Physiotherapeutische Ansätze beim Reizdarmsyndrom – ein ...€¦ · Jessica Dietrich:...

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Bachelor-Thesis 2019 Jessica Dietrich: [email protected] Bianca Weisskopf: [email protected] Gesundheit│Physiotherapie Physiotherapeutische Ansätze beim Reizdarmsyndrom – ein Evidence Summary Jessica Dietrich und Bianca Weisskopf, PHY16 Hintergrund Das Reizdarmsyndrom (engl. Irritable Bowel Syndrome, IBS) ist eine der häufigsten gastroenterologischen Erkrankungen. [1] Zur sicheren Diagnostik müssen strukturelle oder biomecha- nische Funktionsstörungen ausgeschlossen werden. [2] Vier Untergruppen des Reizdarmsyndroms: - IBS-C (Obstipation) - IBS-D (Diarrhö) - IBS-M (wechselnde Stuhlkonsistenzen) - IBS-U (undefinierte Form) [3] Aktuell besteht keine standardisierte Therapie, jedoch verschie- dene Ansätze zur Behandlung des Reizdarmsyndroms. [4] Fragestellung Welche Therapieformen (Yoga, Biofeedback, aktive Therapie) erwei- sen sich als erfolgsversprechend und physiotherapeutisch praktika- bel zur Behandlung des Reizdarmsyndroms? Methodik Einschlusskriterien: Studien mit Publikationsjahr ab 2011, Dia- gnose nach Rom-Kriterien [5], alle IBS-Typen, Grundvorausset- zungen um Interventionen umzusetzen Ausschlusskriterien: Andere gastrointestinale Erkrankungen (z.B. entzündliche Darmerkrankungen), Schwangerschaft, regel- mässige medikamentöse Therapie Studiensuche: In den Datenbanken „PubMed“, „PEDro“, „Coch- rane“ und „Trip Medical Database“, letzte Suche am 01. Juli 2019 Outcomes: IBS-Symptome, Lebensqualität, Schmerz/Sensitivität Beurteilung: modifiziertes GATE Frame [6], PRISMA-Checkliste [7], Bewertungsbogen nach Behrens und Langer [8], Checkliste nach Joanna Briggs [9] Studiendesigns: RCT, Systematic Review, Pilot Study, Qualita- tive Content Analysis, Clinical Trial Study, Cross Sectional Study, Nonrandomized Single Blinded Semi Experimental Study Von insgesamt 983 Studien zu den Themen Biofeedback, Yoga und aktive Therapie wurden 13 in das Evidence Summary einge- schlossen Resultate Bei 13 eingeschlossenen Studien, n = 6‘138 Personen Sowohl bei den Studien mit der Intervention Yoga als auch bei Biofeedback und aktiver Therapie konnten je nach Outcome signifikante Ver- besserungen festgestellt werden (Tabelle 1). Diskussion Aufgrund der aktuellen Literaturlage wurden die Ein- und Aus- schlusskriterien sehr offen formuliert, um genügend Studien zu er- halten. 10 der 13 Studien weisen ein hohes Verzerrungsrisiko auf, zwei Studien [14] [16] werden mit einem moderaten Bias bewertet und eine Studie [18] wird mit einer guten Validität beurteilt. Die Aussagekraft ist infolge der hohen Verzerrungsmöglichkeit fraglich. Die Outcomes basieren vorwiegend auf subjektiven Messparame- tern. Nur relativer Vergleich der Messdaten möglich, da viele verschie- dene Studiendesigns und somit verschiedene Analyse-Tools zur qualitativen Bewertung verwendet wurden. Schlussfolgerung Die aktuelle Studienlage gibt keine abschliessende Antwort zur ge- stellten Frage. Die Symptome des Reizdarmsyndroms (IBS) werden dennoch durch allgemeine Aktivierung, Yoga, Atemtherapie und Kör- perwahrnehmung positiv beeinflusst. Diese physiotherapeutisch praktikablen Behandlungsansätze sind zu empfehlen. Literaturangaben: [1] Grundmann & Yoon (2010). Journal of Gastroenterology and Hepatology. [2] Longstreth et al . (2006). Gastroenterology. [3] Halland & Saito (2015). BMJ. [4] Sainsbury & Ford (2011). Therapeutic Advances in Gastroenterology. [5] Drossman & Hasler (2016). Gastroenterology. [6] Jackson et al. (2006). Evidence Based Medicine. [7] Moher et al. (2015). Systematic Reviews. [8] Behrens & Langer (2010). Systematic Reviews. [9] Joanna Briggs Institute (2017). Joanna Briggs Institute Reviewer’s Manual. [10] Joanna Briggs Institute. (2013). Levels of Evidence and Grades of Recommendation Working Party. [11] Brands et al. (2011). Complementary Therapies in Medicine. [12] Evans et al. (2018). Holistic Nursing Practice. [13] Schumann et al. (2016). Clinical Gastroenterology and Hepatology. [14] Schumann et al. (2018). Alimentary Pharmacology & Therapeutics. [15] Fani et al. (2019). Journal of Bodywork and Movement Therapies. [16] Johanesson et al. (2018). Scandinavian Journal of Gastroenterology. [17] Johanesson et al. (2015). World Journal of Gastroenterology. [18] Sadeghian et al. (2018). PLOS ONE. [19] Zhou et al. (2018). Neurogastroenterology & Motility. [20] Ahadi et al. (2014). Journal of Research in Medical Sciences. [21] Barba et al. (2017). Clinical Gastroenterology and Hepatology. [22] Dobbin et al. (2013). The Journal of the Royal College of Physicians of Edinburgh. [23] Patcharatrakul et al. (2011). Journal of Clinical Gastroenterology. [24] Bassotti & Whitehead (1997). QJM: An International Journal of Medicine. Abbildungen: [Abb. 1] © iStock.com/A-Basler. https://www.lifeline.de/magen-darm/reizdarm/. Keywords: Irritable Bowel Syndrome, Yoga, Biofeedback, Physical Activity, Evi- dence Summary Yoga Aktive Therapie Biofeedback Signifikante Resultate* IBS-Symptome [13] [15], [17], [19] [20], [21], [22], [23] Lebensqualität [11] [15], [17], [19] Schmerz / Sensitivität [11], [12], [14] Zusammen- fassung Therapie mit Yoga kann einen positiven Ein- fluss auf die Symptomatik des IBS zeigen Relativ kostengeringe und einfache Therapie- form Yoga wird salutogenetisch assoziiert Positive Assoziation zwischen wenig körperlich- er Aktivität und dem IBS [18] Steigerung der körperlichen Aktivität hat einen positiven Einfluss auf die Symptomatik des IBS Keine eindeutige Antwort darauf, welcher Sport/ Aktivität die beste Methode ist Gute Wirkung auf einige Aspekte des IBS Therapie ist kostenungünstig und sehr zeitauf- wendig Empfehlungs- grad nach JBI A A B Abb.1: Das IBS macht bis zu 50% der Konsultationen bei Gastroenterologen aus [19]. Tabelle 1: Signifikante Resultate der Interventionen Yoga, aktive Therapie und Biofeedback mit Empfehlungsgrad nach JBI [10].

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Bachelor-Thesis 2019Jessica Dietrich: [email protected] Bianca Weisskopf: [email protected]

▶ Gesundheit│Physiotherapie

Physiotherapeutische Ansätze beim Reizdarmsyndrom –ein Evidence Summary

Jessica Dietrich und Bianca Weisskopf, PHY16

Hintergrund• Das Reizdarmsyndrom (engl. Irritable Bowel Syndrome, IBS) ist

eine der häufigsten gastroenterologischen Erkrankungen. [1]• Zur sicheren Diagnostik müssen strukturelle oder biomecha-

nische Funktionsstörungen ausgeschlossen werden. [2]• Vier Untergruppen des Reizdarmsyndroms:- IBS-C (Obstipation)- IBS-D (Diarrhö)- IBS-M (wechselnde Stuhlkonsistenzen)- IBS-U (undefinierte Form) [3]

• Aktuell besteht keine standardisierte Therapie, jedoch verschie-dene Ansätze zur Behandlung des Reizdarmsyndroms. [4]

FragestellungWelche Therapieformen (Yoga, Biofeedback, aktive Therapie) erwei-sen sich als erfolgsversprechend und physiotherapeutisch praktika-bel zur Behandlung des Reizdarmsyndroms?

Methodik• Einschlusskriterien: Studien mit Publikationsjahr ab 2011, Dia-

gnose nach Rom-Kriterien [5], alle IBS-Typen, Grundvorausset-zungen um Interventionen umzusetzen

• Ausschlusskriterien: Andere gastrointestinale Erkrankungen(z.B. entzündliche Darmerkrankungen), Schwangerschaft, regel-mässige medikamentöse Therapie

• Studiensuche: In den Datenbanken „PubMed“, „PEDro“, „Coch-rane“ und „Trip Medical Database“, letzte Suche am 01. Juli 2019

• Outcomes: IBS-Symptome, Lebensqualität, Schmerz/Sensitivität• Beurteilung: modifiziertes GATE Frame [6], PRISMA-Checkliste

[7], Bewertungsbogen nach Behrens und Langer [8], Checklistenach Joanna Briggs [9]

• Studiendesigns: RCT, Systematic Review, Pilot Study, Qualita-tive Content Analysis, Clinical Trial Study, Cross Sectional Study,Nonrandomized Single Blinded Semi Experimental Study

• Von insgesamt 983 Studien zu den Themen Biofeedback, Yogaund aktive Therapie wurden 13 in das Evidence Summary einge-schlossen

Resultate• Bei 13 eingeschlossenen Studien, n = 6‘138 Personen• Sowohl bei den Studien mit der Intervention Yoga als auch bei Biofeedback und aktiver Therapie konnten je nach Outcome signifikante Ver-

besserungen festgestellt werden (Tabelle 1).

Diskussion• Aufgrund der aktuellen Literaturlage wurden die Ein- und Aus-

schlusskriterien sehr offen formuliert, um genügend Studien zu er-halten.

• 10 der 13 Studien weisen ein hohes Verzerrungsrisiko auf, zweiStudien [14] [16] werden mit einem moderaten Bias bewertet undeine Studie [18] wird mit einer guten Validität beurteilt.

• Die Aussagekraft ist infolge der hohen Verzerrungsmöglichkeitfraglich.

• Die Outcomes basieren vorwiegend auf subjektiven Messparame-tern.

• Nur relativer Vergleich der Messdaten möglich, da viele verschie-dene Studiendesigns und somit verschiedene Analyse-Tools zurqualitativen Bewertung verwendet wurden.

SchlussfolgerungDie aktuelle Studienlage gibt keine abschliessende Antwort zur ge-stellten Frage. Die Symptome des Reizdarmsyndroms (IBS) werdendennoch durch allgemeine Aktivierung, Yoga, Atemtherapie und Kör-perwahrnehmung positiv beeinflusst. Diese physiotherapeutischpraktikablen Behandlungsansätze sind zu empfehlen.

Literaturangaben: [1] Grundmann & Yoon (2010). Journal of Gastroenterology and Hepatology. [2] Longstreth et al . (2006). Gastroenterology. [3] Halland & Saito (2015). BMJ. [4] Sainsbury & Ford (2011). Therapeutic Advances in Gastroenterology. [5] Drossman & Hasler (2016).Gastroenterology. [6] Jackson et al. (2006). Evidence Based Medicine. [7] Moher et al. (2015). Systematic Reviews. [8] Behrens & Langer (2010). Systematic Reviews. [9] Joanna Briggs Institute (2017). Joanna Briggs Institute Reviewer’s Manual. [10] Joanna Briggs Institute. (2013).Levels of Evidence and Grades of Recommendation Working Party. [11] Brands et al. (2011). Complementary Therapies in Medicine. [12] Evans et al. (2018). Holistic Nursing Practice. [13] Schumann et al. (2016). Clinical Gastroenterology and Hepatology. [14] Schumann et al. (2018).Alimentary Pharmacology & Therapeutics. [15] Fani et al. (2019). Journal of Bodywork and Movement Therapies. [16] Johanesson et al. (2018). Scandinavian Journal of Gastroenterology. [17] Johanesson et al. (2015). World Journal of Gastroenterology. [18] Sadeghian et al. (2018).PLOS ONE. [19] Zhou et al. (2018). Neurogastroenterology & Motility. [20] Ahadi et al. (2014). Journal of Research in Medical Sciences. [21] Barba et al. (2017). Clinical Gastroenterology and Hepatology. [22] Dobbin et al. (2013). The Journal of the Royal College of Physicians ofEdinburgh. [23] Patcharatrakul et al. (2011). Journal of Clinical Gastroenterology. [24] Bassotti & Whitehead (1997). QJM: An International Journal of Medicine. Abbildungen: [Abb. 1] © iStock.com/A-Basler. https://www.lifeline.de/magen-darm/reizdarm/.

Keywords: Irritable Bowel Syndrome, Yoga, Biofeedback, Physical Activity, Evi-dence Summary

Yoga Aktive Therapie Biofeedback

Sign

ifika

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Res

ulta

te*

IBS-Symptome [13] [15], [17], [19] [20], [21], [22], [23]Lebensqualität [11] [15], [17], [19]Schmerz / Sensitivität

[11], [12], [14]

Zusammen-fassung

• Therapie mit Yoga kann einen positiven Ein-fluss auf die Symptomatik des IBS zeigen

• Relativ kostengeringe und einfache Therapie-form

• Yoga wird salutogenetisch assoziiert

• Positive Assoziation zwischen wenig körperlich-er Aktivität und dem IBS [18]

• Steigerung der körperlichen Aktivität hat einenpositiven Einfluss auf die Symptomatik des IBS

• Keine eindeutige Antwort darauf, welcher Sport/Aktivität die beste Methode ist

• Gute Wirkung auf einige Aspekte des IBS• Therapie ist kostenungünstig und sehr zeitauf-

wendig

Empfehlungs-grad nach JBI

A A B

Abb.1: Das IBS macht bis zu 50% der Konsultationen bei Gastroenterologen aus [19].

Tabelle 1: Signifikante Resultate der Interventionen Yoga, aktive Therapie und Biofeedback mit Empfehlungsgrad nach JBI [10].