbeit (care work) als eine gemeinsame Aufgabe und Leistung zu verstehen. In der nötigen Kooperation sind die Pflegepersonen mit ihrem Wis-sen und Können als Partner auf Augenhöhe wahrzunehmen. Von den Professio-nellen kann erwartet werden, dass sie ihre Expertise per Beratung und Anleitung in die gemeinsame Sorgearbeit einbringen.

Was für die Pflege im Alter oder bei Behinderung gilt, betrifft auch die Jugendhilfe und hier die Kompetenz von Eltern. Von ihnen wird die Versorgung und Erziehung von Kindern zum größten Teil und die längste Zeit wahrgenom-men. Und wo sie Hilfe brauchen, kann versucht werden, in erster Linie ihren Einsatz zu stützen, statt ihn durch Fremdversorgung zu ersetzen. Alleinerzie-hende Mütter kümmern sich von sich her darum, informell Unterstützung bei anderen Müttern und in der Nachbarschaft zu finden oder formelle Hilfen zu erhalten. Diese ausholende aktive Ressourcenerschließung ist ihre selbständige „Sozialwirtschaft“, wie Margaret Nelson sie in ihrem Buch „The Social Econo-my of Single Motherhood“ detailliert beschrieben hat:

„The phrase social economy reminds us that the survival strategy of single mothers depends on this vast array of interconnections with individuals who can provide money, goods, and help with the task of daily living. It also reminds us that individuals pursue not only ‘mate-rial’ needs but also emotional support and ordinary sociability: Single mothers, like others, want and need to talk, to laugh, to love, to care, and to cry. The term also implicitly conveys the notion that when single mothers involve others in their survival strategies, they engage in the work of sociability: They locate others who can meet their full range of their needs, and they negotiate, discuss reciprocal obligations, and make compromises” (Nelson 2005: 5).

Seit einigen Jahren kommt man in Vernetzungsstrategien in der Jugendhilfe den Müttern bzw. den Familien in Eltern-Kind-Zentren bzw. Familienzentren entge-gen, für die sich Kindertagesstätten in Verbindung mit anderen Sozial- und Gesundheitsdiensten qualifizieren. Die Mitarbeit der Eltern wird erwartet und ihre Kompetenz in eigenen Belangen anerkannt; Versorgung geht in ihr eigenes Sorgen über und vice versa.

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Die Gesichtspunkte häuslicher Lebensgestaltung und Alltagsbewältigung gehen, wenn Kindertagesstätten wirklich zu Zentren auch für die Eltern werden, in die Gestaltung der Abläufe in der Institution und in deren Personalorganisati-on ein. So gibt es beispielsweise in Stuttgart derzeit 38 Eltern-Kind-Gruppen, in denen „Mithelfen Pflicht ist“. Die Eltern übernehmen abwechselnd Ämter, sie kochen, putzen und übernehmen stundenweise auch die Betreuung von Kindern in der Einrichtung oder bei sich zu Hause. Insbesondere für Alleinerziehende kann die Gruppe so etwas wie eine große Familie bedeuten. (Artikel in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 7.2.2011: „Das Engagement der Eltern ist das A und O“, Katermann 2011).

Mitgestalten lässt sich auch der Zuschnitt formeller Hilfen zur Erziehung und damit der nötige personelle Einsatz, indem diese Hilfen erst einmal infor-mell ausgelotet werden. Als Instrument ist zu diesem Zweck der sogenannte „Verwandtschaftsrat“ oder „Familienrat“ eingeführt worden. Als Betroffenenbe-teiligung in der Hilfeplanung setzt sich diese Beratung erst einmal von den for-mellen Versorgungsformen ab und klärt, welche informellen Möglichkeiten der Problembewältigung gesehen werden und was komplementär oder kompensato-risch von der Jugendhilfe erwartet wird (Früchtel/Budde 2003). Hierbei kann im Ergebnis eine angemessene Unterstützung von Eltern bzw. eine Begleitung der Familie vereinbart werden, die personell viel weniger aufwändig ist als eine außerhäusliche, gar stationäre Hilfe zur Erziehung und nachhaltiger als ständige Interventionen zum Kinderschutz. 4. Was akut nottut und was dauernd möglich ist In der Akutversorgung wird selbstverständlich erwartet, dass professionell und möglichst hochqualifiziert geholfen wird. Egal ob in der ärztlichen Behandlung, in der Jugendhilfe oder bei Krisen und Konflikten in besonderen Lebenslagen. Hier sollen Lösungen rasch zur Stelle sein und das Personal wird kurzzeitig gebraucht. Anders bei einer chronischen, andauernd erforderlichen Versorgung. Herkömmlich wird bei ihr an eine stationäre Unterbringung im Krankenhaus, Pflegeheim oder Kinderheim gedacht – mit der umfangreichen Personalausstat-tung in diesen Einrichtungen. Die Unterstützung, Behandlung und Begleitung von Menschen mit chronischen gesundheitlichen und sozialen Problemen er-folgt aber tatsächlich, wie eben beschrieben, weit überwiegend extramural, indem diesen Menschen in ihrem eigenen Lebenskreis und bei ihrer selbständi-gen Lebensführung geholfen wird. Die Beurteilung der personellen Erfordernis-se ist deshalb hier eine ganz andere als im stationären Rahmen.

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Der Engpass beim Personaleinsatz ist in Humandiensten vor allem ein zeitlicher. Bei einem andauernden häuslichen Versorgungsbedarf lässt sich nun der Einsatz von Fach- und Hilfskräften optimieren, indem er in einem individu-ellen Zeitmanagement mit denen abgestimmt wird, die ihn in ihrer selbständigen Lebensführung oder in der Versorgung durch Angehörige oder in einer Form des Betreuten Wohnens brauchen. Der Bedarf ändert sich und wechselt im Zeit-verlauf. Werden zum Beispiel für pflegende Angehörige von vornherein und planmäßig, bevor sie sie sich verausgabt haben, Freizeiten vorgesehen, können sie die Belastungen länger und besser durchhalten. Die Abstimmung setzt die Anerkennung voraus, dass die Belange der Sorgenden den Vorrang vor den dienstlichen Belangen haben und diese sich jenen anpassen.

An dieser Stelle ist sorgetheoretisch anzumerken, dass der Horizont des Sichkümmerns von Menschen um ihr eigenes und gemeinsames Wohl ein ande-rer ist als der Horizont des Systems, in dem Sozialleistungen erbracht werden. In diesem System werden disziplinär und professionell bestimmte Probleme und Befunde aufgegriffen, die im persönlichen und familiären Leben in einem ande-ren Zusammenhang und mit einem anderen Stellenwert vorkommen. Caring, sich kümmern, umfasst im eigenen Dasein alles „that we do to maintain, con-tinue, and repair our ‚world’ so that we can live in it as well as possible. That world includes our bodies, our selves, and our environment, all of which we seek to interweave in a complex, life-sustaining web.” (Tronto 1993: 103) An dieses Netz, das im Sorgen ausgeworfen wird, sollte formelle Versorgung an-knüpfen und nach einem Arrangement gesucht werden, das in zeitlicher wie in inhaltlicher Hinsicht möglichst ergänzt, was Sorgende selber wollen und kön-nen, und es nicht ersetzt.

Die Professionellen brauchen dafür eine transdisziplinäre Orientierung, in der ihr Wissen und Können auf die ganze Lebenssituation von Personen und die praktischen Erfordernisse in dieser Situation anwendbar werden. In diesem Horizont besteht nicht die Asymmetrie einer Beziehung, in der die einen sich beruflich auskennen und die anderen von dieser Kenntnis und diesem Können abhängen. In Belangen ihrer Lebensgestaltung sind vor allem die Betroffenen Experten. Die ihre disziplinären Domänen behauptenden Sozial- und Gesund-heitsberufe müssen in einem ihrem System der Versorgung ungewohnten An-wendungskontext des Sorgens Kompetenz erreichen.

Auf der Steuerungsebene des Systems geht es nicht nur darum, in Organi-sationen und Unternehmen eine integrierte Versorgung zu beginnen und auf dem Weg zu halten, sondern auch darum, diese Versorgung personalisiert zu arrangieren. Die gesuchten Arrangements (vgl. Wendt 2010) sind keine primär inner- und interorganisatorischen, sondern solche der Verkoppelung formeller und informeller Lösungen. Erwartet wird im Care Management eine sozial-

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räumliche Vernetzung von gemeinschaftlicher Selbsthilfe, nahräumlichen Be-ziehungen zur Nachbarschaftshilfe (Günther 2005), freitätigem Engagement mit Dienstleistungen verschiedener Art. „Assistenznetze“ erfüllen diesen Zweck (in Verbindung mit einem Integrationsfachdienst) für Menschen mit Behinderun-gen; Pflegestützpunkte nehmen diese Aufgabe gemäß § 92 c SGB XI wahr. Wie bei einem „Pflegenetzwerk“ kann sich ein „Elternnetzwerk“ um ein Familien-zentrum herum entwickeln, das als Knotenpunkt nicht nur Angebote der Betreu-ung, Bildung und Beratung bündelt, sondern die Kompetenzen von Eltern dazu heranzieht. Da sich die individuellen Bedarfe mit der Lebenssituation ändern, bilden die Netze eine Ressource an Rat und variabler Unterstützung. 5. Im Management des Sorgens verbunden Care erfolgt in Zuwendung und Achtsamkeit (Conradi 2001). Sie ist nicht nur in der Grundhaltung einer sorgenden Person gefragt, sondern auch beim Einsatz des Personals in einer kooperativen Sorgearbeit. Im Horizont einer individuellen oder lebensgemeinschaftlichen Situation kann effizient gehandelt und geholfen werden, wenn die Betroffenen und Beteiligten sich gut aufeinander verstehen. Das mindert, ökonomisch gesehen, die Transaktionskosten. Sozialwirtschaftlich passt sich das Personalmanagement eines Dienstleisters an die fallweise gege-bene Situation an, indem es auf das Management des Sorgens im Einzelfall und auf die in ihm mögliche „gemischte Wohlfahrtsproduktion“ heruntergebrochen wird: Wie lassen sich Selbsthilfe, selbstgewählte informelle Unterstützung, freiwillige Mithilfe und professionelle Interventionen im Einzelfall momentan und im Zeitverlauf gut verträglich verbinden?

Die personalorganisatorisch achtsame, auf den Einzelfall zugeschnittene Ankoppelung professioneller Leistungen an Sorgeleistungen im Lebenskontext von Menschen bereitet Schwierigkeiten. Statt wie gewohnt informelle Hilfen in das formelle Versorgungsgeschehen einzubeziehen, muss es mehr darum gehen, formelle Versorgung in das informelle Geschehen einfließen zu lassen. Das heißt für das dienstleistende System, nicht eine Zuarbeit für die eigentlich pro-fessionelle Leistung erwarten, sondern es als eine professionelle Aufgabe ver-stehen, der informellen Leistung von Betroffenen, ihren Angehörigen und frei-willig Beteiligten zuzuarbeiten. Ihre Motivation und ihr Engagement wollen gepflegt sein. Empirisch lässt sich zeigen, dass die Professionellen lernen müs-sen, sich auf die nicht ausgebildeten Helfer einzulassen, statt sich von ihnen abzugrenzen. Untersuchungen bei Sozialdienstleistern stützen die These: „Die Kernfrage des freiwilligen Engagements im Kontext sozialer Einrichtungen ist nicht die Gewinnung von Freiwilligen, sondern die Gewinnung der Hauptamtli-

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chen!“ (Roß/Tries 2010: 1) In der Praxis sind die Professionellen zwar die wich-tigsten Ansprechpartner für Helfer, die sich freiwillig beteiligen (wollen), aber es mangelt bei den hauptberuflichen Mitarbeitern an Kommunikation mit ihnen und an einer im direkten Umgang eingeübten Einstellung auf die Gemeinsam-keit der Aufgabe und der Zusammenarbeit in ihr. Es ist mithin erforderlich, die Befähigung des Fachpersonals nachgerade auf der Mikroebene ihres unmittelba-ren Dienstes auf die Organisation der Zusammenarbeit aller Beteiligten zur gemeinsamen Aufgabenerledigung einzurichten (vgl. Eldar 2000).

Weil Sorgearbeit informell, in freiwilligem Einsatz und prädisziplinär von Hilfskräften – Haushalts- und Pflegehelferinnen, Assistenz für behinderte Men-schen usw. – geleistet wird und dieser Einsatz effektiv sein soll, ist zu ihm eben-so eine begleitende Anleitung und Weiterbildung nötig wie die Hauptberuflichen für die Zusammenarbeit qualifiziert sein wollen. Für „best practice“ in der Ko-operation mit Pflegepersonen sind die folgenden Prinzipien als bedeutsam er-kannt worden (Dow et al. 2004: 6): Consideration of the carer as part of the care recipient’s support team; Provision of information to the carer and care recipient that is timely and

presented in a way that they can understand; Accessible, responsive and high quality services for carers and care recipi-

ents; and Enabling choices to be made by carers and care recipients.

Zu erweitern ist der Handlungsspielraum von Pflegepersonen und Pflegebedürf-tigen, ihre Kompetenz in dem Sinne, dass zu ihrer gegebenen Zuständigkeit in der Versorgung mehr Befähigung kommt. Indem ihre Sorgearbeit in die Organi-sation der Versorgung integriert und diese Organisation auf die Sorgearbeit eingerichtet wird, kommt auch die Kompetenz der daran Beteiligten zum Tra-gen.

Unnötig zu betonen, dass in der Partnerschaft der Sorgenden die gegensei-tige Anerkennung und Wertschätzung eine Bedingung des Erfolgs ist. Gegensei-tig heißt hier, dass die informellen häuslichen Leistungen in Pflege, Erziehung, Betreuung und Krisenbewältigung von eingeschalteten Fachkräften hochge-schätzt werden und dass die unmittelbar Sorgenden diese Professionellen als ihnen „nahestehend“ und in ihre Lebensproblematik eingebunden erleben kön-nen.

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6. Personell geteilte Sorge und verteilte Versorgung Kooperation statt Konkurrenz zwischen beruflich Beschäftigten und nicht beruf-lich Mitwirkenden ist die Voraussetzung für das Gelingen und die Effizienz geteilten Sorgens und geteilter Versorgung (Shared Care). Das betrifft in Deutschland nicht zuletzt die Einbeziehung der über 100.000 osteuropäischen Haushalthilfen, die auch (und oft vornehmlich) Pflegedienstleistungen erbrin-gen. Diesem Faktum stehen hierzulande die Fachkräfte ambivalent gegenüber. Wegen des Mangels an Personal wird die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit den zugewanderten Hilfen bei Häuslicher Pflege zwar nicht negiert; sie werden aber eher als Konkurrenz betrachtet (Neuhaus et al. 2009: 74 ff.).

Empirischen Untersuchungen nach „stellt eine gleichzeitige Beschäftigung von ambulantem Pflegedienst und mittel- und osteu-ropäischen Haushaltshilfen in einem Nutzerhaushalt eine weit verbreitete Versorgungsrealität dar. Das wird von den Pflegediensten, den Agenturen und vor allem auch den Haushalten so geäußert. Die Nutzerhaushalte sind mit dieser doppelten (oder dreifachen, wenn die Unter-stützung der Familie mit hinzugezählt wird) Versorgung sehr zufrieden, sie verstehen die Verschränkung der Hilfeformen als gegenseitige Ergänzung.“ (a.a.O.: 95 f.)

Die Autoren der zitierten Studie zum Einsatz der mittel- und osteuropäischen Haushaltshilfen (moH) empfehlen, die synergetischen Potentiale einer doppelten Unterstützung zu nutzen.

„Für alle Beteiligten könnte dieses Versorgungssystem als gegenseitige Ergänzung bzw. Vervollständigung der häuslichen Versorgung der Kunden (inanspruchnehmenden Pflegebe-dürftigen) angesehen werden. Die Pflegedienste wissen ihre Kunden auch während ihrer Ab-wesenheit versorgt und die moH berühren bestimmte medizinisch-pflegerische Anforderun-gen ihrer Kunden nicht. Praktische Lösungsmöglichkeiten könnten daher kooperative Model-le der Zusammenarbeit von professionellen Pflegeanbietern und niedrigschwelligen Angebo-ten und/oder moH sein“ (a.a.O.: 96).

In diesem Kontext obliegt den Pflegediensten die Verantwortung für die Siche-rung der Qualität der Pflege (welche Aufgabe, wie die Autoren fordern, dann zu vergüten sein wird).

Diese Verantwortung ist auch professionell wahrzunehmen, wenn Unter-stützung in den virtuellen Raum der Informations- und Kommunikationsmedien verlagert wird und die persönliche Betreuung größtenteils und zeitweise über bildbasierte Haus-Tele-Dienste oder in anderer Weise – wie in Anbindung an eine „virtuelles Altenheim“ – abläuft. Zwar sind besonders bedürftige Perso-nengruppen weniger in der Lage, sich der IuK-Medien zu bedienen, aber die Nutzung dieser Möglichkeiten ist ausbaufähig und schreitet sichtlich voran. Immerhin kann eine Fachkraft, die telekommunikativ mit ihren Klienten oder

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Patienten verbunden ist, in der verfügbaren Zeit mehr erreichen als eine Fach-kraft, die zeitaufwändig zu Hausbesuchen unterwegs ist. Ob ein solcher Besuch nötig ist, lässt sich über das eine oder andere Medium kurzfristig klären. Das Informationsmanagement im Netz wird unerlässlich für das Erreichen und Er-halten von Nähe bei voneinander entfernten Humanressourcen in der Sorgear-beit und dem Personal einer diversifizierten Versorgungsarbeit. 7. Organisation der Assistenz Die Ressource Personal ist in der Sozialwirtschaft knapp und ihre optimale Nutzung deshalb eine dringliche Aufgabe. Rücken wir die individuelle und gemeinschaftliche Selbstsorge und Leistungen im Lebenskreis der Adressaten sozialer und gesundheitlicher Versorgung in den Fokus der Betrachtung, lassen sich an jene Eigenaktivitäten unterstützende und komplementäre professionelle Dienste und weitere Hilfen anschließen. Prinzipiell bedeutet das, in Assistenz persönlicher und häuslicher Problembewältigung eine abnehmerorientierte Wohlfahrtsproduktion schlank und flexibel zu organisieren. Der Personaleinsatz erfolgt dabei nach den Prozesserfordernissen im Einzelfall.

Von der Schwierigkeit, für solche Erfordernisse im sozialwirtschaftlichen Betrieb eine angemessene Leistungsbereitschaft vorzuhalten, soll nicht abgese-hen werden. Professionelle Organisationen sind primär mit sich selbst beschäf-tigt, pflegen ihre Abläufe, halten an ihren Verfahren fest und ziehen dazu ihr „Patientengut“ oder das „Kundenpotenzial“ heran, statt sich selber als Potenzial für allfällige individuelle Arrangement von und für Sorgende bereit zu halten. Aber je näher der Betrieb denen kommt, für die er tätig ist, desto eher kann er sich auf sie auch personell einrichten und in einer mit ihnen abgestimmten Sor-ge und Versorgung nützlich machen. Was die Organisation der Assistenz für Nutzer per Anstellung professionellen Personals angeht, kann international auf Beispiele von Sozialgenossenschaften in Italien, in Skandinavien und anderen Ländern verwiesen werden. Professionelle Assistenz lässt sich natürlich nicht nur in der Rechtsform einer Genossenschaft leisten, sondern kann über ein Case Management von jedem Sozialunternehmen organisiert werden.

Mit den Sorgenden kooperieren stellt an die Professionellen auf der Ver-sorgungsseite nicht geringere, sondern höhere Anforderungen an ihre Kompe-tenz in der Verbindung von Lebensführungsproblemen mit dienstlichen Lösun-gen. In der Zusammenarbeit mit nicht ausgebildeten und unmittelbar Betroffe-nen, mit freiwillig Mitwirkenden oder ehrenamtlich Engagierten und in Vernet-zung mit anderen Stellen und Diensten ist in der Personalorganisation eine sozi-ale Steuerungskultur (social governance) zu erwarten, die in ökonomischer und

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ethischer Verantwortung und in Wertschätzung füreinander – und damit eben sozialwirtschaftlich – mit den Humanressourcen umzugehen und sie einzusetzen weiß.

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8. Literatur Altersbilder in der Gesellschaft (2010): Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der

Bundesrepublik Deutschland. Bericht der Sachverständigenkommission an das Bundesministe-rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Berlin

Carers UK, Lisa Buckner and Sue Yeandle (2011): Valuing Carers 2011. Calculating the value of carers’ support. London: Carers UK

Conradi, Elisabeth (2001): Take Care. Grundlagen einer Ethik der Achtsamkeit. Frankfurt am Main: Campus

Destefanis, Sergio/Musella, Marco (2010): Paid and Unpaid Labour in the Social Economy. An International Perspective. Berlin: Springer

Dow, Briony et al. (2004): What Carers Value. Review of Carer Literature and Practice. Melbourne: Victorian Government Department of Human Services

Eldar, Reuben (2000): Integrated Institution – Community Rehabilitation in Developed Countries. A Proposal. In: Disability and Rehabilitation 22. 6. S. 266-274

Früchtel, Frank/Budde, Wolfgang (2003): Ein radikales Verständnis von Betroffenenbeteiligung in der Hilfeplanung. In: Sozialmagazin 28. 3. S. 12-21

Günther, Julia (2005): Das soziale Netz der Nachbarschaft als System informeller Hilfe. In: Grup-pendynamik und Organisationsberatung 36. 4. S. 427-442

Hasenfeld, Yeheskel (1983): Human Service Organizations. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall Katermann, Viola (2011): Das Engagement der Eltern ist das A und O. In: Stuttgarter Zeitung Nr.

30. 7. Februar 2011. S. 18 Knobloch, Ulrike (2009): Auf dem Weg zu einer Sorgeökonomie. In: Sozialwirtschaft 19. 1. S. 14-

18 Knobloch, Ulrike (2009): Sorgeökonomie als allgemeine Wirtschaftstheorie. In: Olympe, Feministi-

sche Arbeitshefte zur Politik 30. S. 27-36 Nelson, Margaret K. (2005): The Social Economy of Single Motherhood. Raising Children in Rural

America. New York: Routledge Neuhaus, Andrea/Isfort, Michael/Weidner, Frank (2009): Situation und Bedarf von Familien mit

mittel- und osteuropäischen Haushaltshilfen. Projektbericht. Köln: Deutsches Institut für ange-wandte Pflegeforschung e.V.

Noddings, Nel (1984): Caring. A Feminine Approach to Ethics and Moral Education. Berkeley, CA: University of California Press

Razavi, Shahra (2007): The Political and Social Economy of Care in a Development Context. Conceptual Issues, Research Questions and Policy Options. Gender and Development Pro-gramme Paper Number 3. Genf: UNRISD

Roß, Paul-Stefan/Tries, Hilli (2010): Die Kernfrage des freiwilligen Engagements ist die Gewin-nung der Hauptberuflichen. In: Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 10/2010 vom 28.05.2010

Schmid, Wilhelm (1995): Selbstsorge. Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 9. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 528-535

Tronto, Joan C. (1993): Moral Boundaries. A Political Argument for an Ethic of Care. London: Routledge

Wendt, Wolf Rainer (Hrsg.) (2010): Wohlfahrtsarrangements. Neue Wege in der Sozialwirtschaft. Baden-Baden: Nomos

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AutorInnenverzeichnis Herbert Bassarak, Jahrgang 1949, Verwaltungsfachkraft, Diplom-Sozialarbeiter, Dr. der Erziehungswissenschaft, Jugendamtsleiter ab 1977, Pro-fessor für Sozialarbeit und Sozialpädagogik an Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg, Fakultät Sozialwissenschaften, seit 1985. Arbeitsschwerpunkte: Sozi-almanagement, Sozialwirtschaft, Öffentliches Dienstleistungsmanagement, Qualitätsmanagement, Jugendarbeit, Schulsozialarbeit, Hilfen zur Erziehung, Gemeinde-, Sozial- und Jugendhilfeplanung, Sozialraumanalysen, Organisati-onsentwicklung einschließlich Personalentwicklung, Modernisierung des öffent-lichen Sektors, insbesondere der kommunalen Sozialverwaltungen, ASD/KSD, Führen und Leiten, Teamentwicklung, Teamarbeit, Supervision, Coaching so-wie Netzwerkarbeit und kommunale Netzwerkpolitik. Kontakt: [email protected] Karl-Heinz Boeßenecker, Jahrgang 1947, Dr. phil., Gründer und bis 2009 Leiter des Forschungsschwerpunktes Wohlfahrtsverbände/Sozialwirtschaft der FH Düsseldorf. U.a. Professuren für Soziologie, Soziale Arbeit und Sozialma-nagement an der Universität Siegen sowie der Hochschule des DRK in Göttin-gen. Bis Eintritt in den Ruhestand Dekan/Vizepräsident und Professor an der HAW Hamburg. Aktuell angesiedelt am Institut für Zukunftsfragen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft, Evang. Hochschule Darmstadt. Kontakt: www.izgs.de Paul Brandl, Jahrgang 1954, Mag. Dr. Prof. (FH), Universitätsassistent am Institut für Pädagogik und Psychologie, Abteilung Wirtschaftspädagogik, Päda-gogischer Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung, der Personalentwicklung sowie im Personalmanagement einer großen Öffentlichen Verwaltung, Professor für Organisationsentwicklung und Prozessmanagement an der FH Oberöster-reich, Fakultät für Gesundheit und Soziales seit 2004, dzt. Koordinator des Stu-dienganges Sozialmanagement. Arbeitsschwerpunkte: Prozessmanagement bei Anbietern sozialer Dienstleistungen, insbesondere der mobilen und stationären Altenhilfe, Entwicklung von Dienstleistungen ebenda, Zusammenlegen von Prozessen in der interkommunalen Zusammenarbeit. Kontakt: [email protected]

H. Bassarak, S. Noll (Hrsg.), Personal im Sozialmanagement, DOI 10.1007/978-3-531-94268-1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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212 AutorInnenverzeichnis

Stefan Gesmann, Jahrgang 1977, Groß- und Außenhandelskaufmann, Diplom-Sozialpädagoge, M.A. - Sozialmanagement, Zertifikatsstudium Systemic Mana-gement (TU Kaiserslautern), Doktorand an der Universität Tübingen. Jahrelange Tätigkeit in einer Personalberatung, Fachbereichsleiter und Mitglied der Ge-schäftsführung bei einem Träger der Jugendberufshilfe, seit 2008 Leiter des Referats Weiterbildung am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Müns-ter: www.weiterbildung-sozialwesen.de Kontakt: [email protected] Klaus Grunwald, Jahrgang 1962, Dr. rer. soc., Diplompädagoge, Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart, Fakultät Sozialwesen, dort Prodekan der Fakultät Sozialwesen, Leiter des Studiengangs „Soziale Ar-beit in Pflege und Rehabilitation“ und Verantwortlicher für das Modul „Öko-nomie und Management der Sozialen Arbeit“. Ab 1992 langjähriges freiberufli-ches Engagement in der Beratung und Entwicklung von Einrichtungen der sozi-alen Arbeit und in der Fortbildung und im Coaching von Leitungskräften der Sozialwirtschaft sowie wiss. Mitarbeiter bei Prof. Dr. Hans Thiersch am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen, 2001 Wechsel an die Berufsakademie Stuttgart. Arbeitsschwerpunkte: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit, Soziale Arbeit in Pflege und Rehabilitation, Sozialmanagement und Sozialwirtschaft sowie Organisationslehre, -gestaltung und -entwicklung. Kontakt: [email protected] Michael Herzka, Jahrgang 1964, Dr. phil., Soziologe, Master of Business Ad-ministration, Diploma of Advanced Studies in Law and Business Ethics; Dozent und Studienleiter des MAS Sozialmanagement an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Departement Soziale Arbeit; langjährige Tätigkeit im Nonprofit-Sektor in Fach- und Führungsfunktionen (Bildung, Gesundheit, Internationale Zusammenarbeit). Arbeitsschwerpunkte: Sozialmanagement, Führung in Nonprofit-Organisationen. Kontakt: [email protected] Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1951, Dozent an der Bundesakademie für Kir-che und Diakonie gGmbH (BAKD) und an der Führungsakademie für Kirche und Diakonie gAG (FAKD). Er ist dort u. a. für die Themen Management in sozialen Organisationen und Personalentwicklung verantwortlich. Kontakt: [email protected]

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AutorInnenverzeichnis 213

Bernd Maelicke, Jahrgang 1941, Dr. jur., 1974-1978 Akademieleiter beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, Frankfurt; 1978-1990 Direktor des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS), Frankfurt; 1990-2005 Ministerialdirigent im Ministerium für Justiz, Jugend und Frauen, Kiel; seit 2005 Direktor des Deutschen Instituts für Sozialwirtschaft (DISW), Lüneburg/Kiel, Honorarprofessor an der Leuphana Universität, Lüneburg. Ar-beitsschwerpunkte: Management in der Sozialwirtschaft, Innovationen in der Seniorenwirtschaft, Devianzmanagement. Kontakt: [email protected] Andreas Markert, Jahrgang 1966, Diplom-Soziologe, Dr. phil., Studium und Promotion an der Universität Bielefeld, ist seit 2005 Professor für Sozialar-beitswissenschaft an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Hochschule Zittau/Görlitz. Arbeitsschwerpunkte: Theorie und Empirie sozialer Dienste, sozialwissenschaftliche Praxisforschung, soziale Probleme und soziale Arbeit, Sozialmanagement und Sozialwirtschaft, Sozialberichterstattung. Kontakt: [email protected] Brigitta Nöbauer, Jahrgang 1963, Dr. rer. soc oec., Studium Romanistik, Be-triebswirtschaft und Wirtschaftspädagogik in Wien und Linz, Universitätsassis-tentin, seit 2008 Professorin für Personalmanagement an der Fachhochschule Oberösterreich, Fakultät für Gesundheit und Soziales. Arbeitsschwerpunkte: Generationensensible Personalarbeit, Personalbeschaffung und –auswahl, Integ-ration neuer MitarbeiterInnen, Mitarbeiterbindung, Kompetenzmanagement, Laufbahnplanung und –entwicklung. Kontakt: [email protected] Sebastian Noll, Jahrgang 1975, Dr. rer. pol., Abschluss als Diplom-Verwaltungswissenschaftler an der Universität Leipzig, dipl. Verbands-/NPO-Manager, Universität Freiburg/Schweiz. Mitarbeiter der Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig (bbvl), Assistentenstelle an der Universität Leipzig. Seit 2008 Berater bei der Beratergruppe für Verbands-Management (B’VM) in Bern und Stuttgart, Lehrbeauftragter an der Evang. Hochschule Ludwigsburg im Masterstudiengang „Organisationsentwicklung – Beratung und Leitung in sozialen Organisationen“. Arbeitsschwerpunkte: Sozial- und Nonprofit-Management, Organisationstheorien, Steuerung der Sozialwirtschaft, Kommunalpolitik. Kontakt: [email protected]

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214 AutorInnenverzeichnis

Wolf Rainer Wendt, Jahrgang 1939, Dr. phil., Diplom-Psychologe, Case Ma-nager (DGCC) und Case Manager Ausbilder. Von 1969 bis 1977 beim Jugend-amt Stuttgart Abteilungsleiter Sozialpädagogische Heime, Adoptions- und Pfle-gestellenwesen. Ab 1978 Professor und Leiter des Studienbereichs Sozialwesen der Berufsakademie Stuttgart. 2004 Honorarprofessor der Universität Tübingen. Arbeitsschwerpunkte: Sozialwirtschaftslehre, Case Management, Sozialarbeits-wissenschaft (ökosoziale Theorie), Geschichte der Sozialen Arbeit. Kontakt: [email protected] Carsten Wirth, Jahrgang 1962, Dr. rer. pol., Diplom-Volkswirt, Promotion in Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin, seit 1992 freiberufli-che Tätigkeiten in der politischen und beruflichen Erwachsenenbildung, Mitar-beiter einer Unternehmungsberatung, hauptamtlich Lehrender an der Fachhoch-schule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Arbeitsverwaltung, in Mannheim, seit 2008 Professor an der Hochschule für angewandte Wissen-schaften Kempten für Verwaltung und Netzwerkarbeit in der Sozialwirtschaft im Studiengang Sozialwirtschaft. Arbeitsschwerpunkte: Arbeit, Organisation und Netzwerke in und jenseits der Sozialwirtschaft Kontakt: [email protected]