Phosphin bei der Verbrennung phosphorhaltiger Abfälle · 1. Veranlassung Der Bedarf zur...

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Phosphin bei der Verbrennung phosphorhaltiger Abfälle Autoren: Dr. Wolfgang Spiegel Dr. Renate Jordan Dipl.-Min. Wolfgang Müller Dipl.-Chem. Kathrin Gruber Priv.-Doz. Dr. Soraya Heuss-Assbichler CheMin GmbH, Augsburg Anschrift: Am Mittleren Moos 48 86167 Augsburg Tel. 0821 74839 0 [email protected] Beitrag zum VDI-Seminar „Klärschlamm / Tiermehl / Biogene Abfälle“ am 14./15. 2. 2002 in Bad Homburg CheMin GmbH, Augsburg, VDI-Seminar, 02/2002, Spiegel Jordan Müller Gruber Heuss-Aßbichler 1

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Phosphin bei der Verbrennung

phosphorhaltiger Abfälle

Autoren: Dr. Wolfgang Spiegel

Dr. Renate Jordan

Dipl.-Min. Wolfgang Müller

Dipl.-Chem. Kathrin Gruber

Priv.-Doz. Dr. Soraya Heuss-Assbichler

CheMin GmbH, Augsburg

Anschrift: Am Mittleren Moos 48

86167 Augsburg

Tel. 0821 74839 0

[email protected]

Beitrag zum VDI-Seminar „Klärschlamm / Tiermehl / Biogene Abfälle“ am 14./15. 2. 2002 in Bad Homburg

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Struktur des Seminarbeitrags:

1. Veranlassung

2. Randbedingungen der Bildung von Phosphin

3. Stand des Wissens

4. Bedarf an Wissen

5. Betreiberseitige Maßnahmen

Anhang: 2 Tafeln

Vorbemerkungen:

- Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die mit Rost-feuerungen betriebenen Anlagen zur thermischen Abfallbehandlung. Wirbelschicht- und Brennerfeuerungen werden nicht einbezogen, da den Autoren für diese Feuerungs-techniken keine Daten zum Thema vorliegen.

- Für den Begriff „Phosphin“ gibt es auch die synonym gebrauchten Bezeichnungen Phosphorhydrid, Phosphorwasserstoff, Phosphan und im erweiterten Sinne auch Diphosphin, Polyphosphine und organische Phosphinderivate. Nachfolgend wird der Begriff Phosphin verwendet. Chemische Daten: Phosphin PH3 farbloses Gas Sdp. –87.8°C Zündtemp. ca. 150°C Diphosphin P2H4 farblose Flüssigkeit Sdp. +63.5°C selbstentzündlich

- Meßwerte zu Phosphin in Luft werden in diesem Beitrag in vol.-ppm (= ml/m3) angegeben.

- Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf den „normalen“ Betriebszustand. Ergänzend ist aber darauf hinzuweisen, daß für einzelne MVA-Standorte Erfahrungen vorliegen, daß im Falle von Betriebsstörungen auch im Bereich der Feuerung mit dem Auftreten von Phosphin zu rechnen ist, je nach Art der Betriebsstörung auch in sehr hoher Konzentration (Reaktivität erzeugt durch Luftfeuchtigkeit bzw. Löschwasser). Bei Begehungen des Rostes nach Störungen - auch bei weitgehend gereinigtem Rost - sollte dieses Reaktionspotential berücksichtigt werden.

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1. Veranlassung

Der Bedarf zur Thematisierung bestimmter betrieblicher Situationen an Standorten zur thermischen Behandlung von Abfällen unter dem Stichwort „Phosphin“ ergibt sich aus folgenden Sachständen:

• Die Betreiber mehrerer MVA-Anlagen in Deutschland haben anhand orientierender Messungen1 festgestellt, daß die Konzentration von Phosphin in der Luft an bestimmten Orten im Betrieb einen Bereich von > 1 ppm erreichen kann.

• Hierbei handelt es sich um Orte des Schlackenaustrags und der Schlackenbehandlung oder –lagerung, d.h. Nassentschlacker, Transportbänder etc. für die Schlacke und auch Zwischenlagerorte (z.B. Schlackebunker). Zu anderen betrieblichen Orten von MVA´s liegen noch keine durch Messung der Konzentration von Phosphin erhobenen Daten vor (soweit den Autoren bekannt, ausgenommen Betriebsstörungen).

• Die orientierenden Phosphin-Messungen in der Luft im Umfeld der Naßentschlacker haben für einen Teil der - anhand der Messungen bewertbar gewordenen - MVA-Standorte ergeben, daß am jeweiligen Messort starke Schwankungen in Zeiträumen von Tagen bis Wochen auftreten, d.h. es ergibt sich - für einen Teil der Standorte - kein Hinweis auf eine relativ konstante, in die Luft freigesetzte Fracht. Diese Beobachtung weist auf einen direkten Einfluß der variablen Betriebszustände auf die freigesetzte Fracht an Phosphin hin (z.B. Anteil der Phosphatträger im Brennstoff).

• Sofern dem Brennstoff Produkte der Tierkörperbeseitigung (meist Tiermehl) beigemischt sind, haben alle bisher durchgeführten Untersuchungen (soweit den Autoren bekannt) folgenden Zusammenhang ergeben: MVA mit Anteilen von Tiermehl im Brennstoff weisen Luftbereiche im Umfeld des Entschlackers auf, deren Konzentration an Phosphin > 0.1 ppm ist, häufig > 1 ppm.

• Erste Testfahrten mit unterschiedlichem Tiermehlanteil im Brennstoff (viel-wenig-Szenarien bzw. Vorher-Nachher-Messungen zum Ende der Anlieferung von Tiermehl) ergaben für die drei diesbezüglich den Autoren bekannten MVA-Standorte überein-stimmend den Befund, daß ein positiver Zusammenhang zwischen Tiermehl und Menge an Phosphin besteht. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf „Tiermehl-bedingte“ Frachten an Phosphin. Die beschränkte Datenbasis genügt aber (noch) nicht als Beweis für diesen

1 Die Messungen wurden mit mobilen Geräten der Firmen Dräger bzw. Auer seitens der Betreiber und auch seitens CheMin durchgeführt. Dabei handelt es sich um Gasspürröhrchen mit den Messbereichen 0.01 bis 100 ppm und um mobile Gasmessgeräte (Dräger). Querempfindlichkeiten liegen bei den Gasspürröhrchen - laut Herstellerangaben - nur für Gase vor, die im Entschlackerumfeld von MVA´s als nicht relevant eingestuft werden können. Grundsätzlich lassen sich - zum jetzigen Zeitpunkt - Fehlmessungen und Artefakte allerdings nicht ausschließen, d.h. die Daten stehen „unter Vorbehalt“.

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Zusammenhang.

• Für einen MVA-Standort konnte (übereinstimmend für 2 Linien) eine Konzentration von ca. 0.2 ppm Phosphin in der Luft direkt über dem Entschlackerwasser gemessen werden, ohne daß an diesem Standort Tiermehl verbrannt wird. Ein Teil des Brennstoffs an diesem Standort ist Klärschlamm (kommunale Quellen).

Zur Balancierung der obigen - für eine thematische Einordnung herangezogenen - Aus-sagen ist folgendes zu ergänzen:

• Bei den orientierenden Messungen konnten an mehreren MVA-Standorten keine Phosphinkonzentrationen oberhalb der gegebenen Messempfindlichkeit (hier 0.01 ppm) nachgewiesen werden. Dieser Befund wurde bei Wiederholungsmessungen mit einem Zeitversatz von einigen Tagen bestätigt. Damit besteht zumindest die Möglichkeit, daß bestimmte MVA-Standorte zur Zeit für die Thematik „Phosphin“ keinen Bezug aufweisen.

• Die orientierenden Messungen wurden als „Schnüffelmessungen“ durchgeführt, d.h. es wurde gezielt nach den höchsten Phosphinkonzentrationen in der Luft gesucht. Dabei wurde nicht darauf geachtet, daß der Messort bestimmte Wechselwirkungs-voraussetzungen erfüllt (d.h. kein Bezug zu Arbeitsplätzen, Atemhöhe, Zugänglichkeit etc.). Derartige Messungen (eigene und Betreiber) eignen sich demnach nicht für Arbeitsschutz-bezogene Einstufungen (MAK).

• Die bisher durch Messungen erfaßten MVA-Standorte weisen unterschiedliche technische Lösungen für die Naßentschlackung (Wassermenge, Brüdenabschluss etc.) und für die Weiterbehandlung der Schlacke auf. Gleichfalls gibt es Unterschiede bei der Feuerung, der Feuerungsregelung und dem „Brennstoffmix“ (z.B. kommunale / gewerbliche Abfälle). All diese Begleitumstände beim Übergang vom Brennstoff zur Schlacke wurden bisher noch nicht gewichtend in die orientierenden Messungen einbezogen.

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2. Randbedingungen der Bildung von Phosphin

Vorbemerkung: Es muß zum aktuellen Zeitpunkt (Frühjahr 2002) betont werden, daß der Nachweis für die nachfolgend skizzierten Prozesse auf dem MVA-Rost, d.h. die Bildung von elementarem Phosphor und von Phosphiden (insbesondere Aluminiumphosphid), bisher noch sehr lückenhaft ist. Zur Zeit ist dieses Szenario eher durch Indizien gestützt als durch gesicherte Befunde.

Die Verbrennung auf dem Rost beruht auf den pyrolytischen Reaktionen im Brennstoff-inventar. Das bedeutet grundsätzlich, daß in mehr oder weniger ausgedehnten Bereichen der Brennstoffschüttung reduzierende Atmosphäre auftritt. Ein Beispiel für den Nachweis reduzierender Milieus im Gutbett zeigt Bild A in Tafel 1 anhand von Entmischungen reduzierter Eisenoxide (Wüstit) in einem MVA-Schlackekorn.

Die reduzierende Atmosphäre im Gutbett bei hohen Temperaturen kann zur Freisetzung von elementarem Phosphor aus Phosphor-/Phosphatquellen (z.B. organische Verbindungen) führen, d.h. Reduktion der Phosphorverbindungen durch Reaktion mit „Kohlenstoff“.

Als Phosphor-/Phosphatquellen kommen vor allem Klärschlamm, Grünabfälle, Fleischreste, Dünger, Futtermittel, Waschmittel u.ä. in Frage (die Reihung stellt keine Gewichtung dar). Aber auch viele andere Abfallkomponenten enthalten Phosphorverbindungen in sehr variabler Menge. Bei tierischen Produkten enthält Knochensubstanz mehr Phosphor als Weichsubstanz, jedoch ist die Umsetzung zu elementarem Phosphor aufgrund der Bindung des Phosphors als Calciumphosphat (Apatit) erschwert (aber nicht auszuschließen).

Die nachfolgend aufgelisteten Daten [aus 13, 14, 15 und eigene Analysen] geben einen Überblick zu den Gehalten an Phosphorverbindungen (Mengenangaben ausgedrückt als „Phosphor“) in Brennstoffen und Rückständen mit Relevanz für MVA´s.

Hausmüll 1 bis 4 g/kg Phosphor (in TS)

Klärschlamm 2 bis 55 g/kg Phosphor (in TS)

Getreide 4 bis 10 g/kg Phosphor (in TS)

Gras, Silage, Heu 1 bis 3 g/kg Phosphor (in TS)

Knochenmehl ca. 80 g/kg Phosphor

Tiermehl 10 bis 30 g/kg Phosphor (ca. 20 Gew.-% P in der Asche)

MVA-Schlacke 5 bis 15 g/kg Phosphor (in TS, eigene Daten)

MVA-Filterstaub ca. 6 g/kg Phosphor (in TS, eigene Daten)

Der im Gutbett erzeugte elementare Phosphor (i.e. roter Phosphor) schmilzt im Bereich von ca. 600°C und kann im Zuge der Abkühlung (unterkühlte Schmelzen) weißen Phosphor ausbilden, der mit alkalischen Lösungen (Entschlackerwasser) unter Freisetzung von Phosphin reagiert (vgl. Formel in Tafel 2; Disproportionierung des Phosphor zu Phosphin und Phosphorsäure mit den möglichen Zwischenstufen Phosphinsäure und Phosphonsäure). CheMin GmbH, Augsburg, VDI-Seminar, 02/2002, Spiegel • Jordan • Müller • Gruber • Heuss-Aßbichler

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Eine weitere Möglichkeit für das Vorhandensein von elementarem Phosphor ist der Brennstoff selbst (d.h. bereits als Brennstoffbestandteil „angeliefert“ und nicht erst auf dem Rost gebildet). So wird z.B. in [3] berichtet, daß roter Phosphor in fein verteilter Form in der Funktion eines Flammschutzmittels Bestandteil von PVC und Nylon-Produkten sein kann.

Elementarer Phosphor ist aber nicht die einzige Verbindung, die als Bestandteil der „trockenen“ Schlacke mit dem Entschlackerwasser unter Phosphinbildung reagieren kann. Das gleiche Reaktionspotential weisen auch bestimmte Phosphide auf, die sich aus Phosphorverbindungen und Metallen bei den spezifischen Temperaturen des Gutbetts auf dem Rost bilden können. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß alle technisch eingesetzten Metalle in dieser Weise reagieren können.

Bei den dafür „geeigneten“ Phosphorverbindungen handelt es sich in erster Linie um elementaren (roten) Phosphor. Aber die Literatur [4] beschreibt auch die Reaktion (im Schmelztiegel) von Hydroxylapatit (also z.B. Knochensubstanz) und metallischem Aluminium zu Calciumphosphid und Aluminiumoxid. In diesen Fällen wirkt das Metall als Reduktionsmittel (und reagiert nicht selbst zum Phosphid).

Die Phosphide der Alkali- und Erdalkalimetalle und des Aluminiums hydrolysieren mit Wasser (und damit auch Entschlackerwasser) zu Metall-Hydroxid und Phosphin.

Bei „üblichen“ Brennstoffen dürfte demnach vor allem das metallische Aluminium ein wichtiger Reaktionspartner sein, sowohl für den Reaktionspfad „elementarer Phosphor“ (mit Bildung von Aluminiumphosphid) als auch für den Reaktionspfad „Knochensubstanz“ (mit Bildung von Calciumphosphid). Die Reaktionsfähigkeit des Aluminiums wird auch durch die Tatsache unterstützt, daß Aluminium bei ca. 660°C schmilzt und damit bei „üblichen“ Gutbetttemperaturen Aluminiumschmelzen als Reaktionspartner für die Reduzierung und für die Bildung neuer Feststoffe (Phosphide) zur Verfügung stehen. In Tafel 2 sind einige der grundsätzlich möglichen Reaktionsgleichungen dargestellt, sowie die thermodynamischen Eigenschaften im System Aluminium - Phosphor.

Bild D in Tafel 1 zeigt dazu beispielhaft ein MVA-Schlackekorn mit Resten von metallischem Aluminium. Der größte Teil dieses Korns wurde durch intensive und vermutlich auch heftige Reaktionen weitgehend hydriert. Möglicherweise wurden diese heftigen Reaktionen durch Aluminiumphosphid ausgelöst. Zum Vergleich zeigt Bild C in Tafel 1 ein „normal“ hydriertes Alu-Schlackekorn (d.h. ein randlicher Saum aus Hydriden).

Für das oben beschriebene Szenario gilt also ein grundsätzlich zweistufiger Prozeß:

(1) Zunächst bildet sich auf dem Rost (unter reduzierenden Bedingungen und thermisch induziert) elementarer Phosphor, der mit Metallen - insbesondere Aluminium - zu Phosphiden reagieren kann und/oder es reagieren Phosphate „direkt“ mit Metallen zu Phosphiden (Metall als Reduktionsmittel).

(2) Anschließend kommt es im Entschlacker (induziert durch alkalische Lösungen) zu einer Umwandlung des elementaren Phosphors und/oder der Phosphide unter Freisetzung von Phosphin. Anstelle von Wasser bzw. alkalischen Lösungen reicht bei einigen Phosphiden bereits Luftfeuchtigkeit für eine Umsetzung der Phosphin-freisetzenden Reaktionen. Möglicherweise spielt bei der Umwandlung des elementaren Phosphors auch die

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phosphorige Säure und deren Salze (Phosphite) als „Zwischenprodukte“ im Entschlackerwasser eine Rolle. Diese Zwischenprodukte könnten auch zu einer „gepulsten“ Freisetzung des Phosphins beitragen (d.h. das Entschlackerwasser könnte als „Pufferreservoir“ wirken).

Die verschiedenen, auf dem Rost entstandenen „reaktiven“ Phasen (z.B. elementarer Phosphor, Aluminiumphosphid, Calciumphosphid) für die Bildung von Phosphin weisen unter spezifischen Milieubedingungen des wässrigen Mediums unterschiedliche Reaktivitäten auf. Beeinflussende Randgrößen im Entschlackerwasser können z.B. sein: pH, Eh, Salinität und Temperatur. Mit anderen Worten: Nicht nur die Menge der Startphasen ist entscheidend für die Menge an freigesetztem Phosphin, sondern auch „Umfeldfaktoren“, die durch andere Stoffe in der Schlacke und durch die Verfahrenseigenschaften kontrolliert werden. Damit erscheint es durchaus wahrscheinlich, daß verschiedene MVA-Standorte selbst bei gleichem Potential an reaktiven Phasen deutlich unterschiedliche Frachten an Phosphin im Umfeld des Entschlackers erzeugen können.

Neben den Reaktionen von Brennstoffbestandteilen auf dem Rost kommt - analog wie oben beim elementaren Phosphor beschrieben - als mögliche Quelle der Phosphide auch der Brennstoff selbst in Frage.

Als Phosphid-Träger im Brennstoff kommen - nach Literaturangaben - in Betracht:

- Ferrosilizium (wird bei der Stahlherstellung als Zusatzstoff verwendet; [5]) und

- Zinkphosphid (Rodentizide und Begasungsmittel für Getreide; [5]).

- Auch Carbid (Calciumcarbid) enthält meist Calciumphosphid.

3. Stand des Wissens

Zum Wissensbereich „Phosphin“ im Internet bieten sich u.a. folgende Adressen als Einstieg an:

- phosphine.com

- phosphine.net

- spezialgase.de/spezialgasekatalog/gase/phosphin

- und die Internet-Seiten vieler Universitäten, wie z.B. uni-muenster.de oder uni-muenchen.de und uni-wuerzburg.de

Adressen für die Einsicht von Sicherheits-bezogenen bzw. gesundheitsrelevanten Informa-tionen sind - neben den oben genannten und neben den Loseblattwerken zu Gefahrstoffen [7] - z.B.

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- Tmaster.med.uni-rostock.de

- gifte.de/begasung.htm

- uni-bayreuth.de/ZT4/gefahrstoffe/betriebsanweisungen.htm

- und die United States Environmental Protection Agency (EPA) www.epa.gov

Detailliertere Angaben zur technischen Handhabung, zu Gefahreinstufungen und zum Arbeitsschutz sind den einschlägigen Standardwerken zu Gefahrstoffen zu entnehmen [z.B. 7].

Der wesentlichste Aspekt für MVA-Betreiber bezüglich Phosphin ist dessen sehr hohe Toxizität für den Menschen, ausgedrückt als MAK-Wert: 0.1 ppm.

Die Vergiftung erfolgt „direkt“ durch Einatmen von Phosphin in Luft oder „indirekt“ durch Verschlucken von Stoffen, die Phosphin freisetzen können (z.B. Phosphide; Reaktion z.B. mit der Magensäure). Phosphin wird nicht über die Haut aufgenommen [2].

Als lebensbedrohend für den Menschen werden in der Literatur folgende Konzentrationen genannt:

- 33 ppm (ml/m3) PH3 über eine Expositionszeit von ca. 30 Minuten („fatal illness“) [3]

- 290-600 ppm PH3 über eine Expositionszeit von 30-60 Minuten [5]

- 7 ppm PH3 über eine Expositionszeit von ca. 6 Stunden [zitiert in 5]

- 2000 ppm wirken in sehr kurzer Zeit tödlich [2]

Diese Auflistung zeigt, daß in der Literatur keine gesicherte Datenbasis über Schwellenwerte für gesundheitsschädliche oder lebensbedrohliche Phosphinkonzentrationen verfügbar ist. Dieser Umstand sollte zu einem äußerst vorsichtigen und umsichtigen Umgang mit den betriebsbedingten Emissionen an Phosphin animieren.

Die Symptome von (leichten) Vergiftungen beim Menschen werden wie folgt beschrieben [aus www.gifte.de/begasung.htm]: Übelkeit, Mattigkeit, allgemeine Schwäche, Erbrechen, Durchfälle, Kopf- und Bauchschmerzen. Zur Zeit ist kein spezifisch wirkendes Antidot bekannt.

Es sind keine Fälle chronischer Vergiftungen beim Menschen bekannt.

Betriebsunfälle mit tödlichem Ausgang sind in der Literatur beschrieben [z.B. 5]. Dies betrifft nicht den Bereich der thermischen Abfallbehandlung.

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Weitere wichtige Eigenschaften von Phosphin sind aus MVA-Sicht folgende:

- Schwerer als Luft [1].

- Zersetzt sich unter Lichteinwirkung mit Luftsauerstoff innerhalb von Stunden bis Tagen [nach www.phosphine.com/enviro/ph3-env.html].

- MAK-Wert: 0.1 ppm. Dies entspricht 0.1 ml/m3 oder 0.15 mg/m3. Der MAK-Wert wird erreicht, wenn z.B. 1 ppm Aluminiumphosphid pro kg Schlacke vollständig reagiert mit einem korrespondierenden Luftvolumen von 4 m3.

- Geruchsschwelle bei ca. 1 bis 3 ppm und damit deutlich über MAK (MAK = 0.1 ppm) [5]. Der Geruch wird beschrieben als „carbidisch“, „verwesender Fisch“, „knoblauchartig“.

- Diphosphin ist bei „normaler“ Raumtemperatur selbstentzündlich [1]. Vermutlich liegt immer ein Gemisch aus Phosphin und Diphosphin vor. Die spontane Ausbildung von blauen Flämmchen auf der Wasseroberfläche des Entschlackers bei mehreren MVA-Standorten kann damit erklärt werden. Monophosphin ist ab ca. 150°C selbstentzündlich an Luft.

- Die untere Grenze für die Bildung explosionsfähiger Gemische mit Luft liegt bei 2 Vol.-% [2]. Derartige Konzentrationen konnten bisher in MVA´s nicht gemessen werden. Die obere Ex-Grenze liegt bei nahe 100 Vol.-%.

- Die Löslichkeit in Wasser ist sehr gering (entgegen den Angaben in älterer Literatur) und liegt bei ca. 2 mg/l (= 0.0002 %; bei Raumtemperatur) [2]. In organischen Lösungsmitteln liegt die Löslichkeit von Phosphin meist deutlich höher.

Weiterführende Informationen (systematische Tests etc.) zu MVA-Standorten in Deutschland liegen den Autoren nicht vor. Auch für ausländische Standorte konnten keine Daten recherchiert werden.

Die Aluminium-verarbeitende Industrie kennt Phosphin als Bestandteil von Entgasungen aus Reststoffen der Aluminium-Verhüttung [8].

Phosphinemissionen in der Größenordnung von „ppb“ (ppb ist ein-tausendstel ppm, d.h. 1 ppb = 1 µl/m3) sind auch - durch mikrobiologische Reduktion von Phosphaten - für den Bereich von Gülle, Klärschlamm, Kompost etc. und Flußsedimente bekannt [nach www.phosphine.com/enviro/ph3-env.html]. Damit ist Phosphin eine „universelle“ Spuren-komponente von Gasen, die aus anaeroben Quellen der Biosphäre stammen. Phosphin läßt sich auch als Bestandteil der Luftverschmutzung von Großstädten mit Gehalten in der Größenordnung von „ppt“ nachweisen (ppt ist ein-tausendstel ppb bzw. ein-millionstel ppm; 1 ppt = 1 nl/m3) [nach www.phosphine.com/enviro/ph3-env.html], [9, 10, 11].

Die Reaktivität von MVA-Schlacke (und auch von Kessel- und Filterstäuben) bei Kontakt mit wässrigen Medien unter Freisetzung von Gasen ist nicht auf Phosphin beschränkt. Ein weiteres nachgewiesenes Gas ist z.B. Wasserstoff. Die Bedingungen, die Dynamik und die Langzeiteffekte, die bei der Bildung von Wasserstoff aus MVA-Schlacken und MVA-Rauchgasreinigungsrückständen relevant sind, werden seit einigen Jahren im Rahmen von Forschungsprogrammen eingehend untersucht. Hierfür stehen Mittel des bayerischen

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Ministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen zur Verfügung (Arbeitsgruppe von Priv.-Doz. Dr. Soraya Heuss-Assbichler an der Universität München, [12]).

Der Bildung von Wasserstoff und Phosphin liegen ähnliche Reaktionsmechanismen zugrunde (Hydrierung). Wasserstoff kann - bei Anreicherung in gekapselter Luft - explosionsfähige Gemische bilden (Ex-Grenze ca. 4 % Wasserstoff in Luft). Diesbezügliche Ereignisse sind z.B. von oberflächenabgedichteten Deponien bekannt, die mit Verbrennungsrückständen aus MVA´s verfüllt sind. Langzeitstudien (über bisher 5 Jahre) konnten belegen, daß die Wasserstoffbildung ein kontinuierlicher Prozeß ist.

Grundsätzlich ist dies auch für die Phosphinbildung denkbar (z.B. bei der - kinetisch trägen - Reaktion von Eisenphosphiden mit alkalischem Porenwasser oder bei verzögertem Wasserzutritt in „versinterte“ Schlackekörner die Phosphide oder elementaren Phosphor enthalten). Ein Beispiel für den Nachweis von Eisenphosphid in einem MVA-Schlackekorn zeigt Bild B in Tafel 1.

4. Bedarf an Wissen

In Abstimmung zwischen MVA-Betreibern und dem VGB wurde ein erstes Maßnahmenpaket erarbeitet, das zusätzliche Informationen zum Thema „Phosphin“ in MVA´s bereitstellen soll. Schwerpunkte der Untersuchungsstruktur sind:

• Gleichartiges Untersuchungsprogramm an technisch unterschiedlichen MVA-Standorten.

• Einbeziehung von MVA-Standorten, die zum Zeitpunkt der Untersuchung Phosphat-angereicherte und/oder Aluminium-angereicherte Brennstoffe einsetzen.

• Einbeziehung von MVA-Standorten mit nachgewiesenem Handlungsbedarf zur Kontrolle der Phosphinkonzentration in spezifischen Raumluftbereichen.

• Einbeziehung von MVA-Standorten mit nachgewiesenem Nichterreichen meßbarer Phosphinkonzentrationen (d.h. < 0.01 ppm) in spezifischen Raumluftbereichen („Blind-wert-Standort“).

• Einbeziehung verschiedener technischer Lösungen zur Entschlackung.

Das Untersuchungsprogramm bezieht sieben MVA-Standorte ein.

Es werden eine Reihe von Zustandsbewertungen vorgenommen. Hierzu gehören:

• Vor-Ort-Phosphin-Messungen im Bereich des Entschlackers, der Schlacke-Transportwege und der Zwischenlagerorte der Schlacke mit dem Ziel des Aufspürens maximal gegebener Phosphinkonzentrationen in Luft und deren Variation in Abhängigkeit von betrieblichen Einflüssen (Anmerkung: Es handelt sich dabei nicht um Arbeitsplatz-bezogenen Messungen).

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• Analyse der relevanten Stoffsysteme (trocken entschlackte Schlacke, „normal“ entschlackte Schlacke, Entschlackerwasser, gelagerte bzw. aufbereitete bzw. gealterte Schlacke, Frischwasser, Filterstäube, u.U. Rostdurchfall).

• Bestimmung der Fracht an Phosphin und von Art und Menge der „Begleitgase“ beim kontrollierten Kontakt (Laborversuch) zwischen trocken entschlackter Schlacke und Entschlackerwasser bzw. Leitungswasser.

• Bewertung der Brennstoff- und Feuerungscharakteristik anhand chemischer Analysen von Schlacken und Stäuben.

• Nachweis von Mineralphasen mittels ortsaufgelöster Analytik, die beim Kontakt mit wässrigen Medien Phosphin freisetzen können (i.e. Phosphide von Aluminium, Eisen, Zink, Calcium) und Bewertung von deren Genese (brennstoffseitig/primär oder feuerungsseitig/sekundär).

Über den Horizont dieser ersten Untersuchungen hinaus ergeben sich eine Reihe weiterführender Fragen, für deren Bearbeitung das oben skizzierte Programm eine Basis legen soll. Aus der Sicht der MVA-Betreiber sind dies vor allem folgende Fragen:

• Einfluß des chemischen Milieus (Eh, pH, Salzfracht, Temperatur, Verhältnis von Flüssigkeit zu Feststoff) im Reaktionswasser auf die Freisetzung von Phosphin in den korrespondierenden Luftraum.

• Löslichkeit von Phosphin bzw. von freisetzungsfähigen Vorläuferstoffen (z.B. phosphorige Säure) in alkalischen, salzreichen Lösungen.

• Auswirkungen der Schlackeaufbereitung und der Schlackealterung auf die Emission von Phosphin.

• Dynamik der Freisetzung von Phosphin (mittelfristiges und langfristiges Potential).

• Bewertung der verfügbaren Phosphin-Meßverfahren auf ihre Eignung für das MVA-typische Milieu (Querempfindlichkeiten, Handhabung, Informationsbedarf).

• Entwicklung von Reaktionshilfen für eine schnelle, gezielte und kontrollierte Entfrachtung der Schlacke von den Feststoffen, die problematische Gase freisetzen können.

• Entwicklung von Reaktionshilfen zur Vermeidung bzw. Unterdrückung der Gasent-wicklung von Phosphin (z.B. durch Adsorption an Additive).

Darüber hinaus ist die Nutzung von bestehenden technischen Konzepten denkbar, die eine Erfassung und Lenkung der Phosphin-haltigen Luftströme in den Feuerraum sicherstellen.

Parallel dazu entstehen zur Zeit durch behördliche und betreiberseitige bzw. eigentümerseitige Maßnahmen - anhand orientierender und systematischer Untersuchun-gen - an vielen MVA-Standorten weitere Informationen. Eine Bündelung und Bewertung der gesamten Informationslage sollte für Ende 2002 angestrebt werden.

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5. Betreiberseitige Maßnahmen

Abhängig von den vorgefundenen Konzentrationen an Phosphin in Luft und abhängig von der Arbeitsplatzrelevanz dieser Orte haben bisher an den einzelnen MVA-Standorten verschiedene Maßnahmen stattgefunden, die - soweit den Autoren bekannt - entweder auf eine Veränderung der Brennstoffzusammensetzung und/oder auf geeignete Maßnahmen zur Aufklärung, Anweisung und zum Schutz der Mitarbeiter abzielten. Im einzelnen sind zu nennen:

Erstellung von Arbeitsschutzanweisungen (Betriebsanweisungen)

MAK-bezogene Messungen

Personenbegleitende oder stationär eingerichtete Meßgeräte

Verbesserung der Be- und Entlüftungssituation im Entschlackerumfeld

Aus der Sicht der Autoren ergeben sich aus dem bisher erzielten Stand der Kenntnisse für den MVA-Betreiber folgende Eckpunkte zur Erarbeitung einer „standort-spezifischen“ Einordnung zum Thema „Phosphin“:

Die Bildung von Phosphin kann im komplexen stofflichen Geschehen der Abfall-verbrennung nicht ausgeschlossen bzw. dauerhaft auf „Null“ reduziert werden.

Die relevanten betrieblichen Orte sind insbesondere der Entschlacker und die Transport- und Zwischenlagerorte der Schlacke. Eine lokale Anreicherung des Phosphin erfolgt an Orten mit geringem Luftaustausch und in Bodennähe (Phosphin ist schwerer als Luft).

Die potentielle Befrachtung mit Phosphin beschränkt sich auf das lokale Umfeld der Entstehungsorte, da sich Phosphin in der Größenordnung von Stunden bis Tagen unter Einwirkung von Licht und Luftsauerstoff zersetzt [nach www.phosphine.com/enviro/ph3-env.html]. Damit ergibt sich - bezogen auf die vorliegenden Informationen - keine Grundlage für Fragen nach einer umweltbezogenen Emission.

Die Reduktion der Frachten des Brennstoffs an „Phosphin“-sensitiven Stoffen führt zu einer Reduktion der Emission an Phosphin. Diese sensitiven Stoffe sind zunächst alle Phosphor-haltigen Verbindungen und - sehr wahrscheinlich - auch der Anteil an metallisch vorliegendem Aluminium.

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Orientierende „Schnüffelmessungen“ sind ein guter Weg zur „Ist-Stands-Bewertung“. Diese Messungen sollten - z.B. im Laufe eines Betriebsjahres - mehrfach erfolgen, um möglichst viele der variablen Betriebszustände mit erfassen zu können.

Das Spektrum passiver Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitssicherheit sollte nach dem Vorliegen von Daten aus Schnüffelmessungen auf die eigene Standortsituation hin abgefragt werden (z.B. mobile und stationäre Messeinrichtungen, Arbeitsschutz-anweisungen, kurzfristig „machbare“ technische Sekundärmaßnahmen). Direkter Informationsaustausch zwischen den Betreibern ist hierbei der beste Weg. Die zuständigen Behörden (Gewerbeaufsichtsämter) sollten eingebunden werden.

Die Entwicklung „neuer“ sekundärer technischer Lösungen zur Verringerung der Frachten an Phosphin bzw. deren kontrollierte Erfassung und Lenkung bzw. deren Verlagerung in den Feuerraum bzw. eine Fixierung des Phosphins vor der Freisetzung in die Raumluft ist denkbar und damit auch wahrscheinlich. Die sich entwickelnden Lösungsansätze am Markt sollten durch die Betreiber aktiv begleitet werden.

Abschließend möchten die Autoren auf folgendes hinweisen:

Die Arbeitsgruppe „Thermische Abfallbehandlung“ des VGB (Vorsitz: Hr. Albert, Mannheim; Referent: Hr. Dr. Schirmer, VGB) hat in einer eigens zu dieser Thematik einberufenen Sitzung und in vielen Diskussionen die Sachlage „ausgeleuchtet“ und Anstöße zur Vervollständigung der für Betreiber relevanten Informationsbasis gegeben. Auszüge aus der Sitzungsniederschrift wurden wörtlich bzw. dem Sinn nach in den vorliegenden Seminarbeitrag eingebunden. Erste Ergebnisse zu der durch den VGB und sieben MVA-Betreiber finanziell getragenen Untersuchung, die zur Zeit durchgeführt wird, werden auf der VGB-Tagung am 20. März 2002 in Nürnberg vorgestellt.

Die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe „Kraftwerksmineralogie“ an der Universität München (Leitung: Priv.-Doz. Dr. S. Heuss-Assbichler) haben ihren Fundus an ortsaufgelösten Untersuchungen an Schlacken und RGR mit Bezug zur Bildung von Phosphin zur Verfügung gestellt.

Wir danken ausdrücklich allen MVA-Betreibern, die uns in offener Diskussion durch die Weitergabe von betriebsinternen Informationen und Daten bei dem Bemühen um eine sachliche und angemessene Einordnung der Thematik „Phosphin“ begleitet haben.

Die Seminarleiter dieses VDI-Wissensforums, Herr Dr. Reimann (Bamberg) und Herr Johnke (UBA) haben mit Nachdruck den Tenor dieses Beitrags - erste Informationen zum Thema „Phosphin“ zügig einem möglichst breiten Kreis Interessierter zur Verfügung zu stellen - unterstützt.

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Literatur

[1] Römpp Chemie Lexikon, 9. Auflage, Georg Thieme Verlag Stuttgart, 1991.

[2] Gmelin Handbook of inorganic and organometallic chemistry, 8th Edition, Band Phosphorus, supplement volume C1, Springer Verlag, 1993.

[3] Phosphorus (an outline of its chemistry, biochemistry and technology), 5th Edition, D.E.C. Corbridge, 1993.

[4] Phosphorus and its compounds, Interscience Publishers, New York, 1958.

[5] Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz, Prophylaxe und Ergonomie, Band 36, Nr. 12, S. 365-367, 1986.

[6] Constitution of binary alloys, 2th EditionMcGraw-Hill Book Company, New York, 1958.

[7] WEKA-Praxishandbuch Gefahrstoffe (Datenblätter, Vorschriften, Arbeitshilfen), 2001.

[8] Reststoffe aus der Aluminium-Verhüttung, UBA-94-096, Wien, 1994.

[9] Glindemann, D. et.al.: Phosphine by Bio-Corrosion of Phosphide-Rich Iron; Environ. Sci. & Pollut. Res., Vol. 5, S. 71-74, 1998.

[10] Gassmann & Glindemann: Phosphane (PH3) in the Biosphere; Angew. Chem. Int. Ed. Engl., Vol. 32, S. 761-762, 1993.

[11] Glindemann & Bergmann: Phosphine in the Lower Terrestrial Troposphere; Naturwissenschaften, Band 83, S 131-133, 1996.

[12] Magel, G. et.al.: Abiotic H2 Generating Reactions in a MWSI Monofill, Euro-Waste, Sardinia, 2001.

[13] Schachermayer, E. et. al.: Messung der Güter- und Stoffbilanz einer Müll-verbrennungsanlage; Wien, Monographie, Band 56, 1995.

[14] Kunz, P.M.: Behandlung von Schlamm; Vogel-Verlag, 1998.

[15] Reimann, D.O.: Tiermehlentsorgung in rostgefeuerten Abfallverbrennungsanlagen; Müll und Abfall, Heft 8, S. 485-488, 2001.

Tafeln:

(1) Gefügestudien an Schlackekörnern, die eine Relevanz zu Phosphin aufzeigen

(2) Reaktionsgleichgewichte mit Potential zur Bildung von Phosphin; System Al-P

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Tafel 1

A

B

C

D

C

A

C

) Glaspartikel mit Wüstit (FeO) und Monticellit-LSchlacke Frischprobe, ca. 2 Wochen alt, [F003

) Metallisches Eisen (Kern) mit Eisenphosphid-STiefe, Monodeponie) [1-31F*-D]

) Metallisches Aluminium mit AluminiumhydroxidFreien gelagert.

) Metallisches Aluminium großflächig von AlumiMonate alt, im Freien gelagert [F2032f-2].

heMin GmbH, Augsburg, VDI-Seminar, 02/2002, Spiegel • Jord

B

D

eisten (Calcium-Magnesium-Silikat), MV-2-Gl-3-4-2]

aum (12 Jahre deponierte Probe, 15,8 m

-Saum, Frischschlacke, 2 Monate alt, im

niumhydroxid verdrängt, Frischschlacke, 2

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Tafel 2

Reduzierung der Phosphorverbindungen des Brennstoffs auf dem MVA-Rost von Oxida-

tionsstufe +5 z.B. auf 0 oder auf −3. Reaktionspartner: Kohlenstoff, Metalle (-Schmelzen).

• Beispiele für mögliche Reaktionen auf dem Rost (anstelle des Aluminiums lassen sich die

Reaktionen auch mit anderen Metallen darstellen, i.e. Eisen, Zink).

16 Al + 3 Ca3(PO4)2 ⇒ 6 AlP + 9 CaO + 5 Al2O3

6 Al + 15 C + 3 Ca3(PO4)2 ⇒ 6 AlP + 9 CaO + 15 CO

16 Al + 3 Ca3(PO4)2 ⇒ 3 Ca3P2 + 8 Al2O3

Al + P (rot) ⇒ AlP

• Beispiele für mögliche Reaktionen im Entschlacker:

AlP + 3 H2O ⇒ Al(OH)3 + PH3

Ca3P2 + 6 H2O ⇒ 3 Ca(OH)2 + 2 PH3

In alkalischer Lösung: 0 -3 +1 -3 +3 -3 +5

2 P4 + 12 H2O ⇒ 2 PH3 + 6 H3PO2 ⇒ 4 PH3 + 4 H3PO3 ⇒ 5 PH3 + 3 H3PO4

weißer Phosphor Phosphinsäure Phosphonsäure Phosphorsäure = phosphorige Säure Thermodynamische Daten zum System Aluminium-Phosphor:

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