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Praxisberatung Antworten u.a. auf Fragen zu: Voraussetzungen für die Niederlassung Formen der Niederlassung Assistenz, Vertretung, Anstellung Job-Sharing Nebentätigkeit Zweigpraxis Gründung, Verkauf, Teilverkauf einer Praxis Antrag, Ausschreibung, Nachbesetzung Praxissubstrat, Praxiswert, Kaufpreis, Vertrag Präsenzpflicht, Residenzpflicht, Praxisverlegung Steuerrechtliche Fragen Kostenerstattung © W. Köthke Göttingen 17.02.2017

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Praxisberatung Antworten u.a. auf Fragen zu:

Voraussetzungen für die Niederlassung Formen der Niederlassung Assistenz, Vertretung, Anstellung Job-Sharing Nebentätigkeit Zweigpraxis Gründung, Verkauf, Teilverkauf einer Praxis Antrag, Ausschreibung, Nachbesetzung Praxissubstrat, Praxiswert, Kaufpreis, Vertrag Präsenzpflicht, Residenzpflicht, Praxisverlegung Steuerrechtliche Fragen Kostenerstattung © W. Köthke Göttingen 17.02.2017

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Vorwort

Das Seminar „Praxisberatung“ richtet sich nicht nur an Berufseinsteiger und Berufsaussteiger, son-dern an alle freiberuflich tätigen Psychotherapeuten, die ihre Praxis gründen, verkaufen, erweitern, verkleinern oder die sich einfach nur informieren wollen, welche Möglichkeiten es gibt, die eigene Praxis erfolgreich(er) zu gestalten oder mit Überlegung und angemessenem Erfolg aus ihr auszustei-gen. Eingehend auf die Fragen der Teilnehmer gibt der Referent einen Überblick über die Möglichkeiten, mit und ohne KV-Zulassung psychotherapeutisch tätig zu werden, die vielen berufsrechtlichen Mög-lichkeiten der Praxisgestaltung auszuschöpfen, die eigenen Praxismöglichkeiten zu erweitern oder kürzer zu treten und dem Nachwuchs eine Chance zu geben, selbst in freiberufliche Tätigkeit hinein-zuwachsen. Es gibt eine Fülle von Regelungen und gesetzlichen Bestimmungen, die dabei berücksich-tigt werden müssen, wenn nicht gravierende Fehlentscheidungen, die auch richtig teuer werden können, getroffen werden sollen. Auf jeden Fall werden Ihnen wertvolle Praxis-Tipps gegeben, die Sie individuell umsetzen können. Das vorliegende Script erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch. Es wird daher auch nicht nach wissenschaftlichen Regeln zitiert. Es werden vielmehr lediglich die verwendeten Quellen in Fußnoten benannt. Der vorliegende Text erhebt auch nicht den Anspruch, in allen Passagen vollkommen juris-tisch korrekt zu sein, wie ja auch der Verfasser kein Jurist oder Steuerberater, sondern Psychologi-scher Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut ist. Daher ersetzt dieses Semi-nar auch keine juristische oder steuerrechtliche Beratung. Dieses Papier erhebt allerdings den Anspruch, eine umfassende Materialsammlung hinsichtlich aller Fragen zu sein, die angehende oder approbierte Psychotherapeuten betreffen, die freiberuflich arbeiten wollen oder dies bereits seit vielen Jahren tun. Das Manuskript wird vom Verfasser ständig aktualisiert und soll im Anschluss an die Veranstaltung eine hilfreiche Lektüre sein, sich weitere Fra-gen selbst zu stellen und möglicherweise auch zu beantworten. Auf Wunsch des Vorstands der PKN wurde das Script allerdings (mit Ausnahme des steuerrechtlichen Teils) durch die Kanzlei Rüping & Partner in Hannover durchgesehen und – soweit erforderlich – kor-rigiert bzw. ergänzt. Das vorliegende Arbeitsmaterial ist absichtlich in dieser Ausführlichkeit und nicht in Form von Folien erstellt worden. Es soll für die Teilnehmer der Veranstaltung eine Handreichung sein, um sich - auch nach einem vierstündigen Kurs, bei dem schon aus Zeitgründen viele Themen nur angerissen werden können - selbständig weiter informieren zu können und um auch zu Fragen anzuregen, für die das Papier vielerlei Antworten bereithält. Als Psychotherapeuten üben Sie einen freien Beruf aus. In freier Niederlassung können Sie diesen Beruf nur ausüben, wenn Sie über die „für die Berufsausübung geltenden Vorschriften unterrichtet“ sind. „Diese zu beachten und darauf gegründete Anordnungen und Richtlinien zu befolgen“, ist nach § 4 der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen Ihre Pflicht. Durch Kenntnis dieser Materialsammlung wird es Ihnen leichter fallen, Ihren „allgemeinen Pflichten zur Berufsaus-übung“ nachzukommen.

Das Script wurde zuletzt im April 2016 aktualisiert. Änderungen der Rechtsprechung und der gesetz-lichen Regelungen konnten nur bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden.

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Inhaltsverzeichnis

1. Voraussetzungen für die Niederlassung 1.1 Approbation und Fachkundenachweis 1.2 Zulassung 1.2.1 Befristete Zulassung 1.2.2 Entzug der Zulassung wegen Betrugs 1.2.3 Entzug der Zulassung wegen Nicht-Einhaltung der 3-Monats-Frist und wegen

„Pflichtverletzungen“ 1.2.4 Entzug der Zulassung wegen Betreibens einer „Hobbypraxis“ 1.2.5 Gerichtsentscheidung, das Nachbesetzungsverfahren nur für einen hälftigen Versorgungs-

auftrag durchzuführen 1.2.6 Bedarfsunabhängige und bedarfsabhängige Zulassung 1.2.7 Ruhen der Zulassung 1.3 Ermächtigung 1.3.1 Zulassung oder Ermächtigung wegen Sonderbedarf 1.3.2 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (AsylbLG) 2. Formen der Niederlassung 2.1 Einzelpraxis (EP) 2.2 Praxisgemeinschaft (PG) 2.3 Gemeinschaftspraxis (GP) / (örtliche) Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) 2.3.1 Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG) 3. Vergütung und Quartalsabrechnung 3.1 Vergütung seit dem 01.01.2013 und nach dem 01.01.2017 3.2 Pauschale für die fachärztliche Grundversorgung (PFG) 3.3 Zeitkapazitätsgrenze, Plausibilitätsprüfung, Saldierung 3.4 Verspätete oder technisch fehlerhafte Quartalsabrechnung 3.5 Samstagssprechstunde 3.6 Gruppenpsychotherapie 4. Assistenz und Vertretung 4.1 Ausbildungsassistent 4.2 Entlastungsassistent / Sicherstellungsassistent 4.3 Vertreter 4.4 Selbständigkeit oder Scheinselbständigkeit? 5. Anstellung 5.1 Angestellter Psychotherapeut als „Dauerassistent“ 5.2 Verzicht auf die Zulassung zugunsten der Anstellung 5.3 Erwerb eines ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes und

Weiterführung dieses Sitzes durch einen angestellten Psychotherapeuten

5.4 Verzicht auf die hälftige Zulassung zugunsten eines Angestellten („Verzichts-Anstellung“) 5.5 Weitere Optionen der Anstellung 5.6 Anstellungsvertrag 6. Job-Sharing 6.1 Job-Sharing-BAG 6.2 Job-Sharing-Anstellung

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7. Nebentätigkeit 7.1 Rechtlicher Rahmen 8. Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) 8.1 Drei Grundkonstellationen eines MVZ 8.2 Das MVZ nach Inkrafttreten des GKV-VStG 8.3 Das MVZ nach Inkrafttreten des Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG) 9. Neue Versorgungsformen 9.1 Ausgelagerte Praxisräume 9.2 Zweigpraxis 9.3 Gesundheitszentrum/Ärztehaus 9.4 Zusammenarbeit mit Kliniken 9.5 Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) 9.6 Ambulante spezialärztliche Versorgung 9.7 Praxisnetz

10. Bedarfsplanungsrichtlinie 10.1 Bedarfsplanung 10.2 Partielle Entsperrung des Planungsbereichs 10.3 Quoten für ärztliche Psychotherapeuten (Ärzte-Quote) und für die

Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (KJ-Quote) 10.3.1 KJ-Quote 10.3.2 Ärzte-Quote 11. Nachbesetzungsverfahren 11.1 Antrag auf Ausschreibung an den ZA 11.2 Fortführungsfähigkeit einer Praxis / Praxissubstrat 11.3 Aufkauf von Arztpraxen durch den ZA 11.4 Verkehrswertentschädigung durch die KV 11.5 Rechtsmittel gegen die Ablehnung des Antrags auf Ausschreibung durch den ZA 11.6 Kann der Antrag auf Ausschreibung / Nachbesetzung zurückgenommen werden? 12. Nachfolgezulassung 12.1 Das Procedere der Nachfolgezulassung 12.2 Auswahlkriterien für Bewerber 12.3 Ganzer Praxissitz, halber Praxissitz 12.4 Was tun, wenn der unterlegene Bewerber gegen den Bescheid des ZA Widerspruch einlegt? 12.5 Was tun, wenn der Bewerber den Kaufpreis nicht entrichten kann oder will? 12.6 Praxis-Verlegung 12.7 Praxistausch 12.8 Wegzug eines Vertragspsychotherapeuten aus dem Zulassungsbezirk 12.9 Präsenzpflicht 12.10 Residenzpflicht 12.11 Praxisbörse / Nachfolger-Suche 13. Gründung und Beendigung einer psychotherapeutischen Praxis 13.1 Gründung einer psychotherapeutischen Praxis 13.2 Existenzgründungsarten 13.3 Motivation und Gründungspersönlichkeit 13.4 Finanzbedarfsplanung und Finanzierung 13.5 Businessplan 13.6 Gründungsnetzwerk / Steuerberater

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13.7 Führung einer psychotherapeutischen Praxis 13.8 Kann die Praxis eines ärztlichen Psychotherapeuten von einem PP oder KJP gekauft werden? 13.9 Nachfolge bei Berufsunfähigkeit oder Tod 14. Rechtsfragen zum Praxisübernahmevertrag 14.1 Praxiswert und Kaufpreis 14.2 Betriebswirtschaftliche Praxisbewertung 14.3 Modifizierte Ertragswertmethode 14.4 Bestimmung des Praxiswerts durch Zulassungsausschuss und Berufungsausschuss 14.5 Wettbewerbsverbot/Konkurrenzschutz 14.6 Zustimmung des Ehepartners zum Praxisverkauf 14.7 Berufsunfähigkeit vor dem geplanten Übergabe-Zeitpunkt 14.8 Übernahme des Praxispersonals („Betriebsübergang“) 14.9 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Mutterschutzgesetz 14.10 Schadenersatz nach abgebrochener Verkaufsverhandlung? 15. Steuerrechtliche Fragen 15.1 Gründung einer psychotherapeutischen Praxis 15.1.1 Steuerliche Pflichten bei Neueröffnung einer Praxis 15.1.2 Haftung für Steuerschulden bei Übernahme einer Praxis 15.1.3 Gründung durch Kooperation 15.2 Steuern des selbständigen Psychotherapeuten 15.3 Drei Fallkonstellationen bei der Praxisaufgabe oder -veräußerung 15.3.1 Aufgabe der Praxis ohne Nachfolger 15.3.2 Unentgeltliche Übertragung 15.3.3 Entgeltliche Veräußerung 15.4 Steuerliche Vergünstigungen für den Praxisabgeber 15.5 Nicht jeder Praxisverkauf ist umsatzsteuerfrei 15.6 Handhabung des Veräußerungsgewinns bei Ratenzahlungen 15.7 Handhabung des Veräußerungspreises auf Rentenbasis 15.8 Der richtige Zeitpunkt für den Praxisverkauf 15.9 Veräußerung der Praxis durch die Erben 15.10 Fortsetzung der Berufstätigkeit nach der Praxisabgabe 16. Kostenerstattung

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1. Voraussetzungen für die Niederlassung 1.1 Approbation und Fachkundenachweis Voraussetzungen für die Eintragung in das Arztregister als Psychotherapeut sind

- Approbation als Psychologischer Psychotherapeut (PP) oder als Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeut (KJP) und

- Fachkundenachweis.

Die Approbation erteilt auf Antrag in Niedersachsen der „Niedersächsische Zweckverband zur Approbationserteilung (NiZzA). Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Zulassungsgremien sind an die Entscheidungen der Approbationsbehörde gebunden.

Für die Erlangung der Fachkunde (Fachkundenachweis) ist eine vertiefte Ausbildung in einem durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nach § 92 Abs. 6a SGB V in der Psychothera-pie-Richtlinie anerkannten Richtlinienverfahren (Analytische Psychotherapie, Tiefenpsycholo-gisch fundierte Psychotherapie oder Verhaltenstherapie) erforderlich.

Die Normen des Sozialgesetzbuches V (SGB V), des Bundesmantelvertrags Ärzte (BMV-Ä) und der Ärztezulassungsverordnung (Ärzte-ZV) sind sprachlich auf Ärzte bzw. Vertragsärzte zuge-schnitten. Der Gesetzgeber hat sich dabei darauf beschränkt, in der „Entsprechungsklausel“ des § 72 Abs. 1, S. 2 SGB V zu regeln, dass alle Vorschriften, die sich auf Ärzte beziehen, ent-sprechend für Psychotherapeuten gelten, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist. Auch die Vorschriften des BMV-Ä einschließlich seiner Anlagen gelten entsprechend für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, sofern nichts Abwei-chendes bestimmt ist (§ 1 Abs. 5 BMV-Ä). In § 1 Abs. 3 Ärzte-ZV findet sich der Hinweis, dass die Verordnung für Ärzte für Psychotherapeuten gleichermaßen gilt.

1.2 Zulassung Für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bedarf es der Zulassung des Psycholo-

gischen Psychotherapeuten (PP) bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) (im Folgenden: „Psychotherapeuten“).

Der Zulassung vorausgehen muss die Eintragung in das Arztregister. Das Arztregister der Kas-senärztlichen Vereinigung (KV) erfasst alle approbierten Ärzte und Psychotherapeuten.

Der Psychotherapeut ist in das Arztregister des Zulassungsbezirks einzutragen, in dem er seinen Wohnort hat. Sofern er keinen Wohnort im Geltungsbereich der Ärzte-ZV hat, steht ihm die Wahl des Arztregisters frei.

Der Antrag auf Eintragung in das Arztregister muss die zur Eintragung erforderlichen Angaben enthalten. (Anstelle von Urschriften können ausnahmsweise amtlich beglaubigte Abschriften beigefügt werden). Es sind die Geburtsurkunde und die Urkunde über die Approbation als Psy-chotherapeut beizufügen.

Verzieht ein im Arztregister eingetragener nicht zugelassener Psychotherapeut aus dem bishe-rigen Zulassungsbezirk, so wird er auf seinen Antrag hin in das für den neuen Wohnort zustän-dige Arztregister umgeschrieben.

Die Zulassung des Psychotherapeuten ist im Arztregister kenntlich zu machen. Wird ein Psycho-therapeut zugelassen, so wird er von Amts wegen in das Arztregister eingeschrieben, das für den Vertragsarztsitz geführt wird. Gemäß § 95 Abs. 1 SGB V erfolgt die Zulassung für den Ort der Niederlassung (Kassenarztsitz bzw. Vertragsarztsitz). Das Nähere über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung regelt die Ärzte-ZV.

Wer nach seiner Approbation als PP oder KJP Vertragspsychotherapeut werden will, muss bei dem Zulassungsausschuss (ZA) seiner KV eine Zulassung oder Ermächtigung beantragen. Zulas-sung und Ermächtigung werden durch den ZA ausgesprochen. Die Zulassung erfolgt zeitlich un-befristet. Die Ermächtigung kann zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach begrenzt werden.

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Zulassung und Ermächtigung bewirken ein Versorgungsrecht und eine Versorgungspflicht. Versorgungspflicht bedeutet die Pflicht zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen.

Die Zulassung begründet die ordentliche Mitgliedschaft in der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gem. § 77 Abs.3 SGB V.

Schriftlicher Antrag auf Zulassung: In dem Antrag ist anzugeben, - für welchen Vertragspsychotherapeutensitz (Praxisadresse), - unter welcher Berufsbezeichnung die Zulassung beantragt wird und - Anträge auf Sonderbedarfszulassung (siehe 1.3.1) sind besonders zu begründen.

Dem Antrag auf Zulassung sind folgende Unterlagen beizufügen: - Auszug aus dem Arztregister, aus dem der Tag der Approbation und der Tag der Eintra-

gung ins Arztregister hervorgehen muss, - Auflistung und Bescheinigungen der seit der Approbation ausgeübten psychotherapeuti-

schen Tätigkeiten, aus denen der genaue Zeitraum der jeweiligen Tätigkeit zu ersehen ist,

- Tabellarischer Lebenslauf, - Polizeiliches Führungszeugnis der Belegart „0“ (Behördenzeugnis), das am Sitzungster-

min des ZA nicht älter als drei Monate sein soll und an die Anschrift des ZA zu richten ist, - Bescheinigungen der KV’en, in deren Bereich der Antragsteller bisher niedergelassen

oder zur Kassenpraxis zugelassen war, aus denen sich Ort und Dauer der bisherigen Nie-derlassung oder Zulassung und der Grund einer etwaigen Beendigung ergeben.

- Erklärung über das zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Dienst- oder Beschäf-tigungsverhältnis unter Angabe des frühestmöglichen Endes des Beschäftigungsver-hältnisses,

- Erklärung des Antragstellers, ob er rauschgiftsüchtig ist oder dies innerhalb der letzten fünf Jahre gewesen ist, ob er sich innerhalb der letzten fünf Jahre einer Entziehungskur wegen Trunksucht oder Rauschgiftsucht unterzogen hat, und dass gesetzliche Hinde-rungsgründe der Ausübung des Berufes als PP oder KJP nicht entgegenstehen1,

- eine Erklärung des Antragstellers, ob er drogen- oder alkoholabhängig ist oder innerhalb der letzten fünf Jahre gewesen ist, ob er sich innerhalb der letzten fünf Jahre einer Ent-ziehungskur wegen Drogen- oder Alkoholabhängigkeit unterzogen hat und dass gesetzli-che Hinderungsgründe der Ausübung des ärztlichen Berufs nicht entgegenstehen. Die Antragsunterlagen sollten dem ZA mindestens einen Monat vor Sitzungsdatum vorlie-gen.

- Die entsprechenden Formulare können von der Homepage der KV heruntergeladen wer-den.

1.2.1 Befristete Zulassung Die Regelung einer befristeten Zulassung für Vertragsärzte steht im neu gefassten § 98 Abs. 2

Nr. 12 SGB V und in § 19 Abs. 4 der Ärzte-ZV. Dort heißt es: „In einem Planungsbereich ohne Zulassungsbeschränkungen mit einem allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad ab 100 Prozent kann der Zulassungsausschuss die Zulassung befristen“.

Ob der ZA dies tut und für wie lange er die Zulassung befristet, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Der ZA hat auch die Möglichkeit, die Befristung an das Erreichen eines bestimmten Lebensalters des Vertragsarztes oder an das Ende seiner beruflichen Tätigkeit zu knüpfen.

1 Neu formuliert nach dem GKV-VStG ist die Regelung des § 21 Ärzte-ZV zur Ungeeignetheit für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätig-keit. Ungeeignet ist danach ein Arzt, der aus gesundheitlichen oder sonstigen in der Person liegenden schwerwiegenden Gründen nicht nur

vorübergehend unfähig ist, die vertragsärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben. Das ist insbesondere zu vermuten, wenn er inner-halb der letzten 5 Jahre vor seiner Antragstellung drogen- oder alkoholabhängig war. Während nach der bisherigen Regelung in diesem Fall „qua Gesetz“ die Ungeeignetheit gegeben war, besteht insoweit jetzt eine widerlegbare Vermutung. Bei gewichtigen Zweifeln an der

gesundheitlichen Eignung kann der ZA ein Gutachten verlangen. Halbe et al.: Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) – Auswirkungen auf die Praxis. Gesundheitswesen in der Praxis. medhochzwei, Heidelberg 2012, S. 66.

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Die Zulassung endet mit dem Ablauf des Befristungszeitraumes. Nach Ablauf der Befristung aber auch bei vorzeitigem Verzicht auf die befristete Zulassung findet ein Nachbesetzungsver-fahren nicht statt, wenn der Planungsbereich nicht gesperrt wurde. Endet die Zulassung mit Ab-lauf des Befristungszeitraumes und sind zu diesem Zeitpunkt für den Planungsbereich, in dem sich der Vertragsarzt befindet, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet, steht es dem Ver-tragsarzt frei, eine neue Zulassung zu beantragen2.

Diese Regelung ist nur in Regionen anwendbar, in denen noch keine Überversorgung herrscht, in denen aber beinahe eine Überversorgung erreicht ist (Versorgungsgrad zw. 100 und 110 % - keine Überversorgung!).

1.2.2 Entzug der Zulassung wegen Betrugs Verletzt ein Vertragspsychotherapeut seine vertragspsychotherapeutischen Pflichten gröblich,

kann ihm die Zulassung entzogen werden (§ 95 Abs. 6 SGB V). Abrechnungsbetrug ist eine grobe Pflichtverletzung.

Vor dem 17.12.2012 konnte die Entziehung der Zulassung unverhältnismäßig und damit rechts-widrig sein, wenn sich der Arzt/Psychotherapeut während der Dauer des Widerspruchs- und Ge-richtsverfahrens richtig verhalten hatte („Wohlverhalten“). Eine ärztliche Tätigkeit während des Verfahrens ist möglich, wenn Widerspruch und Klage „aufschiebende Wirkung“ haben.

In seinem Urteil vom 17.12.2012 (Az.: B 6 KA 49/11 R) gab das BSG diese seine bisherige Recht-sprechung auf3.

o Bisher konnte ein „Wohlverhalten“ des Arztes über fünf oder mehr Jahre die Zulassung retten.

o Künftig können Ärzte bei einer Klage gegen den Entzug ihrer Zulassung keinen Vorteil mehr aus einer langen Verfahrensdauer ziehen. Auch wenn sie (nach ihrem Delikt) bei al-len Abrechnungen jahrelang unauffällig bleiben, hat dies in Zukunft keinen Einfluss auf die Entscheidung der Gerichte mehr, wie das BSG nunmehr entschieden hat. Künftig sol-len sich die Gerichte immer am Sachstand im Zeitpunkt der Entscheidung des Beru-fungsausschusses orientieren. Nachfolgendes ärztliches „Wohlverhalten“ kann dann aber bei einem Antrag auf Neuzulassung berücksichtigt werden. Entsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht zur Approbation entschieden.

o Der Kläger in diesem Prozess führte eine radiologische Einzelpraxis am Starnberger See. Von 1994 bis 1998 hatte er zahlreiche Leistungen abgerechnet, die von nicht genehmig-ten Assistenten oder von nichtärztlichem Personal erbracht worden waren. 2002 zahlte er daher 1,74 Millionen Euro an die KV Bayerns zurück. 2003 wurde er wegen Betrugs verurteilt, und der Berufungsausschuss entzog die Zulassung. Das LSG München ließ sich Zeit in der Sache und urteilte erst 2011: Der Zulassungsentzug sei zwar anfänglich rechtmäßig gewesen, wegen langjährigen „Wohlverhaltens“ aber nunmehr unverhält-nismäßig geworden. Das BSG hatte dies bestätigt.

o Für die Zukunft gab das BSG also seine bisherige Position auf. Es sei nicht gelungen, praktikable Kriterien für das ärztliche „Wohlverhalten“ zu entwickeln. Zudem gebe es keine Altersgrenze mehr und breitere Möglichkeiten einer auch angestellten Beschäfti-gung, so dass sich auch für ältere Ärzte noch ein Antrag auf Neuzulassung lohne.

In seinem Urteil vom Juni 2013 (Az.: B 6 KA 4/13 B)4 stellte das BSG klar, dass nicht erst der Beru-fungs-, sondern schon der Zulassungsausschuss die Kompetenz hat, den Sofortvollzug einer Zu-lassungsentziehung anzuordnen.

o Im Streitfall hatte ein Allgemeinarzt aus Niederbayern am Methadonprogramm zur Hero-insubstitution teilgenommen. Als bekannt wurde, dass er über Jahre an teils noch min-

2 Halbe et al.: Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) – Auswirkungen auf die Praxis. Gesundheitswesen in der Praxis. medhochzwei, Hei-delberg 2012, S. 62. 3 Zulassungsentzug erfolgt auch nach Jahren vor Gericht. Das Bundessozialgericht urteilt, dass „Wohlverhalten“ während des Gerichtsver-

fahrens keine Rolle mehr spielen darf. Ärzte Zeitung, 18.10.2012. 4 Martin Wortmann: Zulassungsausschuss darf Praxis sofort schließen. Ärzte Zeitung 18.11.2013.

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derjährige Patientinnen die Ersatzdroge nur gegen sexuelles Entgegenkommen abgege-ben hatte, entzog ihm der ZA die Zulassung und erklärte diese Entscheidung für sofort vollziehbar. Spätere Leistungen wurden nicht mehr vergütet. Dagegen klagte der Arzt.

o SG und LSG München bestätigten zwar den Zulassungsentzug, meinten aber, den Sofort-vollzug könne der ZA nicht anordnen.

o Dagegen urteilte jetzt das BSG. Nach dem Kasseler Beschluss finden betroffene Vertrags-ärzte Rechtsschutz beim SG. Dies könne notfalls auch einen „Hängebeschluss“ erlassen und den Sofortvollzug wiederum aussetzen, bis es sich eine eigene Meinung gebildet hat. Sollte sich der Zulassungsentzug als rechtswidrig erweisen, könnten Ärzte zudem Scha-denersatz im Wege der Amtshaftung geltend machen. Hier habe sich der Zulassungsent-zug aber als rechtmäßig erwiesen, so das BSG.

1.2.3 Entzug der Zulassung wegen Nicht-Einhaltung der 3-Monats-Frist und wegen „Pflichtverletzungen“

Nach der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) muss die Tätigkeit am Vertrags-arztsitz innerhalb von 3 Monaten nach Zugang der Zulassung aufgenommen werden5.

Gegen diese Regelung legte ein MVZ Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsge-richt (BVerfG) entschied (Az.: 1 BvR 1326/15), dass die maßgebliche Vorschrift über die Drei-Monats-Frist in der Ärzte-ZV gegen die Berufsfreiheit verstößt und nichtig ist. Die Verordnung dürfe nur die gesetzlichen Bestimmungen konkretisieren und laut Gesetz „das Nähere“ bestim-men. Für die Entziehung der Zulassung hätte daher eine gesetzliche Regelung hergemusst und nicht eine Vorschrift einer Verordnung. „In das garantierte Grundrecht der Berufsfreiheit darf nur auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einge-griffen werden“, so das Gericht.

Trotz dieses Urteils errang das MVZ nur einen Pyrrhussieg, da der Zulassungs-Entzug aus anderen Gründen dennoch gerechtfertigt gewesen sei. Das MVZ habe seine „vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt“, indem es über einen Zeitraum von 1 ½ Jahren Leistungen unter der Betriebs-stättennummer einer Einrichtung abgerechnet habe, die tatsächlich nicht existiert habe (der Neubau des MVZ war erst nach dieser Zeit fertiggestellt; bis dahin arbeitete das MVZ in anderen Räumen, nicht jedoch in den gegenüber der KV angegebenen). Pflichtverletzungen begründen einen Entzug der Zulassung, wenn der Arzt als „ungeeignet“ erscheint. Dies sei der Fall, wenn die Pflichtverletzungen zu einem nachhaltig gestörten Vertrauensverhältnis zu den Kassen, den Ver-sicherten und den KVen führten. Das BSG habe hier zu Recht dem MVZ Täuschung vorgeworfen, da es die tatsächliche Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit verschleiert habe.

1.2.4 Entzug der Zulassung wegen Betreibens einer „Hobbypraxis“ Einige Kolleginnen und Kollegen haben ein Schreiben der KVN6 bekommen mit dem Betreff

„Sicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung“. Angeschrieben wurden diejenigen Psychotherapeuten, die trotz eines ganzen Praxissitzes über sechs Quartale hinweg weniger als 17 Psychotherapiestunden wöchentlich abgerechnet hatten.

Anlass für dieses Schreiben waren einerseits die langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz und andererseits die extrabudgetäre Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen seit Anfang 2013. Die extrabudgetäre Vergütung (je ein Honorartopf für Hausärzte, Fachärzte und Psycho-therapeuten) gilt zunächst für vier Jahre. Wenn in dieser Zeit keine Mengenausweitung der psy-chotherapeutischen Leistungen stattfindet, werden diese wieder – wie bisher – aus dem Fach-arzttopf vergütet. Dieses möchte weder die KVN noch ist das im Interesse der Psychotherapeu-ten.

Die KV ist gesetzlich verpflichtet, die Versorgung der Versicherten sicherzustellen (Sicherstel-lungsauftrag). Mit einer Kassenzulassung ergibt sich für die Vertragsärzte / Vertragspsychothera-

5 Frank Leth: Zulassung. Drei-Monats-Frist verfassungswidrig. Ärzte-Zeitung 28.10.2016. 6 DPtV-Newsletter 2/2013 der Landesgruppe Niedersachsen. Schreiben der KVN zur „Sicherstellung der psychotherapeutischen Versor-gung“. S. 3 f.

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peuten ein Versorgungsauftrag, der im BMV-Ä geregelt ist (Präsenzpflicht, s. 12.9). Danach be-deutet ein ganzer Kassensitz (voller Versorgungsauftrag), dass der Vertragsarzt / Vertrags-psychotherapeut an seinem Vertragsarztsitz mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung stehen muss. Für einen halben Sitz (halber Versorgungsauftrag) gelten entsprechend 10 Stunden (§ 17 Abs. 1a BMV-Ä).

20 Stunden Sprechzeit dürften etwa 17 Therapiestunden wöchentlich entsprechen.

Manche Kollegen rechnen jedoch trotz eines ganzen Kassensitzes deutlich weniger Leistungen für GKV-Versicherte ab. Nach § 27 Ärzte-ZV bzw. § 95 Abs. 6 SGB V kann die Zulassung entzogen werden, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt / Ver-tragspsychotherapeut die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt, nicht mehr ausübt oder zu wenig ausübt. Die Entziehung der Zulassung ist ein Sanktionstatbestand bei gröblichen Verlet-zungen der vertragspsychotherapeutischen Pflichten.

Wie ein ganzer Praxissitz entzogen werden kann, so kann auch ein halber Praxissitz entzogen werden, wenn im Rahmen der Voll- bzw. Halbzulassung übermäßig wenig gearbeitet worden ist. Wie oben ausgeführt, verpflichtet jede volle Zulassung zur vollzeitigen Tätigkeit (§ 19 a Abs. 1 Ärzte-ZV) und verpflichtet jede halbe Zulassung zur hälftigen Tätigkeit (§ 19 a Abs. 2 Ärzte-ZV).

In einem Urteil vom 14.11.2012 hat das Sozialgericht Marburg entschieden (Az.: S 12 KA 879/11), dass, wer seinem Versorgungsauftrag für gesetzlich Krankenversicherte nicht in dem Umfang nachkommt, wie es im Bundesmantelvertrag gefordert wird (mindestens 20 Stunden Sprechzeit in der Praxis), mit dem Entzug eines hälftigen Versorgungsauftrags rechnen muss.

Das Landessozialgericht Hessen bestätigte diese Entscheidung mit Urteil vom 02.04.2014 (Az.: L 4 KA 2/13). In dem konkreten Fall hatte eine Psychotherapeutin über 3 Jahre hinweg weniger als 5 Sitzungen Psychotherapie pro Woche geleistet. Sie hatte den geringen Arbeitsumfang teils mit einer hohen psychischen Belastung, teils mit organisatorischen Schwierigkeiten in der Praxis be-gründet. Das Gericht führte aus, dass nicht nur eine mehr als 20-stündige wöchentliche Verfüg-barkeit in eigener Praxis gefordert wird, sondern dass die vertragsärztliche Tätigkeit auch zwei-felsfrei den Hauptberuf ausmachen bzw. das Schwergewicht der beruflichen Tätigkeit bilden muss.

1.2.5 Gerichtsentscheidung, das Nachbesetzungsverfahren nur für einen hälftigen Versorgungsauftrag durchzuführen

Das SG Bremen hat in einem Urteil vom 20.08.2014 (Az.: S 1 KA 22/13) entschieden, dass wenn eine ganze Praxis in den letzten 3 Jahren vor Ausschreibung des Vertragsarztsitzes einen Versor-gungsbeitrag von weniger als der Hälfte geleistet hat, sie aus Versorgungsgründen nicht mehr relevant ist.

Im vorliegenden Fall hatte eine Vertragspsychotherapeutin mit vollem Versorgungsauftrag beim ZA einen Antrag auf Nachbesetzung gestellt. Die KV wertete daraufhin die Abrechnungen der Psychotherapeutin aus. Das Ergebnis: Sie hatte in den vergangenen 3 Jahren nicht annähernd 20 Therapiestunden pro Woche erbracht. Der ZA fasste daraufhin den Beschluss, dem Antrag auf Nachbesetzung (nur) für einen halben Praxissitz stattzugeben und den Antrag auf Nachbeset-zung der zweiten Hälfte mangels Praxissubstrat abzulehnen, denn Gegenstand der Nachbeset-zung könne nur eine Zulassung mit entsprechendem Praxissubstrat sein – dieses sei jedoch nur für einen hälftigen Versorgungsauftrag gegeben gewesen.

Dagegen klagte die Psychotherapeutin. Das SG Bremen wies die Klage ab. Die Entscheidung des ZA sei rechtmäßig. Der ZA habe eine Ermessensentscheidung zu treffen. Er bewerte die Not-wendigkeit der Nachbesetzung im Rahmen eines ihm hierfür eingeräumten rechtlich nur einge-schränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraumes. Dass die Abrechnungen der Klägerin aus den letzten 3 Jahren herangezogen worden sind, sei sachgerecht und nicht zu beanstanden. Denn aus diesen Daten ließen sich sowohl Aussagen über die Versorgungsrelevanz als auch über den Eigen-tumsschutz ableiten. Die Auswertung habe ergeben, dass die Klägerin offenbar zu keiner Zeit in vollem Umfang tätig war. Somit sei die Entscheidung, das Nachbesetzungsverfahren nur für einen hälftigen Versorgungsauftrag durchzuführen, folgerichtig.

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In den KVen wird dieses Thema unterschiedlich gehandhabt. So wurden von der KV Bremen 3 halbe Versorgungsaufträge entzogen. Im gleichen Zeitraum verzichteten 3 Psychotherapeuten ohne Nachfolger auf eine halbe Zulassung, 1 Psychologischer Psychotherapeut auf seinen ganzen Sitz. Noch 2013 hat die KV Bremen Kollegen, die ihre Praxis abgeben wollten, Kaufangebote ge-macht, um die Sitze stillzulegen. Rund 20 Sitze seien auf diese Weise stillgelegt worden.

Auch die KV Berlin geht nach eigenen Angaben „den Weg, dass nicht ausgefüllte Versorgungsauf-träge sukzessive entzogen werden“.

Usus sei es bei einigen KVen, die Praxis gar nicht mehr auszuschreiben, wenn weniger als 10 Therapiesitzungen pro Woche stattgefunden haben. Bei 10-20 wöchentlichen Sitzungen werde nur der halbe Sitz, bei über 20 wöchentlichen Sitzungen werde der ganze Sitz ausgeschrieben. Zudem berücksichtige der ZA das Leistungsgeschehen mindestens der vergangenen 3 Jahre.

Ist der ZA der Ansicht, dass der Versorgungsauftrag nicht angemessen ausgeführt wird, wird die-ser zur Hälfte oder – im schlimmsten Falle – sogar ganz entzogen. Eine Entschädigung muss die KV in diesem Fall jedoch nicht zahlen. Dazu ist sie – anders als bei der Aufkaufregelung des GKV-VSG bei fehlender Versorgungsrelevanz im Nachbesetzungsverfahren (s. 11.5) – nicht verpflich-tet.

Die KVen müssen gem. dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG)7 künftig prüfen8, ob Ärzte und Psychotherapeuten ihre Versorgungsaufträge erfüllen. Dafür müssen die KBV und der GKV-Spitzenverband im Bundesmantelvertrag den Umfang der Versorgungsaufträge definieren. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die KVen künftig anhand der Leistungsdaten prüfen, ob Vertragsärzte ihre Versorgungsaufträge erfüllen, die sich aus ihrer Zulassung zur GKV ergeben.

Der Gesetzgeber fordert die KVen auf, bei Verstößen gegen diese Pflichten Sanktionen zu ver-hängen. Die KVen sind auch verpflichtet, über die Ergebnisse dieser Prüfungen einmal jährlich die Landes- und Zulassungsausschüsse zu informieren.

Psychotherapeuten haben die Möglichkeit - z.B. aus Gründen des Alters -, a. die Hälfte ihrer Praxis zu veräußern (§ 103 Abs. 4 S. 2 SGB V, § 19 a Abs. 2 Ärzte-ZV) und in

Teilzeittätigkeit weiter zu arbeiten (s. 12.3), b. auf die hälftige Zulassung zugunsten der Anstellung zu verzichten (s. 5.2), c. auf die hälftige Zulassung zugunsten eines Angestellten zu verzichten (s. 5.4), d. jemanden im Job-Sharing zu beschäftigen oder anzustellen und so den eigenen halben oder

ganzen Praxissitz auszulasten (s. 6.), e. einen Assistenten oder Vertreter anzustellen, um so die Versorgung sicherzustellen oder –

bei komplettem Ausfall – sich vertreten zu lassen (s. 4.).

Sie schützen sich damit vor dem Entzug ihres Versorgungsauftrags oder eines Teils ihres Versor-gungsauftrags und räumen damit außerdem unserem psychotherapeutischen Nachwuchs die Möglichkeit ein, frühzeitig in einer freiberuflichen Praxis arbeiten zu können.

1.2.6 Bedarfsunabhängige und bedarfsabhängige Zulassung Bedarfsunabhängige Zulassung ist möglich, wenn der Planungsbereich nicht gesperrt ist.

Bedarfsabhängige Zulassung ist möglich, auch wenn der Planungsbereich gesperrt ist. Es han-delt sich dann um Zulassung aufgrund des Kaufes einer Praxis oder um Sonderbedarfszulassung oder -ermächtigung (siehe 1.3.1).

In beiden Fällen gelten die Bestimmungen zur Nebentätigkeit (siehe 7.).

1.2.7 Ruhen der Zulassung Das Ruhen der Zulassung (z.B. wegen Krankheit, Kindererziehungszeiten, längerfristiger Wei-

terbildung, etc.) gem. § 26 Ärzte-ZV bedarf auf Antrag eines Beschlusses des ZA (§ 95 Abs.5 SGB V). Es setzt die nur vorübergehende Aussetzung der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit

7 KVN-Rundschreiben August 2015, S. 3 ff. 8 GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – Konsequenzen für die Praxis. In: Psychotherapeuten Journal PTJ 3/2015, S. 269 ff.

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voraus. Die Ruhensgründe sind dem ZA mitzuteilen. Nachweise sollten z.B. durch Geburtsur-kunde des Kindes, durch ärztliches Attest, etc. vorgelegt werden.

Für eine längere Abwesenheit kann bei der KV eine Vertretung (s. 4.3) beantragt werden. Die Beantragung eines Sicherstellung- oder Entlastungsassistenten setzt voraus, dass der Praxisin-haber die Leitung und Aufsicht weiterhin ausübt und in der Praxis ebenfalls tätig ist (s. 4.2).

Durch Wegzug des Vertragspsychotherapeuten aus seinem Bezirk ohne vorherige Genehmi-gung durch den ZA wird die Zulassung beendet, d.h. der Praxissitz wird (ohne Entschädigung) eingezogen.

1.3 Ermächtigung Die Ermächtigung erfolgt ausschließlich bedarfsorientiert und ist daher zeitlich befristet. Dies ist

der wesentliche Unterschied zur Zulassung, die unbefristet erfolgt. (Ausnahme s. 1.2.1).

Die Ermächtigung wird durch den Zulassungsausschuss ausgesprochen und bewirkt – wie die Zulassung – ein Versorgungsrecht und eine Versorgungspflicht.

Bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 31 Ärzte-ZV ist ein PP oder KJP ermächtigungsfähig, wenn er die nach der Psychotherapie-Vereinbarung erforderlichen Fachkundevoraussetzungen erfüllt. Eine weitere Voraussetzung einer Ermächtigung ist der (vorübergehende) Bedarf. Dementsprechend ist die Ermächtigung zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach zu bestimmen (§ 31 Abs.7 Ärzte-ZV). In der Regel wird eine Ermächtigung daher (zunächst) nur für einen Zeit-raum von 2 Jahren erteilt.

Die Ermächtigung endet mit Ablauf der festgesetzten Frist. Sie kann vor Ablauf dieser Frist erneut beantragt und durch den ZA ggf. verlängert werden. Die Ermächtigung bewirkt die Mitgliedschaft in der KV (vgl. z.B. § 4 der Satzung der KVN).

Nach dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz von 2012 (GKV-VStG) können ZA zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung Psychotherapeuten ermächtigen, die in Vorsorge- und Re-habilitationseinrichtungen, in stationären Pflegeeinrichtungen und in Einrichtungen der beruf-lichen Rehabilitation tätig sind. Angesichts vieler psychosomatisch/psychotherapeutischer Reha-Kliniken in ansonsten unterversorgten Regionen wird es für diese Einrichtungen bzw. Kollegen sicher ein attraktives Ziel sein, sich um Ermächtigungen zu bemühen9.

Eine besondere Form der Ermächtigung ist die in § 117 Abs.2 SGB V vorgesehene Ermächtigung für staatlich anerkannte Ausbildungsinstitute nach § 6 PsychThG, die bedarfsunabhängig ist. Der ZA ist danach verpflichtet, die entsprechenden Einrichtungen zu ermächtigen, wenn die Voraus-setzungen vorliegen.

1.3.1 Zulassung oder Ermächtigung wegen Sonderbedarf § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 SGB V sieht die „ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarzt-

sitze“ vor, „soweit diese zur Gewährleistung der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versor-gungsbereich unerlässlich sind, um einen zusätzlichen lokalen oder einen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf insbesondere innerhalb einer Arztgruppe zu decken“.

Der Antrag ist für einen bestimmten Vertragspsychotherapeutensitz zu stellen.

In der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BplRi) von 2013 wurden in den §§ 36 und 37 die allgemeinen Voraussetzungen für den lokalen und den qualifikationsbezogenen Sonderbedarf geregelt10:

Zulassungstatbestände für lokalen und qualifikationsbezogenen Sonderbedarf: Unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss darf

der ZA dem Zulassungsantrag eines Arztes der betreffenden Arztgruppe auf Sonderbedarf nach 9 GKV-Versorgungsstrukturgesetz, Bedarfsplanung und Sicherstellung. In: 4. Mitgliederbrief 2011 der DPtV, Berlin, im Dezember 2011, S.3. 10 RA U. Rüping: Sonderbedarfszulassung nach Überarbeitung der Bedarfsplanungs-Richtlinie. Vortrag beim Treffen der Mitglieder der Niedersächsischen und Bremischen Zulassungs-/ Berufungsausschüsse am 24.08.2013. Und: RA Rüping und Henning: Vorschriften Sonderbedarfszulassung. Vortrag beim Treffen der Mitglieder der Niedersächsischen und Bremischen Zulassungs-/ Berufungsausschüsse am 19.07.2014

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Prüfung entsprechen, wenn die nachstehenden vier Voraussetzungen erfüllt sind und die aus-nahmsweise Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes unerlässlich ist, um die vertragsärzt-liche Versorgung in einem Versorgungsbereich zu gewährleisten und dabei einen zusätzlichen lokalen oder einen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf zu decken. Sonderbedarf ist also als zusätzlicher Versorgungsbedarf für einen lokalen oder qualifikationsbezogenen Versorgungs-bedarf festzustellen (§ 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB V).

Die Feststellung dieses Sonderbedarfs bedeutet die ausnahmsweise Zulassung eines zusätzli-chen Vertragsarztes in einem Planungsbereich trotz Zulassungsbeschränkungen.

Vier Voraussetzungen für eine Zulassung oder Ermächtigung wegen Sonderbedarfs: 1. Die Zulassung wegen Sonderbedarfs ist zunächst an den Ort der Niederlassung gebunden, d.h.,

dass der Antragsteller eine Bezugsregion nennen muss, die vom beantragten Ort der Niederlas-sung aus versorgt werden soll. Nennt der Antragsteller keine Bezugsregion, ist der Antrag abzu-lehnen. Wird eine Bezugsregion genannt, hat der ZA zu prüfen, ob diese geeignet ist.

2. Wurde die Region, die vom beantragten Ort der Niederlassung aus versorgt werden soll, abge-grenzt, hat der ZA zu prüfen, ob Versorgungsdefizite in der betreffenden Region innerhalb des Planungsbereichs vorliegen. Der ZA hat bei der Ermittlung aller entscheidungsrelevanten Tatsa-chen eine umfassende Ermittlungspflicht. Die Feststellung soll der ZA auch unter Zuhilfenahme von geografischen Informationen, die die räumlichen Interaktionen zwischen Ärzten und Patien-ten abbilden, treffen.

3. Ein lokaler oder qualifikationsbezogener Sonderbedarf setzt zudem voraus, dass aufgrund von durch den ZA festzustellenden Besonderheiten des maßgeblichen Planungsbereichs (z.B. in Struk-tur, Zuschnitt, Lage, Infrastruktur, geografische Besonderheiten, Verkehrsanbindung, Verteilung der niedergelassenen Ärzte) ein zumutbarer Zugang der Versicherten zur vertragsärztlichen Ver-sorgung nicht gewährleistet ist und aufgrund dessen Versorgungsdefizite bestehen. Bei der Beur-teilung ist den unterschiedlichen Anforderungen der Versorgungsebenen der §§ 11 bis 14 Rech-nung zu tragen.

4. Die Sonderbedarfszulassung setzt ferner voraus, dass der Versorgungsbedarf dauerhaft er-scheint. Bei vorübergehendem Bedarf ist von der Möglichkeit der Ermächtigung Gebrauch zu machen.

a) Bei der Feststellung des lokalen Sonderbedarfs sind nach § 36 Abs. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie folgende Mindestbedingungen zu beachten: Abgrenzung einer Region, die vom beantragten Ort der Niederlassung aus versorgt werden soll und Bewertung der Versorgungslage (Feststellung einer unzureichenden Versorgungslage). Anhaltspunkte für die Bewertung der Versorgungslage gibt § 36 Abs. 5 der BplRi. Danach können folgende Kriterien berücksichtigt werden: o regionale Demographie o regionale Morbidität o sozioökonomische Faktoren o Versorgungsstrukturen o räumliche Faktoren o infrastrukturelle Mindestbedingungen. Der Ort der Niederlassung muss für die beantragte Versorgung außerdem geeignet sein (Erreich-barkeit, Stabilität u. ä.). Der Einzugsbereich muss über eine ausreichende Anzahl an Patienten (Dauerhaftigkeit) verfügen.

b) Die Zulassung wegen qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs hat mit der Maßgabe zu erfolgen,

dass für den zugelassenen Vertragsarzt nur die ärztlichen Leistungen, welche im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand stehen, abrechnungsfähig sind. Eine besondere Qualifikation ist anzunehmen, wie sie durch einen der folgenden Inhalte gegeben ist: Schwerpunktbezeichnung im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung (s.u.), fakultativen Weiterbildung (das Kriterium „fakultative Weiterbildung“ bezieht sich auf das

Vorliegen einer „Zusatzbezeichnung“. Sie ist die Voraussetzung z.B. für den Sonderbedarf

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Neuropsychologie. Seit Inkrafttreten der Neuropsychologie-Richtlinie 2012 besteht die Mög-lichkeit der Zulassung oder Ermächtigung wegen Sonderbedarf auf dem Gebiet der ambulan-ten Neuropsychologie. Menschen mit hirnorganischen Schädigungen haben nunmehr einen Anspruch auf eine fachgerechte ambulante neuropsychologische Behandlung. Für PP und KJP bieten sich durch das entsprechende Weiterbildungsrecht für Psychotherapeuten zusätzliche Tätigkeitsfelder11),

Zusatzweiterbildung oder eine Zusatzbezeichnung (sie kann einen qualifikationsbezogenen Sonderbedarf begründen, wenn sie den vorgenannten Qualifikationen vom zeitlichen und qualitativen Umfang her gleichsteht),

Facharztbezeichnung, (wenn die Arztgruppe gem. §§ 11 bis 14 mehrere unterschiedliche Facharztbezeichnungen umfasst),

Berufsbezeichnung Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (sie ist einer Schwerpunktbe-zeichnung (s.o.) im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung gleichgestellt,

Zweitabrechnungsgenehmigung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen gem. § 6 Abs. 4 Psychotherapie-Vereinbarung (dieser qualifikationsbezogene Sonderbedarf begrenzt die Praxis auf die Leistungen des beantragten Ausnahmetatbestandes). Der qualifikationsbe-zogene Sonderbedarf kann also für diejenigen Psychotherapeuten Bedeutung erlangen, die neben ihrer Qualifikation für die Behandlung Erwachsener eine Zweitabrechnungsgenehmi-gung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen haben. Wenn es in einer Region nicht genügend Leistungserbringer oder nicht genügend Leistungserbringer mit einer besonderen Qualifikation gibt, die Kinder und Jugendliche behandeln, dann besteht die Möglichkeit, eine qualifikationsbezogene Sonderbedarfszulassung mit der Maßgabe zu erhalten, dass nur Kin-der und Jugendliche behandelt werden dürfen,

Besondere Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung der Ärzte.

Voraussetzung für einen derartigen besonderen (qualifikationsbezogenen) Versorgungsbedarf ist, dass die ärztlichen Tätigkeiten des qualifizierten Inhalts in dem betreffenden Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Bei der Beurteilung, ob bzw. inwieweit die bereits zugelassenen Ärzte eine ausreichende Ver-

sorgung gewährleisten oder ob in diesem Versorgungsbereich der Versorgungsbedarf nicht gedeckt ist, verfügen die Zulassungsgremien in weitem Umfang über einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. (Vgl. dazu das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 23.10.2013. Az.: L 7 KA 86/12 zur Sonderbedarfszulassung).

Soweit die Zulassungsgremien z.B. dem Umfang der Leistungserbringung durch die bereits zugelassenen Ärzte entscheidende Bedeutung beimessen, muss ihr Beurteilungsergebnis auf ausreichend fundierte Ermittlungen gegründet sein. Ihnen obliegt es, diejenigen Ärzte bzw. Praxen, die solche Leistungen möglicherweise bereits erbringen bzw. erbringen können, zu befragen und deren Angaben, da diese interessenorientiert sein können, anhand ihnen zu-gänglicher weiterer Unterlagen – insbesondere der sog. Anzahlstatistiken – zu verifizieren.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG-Urteil v. 05.11.2008. Az.: B 6 KA 10/08 R, Rn. 19) müssen Aussagen von bereits zugelassenen Leistungserbringern - wegen ihrer poten-ziellen Interessenorientiertheit - verifiziert werden. Der Beurteilungsspielraum wird verfehlt bzw. überschritten, wenn die Beurteilungen nicht auf ausreichend fundierten Ermittlungen beruhten.

Dabei ist nicht das potenzielle, sondern das reale Versorgungsangebot von Interesse. Solan-ge eine Versorgung nicht real gewährt wird oder jedenfalls eine Bereitschaft dazu besteht, ist eine Versorgungslücke gegeben, die der Deckung durch Sonderbedarfszulassungen – oder notfalls durch Ermächtigungen – zugänglich ist. Das BSG (Urteil vom 23.06.2010, Az.: B 6 KA 22/09 R) unterscheidet ausdrücklich zwischen einem potenziellen Psychotherapieangebot, wie es sich durch Versorgungsgrade und Therapeutensitze darstellt und dem tatsächlich vorhandenen Angebot. Selbst wenn Psychotherapeuten in einer Region nachgewiesenerma-

11 Vorwort zur 50. Aktualisierung des MHP, Mai 2012, S. 1.

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ßen nur wenige Therapiesitzungen anbieten, sie also freie Kapazitäten haben, kommt es da-rauf nicht an, sondern ausschließlich darauf, ob tatsächlich Psychotherapieplätze zur Verfü-gung stehen. Dies muss im Einzelfall konkret ermittelt und festgestellt werden.

Bezüglich der Berücksichtigung von Hochschulambulanzen bei der Berechnung des Versor-gungsbedarfs ist auf den Beschluss des G-BA vom 17.04.2014 zu verweisen. In diesem Be-schluss stellt der G-BA klar, dass Einrichtungen der Behindertenhilfe gem. § 119 a SGB V und Hochschulambulanzen gem. § 117 SGB V nicht auf den Versorgungsgrad anzurechnen sind. Dies trifft auch auf Ausbildungsambulanzen zu, da diese nicht zur Versorgung der Versicher-ten mit Krankenbehandlung, sondern zur Ausbildung von Psychotherapeuten da sind.

Der Sonderbedarf muss so groß sein, dass sich eine Praxis trägt und zwar muss sich dieser Bedarf aus der Nachfrage im konkreten Planungsbereich ergeben. Zur Beurteilung, ob ein Sonderbedarfs-Leistungsspektrum eine Praxis tragen kann, bedarf es evtl. einer Prognose. Sofern keine Anhaltspunkte für Zweifel am Vorliegen der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Praxis vorliegen, bedarf es insoweit keiner näheren Ermittlungen. Die Sonderbedarfszulas-sung muss erteilt werden. Das Risiko, ob die Nachfrage für eine tragfähige Praxis ausreicht, liegt dann beim Praxisinhaber.

Die ZA gehen vermehrt dazu über, auch halbe Sonderbedarfszulassungen zu erteilen.

Sind die Voraussetzungen des § 36 BplRi erfüllt und liegen daneben die allgemeinen Zulassungs-voraussetzungen vor, hat der Antragsteller einen Anspruch auf Zulassung wegen Sonderbedarf, wobei es sich bei der Beurteilung des lokalen und qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs um eine Ermessensentscheidung der Zulassungsgremien handelt, die durch die Gerichte nur beschränkt überprüfbar ist12.

Wenn sich mehrere Psychotherapeuten auf einen Sitz im Wege der Sonderbedarfszulassung bewerben, gelten nach einem Urteil des BSG13 vom 08.12.2010 (Az. B 6 KA 36/09 R), bei ansons-ten gleicher fachlicher Eignung, die Kriterien, die der Gesetzgeber für die Praxisnachfolge und für die Öffnung eines bisher wegen Überversorgung für Neuzulassungen gesperrten Planungsbe-reichs normiert hat (s. 10.2). Die Auswahlentscheidung des ZA sei in erster Linie daran auszurich-ten, welcher Bewerber von seiner Qualifikation, seinem Leistungsspektrum und vom geplanten Praxisstandort her den Versorgungsbedarf am besten deckt.

Das BSG weist ergänzend darauf hin, dass die Kriterien „Approbationsalter“ und „Dauer der ärztlichen Tätigkeit“ darauf abzielen, einen gewissen Erfahrungsstand und den dadurch erwor-benen Standard zu berücksichtigen. Dieser dürfte, so das BSG zum „Approbationsalter“, „in den meisten ärztlichen Bereichen nach ca. 5 Jahren in vollem Ausmaß erreicht sein, so dass darüber-hinausgehende höhere Alter eines Bewerbers und eine noch längere ärztliche Tätigkeit keinen zu-sätzlichen Vorzug mehr begründen“. (s. 12.2).

Bescheide der ZA können im Hinblick auf die Sonderbedarfszulassung nach folgendem Schema aufgebaut werden: 1. Feststellung der Bezugsregion, die von dem beantragten Ort der Niederlassung aus versorgt

werden soll. 2. Prüfung, ob der angestrebte Ort der Niederlassung für die beantragte Versorgung geeignet

ist. 3. Prüfung, ob Versorgungsdefizite in der Region, die von dem beantragten Ort der Niederlas-

sung aus versorgt werden sollen (lokaler Versorgungsbedarf), bezogen auf das gesamte vom Antragsteller angebotene Leistungsspektrum, d.h. im jeweiligen Versorgungsbereich, vorlie-gen.

12 Schirmer/Jahn: Managementhandbuch für die psychotherapeutische Praxis (MHP), „Zulassung“, Ziffer 2350, 54. Aktualisierung, Februar 2013, S. 29. 13 Rechtliches. BSG zur Sonderbedarfszulassung: Bei mehreren Bewerbern spielt ein Approbationsalter von mehr als 5 Jahren keine Rolle – Urteil vermutlich auch auf Praxisnachfolge anwendbar. Deutsche PsychotherapeutenVereinigung, 3. Mit- gliederbrief 2011, S. 11.

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4. Prüfung, ob Versorgungsdefizite in einer Region oder in dem Planungsbereich bezogen auf ein bestimmtes vom Antragsteller angebotenes Leistungsspektrum qualifizierten Inhalts vorliegen (qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf).

5. Die Versorgungsbereiche a) Erwachsenenpsychotherapie und b) Kinder- und Jugendlichen-psychotherapie sind nach dem Urteil des BSG zwei unterschiedliche Versorgungsbereiche und als solche zu berücksichtigen.

6. Außerdem gibt es im Versorgungsbereich der Psychotherapie nach der Rechtsprechung des BSG - entsprechend der Psychotherapie-Richtlinie - zwei verschiedene Richtlinienverfahren: a) psychoanalytische und b) verhaltenstherapeutische.

7. Damit ergeben sich vier Versorgungsbereiche: a) PP psychoanalytisch, b) PP verhaltenstherapeutisch, c) KJP psychoanalytisch, d) KJP verhaltenstherapeutisch. Der Antrag auf Sonderbedarfszulassung bzw. -ermächtigung ist also diesbezüglich zu spezifi- zieren

8. Die Zulassung setzt voraus, dass der Versorgungsbedarf dauerhaft erscheint. Andernfalls ist bei nur vorübergehendem Bedarf von der Möglichkeit der Ermächtigung Gebrauch zu ma-chen. (Zulassung = dauerhafter, Ermächtigung = befristeter Versorgungsbedarf).

Um das Vorhandensein eines Sonderbedarfs zu überprüfen, verlangt die KV von den Antragstel-lern, dass sie bei Kollegen im Umkreis von 25 km diesen Bedarf erfragen. Das kann mit folgen-dem Schreiben an diese Kollegen erfolgen:

„Sehr geehrte …, nach meiner (Zeitpunkt) erlangten Approbation zur Kinder- und Jugendlichenpsychothera-peutin (VT) / Psychologischen Psychotherapeutin (TP) arbeite ich z.Zt. im Wege der Kostener-stattung in (Ortsangabe) und habe mich parallel hierzu nach Niederlassungsmöglichkeiten in der Region umgeschaut. Dabei stellte ich fest, dass die im Planungsbereich (Ortsangabe) ver-gebenen Sitze im Bereich KJP durch Kolleginnen abgedeckt werden, deren Arbeit nicht ver-haltenstherapeutisch / tiefenpsychologisch orientiert ist. Das BSG trug jedoch bereits in ei-nem Urteil aus dem Jahre 2010 der Tatsache Rechnung, dass die unterschiedlichen Richtli-nienverfahren jeweils eigene Beiträge zur psychotherapeutischen Versorgung leisten. Konk-ret entschied das BSG, dass die versch. Psychotherapieverfahren wie Schwerpunkte bei Ärz-ten bei der Sonderbedarfszulassung zu berücksichtigen sind. Eine Zulassung aufgrund eines Sonderbedarfs kann seither darauf gestützt werden, dass es nicht genügend Anbieter eines bestimmten Psychotherapieverfahrens in einer Region gibt. Vor diesem Hintergrund möchte ich gerne diese bestehende Versorgungslücke im Bereich der verhaltenstherapeutischen Kin-der- und Jugendlichenpsychotherapie in (Angabe der Region) schließen. Damit mir dies ge-lingt, bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. Für den Antrag auf Sonderbedarfszulassung benö-tige ich eine Einschätzung zur derzeitigen Versorgungssituation im Bereich verhaltensthera-peutisch begründeter Psychotherapieverfahren in der genannten Region (Umkreis von 25 km). Daher möchte ich sie bitten, den beigefügten Fragebogen auszufüllen und an mich zu-rückzuschicken. Ich bedanke mich herzlich für Ihre Unterstützung. Mit freundlichem Gruß“

Der „Fragebogen zur Erfassung der derzeitigen Situation kinder- und jugendlichenpsychothera-peutischer Versorgung im Planungsbereich (Angabe)“ enthält folgende Fragen: 1. Besteht aus Ihrer Sicht derzeit ein Bedarf an zusätzlicher psychotherapeutischer Versorgung

von Kindern und Jugendlichen im Planungsbereich (Angabe)? Ja, Nein. 2. Besteht aus Ihrer Sicht ein Bedarf zur Schaffung eines verhaltenstherapeutischen Therapiean-

gebots für Kinder und Jugendliche im Planungsbereich (Angabe)? Ja, Nein. 3. Bitte geben Sie eine kurze Einschätzung, wie lange die Wartezeiten auf einen Therapieplatz

sind (z.B. bis zu 4 Wochen, drei Monaten, sechs Monaten, ..).

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Eine Sonderbedarfszulassung ist eine vollwertige Zulassung mit folgenden Besonderheiten: o Örtliche Beschränkung auf den Ort der Niederlassung bei lokalem und qualifikationsbezoge-

nem Sonderbedarf. o Bei besonderem (qualifikationsbezogenem) Sonderbedarf sind nur die Leistungen abrech-

nungsfähig, die im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand stehen. o Erstarkung zur Normalzulassung nach fünf Jahren nur für (qualifikationsbezogene) Sonder-

bedarfszulassungen, die vor Nov. 2005 erteilt wurden. Es ist umstritten, ob lokale Sonderbe-darfszulassungen zur Normalzulassung erstarken konnten.

o Keine „automatische“ Erstarkung in eine Normalzulassung bei Entsperrung. Stattdessen muss der Inhaber der Sonderbedarfszulassung einen Antrag nach § 26 BplRi auf Zulassung stellen (Zulassungsverfahren nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen).

o Nachfolgebesetzung nur bei Fortbestand der Sonderbedarfsfeststellung. Die Nachfolgebeset-zung nach § 103 Abs. 4 SGB V bedarf der erneuten Zulassung und kann nur bei Fortbestand der Sonderbedarfsfeststellungen mit Festsetzung einer erneuten Beschränkung erteilt wer-den. Die Regelungen in § 103 Abs. 3a Satz 3 zweiter Halbsatz (Nachbesetzung durch privile-gierte Personenkreise) und Satz 8 SGB V (Entschädigung) finden keine Anwendung.

o Sonderbedarfszulassungen sind durch eine Konkurrentenklage anfechtbar. Niedergelassene, die gegen Ermächtigungen oder Sonderbedarfszulassungen aus Wettbewerbsgesichtspunk-ten rechtlich vorgehen wollen, müssen darlegen, inwieweit ihre Rechte beeinträchtigt sind, wobei die räumliche Lage, Verkehrsverbindungen und Überschneidungen bei der konkreten Tätigkeit eine Rolle spielen. Das hat das BSG entschieden (Az.: B 6 KA 38/08 R, B 6 KA 25/08 R). Im Rahmen einer Konkurrentenklage können die bei der ambulanten Versorgung vorran-gigen niedergelassenen Ärzte geltend machen, es habe keine Versorgungslücke bestanden. Zudem hatte das BVerfG auf die ungleichen Machtverhältnisse zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Arzt verwiesen. Das BSG schloss sich dieser Rechtsauffassung nun an und betonte, die Bedarfsprüfung sei bei Sonderbedarfszulassungen ähnlich; auch sie setze eine Versorgungslücke voraus.

1.3.2 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (AsylbLG): Mit der Verordnung zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz14 wurde in § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV

ein neuer Satz eingefügt, wonach Ärzte, Psychotherapeuten und ärztlich bzw. psychotherapeu-tisch geleitete psychosoziale Einrichtungen zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Ver-sorgung von Flüchtlingen durch die ZA zu ermächtigen sind. Die ambulante vertragsärztliche Versorgung soll primär durch niedergelassene Vertragsärzte und zugelassene MVZ sichergestellt werden. Ermächtigungen werden nur nachrangig erteilt und zwar dann, wenn die ambulante ver-tragsärztliche Versorgung von zugelassenen Vertragsärzten und MVZ nicht gewährleistet ist.

Die Ermächtigung verpflichtet und berechtigt die ermächtigten Psychotherapeuten zur vertrags-psychotherapeutischen Versorgung. Das bedeutet aber auch, dass lediglich vertragspsychothera-peutische Leistungen, also Richtlinienverfahren gem. der PT-Richtlinie, durchgeführt werden dürfen.

Die Ermächtigung wird durch einen Ermächtigungsbeschluss des ZA erteilt. Die Ermächtigung ist nach § 31 Abs. 7 Ärzte-ZV zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach zu bestimmen. Der ZA be-stimmt also im Zusammenhang mit der Bedarfsanalyse für wie lang, in welchem Umfang und an welchem Leistungsort die vertragsärztliche Leistung durch die Ermächtigung zu erbringen ist. In der Regel ist eine Befristung von 2 Jahren vorgesehen, sie kann aber auch für einen längeren Zeitraum erteilt werden, wenn sachliche Gründe dafür vorliegen. Auch kann eine bestehende Ermächtigung nach Ablauf des Ermächtigungszeitraums auf einen erneuten Antrag hin verlängert werden. Sie kann jedenfalls nicht auf Dauer erbracht werden und es besteht auch kein Anspruch auf eine Verlängerung. Die räumliche Bestimmung betrifft eine konkrete Anschrift, also den Pra-

14 Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK): Wie beantrage ich eine Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung von

Flüchtlingen? BPtK-Information für Psychotherapeuten in Privatpraxen und in Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer. Aktualisierte Version: Oktober 2015. http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/befristete-z.html

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xissitz des Therapeuten bzw. den Sitz des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge und Folterop-fer.

Der Inhalt des Ermächtigungsbeschlusses bezieht sich auf den Leistungsumfang. D.h., in jeder Ermächtigung wird der Leistungskatalog, für den die Ermächtigung ausgesprochen ist, konkret aufgeführt. Dies geschieht i.d.R. durch die Aufzählung der Leistungsziffern des EBM. Die Ermäch-tigung kann auch die Zahl der Behandlungen beschränken. Der Ermächtigungsbeschluss muss auch eine Regelung darüber enthalten, ob der ermächtigte Arzt oder Psychotherapeut unmittel-bar oder lediglich auf Überweisung in Anspruch genommen werden kann.

Wenn eine Ermächtigung erteilt wurde, ist der Psychotherapeut verpflichtet, die im Ermächti-gungsbeschluss festgelegte vertragspsychotherapeutische Tätigkeit persönlich auszuüben. Er hat seinen Versorgungsauftrag nach dem Bundesmantelvertrag zu erfüllen. Er kann aber auch Privat-patienten behandeln. Diese Tätigkeit darf aber nicht dazu führen, dass er seiner vertragspsycho-therapeutischen Versorgung nicht ausreichend nachkommt.

Im Rahmen dieser Ermächtigung können nur Flüchtlinge behandelt werden. Andere GKV-Versicherte dürfen in diesem Rahmen nicht behandelt werden. Gleichzeitig wird der ermächtigte Psychotherapeut auch nicht Mitglied in der KV. Es besteht aber die Pflicht zur fachlichen Fortbil-dung nach § 95 d SGB V.

Es gibt persönliche Ermächtigungen und Institutsermächtigungen. Psychotherapeuten in Privat-praxen oder in Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer können eine persönliche Ermächtigung beantragen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass ein Psychosoziales Zent-rum für Flüchtlinge und Folteropfer eine Institutsermächtigung beantragen kann, wenn es ärzt-lich oder psychotherapeutisch geleitet wird.

Eine Ermächtigung kann nur dann erteilt werden, wenn eine Unterversorgung besteht oder droht oder aber zur Versorgung eines begrenzten Personenkreises. Die Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze, eine Sonderbedarfszulassung oder Ermächtigung von Krankenhausärzten zur ambulanten Versorgung haben Vorrang vor der persönlichen Ermächtigung.

Daneben müssen auch persönliche Voraussetzungen vorliegen. So muss der Antragsteller die für die Erbringung der vertragspsychotherapeutischen Leistungen, die Gegenstand der Ermächtigung sind, notwendige Qualifikationen besitzen. Aus diesem Grund muss dem Antrag auf Ermächti-gung zwingend auch die Approbationsurkunde beigelegt werden.

Letztlich darf der Antragsteller nicht ungeeignet zur Ausübung der Kassenpraxis im Sinne des § 21 Ärzte-ZV sein. Ungeeignet ist z.B., wer in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung rauschgift- oder trunksüchtig war.

Der Antrag ist schriftlich beim zuständigen ZA zu stellen. Er sollte gut begründet werden. In der Begründung ist darzulegen, für welchen begrenzten Personenkreis die Ermächtigung begehrt wird und dass die Versorgung dieses Personenkreises zurzeit und am gegebenen Ort nicht ge-währleistet ist. Darum sollten möglichst Angaben zur Flüchtlingssituation am Leistungsort ge-macht werden. Daneben sollten außer der Approbationsurkunde Nachweise über Fortbildungs-veranstaltungen zur Behandlung von Flüchtlingen belegt werden, anhand derer besondere Erfah-rungen und Kenntnisse nachgewiesen werden können.

Für die Beantragung der Ermächtigung entsteht eine Gebühr in Höhe von 120,00 €. Diese muss vor Antragstellung bezahlt werden. Wenn die Ermächtigung erteilt wird, erfolgt die Eintragung in ein Ermächtigungsverzeichnis, wofür eine weitere einmalige Gebühr von 400,00 € verlangt wird.

Für die psychotherapeutische Behandlung von Flüchtlingen sind Dolmetscher häufig unerlässlich. Innerhalb der ersten 15 Monate des Aufenthalts von Flüchtlingen in Deutschland kann die Über-nahme von Kosten für Dolmetscherleistungen für eine psychotherapeutische Behandlung nach dem AsylbLG durch die Flüchtlinge bei den zuständigen Sozialbehörden beantragt werden. Nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland haben Flüchtlinge Anspruch auf die Leistungen der GKV.

Um die Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge zu verbessern, haben Bundespsychotherapeu-tenkammer und Bundesärztekammer zusammen ein Modellprojekt15 vorgeschlagen, das aus

15 Petra Bühring: Psychotherapeutische Versorgung von Flüchtlingen. Koordinierungsstellen. Deutsches Ärzteblatt / PP / Heft 11 / Novem-ber 2015, S. 481.

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Bundesmitteln finanziert werden soll. Kern des Projekts sind 3 auf einander abgestimmte Modu-le. o Das 1. Modul sieht den Aufbau eines bundesweiten Dolmetscher- und Sprachmittlerpools

vor, weil Psychotherapie ohne finanzierte Sprachmittlung kaum möglich ist. o Als 2. Modul schlagen die beiden Kammern in jedem Bundesland eine Koordinierungsstelle

vor. Diese soll für die Beantragung, Begutachtung, Genehmigung und Vergütung von Psycho-therapien bei Flüchtlingen zuständig sein. Die Begutachtung soll durch unabhängige und qua-lifizierte Gutachter erfolgen. Auf Grundlage deren Votums soll die Koordinierungsstelle die Therapie genehmigen und die Ausgaben dafür mit den verantwortlichen Behörden abrech-nen.

o Ein 3. Modul sieht die Qualifizierung von Ärzten und Psychotherapeuten vor, die die rechtli-chen Aspekte kennen sollten, die der Asylstatus mit sich bringt. Diese Kompetenzen könnten die Landesärzte- und Landespsychotherapeutenkammern vermitteln. Dieses Konzept liegt zurzeit dem Bundesgesundheitsministerium vor.

2 Formen der Niederlassung

2.1 Einzelpraxis (EP) Vor- und Nachteile dieser Arbeitsform liegen auf der Hand: man kann in allen Fragen allein ent-

scheiden – muss es aber auch, d.h., man trägt allein die Verantwortung.

Es gibt keine Synergieeffekte, und damit keine finanziellen Vorteile.

Man kann sich nicht (zwischen den Stunden) mit seinen Kollegen austauschen. Man muss sich aber auch nicht mit Kollegen verständigen.

Ärzte können für ihre Einzelpraxis keine Gleichbehandlung mit MVZ verlangen16. Eine Zulassung als GmbH oder andere Kapitalgesellschaft ist gesetzlich ausgeschlossen. Dies hat das BSG im August 2012 so entschieden (B 6 KA 47/11 R). Konkret wies das BSG damit die Klage eines Psychotherapeuten aus Rheinland-Pfalz ab. Er hatte gemeinsam mit seiner Ehefrau in Birmingham eine Kapitalgesellschaft in Form einer britischen Limited gegründet. Auf diese Limited sollte seine vertragspsychotherapeutische Zulassung über-gehen. Er versprach sich davon steuerliche Vorteile etwa bei Rückstellungen und bei der Alters-versorgung. Die Zulassungsgremien lehnten das Ansinnen des Psychotherapeuten ab. Der Kläger argumentierte, dass wenn MVZ als Genossenschaft oder GmbH betrieben werden dürften, müs-se dies auch für Einzelpraxen möglich sein. Aus EU-Recht ergebe sich die Gleichbehandlung einer Limited mit einer GmbH. Demgegenüber betonte das BSG, dass laut SGB V nur eine natürliche Person zugelassen werden könne. Der zugelassene Arzt müsse Mitglied seiner KV sein und deren „Disziplinargewalt“ unterliegen. Verfassungsrechtlich gebe es keinen Anspruch, „jede gewünsch-te Tätigkeit in jeder gewünschten Form auszuüben“. Die Beschränkung auf natürliche Personen sei durch die Besonderheiten des Arzt-Patient-Verhältnisses gerechtfertigt. Die Sondervorschrif-ten für MVZ seien gerechtfertigt, weil ein „großer Geschäftsbetrieb“ offensichtlich unter anderen Bedingungen arbeite als eine Einzelpraxis.

2.2 Praxisgemeinschaft (PG) Im Unterschied zur Gemeinschaftspraxis (GP) (s. 2.3) führen die in einer Praxisgemeinschaft (PG)

kooperierenden Psychotherapeuten jeweils Einzelpraxen mit eigener Klientel, eigener Patien-tenkartei und eigener Abrechnung.

Eine PG ist ein begrenzter Zusammenschluss zweier oder mehrerer Psychotherapeuten gleicher oder verschiedener Fachrichtung zur gemeinsamen Nutzung von Praxisräumen, Praxiseinrichtun-gen, Büromaschinen, etc., die jeweils in ihren eigenen „Topf“ wirtschaften.

Die Partner können (gemeinsam) Personal einstellen oder regeln, welcher finanzielle Beitrag für die Leistung des Personals zu entrichten ist.

16 Ärzte Zeitung, 15.08.2012. Einzelpraxis nicht als GmbH.

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Jeder Partner hat einen eigenen KV-Behandlerstempel mit eigener Lebenslanger Arztnummer (LANR) und eigener Betriebsstättennummer (BSNR).

Jeder Partner liquidiert im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.

Zur Gründung einer PG ist lediglich eine Mitteilung (Anzeige) an die zuständige KV erforderlich.

Rechtsform: In der Regel ist eine PG eine BGB-Gesellschaft (gemäß §§ 705ff BGB), möglich ist aber auch die Rechtsform „juristische Person“ (GmbH oder KG).

Im Verhältnis zum Patienten stellt die PG eine „Innengesellschaft“ dar, da sie nur die Rechts-beziehungen zwischen den Partnern regelt und keinen Einfluss auf die Vertragsbeziehungen des einzelnen Partners zu seinen Patienten hat.

Der Praxisgemeinschafts-Vertrag regelt zwischen den Partnern z.B., welche Räumlichkeiten oder Inventarien den Gesellschaftern und deren Patienten zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stehen und welchen finanziellen Beitrag die einzelnen Partner für diese Nutzung zu leisten ha-ben. Es gibt für diese Praxisform „Musterverträge“.

Wegen der Schweigepflicht ist darauf zu achten, dass Akten und Karteien jeweils gesondert ge-führt und nicht durch die Partner eingesehen werden.

Die Haftung für Behandlungsfehler trifft nur den Partner der PG, der Vertragspartner des Patien-ten ist. Jeder Teilhaber trägt für seinen Arbeitsbereich selbst die Verantwortung und bestimmt selbst Umfang und Ausmaß seiner Arbeitsleistung und damit seines Einkommens.

Wenn die PG allein zum Zweck der Kostenersparnis gegründet wurde, unterliegt sie nicht der Gewerbesteuer.

Die PG ist nach § 4 Nr. 14 Satz 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer befreit, wenn die Gesellschafter zu den umsatzsteuerbefreiten Personen (wie Arzt, Zahnarzt, PP, KJP, Heilprak-tiker oder Dipl.-Psych. mit HPG-Erlaubnis) gehören.

Verdienstausfall wegen Krankheit, Unfall oder Behinderung wird nicht durch die Praxispartner kompensiert.

Jeder Partner ist für die Erhaltung seiner Arbeitsfähigkeit sowie angemessenen Versicherungs-schutz wie PVW, BU, Rente, Berufshaftpflicht etc. (s. 14.2) selbst verantwortlich.

Ein gemeinsames Praxisschild ist nach der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Nie-dersachsen (PKN) nicht vorgeschrieben. Von einem gemeinsamen Praxisschild sollte abgesehen werden, damit nicht der Eindruck entsteht, es handele sich um eine Gemeinschaftspraxis mit gemeinsamer Haftung.

Das Verhältnis der Praxisgemeinschaftspartner untereinander ist möglicherweise distanzierter als in einer Gemeinschaftspraxis.

2.3 Gemeinschaftspraxis (GP) / (örtliche) Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)17 Eine GP bzw. BAG18 ist ein Zusammenschluss zweier oder mehrerer Psychotherapeuten zur ge-

meinsamen Berufsausübung, wobei sowohl die Praxisräume als auch das Inventar gemeinsam genutzt und das angestellte Personal auf gemeinsame Rechnung beschäftigt wird.

Die gemeinsame Klientel wird unter einem gemeinsamen Praxisstempel behandelt. Die Ge-meinschaftspraxis hat also eine gemeinsame Betriebsstättennummer (BSNR). Die Partner der Praxis haben aber jeweils eine eigene Lebenslange Arztnummer (LANR).

Ein gemeinsames Praxisschild ist erforderlich.

Alle Einnahmen, wenigstens aber die Einkünfte aus der KV-Abrechnung, gehen auf ein gemein-sames Praxis-Konto, das der KV mitgeteilt werden muss.

Alle Ausgaben (für Miete, Telefon, Sekretärin etc.) können aus diesem Konto bezahlt werden.

Die Überschüsse werden im Innenverhältnis nach einem bestimmten vertraglich geregelten Schlüssel unter den Teilhabern aufgeteilt.

Eine gemeinsame EDV mit der Möglichkeit der Assistentenfunktion für die Quartalsabrechnung mit der KV ist möglich. Die Quartalsabrechnungen können aber auch getrennt erfolgen und

17 Zur überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG) siehe 2.3.1 18 BAG – Berufsausübungsgemeinschaft. Information der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), Stand 2014.

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werden dann von der Abrechnungsstelle der KV so zusammengeführt, dass eine Quartalsabrech-nung entsteht, aus der hervorgeht, wieviel der jeweilige Partner der BAG erwirtschaftet hat.

Auch die Kartei- und Aktenführung ist gemeinsam oder getrennt möglich.

Das Problem der Schweigepflicht tritt hier (im Unterschied zur PG) nicht auf, da die Patienten mit der Gemeinschaft und nicht mit den einzelnen Therapeuten Verträge schließen.

Verträge der Patienten werden mit allen Partnern der BAG abgeschlossen, d.h., dass die Mitglie-der der BAG bei allen Rechtshandlungen auch nur eines Partners, die dieser für die Gemeinschaft vornimmt, gemeinsam verpflichtet und berechtigt werden. So kann der Patient z.B. einen ver-traglichen Anspruch gegen jedes Mitglied der BAG persönlich einklagen, auch wenn der Anspruch nur aus einer Behandlung durch ein Mitglied der BAG entstanden ist.

Zwischen den Partnern besteht Weisungsunabhängigkeit hinsichtlich psychotherapeutischer Entscheidungen.

Die Patienten haben freie Psychotherapeutenwahl in der Praxis.

Die KV gewährt eine sog. begrenzte Privilegierung von Berufsausübungsgemeinschaften (BAG), d.h. einen 10%-Aufschlag auf Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen (Ordinations-komplex des EBM mit den Nummern 23210 – 23214), um die Gründung von BAG zu fördern („PAUSCHBAG“)19.

Rechtsform: In der Regel wird eine BAG in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), auch BGB-Gesellschaft genannt (gemäß §§ 705ff BGB), gegründet. Definiert ist die GbR als eine Gesellschaft, die einen bestimmten Zweck verfolgt, z.B. gemeinsam eine psychotherapeutische Praxis zu führen.

Für die Gründung einer BAG besteht nach § 15a Abs. 4 BMV-Ä und § 33 Abs. 3 Ärzte-ZV eine vor-herige Genehmigungspflicht durch den ZA.

Der Gesellschaftsvertrag zur Ausübung einer Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspra-xis-Vertrag) ist daher der KV auszuhändigen. Er ist die Voraussetzung für die Genehmigung durch den ZA.

Das BGB geht davon aus, dass jeder Gesellschafter der GbR gleich Rechte am Eigentum und Ge-winn der Gesellschaft sowie gleiche Pflichten und Mitbestimmungsrechte hat. Diese gesetzlich vorgesehene paritätische Beteiligung an der GbR trifft oft nicht die wirtschaftliche Realität der Beteiligten. Häufig gibt es einen Praxisgründer, der die Praxis aufgebaut, in sie investiert und bei Zuweisern eingeführt hat. Andererseits wollen junge Psychotherapeuten oft nicht gleich das volle Risiko einer eigenen Praxis übernehmen. In diesem Fall ist es möglich, Eigentumsanteile, Gewin-ne und Verluste, Stimm- und Mitspracherechte zunächst unterschiedlich zu verteilen und einen Partner zum Geschäftsführer zu bestimmen. Eine GbR muss schon wirkliche Gesellschafter ha-ben, auch wenn sie untereinander nicht gleichgestellt sind. Auch wegen Haftungsfragen kann es sehr wohl vernünftig sein, sich für die Vertragsgestaltung eines Fachanwalts für Medizinrecht zu bedienen.

Haftung: Die Partner der BAG haften im Außenverhältnis (z.B. gegenüber dem Patienten oder dem Vermieter) für eigene Behandlungsfehler, für alle Verbindlichkeiten der Praxis, für die Ab-rechnung gegenüber der KV, aber auch für Behandlungsfehler der Praxiskollegen (§ 128 HGB ana-log). Wenn die gesamtschuldnerische Haftung der BAG auf dem schuldhaften Verhalten eines Gesell-schafters beruht (z. B. bei vorsätzlicher Sach- oder Körperverletzung, z.B. wegen eines sexuellen Übergriffs in der PT) kann dies im „Innenverhältnis“ zu einer Alleinhaftung des schuldhaft han-delnden Gesellschafters gegenüber seinen Mitgesellschaftern führen. Der für den Schaden allein

19 Es handelt sich um die „begrenzte Privilegierung von Gemeinschaftspraxen“. Danach erhalten GP beim Ordinationskomplex einen Aufschlag („PAUSCHBAG“) von 60 bis 105 Punkten.

Gegen diese Regelung gingen zahlreiche Praxen gerichtlich vor. Sie forderten gleiches Honorar für gleiche Arbeit. Das BSG stellte 2010 in einem Urteil (AZ.: B 6 KA 41/08 R) fest: die begrenzte Privilegierung von GP ist zulässig. Der Gesetzgeber habe die Freiheit, eigene gesund-heitspolitische Ziele zu verfolgen. Es sei rechtlich zulässig, „die Leistungsbedingungen für Gemeinschaftspraxen in begrenztem Umfang zu

verbessern“. Die Ungleichbehandlung dürfe aber nicht so krass sein, dass Einzelpraxen nicht mehr wirtschaftlich geführt werden könnten (siehe 15.1).

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verantwortliche Psychotherapeut hat dann eine Ausgleichspflicht im Innenverhältnis gegenüber den Mitgliedern der BAG (§ 426 BGB). Es ist sinnvoll, im Gesellschaftsvertrag einen Freistellungsanspruch der übrigen Gesellschafter gegen den schuldhaft handelnden Gesellschafter zu vereinbaren, damit allein dieser den Schaden des Dritten regulieren muss. Zwar haften die Partner einer BAG im „Außenverhältnis“ zur KV gemeinsam für Honorarregres-se, weil sie die Quartalserklärung gemeinsam unterschrieben haben. Im „Innenverhältnis“ der Partner kann aber im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, dass derjenige den Regress zu zah-len hat, der ihn verursacht hat. Deshalb sollte diese gesamtschuldnerische Haftung gegenüber der KV niemanden davon abhal-ten, eine BAG zu gründen20.

Die BAG unterliegt - wie die PG - nicht der Gewerbesteuer und ist von der Umsatzsteuer befreit.

Sie kann als fachgleiche oder als fachübergreifende (interdisziplinäre) Einrichtung gegründet werden.

Das Verhältnis der Gemeinschaftspraxis-Partner untereinander ist möglicherweise weniger distanziert als in der Praxisgemeinschaft.

Die Gefahren dieser Niederlassungsform liegen auf der Hand: verstehen sich die Praxispartner nicht, sind die Auseinandersetzungen möglicherweise härter. Auch aus diesen Gründen ist das Abschließen eines Gemeinschaftspraxis-Vertrags unerlässlich, abgesehen davon, dass er von der KV gefordert wird und vor Praxisgründung akzeptiert werden muss, wenn der ZA zustimmen soll. Auch für Gemeinschaftspraxis-Verträge gibt es Musterverträge. Man wird aber in diesem Fall möglicherweise ohne die Mithilfe eines Fachanwalts nicht auskommen.

Besonderheiten bestehen im Rahmen der Nachbesetzung (s. 11.): Soweit aus einer BAG heraus ein Vertragspsychotherapeutensitz ausgeschrieben und nach § 103 Abs. 4 SGB V zur Nachbeset-zung freigegeben wird, haben die Zulassungsgremien bei ihrer Auswahlentscheidung unter meh-reren Bewerbern gem. § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V die Interessen der übrigen Mitglieder der BAG „angemessen“ zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt diesem Auswahl-kriterium (s. 10.11, 9. Kriterium) entscheidendes Gewicht zu (Az.: B 6 KA 1/99 R). o Das SG Hannover hat am 30.10.2013 ein Urteil zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer BAG im

Nachbesetzungsverfahren gefällt (Az.: S 65 KA 189/12)21. Die Bildung einer BAG zum Zwecke der Praxisübergabe sei zumindest dann rechtlich zulässig, wenn die Zusammenarbeit mit dem Nachfolger ernstlich gewollt sei, so das SG. Von einem Gestaltungsmissbrauch sei dann auszugehen, wenn die formal gewählte Rechtsform nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche. Eine (über)örtliche BAG könne schon dann den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, wenn eine auch nur geringe “gelebte“ Zusammenarbeit vorzufinden sei. Die Bildung einer BAG zum Zwecke der Praxisübergabe sei in Übereinstimmung mit der Recht-sprechung des LSG Niedersachsen-Bremen zumindest dann rechtlich zulässig, wenn die Zu-sammenarbeit mit dem Nachfolger ernstlich gewollt sei.

o Auch das LSG Brandenburg (Az.: L7 KA 70/ 11 vom 12.09.2012) sah die Gefahr des Gestal-tungsmissbrauchs. „Bei der Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen im gesperrten Planungs-bereich“ sei „eine Missbrauchskontrolle zulässig und ggf. auch geboten“. Die BAG werde ein rechtlich unzulässiges Instrument, wenn „es nur deshalb gewählt wird, um sich bei einer Nachbesetzung aus der BAG heraus das faktische Vetorecht der verbleibenden Partner zu Nutze zu machen“.

o Das BSG ist demgegenüber der Ansicht22, dass dem ZA im Nachbesetzungsverfahren keine Motivforschung obliegt, weshalb zuvor eine BAG gebildet wurde. Die Zulassungsgremien ha-

20 M. Plantholz: Rechtsprechungs-Report; Haftung der Partner einer Gemeinschaftspraxis gegenüber KV und Kassen. In: Psychotherapie

Aktuell, 4. Jahrgang, Heft 1, 2012, S.47. 21 RA Rüping und Henning: Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Berufsausübungsgemeinschaft im Nachbesetzungsverfahren. Vortrag für die PKN vor Vertretern der ZA und des BA am 19.07.2014. 22 M. Plantholz: Neue Hürden bei der Nachbesetzung von Zulassungen? Zum Urteil des BSG vom 11.12.2013. DPtV - Psychotherapie Aktuell, 6. Jahrgang/Heft 4.2014, S. 48 ff.

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ben den Status der einmal genehmigten BAG nicht erneut zu prüfen. § 103 Abs. 6 SGB V führt jedoch nicht zu einer schrankenlosen „Sitzbindung“. In seinem Urteil vom 11.12.2013 (Az.: B 6 KA 49/12 R) kommt das BSG zu folgender Position: „Je deutlicher sich also der Eindruck auf-drängt, dass die Berufsausübungsgemeinschaft vorrangig mit dem Ziel gegründet worden ist, Einfluss auf die Nachbesetzung zu nehmen, je kürzer die Berufsausübungsgemeinschaft be-standen hat und je weniger intensiv die Zusammenarbeit innerhalb der Berufsausübungsge-meinschaft war, desto geringeres Gewicht kommt den Interessen der verbleibenden Ärzte bei der Auswahlentscheidung zu".

Die „angemessene Berücksichtigung“ der Interessen der verbleibenden Partner einer BAG führt also nicht zwingend dazu, dass dem Wunschbewerber auch die Zulassung zu erteilen ist. Das Ge-wicht der Interessen der verbleibenden Partner bei der Ausübung des Auswahlermessens des ZA hängt vielmehr wesentlich von Dauer und Intensität der bisherigen Zusammenarbeit der Part-ner ab. o Offen lässt das BSG allerdings, welche Dauer der gemeinsamen Berufsausübung vor Aus-

schreibung notwendig ist, damit von einer uneingeschränkten Berücksichtigung der Interes-sen der verbleibenden Partner auszugehen ist. Hierbei generell von fünf Jahren (wie beim Job-Sharing) auszugehen, ist sicher nicht richtig. Richtig ist vielmehr, dass es auf den Einzelfall ankommt.

o Wenn die Bindung innerhalb einer BAG groß ist, wird man schon nach verhältnismäßig kurzer Dauer der Gesellschaft von einer starken Berücksichtigung der Interessen der verbleibenden Partner ausgehen können.

o Schließlich führt das BSG auch aus, „dass die Spruchpraxis des ZA nicht dazu führen dürfe, „dass die Zulassungsgremien einen Bewerber auswählen, mit dem aus objektiv nachvollzieh-baren Gründen eine Zusammenarbeit keinesfalls erwartet werden kann“. Denn mit dem Nachfolger muss über alle Praxisfragen Einigkeit erzielt werden. Kommt es nicht zu dieser Einigkeit, kommt nach Ansicht des BSG eine neue Ausschreibung in Betracht. Dann kann der Partner seinen Ausschreibungsantrag zurückziehen. Die erneute Ausschreibung setzt aller-dings voraus, dass „auch zu diesem Zeitpunkt noch eine fortführungsfähige Praxis existiert“.

o In zwei Verfahren (Az.: B 6 KA 43/13 R und B 6 KA 44/13 R) hat das BSG seine Spruchpraxis weiter präzisiert23. Es betonte, dass die Belange der BAG-Partner umso weniger Gewicht haben, „je kürzer und lockerer die Kooperation in der BAG war“. Doch geringes Gewicht heißt eben noch nicht kein Gewicht. Die Zulassungsgremien dürften bei einem BAG-Sitz Bewerber ausschließen, die nicht in der BAG arbeiten wollen. Dies sei hier der Fall gewesen. Eine später nachgeschobene Bereitschaft sei rechtlich ohne Belang, so das BSG.

Ärzte sollten sich gut überlegen, ob sie ihren Vertragsarztsitz dauerhaft und verbindlich in eine BAG einbringen wollen24. Denn die Zulassungsgremien und damit auch die Sozialgerichte kom-men an einer solchen Vertragsklausel nicht vorbei, wie das BSG (B 6 KA 10/16 B) entschied. Da-mit unterlag ein Radiologe im Streit mit den Kollegen aus seiner früheren BAG. Nach dem Bei-tritts- und Gründungsvertrag der BAG war er im Falle seines Ausscheidens verpflichtet, seinen Vertragsarztsitz „zugunsten der Gesellschaft“ ausschreiben zu lassen. Als er ausscheiden wollte, musste er sich entsprechend zu Zulassungsverzicht und Neuausschreibung verpflichten. Im Zivil-recht bedeutet die rechtskräftige Verpflichtung zu einer bestimmten Erklärung, dass diese auto-matisch als abgegeben gilt. Damit konnte die BAG über den Radiologen hinweg das Ende seiner Zulassung beantragen und dem ZA einen Kollegen für die Neubesetzung vorschlagen. Auch der ausgeschiedene Radiologe bewarb sich um den Sitz, doch der ZA folgte dem Vorschlag der BAG.

23 Martin Wortmann: Überörtliche BAG. Der Trick mit der trampelnden Nachtigall. Ärzte Zeitung 07.01.2015 24 Bundessozialgericht. Einmal eingebracht, bleibt ein Arztsitz in der BAG. Ärzte zeitung, 19.01.2017.

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2.3.1 Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG) ÜBAG sind Zusammenschlüsse von Behandlern zur gemeinsamen Behandlung von Patienten,

wobei die beteiligten Behandler weiter in ihren Praxen arbeiten können. Ein Umzug unter ein Dach ist also nicht nötig, die ÜBAG arbeitet dezentral.

Da die ÜBAG dezentral arbeitet, kann ein Behandler auch an mehreren Orten seine Praxis be-treiben. Er kann also nicht nur an seinem eigenen Vertragsarztsitz, sondern auch an den Ver-tragsarztsitzen der übrigen Mitglieder der BAG vertragsärztlich tätig werden, ohne dass es dafür einer gesonderten Genehmigung der KV bedarf. Die rechtliche Grundlage ist § 33 Abs.2 Ärzte-ZV.

Die Mitglieder der BAG müssen lediglich ihre Präsenzpflicht (s. 12.9) im Umfang von mind. 20 Stunden Sprechzeit pro Woche (bei einem ganzen Praxissitz) an ihrem jeweiligen Vertrags-arztsitz erfüllen (§ 17 BMV-Ä). Danach ist zudem sicherzustellen, dass der Umfang der Tätigkeit am Vertragsarztsitz den Umfang aller Tätigkeiten eines Vertragsarztes an anderen Tätigkeitsorten überwiegt.

Die ÜBAG ist eine hoch attraktive Kooperationsform: sie vereinbart pragmatische Umsetzbarkeit mit unmittelbarem wirtschaftlichem Nutzen, sie erhält Aufschläge auf die Grundpauschalen („begrenzte Privilegierung“, s. 2.3) 25, sie bietet die Möglichkeit des Arbeitens an verschiedenen Standorten, die Praxen bleiben erhalten, keiner muss umziehen, sie macht die Beschäftigung oder Anstellung eines Assistenten möglich, damit können Arbeitszeiten familienfreundlich geregelt werden, sie erhöht dadurch die Attraktivität für junge Kollegen und bietet zusätzliche Chancen in der Praxisnachfolge.

3 Vergütung und Quartalsabrechnung

3.1 Vergütung seit dem 01.01.2013 und nach dem 01.01.2017 Am 09.10.2012 kam es zur Einigung im Erweiterten Bewertungsausschuss26. Zusammengefasst wurden folgende Punkte für die Psychotherapie beschlossen:

Alle antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen werden ab dem Jahr 2013 extrabudgetär von den KK bezahlt. Das gleiche gilt für die probatorischen Sitzungen. Das bedeutet: Während seit Inkrafttreten des PsychThG bis Ende 2012 die Psychotherapeuten eine Teilgruppe der Facharztgruppe waren, sind sie nun neben den Hausärzten und den Fach-ärzten eine dritte Gruppe innerhalb der KV’en.

Damit wollte man sichergehen, dass die nach wie vor steigende Nachfrage im Bereich der Psy-chotherapie und damit auch das Kostenrisiko durch Mengensteigerungen von den Kranken-kassen und nicht wie bisher von der Ärzteschaft einer KV getragen werden.

Die Entwicklung wird bis zu 4 Jahre lang beobachtet. Wenn keine Dynamik entsteht, die größer ist als die Veränderungsrate, kann alles wieder einbudgetiert werden. D.h., wenn die psycho-therapeutischen Leistungen aus irgendeinem Grund doch nicht wie erwartet verstärkt erbracht werden, hätte die extrabudgetäre Vergütung keinen zusätzlichen Nutzen und würde rückgängig gemacht werden.

Zum 01.10.2013 wurde eine kostenneutrale Vereinheitlichung des Orientierungspunktwerts mit dem kalkulatorischen Punktwert eingeführt. Beide Punktwerte betrugen nunmehr 10 Cent.

Am 01.01.2017 stieg der Orientierungspunktwert um 0,9 % auf 10,5300 Cent. Das ergibt für die genehmigte Einzeltherapiesitzung 88,56 € (841 x 10,5300 = 8.855,73 Cent).

Zusätzlich hat der Erweiterte Bewertungsausschuss Strukturzuschläge für genehmigungspflich-tige einzel- und gruppenpsychotherapeutische Leistungen neu eingeführt.

25 Das BSG (Az.: B 6 KA 41/08 R) hat 2010 entschieden, dass eine „begrenzte Privilegierung“ von Gemeinschaftspraxen zulässig ist. Danach erhalten GP beim Ordinationskomplex einen Aufschlag von 60 – 105 Punkten. Das BSG verweist auf die Freiheit des Gesetzgebers, eigene gesundheitspolitische Ziele zu verfolgen. Daher sei es rechtlich zulässig, die Leistungsbedingungen für GP in begrenztem Umfang zu verbes-

sern. Die Ungleichbehandlung von EP und GP dürfe aber nicht so krass sein, dass EP nicht mehr wirtschaftlich geführt werden können. 26 Deutsche PsychotherapeutenVereinigung. DPtV-Newsletter 03/2012 der Landesgruppe Niedersachsen. Im Oktober 2012.

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Bei einem ganzen Kassensitz werden diese Zuschläge nur gezahlt, wenn die Gesamtpunktzahl für genehmigungspflichtige Leistungen 162.734 Punkte im Quartal überschreitet.

2016 betrug der Strukturzuschlag 14,92 € für eine Einzelsitzung. Für bewilligte Gruppenthera-piesitzungen galt entsprechendes: EBM 35252 (58 Punkte) bei großen Gruppen, EBM 35253 (114 Punkte) bei kleinen Gruppen.

Bei einem halben Kassensitz erhalten wir Strukturzuschläge, wenn die genehmigungspflichti-gen Leistungen 81.367 Punkte im Quartal überschreiten.

Nach einem Beschluss des Bewertungsausschusses27 werden die Strukturzuschläge ab dem 2. Quartal 2016 nur noch bis zu einer festen Obergrenze gezahlt, da es ungerecht sei, wenn ein Psychotherapeut mit hälftiger Zulassung gleich hohe Zuschläge erzielen könne wie ein Kollege mit voller Zulassung. Das bedeutet, dass es bis zu einer Gesamtpunktzahl von 325.468 den Strukturzuschlag in voller Höhe gibt und danach die Hälfte – ab 379.713 Punkten sei dann gänz-lich Schluss.

Da die KVN für die Abrechnung einen anderen Rechenweg wählt, ist im Honorarbescheid eine „arztindividuelle Quote“ ausgewiesen, die mit dem Strukturzuschlag multipliziert und dann auf sämtliche genehmigungspflichtigen Leistungen angewendet wird. Die Berechnung des Nach-vergütungsvolumens ist in der KVN in Arbeit. Die endgültige Nachvergütung wird zeitgleich mit dem Honorarbescheid für das 1. Quartal 2016 im Juli erfolgen. In der Zwischenzeit wird ein Ab-schlag gezahlt, der sich an der zu erwartenden Nachvergütung orientiert. Dieser Abschlag wird Ende Februar 2016 an alle Psychotherapeuten ausgezahlt, die Widerspruch eingelegt haben und bei denen der Abschlagsbetrag 300 € übersteigt.

Wir halten den Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses zum Strukturzuschlag an-gesichts der ständigen Rechtsprechung des BSG für rechtswidrig. Es wird daher empfohlen, auch weiterhin gegen die Honorarbescheide Widerspruch einzulegen. Entsprechende Muster-verfahren sind in verschiedenen Bundesländern bereits anhängig.

3.2 Pauschale für die fachärztliche Grundversorgung (PFG) Das Prinzip der Förderung von Leistungen, die zur Grundversorgung zu zählen sind, wird durch

die Einführung von „Pauschalen für die fachärztliche Grundversorgung“ (PFG) nicht nur für den hausärztlichen, sondern auch für den fachärztlichen Bereich (zu dem auch die Psychotherapeu-ten gehören) eingeführt.

Die PFG kann bei einem „Behandlungsfall“ (ein Patient pro Psychotherapeut im Quartal) zu-sätzlich abgerechnet werden, wenn in diesem Quartal nur Leistungen der Grundversorgung an-gefallen sind. Das bedeutet für den psychotherapeutischen Bereich: Wer als PP, KJP oder ärztli-cher Psychotherapeut bei einem Patienten im Quartal o keine genehmigungspflichtigen Leistungen, o keine übenden Verfahren, o keine Berichte an den Gutachter und o keine vertiefte Exploration abrechnet, erhält die PFG.

Oder anders ausgedrückt: Wer bei einem „Behandlungsfall“ lediglich o Ordinationskomplex (23211, 23212, oder 23214) o probatorische Sitzungen (35150), o Anamnese (35140) (ohne „vertiefte Exploration“), o Krisenintervention (23220) und o Tests (35300 und 35302) abrechnet, erhält die PFG zusätzlich.

Die Gebührenordnungsposition der PFG ist EBM 23216.

27 Psychotherapeuten. Deckel für Strukturzuschläge. Psychotherapeuten erhalten ab sofort Strukturzuschläge nur noch bis zu einer be-stimmten Obergrenze. Ärzte Zeitung online, 01.04.2016.

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3.3 Zeitkapazitätsgrenze, Plausibilitätsprüfung, Saldierung Zeitkapazitätsgrenze: o Für einen ganzen Praxissitz ist die Zeitkapazitätsgrenze (zeitbezogene Kapazitätsgrenze

oder ZeitKap) wegen der extrabudgetären Vergütung (s.o.) weggefallen28. o Bei einem halben Praxissitz gilt die Zeitkapazitätsgrenze in Niedersachsen jedoch nach wie

vor. Sie berechnet sich wie folgt: Zeitbezogene Kapazitätsgrenze (Minuten) x Anpassungsfak-tor: 32.000 x 0,500 = 16.000 Minuten. Diese Minutenanzahl entspricht ca. 228 Therapiesit-zungen im Quartal oder ca. 20 Therapiesitzungen in der Woche bei 11 Arbeitswochen im Quartal. Wird die Zeitkapazitätsgrenze überschritten, wird der zu erstattende Betrag ent-sprechend reduziert.

o Die Praxisabrechnungsprogramme verfügen über entsprechende Prüfmodule, sodass jeder-zeit geprüft werden kann, wo man mit seinem zeitlichen Abrechnungsvolumen im laufenden Quartal steht.

o Bei einem ganzen Praxissitz gelten inzwischen lediglich die Plausibilitätszeiten des EBM („Plausi-Zeiten“). Diese Grenzen sind daher seit dem 01.10.2013 durch die Plausibilitätszeiten gesetzt, wie sie sich durch die Addition der im Anhang 3 des EBM aufgeführten Plausibilitäts-zeiten je Leistung ergeben. Die Plausibilitätszeiten stellen damit eine neue zeitbezogene Ka-pazitätsgrenze dar. Ein Überschreiten der Plausibilitätszeiten führt zur Prüfung der Abrech-nung durch die KV (Plausibilitätsprüfung = „Plausi-Prüfung“) mit entsprechenden Konse-quenzen (Abschläge bei der Quartalsabrechnung).

Plausibilitätsprüfung: o Die Plausibilitätsprüfung29 ermittelt und bewertet den Zeitaufwand pro Tag (Tagesprofile)

und/oder Quartal (Quartalprofile), der aus den abgerechneten ärztlichen Leistungen resul-tiert. Anhand der ermittelten Zeiten werden v.a. die Rechtmäßigkeit der Abrechnung und die formale Korrektheit der Leistungs- und Sachkostenabrechnung überprüft. Anhang 3 des EBM schlüsselt die Gebührenordnungspositionen nach sog. Kalkulations- und Prüfzeiten auf.

o Bei einem vollen Versorgungsauftrag werden gem. EBM als Obergrenze 780 Arbeitsstunden pro Quartal und bei einem hälftigen Versorgungsauftrag 390 Zeitstunden zugrunde gelegt.

o Dabei ist zu beachten, dass eine Einzelsitzung nicht mit 50, sondern mit 70 Minuten berech-net wird.

o Innerhalb der 390 Zeitstunden im Quartal können wir mit einem halben Sitz max. 334 Sitzun-gen Probatorik und genehmigungspflichtige Leistungen (Einzeltherapie) abrechnen. Die 334 Sitzungen könnten auf 10 Wochen verteilt werden, das ergäbe 33 Sitzungen pro Woche, also ca. 6 Sitzungen pro Tag. Andere Abrechnungsziffern wie 35131 oder 35140 haben eine Prüf-zeit von 60 Minuten und fließen ebenfalls in die zeitliche Betrachtung mit ein.

o Für angestellte Psychotherapeuten gelten geringere Höchstzeiten: 520 Stunden für eine ganze Anstellung und 260 Stunden für eine halbe Anstellung.

o Auf die Anstellungsverträge haben diese Vorgaben keinen Einfluss. Dort müssen lediglich die Arbeitszeiten geregelt sein, d.h., für einen hälftigen Versorgungsauftrag müssen (gem. Be-darfsplanungsrichtlinie) mindestens 11 bis max. 20 Arbeitsstunden pro Woche vertraglich vereinbart werden; für eine Viertelanstellung 1-10 Arbeitsstunden pro Woche

o Die Prüfzeit entspricht der Mindestzeit, die ein besonders geübter oder erfahrener Arzt zur Erbringung der betreffenden Leistung benötigt. Während die Kalkulationszeiten auch den Zeitaufwand für delegierbare Leistungsbestandteile umfassen, beschränken sich die Prüfzei-ten auf die reine Arztleistung. Plausibilitätsrelevant sind nur die Prüfzeiten. Sie dienen bei der Plausibilitätsprüfung als Richtgröße.

o Eine Auffälligkeit begründet einen sog. Anfangsverdacht, wobei zunächst ein Abrechnungs-fehler vermutet wird. Es folgt eine genauere Einzelfallprüfung (ergänzende Plausibilitätsprü-

28 Deutsche PsychotherapeutenVereinigung. 3. Mitgliederbrief 2012. Berlin, im November 2012, S. 1 und 8. 29 U. Schmitz & R. Riedel: Die Plausibilitätsprüfung. Praxis und Ökonomie. Frauenarzt 46 (2005), Nr. 11. S. 1052 ff.

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fung). Lässt sich die Zeitüberschreitung durch die Einzelfallprüfung nicht plausibel begrün-den, bestätigt sich der Anfangsverdacht. Im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Richtig-stellung folgt eine Honorarberichtigung.

Saldierung30: o „Jeweils nach Ablauf von vier Quartalen (Jahresbezug) wird von der KV geprüft, ob in mindes-

tens einem dieser Quartale die anerkannte Leistungsanforderung die für das jeweilige Quar-tal ermittelte Leistungsgrenze unterschreitet. Ergibt die Prüfung eine Unterschreitung in mindestens einem Quartal, so wird in den reduzierten Quartalen die Reduzierung in dem Umfang zurückgenommen, bis die Summe der innerhalb des Jahresbezuges anerkannten Leistungsanforderungen der Summe der abgerechneten Leistungen entspricht, höchstens je-doch der Summe der Leistungsgrenzen. Der quartalsweise Umfang der Rücknahme bestimmt sich aus dem Verhältnis der Überschreitung der Leistungsgrenze der einzelnen Quartale zur Gesamtüberschreitung der saldierten Leistungsgrenzen der Quartale innerhalb des Jahresbe-zuges“.

o Seit dem 01.01.2015 gibt es in § 9 des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) eine Änderung31. Dort heißt es nun: „§ 9 des Teils A HVM wird dahingehend geändert, dass künftig eine Saldie-rung zeitanteiliger fachgleicher Anstellungen/Zulassungen in einer Praxis möglich ist. Saldie-rungen zwischen unterschiedlichen Fachgebieten sind weiterhin nicht möglich“. Danach wird die Leistungsbegrenzung nach § 9 HVM nicht angewendet bei Vertragspraxen, die bereits ei-ner Leistungsbeschränkung nach § 7 HVM (z.B. Leistungsbeschränkung im Job-Sharing (s. 6.) oder halber Praxissitz) unterliegen. Wenn also eine Praxis einen weiteren vollen Versor-gungsauftrag durch eine hälftige Zulassung (leistungsbegrenzt durch die Zeitkapazitätsgren-ze) und eine hälftige Anstellung (leistungsbegrenzt durch den Anstellungsvertrag) erfüllt und beide fachgruppengleich sind, greift der Wortlaut des neuen § 9 HVM und eine Saldierung ist möglich.32

3.4 Verspätete oder technisch fehlerhafte Quartalsabrechnung Wenn eine Quartalsabrechnung verspätet erfolgt33, darf die KV die Honoraranforderung kür-

zen. Das hat das BSG in einem Beschluss (Az.: B 6 KA 42/13 B) bekräftigt. Danach ist nun eine „Gebühr“ der KV in Höhe von 5 % des Honorars rechtskräftig.

Der Kläger hatte seine Abrechnung mehrfach verspätet eingereicht. Zur Begründung verwies er auf eine EDV-Umstellung. Die Klage des Arztes blieb vor dem SG Hannover ebenso wie vor dem LSG Niedersachasen-Bremen ohne Erfolg. Danach kann die KV eine „Abgeltung für den zusätzli-chen Verwaltungsaufwand“ verlangen, ohne im konkreten Fall die Höhe des zusätzlichen Auf-wands nachweisen zu müssen.

Die Revision ließ das LSG in Celle nicht zu, der Arzt legte daher Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Diese wies das BSG nun ab. Zur Begründung verwiesen die Kasseler Richter auf frühere eigene Entscheidungen (Urteil vom 29.08.2007, Az. B 6 KA 29/06 R und Urteil vom 22.06.2005, Az.: B 6 KA 19/14 R).

Fällt erst verspätet auf, dass eine fristgerecht bei der KV eingereichte Abrechnung technisch fehlerhaft übermittelt wurde, kann der Arzt seine Abrechnung auch nach Fristablauf nochmals neu einreichen. Das hat das SG Marburg entschieden (Az.: S 12 KA 599/11).

3.5 Samstagssprechstunde PP und KJP wurden für das Vorhalten von Samstagssprechstunden bei der Vergütung gegenüber

ärztlichen Psychotherapeuten benachteiligt. Diese Regelung im EBM verstieß gegen den Gleich-

30 K. Nünemann, KVN, Bezirksstelle Braunschweig, Antwort auf meinen Antrag auf Saldierung. 31 Persönlicher Brief der RA Rüping vom 22.04.2015 an Dr. Nils Köthke 32 Auskunft von Natalie Gaede vom Geschäftsbereich Honorar der KVN vom 22.01.2015 33 Verspätet abgerechnet: BSG bestätigt Kürzung. ÄZ 12.05.2014.

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heitsgrundsatz des GG. Das hat nach dem SG in Marburg das LSG in Darmstadt (Az.: L 4 KA 3/13) in einem Urteil vom November 2014 entschieden.

Das hat inzwischen auch das BSG in Kassel am 17.02.2016 so entschieden34. Danach verstößt die Streichung eines Zuschlags für das Abhalten einer Samstagssprechstunde (GOP 01102 EBM) bei einem PP oder KJP gegen das Gleichheitsgebot des GG. Für PP und KJP müsse in gleicher Weise wie auch für ärztliche Psychotherapeuten gelten, dass der Zuschlag für die regelhafte Inan-spruchnahme am Samstag in der Zeit von 7.00 und 14.00 Uhr angesetzt werden kann.

Die GOP 01102 wurde (Stichtag 29.09.2016) in die Nummer 5 der Präambel zum Abschnitt 23.1 EBM aufgenommen. Die rückwirkende Änderung zum 1. April 2015 ist nur auf nicht bestands-kräftige Honorarbescheide anzuwenden. Eine Extrabudgetäre Finanzierung des zusätzlichen Leis-tungsvolumens lehnten die Krankenkassen ab.

Alle Psychotherapeuten können nunmehr die EBM-Nr. 01102 nicht nur abrechnen, sondern wer-den für Samstagssprechstunden zwischen 7 und 14 Uhr („zur Unzeit“) auch zusätzlich vergütet.

3.6 Gruppenpsychotherapie35 Der Gesetzgeber fördert seit einiger Zeit gruppenpsychotherapeutische Angebote, sicherlich mit

dem Ziel, die langen Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung zu verkürzen.

Gruppen- und Einzelpsychotherapie sind kombinierbar, seit Mitte 2015 auch bei psychodynami-schen Verfahren. Der G-BA hat die Psychotherapie-Richtlinie im Juli 2015 entsprechend geän-dert36. In dem Beschluss wird auch die Möglichkeit erwähnt, die Einzel- und Gruppentherapie bei unterschiedlichen Therapeuten durchführen zu können, was bisher nur gelebte Praxis war.

Gruppentherapie muss wie die Einzeltherapie bei der Krankenkasse beantragt und von dieser bewilligt werden. Falls zu Beginn der Therapie der Umfang der Gruppentherapie noch nicht fest-steht, kann auf dem Formular PTV 2a der Hinweis „optional“ ergänzt werden. Der Therapeut kann dann im Laufe der Therapie eine Einzelstunde in eine Doppelstunde Gruppe umwandeln, die Leistungen können dann beliebig im Verhältnis 1:2 getauscht werden.

Für die Abrechnungsgenehmigung für Gruppen muss man nachweisen, dass man 40 Doppel-stunden Selbsterfahrung in der Gruppe, 24 Doppelstunden Theorie der Gruppentherapie und mindestens 60 Doppelstunden kontinuierliche Gruppenbehandlung unter Supervision absolviert hat.

Für die Befreiung von der Gutachterpflicht bezogen auf die Gruppentherapien werden 15 Aner-kennungsbescheide, bei denen Gruppe genehmigt wurde, benötigt. Lässt man sich gleichzeitig für die Kurzzeittherapie bei Einzel- und Gruppentherapie befreien, kann man diese 15 Anerken-nungsbescheide für beide Befreiungen verwenden. Man braucht dann also insgesamt 35 Aner-kennungsbescheide, von denen 15 Bescheide für Einzel- und Gruppentherapien ausgestellt sind.

Nach derzeitigem Stand bietet es sich an, Gruppen als Doppelstunden mit je 4 Teilnehmern zu konzipieren. Pro Teilnehmer kann dann zweimal 44,02 € abgerechnet werden. Mit einer Doppel-stunde Gruppenpsychotherapie kann somit 4 x 2 x 44,02 € = 352,16 € verdient werden. Im Ver-gleich dazu kann man mit einer Doppelstunde Einzeltherapie 2 x 88,56 € = 177,12 € verdienen.

Außerdem gelten Gruppenpsychotherapien als „besonders förderungswürdige Leistungen“37. Die KVN stellt dafür zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung. Die Zuschläge werden für jedes Quartal neu berechnet. Im Quartal 1/16 wurde pro abgerechneter Gruppenziffer ein Zuschlag von 8,35 € gezahlt. Bei einer Doppelstunde Gruppentherapie mit 4 Patienten also 4 x 2 x 8,35 € = 66,80 €.

In einer Doppelstunde Gruppentherapie mit 4 Teilnehmern kann man 2016 also 4 x 2 x 44,02 € = 352,16 € + 66,80 € („besonders förderungswürdige Leistungen“) = 418,96 € verdienen.

34 DPtV Deutsche PsychotherapeutenVereinigung, Infomail 18.02.2016: Klageerfolg der DPtV – Bundessozialgericht bestätigt: EBM verstößt

gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zu Lasten der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugndlichenpsychothera- peuten 35 Nils Köthke: Abrechnung von Gruppen-Psychotherapie, 20.09.2016. 36 http://www.kbv.de/html/1150_17934.php 37 http://www.haeverlag.de/nae/n_beitrag.php?id=4531

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Ein weiterer Vorteil der Gruppenpsychotherapie besteht bei einem halben Versorgungsauftrag mit einer Mengenbegrenzung über das Minuten-Budget (in Niedersachsen sind dies 16.000 Mi-nuten). Das Minuten-Budget richtet sich nach der im Anhang 3 des EBM angegebenen Prüfzeit für die entsprechenden Leistungen (Plausibilitäts-Prüfung). Eine Einzeltherapie als Kurzzeitthera-pie nach 35220 zählt danach 70 Minuten, eine Gruppentherapie nach 35222 zählt pro Teilneh-mer 12 Minuten (bei einer Großgruppe sogar nur 5 Minuten pro Teilnehmer). Bei einer Doppel-stunde Gruppe werden also nur 4 x 2 x 12 = 96 Minuten auf das Kontingent angerechnet, bei ei-ner Doppelstunde Einzeltherapie 2 x 70 = 140 Minuten.

Im Juni 2016 wurde die Psychotherapierichtlinie38 überarbeitet, in der Regelungen zur Flexibili-sierung des Therapieangebots u.a. zur Förderung von Gruppenpsychotherapien beschlossen wurden. Die Änderungen treten am 01. April 2017 in Kraft. o Durch den Wegfall der Gutachterpflicht für die Kurzzeittherapie (auch für die Gruppen-

therapie) wird eine Beantragung einfacher für diejenigen Kollegen, die noch nicht von der Gutachterpflicht befreit sind.

o Die Gruppengröße wurde für alle Verfahren vereinheitlicht auf 3 bis 9 Teilnehmer. Dies be-deutet, dass es keine Unterscheidung mehr zwischen Klein- und Großgruppen geben wird.

o Fraglich bleibt, wie sich dies auf das Honorar für Gruppentherapien auswirken wird.

4. Assistenz und Vertretung Der Unterschied zwischen Assistenz und Vertretung besteht ganz allgemein darin, dass ein

Assistent jemandem assistiert, der Andere also auch (nicht zwingend permanent) anwesend ist. Ein Vertreter vertritt jemanden, der andere ist also während der Zeit der Vertretung abwesend.

„Assistent“ ist derjenige approbierte Arzt, der unter Leitung und Aufsicht des Vertragsarztes gleichzeitig mit diesem oder neben diesem tätig wird, und zwar während eines von vornherein befristeten Zeitraumes. Der Assistent erbringt also keine selbständigen ärztlichen Leistungen. Dies setzt – je nach Behandlungsintensität und Kenntnisstand – die Anwesenheit oder mindes-tens die Möglichkeit der Überwachung während der Tätigkeit des Assistenten voraus39.

Das Rechtsverhältnis zwischen Praxisinhaber und Assistent ist dadurch gekennzeichnet, dass der Assistent im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gem. § 622 BGB weisungsgebunden tätig wird. Die Weisungsgebundenheit schließt eine Tätigkeit in Form einer „freien Mitarbeit“ von vornherein aus. Der Praxisinhaber hat seinen Assistenten daher zur Erfüllung der vertragsärztli-chen Pflichten anzuhalten. Der Vertragsarzt ist gut beraten, die Einhaltung dieser Verpflichtung zum Gegenstand des Vertrags mit dem Assistenten zu machen.

Assistenten unterliegen der Sozialversicherungspflicht40 (s. 4.3). Mit Assistenten ist daher ein regelrechter Anstellungsvertrag zu schließen.

Handelt es sich bei dem Vertreter um eine selbständige Tätigkeit, ist er lediglich als „freier Mit-arbeiter“ zu beschäftigen – Sozialabgaben fallen dann für den Praxisinhaber nicht an.

Während der Entlastungs- oder Sicherstellungsassistent mit eigener LANR abrechnet, rechnen Ausbildungsassistent und Vertreter nicht mit eigener LANR ab, sondern mit der des Ausbilden-den bzw. der des zu Vertretenden.

4.1 Ausbildungsassistent Die Tätigkeit als Ausbildungsassistent (z.B. Psychotherapeut in Ausbildung – PiA) bei einem

niedergelassenen Vertragspsychotherapeuten gem. § 8 Abs.3 Nr.3 Psychotherapeutengesetz (PsychThG) im Rahmen der praktischen Tätigkeit (§ 2 Abs. 2 Nr.2 der Ausbildungs- und Prüfungs-

38 https://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/20/ 39 Rolf Schallen: Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten. Kom-mentar. C.F.Müller MedizinRecht.de, Heidelberg 2007, S. 312 f. 40 Rolf Schallen: Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten. Kom-mentar. C.F.Müller MedizinRecht.de, Heidelberg 2007, S. 319.

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verordnung -PsychTh-APrV) und im Rahmen der praktischen Ausbildung nach § 4 PsychTh-APrV dient der Ausbildung zum PP oder KJP.

Soll der Ausbildungsassistent selbstständig (unter Supervision) Psychotherapiesitzungen durch-führen, bedarf die Beschäftigung des Ausbildungsassistenten gem. § 32 Abs. 2 Nr. 1 Ärzte-ZV der Genehmigung der KV. Für die Genehmigung durch die KV muss der Assistent (PiA) in einer staatlich anerkannten Ausbildungsstätte eingeschrieben sein und den Nachweis ausreichender Kenntnisse und Erfahrungen gem. § 8 Psychotherapie-Vereinbarung erbringen.

Nach § 8 der Psychotherapie-Vereinbarung können abrechenbare Leistungen des Ausbildungs-teilnehmers frühestens o nach Absolvierung der Hälfte der entsprechenden Ausbildung und o Nachweis von ausreichenden Kenntnissen und Erfahrungen in dem betreffenden Psychothe-

rapie-Verfahren o unter Supervision dafür qualifizierter Therapeuten durchgeführt werden.

Es ist unklar, ob dieser Nachweis im Einzelfall schon nach absolvierter „praktischer Tätigkeit“ gem. § 2 Abs.3 PsychTh-APrV (sog. Klinikjahr) erbracht werden kann. Der anstellende Psychothe-rapeut sollte sich für seine Unterlagen unbedingt eine Bescheinigung der Ausbildungsstätte vor-legen lassen, aus der sich ergibt, dass der Auszubildende die Hälfte der Ausbildung bereits absol-vierte und aufgrund ausreichender Kenntnisse und Erfahrungen Leistungen in dem betreffenden Psychotherapie-Verfahren unter Supervision dafür qualifizierter Therapeuten durchgeführt wer-den dürfen.

Der den Ausbildungsassistenten betreuende Praxisinhaber sollte daher ein durch die Ausbil-dungseinrichtung des Assistenten anerkannter Supervisor sein.

Grundsätzlich besteht zwar nach § 15 Abs.1 BMV-Ä die Verpflichtung jedes Vertragsarztes (und damit auch jedes Vertragspsychotherapeuten) zu persönlicher Leistungserbringung. Dort heißt es: „Jeder an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt ist verpflichtet, die vertrags-ärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben“. Aber: „Persönliche Leistungen sind auch ärztliche Leis-tungen durch genehmigte Assistenten und angestellte Ärzte gemäß § 32 b Ärzte-ZV, soweit sie dem Praxisinhaber als Eigenleistung zugerechnet werden können“.

§ 32 Ärzte-ZV gestattet also die Beschäftigung von Assistenten (nicht nur Ausbildungsassisten-ten), deren erbrachte Leistungen als Eigenleistungen des Praxisinhabers gelten und daher aus-schließlich über diesen abzurechnen sind. Aus diesem Grund erscheint der Assistent auch auf dem Praxisstempel der Praxis nicht. Seine Beschäftigung ist allerdings in der Sammelerklärung anzugeben.

Die Dauer der Beschäftigung des Ausbildungsassistenten ist zu befristen. Eine Ausbildungs-assistenz ist nur in der Zeit bis zur Erteilung der Approbation, der Erlangung des Fachkundenach-weises und der Eintragung in das Arztregister als Psychotherapeut (PP oder KJP) möglich.

Die Beschäftigung eines Ausbildungsassistenten darf nicht der Vergrößerung der bestehenden Vertragspsychotherapeutenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines „übergroßen Praxisumfan-ges“ dienen.

Die Definition „übergroßer Praxisumfang“ gilt für beide Assistentenformen (Ausbildungsassis-tent und Entlastungsassistent), da die Ärzte-ZV beim Entlastungsassistenten zum Thema „Ver-größerung“ dieselbe Formulierung wie beim Ausbildungsassistenten wählt (s. 4.2). Als „über-groß“ wird eine Kassenpraxis angesehen, die zweieinhalb bis dreimal so viele Scheine pro Quartal abrechnet wie der Durchschnitt vergleichbarer Praxen41. Bei der Frage, ob die Assistenten-beschäftigung der „Vergrößerung der Kassenpraxis“ dient, kann ein Mengenzuwachs von bis zu 25 % akzeptiert werden (Urteil des BSG vom 28.09.2005 – B 6 KA 14/04 R).

Ob Behandlungen durch einen Ausbildungsassistenten auch als „Ausbildungsfälle“ von den zu-ständigen Ausbildungseinrichtungen anerkannt werden, liegt in deren Ermessen.

41 Rolf Schallen: Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten. Kom-mentar. C.F.Müller MedizinRecht.de, Heidelberg 2007, S. 315, Ziffer 990.

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Das Management Handbuch Psychotherapeutische Praxis (MHP) enthält den Artikel von Seipel: „Ausbildungsassistenten in der psychotherapeutischen Praxis“42.

Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung an den Verfasser vom 03.06.2016 haben „die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung … in einer Besprechung über Fragen des gemein-samen Beitragseinzugs am 10./11. 04. 2002 entschieden, dass sich die Phase der praktischen Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten nicht im Rahmen eines sozialversicherungs-rechtlich relevanten Beschäftigungsverhältnisses vollzieht und deshalb keine Versicherungs-pflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zur Folge hat“.

4.2 Entlastungsassistent / Sicherstellungsassistent Nach § 32 Ärzte-ZV besteht die Möglichkeit, Entlastungs- oder Sicherstellungsassistenten zu

beschäftigen, deren erbrachte Leistungen als Eigenleistungen des Praxisinhabers gelten und da-her ausschließlich über diesen abzurechnen sind. Aus diesem Grund erscheint der Assistent auch nicht auf dem Praxisstempel der Praxis (s. 4.1).

Von einem Sicherstellungsassistenten spricht man, wenn der Assistent aus „Gründen der Sicher-stellung der vertragsärztlichen Versorgung“ (Versorgungsbedarf) bei der KV beantragt wird. Es muss sich hierbei um einen vorübergehenden (zeitlich befristeten) Bedarf handeln.

Von einem Entlastungsassistenten spricht man, wenn ein Vertragsarzt vorübergehend gehindert ist, seinen Pflichten in vollem Umfang nachzukommen. Denkbar sind hierbei Krankheitsgründe oder die Betreuung kleiner Kinder oder die Pflege pflegebedürftiger Angehöriger, die die ver-tragsärztliche Tätigkeit zwar nicht komplett ausschließen (in diesen Fällen ist ein Vertreter zu be-schäftigen), aber zeitlich oder hinsichtlich wesentlicher Tätigkeiten einschränken. Auch hier kann eine Genehmigung durch die KV nur erfolgen, wenn absehbar ist, dass die Beschäftigung eines Entlastungsassistenten nur für einen begrenzten, zeitlich absehbaren, Zeitraum erforderlich ist.

Für die Antragstellung sind die Antragsformulare der KV zu verwenden, die von der Homepage der KV heruntergeladen werden können.

In § 32, Abs. 2 S. 2-5 und Abs. 3-4 der neuen Ärzte-ZV heißt es: „(2) Im Übrigen darf der Vertragsarzt einen Vertreter oder einen Assistenten nur beschäftigen, 1. wenn dies im Rahmen der Aus- oder Weiterbildung oder aus Gründen der Sicherstellung der

vertragsärztlichen Versorgung erfolgt, 2. während Zeiten der Erziehung von Kindern bis zu einer Dauer von 36 Monaten, wobei dieser

Zeitraum nicht zusammenhängend genommen werden muss, und 3. während der Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung bis

zu einer Dauer von sechs Monaten. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) kann die in Abs.2 Nummer 2 und 3 genannten Zeiträu-me verlängern. Für die Beschäftigung eines Vertreters oder Assistenten ist die vorherige Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung erforderlich. Die Dauer der Beschäftigung ist zu befristen. Die Genehmigung ist zu widerrufen, wenn die Beschäftigung eines Vertreters oder Assisten-ten nicht mehr begründet ist; sie kann widerrufen werden, wenn in der Person des Vertreters oder Assistenten Gründe liegen, welche beim Vertragsarzt zur Entziehung der Zulassung füh-ren können.

(3) Die Beschäftigung eines Assistenten darf nicht der Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen (s. 4.1). (4) Der Vertragsarzt hat Vertreter und Assistenten zur Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten“.

42 Karl H. Seipel: Ausbildungsassistenten in der psychotherapeutischen Praxis. MHP, 57. Aktualisierung, Oktober 2013, Nr. 230.

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Eine Vertragsärztin oder ein Vertragsarzt (das Gesetz gilt für beide Eltern) kann also in Zeiten der Erziehung von Kindern bis zu einer Dauer von 36 Monaten einen Entlastungsassistenten oder Vertreter beschäftigen.

Ende 2012 vertrat eine KV die Auffassung, die zeitliche Beschränkung von 36 Monaten beziehe sich auf das Lebensalter des Kindes43. Ein Entlastungsassistent könne also nur bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres genehmigt werden. Dem ist das Landessozialgericht (LSG) NRW in einem Eil-verfahren mit Beschluss vom 27.02.2013 (L 11 KA 8/13 B ER) nicht gefolgt. Der Zeitraum von 36 Monaten beziehe sich auf die Dauer der Assistenz, nicht auf das Lebensalter des Kindes. Aus dem Halbsatz, dass der Zeitraum von 36 Monaten „nicht zusammenhängend“ genommen wer-den muss, leitet das LSG zutreffend ab, dass es nicht auf das Lebensalter des Kindes ankommen kann, denn ein nicht zusammenhängend genommenes Lebensalter sei schwerlich vorstellbar. Das erziehungsbedürftige Kind kann also auch älter als drei Jahre alt sein.

Richtig ist, dass „Kind“ im Rechtssinne nur eine familienrechtliche Zuordnung zu den Eltern ist und nicht auf eine Altersbegrenzung schließen lässt. Nur wer sein „eigenes“ Kind erziehen möch-te, darf einen Vertreter beschäftigen.

Die Auffassung von RA Pflugmacher, bis zum 14. Geburtstag des Kindes könne ein Entlastungs-assistent in jedem Fall beschäftigt werden, wird von RA Rüping44 nicht geteilt. Sie verweist auf die Rechtsprechung des LSG Rheinland-Pfalz in dessen Urteil vom 21.08.1997 (Az.: L 5 Ka 41/96), wonach die Beschäftigung eines Vertreters nur bis zum 8. Geburtstag eines Kindes möglich ist. Das Gericht knüpft seine Argumentation an die Befristung der zivilrechtlichen Rechtsprechung zur Zumutbarkeit einer Berufstätigkeit bei Kindererziehung nach einer Ehescheidung.

Wenn der Zeitraum von 36 Monaten nicht zusammenhängend gewählt werden muss, dann stellt sich die Frage, ob die 36 Monate auch auf einzelne Tage verteilt werden können. Bezüglich dieser Frage schließt sich Rüping den Ausführungen von Pflugmacher an: Sinn und Zweck der Re-gelung sprechen gegen die Möglichkeit der Aufteilung des Zeitraums von 36 Monaten auf einzel-ne Tage. Anstellungsverträge werden auch nicht für einzelne Tage, sondern für Monatszeiträume abgeschlossen.

Die Frage, ob die Genehmigung für die Beschäftigung eines Vertreters oder Assistenten nur je-weils für ein Kind oder für jedes Kind des Antragstellers gewährt werden muss, beantwortet Rüping dahingehend, dass es dazu weder Rechtsprechung noch Kommentar-Literatur gibt. Sie ist aber der Ansicht, dass es zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Eltern mit mehre-ren Kindern führen würde, wenn ein Vertreter unabhängig von der Anzahl der Kinder nur bis zur Dauer von 36 Monaten beschäftigt werden könnte. Auch bei der Geburt weiterer Kinder muss es den Eltern nach Sinn und Zweck der Vorschrift möglich sein, einen Assistenten zu beschäftigen, um Beruf und Familie vereinbaren zu können.

In § 32 Abs. 1 S. 3-5 der neuen Ärzte-ZV heißt es außerdem: Eine Vertragsärztin (hier gilt das Gesetz – verständlicherweise – nur für Frauen) kann sich in un-mittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung (also nicht erst nach der Geburt) bis zu einer Dauer von zwölf Monaten vertreten lassen.

Dauert die Vertretung länger als eine Woche, so ist sie der KV mitzuteilen.

Der Vertragsarzt darf sich grundsätzlich nur durch einen anderen Vertragsarzt oder durch einen Arzt, der die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 erfüllt, vertreten lassen.

Es stellt sich hinsichtlich der Absätze 1 und 2 des § 32 Ärzte-ZV die Frage, ob die Inhalte der bei-den Absätze (1 Jahr im Zusammenhang mit einer Entbindung und 3 Jahre während der Erziehung eines Kindes) additiv oder alternativ gesehen werden können oder müssen.

Auf diese Anfrage hat RA Rüping für die PKN45 wie folgt geantwortet:

43 Ingo Pflugmacher: Kindererziehung – ein Gericht schafft Klarheit für Kassenärzte. Ärzte Zeitung, 20.03.2013. 44 Antwort von Uta Rüping auf Fragen des Verfassers an die PKN vom 24.04.2013. 45 S. Passow, PKN: Antwort am 21.12.2012 auf meine Anfrage zu § 32 Ärzte-ZV vom 02.12.2012.

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„Unserer Einschätzung nach sind die Regelungen in § 32 Abs. 1 und 2 additiv zu verstehen. Eine Vertragspsychotherapeutin kann sich nach § 32 Abs.1 S.3 Ärzte-ZV in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung bis zu einer Dauer von 12 Monaten vertreten lassen und kann zusätzlich nach § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Ärzte-ZV für die Erziehung ihrer Kinder bis zu einer Dauer von 36 Monaten einen Vertreter oder Assistenten beschäftigen. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Anknüpfungspunkte“. Dies ergebe sich aus der Systematik des § 32 Ärzte-ZV, aber auch aus der Gesetzesbegründung. In der BT-Drucksache 17/8005, S. 97 stelle der Gesetzgeber klar, dass er zur Stärkung der Verein-barung von Familie und Beruf sowohl die Möglichkeit für Vertragsärztinnen, sich im zeitlichen Zu-sammenhang mit einer Entbindung vertreten zu lassen, von 6 auf 12 Monate verlängert hat, als auch die Möglichkeit für die Beschäftigung eines Entlastungsassistenten für die Erziehung von Kindern für bis zu 36 Monate eröffnen wollte.

Gegen eine anderslautende Entscheidung einer KV ist daher Widerspruch einzulegen.

Weil Genehmigungen nur befristet erteilt werden, ist im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Assistenten darauf zu achten, dass bei Erhalt der Genehmigung sofort geprüft wird, für wel-chen Zeitraum sie gilt und wie dafür gesorgt werden kann, dass der Fristablauf nicht vergessen wird. Es sollte also überlegt werden, wann ein Antrag auf (Verlängerung der) Genehmigung zu stellen ist, damit eine übergangslose Beschäftigung möglich ist. Es kommt nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt Genehmigungen beantragt werden, sondern nur darauf, ab welchem Zeit-punkt sie auch tatsächlich erteilt werden. Laut Rechtsprechung des BSG können Statusentschei-dungen (Zulassung, Ermächtigung, Genehmigung der Beschäftigung von Assistenten) nicht rück-wirkend, sondern nur für die Zukunft erfolgen. Es reicht also nicht, den Antrag rechtzeitig zu stel-len, vielmehr ist es wichtig, dass er rechtzeitig positiv beschieden wird46.

Voraussetzungen für die Beschäftigung eines Sicherstellungs-/Entlastungsassistenten: a) Voraussetzungen auf Seiten des Praxisinhabers:

1. Antrag des Praxisinhabers 2. vorherige Genehmigung der KV - nicht des ZA. 3. zeitliche Befristung des Antrags.

Grund: die Sicherstellungs-/Entlastungsassistenz bezweckt nur die Überbrückung von vor-übergehenden Umständen, die den Behandler an der Ausübung seiner Tätigkeit hindern. Sicherstellungs-/Entlastungsassistenz ist also nicht möglich bei Gründen, die einen zeitlich unabsehbaren Bedarf oder einen Dauerbedarf begründen – hier käme dann die Anstellung eines Dauerassistenten (siehe 5.1.) oder - im gesperrten Planungsbereich - die Kooperation im Wege des Job-Sharing (siehe 6.) in Betracht.

4. Hinderungsgründe für eine volle Versorgung der eigenen Praxis im Antrag: Krankheit, Alter, Kindererziehung, wissenschaftliche oder berufspolitische Tätigkeit.

b) Voraussetzungen auf Seiten des Entlastungsassistenten: 1. Approbation als PP oder KJP. 2. Eintragung in das Arztregister.

Aufgrund der Genehmigung durch die KV wird die lebenslange Arztnummer (LANR) des Assisten-ten der Betriebsstättennummer (BSNR) des Praxisinhabers zugeordnet. Die vom Assistenten er-brachten Leistungen sind im Praxisabrechnungsprogramm („Assistentenfunktion“) entsprechend zu kennzeichnen.

Der Assistent ist kein Vertreter, er assistiert nur dem Praxisinhaber. Er erscheint daher nicht auf dem Praxisstempel, unterschreibt aber selbst und stempelt mit dem Praxisstempel des Praxis-inhabers.

Er kann, muss aber nicht, auf dem Praxisschild aufgeführt werden.

Für Berufseinsteiger ist die Assistenz eine geradezu ideale Möglichkeit, in den Beruf des Psycho-therapeuten einzusteigen.

46 Martin H. Stellpflug: „Assistenten: genehmigungspflichtig, zeitlich begrenzt und zweckgebunden“. Ärzte Zeitung 18.12.2012, S. 18.

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4.3 Vertreter „Vertreter“ ist derjenige Arzt, der bei Verhinderung des Vertragsarztes in dessen Namen die

Praxis weiterführt.

Er unterliegt (im Unterschied zum Assistenten) nicht der Sozialversicherungspflicht.

Sofern er nicht auf Dauer und im Wesentlichen nicht nur für einen Praxisinhaber tätig ist, kann er nicht als Scheinselbständiger (s. 4.4) herangezogen werden47.

Das Rechtsverhältnis zwischen Praxisinhaber und Vertreter wird nach herrschender Meinung als Dienstvertrag (nicht als Werkvertrag) im Sinne des § 611 BGB beurteilt, da der Vertreter (im Un-terschied zum Assistenten) seine Tätigkeit selbständig und weisungsungebunden ausübt. Die an den Vertreter gezahlten Vergütungen sind Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, die er zu ver-steuern hat.

Die Genehmigung eines Vertreters ist nur möglich, wenn der Behandler vorübergehend gehin-dert ist, seinen vertragspsychotherapeutischen Pflichten in vollem Umfang nachzukommen. Es entsteht dadurch ein vorübergehender Sicherstellungsbedarf, der einen zeitlich befristeten Be-darf begründet.

Da die Zulassung persönlich auszuüben ist, und damit der Grund einer Vertretung lediglich vor-übergehender Natur sein darf, ist die Genehmigung mit einer Befristung zu erteilen. Entspre-chend der Angabe über die zu erwartende Wiederaufnahme der Tätigkeit wird die Genehmigung für den beantragten Zeitraum erteilt. Sollte der Grund für die Vertretung darüber hinaus fort-bestehen, ist ggf. ein erneuter Antrag zu stellen.

Vertretung setzt in jedem Fall voraus, dass der vertretene Vertragsarzt praxisabwesend ist (was bei der Assistenz nicht der Fall ist).

Will sich ein Arzt länger als drei Monate vertreten lassen, muss er das vorher unter Angabe der Gründe sowie unter Benennung des Vertreters bei der KV beantragen und genehmigen lassen. Eine rückwirkende Genehmigung ist nicht möglich48.

Die KV überprüft, ob der Vertreter die Voraussetzungen für die fachliche Befähigung erfüllt. Der Vertreter muss zwar nicht zwingend auch Vertragsarzt/-psychotherapeut sein. Dieser muss je-doch zumindest über die Approbation und den Fachkundenachweis verfügen.

Die KV bewilligt inzwischen ohne Probleme bei Psychotherapeuten eine Vertretung für die Dauer einer längeren Erkrankung oder einer Baby-Pause. Zur Klärung des Sachverhalts sollte vorab ein Gespräch mit dem Justiziar der KV geführt werden, das Praxisinhaber sowie vertretungswilliger und vertretungsfähiger Kollege gemeinsam führen sollten.

Die KV kann in einem solchen Fall außerdem – als Übergangsregelung für die Zeit nach der Rück-kehr des zu Vertretenden in seine Praxis – eine zeitlich befristete Assistenzgenehmigung neben der Tätigkeit des zu Vertretenden erteilen. So können vom Vertreter begonnene Therapien auf Wunsch der Patienten zu Ende geführt werden, auch wenn der zu Vertretende inzwischen wie-der praxisanwesend therapeutisch tätig ist.

Der Vertreter muss sich dabei an keine Leistungsobergrenze, die durch das vorherige Abrech-nungsvolumen des zu Vertretenden bestimmt wäre, halten - wie dies beim Job-Sharing der Fall ist -, da die KV ein Sicherstellungsinteresse hat und eine vollzeitliche Ausübung der Vertretungs-tätigkeit (bei ganzem Praxissitz) erwartet.

Auch eine Vertretung für einen angestellten Arzt ist möglich49. Ebenso ist es möglich, mehrere Vertreter einspringen zu lassen.

Vertragsmuster finden sich in den Heidelberger Musterverträgen50 sowie bei der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV)51.

47 Rolf Schallen: Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten. Kom-mentar. C.F.Müller MedizinRecht.de, Heidelberg 2007, S. 311. 48 J. Godemann. Vertretung: Qualifikation muss stimmen. Ärzte Zeitung 02.09.2013. 49 MVZ-Gründung. Mehr Freiraum als gedacht für Einzelpraxen? Ärzte Zeitung, 26.09.2016. 50 Heidelberger Musterverträge. Verträge zwischen Ärzten in freier Praxis. Verlagsgesellschaft Recht und Wirtschaft mbH, Heidelberg. 51 Deutsche PsychotherapeutenVereinigung: Anstellung eines Psychotherapeuten – Mustervertrag. © RA H.Geising, Dornheim Rechtsan-wälte & Steuerberater, Hamburg 2012.

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Der Vertrag mit dem Vertreter interessiert die KV nicht. Er ist freilich dem Steuerberater auszu-händigen, der zu prüfen hat, ob es sich bei der Tätigkeit des Vertreters um eine selbständige Tätigkeit oder um eine Scheinselbständigkeit handelt (s. 4.4). Wenn es sich um eine Scheinselb-ständigkeit handelt, ist der Vertreter anzustellen (es sind dann Beiträge an die Krankenversiche-rung, Pflegeversicherung und Rentenversicherung auch vom Praxisinhaber zu entrichten). Han-delt es sich bei dem Vertreter um eine selbständige Tätigkeit, ist er lediglich als „freier Mitarbei-ter“ zu beschäftigen – Sozialabgeben fallen dann für den Praxisinhaber nicht an.

Es gibt 5 Konstellationen der Abrechnung der erbrachten Leistungen des Vertreters: 1) Vertritt ein Arzt derselben BAG einen anderen Arzt, so rechnet der vertretende Arzt unter

einer eigenen LANR ab. In einer BAG rückt demnach also der vertretende Arzt nicht an die Stelle des zu Vertretenden, sondern übernimmt die Vertretung im Rahmen seiner eigenen vertragsärztlichen Zulassung und rechnet damit eben auch unter seiner LANR ab.

2) Im Falle der Vertretung durch einen angestellten Arzt einer BAG gilt dasselbe wie für Vertre-tungen voll zugelassener Ärzte innerhalb einer BAG.

3) Vertritt ein Arzt, der mit eigener LANR in einer anderen Praxis niedergelassen ist, dann rechnet dieser unter der LANR des zu vertretenden Arztes ab. Durch die Vertretung „von au-ßen“ tritt der Vertreter nämlich an die Stelle des zu vertretenden Arztes. Er kann dann auch Leistungen (z.B. Gruppenpsychotherapie) abrechnen, die er im Auftrag des zu vertretenden Arztes erbringt, für die er selbst jedoch keine Genehmigung durch die KV hat. Der abrech-nende Arzt muss natürlich über entsprechende Kenntnisse verfügen.

4) Im Falle der Vertretung durch einen Klinikarzt oder einen anderen nicht niedergelassenen Kollegen tritt der Vertreter ebenfalls an die Stelle des zu Vertretenden. Damit rechnet der Vertreter ebenfalls unter der LANR des zu vertretenden Arztes ab.

5) Typische Vertretungen sind die kollegialen Vertretungen zwischen niedergelassenen Ärzten derselben Fachgruppe in Krankheitsfällen. Dabei besuchen die Patienten des zu vertreten-den Arztes den Vertreter in dessen eigener Praxis. Der vertretende Arzt rechnet dann grund-sätzlich alle Leistungen, die er erbringt, unter seiner eigenen LANR ab.

4.4 Selbständigkeit oder Scheinselbständigkeit?52 Wann ist ein Psychotherapeut „verdeckter“ Angestellter bzw. „Scheinselbständiger“? Nicht

immer ist ein Selbständiger auch tatsächlich selbständig. Muss er wie ein Arbeitnehmer im Beschäftigungsverhältnis handeln, gilt er als scheinselbständig.

Das dann bestehende Regressrisiko ist bekannt: Die vom „Scheinselbständigen“ erbrachten Leis-tungen sind durch die KV nicht zu vergüten, d.h., in der Vergangenheit gezahlte Honorare können von der KV in voller Höhe zurückgefordert werden. Typisch für diesen Fall ist der Fehler, dass der Partner eine fixe Tätigkeitsvergütung oder einen fixen Gewinnanteil erhält, der nach dem Ver-tragswortlaut auch dann gezahlt wird, wenn die Praxis einen Verlust oder einen unter diesem Fixum liegenden Gewinn erwirtschaftet.

In fast jeder Tätigkeit gibt es Merkmale, die für sich alleine betrachtet auf Unselbständigkeit schließen lassen, und andere Merkmale, die für Selbständigkeit sprechen. Daher werden immer die Gesamtumstände gewürdigt. Ausschlaggebend sind immer die tatsächlichen Verhältnisse. Die vertragliche Bezeichnung ist nicht entscheidend.

Je mehr der folgenden Merkmale auf den Partner zutreffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Scheinselbständigkeit vorliegt53: o Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber in zeitlicher, fachlicher und örtlicher

Hinsicht, o Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers,

52 Scheinselbständig – Selbständig. Information der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), Stand 10/2015. 53 www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Navigation/1Lebenslagen/...: Woran Sie echte Selbständigkeit erkennen. Die Ar-

beitsrealität ist entscheidend, Merkmale einer Scheinselbständigkeit, Prüfung auf Scheinselbständigkeit, Wie es nach einer Prüfung weiter-geht.

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o Verpflichtung, dem Auftraggeber regelmäßig in kurzen Abständen detaillierte Berichte zu-kommen zu lassen,

o Verpflichtung, bestimmte Hard- und Software zu benutzen, sofern damit insbesondere Kon-trollmöglichkeiten des Auftraggebers verbunden sind,

o keine Unternehmerinitiative, kein Unternehmerrisiko, o festes Entgelt, o Anspruch auf Urlaub, Entgeltfortzahlung, o Leistungserbringung in eigener Person, keine Delegationsmöglichkeit an andere Personen, o Arbeitsumfang wird von anderen bestimmt.

Anhand der nachfolgenden Checkliste können Sie prüfen, ob bei Ihrem Mitarbeiter alle Voraus-setzungen für eine echte Selbständigkeit gegeben sind. Je öfter Sie mit „Ja“ antworten, umso mehr spricht die Tätigkeit Ihres Mitarbeiters für eine freie Mitarbeit, also gegen eine Sozialversi-cherungspflicht; jedes „Nein“ spricht dagegen. Daher sollten Sie mehr als 50 % der Punkte mit einem klaren „Ja“ beantworten können, um dem Problem der Scheinselbständigkeit zu entge-hen. o Kann Ihr Mitarbeiter seine Arbeitszeit frei bestimmen und seine Tätigkeit frei gestalten? o Ist er nicht in Ihre Dienstpläne einbezogen? o Ist er nicht zur Zeiterfassung verpflichtet? o Hat er beim Finanzamt ein eigenes Unternehmen (Selbständigkeit) angemeldet und hat er

Ihnen seine Steuernummer mitgeteilt? o Darf Ihr Mitarbeiter auch für andere Auftraggeber tätig werden? o Verbleibt Ihrem Auftragnehmer noch genügend Zeit, um auch für andere Unternehmen tätig

zu werden? o Kann Ihr Auftragnehmer Aufträge ablehnen? o Wirbt Ihr Auftragnehmer z.B. mit eigenen Visitenkarten für seine Tätigkeit? o Tritt der Auftragnehmer in eigenem Namen und nicht im Namen Ihres Unternehmens auf? o Kann er seine Leistung im Wesentlichen unabhängig von den Arbeitnehmern Ihres Unter-

nehmens erbringen? o Schuldet er Ihnen den Arbeitserfolg und nicht seine Arbeitskraft? o Erteilen Sie ihm keine detaillierten Hinweise zur Durchführung seiner Arbeit? o Kontrollieren Sie lediglich das Arbeitsergebnis? o Benutzt Ihr Auftragnehmer sein eigenes Arbeitsmaterial? o Erhält Ihr Auftragnehmer eine tätigkeits-/projektbezogene Vergütung? o Wird die Vergütung in unterschiedlicher Höhe gezahlt? o Erhält der Auftragnehmer keine Vergütung bei Krankheit oder Urlaub? o Kann er seinen Urlaub (nach Absprache) frei bestimmen?

Die Frage der Selbständigkeit sollte rechtzeitig geklärt sein, denn bei Scheinselbständigkeit müs-sen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Anteile zur Sozialversicherung (bis zu 4 Jahren rückwir-kend) zahlen.

Wenn Sie auf „Nummer Sicher“ gehen wollen, können Sie bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) den sozialversicherungsrechtlichen Status Ihres Mitarbei-ters prüfen lassen. Insbesondere bei Erwerbstätigen, die dauerhaft fast vollständig nur für einen Auftraggeber arbeiten, schützt eine Prüfung vor späteren Unstimmigkeiten. Der Antrag, um ein solches Verfahren einzuleiten, muss schriftlich gestellt werden. Antragsvordrucke gibt es bei den örtlichen Beratungsstellen, den Versicherungsämtern oder den Versichertenberatern und Ver-sichertenältesten in der Nähe. Die DRV Bund hilft auch gerne beim Ausfüllen des Formulars. An das Ergebnis des Antragsverfahrens sind alle Sozialversicherungsträger gebunden.

Natürlich kann auch Ihr Steuerberater die Frage der Scheinselbständigkeit prüfen.

Ergibt die Prüfung, dass Sie abhängig beschäftigt sind, beginnt Ihre Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung grundsätzlich mit dem Beginn Ihres Beschäftigungsverhältnisses.

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Die Versicherungspflicht kann aber auch erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung eintreten, wenn Sie o den Antrag innerhalb eines Monats nach Aufnahme Ihrer Tätigkeit stellen, o dem späteren Beginn der Sozialversicherungspflicht zustimmen, o für den Zeitraum zwischen Beschäftigungsbeginn und der Bekanntgabe der Entscheidungen

gegen Krankheit abgesichert waren und o für Ihr Alter vorgesorgt haben. Diese Vorsorge muss vom Leistungsumfang her der gesetzli-

chen Kranken- und Rentenversicherung entsprechen.

Der 5. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg hat über die Abgrenzung zwischen freiberuflicher und angestellter Berufsausübung entschieden54. Dieses Urteil vom 23. November 2016 (AZ.: L 5 R 1176/16) dürfte für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) eine der wichtigs-ten Entscheidungen des Jahres 2016 sein. Das Gericht hat nämlich festgestellt, dass eine "Junior-partnerin" einer Gemeinschaftspraxis tatsächlich nicht freiberuflich, sondern in einem abhängi-gen Beschäftigungsverhältnis tätig war.

Primär ging es in dem Verfahren um die Nachforderung von Sozialabgaben. Doch der sowohl für Fragen der Rentenversicherung als auch des Vertragsarztrechtes zuständige 5. Senat des LSG stellte in seinem Urteil fest, dass auch vertragsarztrechtlich eine Scheinselbstständigkeit vorlag – trotz der Zulassung der "Juniorpartnerin" als Vertragsärztin und der Genehmigung der gemein-samen Berufsausübung. Damit drohen nun die Aufhebung der Honorarbescheide und die Rück-forderung bezahlter Honorare. Zusammen mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanz-hofes zur Gewerbesteuerpflicht in Konstellationen der verdeckten Anstellung ist eine solche Ge-staltung der "größtmögliche anzunehmende Unfall" für eine BAG.

Dem Urteil lag Folgendes zugrunde: Ein Zahnarzt und eine Zahnärztin, beide zur vertragszahn-ärztlichen Versorgung zugelassen, schlossen einen BAG-Vertrag. Die gemeinsame Berufsaus-übung der beiden wurde vom Zulassungsausschuss genehmigt. Der Vertrag sah vor, dass die Zahnärztin als "Gewinnanteil" 30 Prozent der von ihr durch persönliche Tätigkeit erwirtschafte-ten Honorare erhält. Aus den verbleibenden Einnahmen wurden die Praxiskosten gezahlt, den Rest sollte der Zahnarzt erhalten.

Dieser stellte auch das gesamte materielle Vermögen zur Verfügung. Die Zahnärztin musste keine Einlage leisten und sich auch am vorhandenen materiellen Vermögen oder den Kosten der Be-schaffung zukünftigen materiellen Vermögens nicht beteiligen. Im Gesellschaftsvertrag war kei-ne Regelung enthalten, wie ein etwaiger Verlust der Gesellschaft zu tragen wäre. Schließlich sah der Vertrag vor, dass beide Gesellschafter im Außenverhältnis geschäftsführungsbefugt waren, im Innenverhältnis bedurften jedoch wirtschaftlich bedeutsamere Maßnahmen und zum Beispiel die Kündigung von Anstellungsverhältnissen der Zustimmung des Zahnarztes. Im Fall ihres Aus-scheidens sollte die Zahnärztin eine pauschalierte Abfindung erhalten.

Nach Auffassung des LSG wurde die Zahnärztin o sozialversicherungsrechtlich nicht freiberuflich und o vertragsarztrechtlich nicht in freier Praxis tätig. o Die Richter stützen diese Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass der Zahnarzt alle Be-

triebsmittel auf seine Kosten zur Verfügung stellte, o die Zahnärztin letztlich nicht am Gewinn der Gesellschaft, sondern an ihrem eigenen Umsatz

beteiligt war, o die Zahnärztin kein Kapitalrisiko trug und auch o die Abrechnung gegenüber der KV und den Patienten nur durch den Zahnarzt erfolgte. o Hinzu kamen die im Innenverhältnis beschränkte Geschäftsführungsbefugnis und o die weiteren Regelungen, die Sonderrechte für den Seniorpartner beinhalteten.

54 I. Pflugmacher: Scheinselbständigkeit. In der BAG wird die Luft hauchdünn. Ärzte Zeitung, 29.12.2016. (Dr. Ingo Pflugma-

cher ist Fachanwalt für Medizinrecht und Verwaltungsrecht und Partner der Kanzlei Busse & Miessen in Bonn.)

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o Als letztlich nicht relevant sah der 5. Senat die für eine Freiberuflichkeit sprechenden Indizien der weisungsfreien Tätigkeit, der fehlenden Haftungsfreistellung im Innenverhältnis und der eigenen vertragszahnärztlichen Zulassung an.

Diese Entscheidung führt nicht dazu, dass zwischen Gemeinschaftspraxispartnern nur völlig pari-tätische Verträge abgeschlossen werden dürfen. Die Abgrenzung zwischen freiberuflicher Tätig-keit und abhängiger Beschäftigung erfolgt stets auf einer Wertung der Gesamtumstände. Den-noch dürften spätestens seit dieser Entscheidung einige "k.o.-Kriterien" feststehen, die jeder Gemeinschaftspraxisvertrag berücksichtigen muss: o Jeder Gesellschafter muss an einem etwaigen Verlust der Gesellschaft beteiligt sein. o Es muss tatsächlich der Gewinn der Gesellschaft verteilt werden. o Berechnet sich der "Gewinnanteil" eines Gesellschafters unabhängig von den Kosten, so ist

dies gerade kein Gewinnanteil. o Jeder Gesellschafter sollte mit einem gewissen Kapitaleinsatz an der Gesellschaft beteiligt

sein. o Die Regelungen zur Geschäftsführung, zum sonstigen Auftreten nach außen und auch dieje-

nigen zum Urlaub sollten möglichst paritätisch ausgestaltet sein. o Die maßgeblichen wirtschaftlichen Aspekte lassen sich mit dem Begriff des Unternehmerrisi-

kos zusammenfassen: Das zu erzielende Einkommen muss vom Erfolg oder Misserfolg der gesamten Gesellschaft abhängen, bei ungünstiger Entwicklung muss für jeden Gesellschafter das Risiko bestehen, dass er nicht nur seine Arbeitskraft ohne Einkommenserzielung einsetzt, sondern Verluste mit eigenem Kapital ausgleicht.

Der 5. Senat des LSG hat die Revision nicht zugelassen. Ob eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wird und im Falle der Zulassung das BSG anders entscheidet, ist völlig offen.

Sollte in einer BAG eine nach dem Urteil des LSG kritische Gestaltung des Gesellschaftsvertrages vorliegen, so heißt dies nicht, dass sie ihre wirtschaftlichen Verhältnisse für die Zukunft in der praktischen Auswirkung völlig anders gestalten müssen. o Anstatt einer "umsatzbezogenen Vergütung" kann man o einen wirtschaftlich vergleichbaren Anteil am Gewinn der Gesellschaft vereinbaren. o Das Ergebnis wird nicht exakt identisch sein, gerade die Unterschiede machen aber die frei-

berufliche Tätigkeit aus. o Auch die Vereinbarung einer Verlustbeteiligung des Juniorpartners ist häufig kein Problem,

da das Verlustrisiko bei etablierten Praxen sehr überschaubar ist.

Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren die Möglichkeiten zur Beschäftigung angestellter Ärzte erheblich erweitert. Sozialversicherungsrechtlich beschränken sich im Ergebnis die Unter-schiede zwischen Freiberuflichkeit und abhängiger Beschäftigung auf Arbeitslosenversicherung und Beiträge zur Berufsgenossenschaft.

Diese geringen Beträge sollten kein Grund sein, das Risiko einer Nachzahlung der Rentenversi-cherungsbeiträge, der Veranlagung zur Gewerbesteuer und der Honorarrückforderung einzuge-hen. Es gibt Risiken im Leben, die man eingehen kann. Der Scheingesellschafter gehört nicht da-zu.

5. Anstellung Angestelltensitze entstehen auf viererlei Art: 1. Durch Anstellung eines Dauerassistenten, wenn er vom ZA - schon vor einer späteren Sperrung eines Bedarfsplanungsgebiets wegen „Überversorgung“ - genehmigt worden war (s. 5.1). 2. Durch Verzicht auf die Zulassung zugunsten der Anstellung (Verzichtsmodell) (s. 5.2). 3. Durch Erwerb eines ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes und Weiterführung dieses Sitzes durch einen angestellten Psychotherapeuten (s. 5.3). 4. Durch Verzicht auf die hälftige Zulassung zugunsten eines Angestellten (Verzichtsanstellung) (s. 5.4).

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Anstellung liegt im Trend55. Die Anzahl der angestellten Ärzte in der ambulanten Versorgung ist seit 10 Jahren um das Zehnfache auf mehr als 27.000 gestiegen, sowohl in Praxen wie in MVZ. Das Vertragsarztänderungsgesetz von 2007 hat diese Möglichkeit geschaffen. Es erlaubt Praxis-inhabern eines ganzen Sitzes die Anstellung von max. 3 vollzeitbeschäftigten Kollegen, wofür der Praxisinhaber zusätzliche Zulassungen erwerben muss. Für derartige Anstellungen kann es fol-gende Gründe geben: a) Praxisstrategische Gründe: Ein angestellter Arzt generiert zusätzliche Einnahmen. Außerdem

kann durch die Anstellung eines Kollegen der Praxisinhaber sein angebotenes Leistungsspekt-rum um die Qualifikationen des Angestellten erweitern. Zusätzlich ist eine Verbesserung des Service für die Patienten möglich, etwa durch Abend- oder Frühsprechstunden für Berufstä-tige. Auch in der Fläche kann die Praxis expandieren, etwa durch eine Zweigpraxis.

b) Entlastung des Praxisinhabers: Ein angestellter Arzt ermöglicht es dem Praxisinhaber, bei Bedarf zeitweise oder auch dauerhaft, die Tätigkeit in der Praxis zu reduzieren oder sich Frei-räume für eine bessere Work-Life-Balance zu verschaffen.

c) Übergang in den Ruhestand: Die Anstellung eines Arztes kann auch ein strategisches Vorha-ben in Richtung Ruhestand sein. Insbesondere im Hinblick auf die mit dem GKV-Versorgungs-stärkungsgesetz verbundenen Änderungen im Nachbesetzungsverfahren ist die Anstellung eines Arztes ein Grund dafür, dass ein eingeleitetes Nachbesetzungsverfahren seitens des ZA nicht abgelehnt werden darf. Voraussetzung: Die Anstellung des Arztes besteht seit mindes-tens 3 Jahren.

Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) müssen Anstellungsgenehmigungen künftig auch als Gemeinschaft beantragen56. Sie sind nicht mehr Sache eines einzelnen Partners. So urteilte jetzt das BSG (Az.: B 6 KA 24/15). Bisherige Genehmigungsbescheide bleiben aus Vertrauensgründen davon unberührt. Bei laufenden Verfahren sollten die übrigen BAG-Mitglieder eine Einverständ-niserklärung nachreichen, damit der Antrag bearbeitet werden kann. Mit diesem Urteil beendet das BSG das bisherige Auseinanderfallen von Genehmigungen einerseits und zivilrechtlicher, steuerrechtlicher und abrechnungsrechtlicher Behandlung andererseits. Honorartechnisch sei es praxisfern, dass ein angestellter Arzt Leistungen nur für ein Mitglied der BAG erbringt. Denn die Honorarbescheide gingen schließlich schon bisher an die gesamte BAG. Über deren gemeinsame Abrechnungsnummer werden auch die Leistungen eines angestellten Arztes der gesamten BAG zugerechnet.

5.1 Angestellter Psychotherapeut als „Dauerassistent“57 Gem. § 32 b Ärzte-ZV kann der Vertragsarzt in offenen Planungsbereichen „Ärzte nach Maßgabe

des § 95 Abs. 9 und 9a SGB V anstellen“.

Diese Angestellten werden bei Ermittlung des Versorgungsgrades mitgezählt, unterliegen damit keiner besonderen Leistungsbegrenzung, sondern zählen wie eigenständige Therapeuten.

Fachgebietsidentität ist nicht gefordert. Sie wird nur in gesperrten Planungsbereichen vorausge-setzt.

Die Anstellung bedarf der Genehmigung des ZA.

Angestellter und Praxisinhaber unterliegen der Sozialversicherungspflicht.

Die Nachbesetzung eines Dauerassistenten ist möglich, auch wenn inzwischen Zulassungsbe-schränkungen angeordnet wurden. Allerdings muss die Stelle innerhalb eines halben Jahres nachbesetzt werden. Ein Antrag auf Verlängerung dieser Frist ist zwar möglich, aber ebenfalls begrenzt auf höchstens weitere 6 Monate.

In Fällen, in denen nach § 95 Abs. 9 SGB V i.V.m. § 32b Abs. 1 Ärzte-ZV der Vertragsarzt einen angestellten Arzt oder angestellte Ärzte beschäftigen darf, ist sicherzustellen, dass der Vertrags-arzt die Arztpraxis persönlich leitet. „Die persönliche Leitung ist anzunehmen, wenn je Vertrags-arzt nicht mehr als drei vollzeitbeschäftigte oder teilzeitbeschäftigte Ärzte in einer Anzahl, welche

55 Anstellung im Trend. Aber wann lohnt’s? Ärzte Zeitung 04.05.2016. 56 Anstellung. Genehmigung künftig für die gesamte BAG. Ärzte Zeitung, 20.05.2016. 57 Angestellte in der Psychotherapeutenpraxis. Information der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV). Stand 2014, S. 2.

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im zeitlichen Umfang ihrer Arbeitszeit drei vollzeitbeschäftigten Ärzten entspricht, angestellt wer-den“ (§ 14a BMV-Ä).

Zur Beantragung ist der Angestelltenvertrag (s. 5.6) mit Arbeitszeiten, Entlohnung, Erholungsur-laub, Einbeziehung in Berufshaftpflicht und gesetzliche Pflichtversicherungen des Praxisinhabers sowie Kündigungsmöglichkeiten der zuständigen KV vorzulegen.

Für den angestellten Psychotherapeuten besteht – im Unterschied zum Vertreter – Weisungs-abhängigkeit vom Praxisinhaber. Er hat also keinen Einfluss auf Personalentscheidungen wie Ein-stellungen, Entlassungen usw.

Es gibt für ihn keine Gewinn- und Verlustbeteiligung (in der Regel keine Beteiligung an Praxisge-genständen, Praxiswerten oder Neuinvestitionen).

Seit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) von 2007 ist die Arbeitszeit des Angestell-ten flexibel gestaltbar in der Weise, dass es keine Vorgaben für eine wöchentliche Mindeststun-denzahl gibt. Ein Angestellter muss also z.B. nicht zwingend halbtags beschäftigt sein.

Ein Vorteil der Anstellung für den Angestellten ist, dass dieser im Rahmen des Nachbe-setzungsverfahrens hinsichtlich eines Vertragspsychotherapeutensitzes seines Arbeitgebers zu den bevorzugten Berechtigten gehört (§ 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 6 SGB V) (s. 12.2 Punkt 8).

Nutzt ein Vertragspsychotherapeut die in den Grenzen der Bedarfsplanung bestehende Möglich-keit, nach § 24 Abs. 3 S. 1 Ärzte-ZV seine vertragsärztliche Tätigkeit zusätzlich an einem von sei-nem Vertragspsychotherapeutensitz verschiedenen Ort (Zweigpraxis, s. 9.2) auszuüben, dürfen die bei ihm angestellten Psychotherapeuten ebenfalls an dem weiteren Ort tätig werden (§ 24 Abs. 3 S. 4 Ärzte-ZV).

Ein Psychotherapeut kann aber auch eigens für die Tätigkeit am weiteren Ort angestellt werden (§ 24 Abs. 3 S. 5 Ärzte-ZV). Da die Anstellung von Psychotherapeuten nur im Rahmen der Bedarfsplanung zulässig ist, ist die als zweite genannte Variante insofern attraktiver, als es dort darauf ankommt, ob der „weitere Ort“ in einem gesperrten oder nicht gesperrten Planungsbe-reich liegt. D.h., ein Vertragspsychotherapeut, dessen Praxis sich in einem gesperrten Planungs-bereich befindet, kann damit in einem Planungsbereich ohne Zulassungsbeschränkungen jeman-den anstellen, um an einem „weiteren Ort“ tätig zu werden.

Anstellung von PP/KJP bei PP/KJP: a) Gem. § 61 Ziffer 1 S.1 der (neuen) Bedarfsplanungs-Richtlinie gilt seit 2013:

„In Planungsbereichen, in denen keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, ist auch eine gegenseitige Anstellung zwischen Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zulässig“. Die Anstellungsmöglichkeiten in dieser Konstella-tion hängen also nicht von der Frage einer Fachidentität ab.

b) In § 61 Ziff.1 S.2 der (neuen) Bedarfsplanungs-Richtlinie heißt es: „Sind Zulassungsbeschränkungen angeordnet, gilt folgende Regelung: Ein Beschäftigungsver-hältnis im Sinne des § 58 ist sowohl unter Psychologischen Psychotherapeuten einerseits oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten andererseits als auch als gegenseitiges Beschäf-tigungsverhältnis zulässig, bei Beschäftigung eines Psychologischen Psychotherapeuten durch einen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten jedoch nur mit der Maßgabe der Be-schränkung des angestellten Psychologischen Psychotherapeuten auf die Versorgung von Kindern und Jugendlichen“.

Anstellung von PP/KJP durch Ärzte: Schon aus § 95 Abs.9 SGB V i.V.m. der Entsprechungsklausel des § 72 Abs.1 S.2 SGB V ergibt sich, dass Ärzte Psychotherapeuten anstellen dürfen. Ebenso geht dies aus der Regelung in § 32b Abs.1 Ärzte-ZV hervor. Auch die Bedarfsplanungs-Richtlinie bestätigt in § 58 diese Anstellungs-Konstellation58.

58 Vgl. dazu Martin Stellpflug: Anstellung von Psychotherapeuten in der niedergelassenen Praxis. In MHP 130, 56. Aktualisie-rung, Juli 2013, S. 13.

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Anstellung von Ärzten durch PP/KJP: § 58 Bedarfsplanungs-Richtlinie sieht eine Anstellung von Ärzten bei PP oder KJP nicht vor. Stellpflug hält § 58 Bedarfsplanungs-Richtlinie insofern für problematisch, als sie durch ihre aus-drückliche Regelung der Variante „Anstellung von PP/KJP bei Ärzten“ zugleich stillschweigend das umgekehrte Beschäftigungsverhältnis ausschließt. Die Regelung in § 58 Abs.7 Bedarfsplanungs-Richtlinie verstoße in mehrfacher Hinsicht gegen geltendes Recht: o Zunächst sei einzuwenden, dass der G-BA keine Kompetenz habe, in Planungsbereichen ohne

Zulassungsbeschränkungen Regelungen zu treffen. o Nach der maßgeblichen Wertung des § 95 Abs.9 SGB V sei außerdem eine Beschäftigung von

Ärzten bei PP/KJP zulässig, sodass untergesetzliche Normen der Bedarfsplanungs-Richtlinie diese Konstellation nicht ausschließen könnten.

o Zudem liege auf der Ebene des Verfassungsrechts durch die nicht gerechtfertigte Ungleich-behandlung der Leistungserbringer ein Verstoß gegen Art. 3 Abs.1 GG vor.

5.2 Verzicht auf die Zulassung zugunsten der Anstellung (Verzichtsmodell)59 Nach dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) von 2007 gibt es für gesperrte Planungs-

bereiche auch die Möglichkeit, auf den eigenen Vertragspsychotherapeutensitz zu verzichten, um anschließend bei einem anderen Vertragspsychotherapeuten angestellt zu arbeiten. Hier die ein-schlägigen Paragraphen:

a) § 103 Abs. 4a SGB V: Verzichtet ein Vertragsarzt in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen ange-ordnet sind, auf seine Zulassung, um in einem medizinischen Versorgungszentrum tätig zu wer-den, so hat der ZA die Anstellung zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versor-gung dem nicht entgegenstehen; eine Fortführung der Praxis nach Abs. 4 ist nicht möglich. (Der Wechsel in das MVZ führt damit automatisch zu einer Verlegung des bisherigen Sitzes, vgl. LSG Bayern, Urteil vom 16.01.2013, Az.: L 12 KA 77/12 zum Verzicht zu Gunsten der Anstellung). Medizinischen Versorgungszentren ist die Nachbesetzung einer Arztstelle möglich, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. § 95 Abs. 9b gilt entsprechend.

b) § 103 Abs. 4b SGB V60: Danach kann ein Vertragspsychotherapeut in einem gesperrten Planungsbereich auf seine Zulas-sung verzichten, um bei einem anderen Vertragspsychotherapeuten als angestellter Psychothe-rapeut tätig zu werden. Kündigt der nun angestellte Psychotherapeut, kann der Abgeber-Vertragspsychotherapeut die frei werdende Stelle mit einer Angestellten seiner Wahl besetzen, auch wenn Zulassungsbeschränkungen bestehen. Auf diese Weise erspart sich der abgabewillige Psychotherapeut das Nachbesetzungsverfahren, wohingegen der anstellende Vertragspsycho-therapeut eine dauerhafte Angestellten-Psychotherapeutenstelle hinzugewonnen hat.

Voraussetzung ist dabei a. zum einen, dass der abgabewillige Vertragspsychotherapeut einen Kollegen findet, der seine

Praxis gerne erweitern möchte und dies lieber durch eine Angestellte als durch eine Gemein-schaftspraxispartnerin tun möchte. Attraktiv ist das Verzichtsmodell außerdem, wenn der Verzichtende eine angestellte Teilzeittätigkeit anstrebt. Dafür reicht es, dass der Verzichten-de nur einen Teil seiner Stelle aufgibt. Die Angestelltenstelle des Verzichtenden kann also

59 Diese zugegebenermaßen etwas komplizierte Materie wird wesentlich ausführlicher dargestellt bei Rüping / Mittelstaedt: Abgabe, Kauf und Bewertung psychotherapeutischer Praxen, PsychotherapeutenVerlag, 1. Auflage 2008, S. 78 ff. Außerdem liegt dem Verfasser das Papier „Neue Gestaltungsformen? Verzicht auf die Zulassung zu Gunsten der Anstellung in einem MVZ oder bei einem anderen Vertragspsychotherapeuten“ der RA Dr. Uta Rüping vor, das sie den Teilnehmern einer gemeinsamen Fortbildung des Vorstandes der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen und den Kammermitglie-dern in den Zulassungsausschüssen und dem Berufungsausschuss der KVN am 16.06.2012 zur Verfügung stellte. Wesentli-che Passagen der Abschnitte 5.2 und 5.3 stammen aus diesem Papier. Vgl. auch die Ausführungen der RA Rüping und Henning zum Thema „Vorschriften Verzicht zu Gunsten der Anstellung, Tagung der PKN mit Teilnehmern der ZA und des BA am 19.07.2014. 60 Rüping/Mittelstaedt: Abgabe, Kauf und Bewertung psychotherapeutischer Praxen. Deutsche PsychotherapeutenVereinigung, medhoch-zwei Verlag Heidelberg, 2010, S. 78 ff.

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aufgeteilt und mit mehreren Teilzeitbeschäftigten neben oder anstatt des Verzichtenden be-setzt werden. Es müssen also nicht zwingend zwei Halbtagsbeschäftigte angestellt werden.

b. Weiter muss der Verzichtende für die Dauer einer „Wartefrist“ von 3 Jahren (s.u.) (vor 2016 mindestens 3 Monaten) tatsächlich am Sitz des anstellenden Vertragspsychotherapeuten tätig werden, um sich nicht dem Vorwurf eines Umgehungsversuchs auszusetzen. In wel-chem Umfang und zu welchen finanziellen Konditionen diese Tätigkeit ausgeübt werden soll, ist Verhandlungssache zwischen beiden.

c. Drittens ist eine Einigung zwischen beiden Parteien natürlich nur zu erwarten, wenn der an-stellende Vertragspsychotherapeut seinem zukünftigen Angestellten eine Abfindung ähnlich dem Kaufpreis zahlt.

Rückumwandlung: o Bis zum 01.01.2012 war die Rückumwandlung einer derartigen Angestelltenstelle (auch

Anstellungssitz genannt) in einen eigenständigen Vertragssitz nicht möglich. o Jetzt lässt der Gesetzgeber eine solche Rückumwandlung aber zu, weil es für den Versor-

gungsgrad irrelevant ist, ob der Bedarf durch einen angestellten oder niedergelassenen Arzt gedeckt wird.

Die Voraussetzungen für eine Rückumwandlung sind in § 95 Abs. 9b SGB V zu finden: „Eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 ist auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen oder halben Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der an-stellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 4, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zu-lassung“.

Wenn der anstellende Vertragsarzt also zwar die Rückumwandlung beantragt, nicht aber die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zu-lassung. Damit hat der anstellende Praxisinhaber eine dauerhafte Psychotherapeutenstelle hin-zugewonnen, die nicht – wie beim Job-Sharing – gedeckelt ist.

Verschärft61 wurden durch das Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) die Voraussetzungen für den Zulassungsübergang beim Verzicht auf die Zulassung zugunsten der Anstellung: o Nach wie vor ist es möglich, dass der Inhaber einer Zulassung auf diese verzichtet, um sich

bei einem anderen Vertragsarzt, Vertragspsychotherapeuten oder MVZ anstellen zu lassen. Erteilt der ZA die Anstellungsgenehmigung auf der Grundlage des vorzulegenden Anstel-lungsvertrages, geht die Zulassung auf den Anstellenden über.

o Durch § 103 Abs. 4a und 4b SGBV wurde nun eine Prüfungskompetenz des ZA eingeführt, ob dem Verzicht zum Zwecke der Anstellung lokale Versorgungsbedarfe entgegenstehen. Der Verzicht zugunsten der Anstellung ist mit einer Stilllegung der bisherigen Praxis des vormali-gen Zulassungsinhabers verbunden. Da der Wechsel in die neue Praxis regelmäßig zur Verle-gung des bisherigen Sitzes führt, kann dies – insbesondere in ländlichen Regionen – zu Ver-sorgungsdefiziten führen. Die Genehmigung darf demnach durch den ZA nun nicht mehr er-teilt werden, wenn durch Wegfall des bisherigen Arztsitzes die Versorgung der dort ansässi-gen Patienten nicht mehr gewährleistet ist.

o Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) von 2015 wurde diese Regelung weiter verschärft. Für Psychotherapeuten, die eine Anstellung zum Zwecke der Nachbesetzung er-wägen, bedeutet dies nun (vor der Anstellung): Die Beschäftigung muss drei Jahre andau-ern62, wenn sichergestellt werden soll, dass die Praxis auch in als überversorgt ausgewiese-nen Planungsbereichen nachbesetzt werden muss. Ansonsten kann der ZA die Nachbeset-zung unterbinden und die Praxis stilllegen.

61 M. Plantholz & K. Nahmmacher: Praxisabgabe, Praxiserwerb und Anstellung nach dem GKV-VStG. Psychotherapie Aktuell der Deutschen

PsychotherapeutenVereinigung, 4. Jahrgang, Heft 2, 2012, S.30 f. 62 Sylvia Rückstieß, Bundespsychotherapeutenkammer. Nachricht der PKN vom 07.01.2015.

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o Eine weitere Verschärfung hat das BSG am 04.05.2016 (L 12 KA 31/14) zur Verhinderung des

„Umgehungstatbestandes“ eingeführt: Die Beschäftigung im Anstellungsverhältnis (nach

dem Verzicht zugunsten der Anstellung) umfasste bis 2016 die Dauer von mindestens einem

Quartal. Während für länger dauernde Anstellungsverhältnisse ein Anstellungsvertrag zu

vereinbaren war, für den Sozialabgaben von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in voller Höhe

zu zahlen waren, bestand bei einer Anstellung von maximal 3 Monaten die Möglichkeit, ei-

nen Anstellungsvertrag für eine „kurzfristige Beschäftigung“ abzuschließen. Dieser Anstel-

lungsvertrag war vergleichbar einem Minijob.

Durch dieses Urteil des BSG ist diese Möglichkeit seit 2016 verbaut worden. In ihrer Presse-

Information formuliert das BSG wie folgt: „Die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ kann

nur dann und nur insoweit erfolgen, wie der Vertragsarzt tatsächlich als angestellter Arzt im

MVZ tätig geworden ist. Damit wird auch verhindert, dass die Entscheidungen, die die Zulas-

sungsgremien bei der Nachbesetzung im Falle der Beendigung der vertragsärztlichen Tätig-

keit zu treffen haben, umgangen werden, indem ein Arzt zwar zunächst erklärt, auf seine Zu-

lassung zu verzichten, „um in einem MVZ tätig zu werden“, die Tätigkeit dort tatsächlich aber

nicht antritt, um dem MVZ sogleich die „Nachbesetzung“ durch einen selbst gewählten Ange-

stellten zu ermöglichen. Die zu fordernde Absicht des (ehemaligen) Vertragsarztes, im MVZ

tätig zu werden, wird sich – wie das BSG für die Zukunft klarstellt – grundsätzlich auf eine Tä-

tigkeitsdauer im MVZ von 3 Jahren beziehen müssen, wobei die schrittweise Reduzierung

des Tätigkeitsumfangs um ¼ Stelle in Abständen von einem Jahr unschädlich ist. Bereits be-

standskräftig erteilte Anstellungsgenehmigungen bleiben davon unberührt und können auch

Grundlage einer späteren Stellennachbesetzung werden. Wenn ein Vertragsarzt, der auf seine

Zulassung verzichtet, um in einem MVZ tätig zu werden, seine Tätigkeit im MVZ allerdings –

wie vorliegend – von Anfang an nur im Umfang einer ¾ Stelle antritt, dann kann auch nur die-

se ¾ Stelle nachbesetzt werden“.

o Auch wenn die Entscheidung des BSG zur Anstellung in einem MVZ ergangen ist, wird sie für

die Anstellung in Einzel- und Gemeinschaftspraxen genauso gelten, da die zugrundeliegen-

den Rechtsnormen identisch sind63.

Dieses Urteil des (BSG)64, wonach Ärzte, die ihre Zulassung an ein MVZ via Anstellung abgeben, dort noch mindestens 3 Jahre tätig sein müssen, wirft nicht nur im Versorgungsalltag Probleme auf. Auch juristisch bleiben viele Fragen offen. o Wie steht es etwa um das Kündigungsrecht? o Nun soll eine Anstellungsgenehmigung dem zugelassenen Arbeitgeber nur noch dann erteilt

werden, wenn der Arzt nicht nur seine Zulassung, sondern auch den Willen zu einer mindes-tens 3 Jahre währenden MVZ-Tätigkeit (dreijähriger „Tätigkeitswille“) einbringt.

o Der ZA kann den Verzichtenden bei Zweifeln persönlich zur Dreijahresperspektive befragen. Außerdem liegt ihm der schriftliche Arbeitsvertrag vor.

o Gelingt der Nachweis des "Tätigkeitswillens" beim ZA nicht, erhält der Arbeitgeber keine Anstellungsgenehmigung und der Vertragsarzt behält die Zulassung.

o Ist der ZA hingegen überzeugt, dass der Arzt drei Jahre angestellt tätig sein will, erteilt er die Genehmigung. Die Praxis des Abgebers wird geschlossen, seine Zulassung bestandskräftig umgewandelt in die Anstellungsgenehmigung des Arbeitgebers. So weit, so praktikabel.

Interessant wird es, wenn der ZA später über die Nachbesetzung der Arztstelle entscheidet. War der Arzt dann nicht volle 3 Jahre tätig, wittert das BSG Missbrauch und fehlenden "Tätigkeitswil-

63 Ingo Pflugmacher: Vor Ruhestand kurz ins MVZ. (Un-)gewollte Lücke im Gesetzestext. Ärzte Zeitung, 30.05.2016. 64 Thomas Willaschek: Arztsitzabgabe. Drei Jahre sind nicht in Stein gemeißelt. Ärzte Zeitung, 11.11.2016.

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len". Der ZA soll nun prüfen, ob er bei seiner ersten Entscheidung getäuscht wurde, oder ob nachvollziehbare Umstände dazu geführt haben, dass der ursprüngliche Plan des Arztes, drei Jah-re in Anstellung zu arbeiten, nicht umgesetzt wurde. Falls Zweifel bleiben, soll die Arztstelle nicht nachbesetzt werden und damit entfallen.

Das erscheint allerdings systemwidrig: a. Denn solange die Anstellungsgenehmigung bestandskräftig ist, folgt das Recht des Inhabers

zur Nachbesetzung der Arztstelle direkt aus dem Gesetz (für MVZ aus § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V: "Medizinischen Versorgungszentren ist die Nachbesetzung einer Arztstelle möglich, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind", für Vertragsärzte aus § 103 Abs. 4 b Satz 3 SGB V).

b. Stellt sich im Rahmen der Nachbesetzungsentscheidung heraus, dass der Tätigkeitswille ursprünglich fehlte, muss zunächst die existente Anstellungsgenehmigung aus der Welt. Eine Rücknahme der Anstellungsgenehmigung richtet sich nach § 45 SGB X ("Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes"). Danach kann der ZA die Anstellungsge-nehmigung in zwei Fällen zurücknehmen: o Entweder wenn das MVZ Vertrauensschutz geltend macht, aber in einer Interessen-

abwägung das öffentliche Interesse überwiegt. In diesem Fall ist das "gutgläubige MVZ" schutzwürdig, wenn der Kaufvertrag nicht rückabgewickelt werden kann. Das wird bei dann geschlossener Praxis und umgewandelter Zulassung des Praxis-Abgebers regelmä-ßig der Fall sein. Kommt es im Extremfall dennoch zur Rücknahme, kann diese nur binnen zwei Jahren erfolgen. Die Drei-Jahres-Frist des BSG verträgt sich hiermit nicht.

o Oder wenn das MVZ wusste oder hätte wissen müssen, dass dem neu eingestellten Arzt tatsächlich ein "Tätigkeitswille" fehlte. Dieser Fall setzt „Bösgläubigkeit“ voraus: War echte Tätigkeit nie beabsichtigt, sondern z.B. nur ein kurzes Erscheinen mit anschließen-der Vertretung, ist für die Rücknahme entscheidend, ob das MVZ in diese Pläne einge-bunden war.

Entscheidend ist, wer jeweils was beweisen muss: a. Nach dem BSG gehen Zweifel am Tätigkeitswillen des Angestellten zulasten des Arbeitgebers.

Das ist kritikwürdig. b. Richtiger scheint stattdessen eine Orientierung am allgemeinen Grundsatz, dass jeder Betei-

ligte die für ihn günstigen Tatsachen beweisen muss. o Möchte der ZA die Anstellungsgenehmigung aufheben, muss er beweisen, dass sie

rechtswidrig war. Dabei kann er den Arbeitgeber zur Aufklärung heranziehen, etwa dazu auffordern, ihm vorliegende Unterlagen herauszugeben. Denkbar erscheint auch, dass der Ausschuss den Angestellten befragt. Falls der sich aber nicht oder nur unergiebig äu-ßert, und fehlender Tätigkeitswillen nicht festzustellen ist, muss nachbesetzt werden. Bloße Zweifel oder Verdachtsmomente reichen nicht.

o Anders als das BSG suggeriert sind Praxisabgeber und -käufer selten Komplizen, sondern vielmehr Vertragspartner mit jeweils eigenen Interessen. Es ist nicht ersichtlich, wie der Arbeitgeber seinen Angestellten verpflichten könnte, Jahre nach einem Praxiskauf seine Motivation zum damaligen Zeitpunkt gegenüber dem ZA nochmals darzulegen, weil er – eventuell nach einer Kündigung – die Arztstelle nachbesetzen möchte. Und es ist noch viel weniger ersichtlich, wieso das MVZ dafür haften sollte, wenn der ehemalige Arbeit-nehmer seine einstige Motivation nicht hinreichend deutlich nachzuweisen bereit ist.

o Auch die „Bösgläubigkeit“ des MVZ muss der ZA beweisen. Der Arbeitgeber hat aber die Darlegungslast, er hat zum Vertrauen und dessen Schutzwürdigkeit Stellung zu nehmen. Das bedeutet: Verzichtet ein Arzt auf seine Zulassung und schließt mit einem MVZ einen unbefristeten Arbeitsvertrag, und kündigt das MVZ dem Arbeitnehmer nach einem Jahr, lässt deswegen noch lange nichts auf einen fehlenden Tätigkeitswillen des Arbeit-nehmers schließen. Eine Kündigungsschutzklage würde allenfalls belegen, dass dieser Wille trotz aller Widrigkeiten noch fortbesteht.

Im Arbeitsvertrag (mit einer entsprechenden Klausel) auf den dreijährigen Verzicht auf eine ordentliche Kündigung zu pochen hieße, über den Tätigkeitswillen des Arbeitnehmers hinaus

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auch den Nachweis zu verlangen, dass dieser dem Arbeitgeber misstraute. Das lässt das Rechts-system nicht zu. Allerdings könnte eine solche Klausel aus Arbeitgebersicht sinnvoll sein, wenn Zweifel am Tätigkeitswillen des anzustellenden Arztes bestehen, denn so kann sich das MVZ des-sen Willen – und sein Vertrauen – rechtlich sichern.

Eine außerordentliche Kündigung – oder ein Aufhebungsvertrag zur Abwendung derselben – bei schwerem Fehlverhalten wird, sofern dieses nicht vor der Anstellung absehbar war, den Vertrau-ensschutz nicht berühren. Auch bei Auftreten einer ihm zuvor nicht bekannten Krankheit oder sich akut verschlechternden chronischen Erkrankung muss der Arbeitgeber kündigen dürfen.

Insgesamt ist die Situation für alle Beteiligten also nicht einfach.

Der Gesetzgeber ist deshalb gefordert klarzustellen, dass die bisherige Handhabung der meisten Zulassungsgremien richtig war. Bis er handelt, darf es allein auf den dreijährigen Tätigkeitswillen beim Angestellten ankommen. Falls der ZA diesen im Zeitpunkt des Zulassungsverzichts feststellt oder der Arbeitgeber von diesem ausgehen konnte, dann müsste ein MVZ jederzeit kündigen dürfen, ohne sein Nachbesetzungsrecht zu verlieren.

Akzeptieren Ausschüsse und Sozialgerichte diese Meinung nicht und bleibt der Gesetzgeber un-tätig, wird das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort haben müssen.

Das Procedere des Verzichtsmodells:

o Die Veräußerin stellt keinen Antrag auf Nachbesetzung, sondern erklärt den Verzicht auf ihre

Zulassung zugunsten der Anstellung bei dem Erwerber ihrer Praxis.

o Wenn die Veräußerin schon einen Antrag auf Nachbesetzung gestellt hat, zieht sie ihren An-

trag auf Nachbesetzung ihrer psychotherapeutischen Praxis gegenüber dem Zulassungsaus-

schuss wieder zurück.

o Die Veräußerin erklärt den Verzicht auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung auf dem entsprechenden Formblatt der KV („Verzicht auf die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätig-keit zugunsten einer Anstellung“).

o Die Veräußerin beantragt entsprechend der Checkliste dieses Formblatts u.a. ein polizei-

liches Führungszeugnis der Belegart „O“ (Behördenführungszeugnis), das vom Einwohner-

meldeamt direkt an den Zulassungsausschuss geschickt wird und zum Zeitpunkt der Sitzung

des ZA nicht älter als drei Monate sein darf.

o Der Erwerber stellt gegenüber dem Zulassungsausschuss mit Hilfe des Formblatts der KV

(„Antrag auf Genehmigung zur Beschäftigung eines angestellten Psychotherapeuten“) einen

Antrag auf Anstellung der Veräußerin in seiner Praxis zum ……, den sowohl Veräußerin als

auch Erwerber unterschreiben.

o Zusammen mit diesem Antrag reichen sie ihren beiderseits unterschriebenen Anstellungs-

vertrag beim Zulassungsausschuss der KV ein. Der Anstellungsvertrag umfasst eine Beschäf-

tigung von mindestens 31 Stunden (komplette Zeit, nicht Therapiestunden), wenn der Praxis-

sitz auch nach dem Übergang von der Veräußerin auf den Erwerber vollumfänglich erhalten

bleiben soll. (Die DPtV hält einen Mustervertrag für die Anstellung eines Psychotherapeuten

bereit).

o Der Erwerber fügt dem Antrag auf Anstellung der Veräußerin die Einzahlungsquittung zum

polizeilichen Führungszeugnis bei.

o Ein Antrag auf Praxissitzverlegung wird nicht gestellt, da mit dem Verzicht auf die Zulassung

zugunsten der Anstellung der Praxissitz der Veräußerin auf den Erwerber übergeht und deren

Angestelltentätigkeit nunmehr in den Räumen des Erwerbers stattfindet.

o Die Veräußerin verkauft an den Erwerber ihre vertragspsychotherapeutische Praxis (nicht

ihren Praxissitz), was in einem eigenen Praxisübernahmevertrag geregelt wird.

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o Übergabetermin der Praxis und Überweisungstermin des Kaufpreises sind im Praxisüber-

nahmevertrag zu nennen.

o Der Kaufpreis umfasst vollumfänglich den ideellen und den materiellen Praxiswert.

o Die Anstellung bedarf der Genehmigung des ZA. Dieser muss die „Übertragung der Zulas-

sung“ in eine Vertragspsychotherapeutenpraxis genehmigen, wenn folgende Voraussetzun-

gen vorliegen:

- Der Antrag des anstellenden Psychotherapeuten muss den formellen Anforderungen des § 32 b der Ärzte-ZV genügen.

- Nach § 14a BMV-Ä ist sicherzustellen, dass der Vertragsarzt die Arztpraxis persönlich lei-tet. Die persönliche Leitung ist anzunehmen, wenn je Vertragsarzt nicht mehr als drei vollzeitbeschäftigte oder teilzeitbeschäftigte Ärzte in einer Anzahl, welche im zeitlichen Umfang ihrer Arbeitszeit drei vollzeitbeschäftigten Ärzten entspricht, angestellt werden. Eine persönliche Leitung liegt selbst dann vor, wenn der angestellte Arzt ausschließlich in der Zweigpraxis in Abwesenheit des Vertragsarztes tätig wird (§ 15 Abs. 1 BMV-Ä; § 24 Ärzte-ZV).

- Die Anstellung kann am Vertragsarztsitz oder am Sitz der Zweigpraxis erfolgen. - Seit dem 01.01.2012 darf die Anstellung nicht mehr genehmigt werden, wenn ihr Grün-

de der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen. - Eine weitere Voraussetzung besteht darin, dass sich beide Partner in demselben

Planungsbereich befinden.

5.3 Erwerb eines ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes und Weiterführung dieses Sitzes

durch einen angestellten Psychotherapeuten Neben dem „Verzicht auf die Zulassung zugunsten der Anstellung“ gibt es seit In Kraft treten des

GKV-VStG nunmehr - nicht nur für MVZ – gem. § 103 Abs. 4b Satz 2 SGB V die Möglichkeit, sich in gesperrten Planungsbereichen (zusätzlich zum vorhandenen Praxissitz) auf einen ausge-schriebenen Vertragsarztsitz zu bewerben, um diesen Sitz explizit durch einen angestellten Psychotherapeuten weiterzuführen (Angestelltensitz), wenn dem Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen.

Ursprünglich konnten nur MVZ Praxen übernehmen und durch angestellte Ärzte weiterführen lassen.

Zum 01.01.2012 hat der Gesetzgeber nunmehr auch den Vertragsärzten und Vertragspsychothe-rapeuten die Möglichkeit eingeräumt, sich um einen weiteren Vertragsarztsitz im Nachbeset-zungsverfahren zu bewerben.

Bei der Übernahme einer Praxis sollen also Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nun-mehr dem MVZ gleichstehen. Der Gesetzgeber beabsichtigt den „Schutz freiberuflich tätiger Ärz-tinnen und Ärzte vor einer Verdrängung durch Medizinische Versorgungszentren bei der Praxis-nachfolge in überversorgten Planungsbereichen“. So ist ein MVZ nach § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V bei der Auswahl des Praxisnachfolgers gegenüber anderen Bewerbern nachrangig zu berücksich-tigen, wenn die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei den Ärzten liegt, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig sind.

Zu beachten ist bei dieser Regelung, dass die Besetzung des erworbenen Praxissitzes durch einen Angestellten nach denselben Kriterien verläuft wie das Nachbesetzungsverfahren (s. 12.2). Da-bei kommt es auf die Daten/Qualifikationen des anzustellenden Psychotherapeuten an, nicht auf die des anstellenden Psychotherapeuten. Es entspricht der allgemeinen Praxis der ZA, beim Eignungsvergleich auf die Person desjenigen abzustellen, der auch tatsächlich die Leistungen er-bringt. Das ist der Anzustellende, nicht aber der Praxisinhaber oder das MVZ.

Es wird darauf hingewiesen, dass sich in der Warteliste eingetragene Psychotherapeuten eben-falls bewerben müssen.

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Bei der Arbeit der Vertragspsychotherapeuten65 muss die grundsätzlich immer bestehende per-sönliche Leistung gewährleistet sein. Bei Anstellungen wird die persönliche Leistungspflicht durch die Leitungs- und Überwachungspflicht des Praxisinhabers erfüllt. Um dies sicherzustellen, verfügt der BMV-Ä, dass in der Regel eine persönliche Leitung nicht mehr anzunehmen ist, wenn bei einem ganzen Versorgungsauftrag mehr als 3 vollzeitbeschäftigte oder teilzeitbeschäftigte Psychotherapeuten angestellt werden in einer Anzahl, welche im zeitlichen Umfang ihrer Arbeitszeit 3 vollzeitbeschäftigten Psychotherapeuten entspricht.

Bei einem halben Versorgungsauftrag vermindert sich die Beschäftigungsmöglichkeit auf einen Vollzeitbeschäftigten oder 2 teilzeitbeschäftigte Angestellte.

Ausnahmsweise können darüber hinaus noch weitere Psychotherapeuten genehmigt werden, wenn dem ZA nachgewiesen werden kann, dass durch bestimmte Vorkehrungen die persönliche Leitung der Praxis gewährleistet wird.

Fazit: Theoretisch kann somit ein Vertragspsychotherapeut durch Übernahme von Vertragspsy-chotherapeutenpraxen über 4 volle Zulassungen verfügen: den eigenen Praxissitz plus zusätzlich drei „Angestelltensitze“.

„Angestelltensitze“ sind bedarfsplanerisch neutral. Vorhandene Vertragspsychotherapeutensitze können zu „Angestelltensitzen“ und diese durch Rückumwandlung wieder zu eigenständigen Zu-lassungen gemacht werden. Neue Vertragspsychotherapeutensitze entstehen dadurch nicht.

5.4 Verzicht auf die hälftige Zulassung zugunsten eines Angestellten („Verzichts-Anstellung“) Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent zu fragen, ob nicht Vertragspsychotherapeuten

auf eine Hälfte ihrer vollen Zulassung verzichten können/sollen, nicht um diese in eine andere Vertragspraxis zwecks Anstellung einzubringen (s. 5.2), sondern um auf dieser hälftigen Zulas-sung einen Kollegen in der eigenen Praxis anzustellen. Von der Bedarfsplanung her gesehen spricht dagegen nichts. Dann kann von der Ausschreibung der halben Praxis abgesehen werden und es braucht vor dem ZA nur eine Verzichtserklärung auf die hälftige Zulassung zugunsten eines Angestellten abgegeben werden.

Es kann aber vom ZA auch eine Ausschreibung verlangt werden. Außerdem muss diese Variante des „Verzichtsmodells“ vom ZA mitgetragen werden, denn das Gesetz sieht die „Verzichts-Anstellung“ in der eigenen Praxis so nicht vor.

Dies ist ein attraktives Modell, um den eigenen Arbeitsumfang ohne Honorarverlust zu reduzie-ren, da der Angestellte mit halbem Versorgungsauftrag diesen Versorgungsauftrag voll ausfüllen kann.

Letztlich ist es also nicht nur eine probate Methode zur Sicherung der eigenen Praxis, sondern auch um sukzessive aus seiner Praxis auszusteigen, ohne die Unwägbarkeiten der ansonsten notwendigen (hälftigen) Praxisausschreibung.

Außerdem hat dieses Modell einen steuerlichen Vorteil gegenüber dem Modell, zuerst eine Hälf-te der Praxis zu verkaufen und später dann die andere Hälfte, da nur einmal im Leben die eigene Praxis steuerbegünstigt verkauft werden kann (s.15.4).

5.5 Weitere Optionen der Anstellung Neben den oben genannten Konstruktionen gibt es drei weitere Optionen der Anstellung:

a) PP oder KJP behandeln als Angestellte eines Arztes, eines PP oder eines KJP nur Privatpatien-ten oder Selbstzahler, dann benötigen sie keinen Praxissitz und keine Zulassung oder Ermächtigung. Es ist ausschließlich Sache der beiden Vertragspartner, welchen Vertrag sie im Binnenverhältnis miteinander schließen.

b) PP oder KJP arbeiten als Angestellte in Kliniken oder anderen Einrichtungen. Zur Information über diesen Bereich, in dem etwa die Hälfte der Profession tätig ist, wird auf den gleichnami-gen Artikel von Dietrich Munz verwiesen, der in Best et al.: Approbiert, was nun? S. 91 ff

65 „Angestelltensitze“. In: Die Praxisübergabe an Nachfolger. Ein Leitfaden. DPtV Deutsche PsychotherapeutenVereinigung, Berlin 2015. S.36 f.

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erschienen ist. Zum Thema Tarif- und Statusentwicklungen von Angestellten wird auf einen Artikel von S. Wald und K. Sude verwiesen66.

c) Nicht zulässig ist die Anstellung eines PP oder KJP als „Honorar-Psychotherapeut“ bei einem Arzt (ohne Zulassung oder Ermächtigung), der die gesetzlich versicherten Patienten dieses Arztes behandelt und dessen Leistungen der Arzt in seiner Quartalsabrechnung unter seiner eigenen LANR abrechnet. Dieses Vorgehen stellt einen fundamentalen Verstoß gegen die vertragspsychotherapeutischen Pflichten dar. Der BMV-Ä stellt klar, dass abrechnungsfähige Leistungen nur solche sind, die entweder durch den Praxisinhaber oder durch einen Ange-stellten nach Erteilung einer Anstellungsgenehmigung oder durch einen rechtskonform be-stellten Vertreter erbracht werden67.

5.6 Anstellungsvertrag Im Anstellungsvertrag sollten folgende Punkte geregelt sein (s. Mustervertrag der DPtV):

§ 1 Vertragszweck § 2 Rechtsstellung des Psychotherapeuten – Weisungsgebundenheit, Fortbildung § 3 Persönliche Leistungserbringung § 4 Wirtschaftlichkeit des psychotherapeutischen Handelns § 5 Arbeitszeit, auch für Bürotätigkeiten § 6 Urlaub, Krankheit, Mutterschaft, Feiertage § 7 Gehalt, Tantiemen-Vereinbarungen, freiwillige Sonderzahlungen § 8 Versicherungen § 9 Nebentätigkeiten § 10 Vertragsdauer, Kündigung § 11 Ausschlussfristen, geltend zu machende Ansprüche § 12 Schlussbestimmungen, Schriftformerfordernis.

Im Hinblick auf die Bezahlung von Angestellten empfiehlt es sich, als Ausgangsüberlegung den möglichen Umsatz der Angestellten in Bezug zu nehmen, abzüglich der Sozialversicherungsleis-tungen des Arbeitgebers, der anteiligen Betriebskosten, der Rücklagen für die Lohnfortzahlung während Krankheit und Urlaub, etc.

Wenn ein Basisgehalt gezahlt werden soll, können die Überschüsse quartalsweise oder halbjähr-lich, jährlich oder als Bonus oder Weihnachtsgeld ausgezahlt werden. Diese Aufteilung in ein Grundgehalt und in eine zusätzliche variable Vergütung ist kein „Muss“, sondern ein „Kann“.

Von diesen leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen sind freiwillige Sonderzahlungen ab-zugrenzen, deren Gewährung der Praxisinhaber allein in sein Ermessen stellt.

Eine transparente Berechnung ist wichtig, denn die Abzüge bei einer Festanstellung sind durch-aus recht hoch und können gut 40% des umgesetzten Honorars ausmachen.

Es empfiehlt sich, diese Fragen mit seinem Steuerberater zu erörtern.

6. Job-Sharing Ist ein KV-Bezirk für eine bestimmte Arztgruppe gesperrt, ist jede weitere Zulassung für diese

Gruppe grundsätzlich ausgeschlossen. Nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB V ist das Job-Sharing jedoch als Ausnahme von dieser Regel möglich. Beim Job-Sharing teilen sich zwei Ärzte dersel-ben Fachrichtung einen Arztsitz. Dadurch besteht die Möglichkeit der gemeinsamen ärztlichen Berufsausübung in gesperrten Planungsbereichen.

Es müssen v. a. die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sein: o Approbation als PP und/oder KJP o Fachkundenachweis (VT, TP, PA) als Voraussetzung für den Arztregistereintrag,

66 S. Wald & K. Sude: Notwendige Tarif- und Statusentwicklungen in Beschäftigungsverhältnissen von PP und KJP. DPtV, Psychotherapie Aktuell, 1/14, S. 31 ff. 67 M. Plantholz: Rechtsprechungs-Report; Entziehung der Zulassung bei Leistungserbringung durch nicht registrierte Ärzte. In: Psychothera-pie Aktuell, 4. Jahrgang, Heft 1, 2012, S.47.

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o schriftlicher Antrag an den Zulassungsausschuss bei der KV mit: - Aufstellung über die seit der Approbation ausgeübten Tätigkeiten, - unterschriebenem Lebenslauf, - polizeilichem Führungszeugnis, - Erklärung über gegenwärtig bestehende Beschäftigungsverhältnisse, - Erklärung zum Nichtbestehen von Trunk- oder Rauschgiftsucht (Gründe der „Ungeeig-

netheit“ i.S. d. § 21 Ärzte-ZV), - Anerkennung einer durch den ZA festgesetzten Leistungsmengenbegrenzung

o Vorlage und Genehmigung des gemeinsamen Gesellschaftsvertrags gem. § 33 Abs.2 S.2 Ärzte-ZV bei Job-Sharing in Berufsausübungsgemeinschaft.

o Fachgebietsidentität zwischen den Partnern gem. § 47 Bedarfsplanungs-Richtlinie. Dort heißt es: „1. Gemeinsame Berufsausübung im Sinne des § 40 ist nur unter zugelassenen Psychologi-schen Psychotherapeuten einerseits oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ande-rerseits oder unter Angehörigen der beiden Berufsgruppen gemeinsam zulässig.“

o Auf das jeweilige Richtlinienverfahren kommt es dabei nicht an.

Job-Sharing-Praxen dürfen künftig mehr Leistungen anbieten. Der Gemeinsame Bundesaus-schuss (GB-A) hat im Juni 2016 die Regelungen zum Job-Sharing angepasst. Job-Sharer mit un-terdurchschnittlichem Praxisumfang können ihren Umsatz künftig stärker steigern als bisher.

Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten, die sich in einem überversorgten Planungsbe-reich einen Arztsitz teilen (Job-Sharing), durften den Leistungsumfang ihrer Praxis bisher nur um maximal 3 % der bisherigen Leistungen erhöhen.68

Diese Begrenzung soll es nach dem Beschluss des G-BA künftig nicht mehr für Praxen geben, deren Praxisumfang unterdurchschnittlich ist. a. Stattdessen können in überversorgten Planungsbereichen (nicht-psychotherapeutische) ärzt-

liche Job-Sharing-Praxen unterhalb des Fachgruppendurchschnitts ihren Umsatz künftig bis zum Fachgruppendurchschnitt steigern – also bis zur Höhe des durchschnittlichen Umsatzes, den ihre jeweilige Fachgruppe im letzten Jahr erreicht hat.

b. Für psychotherapeutische Praxen (PP, KJP, ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte) mit unterdurchschnittlichem Praxisumfang in überversorgten Planungsbereichen ist im Ge-setz eine Ausnahmeregelung hinsichtlich der Steigerungsmöglichkeiten vorgesehen. Hier darf die Steigerung nicht nur auf den Durchschnitt der eigenen Fachgruppe, sondern sogar auf den a) Fachgruppendurchschnitt zuzüglich b) 25 % angehoben werden. Diese Regelun-gen gelten nicht nur für Job-Sharing-BAG, sondern auch für Job-Sharing-Angestellte.

Gleichzeitig mit dieser Neuregelung69 wurde vom G-BA aber auch eine Sonderregelung für die Berechnung des Fachgruppendurchschnitts bei der Festlegung der Obergrenze im Job-Sharing in die Bedarfsplanungsrichtlinie (BPL-RL) eingefügt. Es soll nicht der „normale“ Fachgruppendurch-schnitt, der die abgerechneten Leistungen aller zugelassenen und angestellten Ärzte berücksich-tigt, zur Anwendung kommen. Für die Festlegung der Obergrenze im Job-Sharing wurde be-schlossen, dass bei der Ermittlung des Fachgruppendurchschnitts die (nicht-psychotherapeuti-schen) Ärzte aus Job-Sharing-Praxen nicht zu berücksichtigen sind. Es kommt also ein gesonder-ter Fachgruppendurchschnitt zur Anwendung, der extra für die Leistungsobergrenze der Psycho-therapeuten berechnet werden muss.

Diese neue Berechnungsweise des Fachgruppendurchschnitts ist also nur für die Praxen rele-vant, die bisher unterdurchschnittlich abgerechnet haben und einen Job-Sharer aufnehmen wol-len.

Für Praxen, die den (neuen) Fachgruppendurchschnitt in den letzten vier Abrechnungsquartalen vor Beginn des Job-Sharings überschritten haben, ändert sich nichts bei der Festsetzung der Leis-

68 KBV Praxisnachrichten: Jobsharing-Praxen dürfen künftig mehr Leitungen anbieten. 17.06.2016. Und

Marco Hübner: Aktueller GBA-Beschluss. Jobsharing soll für kleine Praxen reizvoller werden. Ärzte Zeitung 17.06.2016. 69 Rainer Kirchhoff: Neue Regeln für das Jobsharing. niedrsächsisches Ärzteblatt, 89. Jahrgang, Oktober 2016, S.62 ff.

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tungsobergrenze im Job-Sharing. Hier wird als Obergrenze weiterhin das Ergebnis der vier voran-gegangenen Abrechnungsbescheide zuzüglich eines Aufschlags von 3 % des Fachgruppendurch-schnitts festgesetzt.

Für bereits bestehende Job-Sharing-Praxen ist darauf hinzuweisen, dass vom ZA keine automa-tische Anpassung der Obergrenze an die neuen Regelungen vorgenommen werden kann. Viel-mehr wurde die Regelung eingefügt, dass eine Neufestsetzung beantrag werden kann, wenn eine Änderung der BPL-RL spürbare Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen haben. Diese Re-gelung soll Job-Sharern die Möglichkeit geben, aufgrund der jetzt beschlossenen Änderungen bei der Berechnung der Obergrenzen für das Job-Sharing eine Änderung der Obergrenzen beim ZA zu beantragen. Wir empfehlen in diesem Fall, vor einer Antragstellung bei der KV nachzufragen, ob durch die geänderte Berechnungsweise des Fachgruppendurchschnitts für die bereits beste-hende Job-Sharing-Praxis tatsächlich eine Besserung eintritt.

Zu kritisieren ist70, dass nur unterhalb des Fachgruppendurchschnitts tätige Psychotherapeuten die Möglichkeit bekommen, über den Fachgruppendurchschnitt zu wachsen. Benachteiligt sind also die Praxen, die bei Antragstellung über dem Fachgruppendurchschnitt liegen und daher den 25 %-Zuschlag nicht erreichen.

Bei außergewöhnlichen Entwicklungen im Vorjahr (wie z.B. Krankheit) bleiben die betroffenen Quartale bei der Berechnung der Punktzahlobergrenze außer Betracht und es werden vorherige Quartale (neu) zur Berechnung herangezogen.

Die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung (neu) darf künftig (im Sinne des § 7 Pflegezeitgesetzes) nicht zu einer Benachteiligung in der Festlegung der Ober-grenze führen.

Die Obergrenzen können zukünftig als Punktzahl-Obergrenze oder (neu) als Euro-Obergrenze festgelegt werden.

Für Antragsteller mit einem hälftigen Versorgungsauftrag wird der halbe nach § 43 Abs. 2 berechnete Wert als Obergrenze festgelegt (neu).

Der G-BA setzt mit dieser Neuregelung in der Bedarfsplanungs-Richtlinie einen gesetzlichen Auf-trag aus dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz um (§ 101 Abs. 1 Nr. 6 SGB V). Hintergrund ist die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Demzufolge haben Vertragsärzte mit unter-durchschnittlichem Leistungsumfang die Möglichkeit, ihren Praxisumfang auf den Durchschnitt ihrer Fachgruppe zu steigern. Dies müsse deshalb auch Job-Sharern möglich sein.

Zudem hat der G-BA im Zuge der Überarbeitung der Regelungen zum Job-Sharing einige redakti-onelle Änderungen vorgenommen. So wird beispielsweise festgelegt, dass Job-Sharing-Verhält-nisse künftig bundesweit einheitlich am Quartalsanfang beginnen. Dadurch kann die Ermittlung der Obergrenze, bis zu der eine Job-Sharing-Praxis ihren Umsatz steigern kann, auf quartalsbezo-genen Abrechnungsdaten beruhen.

Viele KVen haben festgelegt, dass eine Job-Sharing-Praxis wie zwei getrennte Versorgungsaufträ-ge zu behandeln ist. Dies hätte zur Folge, dass die Strukturzuschläge nicht mehr zu erreichen wä-ren, da die Leistungen beider Partner nicht saldiert (s. 3.3) werden könnten. Die KVN sieht dies nicht so: Frau Kutschke aus der Honorarabteilung der KVN teilte hierzu in einer mail mit: „In Nie-dersachsen betrachten wir zurzeit Leistungen von Job-Sharern und anstellenden Ärzten/Therapeu-ten als einen Versorgungsauftrag, auch in Bezug auf die Zuschläge“.

Der G-BA wird verpflichtet, die Auswirkungen der neuen Regelung innerhalb von 18 Monaten nach ihrem Inkrafttreten zu evaluieren und auf Grundlage der Ergebnisse die Erforderlichkeit ei-ner Anpassung der Regelung zu beraten.

70 Erweiterung der Obergrenzen im Jobsharing. In: Sonderbeilage zum Bundesmitgliederbrief 2/2016 der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung (DPtV), Juni 2016.

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Es gibt zwei Varianten des Job-Sharing: 1. Bei einer Job-Sharing-BAG teilen sich die Ärzte als gleichberechtigte Partner einer Berufsaus- übungsgemeinschaft (BAG) einen Arztsitz. 2. Bei einer Job-Sharing-Anstellung stellt der Praxisinhaber einen Arzt an.

6.1 Job-Sharing-BAG (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V):

Bei dieser Variante erhält der hinzukommende Arzt eine Zulassung mit eigener lebenslanger Arztnummer (LANR). Sie gilt nur, wenn der hinzukommende Arzt (Juniorpartner) und der aufnehmende Arzt (Seniorpartner) gemeinsam ärztlich tätig sind. Der Juniorpartner erhält durch den ZA eine Zulassung, die in ihrem Bestand an die des Seniors gebunden ist („vinku-lierte Zulassung“) (§ 33 Abs.3 Ärzte-ZV). Sie ist auf die Dauer der gemeinsamen Tätigkeit be-grenzt und endet, wenn die BAG aufgelöst wird.

Der Juniorpartner wird als gleichberechtigter Partner in die BAG, die dafür neu gegründet oder erweitert wird, aufgenommen. Er ist nicht nur für seine ärztliche Tätigkeit gemäß dem Berufsrecht verantwortlich, sondern wie alle anderen BAG-Mitglieder auch für wirtschaftli-che Fragen. Er wird namentlich auf dem Praxisschild und dem Abrechnungsstempel aufge-führt.

Bei einer Job-Sharing-BAG prüft der Justiziar der KV an Hand des Job-Sharing-Vertrags u. a., ob der Partner nicht Scheinselbständiger im Sinne des § 7 SGB V ist (s. 4.4). Wenn der Ver-trag in Ordnung ist, wird er vom ZA genehmigt.

Der Antragsteller verpflichtet sich, dem ZA die Aufnahme oder Änderung eines Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisses umgehend mitzuteilen. Dies gilt auch, wenn sich ein bestehen-des Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis seinem zeitlichen Umfang oder der Art der Tätig-keit nach wesentlich ändert.

Eine Nebentätigkeit (s. 7.1) im Umfang einer halben Vollzeitbeschäftigung ist unschädlich. Die Zulassung wird daher unter der Bedingung erteilt, dass das bestehende Beschäftigungs-verhältnis, also die Nebentätigkeit, auf maximal 26 Wochenstunden beschränkt bleibt.

Der ZA legt auf der Grundlage der vorausgegangenen vier von der KV abgerechneten Quar-tale des Seniorpartners ein „quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen“ als Leistungs-begrenzung fest.

Bei erst kurzer Tätigkeit seit Praxisgründung oder nachgewiesener Kindererziehungszeit gilt der Fachgruppendurchschnitt.

Die verbindliche Feststellung der Leistungsobergrenze durch den ZA geht beim Praxis-Budget zu Lasten beider Job-Sharing-Partner. Dieses Gesamtpunktzahlvolumen zur Beschränkung des Praxisumfangs folgt der Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts durch Festlegung ei-nes Anpassungsfaktors. Durch Multiplikation des jeweiligen Anpassungsfaktors mit dem Fachgruppendurchschnitt ergibt sich die quartalsbezogene Obergrenze für die Praxis. Der Anpassungsfaktor wird im 1. Leistungsjahr von der KV errechnet. Ab dem 2. Leistungsjahr verändert sich der Anpassungsfaktor in Abhängigkeit vom Fachgruppendurchschnitt. Gem. § 23 f Bedarfsplanungs-Richtlinie teilt die KV die für die Job-Sharing-BAG verbindlichen An-passungsfaktoren mit. Wenn diese Mitteilung nicht erfolgt, muss sie von der KV erfragt wer-den.

Nach § 101 Abs.1 S.1 Nr.4 SGB V setzt die Genehmigung von Job-Sharing durch den ZA voraus, dass sich die Partner der Gemeinschaftspraxis gegenüber dem Zulassungsausschuss zu dieser Leistungsbegrenzung (gedeckeltes Budget) verpflichten.

Die Leistungsbegrenzung wird vom ZA in der Regel in einem gesonderten Bescheid festge-setzt, der später ergeht als die Zulassung im Wege des Job-Sharing. Im Rahmen des Zulas-sungsverfahrens müssen sich die Partner daher schon vorher verpflichten, die Leistungsbe-grenzung des ZA anzuerkennen.

Wenn die Leistungsobergrenze überschritten wird, nimmt die KV in der Regel zunächst eine „sachlich-rechnerische Berichtigung“ vor und kürzt das Honorar. Streitig ist derzeit, ob bei

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wiederholter Überschreitung der Obergrenze auch ein Disziplinarverfahren oder gar der Widerruf der vinkulierten Zulassung möglich ist.

KVen, Kassen oder Vertragspsychotherapeuten können beantragen, dass die Leistungs-begrenzung neu zu bestimmen ist, wenn Änderungen des EBM eingetreten sind, die für das Gebiet der Arztgruppe maßgeblich sind.

Die KV hat die Anpassung an die Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts jährlich vorzu-nehmen, wobei es bei dieser Anpassung nur zu einer Erhöhung der Leistungsmengenbegren-zung, nicht aber zu einer Absenkung der anerkannten Begrenzung kommen darf.

Wurde die Leistungsbegrenzung durch die KV nicht korrekt festgelegt, handelt es sich um einen fehlerhaften Verwaltungsakt, der nach § 44 Abs.2 S.2 SGB X zurückgenommen werden müsste71.

Eine Rechtsfolge des Job-Sharing ist die Privilegierung im Rahmen der Nachfolgezulassung. Im Falle der Praxisfortführung nach § 103 Abs. 4 ist bei der Auswahl der Bewerber die ge-meinschaftliche Praxisausübung allerdings erst nach mindestens fünfjähriger gemeinsamer vertragsärztlicher Tätigkeit zu berücksichtigen (§ 101 Abs. 3 SGB V). (Nach Ansicht einiger Ju-risten ist die gemeinschaftliche Praxisausübung aber schon nach kürzerer Zusammenarbeit berücksichtigungsfähig, weil die Anstellung im Job-Sharing nach dem Gesetz nicht erst nach fünfjähriger Anstellung zu berücksichtigen ist). Nach 10 Jahren entfällt die Leistungsbe-schränkung (vinkulierte Zulassung) bei einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis. Ein neuer, dauerhaft bestehender Vertragspsychotherapeutensitz entsteht („automatische Vollzulas-sung nach 10 Jahren“). Der Juniorpartner kann danach also - auch im gesperrten Bezirk - un-beschränkt weiterarbeiten.

Eine beliebte „Konstruktion“ („Oldenburger Modell“) sieht folgendermaßen aus: der Junior-partner zahlt an den Seniorpartner zum Einstieg in die Job-Sharing-Tätigkeit bei ihm (einmalig oder in Raten) 10.000.- €. Dafür kann der Juniorpartner in der Praxis des Seniorpartners bis zu 10 Jahren psychotherapeutisch tätig sein. In welchem Umfang dies der Fall ist, wird zwi-schen den beiden intern vertraglich geregelt. Sie achten lediglich darauf, dass das der Praxis zur Verfügung stehende Budget nicht überschritten wird. Nach 5 Jahren hat der Junior-partner beim Kauf einer eigenen psychotherapeutischen Praxis deutliche Vorteile gegenüber Mitbewerbern im ZA. Nach 10-jähriger psychotherapeutischer Tätigkeit in einer Job-Sharing-BAG erstarkt seine vinkulierte Zulassung zu einer vollen Zulassung, d.h., der Junior-partner erhält jetzt einen vollumfänglichen neuen Praxissitz am Ort seiner bisherigen Tätig-keit - kostenlos.

Wird während der Job-Sharing-Zeit das Versorgungsgebiet entsperrt (wenn die Maßzahl in der Bedarfsplanung unter 110 % fällt), entfällt die Beschränkung des Job-Sharing-Partners. Beide Leistungserbringer (Senior und Junior) sind nach einer „partiellen Entsperrung“ voll-umfänglich zugelassen. Der Job-Sharing-Junior-Partner behält seine Vollzulassung selbst bei erneuter Sperrung des Bezirks. Soweit die jeweiligen Landesausschüsse Planungsbereiche „entsperren“, erstarken entsprechend der Bedarfsplanungs-Richtlinie zunächst die Zulassun-gen derjenigen PP und KJP automatisch und ohne Antrag zur vollwertigen Zulassung, die bisher in einer Job-Sharing-BAG gearbeitet haben. Danach werden Job-Sharing-Angestellte (nach Dauer ihrer Anstellung) entsprechend begünstigt. Es gilt das Prinzip „solange der Vor-rat reicht“ (s. 10.2). Job-Sharing kann sich also v.a. dann anbieten, wenn Anzeichen dafür-sprechen, dass das Planungsgebiet in Kürze entsperrt werden könnte72.

6.2 Job-Sharing-Anstellung (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V):

Bei dieser Variante stellt der Praxisinhaber einen Arzt an. Der anzustellende Arzt erhält keine eigene Zulassung, also auch keine eigene LANR.

71 M. Stellpflug: Jobsharing. MHP 49. Aktualisierung, Februar 2012, 1140, S. 11. 72 Die neue Bedarfsplanung, „Das Vergabeverfahren“. In: 4. Bundesmitgliederbrief 2012, Dezember 2012, S. 5.

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Die Verantwortung für die Praxis obliegt ausschließlich dem Praxisinhaber. Dieser schließt mit dem angestellten Arzt einen schriftlichen Anstellungsvertrag ab, in dem die konkreten Arbeitszeiten festgelegt werden. Die Job-Sharing-Anstellung bedeutet also die Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses zwischen zugelassenem und ange-stelltem Vertragspsychotherapeuten.

Im Unterschied zum BAG-Job-Sharing bedeutet Angestellten-Job-Sharing für den Angestell-ten - abhängige Stellung, - Vorhandensein von Weisungsrechten des anstellenden Arbeitgebers gegenüber dem An-

gestellten, - keine Beteiligung am Kapital der Gesellschaft, - keine Geschäftsführungsbefugnis, - kein Direktionsrecht gegenüber dem Personal und - kein unternehmerisches Risiko.

Nach § 32b Abs.2 Ärzte-ZV ist die vorherige Genehmigung durch den ZA erforderlich. Der Senior-Partner kann in seiner Praxis mit Genehmigung des ZA einen ganztags beschäftigten Psychotherapeuten oder bis zu zwei halbtags beschäftigte Psychotherapeuten als angestellte Psychotherapeuten gem. § 32 b Ärzte-ZV aufnehmen, wenn folgende Voraussetzungen er-füllt sind: - Antrag des Vertragspsychotherapeuten an den ZA nach Maßgabe der Voraussetzungen

des § 32 b Ärzte-ZV, - Verpflichtungserklärung des anstellenden und anzustellenden Vertragspsychotherapeu-

ten, durch die sie eine Leistungsbeschränkung, welche der ZA bei der Genehmigung fest-zusetzen hat, anerkennen,

- Vorlage des schriftlichen Anstellungsvertrages, - Übereinstimmende Fachgebiete (Fachgebietsidentität) des anstellenden und des zu be-

schäftigenden Vertragspsychotherapeuten.

Da die Anstellung keine vinkulierte Zulassung erbringt, kann die Position auch nicht durch Zeitablauf (von 10 Jahren) zur Vollzulassung erstarken.

Trotz der Nachteile, die das Angestellten-Job-Sharing gegenüber dem BAG-Job-Sharing hat, gibt es unter bestimmten Konstellationen Vorteile dieser Kooperationsform. Aus wirtschaft-lichen, insbesondere steuerlichen Erwägungen kann es sinnvoll sein, den Ehepartner als Job-Sharing-Angestellten zu beschäftigen, da das dem Ehepartner als Angestelltem zu zahlende Entgelt als Praxisausgabe steuerlich absetzbar ist und dies beiden Ehepartnern daher wirt-schaftlich gesehen wieder zufließt.

Außerdem kann ein Psychotherapeut mit einem halben Praxissitz daneben als Job-Sharing-Partner psychotherapeutisch tätig sein73, wenn das Job-Sharing-Verhältnis eine Job-Sharing-Anstellung, nicht jedoch eine Job-Sharing-BAG ist. Der Grund dafür ist der, dass im BAG-Job-Sharing in etwa so viel wie der volle Versorgungsauftrag vom Deckel her umfasst ist. Da näm-lich das Binnenverhältnis zwischen BAG-Job-Sharer und Praxisinhaber beliebig ist, kann der BAG-Job-Sharer je nach Vereinbarung mit dem Praxisinhaber in entsprechendem Umfang tä-tig werden. Er müsste vielleicht sogar seinen Anteil drastisch erhöhen, wenn der Praxisinha-ber plötzlich erkrankte. Dann gäbe es eine Kollision mit dem zu versorgenden halben Praxis-sitz. Da im Angestellten-Job-Sharing der Umfang der Tätigkeit des Job-Sharers aber vertrag-lich geregelt ist, besteht die Gefahr der Kollision hier nicht. In diesem Fall kann also das An-gestellten-Job-Sharing von Vorteil gegenüber dem BAG-Job-Sharing sein.

Auch zum Angestellten-Job-Sharing gibt es im MHP-Artikel von Stellpflug oder bei der DPtV einen Mustervertrag74. Aber: Auch wenn es Musterverträge75 zum Job-Sharing gibt, wird doch die Hinzuziehung eines Fachanwalts für Medizinrecht empfohlen.

73 Vergleiche hierzu die persönliche juristische Expertise der Kanzlei Rüping & Kollegen vom 21.10.2011. 74 M. Stellpflug: Jobsharing. MHP 49. Aktualisierung, Februar 2012, 1140, S. 42 ff.

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7. Nebentätigkeit76

7.1 Rechtlicher Rahmen Maßgebliche Vorschrift für die Nebentätigkeit ist § 20 Ärzte-ZV.

a) § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV zielt auf eine zeitliche Beschränkung der weiteren Tätigkeit neben der ver-

tragspsychotherapeutischen Praxis. Danach ist für die Ausübung vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit nicht geeignet, wer „unter Berücksichtigung der Dauer und zeitlichen Lage der anderweitigen Tätigkeit den Versicher-ten nicht in dem seinem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung steht und insbesondere nicht in der Lage ist, Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Ver-sorgung üblichen Zeiten anzubieten“. o § 17 Abs. 1a BMV-Ä legt fest, dass der sich aus der Zulassung ergebende ganze Versorgungs-

auftrag dadurch zu erfüllen ist, dass der Vertragsarzt an seinem Vertragsarztsitz „persönlich mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung steht“.

o 20 Sprechstunden entsprechen etwa 17 Therapiestunden. Für einen halben Versorgungsauf-trag sind dies entsprechend 10 Stunden wöchentlich.

o Der hälftige Versorgungsauftrag darf nicht nur nachmittags oder an Abendstunden wahrge-nommen werden. Der Bewerber um einen hälftigen Versorgungsauftrag ist für den Fall wei-terer Tätigkeiten gut beraten, dem ZA zu erläutern, wie er seinen Versorgungsauftrag zu er-füllen gedenkt.

o Der Arzt muss jedoch seinen Patienten nicht nur in einem dem Versorgungsauftrag entspre-chenden Umfang zur Verfügung stehen und seine Sprechstunden zu in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten abhalten77. Das BSG fordert diesbezüglich, dass die Zeiten der Praxistätigkeit den Bedürfnissen der Patienten Rechnung tragen.

b) § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV enthält eine inhaltliche Dimension: „Für die Ausübung vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit ebenfalls nicht geeignet ist, wer eine therapeutische Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragspsycho-therapeuten an seinem Sitz nicht zu vereinbaren ist“. Hier geht es also um die Vermeidung von Interessenkollisionen. o Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 20 Abs. 2 S. 1 Ärzte-ZV ist klar, dass nur eine psy-

chotherapeutische Tätigkeit mit einer vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit kollidieren kann. Bezieht sich also die weitere Tätigkeit nicht auf eine Form der psychotherapeutischen Berufsausübung, gelten für sie nur die zeitlichen Grenzen und eine Interessenkollision ist ausgeschlossen.

o Interessenkollisionen sind anzunehmen, wenn sich die anderweitige psychotherapeutische Tätigkeit und die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit vermischen können und sich dies zum Nachteil der Versicherten v.a. wegen des Rechts auf freie Behandlerwahl auswirken kann. Das BSG lässt dabei eine abstrakte Gefährdungslage ausreichen. Diese besteht nicht, wenn die weitere Tätigkeit keinen unmittelbaren Patientenbezug aufweist (z.B. bei Gutach-ter- oder Forschungstätigkeit).

o Eindeutig ist, dass seit dem VÄndG Tätigkeiten in Kooperation mit einem zugelassenen Kran-kenhaus (nicht: Privatklinik) oder einer Reha-Einrichtung vereinbar sind.

o Die Tätigkeit für eine psychotherapeutische Beratungsstelle löst jedoch grundsätzlich eine In-teressenkollision aus.

o Natürlich gelten die inhaltlichen Schranken zur Vermeidung einer Interessenkollision auch im Fall eines halben Praxissitzes.

75 Siehe M. Stellpflug: Jobsharing. MHP 49. Aktualisierung, Februar 2012, 1140, S. 20 ff. 76 Siehe hierzu den Artikel „Zulässigkeit von Nebentätigkeiten neben der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit“ von Markus Plantholz in

„Psychotherapie Aktuell“, Zeitschrift der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), 3. Jahrgang, Heft 2, 2011, S. 34 ff. 77 Regeln für Praxis-Sprechzeiten werden gelockert. Ärzte Zeitung, 18.10.2011, S. 20.

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o „Geeignet“, „in erforderlichem Maße“ und „zu vereinbaren“ sind unbestimmte Rechtsbegrif-fe, die der Auslegung bedürfen. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, konkrete Vorgaben zu machen.

8. Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind Einrichtungen, in denen Ärzte und/oder Psychothe-

rapeuten als Angestellte oder als freiberufliche Vertragspsychotherapeuten bzw. Vertragsärzte tätig sind.

Neben der früher geforderten ausschließlichen ärztlichen Leitung eines MVZ war seit dem 01.01.2007 (VÄndG) eine kooperative Leitung von Arzt und Psychotherapeut gemeinsam mög-lich.

Bis 2015 waren MVZ (gem. § 95 Abs.1 Satz 2 SGB V) von Ärzten oder Kooperationspartnern (z.B. Arzt und Psychotherapeut gemeinsam) geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte und Psychothe-rapeuten fachübergreifend78 (s. aber 8.3) gleichberechtigt tätig waren.

Sie sollten o die interdisziplinäre Zusammenarbeit, o die strukturierte Verzahnung mehrerer Fachgebiete, o eine optimale, patientenorientierte Versorgung „Hand in Hand“ und o jungen Ärzten bzw. Psychotherapeuten den Einstieg in die Patienten-Versorgung ohne

finanzielles Risiko einer Praxisgründung ermöglichen.

Nach dem im Jahre 2015 in Kraft getretenen Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VSG) sind jetzt auch reine Psychotherapeuten-MVZs möglich79.

Bisher mussten MVZ fachübergreifend zusammengesetzt sein, wobei eine ärztliche Leitung vor-geschrieben war. Das Gesetz sieht nun auch fachgleiche MVZs vor (s. 8.3).

Erhält das kontinuierliche MVZ-Wachstum durch neue rechtliche Hürden einen Dämpfer?80 Nicht zwingend. Die Rechtsform der GmbH lässt MVZ noch einigen Spielraum. Seit der Gesetzgeber 2004 Medizinische Versorgungszentren (MVZ) als neue ärztliche Kooperationsform eingeführt hat, verzeichnen sie stetigen Zuwachs: Ende 2014 - neuere Zahlen liegen nicht vor - meldete die Kassenärztliche Bundesvereinigung 2073 MVZ mit einer durchschnittlichen Größe von 6,5 Ärzten. Die anhaltend sich abschwächende Bereitschaft des medizinischen Nachwuchses, sich frühzeitig selbstständig zu machen, hat den MVZ überproportional Zulauf gebracht. Obgleich Ende 2014 von den bundesweit mehr als 26.000 angestellten Ärzten im ambulanten Sektor nur knapp die Hälfte in MVZ arbeiteten, fällt die "Anstellungsdynamik" nach Einschätzung von Branchenken-nern wie dem Rechtsanwalt und Medizinrechtler Dr. Lars Lindenau aus Erlangen, hier doch deut-lich höher aus als etwa in Berufsausübungsgemeinschaften. Und die KBV meldet: "Die Anzahl der angestellten Ärzte in MVZ steigt seit 2005 stärker an als die Zahl der in MVZ tätigen Vertrags-ärzte." MVZ in Klinik-Trägerschaft arbeiteten sogar fast ausschließlich mit angestellten Ärzten.

GmbHs beliebt bei MVZ-Gründung. Darunter dürften auch mehrere hundert klassische Berufs-ausübungsgemeinschaften liegen, die sich in ein MVZ oder in eine MVZ-GmbH umwandeln. Ins-besondere diese Gesellschaftsform verspricht nach Ansicht Lindenaus kooperativ organisierten Ärzten etliche Vorteile. Schon jetzt ist die GmbH aller standespolitischen Skepsis gegenüber Kapi-talgesellschaften zum Trotz die unter MVZ dominierende Rechtsform. Ende 2014 firmierten laut KBV-Statistik 1278 MVZ als GmbH. Lindenau kennt sowohl harte als auch weiche Fakten, die für die GmbH sprechen und daher auch Gemeinschaftspraxen zur Umfirmierung locken könnten. So etwa seien die Beteiligten in einer GmbH, Gesellschafter und Angestellte, unter Umständen "viel strikter voneinander getrennt als in einer reinen Partnergemeinschaft ohne Angestellte, in der viele Gesellschafter zusammenarbeiten". Auch sei eine MVZ-GmbH auf Dauer stabiler, weil ein

78 Für die Arztgruppe der Psychotherapeuten ist ausdrücklich im Gesetz geregelt, dass dem Merkmal „fachübergreifend“ nicht Genüge getan ist, wenn nur Ärzte oder Psychotherapeuten der psychotherapeutischen Arztgruppe an einem MVZ beteiligt sind (§ 95 Abs. 1 S. 3 SGB V). 79 Reine Psychotherapeuten-MVZs sind zukünftig möglich. DPtV Bundesmitgliederbrief 1.2015, S. 6. 80 Christoph Winnat: MVZ-Expansion. Gibt es noch einen Weg am Zulassungsausschuss vorbei? Ärzte Zeitung, 06.07.2016.

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ausscheidender Partner - anders als bei einer MVZ-GbR - seine Zulassung nicht wieder mitnimmt; Anteilseigner-Fluktuation bedeutet in der GmbH eben nicht unmittelbar Arztsitz-Schwund. Dar-über hinaus kann die MVZ-GmbH auch Exit-Vorteile für sich verbuchen. Da vordergründig nur Gesellschaftsanteile und nicht Arztsitze veräußert werden, erlaubt die GmbH-Form eine Praxis-Abgabe am Zulassungsausschuss vorbei.

MVZ - und jetzt auch fachgleiche MVZ - lassen sich bereits mit wenigstens zwei Teilzulassungen gründen. Damit wäre im Verkauf einer MVZ-GmbH auch eine Option zu sehen, die aktuell vom Bundessozialgericht errichtete Expansionshürde zu umschiffen: Statt Arztsitze per Anstellung zu übernehmen könnten MVZ künftig gleich mittels Akquise ganzer MVZ wachsen.

Neue Regeln zur Einbringung von Vertragsarztsitzen. Zur Erinnerung: Anfang Mai sorgte das BSG mit einem knappen Hinweis in einem Terminbericht bezüglich des Einbringens von Vertragsarzt-sitzen in MVZ via Anstellung für Aufregung in der Branche. Wörtlich heißt es dort (Az.: B 6 KA 21/15 R): "Die zu fordernde Absicht des (ehemaligen) Vertragsarztes, im MVZ tätig zu werden, wird sich - wie der Senat für die Zukunft klarstellt - grundsätzlich auf eine Tätigkeitsdauer im MVZ von drei Jahren beziehen müssen, wobei die schrittweise Reduzierung des Tätigkeitsumfangs um 1/4 Stelle in Abständen von einem Jahr unschädlich ist." Für MVZ ist mit dieser Rechtsprechung nicht nur ein bislang üblicher Weg, Arztsitze zu gewinnen, drastisch erschwert worden.

Denn in einem zweiten, weit weniger stark beachteten Urteil (Az.: B 6 KA 28/15 R) gibt das BSG gleichzeitig die bisherige Übung auf, dass "Viertel-Arztstellen in einem MVZ unbegrenzt offenge-halten werden dürfen". Stattdessen soll ein MVZ künftig sein Nachbesetzungsrecht für eine Vier-tel-Stelle verlieren, wenn es "über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr überhaupt keine ernsthaften und aussichtsreichen Bemühungen zur Nachbesetzung" der Teilstelle unternimmt. Bisher galt eine Nachbesetzungsfrist - je ein halbes Jahr - nur für volle, dreiviertel und halbe Stel-len. Zusammen mit dem zuvor angeführten Urteil ergeben sich für MVZ neue Herausforderun-gen: Bringt ein Arzt seinen Sitz in eine Vollzeitanstellung in ein MVZ ein und reduziert ihn, wie vom BSG erlaubt, jährlich um eine Viertel-Stelle, so muss das MVZ zusehen, die frei werdenden Viertel zügig nachzubesetzen. Andernfalls riskiert es, am Ende der Dreijahres-Frist nur noch das verbleibende Viertel des einst vollen Sitzes nachbesetzen zu können - während die anderen Vier-tel mangels Nutzung verpufft sind. Das Nachbesetzungsmanagement wird also ebenfalls an-spruchsvoller.

8.1 Drei Grundkonstellationen eines MVZ Für ein MVZ sind 3 Grundkonstellationen81 denkbar: a. Freiberufler-Variante: Das MVZ arbeitet ausschließlich mit Vertragsärzten und Vertrags-

psychotherapeuten. Sie bringen ihre Zulassung (quasi als „Morgengabe“) in das MVZ ein, die während der Zeit der Tätigkeit ruht. Möchten die Psychotherapeuten ihre Tätigkeit im MVZ be-enden, können sie ihre Zulassung wieder aus dem MVZ herauslösen und wieder als Vertragspsy-chotherapeut in eigener Praxis tätig sein.

b. Angestellten-Variante: Das MVZ arbeitet ausschließlich mit angestellten Ärzten und Psychothe-rapeuten. In einem solchen MVZ, in dem ausschließlich angestellte Ärzte und Psychotherapeuten arbeiten, muss das MVZ Inhaber der Vertragsarztsitze sein. Das MVZ kann im Nachbesetzungs-verfahren Vertragsarztsitze übernehmen oder mitarbeitende Vertragsärzte oder Vertragspsycho-therapeuten übertragen ihre Vertragsarztsitze dem MVZ. Der Vorteil für das MVZ liegt auf der Hand. Die Nachbesetzung einer Angestelltenstelle ist ohne ein formales Ausschreibungsverfah-ren möglich, ein Vertragsarztsitz kann durch mehrere Angestellte besetzt werden. Für die Anstel-lung der Ärzte und Psychotherapeuten gelten die üblichen Voraussetzungen: sie ist vom ZA zu genehmigen. Wer angestellt in einem MVZ tätig war, konnte bis Ende 2006 nach 5 Jahren die Zu-lassung in eben diesem Planungsbezirk unbeachtet bestehender Zulassungsbegrenzungen erhal-ten. Diese Möglichkeit ist seit dem 01.01.2007 entfallen.

81 Medizinische Versorgungszentren (MVZ), in: Titel Publikationsart der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), Stand: 10/2015.

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c. Misch-Variante: Das MVZ arbeitet sowohl mit Vertragsärzten und Vertragspsychotherapeuten als auch mit angestellten Ärzten und angestellten Psychotherapeuten. Mit dieser Mischvariante kön-nen MVZ, Ärzte und Psychotherapeuten die Vor- und Nachteile der obigen Varianten individuell ausgleichen. So kann ein Vertragspsychotherapeut seinen Psychotherapeutensitz in ein MVZ ein-bringen, um die letzten Jahre seiner Berufstätigkeit dort noch in Teilzeit angestellt tätig zu sein, während ein anderer Kollege die Tätigkeit im MVZ prüfen und sich die Option offenhalten möch-te, eventuell noch einmal in eine eigene Praxis zurückzukehren. Seit dem 01.01.2007 ist es dar-über hinaus auch möglich, mit einer halben Anstellung in einem MVZ tätig zu sein bzw. dem MVZ eine Teilzulassung zu übertragen und gleichzeitig mit der anderen Zulassung weiterhin am bishe-rigen (halben) Praxissitz tätig zu sein.

8.2 Das MVZ nach Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes (GKV-VStG) Nach dem GKV-VStG wurde die Gründung von MVZ eingeschränkt82.

o Zum einen wurde vorgeschrieben, dass der ärztliche Leiter selbst im MVZ als angestellter Arzt oder Vertragsarzt tätig sein muss und in medizinischen Fragen keinen Weisungen unter-liegen darf.

o Ferner wurde der Betrieb in Form einer Aktiengesellschaft untersagt. o Erlaubt sind nur noch Personengesellschaften, die GmbH, die Genossenschaft – und nicht-

ärztliche Dialysezentren. Begründet hat der Gesetzgeber diese Einschränkungen mit Erfah-rungen der letzten Jahre, wonach MVZ besonders in den kapitalintensiven Bereichen wie Labormedizin immer häufiger von Investoren gegründet worden sind, die keinen fachlichen Bezug zur medizinischen Versorgung hatten. Sie verfolgten allein Kapitalinteressen.

Seit Anfang 2012 können die Arztstellen zur Beschäftigung von Angestellten im MVZ wieder in freiberufliche Zulassungen rückumgewandelt werden. Wenn also das MVZ nicht floriert oder man eine Arztstelle im MVZ nicht mehr benötigt, so kann auf Antrag des MVZ o entweder die Arztstelle zur Nachbesetzung durch einen Freiberufler ausgeschrieben werden o oder aber der bisher angestellte Arzt, wenn er in vollem oder hälftigem Umfang tätig war,

kann die Arztstelle als Zulassung übernehmen. Diese „Rückumwandlung“ wird inzwischen von den ZA genehmigt. Der sich bewerbende Arzt oder aber der in Freiberuflichkeit wechselnde Angestellte wird häufig bereit sein, für die Über-nahme von Geräten oder für die Übernahme des Patientenstamms einen Kaufpreis an das MVZ zu zahlen83.

8.3 Das MVZ nach Inkrafttreten des Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG)84

Bis zum Inkrafttreten des GKV-VSG 2015 waren MVZ als fachübergreifende ärztlich gelei-tete Einrichtungen definiert, in denen Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der ärztliche Leiter muss in dem MVZ selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein. Er ist in medizinischen Fragen weisungs-frei.

Durch das GKV-VSG ist nun die Gründungsvoraussetzung der „fachübergreifenden“ Ein-richtung entfallen. In der Folge reicht es demnach aus, wenn KJP mit PP, PP und ärztliche Psychotherapeuten oder auch nur KJP oder PP miteinander im MVZ arbeiten. Es spielt auch keine Rolle, welche Fachkunde die im MVZ tätigen Psychotherapeuten haben.

Streitig ist, wie viele Psychotherapeuten oder Ärzte in einem MVZ tätig sein müssen, damit die Gründungsvoraussetzungen erfüllt sind. Es wird diskutiert, ob es ausreicht, wenn ein einzelner Arzt im MVZ tätig ist („Mono-MVZ“). In § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V wird aber der Plural gebraucht. Die Verwendung des Plurals indiziert, dass wenigstens 2 Per-sonen tätig sein müssen, die in das Arztregister eingetragen sind. Im Ergebnis wird man

82 Ärzte Zeitung: Neue Regeln für Versorgungszentren – Schutz vor Kapitalisten. 22.12.2011, S. 8. 83 I. Pflugmacher: MVZ-Gründung: Halbe Arztstellen reichen. Gastbeitrag in Ärzte Zeitung, 04.05.2012. 84 M. Plantholz: MVZ - eine Alternative für Psychotherapeuten? Psychotherapie Aktuell, 8. Jahrgang / Heft 1.2016, S. 38 ff.

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festhalten können, dass es mindestens 2 „halbe Sitze“ braucht, um ein MVZ gründen zu können.

Bei der Gründung eines MVZ sind Vertragspsychotherapeuten gemäß der Entspre-chungsklausel des § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V wie Vertragsärzte zu behandeln. Für Irritatio-nen hat deshalb zunächst eine Verlautbarung der KV Westfalen-Lippe gesorgt, wonach Vertragspsychotherapeuten ein MVZ zwar leiten, aber nicht gründen könnten. Das ist falsch, was diese KV inzwischen auch eingestanden hat. Neu ist nun, dass auch Kommu-nen MVZ gründen können.

Es braucht eine ärztliche Leitung, heißt es im Gesetz. Schon bisher war zwar anerkannt, dass PP in eine kooperative fachliche Leitung eingebunden werden konnten, wenn das MVZ auch zur psychotherapeutischen Versorgung zugelassen war. Es versteht sich aber nach Plantholz, dass die Leitung in einem MVZ, das nicht fachübergreifend, sondern al-leine auf dem Gebiet der Psychotherapie tätig ist, auch alleine durch PP übernommen werden kann. Allerdings untersagen die ärztlichen Berufsordnungen, dass Ärzte hinsicht-lich ihrer ärztlichen Entscheidungen Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen. Es könnte sein, dass der eine oder andere ZA deshalb Bedenken gegen die Bestellung eines PP als Leitung eines MVZ äußert, in dem auch ärztliche Psychotherapeuten tätig sind. Solche Bedenken tragen aber nach Plantholz nicht, da die Weisungsfreiheit im originären Bereich der Berufsausübung prägendes Merkmal sowohl für den ärztlichen als auch für den psychotherapeutischen Beruf ist. So geht die gesetzliche Regelung der nur satzungs-rechtlichen Regelung der ärztlichen Berufsordnung vor.

In der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber hierzu präzisierend klargestellt: „Bei rein psy-chotherapeutischen Versorgungszentren kann damit ärztlicher Leiter i.S. des § 95 Absatz 1 Satz 3 auch ein Psychologischer Psychotherapeut sein, soweit kein psychotherapeutisch tätiger Arzt be-schäftigt wird. Entsprechendes gilt für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten“. Man wollte sich offensichtlich nicht durchringen, die psychotherapeutische Leitung gleich in den Gesetzes-text zu schreiben.

Von einiger Bedeutung dürfte sein, dass ein MVZ mit PP als Betriebsinhaber auch ärztli-che Psychotherapeuten anstellen kann. Akzeptiert man, dass der Bundesgesetzgeber mit § 95 Abs. 1 und 1a SGB V eine den Berufsordnungen vorgehende Regelung für MVZ getroffen hat, dann ist eine solche Anstellung (von ärztlichen Psychotherapeuten bei PP) im MVZ unproblematisch.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä darf ein einzelner niedergelassener Vertragspsychothera-peut nicht mehr als 3 weitere volle Arztstellen (oder Angestelltensitze) bzw. eine ent-sprechende Anzahl von Teilzeitstellen haben. Eine solche Begrenzung gibt es jedoch bei den MVZ nicht. Ab einer gewissen Größenordnung ist die Gründung eines MVZ daher unverzichtbar.

Kein Unterschied zwischen MVZ, Einzelunternehmen oder BAGen besteht bei der Teilung von vorhandenen Arztstellen (oder Angestelltensitzen). Vorhandene Angestelltensitze können geviertelt (bis zu 10 Stunden wöchentliche Arbeitszeit), zu ein halb (mehr als 10 bis 20 Stunden), zu drei Vierteln (mehr als 20 bis 30 Stunden) oder voll (mehr als 30 Stunden) aufgeteilt werden. Dazu braucht es kein MVZ. Dies geht allerdings nicht mit persönlichen Zulassungen selbständig tätiger Vertragspsychotherapeuten in Einzelunter-nehmen oder BAGen: Diese können nur ganz oder halb aufgeteilt werden. Anders kann es sich bei MVZ verhalten, wenn die eigenen Zulassungen der gründenden Psychothera-peuten auf das MVZ übergehen und auch zu Angestelltensitzen werden.

Dem Vorteil, den die MVZ-GmbH tatsächlich hat, steht der Nachteil des hohen Grün-dungsaufwands und u.U. der anderen Besteuerungsgrundlagen der Erträge gegenüber.

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Hat sich ein MVZ auf die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes beworben, kann auch anstelle der üblichen Auswahlkriterien die „Ergänzung des besonderen Versorgungsan-gebotes“ des MVZ berücksichtigt werden. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass der ZA von diesem Ermessen in nennenswertem Umfang dahingehend Gebrauch macht, dass er MVZ bei der Auswahl privilegiert.

Fazit: Insgesamt wird man also raten können: Die Gründung eines MVZ kann im Einzelfall – v.a. in der Rechtsform einer GmbH – Vorteile bieten, denen auch Nachteile gegenüber-stehen. Es gibt aber keinen rationalen Grund für die inflationäre „Flucht in ein MVZ“.

9. Neue Versorgungsformen Neue Versorgungsformen gibt es seit In-Kraft-Treten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG) 2007. Sie erweitern für Niedergelassene die Perspektiven. Es lohnt sich daher, sich Gedan-ken über neue Kooperationsmodelle zu machen.

9.1 Ausgelagerte Praxisräume Spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen können in ausgelagerten Praxisräumen

(gem. § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV) erbracht werden. Hierfür bedarf es einer Anzeige der Aufnahme der Tätigkeit gegenüber der KV gem. § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV.

Da in den ausgelagerten Praxisräumen keine Sprechstunden abgehalten werden dürfen, können diese auch nicht als „weiterer Ort der Tätigkeit“ (Zweigpraxis, s. 9.2) im Sinne von § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV angesehen werden. Sie stellen daher für Psychotherapeuten keine Option dar.

9.2 Zweigpraxis Nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV hat der Vertragspsychotherapeut die Möglichkeit, seine Tätigkeit

außerhalb seines Vertragsarztsitzes an weiteren Orten auszuüben. Unter „Ausübung an weiteren Orten“ ist eine mit Praxisschild und Sprechstundenankündigung versehene zusätzliche Praxis-stätte zu verstehen.

Die Zweigpraxis kann als Filiale der Hauptpraxis angesehen werden und ist eine weitere Mög-lichkeit, außerhalb der Stammpraxis zu arbeiten.

Hausbesuche oder konsiliarische Tätigkeiten fallen nicht hierunter.

Die Beschäftigung eines Entlastungsassistenten (vgl. 4.2) ausschließlich zu diesem Zweck schei-det ebenfalls aus.

Durch das GKV-VStG ist seit 2012 die Gründung von Zweigpraxen erleichtert85. So ist es o nicht mehr notwendig, dass in einer Zweigpraxis nur Leistungen angeboten werden, die auch

„in ähnlicher Weise“ am Vertragsarztsitz angeboten werden. o Es ist auch nicht mehr erforderlich, dass das Fachgebiet eines in der Filiale tätigen Arztes

auch am Vertragsarztsitz vertreten ist. o Auch bei den Mindestpräsenzzeiten am Vertragsarztsitz hat es, jedenfalls für MVZ, Erleichte-

rungen gegeben, die es möglich machen, eine Filiale zu führen. o Die reduzierten Anforderungen für eine Filialgenehmigung, wie der Verzicht auf schemati-

sche Festlegungen hinsichtlich Entfernungen und Fahrzeiten, dienen der Sicherstellung ei-ner flächendeckenden Versorgung.

Nach § 24 Abs.3 Satz 1 Ziffer 2 Ärzte-ZV sind o geringfügige Beeinträchtigungen der Versorgung am „Stammsitz“ durch die Tätigkeit in der

„Filiale“ unbeachtlich, wenn sie durch die o Verbesserung am Ort der Filiale aufgewogen werden.

Die Einrichtung von Zweigpraxen wird nach dem (neuen) GKV-VStG also dadurch erleichtert, dass - im Unterschied zum alten § 24 Ärzte-ZV – o eine geringfügige Verschlechterung der Versorgung am bisherigen Sitz durch

85 Ärzte Zeitung: Mehr Freiheit bei der Zulassung, Gängelung bei der Praxisverlegung. 22.12.2011, S. 6.

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o eine Verbesserung der Versorgung am zusätzlichen Ort kompensiert werden kann86

Letztlich gilt: je größer der Versorgungsbedarf am Ort der Zweigpraxis ist, desto eher sind die Beeinträchtigungen am „Stammsitz“ hinzunehmen.

Idealfall: Die Versorgung wird am Ort der Zweigpraxis verbessert und am Stammsitz nicht ver-schlechtert. Dies ist z.B. durch folgende Konstruktion möglich: Die Psychotherapeutin errichtet eine Zweigpraxis am zusätzlichen Ort und beschäftigt eine genehmigte Ausbildungsassistentin in ihrer Praxis am Stammsitz. Dies ist eine echte Win-Win-Situation.

Sofern die weiteren Orte o im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung liegen, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, ent-

scheidet die Kassenärztliche Vereinigung über die Erteilung einer Genehmigung. Sofern die weiteren Orte

o außerhalb des Bezirks seiner Kassenärztlichen Vereinigung liegen, entscheidet der Zulas-sungsausschuss, in dessen Bezirk er die Tätigkeit aufnehmen will, über die Erteilung einer Ermächtigung (§ 24 Abs. 3 Satz 5 Ärzte-ZV). Soweit der Antragstellende Mitglied einer anderen KV ist, handelt es sich um eine „Zweig-praxis-Ermächtigung“. Der „weitere Ort“ muss sich also nicht im KV-Bezirk des Vertragsarzt-sitzes befinden, er kann auch in einem anderen KV-Bezirk liegen. Falls das KV-Mitglied im Be-reich einer anderen KV eine Zweigpraxis betreiben möchte, ist für die Genehmigung der Zweigpraxis-Ermächtigung der dort örtlich zuständige ZA der zuständige Ansprechpartner.

Problematisch ist der Einsatz von angestellten Psychotherapeuten an weiteren Orten, wenn diese nicht der Überwachung durch den Vertragspsychotherapeuten unterliegen. Aber: Nutzt ein Vertragspsychotherapeut die in den Grenzen der Bedarfsplanung bestehende Möglichkeit, nach § 24 Abs. 3 S. 1 Ärzte-ZV seine vertragsärztliche Tätigkeit zusätzlich an einem von seinem Vertragspsychotherapeutensitz verschiedenen Ort (Zweigpraxis, s. 9.2) auszuüben, dürfen die bei ihm angestellten Psychotherapeuten ebenfalls an dem weiteren Ort tätig werden (§ 24 Abs. 3 S. 7 Ärzte-ZV) (s. 5.1).

Voraussetzungen:

o Der Antrag des anstellenden Psychotherapeuten muss den formellen Anforderungen des § 32 b der Ärzte-ZV genügen.

o Nach § 14a BMV-Ä ist sicherzustellen, dass der Vertragsarzt die Arztpraxis persönlich leitet. Die persönliche Leitung ist anzunehmen, wenn je Vertragsarzt nicht mehr als drei vollzeitbe-schäftigte oder teilzeitbeschäftigte Ärzte in einer Anzahl, welche im zeitlichen Umfang ihrer Arbeitszeit drei vollzeitbeschäftigten Ärzten entspricht, angestellt werden (s. 5.1). Weil MVZ mehrere Ärzte haben, können sie auch mehr als 2 Zweigpraxen eröffnen, so das BSG.

o Eine persönliche Leitung liegt selbst dann vor, wenn der angestellte Arzt ausschließlich in der Zweigpraxis in Abwesenheit des Vertragsarztes tätig wird (§ 15 Abs. 1 BMV-Ä; § 24 Ärzte-ZV).

o Die Anstellung kann am Vertragsarztsitz oder am Sitz der Zweigpraxis erfolgen. o Seit dem 01.01.2012 darf die Anstellung nicht mehr genehmigt werden, wenn ihr Gründe

der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen (s.o.).

Antragsverfahren: o Der „Antrag auf Genehmigung der vertragsärztlichen Tätigkeit außerhalb des Vertragsarztsit-

zes (Zweigpraxisgenehmigung)“ ist von der Homepage der KV herunterzuladen. o Die KV überprüft auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers im Antragsformular, ob

die Voraussetzungen die in § 24 Abs. 3 der Ärzte-ZV geregelt sind, vorliegen. o Damit die Errichtung einer Zweigpraxis von der KV genehmigt werden soll, muss der Antrag

entsprechend begründet werden. o Wird er mit langen Wartezeiten begründet, sind KV und Antragsteller gehalten, die Notwen-

digkeit durch Belegung entsprechender Zahlen zu begründen. Konkret bedeutet dies, dass psychotherapeutische Praxen von der KV mit der Bitte um Nennung ihrer Wartezeiten ange-schrieben werden.

86 GKV-Versorgungsstrukturgesetz, Bedarfsplanung und Sicherstellung. In: 4. Mitgliederbrief 2011 der DPtV, Berlin, im Dezember 2011, S. 3.

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o Soll die Zweigpraxis vom Stammsitz aus in einem ländlichen Bereich eröffnet werden, ist die-ses Ziel wesentlich leichter zu erreichen als der umgekehrte Fall.

o Das BSG unterscheidet auch zwischen qualitativer und quantitativer Versorgungsverbesse-rung. Je nachdem, welches Kriterium eher zutrifft, sollte dieses entsprechend herausgestri-chen werden.

o Soll sich lediglich die Fahrzeit verkürzen, wird dieses Kriterium wohl nicht ausreichen. o Der BMV-Ä regelt in § 17 Abs. 1a, dass der Vertragsarzt an seinem Vertragsarztsitz persönlich

mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung stehen muss. Bei einer Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag sind das 10 Sprechstunden wöchentlich am Vertragsarztsitz. In allen Fällen der Ausübung der vertragsärztlichen Tätig-keit an einem weiteren oder an mehreren Tätigkeitsorten außerhalb des Vertragsarztsitzes gilt, dass die Tätigkeit am Vertragsarztsitz alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen muss. Grundsätzlich gibt es keine Verpflichtung, in der Zweig-praxis eine bestimmte Stundenzahl mindestens zu erbringen, aber die Tätigkeit dort muss eine Verbesserung der Versorgung der Versicherten darstellen. Daher sind im Antragsformu-lar auch Angaben zu konkreten Sprechstundenzeiten sowohl am Vertragsarztsitz als auch in der Zweigpraxis erforderlich. Die Angabe „nach Vereinbarung“ reicht hier nicht aus.

o Da Antrag und Genehmigung jeweils auf einzelne Personen und nicht auf die Praxis bezogen sind, ist grundsätzlich auch von jedem Psychotherapeuten, der in einer Zweigpraxis tätig werden möchte, ein gesonderter Antrag zu stellen. Wenn die Angaben übereinstimmen, reicht ein Antragsformular mit den Unterschriften der Psychotherapeuten aus. Es sollte in jedem Fall eindeutig aus dem Antrag hervorgehen, welche Psychotherapeuten zu welchen Zeiten in der Zweigpraxis und am Vertragsarztsitz tätig werden möchten.

o Soll ein angestellter Psychotherapeut in einer Zweigpraxis tätig werden, ist der Antrag von demjenigen zu stellen, bei dem er angestellt ist oder angestellt sein wird.

o Ist der angestellte Psychotherapeut bei einer BAG angestellt, ist der Antrag von allen Mitglie-dern der BAG zu unterzeichnen.

o Für einen in einem MVZ zugelassenen oder angestellten Arzt/Psychotherapeuten ist der An-trag von dem MVZ zu stellen und durch die Trägergesellschaft bzw. den Geschäftsführer / Prokuristen zu unterzeichnen. Bei MVZ gelten die vorgenannten Regelungen mit der Maßga-be, dass die angegebenen Mindestzeiten für den Versorgungsauftrag des MVZ insgesamt un-abhängig von der Zahl der beschäftigten Ärzte anzuwenden sind.

o Falls weitere Vorhaben mit dem Zweigpraxisantrag verknüpft sind (z.B. Zulassung, Verlegung des Vertragsarztsitzes, Nachfolgeverfahren, Genehmigung einer Anstellung, Verzicht auf die Zulassung zugunsten der Anstellung) ist es sinnvoll, im Zweigpraxisantrag deutlich zu ma-chen, um welche weiteren Vorhaben es sich hier handelt. Die in Klammer genannten Vorha-ben sind beim zuständigen ZA zu beantragen.

o Das Antragsverfahren auf Genehmigung der Tätigkeit in einer Zweigpraxis ist nicht kosten-pflichtig. Anders verhält es sich, wenn der ZA für den Antrag zuständig ist.

Bedarfsplanung: o Bei der Frage, ob eine Zweigpraxis zu genehmigen ist, spielt die Bedarfsplanung (s. 10.1)

keine Rolle (BSG, Az.: B 6 KA 42/08 R). o Nach diesem Urteil gibt es auch keine Anfechtungsberechtigung gegen die einem Konkurren-

ten erteilte Zweigpraxisgenehmigung. Begründung: Die Zweigpraxis begründet – anders als die Ermächtigung – keinen neuen Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung, vielmehr wird durch sie das Leistungsangebot in qualitativer Hinsicht verbessert. Die Genehmigung einer Zweigpraxis durch die KV kann daher nicht von anderen niedergelassenen Ärzten angefoch-ten werden.

o Durch das BSG geregelt ist auch die Frage, ob im Rahmen einer Sonderbedarfszulassung (s. 1.3.1) Zweigpraxen zu berücksichtigen sind. Das BSG bejahte dies in doppelter Hinsicht (Az.: B 6 KA 36/09 R):

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1. Ein besonderer Versorgungsbedarf im Sinne einer Sonderbedarfszulassung bestehe nicht, soweit eine Zweigpraxis, die genehmigt ist und tatsächlich betrieben wird, den Bedarf bereits deckt. 2. Wenn zwei Bewerber, der eine mit dem Antrag auf eine Zweigpraxisgenehmigung oder -ermächtigung und der andere mit dem Antrag auf eine Sonderbedarfszulassung, um die De-ckung desselben Versorgungsbedarfs konkurrieren (Situation einer sog offensiven Bewerber-konkurrenz), ist dem Zweigpraxisbewerber - vorausgesetzt, die Zweigpraxis entspricht auch den Anforderungen des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV - der Vorzug zu geben, soweit damit der Bedarf gedeckt werden kann.

Genehmigung: o Die Zweigpraxis-Genehmigung ist mit der (auflösenden) Bedingung verbunden, dass spätes-

tens innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Bescheides die vertragsärztliche Tätigkeit in der Zweigpraxis im beantragten Umfang aufgenommen werden muss. Das be-deutet, dass die Genehmigung automatisch entfällt, wenn die Tätigkeit nicht innerhalb dieses Zeitraums dort entsprechend aufgenommen worden ist.

o Die Zweigpraxis-Genehmigung ist immer an ihren zum Zeitpunkt der Genehmigung beste-henden Vertragsarztsitz gebunden. Dies hängt damit zusammen, dass die Versorgungssitua-tion am Vertragsarztsitz für die Voraussetzungen der Zweigpraxis-Genehmigung eine Rolle spielt. Darauf wird auch im Genehmigungsbescheid hingewiesen.

o Das bedeutet, dass bei Verlegung des Vertragsarztsitzes (s. 12.6) die Zweigpraxis-Genehmigung automatisch entfällt. Wer seine Zweigpraxis auch nach einer durch den zu-ständigen ZA zu genehmigenden Verlegung seines Vertragsarztsitzes weiter betreiben möch-te, muss das seiner KV frühzeitig mitteilen – d.h. spätestens gleichzeitig mit dem Antrag auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes an den ZA – damit für den neuen Vertragsarztsitz die Vo-raussetzungen überprüft werden können und ein neuer Bescheid erteilt werden kann. Dies gilt entsprechend auch für MVZ.

o Für eine Zweigpraxis ist zwar kein gesonderter Vertragsarzt-Stempel erforderlich. Es kann deshalb in der Zweigpraxis der Stempel, der am Vertragsarztsitz verwendet wird, ebenfalls verwendet werden. Es empfiehlt sich aber, ein zusätzliches Exemplar zur Verwendung in der Zweigpraxis anfertigen zu lassen.

o Die KV erteilt für die Zweigpraxis eine Nebenbetriebsstättennummer (NBSNR). Mit dieser NBSNR müssen die in der Zweigpraxis erbrachten Leistungen gekennzeichnet werden.

9.3 Gesundheitszentrum / Ärztehaus In einem Gesundheitszentrum mit zehn oder mehr Ärzten/Psychotherapeuten unterschiedlicher

Fachgruppen können Behandler ihre freiberufliche Tätigkeit weiterführen.

Einbringen können sie sich als Mieter oder Teilhaber.

Für die Version Teilhaber sprechen folgende Gründe: o Sowohl bei der Errichtung als auch beim Betrieb des Gesundheitszentrums können die Be-

handler ihre Mit- und Ausgestaltungsrechte vollumfänglich wahren. Sie partizipieren zudem an der Wertschöpfung „ihres“ Gesundheitsstandortes.

o Außerdem können die Behandler von nicht-medizinischen bzw. nicht-psychotherapeu- tischen Inhalten ihrer Tätigkeit entlastet werden, wobei jeder Behandler frei entscheiden kann, welche Dienste er in Anspruch nehmen will und welche nicht. In einem MVZ fällt diese Autonomie der Behandler in der Regel weg.

o Zusätzlich kann das Zentrum flexible Öffnungszeiten anbieten und sich damit für spezielle Zielgruppen wie Berufstätige interessant machen.

o Außerdem werden die sich so zusammenschließenden Behandler auch automatisch als Ko-operationspartner für umliegende Kliniken interessant.

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9.3 Zusammenarbeit mit Kliniken Besonders interessant ist die Option, sowohl in einer Klinik als auch in einer niedergelassenen

Praxis zu arbeiten.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Kliniken Spezialambulanzen (z.B. Psychiatrische Institutsambulanzen – PIA, (s. 9.5) anbieten und die Versorgung drum herum niedergelassene Behandler übernehmen. Oder:

Niedergelassene treten an Kliniken mit Kooperationsmodellen heran (z.B. Supervision für Klinik-Angestellte).

Das Problem der Interessenkollision (s.7.1) wird in diesem Zusammenhang vom Gesetzgeber also nicht mehr so eng wie früher gesehen. Für Beschäftigungsverhältnisse in Kliniken gilt nach Einführung des VÄndG der § 20 Abs.2 S.2 Ärzte-ZV, wonach die Tätigkeit in einem Krankenhaus oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung mit der Tätigkeit des Vertragspsychothera-peuten vereinbar ist.

Die KBV versucht schon seit längerer Zeit, strategische Kooperationen mit Kliniken einzugehen. Drei Themen stehen für die KBV im Zentrum der Kooperationsbemühungen zwischen ambulan-ter und stationärer Versorgung: o dem Nachwuchs die Weiterbildung zu erleichtern, o die Überleitung der Patienten zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu verbes-

sern, o die Versorgungsforschung zu intensivieren. Dieses Geschäft ist mühsam, aber ohne Alternative – sowohl im Interesse der Patienten, als auch in dem der Behandler.

Um einen nahtlosen Übergang von einer stationären in eine ambulante Behandlung zu ermögli-chen, werden nach dem GKV-VStG die Krankenhäuser verpflichtet, ein „Entlassmanagement zur Lösung von Problemen beim Übergang in die Versorgung nach der Krankenhausbehandlung“ zu entwickeln. Wegen der langen Wartezeiten auf einen ambulanten Therapieplatz ist diese Vor-schrift sinnvoll, sie kann allerdings angesichts der allgemeinen Unterversorgung mit Psychothe-rapie nur in Einzelfällen helfen87.

Als gesetzliche Klarstellung zur Flexibilisierung der Zusammenarbeit von Krankenhäusern und Vertragsärzten88 im Rahmen von Kooperationen bei der vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus will der Gesetzgeber die Neuregelung in § 115a Abs.1 Satz2 SGB V verstanden wis-sen. Danach kann das Krankenhaus die prä- und poststationäre Behandlung auch durch hierzu ausdrücklich beauftragte niedergelassene Vertragsärzte in den Räumen des Krankenhauses oder der Arztpraxis erbringen.

Mit der Beauftragung durch das Krankenhaus im Rahmen der vor- und nachstationären Behand-lung erbringt – so die Gesetzesbegründung – der niedergelassene Vertragsarzt Leistungen des Krankenhauses nach § 115a SGB V, die vom Krankenhaus zu vergüten sind.

Das „Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin“, ein Gemeinsames Institut von Bundesärzte-kammer (BÄK) und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV)hat im März 2012 in 1. Auflage „Checklisten für das ärztliche Schnittstellenmanagement zwischen den Versorgungssektoren“ herausgebracht. Diese Checklisten „sollen dazu beitragen, den Übergang zwischen Praxis und Krankenhaus so zu organisieren, dass eine gute individuelle Patientenversorgung ohne Hemmnis-se im Behandlungsverlauf gewährleistet wird“.

9.4 Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) Der Beginn der Entwicklung Psychiatrischer Institutsambulanzen (PIA)89 geht zurück auf die

Psychiatrie-Enquete (1975) mit ihren Grundsätzen „ambulant vor stationär“ und „so viel ambu-lant wie möglich, so viel stationär wie nötig“.

87 GKV-Versorgungsstrukturgesetz, Bedarfsplanung und Sicherstellung. In: 4. Mitgliederbrief 2011 der DPtV, Berlin, im Dezember 2011, S. 3. 88 Halbe et al.: Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) – Auswirkungen auf die Praxis. Gesundheitswesen in der Praxis. medhochzwei,

Heidelberg 2012, S.69. 89 A. Dahm, Psychiatrische Institutsambulanzen. MHP Nr. 1575, 50. Aktualisierung, Mai 2012. S. 1-10.

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Am 01.07.2010 wurde zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie der KBV eine Vereinbarung nach § 118 Abs.2 SGB V getroffen. Mit dieser Vereinbarung wurde die Gruppe der psychisch kranken Patienten, für die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung eine Behandlung in der PIA indiziert ist, näher spezifi-ziert. Wann eine Behandlung Erwachsener in einer PIA indiziert ist, wird durch einen Positiv-katalog von ICD-Diagnosen definiert. Diese Diagnosen müssen in Verbindung mit Kriterien für Schwere oder Dauer vorliegen.

Erstmalig sind in der Vereinbarung auch Ausschlusskriterien definiert: So ist eine Behandlung in einer PIA ausgeschlossen, wenn gleichzeitig eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung stattfindet.

Für den Bereich der Kinder- und Jugendlichenbehandlung erfolgte ebenfalls eine exaktere Defi-nition der Behandlungsindikationen: Voraussetzung ist hier mindestens eine psychiatrische Diag-nose auf Achse 1 des multiaxialen Klassifikationsschemas psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen. Sofern die Patienten innerhalb von 3 Monaten nach Diagnosestellung in Kin-derpsychiatrischer bzw. –psychotherapeutischer Behandlung durch einen Vertragsarzt oder Ver-tragspsychotherapeuten sind, gilt dies als generelles Ausschlusskriterium für die Behandlung in einer PIA.

Gemäß § 118 SGB V sind PIA zur psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung er-mächtigt. Insofern können dort bei entsprechend gegebener Indikation auch Richtlinien-therapien durchgeführt werden. Dafür gelten dann auch die Regularien der Psychotherapie-Richtlinie und der Psychotherapie-Vereinbarung. Dies bedeutet, dass die Therapien antrags- und genehmigungspflichtig sind. Eine Befreiung von der Gutachterpflicht für KZT gilt nicht per se für die PIA, sondern nur für denjenigen Psychotherapeuten, der die betreffende Therapie selbst durchführt und die in § 26 b der Psychotherapie-Richtlinie festgelegten Befreiungstatbestände gegenüber der KV nachgewiesen hat.

Leistungen der Richtlinientherapie dürfen auch an PIA nur von entsprechend qualifizierten Therapeuten oder von Aus- bzw. Weiterbildungsassistenten unter Supervision erbracht werden.

Das im Juli 2012 beschlossene Psychiatrie-Entgeltgesetz erweitert die Ermächtigung in § 118 Abs. 3 SGB V auf die Psychosomatik. Daran angelehnt wird auch die Geriatrie einbezogen (§ 118 a SGB V)90.

Der Auftrag der PIA lautet, in Ergänzung zur vertragsärztlichen Versorgung Alternativen zur stationären Behandlung zu schaffen und die Behandlung sicherzustellen, soweit andere Angebo-te nicht verfügbar sind, v.a. im Notfall oder nach Entlassung.

Die Komplexleistung der PIA wird unter fachärztlicher Leitung vom therapeutischen Team erbracht, zu dem Psychologen, Sozialpädagogen, Pflegekräfte und Arzthelfer gehören.

2010 waren bundesweit mehr als 491 PIA an 451 Kliniken und 186 PIA-KJPP an 174 Kliniken ein-gerichtet, eine Steigerung um 18 % gegenüber 2005.

PIA müssen ihrer Zielgruppe intensive multiprofessionelle Diagnostik und Behandlung anbieten und werden deshalb fallbezogen besser vergütet als die Facharztpraxen, deren Rahmenbedin-gungen sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert haben.

9.6 Ambulante spezialärztliche Versorgung Vertragsärzte und Krankenhäuser sollen – entsprechende Ausstattung und Qualifikation voraus-

gesetzt – in einem neuen Sektor „ambulante spezialärztliche Versorgung“91 gleichberechtigt vertreten sein bzw. sogar verpflichtend zusammenarbeiten.

Geregelt ist der geplante neue Sektor in § 116 b SGB V, der in seiner neuen Fassung die Über-schrift „Ambulante spezialärztliche Versorgung“ erhalten hat. „Wer kann, der darf“, lautet die neue Zugangsvoraussetzung.

Was in der neuen Versorgungsform erlaubt sein soll, soll der GB-A regeln.

90 A. Spengler: Psychiatrische Institutsambulanzen. Leistungsfähig, bedarfsgerecht und innovativ. Deutsches Ärzteblatt / PP / Heft 10 /

Oktober 2012, S. 457 ff. 91 Ärzte Zeitung: Wer kann, der darf sich hoch spezialisieren. 19.10.2011, S. 6.

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Die BÄK fürchtet „Wettbewerbswildwuchs“ zwischen den Sektoren mit der negativen Folge einer Mengenausweitung zu Lasten der Fachärzte. Unterschiedliche Auffassungen gibt es über die Ausgestaltung des neuen Sektors.

An der ambulanten spezialärztlichen Versorgung92 können aus dem vertragsärztlichen Bereich grundsätzlich zugelassene Ärzte, zugelassene MVZ sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Ein-richtungen gem. § 95 Abs.1 Satz1 SGB V teilnehmen.

Gleiches gilt für Psychotherapeuten gem. § 95 Abs.10 SGB V, soweit sie – ebenso wie die ande-ren Leistungserbringer – Leistungen im Rahmen des durch den G-BA bestimmten Behandlungs-umfangs erbringen und insoweit sie die maßgeblichen Anforderungen und Voraussetzungen er-füllen.

Grundsätzlich kann jeder der berechtigten Leistungserbringer im Rahmen der ambulanten spezi-alärztlichen Versorgung allein tätig werden. Bei bestimmten Erkrankungen ist aber eine Koope-ration zwischen den beteiligten Leistungserbringern in der ambulanten und der stationären Ver-sorgung vorgesehen.

§ 116 b Abs.4 Satz 10 SGB V sieht dies zwingend für die Versorgung von Patienten mit schweren Verlaufsformen onkologischer Erkrankungen vor. Die beteiligten Leistungserbringer sind ver-pflichtet, im Falle der onkologischen Erkrankungen aufgrund der Regelung in § 116 b Abs.4 Satz 10 SGB V, bei sonstigen schweren Verlaufsformen von Erkrankungen mit besonderen Krankheits-verläufen dann, wenn entsprechende Richtlinien-Vorgaben des G-BA existieren, eine diesbezügli-che Kooperationsvereinbarung im Rahmen des Anzeigeverfahrens vorzulegen.

9.7 Praxisnetz93

Bis zum Ende des Jahres 2011 kannte das SGB V Vertragsärzte als Teilnehmer an Strukturverträ-gen (§ 73 a) oder an Modellvorhaben (§ 63 ff.). Der Begriff Praxisnetz kam bis dato nicht vor. Das hat sich mit dem GKV-VStG seit 2012 geändert94.

Der neue § 87 b Abs. 2 und 4 SGB V hat erstmals die Ärztenetze explizit ins SGB V gehoben und ermöglicht es den Länder-KVen, in der Gesamtvergütung eigene Vergütungsregeln für Praxis-netze zu entwickeln, sogar ein eigenes Honorarvolumen ist möglich95.

Praxisnetze versprechen o maßgeschneiderte regionale Versorgungspakete, o bessere Patientenversorgung, den o Abschied von der Einzelkämpferpraxis und vielleicht sogar eine o kosteneffizientere Medizin.

Zum „Strategietag Ärztenetze“ der KVN in Braunschweig am 15.09.2012 kamen ca. 100 Interes-sierte, um die Zukunft der Netze zu diskutieren. Der KVN-Chef Mark Barjenbruch betonte, die KVN wolle sich den netzinteressierten Ärzten als Kooperationspartnerin bei der Abrechnung und der Verhandlung mit den KK andienen.

Die KBV hat gem. § 87 b Abs. 4 SGB V - im Einvernehmen mit dem GKV-Spitzenverband - die Auf-gabe, bundesweit gültige Kriterien für die Förderfähigkeit von Netzen zu entwickeln. Diese vom Gesetzgeber von der KBV geforderten Rahmenvorgaben sind zum 01.01.2013 in Kraft getreten.

Jetzt können Netze schrittweise in die vertragsärztliche Versorgung integriert werden. Dies er-öffnet den Netzen die Option, sowohl im Selektiv- wie auch im Kollektivvertragssystem tätig werden zu können.

Die KV’en erhalten bei der Verteilung der Gesamtvergütung die Möglichkeit, im Honorarvertei-lungsmaßstab (HVM) solche Kooperationen, insbesondere ausgerichtet an definierten Versor-gungszielen, finanziell zu fördern.

92 Halbe et al.: Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) – Auswirkungen auf die Praxis. Gesundheitswesen in der Praxis. medhochzwei, Heidelberg 2012, S.133 f. 93 Ärzte Zeitung: Praxisnetze bekräftigen Forderung nach eigenen Budgets. 18.11.2011, S. 5. 94 Ärzte Zeitung: Ärztetag debattiert über Praxisnetze. 21.05.2012. 95 Christian Beneker: Ärztenetze. Hochgelobt und alleingelassen. Ärzte Zeitung, 19.09.2012

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Dies umfasst auch die Möglichkeit, dass die KV einem Praxisnetz ein eigenes Honorarbudget oder Honorarvolumen als Teil der Gesamtvergütung zuweisen kann zwecks eigenständiger Ver-teilung an die an diesem Praxisnetz teilnehmenden Ärzte bzw. Praxen (Netzpraxen), sofern das Praxisnetz nach Maßgabe der dazu von der KV erlassenen Richtlinie anerkannt ist96.

Gesonderte Vergütungsregelungen für vernetzte Praxen nach § 87 b Abs.2 Satz 2 SGB V werden wie folgt begründet: Mit Zusammenschlüssen von Vertragsärzten verschiedener Fachrichtungen (vernetzte Praxen bzw. Praxisnetze) zur interdisziplinären, kooperativen und medizinischen am-bulanten insbesondere wohnortnahen Betreuung und Versorgung der Patienten können die am-bulanten Versorgungsstrukturen verbessert werden. Ziel solcher Kooperationen ist die Optimie-rung ambulanter Versorgungsstrukturen, wodurch die Qualität sowie die Effizienz und Effektivi-tät der vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen einer intensiveren fachlichen Zusammenarbeit gesteigert werden können.

Klar im Fokus des Gesetzgebers sind dabei also „Zusammenschlüsse von Vertragsärzten ver-schiedener Fachrichtungen zur interdisziplinären (…) Betreuung, die die ambulanten Versor-gungsstrukturen verbessern.

Derzeit gibt es in Deutschland etwa 20.000 Ärzte, die in Praxisnetzen97 organisiert sind. Sie haben das Ziel, durch eine engere Kooperation in der ambulanten ärztlichen Versorgung und darüber hinaus mit Krankenhäusern und anderen Leistungserbringern die Betreuung von Patienten zu verbessern.

Die KVN hat auf ihrer Vertreterversammlung am 16.02.2013 eine liberale Förderung für Praxis-netze beschlossen98. Es können bestehende Praxisnetze, Praxisnetze in Gründung und Netze ge-fördert werden, die die Anerkennung als Netz im Sinne des § 87 b SGB V nach den Richtlinien der KBV anstreben bzw. erworben haben und an denen ausschließlich Mitglieder der KVN beteiligt sind.

Jedes Netz in Niedersachsen kann nun höchstens 50.000 € im Jahr erhalten. Fließt das Geld, so kann es z.B. für einen Moderator ausgegeben werden, für PC’s oder eine IT-Beratung.

Die Gründe für diesen Niedersächsischen Weg sind u.a.: die Vernetzung sei das Zukunftsthema schlechthin.

Die KVN fordert von den Netzen: o Sie sollen u.a. einen Maßnahmenplan enthalten, aus dem sich ergibt, zu welchen Zeitpunkten

die Kriterien der KBV-Richtlinien erfüllt werden, bzw. deren Erfüllung angestrebt wird. o Sie sollen eine schriftliche Erklärung enthalten, dass das Netz die KVN bei Versorgungsverträ-

gen mit Kostenträgern beteiligt, soweit dies gesetzlich möglich ist. o Außerdem verlangt die KVN eine schriftliche Erklärung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit

mit der KVN.

Die KVN kann gesonderte Vergütungsregelungen für vernetzte Praxen auch als eigenes Honorar-volumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vorsehen. Eine Million Euro kom-men dafür aus dem Geld des Sicherstellungsfonds.

Ein Beispiel für ein niedersächsisches Ärztenetz findet sich unter www.aerztenetz-elan.de.

Das Ärztenetz „genial-GesundheitsNetz im Altkreis Lingen“ in Niedersachsen99 erhält als erstes Netz im Land die Anerkennung durch die KVN nach § 87b SGB V. Die Anerkennung ist auch mit mehr Honorar verbunden. Voraussetzung ist, dass die bezuschussten Leistungen von mehreren Ärzten gemeinsam erbracht wurden. Viel wichtiger als die zusätzliche Honorierung sei aber die Zertifizierung, denn jetzt sind die Ärzte vertragsfähig für die Krankenkassen. Das Netz muss aus mind. 20 Praxen bestehen, muss sich aus Hausärzten und mind. drei weiteren Fachgruppen zu-sammensetzen, Geschäftsführer und Geschäftsstelle haben, seit mind. drei Jahren bestehen und mit externen Partnern kooperieren. Ziel muss sein: Patientenzentrierung, Kooperation und ver-besserte Prozesse bei Diagnose und Therapie. Die Besonderheit ist die intensive Zusammenarbeit

96 Halbe et al.: Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) – Auswirkungen auf die Praxis. Gesundheitswesen in der Praxis. medhochzwei,

Heidelberg 2012, S.72 f. 97 Ärzte Zeitung: Kein Befreiungsschlag für Praxisnetze. 22.12.2011, S. 8. 98 Christian Beneker: Ärztenetze werden großzügig gefördert. Ärzte Zeitung, 22.02.2013. 99 Niedersachsen. Erstes Netz erhält die KV-Förderung. Ärzte Zeitung 29.01.2016.

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über die Sektorengrenzen hinweg. Vier weitere Netze in Niedersachsen strebten die Beantragung an.

10. Bedarfsplanungs-Richtlinie (BPL-RL) 10.1 Bedarfsplanung

Die KV stellt den Bedarf nach der am 01.01.2013 in Kraft getretenen Bedarfsplanungs-Richtlinie fest. Auch die Gruppe der PP und KJP unterliegt der „Bedarfsplanung“. Die „Bedarfsplanung“ wird für PP und KJP (immer noch) gemeinsam erstellt.

a) Nach der alten Bedarfsplanungs-Richtlinie vom 20.12.2012 waren für PP und KJP in Niedersach-sen alle Planungsbereiche gesperrt100. Danach führten die niedrigen absoluten Verhältniszahlen dazu, dass - gemessen in Versorgungsgraden - 379 der 395 Planungsbereiche in der Bundes-republik Deutschland als „überversorgt“ galten, obwohl sie im Bereich Psychotherapie de facto nicht überversorgt, sondern häufig sogar unterversorgt waren, was die oft recht langen Warte-zeiten auf einen Therapieplatz belegten. o Zurückzuführen ist diese Fehlberechnung der (alten) Bedarfsplanungs-Richtlinie auf die Er-

mittlung der Verhältniszahlen bei Einführung des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) 1999 nach zwei Prinzipien:

o Damals wurde ein Stichtag festgelegt und der zu diesem Zeitpunkt bestehende Versorgungs-grad dann als bedarfsgerecht angenommen. So wurde die damalige Ist-Versorgung als 100 % festgelegt. Bei der Beurteilung, ob eine Über- oder Unterversorgung vorliegt, orientierte man sich also nicht am tatsächlichen Psychotherapiebedarf, sondern (seitdem) an diesem Wert. Im Gegensatz zu den medizinischen Fachgruppen, bei denen damals eine Überversorgung vorherrschte, bestand bei der Psychotherapie eine Unterversorgung. Sie war ja gerade erst in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen worden, so dass der bis zum Stichtag 31.08.1999 erreichte Stand der Zulassung keine ausreichende Versorgung widerspiegelte. Das ist der Grund, warum heute nach der Bedarfsplanungs-Richtlinie die Bevölkerung von Kernstädten neunmal so viele Psychotherapeuten pro 100.000 Einwohner benötigen soll wie die Bevölkerung, die auf dem Land lebt.

o Als 1999 die Bedarfszahlen festgelegt wurden101, hat man für fast alle Arztgruppen außerdem die Zahl der in Westdeutschland Niedergelassenen als Basis für ganz Deutschland gewählt – auch für die Bedarfsplanung in den neuen Bundesländern. Bei den Psychotherapeuten wur-de 1999 der Mittelwert aus den Niedergelassenen in West und Ost genommen – wohl wis-send, dass es damals in den neuen Bundesländern viel weniger Psychotherapeutenpraxen gab als im Westen. Vor der Wende gab es praktisch überhaupt keine psychotherapeutischen Praxen im Osten, schon gar nicht auf dem Land. So hat man durch den gewählten Berech-nungsmodus für die Psychotherapeutensitze die Verhältniszahlen für das gesamte Bundes-gebiet nach unten gedrückt. Die KBV hat das zur Kenntnis genommen, aber bis heute beim G-BA nicht daraufhin gewirkt, dass dieser Missstand beseitigt wird.

b) Die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie ist am 01.01.2013 in Kraft getreten. Das Hauptproblem der neuen Bedarfsplanung ist, dass sie immer noch auf der Anzahl der Psychotherapeuten beruht, die bis zum 31.08.1999 zugelassen waren. Bei der aktuellen Reform spielt es also keine Rolle, dass der Behandlungsbedarf seit 1999 stetig angestiegen ist. Weil die neue Bedarfsplanung auf den veralteten und fehlerhaften Daten von 1999 fußt, gelten auch die seither ermöglichten zu-sätzlichen Niederlassungen als über dem Bedarf liegend, mit Ausnahme der ländlichen Gebiete des Typs 5102 (s.u.).

100 Niedersächsisches Ärzteblatt 10 / 2011, S. 78. 101 „Die Versorgung auf dem Land muss besser werden“. Interview mit Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeuten-

kammer. In: Deutsches Ärzteblatt/PP/Heft 6/Juni 2012, S. 251. 102 BPtK-Spezial: Bedarfsplanung 2013 – ein Überblick. Ausgabe März 2013.

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o Der G-BA hat in der (neuen) Bedarfsplanungs-Richtlinie die Planungsbereiche, die bis 2012 zumeist den größeren Städten und Landkreisen entsprachen, flexibler gestaltet: Die einzelnen Arztgruppen wurden 4 Ebenen (mit zunehmendem Spezialisierungsgrad) zu-geordnet103: a) der hausärztlichen Versorgung b) der allgemeinen fachärztlichen Versorgung: Kinderärzte, Augenärzte, Chirurgen, Haut-

ärzte, Frauenärzte, HNO-Ärzte, Nervenärzte, Orthopäden, Urologen, Psychotherapeuten. c) der spezialisierten fachärztlichen Versorgung: Anästhesisten, fachärztlich tätige Internis-

ten, Kinder- und Jugendpsychiater, Radiologen. d) der gesonderten fachärztlichen Versorgung: Humangenetiker, Laborärzte, Neurochirur-

gen, Nuklearmediziner, Pathologen, Fachärzte für physikalische und rehabilitative Medi-zin, Strahlentherapeuten und Transfusionsmediziner.

o Die Psychotherapeuten gehören zur Ebene der „allgemeinen fachärztlichen Versorgung“. Zur dieser Arztgruppe gehören - überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte, - Fachärzte für psychotherapeutische Medizin, - Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, - Psychologische Psychotherapeuten und - Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

Für die vier Ebenen gilt: je spezialisierter die Gruppe, desto größer der Bereich, in dem geplant wird.

Die Landesausschüsse Ärzte/Krankenkassen entscheiden regional auf Grundlage der Neu-berechnung der Verhältniszahlen durch die regionale KV über offene Planungsbereiche (Teilent-sperrung, s. 10.2) und legen die Zahl der auszuschreibenden Zulassungsmöglichkeiten für die Pla-nungsbereiche fest. Dabei können sie in begründeten Fällen von den Vorgaben der Bedarfspla-nungs-Richtlinie hinsichtlich der Zuschnitte der Planungsbereiche und der Ermittlung der Ver-hältniszahlen abweichen.

Die Vorgaben des G-BA sind für die Landesausschüsse nicht bindend, sondern können regional angepasst werden. Die Länder haben in diesem Bereich ein Mitspracherecht: Sie dürfen an Sit-zungen des G-BA teilnehmen, die sich mit der Bedarfsplanung befassen, haben aber kein Stimm-recht. Allerdings erhalten die Länder die Rechtsaufsicht über die Landesausschüsse Ärzte/Kran-kenkassen und ein Beanstandungsrecht für deren Bedarfsplanung.

Wenn sich KV’en und Krankenkassen nicht auf einen Bedarfsplan einigen können, entscheidet der Landesausschuss104. Im Landesausschuss sitzen neben den Vertretern der Ärzte und der KK 3 unparteiische Mitglieder, von denen einer den Vorsitz führt. Das Landesgesundheitsministeri-um kann den Bedarfsplan beanstanden, wenn er rechtswidrig ist. Es kann aber keine anderen Entscheidungen verlangen, weil es z.B. aus fachlichen Gründen einen anderen Bedarfsplan be-vorzugen würde.

Kommt der Landesausschuss Ärzte/Krankenkassen zu dem Ergebnis, dass keine Überversorgung mehr besteht, so ist der Aufhebungsbeschluss hinsichtlich der Zulassungsbeschränkungen mit der Auflage zu versehen, dass Zulassungen nur in einem solchen Umfang erfolgen dürfen, bis für die Arztgruppe Überversorgung eingetreten ist (Teilentsperrung). Wird der Überversorgungsgrad bereits mit einer hälftigen Zulassung überschritten, kommt nur eine Zulassung mit einem hälfti-gen Versorgungsauftrag oder eine hälftige Genehmigung in Betracht.

Offene Planungsbereiche werden in den für amtliche Bekanntmachungen der KV vorgesehenen Blättern (in Niedersachsen ist das das „Niedersächsische Ärzteblatt“) veröffentlicht. Dabei wird der Planungsbereich genannt sowie die Profession: Psychologischer Psychotherapeut, Kinder und Jugendlichenpsychotherapeut, psychotherapeutisch tätiger Arzt sowie der Umfang des Ver-sorgungsauftrags (ganzer oder halber Sitz)105.

103 Bedarfsplanung. Genauer Blick auf die Versorgung. Deutsches Ärzteblatt/PP/Heft 1/Januar 2013, S. 15. 104 BPtK-Spezial: Bedarfsplanung 2013 – ein Überblick. Ausgabe März 2013. 105 Die neue Bedarfsplanung – „Wie funktioniert die Neuvergabe von Versorgungsaufträgen/Praxissitzen?“ In: 4. Bundesmitgliederbrief der DPtV, Dezember 2012, S.4.

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Die Bedarfsplanung der Psychotherapie findet in 5 Planungsbereichen (Kreistypen) statt. Die ländlichen Gebiete (Kreistyp 5) sollen deutlich besser versorgt werden. In der Vergangenheit kamen hier auf einen Psychotherapeuten ca. 24.000 Einwohner. In der neuen Bedarfsplanung kommt ein Psychotherapeut auf ca. 6.000 Einwohner.

Der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad wird in der Bedarfsplanungs-Richtlinie durch arztgruppenspezifische allgemeine Verhältniszahlen (1 Psychotherapeut je Anzahl Einwohner) ausgedrückt. Die Verhältniszahlen für Psychotherapeuten sind in § 12 Abs. 4 der Bedarfs-planungs-Richtlinie zu finden:

Kreistyp 1 Anzahl

Einwohner

Kreistyp 2 Anzahl

Einwohner

Kreistyp 3 Anzahl

Einwohner

Kreistyp 4 Anzahl

Einwohner

Kreistyp 5 Anzahl

Einwohner Verhältniszahlen für Psychotherapeuten (1 Psychotherapeut je Anzahl Einwohner)

3.079

7.496

9.103

8.587

5.953

In Anlage 3.2 der Bedarfsplanungs-Richtlinie ist die „Zuordnung der Kreise, kreisfreien Städte und Kreisregionen zu den Kreistypen“ zusammengestellt.

Der Versorgungsgrad soll am Beispiel der „Raumordnungsregion Braunschweig“ dargestellt wer-den:

Kreistyp 1 Kreistyp 2 Kreistyp 3 Kreistyp 4 Kreistyp 5

Verhältniszahlen für Psychotherapeuten

3.079 7.496 9.103 8.587 5.953

Planungsbereich Braunschweig BS, SZ, WOB

GÖ GF, WF, HE, Peine

Goslar

Für die Gruppe der Psychotherapeuten wird die Einwohnerzahl des Bundesgebietes nach dem Stand vom 31. Dezember 1997 zugrunde gelegt.

Die Verteilung der Einwohner, Ärzte und Psychotherapeuten auf die 5 Kreistypen erfolgt auf Basis der Verteilung der Einwohner zum Stichtag 31. Dezember 2010 sowie der Ärzte und Psychotherapeuten zum Stichtag 30. Juni 2012.

Die Typisierung der Kreise orientiert sich am Konzept der Großstadtregionen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zum Stand vom 31. Dezember 2010.

In die Ermittlung des Versorgungsgrades geht auch ein Demografiefaktor ein. Die Leistungs-bedarfsfaktoren des Demografiefaktors betragen z.B. für die Arztgruppe der Hausärzte 2,567, für die der Psychotherapeuten 0,135. In einem Planungsbereich mit vergleichsweise alter Bevölke-rung sinkt durch die Einbeziehung des Demografiefaktors der Versorgungsgrad. Dadurch kom-men weniger Einwohner auf einen Arzt. Das bedeutet, dass sich die psychotherapeutische Ver-sorgung in Regionen mit einem hohen Anteil älterer Menschen verschlechtert.

In Deutschland wurden 2013 1.375 zusätzliche Therapeutensitze in ländlichen Regionen (Typ 5) geschaffen.106 o Damals standen in den ländlichen Regionen nur 4 Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner

zur Verfügung. o Im neuen Typ 5 sollten 17 Psychotherapeuten für die Versorgung von je 100.000 Einwohnern

verantwortlich sein107.

106 Geld gegen Bedarf: „Köhler zeichnet neue Kompromisslinie“ und „Geteiltes Echo auf Einigung zwischen Kassen und Ärzten“. Ärzte Zei-

tung 10.10.2012, S. 2. 107 BPtK-Spezial: Bedarfsplanung 2013 – ein Überblick. Ausgabe März 2013.

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Der Landesausschuss Ärzte/Krankenkassen kann einen zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf innerhalb eines Planungsbereiches feststellen, auch wenn in diesem Planungsbereich nach der Bedarfsplanungsrichtlinie keine „Unterversorgung“ vorliegt. Bei der Prüfung des zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfes sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: o bei allen Ärzten deren Tätigkeitsgebiet, Altersstruktur, ergänzendes Angebot ambulanter

Leistungen durch Krankenhäuser etc. o bei der Bevölkerung ihre Zahl, ihre Altersstruktur, ihre Nachfrage nach ärztlichen Leistungen

sowie der Ort der tatsächlichen Inanspruchnahme der ärztlichen Leistungen. o die Qualität der infrastrukturellen Anbindung.

Damit sich mehr Ärzte für eine Tätigkeit in schlecht versorgten Gegenden interessieren, setzt das GKV-VStG auf finanzielle Anreize. So können die KV’en für förderungswürdige Leistungen oder auch für förderungswürdige Leistungserbringer Honorarzuschläge zahlen. Kriterien dafür, was als förderungswürdig anzusehen ist, entwickelt der Bewertungsausschuss.

Für die Finanzierung entsprechender Leistungen können die KV’en einen Strukturfonds einrich-ten, der aus Mitteln der Gesamtvergütung in Höhe von 0,1% gespeist wird. Die Krankenkassen geben einen Beitrag in gleicher Höhe dazu.

Neu ist, dass ermächtigte Ärzte und Psychotherapeuten und Ärzte, die in psychiatrischen oder psychotherapeutischen Institutsambulanzen (PIA) sowie sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) tätig sind, pauschal angerechnet werden. So soll eine PIA in der Bedarfsplanung pauschal wie ein hal-ber Vertragspsychotherapeutensitz behandelt werden. o Dagegen wendet sich die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV): Die Zahl der PIA

in Deutschland geht gegen 700. Sie werden z.Zt. bedarfsunabhängig zugelassen. Damit unter-läuft der Beschluss die erst 2013 in Kraft getretene Bedarfsplanungsrichtlinie.

o Auch die KV Bayerns (KVB) poltert gegen diese Entscheidung108. Es sei ungerecht und nicht hinnehmbar, dass solche Ambulanzen und Zentren ohne Bedarfsprüfung, wie sie Ärzte und Psychotherapeuten zu durchlaufen haben, ermächtigt werden müssen, und so gleichzeitig Niederlassungsmöglichkeiten von Ärzten und Psychotherapeuten reduzieren. Zwar bestehe jederzeit die Möglichkeit, auf Landesebene von der Regelung des G-BA abzuweichen. Gleichwohl müsse nachgebessert werden, indem Einrichtungen, die ohne Bedarfsprüfung ermächtigt sind, in der Bedarfsplanung und beim Versorgungsgrad nicht angerechnet wer-den, verlangt die KVB.

o Kritik kommt auch von verschiedenen Facharztgruppen109. Es gebe eine Ungereimtheit im System: Zwar gelte grundsätzlich „ambulant vor stationär“ für die Versorgung, und grund-sätzlich sollen Krankenhausärzte und Institutionen wie die aufgeführten Ambulanzen immer nur dann ermächtigt werden, wenn die Patientenversorgung durch Vertragsärzte und Ver-tragspsychotherapeuten nicht zu gewährleisten ist. Faktisch sind zahlreiche Institutsambu-lanzen aber dauerhaft und ohne fortlaufende Bedarfsprüfung ermächtigt.

o Auch die Freie Allianz der Länder-KVen (FALK) übt massive Kritik an dem Beschluss des G-BA110. Die FALK-KVen beklagen, dass mit dieser pauschalen Anrechnung der Grundsatz „ambulant vor stationär“ umgedreht werde.

o Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat sich folgerichtig an das Bundesministeri-um für Gesundheit (BMG) mit der Bitte gewandt111, den G-BA-Beschluss zu beanstanden. Wenn zwei psychiatrische Institutsambulanzen (PIA) wie ein psychotherapeutischer Praxissitz gerechnet werden, bedeute dies den Wegfall von 209 Praxen – eine Willkürmaßnahme, die ohne Anhörung der BPtK zustande gekommen ist.

108 Bedarfsplanung. KV Bayerns poltert gegen die GBA-Entscheidung. Ärzte Zeitung online, 08.05.2014. 109

Bedarfsplanung. Ermächtigte Ärzte werden einbezogen. Deutsches Ärzteblatt / PP / Heft 5 / Mai 2014, S. 201 f. 110 Bedarfsplanung. FALK-KVen kritisieren GBA-Beschluss. Ärzte Zeitung online, 12.06.2014. 111 24. Deutscher Psychotherapeutentag in Berlin. „Wir sollten den Ball der Politik jetzt auffangen“. Deutsches Ärzteblatt / PP / Heft 6 / Juni 2014, S. 247.

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o Das sieht der Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, freilich anders: „Neben niedergelassenen Vertragsärzten sind zahlreiche Einrichtungen wie etwa psychosomatische Institutsambu-lanzen und sozialpädiatrische Zentren am realen Versorgungsgeschehen beteiligt und erbrin-gen Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung, wie sie in der Bedarfsplanung abgebildet werden“.

o Die Krankenkassen versprechen sich von dieser Regelung, dadurch mittelfristig Geld einzu-sparen: zunächst dadurch, dass die Zahl der Praxissitze verkleinert wird.

Wenn schon die Institutsambulanzen in die Bedarfsplanung mit einbezogen werden sollen, kann dies freilich nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass auch die Zulassung dieser Ambulanzen nach Bedarfsprüfung und nicht - wie derzeit - bedarfsunabhängig und automatisch erfolgt112.

Der Beschluss ist auf vier Jahre befristet. Nach drei Jahren soll die Neuregelung evaluiert wer-den, um eventuelle Auswirkungen auf die Versorgung zu untersuchen. Nur deshalb hat der Ver-treter der KBV diesem Beschluss zugestimmt.

Die 2013 geänderte Bedarfsplanung soll nach dem Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) (s. 11.2) weiterentwickelt werden. Der G-BA wird darin u.a. beauftragt, bis Ende 2016 die Ver-hältniszahlen neu festzulegen. Diese geben vor, wie viele Ärzte einer Fachgruppe für wie viele Einwohner zur Verfügung stehen sollen. Bei der Anpassung der Zahlen sollen insbesondere die demografische Entwicklung sowie die Sozial- und Morbiditätsstruktur der Bevölkerung berück-sichtigt werden.

10.2 Partielle Entsperrung des Planungsbereichs Werden Planungsbereiche entsperrt (Versorgungsgrad unter 110 %)113, erstarken die Zulassun-

gen derjenigen PP und KJP automatisch und ohne Antrag zur vollwertigen Zulassung, die bisher im Job-Sharing tätig waren. In gleichem Umfang vermindern sich die freien Sitze. Es gilt das Prin-zip „solange der Vorrat reicht“ und die folgende Reihenfolge: Erst Job-Sharing-GAB-Praxis-partner und danach Job-Sharing-Angestellte nach Dauer ihrer Anstellung (s. 6.).

Diese Regelung gilt nicht für Inhaber von Sonderbedarfszulassungen. Vertragspsychotherapeu-ten mit einer Sonderbedarfszulassung müssen daher nach einer Teilentsperrung eine Zulassung beantragen und werden in das Auswahlverfahren einbezogen (s. 1.3.1).

Verbleiben nach der Aufhebung der Leistungsbeschränkungen der Vertragspsychotherapeuten im Job-Sharing noch Zulassungsmöglichkeiten, wählt der ZA nach pflichtgemäßem Ermessen un-ter mehreren Bewerbern den geeignetsten Kandidaten unter Berücksichtigung folgender Kriterien nach § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie aus: o berufliche Eignung o Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit o Approbationsalter o Dauer der Eintragung in die Warteliste gem. § 103 Abs.5 Satz 1 SGB V o Versorgungsgesichtspunkte (siehe z.B. Fachgebietsschwerpunkt, Barrierefreiheit, Feststellun-

gen nach § 35 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Danach sind zusätzlich insbesondere folgende 6 Kriterien zu berücksichtigen: 1. die regionale Demografie, 2. die regionale Mobilität, 3. sozioökonomische Faktoren, 4. die Versorgungsstrukturen, 5. räumliche Faktoren, 6. infrastrukturelle Besonderheiten.

Die Prüfung kann sich insbesondere auf folgende Versorgungskonstellationen beziehen: 1. Verbesserung der Versorgung in nicht gesperrten Planungsbereichen vorrangig vor gesperrten

112 Bedarfsplanung. GBA sorgt für Unruhe unter Vertragsärzten. Ärzte Zeitung online, 22.04.2014 113 Die entsprechenden zahlen können dem „Planungsblatt zur Feststellung des Psychotherapeuten-Versorgungsgrades“ der KVN entnom-men werden. Siehe: http://www.kvn.de/Praxis/Bedarfsplanung/Beschluesse-Landesausschuss/

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Planungsbereichen, 2. Förderung der Gründung/Erhaltung von (Zweig-)Praxen in Regionen, in denen für die Bezugs- region nach Absatz 2 Unterversorgung festgestellt wurde, 3. Förderung von Leistungen, die zum Zeitpunkt der Prüfung durch die Ärzte in oder um die Be-

zugsregionen nach Absatz 2 nicht oder nicht im ausreichenden Maße erbracht werden, 4. Förderung des Leistungsumfangs, der durch die vorhandenen Ärzte in der Bezugsregion nach

Absatz 2 erbracht wird. Eine Rangfolge der zu berücksichtigenden Kriterien gibt § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie nicht vor. Grundsätzlich sind also alle Kriterien zu berücksichtigen. Die Gewichtung der Kriterien muss sachlich begründet werden.

Massenzulassung in Berlin114: 82 Psychotherapeutensitze (Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie) sind in einem Planungsbereich (Berlin) auf einen Schlag besetzt worden. Dieser ungewöhn-liche Fall ist vor dem Bundessozialgericht (BSG, Az.: B 6 KA 32/14 R v. 15.07.2015) gelandet. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hatte ein erhebliches Defizit in der psychothera-peutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen festgestellt und im Februar 2010 82 Sitze für diese Zielgruppe auf einen Schlag entsperrt. Es gab 118 Bewerbungen. Wohl mehr aus Not als aus Überzeugung berücksichtigte der ZA die Qualifikation zum KJP als oberstes Kriterium. Damit waren 31 PP mit zusätzlicher Fachkundeausbildung (Abrechnungsgenehmigung) aus dem Rennen. Die verbliebenen 87 KJP ordnete der ZA nach weiteren Kriterien auf einer Rangliste.

Die PP waren mit diesem Verfahren nicht einverstanden. Drei von ihnen klagten bis hinauf zum BSG. Dies bestätigte zunächst, dass die ausnahmslose Bevorzugung von KJP rechtswidrig war. Zuvor wollte auch der BA nicht behaupten, dass Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen in jedem Fall besser qualifiziert seien als PP mit zu-sätzlicher Fachkundeausbildung und entsprechender Berufserfahrung. Zumindest Ausnahmen hätte es geben müssen, z.B. für Bewerber, die sich für eine Praxis in Marzahn-Hellersdorf interes-sierten. Alle bestandskräftigen Zulassungen bleiben gültig.

Das zweite, weit schwierigere Thema, über das das BSG zu entscheiden hatte, war: wogegen hat sich bei Massenzulassungen eine Konkurrentenklage (s. 14.5) zu richten? Das LSG in Potsdam hatte hierzu noch die Auffassung vertreten, die Zulassungsentscheidung sei unteilbar. Freilich hatte keiner der Kläger (aus Kostengründen) sich gegen die gesamte Liste, sondern nur gegen eine einzelne Zulassung gewandt. Das BSG vertrat eine andere Position: „Jeder Bewerber muss prüfen dürfen, ob eine einzelne Zulassung fehlerhaft ist“.

Zwei beklagte Sitze sind in Berlin neu zu vergeben. In den Kreis der Bewerber kommen dabei alle, die Beschwerde gegen die Nichtzulassung eingelegt haben.

10.3 Quoten für ärztliche Psychotherapeuten (Ärzte-Quote) und für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (KJ-Quote)

10.3.1 KJ-Quote:

2009 ist nach dem 2008 in Kraft getretenen „Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisations-strukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-OrgWG) ein Mindestversorgungsanteil für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie in Höhe von 20 % eingeführt worden (20% - KJ-Quote), um die Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher zu verbessern. Der G-BA115 benötigte nach Inkrafttreten des Gesetzes noch fast 1 Jahr, um die notwendigen Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung dieser Mindestquote zu schaffen. Dabei zählte er Psy-chotherapeuten, die sowohl als Psychologische Psychotherapeuten als auch als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zur GKV zugelassen sind, jeweils zur Hälfte als Psychotherapeu-ten, die ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln. Ein Blick in die Abrechnungsdaten der KV’en hätte schon damals geklärt, dass doppelt approbierte und zugelassene Psychotherapeuten

114 Massenzulassungen. Richter wählen zwischen schlecht und unmöglich. Ärzte Zeitung online, 22.07.2015. 115

Pressemitteilung der BPtK: 177 zusätzliche Praxissitze für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Gemeinsamer Bun-desausschuss korrigiert falsche Berechnung. Berlin, 16.Februar 2012.

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nur in geringem Umfang Kinder und Jugendliche behandeln. Nur knapp 10 % dieser Psychothera-peuten behandeln zur Hälfte Kinder und Jugendliche.

2012 hat der G-BA seine Berechnung der Mindestquote für ambulante Kinder- und Jugendli-chenpsychotherapie korrigiert. Danach sind bundesweit ca. 170 zusätzliche Praxissitze für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie entstanden. Der Mindestversorgungsanteil für Leistungserbringer, die ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch behandeln, dient nicht – wie die Ärztequote – dem Schutz einer bestimm-ten Berufsgruppe, sondern stellt die Versorgung einer bestimmten Patientengruppe sicher. Alle Berufsgruppen können die Quote für sich in Anspruch nehmen, wenn sie ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch behandeln: Ärzte, PP und KJP. Die KJ-Quote ist damit versorgungsbezogen und ihre Verlängerung aus Versorgungsgründen ein Erfolg der BPtK. Durch diese Quote wurde die Versorgung von Kindern und Jugendlichen tatsäch-lich verbessert und wird weiterhin verbessert werden.

Der GB-A hat gem. § 101, Abs. 4 SGB V bis zum 31.12.2015 sicherzustellen, dass mindestens ein Versorgungsanteil in Höhe von 25% den überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten und mindestens ein Versorgungsanteil in Höhe von 20% den überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten und Psychotherapeuten, die ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch betreuen, vorbehalten ist.

Ab dem 1. Januar 2016 gelten die beschriebenen Mindestversorgungsanteile mit der Maßgabe fort, dass der GB-A ihre Höhe aus Versorgungsgründen bedarfsgerecht anpassen kann.

Bei der Feststellung der Überversorgung nach § 102 Abs. 1 sind die ermächtigten Psychothera-peuten nach § 95 Abs. 11 mitzurechnen.

10.3.2 Ärzte-Quote:

Der ärztliche Mindestversorgungsanteil innerhalb der Bedarfsplanungsgruppe der Psychothera-peuten lag nach dem PsychThG von 1999 für 10 Jahre (bis zum 31.12.2008) bei 40 % („Arztvor-behaltsquote“). Eingeführt wurde diese Quote mit dem PsychThG, als erstmals unterschiedliche Professionen in der Bedarfsplanung zu einer Arztgruppe zusammengefasst wurden. Der Gesetz-geber wollte damals u.a. verhindern, dass PP die Versorgung dominieren. In der Überzahl sind PP und KJP inzwischen schon.

In § 101 Abs.4 SGB V wurde 2009 geregelt, dass mindestens 25 % der Psychotherapeuten in einem Planungsbereich Ärzte sein müssen. Diese Regelung sollte zum Ende des Jahres 2013 aus-laufen. So hatte es der Gesetzgeber 2009 entschieden und so sah es auch die Bundespsychothe-rapeutenkammer (BPtK).

Der Berufsverband der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (BPM) war diesbezüglich anderer Meinung. Mit dem Rückenwind durch den Beschluss des G-BA, der in der neuen Bedarfsplanungs-Richtlinie von 2013 eine Verlängerung der Arztvorbehaltsquote vorsieht, hat er sich gegen das Votum des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) durchgesetzt, das den Vorschlag des G-BA mit dem Hinweis auf die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit bean-standet hatte.

Nach dem Beschluss des Bundestags am 7. Juni 2013 und dem Beschluss des Bundesrats am 5. Juli 2013 bleibt die Quote für psychotherapeutisch tätige Ärzte nunmehr weitere 2 Jahre bis zum 31.12.2015 bestehen.

Allerdings hat der Gesetzgeber die Regelung modifiziert: o Bisher konnten psychotherapeutische Praxissitze, die für Ärzte reserviert waren, nicht an PP

oder KJP vergeben werden. Die Mindestquote von 25 % für psychotherapeutisch tätige Ärzte verhinderte dies. Selbst dann, wenn sich kein Arzt für die Niederlassung fand, blieb ein sol-cher Praxissitz blockiert. Diese eigentlich freien Praxissitze wurden bei der Bedarfsplanung sogar als besetzt gezählt. Die Sitze für psychotherapeutisch tätige Ärzte blieben also weiter-

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hin erhalten. Wollten sie sich niederlassen, konnten sie das tun – auch wenn der Planungs-bezirk gesperrt war116.

o Seit 2014 können bundesweit etwa 200 Praxissitze, die bislang für psychotherapeutisch täti-ge Ärzte reserviert waren, auch an Psychologische Psychotherapeuten vergeben werden, wenn sich darauf keine Ärzte bewerben und sofern der tatsächliche Versorgungsgrad in dem betreffenden Planungsbereich unter 110 % liegt117. Oder anders ausgedrückt:

o Seit dem 1. Januar 2014 zählen nicht besetzte Sitze nicht mehr fiktiv als besetzt mit. Beispiel118:

o War bisher in einem Planungsbereich z.B. eine Zahl von 20 Psychotherapeuten festgelegt, so konnte sich dort niemand mehr niederlassen, sobald 22 Psychotherapeuten tätig waren (20 + 10 % davon). Gab es keinen psychotherapeutisch tätigen Arzt, so war der Planungsbe-reich jedoch bereits gesperrt, wenn 17 Zulassungen erteilt waren. Denn die 5 im Rahmen des Mindestversorgungsanteils von 25 % vorgesehenen Zulassungen für psychotherapeutisch tätige Ärzte wurden fiktiv zu den real existierenden 17 Zulassungen hinzugezählt, was eine Gesamtzahl von 22 ergab. Ab 22 Zulassungen war der Planungsbereich unseres Beispiels ge-sperrt. Statt der eigentlich 22 Zulassungen gab es nur 17. Die Folge: Verschärfung der ohne-hin bestehenden Unterversorgung.

o Nunmehr ist der Planungsbereich unseres Beispiels erst gesperrt, wenn dort tatsächlich 22 Psychotherapeuten arbeiten. Seit dem 1. Januar 2014 dürften sich dann noch 5 Psychothera-peuten in diesem Bereich niederlassen.

o Gibt es dann psychotherapeutisch tätige Ärzte, die sich dort niederlassen wollen, ist dies auch in Zukunft möglich, da die Mindestquote für ärztliche Psychotherapeuten erst einmal bis zum 31.12.2015 weiterhin gilt.

11. Nachbesetzungsverfahren 11.1 Antrag auf Ausschreibung an den ZA Vor 1993 konnte jede Praxis frei verkauft werden. Der Nachfolger erhielt eine Zulassung. Zulas-

sungsbeschränkungen gab es nicht.

Seit 1993 bis Ende 2012 musste in gesperrten Gebieten durch die KV ein Sitz ausgeschrieben werden und vom ZA ein Nachfolger ausgewählt werden. Die Ausschreibung eines Praxissitzes in einem gesperrten Bezirk durch die KV und die Auswahl aus den Bewerbern durch den ZA nach den Kriterien des § 104 Abs. 4 S.3 ff. SGB V konnte erfolgen, wenn ein PP oder KJP auf seine Zu-lassung verzichtete, diese ihm entzogen wurde oder er starb. Zugelassene Vertragsärzte und Ver-tragspsychotherapeuten oder ihre zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben119 konnten also in einem überversorgten Planungsbereich bei der Kassenärztlichen Vereinigung einen An-trag auf Ausschreibung des Praxissitzes zur Fortführung durch einen Nachfolger stellen, wenn die Zulassung durch Tod, Verzicht oder Entziehung endete. Der Antrag auf Ausschreibung konnte nur abgelehnt werden, wenn die Praxis bereits seit einem längeren Zeitraum gar nicht mehr oder nur in äußerst geringem Umfang betrieben wurde. Es bestand in diesen Fällen kein ausschrei-bungsfähiges Praxissubstrat (s. 11.7) mehr.

Seit dem 01. Januar 2013 hat sich das durch die Neufassung des § 103 Abs. 3a SGB V grundle-gend verändert. Dort heißt es:

116 Petra Bühring: Ambulante Versorgung psychisch Kranker. Diskussion um die Ärztequote. Deutsches Ärzteblatt / PP / Heft 6 / Juni 2013, S. 241. Sunna Gieseke: Kompromiss bei Ärztequote. Ärzte Zeitung, 20.06.2013. BPtK-Pressemitteilung: Blockade von 276 Praxissitzen verhindert. Gesetzgeber korrigiert Ärztequote. Juni 2013. 117 „Veränderte Anrechnung der nicht besetzten Sitze für ärztliche Psychotherapeuten“. In: PiA-News – Das Info-Magazin für junge Psychotherapeuten in der DPtV. Ausgabe 2/2013. 118 Mitteilungen der Bundespsychotherapeutenkammer: BPtK erreicht Verbesserung der Versorgung – Regelung zu Min-destquoten angepasst. Psychotherapeuten-journal 3/2013, S. 286 ff. 119

Gesetzliche Neuregelung des Nachbesetzungsverfahrens. [email protected]. 18.10.2012.

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„Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbe-schränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von ei-nem Nachfolger weitergeführt werden soll, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben, ob ein Nachbeset-zungsverfahren nach Absatz 4 für den Vertragsarztsitz durchgeführt werden soll. Satz 1 gilt auch bei hälftigem Verzicht oder bei hälftiger Entziehung; Satz 1 gilt nicht, wenn ein Vertragsarzt, des-sen Zulassung befristet ist, vor Ablauf der Frist auf seine Zulassung verzichtet. Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertrags-arztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist; dies gilt nicht, sofern die Praxis von ei-nem Nachfolger weitergeführt werden soll, der dem in Absatz 4 Satz 5 Nummer 5 und 6 bezeich-neten Personenkreis angehört. (Hiermit ist der privilegierte Personenkreis gemeint). Der Zulassungsausschuss beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit ist dem Antrag - abweichend von § 96 Absatz 2 Satz 6 - zu entsprechen. § 96 Absatz 4 findet keine Anwendung. Ein Vorverfahren … findet nicht statt. Klagen gegen einen Beschluss des Zulassungsausschusses, mit dem einem Antrag auf Durchfüh-rung eines Nachbesetzungsverfahrens entsprochen wird, haben keine aufschiebende Wirkung. Hat der Zulassungsausschuss den Antrag abgelehnt, hat die Kassenärztliche Vereinigung dem Vertragsarzt oder seinem zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser) (s. 11.5).

Seit dem 1. Januar 2013 hat also nicht mehr die Kassenärztliche Vereinigung darüber zu ent-scheiden, ob ein Sitz zur Nachbesetzung ausgeschrieben wird. Nunmehr hat ein Vertragsarzt oder seine über die Praxis verfügungsberechtigten Erben beim Zulassungsausschuss einen Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes zu stellen. Erst wenn dieser Antrag vom ZA positiv ent-schieden worden ist, kann das Nachbesetzungsverfahren beginnen. Sofern der ZA dem Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes stattgibt, ist der Vertrags-arztsitz in gewohnter Weise von der KV auszuschreiben.

Hier der neue Verfahrensablauf: 1. Voraussetzungen:

Gesperrtes Gebiet, bedingter Verzicht auf die Zulassung. 2. Antrag auf Durchführung der Nachbesetzung beim ZA:

(auch durch Erben und verbleibende BAG-Partner) o Der ZA prüft, ob die Nachbesetzung aus Versorgungsgründen erforderlich ist. Dabei ist

u.a. die bisherige Versorgungsleistung maßgebend. o Wenn die Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist, ist die Ableh-

nung der Ausschreibung durch den ZA möglich. o Der ZA hat zwei Möglichkeiten zu entscheiden:

a. er lehnt den Antrag ab (bei Stimmengleichheit im ZA ist dem Antrag zu entsprechen) und die KV zahlt eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes der Praxis. Die Höhe der Entschädigung wird von der KV festgelegt. Der ZA kann den Antrag nicht ablehnen, wenn der Nachfolger ein Kind, Ehepartner oder Lebenspartner ist (s. 11.3.1).

b. er gibt dem Antrag statt. Die KV hat den Sitz auszuschreiben („normales“ Verfahren). 3. Die KV schreibt mit Bewerbungsfrist aus, wenn die Prüfung nach 2. positiv ausgefallen ist. Die

eingegangenen Bewerbungen werden an den Praxisabgeber übersandt. 4. Der ZA wählt einen Nachfolger aus und erteilt die Zulassung:

Die Bewerber müssen bereit sein, (mindestens) den Verkehrswert der Praxis zu zahlen. Die Zulassung ist abhängig von der tatsächlichen Praxisübergabe.

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11.2 Fortführungsfähigkeit einer Praxis / Praxissubstrat Die Zulassung eines Arztes im Wege der Praxisnachfolge setzt die Existenz einer fortführungs-

fähigen Praxis voraus.

Am 05.06.2013 knüpfte das BSG in seiner Entscheidung (Az.: B 6 KA 2/13 B) an seine ständige Rechtsprechung an, wonach sich ein Vertragsarztsitz nur so lange für eine Praxisnachfolge eignet, als noch ein Praxissubstrat vorhanden und damit eine Praxisfortführung möglich ist.120 Dazu heißt es: „Eine Praxis kann aber i.S. des § 103 Abs. 4 S. 1 SGB V nur dann von einem Nachfolger fortgeführt werden, wenn der ausscheidende Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Zulassung tatsächlich unter einer bestimmten Anschrift in nennenswertem Umfang (noch) vertragsärztlich tätig gewesen ist. Das setzt u.a. die tatsächliche Entfaltung einer ärztlichen Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen voraus. Maßgeblich ist damit nicht allein, dass noch Praxisräume vorhanden sind, in den Räumlichkeiten müssen vielmehr noch nennenswerte vertragsärztliche Leistungen erbracht werden. Aus diesem Erfordernis ergibt sich ohne weiteres das Bestehen eines Patientenstammes. Die besondere Bindung zwischen Therapeut und Patient innerhalb einer psychotherapeutischen Behandlung steht dieser Sichtweise nicht entgegen. Das LSG hat insofern zu Recht keinen Raum für eine Privilegierung der psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringer gesehen. … Da Räum-lichkeiten, Ausstattung, Internetauftritt u.ä. erst durch den Bezug zur tatsächlichen vertragsärzt-lichen oder vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit einen spezifischen Praxiswert erlangen, ist diese für die Annahme eines Praxissubstrats unverzichtbar.“ „Ab welcher Zeitspanne eine Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit vorliegt, die der An-nahme einer fortführungsfähigen Praxis entgegensteht, entzieht sich einer generellen Bestim-mung und ist stets von der Bewertung der gesamten Umstände des Einzelfalls abhängig. Es un-terliegt keinem Zweifel, dass vier Jahre nach dem faktischen Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit ein Praxissubstrat nicht mehr vorhanden und eine Nachfolgezulassung nach § 103 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen ist.“ (Hervorhebungen durch den Autor).

Ein fortführungsfähiges Praxissubstrat liegt also im positiven Sinne dann vor, wenn neben Pra-xisräumen und angekündigten Sprechzeiten eine psychotherapeutische Tätigkeit in „nennens-wertem Umfang“ entfaltet wird.

„Nennenswert“ ist eine Tätigkeit, wenn überhaupt Versicherte behandelt werden – wobei eine bestimmte Anzahl abgerechneter Behandlungsfälle nicht vorausgesetzt wird. Auch eine „kleine“ Praxis ist damit fortführungsfähig. Die „nennenswerte“ Tätigkeit wurde durch weitere Rechtspre-chung inzwischen konkretisiert121. Entgegen der Auffassung einiger KVen, wonach eine nachfol-gefähige Praxis nur bei mindestens 10 Behandlungsfällen pro Quartal vorliegen soll, genügt es, dass überhaupt Versicherte behandelt werden und wenn die Behandlungsbereitschaft durch An-kündigung der vertragsärztlich und berufsrechtlich vorgesehenen Mindestsprechstundenzeiten dokumentiert wird.

Der „Praxisumfang“ spielt erst bei der Frage nach dem Praxiswert eine Rolle.122 Bei solch gerin-gen Behandlungsfallzahlen besteht allerdings die Gefahr, dass die Zulassung zuvor mangels Erfül-lung des Versorgungsauftrages entzogen wird oder der Antrag auf Ausschreibung zur Nachbeset-zung abgelehnt wird (s.o.).

Hat der Praxisabgeber das Mietverhältnis über die Praxisräume bereits gekündigt und ist dies ausgelaufen, so muss er sich zurechnen lassen, dass er das Praxissubstrat selbst vernichtet hat. Hat dagegen der Vermieter ihm gekündigt, so liegt ein nur notgedrungener – und daher unschäd-licher – Fall des Wechsels der Praxisräume vor.

120 U. Rüping: „Neues aus Kassel zum Praxissubstrat“. Vorgetragen beim 8. Treffen der psychotherapeutischen Mitglieder der Niedersächsi-schen und Bremischen Zulassungs- und Berufungsausschüsse am 24.08. 2013. 121 Dr. Uta Rüping: Fahrplan für die Nachbesetzung von Vertragspsychotherapeutensitzen. In: Kammertelegramm der PKN, 02/2013. 122 siehe Rüping/Soffner: Das Nachbesetzungsverfahren aus der Perspektive des Bewerbers und potentiellen Praxiskäufers“, PTJ, 1/2009).

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Das BSG hat in seinem Urteil vom 11.12.2013 (Az.: B 6 KA 49/12 R) erklärt123: „Eine fortführungsfähige Praxis setzt den (Mit-)Besitz von Praxisräumen, die Ankündigung von Sprechzeiten, die tatsächliche Entfaltung einer ärztlichen Tätigkeit unter den üblichen Bedingun-gen sowie das Bestehen der für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit im jeweiligen Fachgebiet er-forderlichen Praxisinfrastruktur voraus“. Dabei genüge es, dass die fortführungsfähige Praxis bzw. der Praxisteil zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Ausschreibung bestanden hat.

Kriterien für ein Praxissubstrat (zusammenfassend): o Besitz bzw. Mitbesitz von Praxisräumen bzw. deren Miete o Ankündigung von Sprechzeiten o Tatsächliche Entfaltung psychotherapeutischer Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen o Abrechnung erbrachter Leistungen o Für die Berufsausübung übliche und erforderliche Praxisinfrastruktur o Patientenstamm.

Fehlt es an all dem, wird eine psychotherapeutische Praxis tatsächlich nicht betrieben und infolge dessen auch die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit nicht ausgeübt (vgl. das Urteil des BSG vom 29.09.1999, B 6 KA 1/99 R).

Damit drängt sich die Frage auf, in welchem Zeitpunkt die genannten Voraussetzungen vorlie-gen müssen. Das BSG hat in einem Urteil vom 23.03.2016 (Az.: B 6 KA 9/15) entschieden, dass für die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit der Zeitpunkt der Antragstellung auf Ausschreibung des Praxissitzes maßgeblich ist. Es kommt demnach nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Ent-scheidung des ZA, des BA oder des Gerichts noch eine fortführungsfähige Praxis vorhanden ist. Ein Psychotherapeut ist demnach nicht gezwungen, den Praxisbetrieb solange aufrechtzuerhal-ten, bis es eine bestandskräftige Entscheidung im Nachbesetzungsverfahren gibt. Entscheidungs-erheblich ist allein, ob es zum Zeitpunkt der Antragstellung eine fortführungsfähige Praxis gab.

Es macht also keinen Sinn, die Praxis langsam „herunterzufahren“ und dann nur noch die Zulas-sung als Hülse zu verkaufen. Der Praxissitz hat dann seinen Wert verloren. Es ist kein Praxissub-strat mehr vorhanden. Wenn dies nicht der Fall ist, kann der Praxissitz nicht mehr verkauft wer-den. Die KV zieht ihn ein.

In einem anderen Urteil des BSG (Az.: B 6 KA 9/15 R)124 bestätigte das Gericht zunächst, dass die Nachbesetzung auch dann nicht ausscheidet, wenn die Zulassung wegen Pflichtverletzung des Arztes entzogen wurde. Die Entscheidung im Nachbesetzungsverfahren liege allein bei den Zu-lassungsgremien. Voraussetzung sei eine verwertbare Praxis. Für den Verkauf nur der Zulassung scheide ein Nachbesetzungsverfahren aus.

„Manipulationen“ des ausscheidenden Arztes seien soweit wie möglich zu unterbinden. Dies sei z.B. der Fall, wenn ein Arzt (wie in diesem Prozess) die Verhandlungen mit einem ausgewählten Nachfolger gezielt scheitern lässt, bis der Kandidat kommt, der am meisten bezahlt oder wenn er ohne gute Gründe einen Nachbesetzungsantrag zurückzieht (s. 11.6).

11.3 Aufkauf von Arztpraxen durch den ZA Bis zur Verabschiedung des Koalitionsvertrages 2013 hieß es: Der ZA kann den Antrag ablehnen,

„wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist“. Er muss es aber selbst dann nicht tun. Er hat eine Ermessensentscheidung zu treffen, die auf den Einzelfall abzustellen ist und nicht einer generellen Regelung zu folgen hat. Die ZA haben bisher von der Möglichkeit der Ablehnung aus Versorgungsgründen nur sehr zurückhaltend Ge-brauch gemacht.

Im Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG) ist 2015 eine kleine aber entscheidende Änderung des § 103 SGBV vorgenommen worden125. Danach „sollen“ (bislang „können“) die ZA Anträge

123 RA Rüping und Henning: BSG, Urteil vom 11.12.2013, Az.: B 6 KA 49/12 R. Vortrag für die PKN vor Mitgliedern der ZA und des BA am 19.07.2014. 124 BSG gegen Verzögerungstaktik bei Praxisnachfolge. Durch eine gezielte Antragsrücknahme kann ein Arzt das Recht auf Nachbesetzung

verlieren. Ärzte Zeitung 24.03.2016. 125 Ingo Pflugmacher: Einzug von Arztsitzen: Kleine Änderung hätte weitreichend Folgen. Ärzte Zeitung 7./8.11.2014, Seite 2.

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von Vertragsärzten und Vertragspsychotherapeuten auf Nachbesetzung ihres Sitzes ablehnen, wenn eine Fortführung der Praxis aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist (gelenktes Er-messen). Dies geht allerdings nur in Regionen, in denen 40 % mehr Ärzte/Psychotherapeuten zu-gelassen sind als rechnerisch entsprechend der Bedarfsplanungsrichtlinie erforderlich ist, also ab einem Versorgungsgrad von 140 %.

Eine solche „Soll-Regelung“ bedeutet rechtlich eine strikte Bindung für den Regelfall und gestat-tet Abweichungen nur in atypischen Ausnahmefällen. Es sollen dadurch zwei Effekte eintreten: 1. die Anzahl der Vertragsärzte in gut versorgten Gebieten soll abnehmen, 2. gleichzeitig sollen niederlassungswillige Ärzte ihre Tätigkeit in schlechter versorgten oder gar

unterversorgten Gebieten aufnehmen.

Juristisch heißt „soll“ „muss, wenn man kann“. Also eigentlich immer. Aus diesem Grund hat die KBV-Vertreterversammlung einstimmig eine Resolution verabschiedet126, in der sie diesen Ge-setzentwurf als ein verheerendes Signal an den dringend benötigten ärztlichen und psychothera-peutischen Nachwuchs brandmarkt. Außerdem macht sie darin deutlich, dass es absurd sei, auf der einen Seite durch den Zwangsaufkauf von Arztpraxen in überversorgten Regionen im schlimmsten Fall bis zu 25.000 Arztsitze „wegzurationalisieren“ und auf der anderen Seite zu lan-ge Wartezeiten auf Facharzttermine zu beklagen und dafür eigens Terminservicestellen bei den KV’en einrichten zu lassen – ein Instrument, mit dem die freie Arztwahl ausgehebelt werde.

Dieser massive Protest hat wohl die Bundesregierung dazu bewegt, im Kabinettsentwurf zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) hinzuzufügen127, dass die ZA nach wie vor die Mög-lichkeit haben, einem Antrag auf Nachbesetzung eines Sitzes in einem bedarfsplanungsrechtlich überversorgten Bereich zu entsprechen, wenn sie dies aus Versorgungsgründen für erforderlich halten.

Solche Versorgungsgründe könnten laut Gesetzesbegründung128 sein: o wenn bei Wegfall des Sitzes ein lokaler oder qualifikationsbezogener Sonderbedarf entstün-

de, o wenn die KJP-Vorbehaltsquote unterschritten würde, o wenn eine Vielzahl von Kostenerstattungsfällen die tatsächlich eingeschränkte Bedarfs-

deckung indiziert (die Krankenkassen müssten in die Pflicht genommen werden, die Zahlen zur Kostenerstattung offenzulegen. Daten einer durch die PKN erfolgten Umfrage unter Kos-tenerstattungspsychotherapeuten können dabei hilfreich sein)

o wenn eine Erhöhung der Bedarfszahlen zu erwarten steht, o wenn die Praxis bestimmte besondere Bedarfe befriedigt hat (z.B. Versorgungsbedürfnisse

von Menschen mit Behinderung), o wenn es nicht sicher ist, dass die bisher in der Praxis versorgten Patienten von anderen Pra-

xen in zumutbarer Entfernung übernommen werden können, o wenn die abzugebende Praxis gut ausgelastet war/ist, wobei es in der Psychotherapie nicht

(wie bisher von der KVN angedacht) auf die Patientenzahl, sondern abgerechneten Stunden (zzgl. Ausfallstunden) ankommen kann und wobei eine fachgruppendurchschnittliche Auslas-tung in den letzten 3 Jahren den Versorgungsbedarf unter Beweis stellen dürfte,

o wenn Mitversorgungsaspekte für das Umland bestehen.

Privilegiert im Sinne eines Anspruchs auf Ausschreibung ohne Prüfung des Versorgungsbedarfs sind: o Ausschreibungen zugunsten von Ehegatten, Lebenspartnern oder Kindern des bisherigen

Vertragsarztes o Bewerbern, die seit mindestens 3 Jahren beim ausscheidenden Vertragsarzt angestellt waren

oder

126 KBV-Vertreterversammlung: Geschlossener Protest gegen das „Arztentsorgungsgesetz“. Deutsches Ärzteblatt / PP / Heft 1 / Januar

2015. S. 7 f. 127 Petra Bühring: Versorgungsstärkungsgesetz. Kritik und Ausblicke. Deutsches Ärzteblatt / PP / Heft 1 / Januar 2015. S. 1. 128 Kathrin Nahmmacher: Welche Änderungen bringt das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz? Psychotherapie Aktuell, 7. Jahrgang, Heft 3,

2015, S. 43 ff. und Kanzlei Rüping: Ablehnung der Nachbesetzung und Entschädigung, § 103 Abs. 3 a i.d.F. des Versorgungsstärkungsgeset-zes. Seminar der PKN für Mitglieder der Zulassungsausschüsse der KVN am 11.06.2016.

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o Ausschreibungen zugunsten von BAG-Partnern, mit denen die Gemeinschaft mindestens 3 Jahre lang angedauert haben muss

o wenn der Bewerber mindestens 5 Jahre in einem unterversorgten Gebiet tätig war. (Diese Privilegierung gilt nur, wenn die Tätigkeit nach dem 23.07.2015 aufgenommen wurde).

o wenn sich der Bewerber verpflichtet, die Praxis in ein Gebiet des Planungsbereichs mit unge-decktem Versorgungsbedarf zu verlegen.

Die Einziehung von Arztsitzen ist unter folgenden Bedingungen ebenfalls nicht möglich129: o Der Antrag auf ein Nachbesetzungsverfahren kann prinzipiell nicht gegen die Stimmen der

Ärztevertreter im ZA abgelehnt werden, da der ZA mit einfacher Stimmenmehrheit be-schließt und bei Stimmengleichheit dem Antrag zu entsprechen ist (s. 11.1). Diese Regelung kann deshalb erhebliche Bedeutung haben, weil der ZA ein mit Vertretern der Ärz-te/Psychotherapeuten und der Krankenkassen in gleicher Zahl (paritätisch) besetztes Gremi-um ist. Können sich also Kassenvertreter und Ärztevertreter (paritätisch besetzt) nicht eini-gen, ist dem Antrag auf Ausschreibung stattzugeben130 (§103 Abs.3a S.4 SGB V).

o Wenn ortsansässige Kollegen gleicher Profession erklären, die Patienten desjenigen, der in den Ruhestand geht, nicht übernehmen zu können.

Wer sich vor unliebsamen Überraschungen schützen will, der sollte im Vorwege bei seiner KV den aktuellen Versorgungsgrad für die eigene Fachgruppe im Planungsbereich erfragen131. Man kann hierbei von dem rechtlichen Institut der Zusicherung nach § 34 SGB X Gebrauch machen. Man richtet hierbei eine Voranfrage an den ZA, ob er beabsichtigt, den Antrag auf Nach-besetzung aus Versorgungsgrünen abzulehnen. Der ZA muss diese Anfrage beantworten. Es gibt also Möglichkeiten, eine Praxisfortführung auch ohne das Damoklesschwert der Einzie-hung des Vertragsarztsitzes zu erreichen.

Grundlage für die Entscheidungen des ZA über die Nachbesetzung einer Praxis132 in einem ge-sperrten Planungsbereich ist immer eine Bedarfsanalyse durch die KV. Sie soll ermitteln, ob auf-grund der spezifischen Versorgungssituation vor Ort ein Bedarf besteht. In diese Analyse fließt o die Zahl der Patienten der frei werdenden Praxis ebenso ein wie o die Zahl der fachgruppengleichen Praxen im Umfeld oder o die Wege, die Patienten zurücklegen müssten, wenn der Praxisstandort aufgegeben würde. Solche Analysen können dazu führen, dass auch eine frei werdende Praxis im Zentrum einer Stadt (Stichwort „Mitversorgereffekte für das Umland“) wiederbesetzt wird.

Letztlich ist jede Nachbesetzung eine Einzelfallentscheidung. Das SG Nürnberg hat in seinem Urteil vom 20.03.2014 (Az.: S 1 KA 64/13) zur Prüfung der Erfor-derlichkeit der Nachbesetzung einer Praxis folgenden Leitsatz formuliert: „Die gerichtliche Kontrolle des Ermessenspielraums des ZA bezüglich des Vorliegens der Notwen-digkeit einer Nachbesetzung aus Versorgungsgründen beschränkt sich darauf, ob der Verwal-tungsentscheidung u.a. ein vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die durch Aus-legung des Begriffs „Erforderlichkeit aus Versorgungsgründen“ zu ermittelnden Grenzen einge-halten und ob die Substitutionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung des Beurtei-lungsmaßstabes erkennbar und nachvollziehbar ist“. (Hervorhebungen durch den Autor).

Das BSG entschied kürzlich, dass es auch von Dauer und Intensität der bisherigen Zusammen-arbeit in der Berufsausübungsgemeinschaft abhängt, welches Gewicht den Interessen der in der Praxis verbleibenden Ärzte einer Berufsausübungsgemeinschaft bei der Bewerberauswahl bei-zumessen ist (BSG, Urteil vom 11.12.2013, Az.: B 6 KA 49/12 R). Zur kurzfristigen Gründung einer (Job-Sharing)-BAG, nur um die Praxis ausschreiben und einen Wunschnachfolger durchsetzen zu können, kann daher nicht mehr geraten werden. Praxisabgaben sollten langfristig geplant wer-den. Nach dem Versorgungsstärkungsgesetz soll die Ablehnung des Ausschreibungsantrages nur

129 Christoph Winnat: Praxis-Aufkauf. Der Gesetzgeber zieht die Zügel an. Ärzte Zeitung 22.12.2014. 130 Jens-Peter Jahn: Praxisabgabe/-übernahme. In: MHP, 56. Aktualisierung, Juli 2013, S.13. 131 Ingo Pflugmacher: Wann kann der Zulassungsausschuss stilllegen? Ärzte Zeitung App, 20.11.2014. 132 H. Korzilius & S. Rieser: Sorge wegen „Rasenmäherverfahren“. Deutsches Ärzteblatt / PP / Heft 12 / Dezember 2014, S. 542.

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noch dann zulässig sein, wenn das Anstellungsverhältnis oder der gemeinschaftliche Betrieb der Praxis weniger als drei Jahre angedauert hat. Dadurch soll verhindert werden, dass die Regelung zum Abbau von Überversorgung durch kurzzeitige Anstellungs- oder Job-Sharing-Verhältnisse umgangen werden.

Es wird also in Zukunft entscheidend darauf ankommen, überzeugend darzulegen, aus welchen Gründen der Vertragsarztsitz weiterhin erforderlich ist und deshalb eine Ablehnung des Nachbe-setzungsverfahrens nicht in Betracht kommt. Gründe hierfür könnten sein: längere Abwesenheit aus Krankheit, ein besonderes Versorgungsangebot oder die Tatsache, dass die spezielle Fach-richtung in einem MVZ benötigt wird. Diese Gründe sollten auf jeden Fall der KV gemeldet wer-den.

Wenn Psychotherapeuten während der Sitzung des ZA erkennen, dass die Nachbesetzung wohl abgelehnt wird, sollten sie ihren Antrag zurückziehen. Grundsätzlich ist es im Sinne der KV, ge-meinsam mit den Ärzten und Psychotherapeuten eine Lösung zu finden – nicht zuletzt, da sie sonst eine Entschädigung zahlen muss. Denn: Welches Interesse sollte die KV haben, Geld aus der Gesamtvergütung zu nehmen, um damit Praxen aufzukaufen?133

Im GKV-VSG ist bisher nicht festgelegt, nach welchen Kriterien die ZA eine Ausschreibung des Vertragsarztsitzes ablehnen können134. Der simple Verweis auf eine Überversorgung kann kein Kriterium für die Ablehnung der Praxisfortführung durch einen Nachfolger sein, da die Sperrung des Planungsbereichs wegen Überversorgung bereits die Grundvoraussetzung dafür ist, dass überhaupt ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt werden kann. Letztlich kommt es dann im Einzelfall maßgeblich darauf an, ob die anderen im Einzugsbereich der Praxis niedergelassenen Vertragsärzte bereit und in der Lage sind, die Patienten des betroffenen Arztes zu übernehmen. Dieser Aspekt wird auch vom SG Nürnberg (Az.: S 1 KA 64/13) betont.

11.4 Verkehrswertentschädigung durch die KV Wenn die Praxisfortführung vom ZA nicht gewünscht ist und die Einziehung droht, sollte man

sich alternativ klarmachen, welche Verkehrswertentschädigung von der KV zu erwarten ist.

Hat der ZA den Antrag auf Ausschreibung der Praxis abgelehnt, hat die KV dem Vertragsarzt oder seinen zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben eine Entschädigung in Höhe des Ver-kehrswertes der Praxis zu zahlen.

Es besteht noch keine Kenntnis darüber, wie die Verkehrswertentschädigungen – namentlich im Bereich der Psychotherapie – ausfallen werden.

Das Verfahren zur Verkehrswertbestimmung ist im Gesetz nicht beschrieben. Nachdem sich das BSG unter Aufhebung eines Urteils des LSG Stuttgart dem BGH angeschlossen hat (Az.: B 6 KA 39/10 R), dürfte die modifizierte Ertragswertmethode (s. 14.3) das Mittel der Wahl sein. o Einige KVen vertreten dennoch die Auffassung, die Entschädigung135 könne allein auf der

Grundlage der vertragsärztlichen Umsätze der Praxis und anhand einer stark vereinfachten Pauschalierung festgesetzt werden. Vereinfacht wird dies damit begründet, dass mit der Ab-lehnung der Ausschreibung nur die Zulassung entzogen werde, der betroffene Arzt könne ja privatärztlich weiterarbeiten und seine Praxisausstattung weiterhin nutzen oder selbst ver-kaufen. Wird lediglich auf den Umsatz, nicht aber auf den Gewinn rekurriert, wird die Ent-schädigung schlicht in Höhe von zwei GKV-Quartalsumsätzen festgesetzt.

o Dieser Ansatz ist nach Pflugmacher nicht haltbar. Nach der Gesetzesbegründung zum GKV-VStG wurde die Entschädigungsregelung in Anlehnung an die bisherige Regelung zur Be-stimmung des Verkehrswertes der Praxis (§ 103 Abs. 4 SGB V) formuliert. Zum Verkehrswert der Praxis hat das BSG (Az.: B 6 KA 39/10 R) bereits ausführlich Stellung genommen.

Es stellt sich zudem die Frage, ob der Arzt auch für Vermögensnachteile zu entschädigen ist, die ihm bei der Fortführung der Praxis durch einen Nachfolger voraussichtlich nicht entstanden wären. Dies betrifft insbesondere Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen wie Miete,

133 Ilse Schliengensiepen: Zwangsaufkauf. Kleine Praxen geraten unter Druck. Ärzte Zeitung 27.10.2015 134 Ingo Pflugmacher: Wann kann der Zulassungsausschuss stilllegen? Ärzte Zeitung App, 20.11.2014. 135 Ingo Pflugmacher: KVen müssen wohl tiefer in die Tasche greifen. Ärzte Zeitung, 01.12.2014.

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Leasing oder Arbeitsverträgen (Stichwort „Betriebsübergang“). Ob solche Verpflichtungen tat-sächlich entschädigungspflichtig sind, kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Entschädigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kein Schadenersatz. Chancen, Hoffnungen und Anwartschaften sind nicht eigentumsrechtlich geschützt und also nicht entschädigungspflichtig.

Eine weitere Frage betrifft die Entschädigung für das materielle Vermögen, also die Praxisaus-stattung und Geräte. Die KV hat nach überwiegender Meinung eine Entschädigung nach Fortfüh-rungswerten zu zahlen. Der Fortführungswert beschreibt den Wert, den das Gerät oder die Praxis bei weiterer Nutzung durch einen Arzt hat.

Man kann die wirtschaftliche Relevanz dieser Fragen reduzieren, wenn im Falle einer Praxisstill-legung der Zeitpunkt mit den Kündigungsmöglichkeiten der Dauerschuldverhältnisse harmoni-siert wird. Hierzu bedarf es einer Abstimmung zwischen Arzt, ZA und KV. Wenn man die vom Gesetzgeber gewollte Stilllegung schon nicht verhindern kann, so sollte wenigstens diese Abstimmung auf regionaler Ebene erfolgen.

Gibt es keine Einigung über die Höhe der Entschädigung, muss sie durch einen Sachverständigen ermittelt werden, wobei unklar ist, wer diesen bestimmen kann136. Über die Höhe der Entschädi-gungen wird es einigen Streit geben137.

Anhand des oben geschilderten Verfahrensablaufs wird deutlich, dass die Nachbesetzung einer Praxis in „überversorgten“ Gebieten zukünftig in jedem Fall mehr Zeit als bisher in Anspruch nehmen wird und mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden ist.

Die Vertreterversammlung (VV) der KVN hat in ihrer Sitzung am 17.11.2012 beschlossen: § 7 der Sicherstellungsrichtlinien der KVN wird wie folgt gefasst: „Soweit die KVN nach der Ablehnung eines Antrags auf Durchführung eines Nachbesetzungsver-fahrens durch den Zulassungsausschuss gemäß § 103 Abs. 3a Satz 8 SGB V dazu verpflichtet ist, dem Vertragsarzt oder seinen zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben eine Entschädi-gung in Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen, wird der Vorstand der KVN ermäch-tigt, die Zahlung der Entschädigung aus Mitteln des Sicherstellungsfonds zu leisten“138.

Es gehört wenig Phantasie zu der Prognose, dass die Entschädigung unter dem Preis bleiben wird, den ein Arzt mit einem Interessenten aushandeln könnte139.

11.5 Rechtsmittel gegen die Ablehnung des Antrags auf Ausschreibung durch den ZA Gegen die Ablehnung des Antrags auf Ausschreibung durch den ZA ist kein Widerspruch zum

Berufungsausschuss (BA), sondern nur Klage zum Sozialgericht (SG) möglich. Die Klage zum Sozialgericht ist die verbleibende Option, hat aber keine aufschiebende Wirkung.

Wenn der Antrag auf Ausschreibung vom ZA abgelehnt wird, kann der Abgeber, der nicht end-gültig verzichten und nicht entschädigt werden will, ebenso wie die KV dagegen Verpflichtungs-klage mit dem Ziel der Erzwingung der Ausschreibung erheben. Im Klageverfahren werden die entsprechenden Voraussetzungen geprüft. Dabei muss das SG aber den Beurteilungsspielraum des ZA unangetastet lassen. Die Klage hat Erfolg, wenn die Voraussetzungen der Versorgung falsch beurteilt worden sind oder die geforderte Ermessensausübung ausgeblieben ist.140. Der Praxisabgeber muss während des Verfahrens das Praxissubstrat erhalten, da es ansonsten nicht zu einer Ausschreibung kommen kann.

Noch schwieriger ist die Rechtsschutzsituation bei der Entscheidung für die Ausschreibung. Der ZA sollte diese Entscheidung sehr schnell allen Anfechtungsberechtigten mit Rechtsbehelfsbeleh-

136 M. Plantholz & K. Nahmmacher: Praxisabgabe, Praxiserwerb und Anstellung nach dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz. In: Psychotherapie Aktuell der DPtV, 4. Jahrgang, Heft 2, 2012, S. 32. 137 Ilse Schlingensiepen: Praxis nicht mehr ausgeschrieben. Die knifflige Entschädigung. Ärzte Zeitung, 24.01.2013 138 „Änderung der Sicherstellungsrichtlinien der KVN“. Niedersächsisches Ärzteblatt 12/2012, S. 59. 139 Ilse Schlingensiepen: Kommentar zur Praxisnachfolge. Eine Ungewissheit mehr. Ärzte Zeitung, 24.01.2013 140 U. Rüping: Änderung des § 103 Abs. 3a SGB V zum 01.01.2013. Ausschreibungsentscheidung des Zulassungsausschusses, Nichtausschreibung und Verkehrswertentschädigung. Vortrag beim 8. Treffen der psychotherapeutischen Mitglieder der Niedersächsischen und Bremischen Zulassungs- und Berufungsausschüsse am 24.08.2013.

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rung zustellen, damit diese binnen der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat durch Klageerhe-bung Farbe bekennen müssen.

Wenn die Anfechtungsberechtigten keine Klage erheben, wird die Ausschreibungsentscheidung bestandskräftig und das Ausschreibungsverfahren ist rechtlich nicht mehr zu stoppen; der Abge-ber kann seinen Ausschreibungsantrag nicht mehr zurücknehmen. Die potenziellen Klagen sind verfristet. Die Nachbesetzung scheitert nur noch, wenn sich kein Nachfolger findet141.

11.6 Kann der Antrag auf Ausschreibung / Nachbesetzung zurückgenommen werden? Seit Anfang 2013 herrscht Unsicherheit in Sachen Praxisnachfolge142. Es ist zwar jetzt eindeutig

geregelt, dass in Gebieten mit Zulassungsbeschränkungen auf Antrag eines Vertragsarztes die Zulassungsausschüsse (ZA) darüber entscheiden, ob die KV den Sitz ausschreibt oder nicht. a. Unklar war, ob der verkaufswillige Arzt seinen Antrag auf Ausschreibung seines Sitzes wieder

zurückziehen kann, nachdem er ihn gestellt hat. Geklärt ist jetzt, dass der Praxisabgeber sei-nen Ausschreibungsantrag bis zur Entscheidung des ZA zurücknehmen kann143. Mit Eingang der Rücknahmeerklärung bei der KV und dem ZA endet das Nachbesetzungsverfahren auto-matisch.

b. In der Rechtsprechung ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob die Ausschreibung der Vertragspsychotherapeutenpraxis beliebig oft beantragt werden darf. Einige KV’en und ZA vertreten die Auffassung, dass der Praxisabgeber sein Ausschreibungsrecht verliert, wenn er ohne triftigen Grund den Ausschreibungsantrag zurücknimmt. Die Antragsrücknahme ist da-her mit Vorsicht und ggfs. unter Zuhilfenahme anwaltlicher Beratung zu erklären. Es lohnt sich deshalb, sich die Details des neuen Verfahrens anzusehen.

Wenn ein Arzt zugunsten eines Nachfolgers auf seine eigene Zulassung verzichten will, so ent-scheidet heute (wie oben beschrieben) der ZA auf Antrag des Arztes, ob ein Nachbesetzungsver-fahren überhaupt durchgeführt werden soll. o Lehnt der ZA dies ab, hat die KV dem Arzt dafür eine Entschädigung zu zahlen. o Hält der ZA die Nachbesetzung aber für sinnvoll, beschließt er dies in Form eines Verwal-

tungsaktes, der dem Praxisinhaber zugestellt wird und einen Monat nach Zustellung be-standskräftig wird.

Nach allgemeiner Meinung endet jedes verwaltungsrechtliche Verfahren mit Bestandskraft des beantragten Bescheides. Danach kann dann der verfahrenseinleitende Antrag nicht mehr zurück-genommen werden. Diese Konsequenz wurde bei der Formulierung des § 103 Abs. 3a SGB V offensichtlich übersehen: o bisher handelte es sich um ein mehrstufiges Geschehen, o jetzt sind es zwei unterschiedliche Verwaltungsverfahren:

im ersten Verfahren wird entschieden, ob überhaupt eine Ausschreibung erfolgt, im zweiten Verfahren erfolgt dann die Bewerberauswahl. Dieses zweite Verfahren setzt

aber nach dem Gesetzeswortlaut keinen erneuten Antrag des Arztes voraus, er kann also auch keinen Antrag zurücknehmen.

Dies ist zwar vordergründig richtig, das suggerierte Ergebnis ist aber falsch: Man muss sich ver-gegenwärtigen, dass das Nachfolgezulassungsverfahren nur existiert, um einem Arzt die Verwer-tung seiner Praxis durch Verkauf zu ermöglichen. Er ist also derjenige, dem dieses Verfahren dient. Die Nachfolgezulassung flankiert also den Verkauf seiner Praxis.

Dies hat das BSG bereits 1999 in seiner Grundsatzentscheidung (Az.: B 6 KA 1/99 R) festgestellt, in der es betont, dass der privatrechtliche Verkauf einer Praxis und die öffentlich-rechtliche Nach-folgezulassung ineinandergreifen.

141 U. Rüping: Änderung des § 103 Abs. 3a SGB V zum 01.01.2013. Ausschreibungsentscheidung des Zulassungsausschusses, Nichtausschreibung und Verkehrswertentschädigung. Vortrag beim 8. Treffen der psychotherapeutischen Mitglieder der Niedersächsischen und Bremischen Zulassungs- und Berufungsausschüsse am 24.08.2013. 142

Ingo Pflugmacher: Praxisnachfolge: Steckt im neuen Zulassungsverfahren eine Falle? Ärzte Zeitung 20.02.2013 143 Dr. Uta Rüping: Fahrplan für die Nachbesetzung von Vertragspsychotherapeutensitzen. In: Kammertelegramm der PKN,

02/2013.

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Schließlich hat das SG Marburg Ende 2011 (S 12 KA 797/11 ER) festgestellt, dass die Nachfolgezu-lassung voraussetzt, dass der zuzulassende Arzt auch Käufer der Praxis ist.

Wenn nun der Praxisinhaber ein Nachbesetzungsverfahren nicht mehr beenden könnte, so könn-te es zu der Konstellation kommen, dass sich eine Person bewirbt, mit der er aber keinen Kauf-vertrag abschließen möchte oder kann.

Wenn daher der Praxisinhaber erklärt, er habe mit dem Bewerber, den der ZA für geeignet hält, keinen Kaufvertrag geschlossen, dürfen die ZA ihn nicht zulassen bzw. nicht ohne die Bedingung zulassen, dass ein Kaufvertrag geschlossen wird, da er in diesem Fall die Praxis mangels Erwerbs nicht weiterführen kann.

Das Gesetz bietet hier eine probate Möglichkeit: Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt aufzu-heben, wenn eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eintritt. Solche Tat-sachen können auch innere Umstände sein, also der Wille des Praxisinhabers, auf seine Zulas-sung zu verzichten und die Praxis von einem Nachfolger weiterführen zu lassen. Erklärt also der Praxisinhaber, die Praxis solle nicht von einem Nachfolger fortgeführt werden, so ist der erste Beschluss des ZA, mit dem die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens genehmigt wurde, aufzuheben. Damit entfällt die Grundlage für das Verfahren der Bewerberauswahl – der zweite Beschluss des ZA. Dieses Verfahren ist somit einzustellen.

12. Nachfolgezulassung 12.1 Das Procedere der Nachfolgezulassung

Wer als Vertragspsychotherapeut im gesperrten Bezirk aus Alters- oder anderen Gründen seine Praxis verkaufen möchte, muss das System der „Nachfolgezulassung“ durchlaufen. Wenn er dies nicht tut, entfällt der geldwerte Anspruch, also der Wert seiner Praxis, und der Praxissitz wird von der KV eingezogen, also vernichtet. Damit begibt er sich nicht nur der Möglichkeit des Profits, sondern er lässt zu, dass ein wertvoller Praxissitz erlischt und entzieht diesen damit dem psychotherapeutischen Nachwuchs.

Hat der ZA seinem Antrag auf Ausschreibung eines Praxissitzes entsprochen, hat die KV den Ver-tragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern unverzüglich auszuschreiben und eine Liste der eingehenden Bewerbungen zu erstellen.

Die KVN schreibt die zur Disposition gestellte Praxis einschließlich der Vertragspsychotherapeu-ten-Zulassung in ihrem amtlichen Publikationsorgan, z.B. dem „Niedersächsischen Ärzteblatt“, aus. (Termin für Redaktionsschluss beachten!).

Die KV veranlasst dann die Veröffentlichung der Ausschreibung unter Angabe einer Frist für die Abgabe von Bewerbungen144. Diese Bewerbungsfrist beträgt üblicherweise vier Wochen. Eine rechtliche Grundlage gibt es jedoch für solche Bewerbungsfristen nicht. Es ist streitig, ob die ge-setzte Bewerbungsfrist eine Ausschlussfrist ist, weshalb die Bewerber gut beraten sind, sich in-nerhalb der gesetzten Bewerbungsfrist zu bewerben.

Nach Ablauf der Bewerbungsfrist erstellt die KV eine Liste der eingegangenen Bewerbungen und übergibt sie dem Praxisabgeber und dem ZA. Ebenso übermittelt die KV die Bewerberliste an den ZA, der nunmehr für das eigentliche Nachbesetzungsverfahren zuständig ist.

Der Praxisabgeber ist jetzt gehalten, mit den auf der Liste aufgeführten Bewerbern die Praxis-übernahmeverhandlungen aufzunehmen. Bei diesem zivilrechtlichen Geschäft geht es um den Praxiskaufvertrag, um die Bemessung des Kaufpreises, um Sicherheitsleistungen für den Kauf-preis und um die Organisation der Praxisübernahme hinsichtlich der Praxisräumlichkeiten, des Patientenstammes, der Warteliste und der Patientenkartei.

144 Dr. Uta Rüping: Fahrplan für die Nachbesetzung von Vertragspsychotherapeutensitzen. In: Kammertelegramm der PKN,

02/2013.

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Aus dem Bewerberkreis wählt der ZA den geeigneten Nachfolger aus und lässt ihn als Vertrags-psychotherapeut zu, wenn es zu einem Vertrag zwischen Verkäufer und Käufer gekommen ist. Der abgebende Kollege kann also nicht selbst seinen Praxisnachfolger auswählen.

Die Auswahl des Praxisnachfolgers erfolgt aufgrund der Auswahlkriterien des SGB V (s. 12.2).

Um bei diesem Nachbesetzungsverfahren145 Fehler zu vermeiden, die zu einem Verlust der Zu-lassung führen können, ist Folgendes zu beachten:

Erste Phase: Antrag auf Ausschreibung an den ZA o Der Praxisinhaber stellt bei dem zuständigen ZA einen Antrag auf Ausschreibung seines Ver-

tragsarztsitzes. Beizufügen sind: Arztregisterauszug, unterschriebener tabellarischer Lebenslauf, Kopie des Arbeitsvertrags (bei Nebentätigkeit), Führungszeugnis Belegart „0“ - nicht älter als 3 Monate, Erklärung §§ 20, 21 Ärzte-ZV (Rauschgift-, Trunksucht, persönliche Leistungserbringung).

o Dieser Antrag kann formlos gestellt werden und muss noch keinen Verzicht zu einem bestimm-ten Termin enthalten.

o Der Verzicht sollte unter der aufschiebenden Bedingung erklärt werden, dass ein Nachfolger bestandskräftig zugelassen wird und die Praxis übernimmt (s.u.). Eine Verzichtserklärung unter dieser Bedingung ist deshalb so wichtig, damit der Praxisabgeber die Praxis selbst bei Scheitern der Nachbesetzung wieder (ggf. bis zu einer Neuausschreibung) weiterführen kann. Die Fürsor-gepflicht des ZA verbietet es, dem Praxisabgeber (nicht schon in der Sitzung über die Durchfüh-rung des Ausschreibungsverfahrens) eine vorbehaltlose Verzichtserklärung abzuverlangen, mit welcher dieser Gefahr läuft, dass die wirtschaftliche Verwertung seiner Praxis bei Schwierigkeiten im Zulassungsverfahren gänzlich unmöglich wird.

Zweite Phase: Ausschreibung des Praxissitzes durch die KV o Die KV schreibt den Praxissitz in ihrem amtlichen Mitteilungsblatt, aus, sofern der ZA dem

Nachbesetzungsverfahren zugestimmt hat. o Sie leitet eingehende Bewerbungen dem Praxisinhaber zu. o Erfahrungsgemäß sind zwischen Antragstellung und Ausschreibungsveröffentlichung mehrere

Monate anzusetzen. o Die Ausschreibungsfrist wird in der Regel mit einer Bewerbungsfrist von vier Wochen versehen. o Die Übergabe der Praxis an einen Nachfolger bedarf also unbedingt eines geordneten Zeitplans

und der Abstimmung mit allen Beteiligten. Abgabe und Übernahme im gesperrten Bezirk sollten also von langer Hand geplant werden.

o Insgesamt ist für die Abwicklung der Praxisabgabe ausreichend Zeit einzukalkulieren: - der nächste Sitzungstermin des ZA (für Angelegenheiten der Psychotherapeuten tagt der ZA

nur einmal im Quartal, also nur 4 mal im Jahr), - der Redaktionsschluss im Organ der KV (z.B. „Niedersächsischen Ärzteblatt“), - die Bewerbungsfristen, - die Kündigungsfristen der Bewerber, - die Verlängerungsmöglichkeiten des Mietvertrags und - vieles mehr müssen bedacht werden.

Dritte Phase: Bestimmung des Praxiswerts o Verkäufer und Käufer verhandeln über den Praxiswert. Dafür kann u.a. eine Aufteilung des Kauf-

preises in einen materiellen und einen ideellen Wert erforderlich sein. o Der ZA wird den Verkehrswert der Praxis nur dann prüfen, wenn der geeignete und vom ZA aus-

zuwählende Praxisnachfolger behauptet, der angebotene Kaufpreis entspreche nicht dem Ver-kehrswert der Praxis.

145 Zu diesem „Procedere“ siehe Rüping/Mittelstaedt: Abgabe, Kauf und Bewertung psychotherapeutischer Praxen.

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(Zur Bestimmung des Verkehrswerts und des Praxiswerts s. 14.1 - 14.4). Vierte Phase: Praxisübernahmevertrag o Der Praxisinhaber sollte Kontakt mit den Bewerbern aufnehmen und Praxisübernahme-

gespräche führen. Wer als Bewerber mit der Bemerkung „die Praxis ist schon weg“ abgespeist wird, kann sich später gegen die Übertragung der Praxis auf einen anderen Kollegen rechtlich wehren, wenn er als geeigneter Bewerber auszuwählen ist/gewesen wäre. Jeder Bewerber kann ein potenzieller Nachfolger/Käufer sein.

o Außerdem ist bei mehreren Bewerbern möglichst mit jedem Bewerber, der die Praxis kaufen will, vorsorglich ein (zivilrechtlicher) Praxisübernahmevorvertrag abzuschließen.

o Eine zusätzliche Möglichkeit, als Verkäufer eine zeitnahe Praxisabgabe abzusichern, besteht da-rin, mit mehreren in Frage kommenden Bewerbern einen Kaufvertrag abzuschließen, der eine Klausel enthält, dass der Kandidat keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung des ZA einlegt, wenn er nicht zum Zuge kommt.

o Als aufschiebende Bedingung sollte vereinbart werden, dass der Übernahmevertrag nur zustan-de kommt, wenn die Zulassung als Vertragspsychotherapeut erfolgt.

o Zugleich muss der Abgeber aber berücksichtigen, dass der Übernehmer auch die Fortführung der Praxis gewährleisten muss. Daher werden Kollegen, die über die gleiche psychotherapeutische Spezialisierung (z.B. VT) verfügen, die bislang betreute Klientel auch weiterhin versorgen wollen und sich in den Praxisalltag schon eingearbeitet haben, vom ZA bei der Auswahl bevorzugt.

o Für den Praxisübernahmevertrag gibt es keine Formvorschriften. Prämisse für den Praxisabge-ber sollte allerdings sein: Keine Durchführung der Nachbesetzung ohne unterschriebenen Praxis-übernahmevertrag.

o Im Praxisübernahmevertrag werden genannt (nicht abschließend!): - Verkäufer und Käufer, - Verkaufsgegenstand (z.B. psychotherapeutische Praxis N.N.), - Datum der Übernahme, - Zeitpunkt der Fälligkeit des Kaufpreises, - Sicherheiten für die Kaufpreiszahlung - Konto, auf das die Kaufsumme überwiesen werden soll, - Höhe der Verzugszinsen, die fällig werden, wenn der Kaufpreis nicht rechtzeitig überwiesen

wird, - Verträge, die übernommen werden sollen (s.u.).

o Der Praxisübernehmer hat ein berechtigtes Interesse auf Einsicht in alle Unterlagen. Dabei gilt die Regel, dass Einsicht in die letzten 3 Jahre der Einnahmen - und Ausgaben-Rechnungen der Praxis, gewährt werden sollte.

o Der Praxisübernehmer sollte über die wirtschaftliche Situation der zu übernehmenden Praxis vollständig und umfassend informiert sein, also über - Kassen- und Privatpatientenhonorar-Einnahmen, - Zahl der abgerechneten Behandlungsfälle, - Patientenstamm, - Privatpatientenanteil, - Kostenstruktur, - Praxisgewinn, - bestehende Dauerschuldverhältnisse etc.

o Die Absicherung oder Abänderung der bekannten Praxisrufnummern ist für den Nachfolger zu regeln.

o Falls noch Verbindlichkeiten aus dem Praxisbetrieb des abgebenden Psychotherapeuten beste-hen, sind sie entsprechend abzugrenzen. Es werden Regelungen getroffen darüber, wer, wofür und bis wann zuständig ist. Auch hinsichtlich noch zu zahlender Beträge, die z.B. aus Personalver-trägen stammen, sind Regelungen zu treffen.

o Bestehen für die Praxis laufende Verträge (z.B. Mietvertrag), sollte rechtzeitig vorher mit dem Praxisübernehmer abgestimmt werden, welche Verträge übernommen werden müssen und wel-

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che nicht. Im Praxisübernahmevertrag wird daher vereinbart, welche Verträge zu übernehmen sind. Diese Verträge werden in einer Anlage zum Praxisübernahmevertrag aufgeführt.

o Falls im Mietvertrag des Abgebers keine „Nachfolgeklausel“ aufgenommen wurde, muss im Zu-sammenhang mit der Praxisabgabe daher auch mit dem Vermieter der Räumlichkeiten oder ggf. mit den Praxisgemeinschaftspartnern über einen „Austausch“ der Mieterseite verhandelt wer-den. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses kann durch Abschluss eines neuen Mietvertrags zwischen Vermieter und Übernehmer oder aber durch die Vereinbarung eines Eintritts des Übernehmers in das bereits bestehende Mietverhältnis erfolgen. In jedem Falle ist die Zustimmung des Vermie-ters erforderlich, weshalb es ratsam ist, den Vermieter schon frühzeitig über die beabsichtigte Praxisabgebe zu informieren und die Basis für eine Nachfolge zu schaffen. Wegen der Bedeutung der Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Erhalt der Praxis muss der Praxiskaufvertrag mit einem Vorbehalt oder Rücktrittsrecht für den Übernehmer versehen wer-den, wenn eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht bereits zum Zeitpunkt des Vertrags-schlusses sichergestellt ist146.

Fünfte Phase: Auswahl durch den ZA o Sollten mehrere Bewerber die Praxis übernehmen wollen, erfolgt die Auswahl durch den ZA. o Dieser sucht unter den Bewerbern denjenigen aus, der am geeignetsten erscheint (s. 12.2 „Aus-

wahlkriterien“). o Ehepartner, Lebenspartner, Kinder und angestellte Psychotherapeuten des verkaufenden Psy-

chotherapeuten werden gegenüber den übrigen Bewerbern bevorzugt berücksichtigt (Privilegie-rung).

Sechste Phase: Entrichteter Kaufpreis o Mit dem entrichteten Kaufpreis für die Praxis sind alle materiellen und immateriellen Vermö-

genswerte der Praxis abgegolten (zum Praxiswert und Kaufpreis s. 14.1). Mit der vollständigen Zahlung wechselt das Eigentum an der Praxis vom Abgeber zum Übernehmer.

o Der Praxisabgeber versichert darum, dass alle Gegenstände, die auf der Inventarliste aufgeführt werden, frei sind von Rechten Dritter und dass der Besitz zu dem vereinbarten Zeitpunkt an den Übernehmer übergeht.

Siebte Phase: Verzicht des Praxis-Abgebers auf seine Zulassung o Übernimmt der Nachfolger die Praxis, tritt die Bedingung des Verzichts ein und der ZA stellt fest,

dass der Abgeber auf seine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung verzichtet hat. Zum Abschluss erfolgt die Zulassung des Praxis-Übernehmers als Vertragspsychotherapeut durch den ZA.

o Wenn die Verhandlung vor der Einleitung des Nachbesetzungsverfahrens mit einem Wunsch-nachfolger geführt wurde und das Nachbesetzungsverfahren noch nicht eingeleitet wurde: Der Praxis-Abgeber verpflichtet sich, das Nachbesetzungsverfahren einzuleiten und bei be-

standskräftiger Zulassung eines Nachfolgers auf seine Zulassung zu verzichten. Der Praxis-Übernehmer bestätigt, dass in seiner Person keine Hinderungsgründe liegen, eine

Zulassung zu erhalten und dass er sich sowohl um die Nachfolge des Abgebers wie um die Zu-lassung bewirbt.

Achte und letzte Phase: Übergabe der Patientenkartei? o Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 1991 entschieden, dass eine Vereinbarung im Praxisübernah-

mevertrag, wonach die Patientenkartei ohne Einwilligung der betroffenen Parteien übergeben wird, die Schweigepflicht verletzt und deshalb nichtig ist. Entgegen der bis dahin ausgeübten Praxis können die Beteiligten im Zuge einer Praxisübernahme also nicht mehr einfach vereinba-

146 Jens-Peter Jahn: Praxisabgabe/-übernahme. In: MHP, 56. Aktualisierung, Juli 2013, S.47.

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ren, dass die Patientenkartei des Abgebers in das Eigentum des Praxisübernehmers übergeht. Einen solchen Vertrag hat der BGH insgesamt für nichtig erklärt.

o Es ist deshalb für Verkäufer und Käufer entscheidend, dass die Wahrung der Schweigepflicht bei der Übergabe der Patientenkartei ausdrücklich vereinbart wird. Die betroffenen Patienten müs-sen ausdrücklich ihr Einverständnis mit dem Eigentumsübergang der Patientendaten und Patien-tenunterlagen auf den Nachfolger erklären.

o Ist die Kartei elektronisch gespeichert, ist sie durch Passwortvergabe zu schützen und der Zugriff auf sie entsprechend zu erschweren.

12.2 Auswahlkriterien für Bewerber Bei der Auswahl der Bewerber sind u.a. folgende Auswahlkriterien zu berücksichtigen, die

§ 103 Abs. 4 S. 4 SGB V bzw. § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie zu entnehmen sind. Da-nach entscheidet der ZA unter mehreren Bewerbern nach pflichtgemäßem Ermessen unter Be-rücksichtigung folgender Kriterien, die keiner Rangfolge unterliegen, d.h.: grundsätzlich sind alle Kriterien zu berücksichtigen, die Gewichtung der Kriterien muss sachlich begründet werden:

1. Berufliche Eignung:

Der Bewerber muss beruflich geeignet sein, die konkrete Praxis fortzuführen. Ist ein Abgeber sowohl Psychologischer Psychotherapeut als auch Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeut - ist er also doppelt approbiert -, kann er sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene behandeln. Ein Bewerber, der doppelt approbiert ist, erfüllt demnach das Kri-terium „berufliche Eignung“ besser als ein einfach approbierter Mitbewerber.

Dies trifft sicherlich auch auf Bewerber mit Zusatzqualifikationen zu, o die die Abrechnungsgenehmigung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie haben. In

diesem Sinne hat das BSG für Berlin entschieden (Az.: B 6 KA 32/14 R v. 15. 07. 2015). o die die Abrechnungsgenehmigung für Gruppenpsychotherapie haben, o die einen Tätigkeitsschwerpunkt wie z.B. psychoonkologische Versorgung oder Traumathe-

rapie mit Flüchtlingen angeben können oder o die die Befugnis zur Ausbildung bzw. Supervision von Psychotherapeuten in Ausbildung be-

sitzen.

Auch ein Psychologischer Psychotherapeut ist geeignet, die Praxis eines ärztlichen Psychothera-peuten fortzuführen (BSG, Urteil vom 02.07.2014, Az.: B 6 KA 23/13 R). Ausschlaggebend ist, dass beide derselben Arztgruppe im Sinne der Bedarfsplanung angehören. Das Leistungsspektrum beider Gruppen stimmt weitgehend überein, weil sowohl der ausschließlich psychotherapeutisch tätige Arzt als auch der Psychologische Psychotherapeut die Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinie zu beachten haben. Zu der Frage, ob ein ärztlicher Psychotherapeut dem Psychologi-schen Psychotherapeuten bei einer Auswahlentscheidung vorzuziehen gewesen wäre, musste sich das BSG nicht äußern.

2. Dauer der bisherigen psychotherapeutischen Tätigkeit:

Um zu verhindern, dass Ärzte, die ihre Tätigkeit wegen Kindererziehung oder der Pflege pflege-bedürftiger naher Angehöriger unterbrochen haben, bei der Auswahlentscheidung gegenüber Bewerbern ohne Erziehungs- und Pflegezeiten benachteiligt werden, wird durch die Neuregelung des GKV-VStG die zu berücksichtigende Dauer der ärztlichen Tätigkeit fiktiv um die Zeiträume verlängert, in denen eine ärztliche Tätigkeit wegen Erziehungs- oder Pflegeaufgaben vorüberge-hend nicht ausgeübt wurde. Auch mit dieser Regelung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der bes-seren Vereinbarkeit von Familie und Beruf147.

Natürlich zählt dieses Kriterium bei Bewerbern mit vergleichbarem Approbationsalter (mind. 5 Jahre) zusätzlich. So ist der Bewerber mit der größeren Erfahrung bezüglich psychotherapeuti-scher Tätigkeit einem weniger erfahreneren Mitbewerber möglicherweise vorzuziehen. Hat die

147 Halbe et al.: Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) – Auswirkungen auf die Praxis. Gesundheitswesen in der Praxis. medhochzwei, Heidelberg 2012, S.79.

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Bewerberin schon Erfahrungen im vertragspsychotherapeutischen System gemacht oder hat sie noch nie gesetzlich versicherte Patienten im ambulanten Versorgungssystem behandelt?

Hat die Bewerberin ihren bisherigen hälftigen Versorgungsauftrag überhaupt ausgeschöpft?

3. Approbationsalter (wie lange besteht die Approbation?): Nach einem Urteil des BSG148 vom 08.12.2010 (Az.: B 6 KA 36/09 R) gelten, bei ansonsten glei-cher fachlicher Eignung, die Kriterien, die der Gesetzgeber für die Praxisnachfolge und für die Öffnung eines bisher wegen Überversorgung für Neuzulassungen gesperrten Planungsbereichs normiert hat. Die Auswahlentscheidung des ZA sei in erster Linie daran auszurichten, welcher Bewerber von seiner Qualifikation, seinem Leistungsspektrum und vom geplanten Praxisstand-ort her den Versorgungsbedarf am besten deckt. Das BSG weist ergänzend darauf hin, dass die Kriterien „Approbationsalter“ und „Dauer der ärzt-lichen Tätigkeit“ darauf abzielen, einen gewissen Erfahrungsstand und den dadurch erworbenen Standard zu berücksichtigen. Dieser dürfte, so das BSG, „in den meisten ärztlichen Bereichen nach ca. 5 Jahren in vollem Ausmaß erreicht sein, sodass das darüberhinausgehende höhere Alter eines Bewerbers und eine noch längere ärztliche Tätig-keit keinen zusätzlichen Vorzug mehr begründen“. Bezüglich des Erfahrungsstandes kommt es nicht auf die Dauer der Approbation, sondern auf die Dauer der psychotherapeutischen Tätigkeit nach der Approbation an. Daher sind Teilzeittätigkei-ten geringer zu gewichten als Vollzeittätigkeiten. Wenn die Bewerberin in Vollzeit tätig war, ist sie einem Bewerber, der bisher nur in Teilzeit tätig war, vorzuziehen. Sie hat einen höheren Er-fahrungsstand als er.

4. Dauer der Eintragung in die Warteliste (gem. § 103 Abs. 5 Satz 1 SGB V): Dieses Kriterium trifft – anders als die anderen Auswahlkriterien – keine Aussage darüber, wie gut ein Bewerber zur Versorgung der Versicherten beitragen kann. Daher ist es nur in Ausnahme-fällen, wenn zwei Bewerber gleichauf liegen, entscheidungserheblich.

5. Entscheidung nach Versorgungsgesichtspunkten. Nach § 35 Bedarfsplanungs-Richtlinie sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: o die regionale Demografie, o die regionale Mobilität, o sozioökonomische Faktoren, o die Versorgungsstrukturen: Fachgebietsschwerpunkt, Arztpraxen in räumlicher Nähe? o räumliche Faktoren: Barrierefreiheit, Praxisadresse vorhanden oder lediglich geplant, Praxis-

räumlichkeiten vom Wohnbereich ausreichend getrennt? Liegt die Praxis in einem Gebiet, in dem es schon viele andere Psychotherapeuten gibt oder hat sie ein Alleinstellungsmerkmal wie z.B. die Nähe zu einer Klinik. Hat die Praxis einen Raum, in dem z.B. auch Gruppenthera-pie durchgeführt werden kann?

o infrastrukturelle Besonderheiten wie Erreichbarkeit durch öffentliche Verkehrsmittel. o Ein besonderes Versorgungsbedürfnis könnte auch die Belange von Menschen mit Behinde-

rungen beim Zugang zur Versorgung betreffen.

6. Mindestens 5 Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet (in dem der Landesausschuss Ärzte/Krankenkassen Unterversorgung festgestellt hat): Bei der Tätig-keit in einem unterversorgten Gebiet ist es unerheblich, ob es sich um eine freiberufliche ver-tragsärztliche Tätigkeit oder um eine Angestelltentätigkeit handelt.

7. Privilegierung von Bewerbern: a) Ehegatte, Lebenspartner, Kind des ausscheidenden Psychotherapeuten.

148 Rechtliches. BSG zur Sonderbedarfszulassung: Bei mehreren Bewerbern spielt ein Approbationsalter von mehr als 5 Jahren keine Rolle – Urteil vermutlich auch auf Praxisnachfolge anwendbar. Deutsche PsychotherapeutenVereinigung, 3. Mitgliederbrief 2011, S. 11.

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Bis zum 01.01.1993 sah § 16 c der Ärzte-ZV vor, dass weder eine Ausschreibung noch eine Auswahlentscheidung zu erfolgen hatte, wenn die Praxis vom Kind des Praxisabgebers fort-geführt werden sollte.

Dies hat der Gesetzgeber durch das Gesundheitsstrukturgesetz von 1993 geändert. Folglich ist seitdem die Tatsache, dass der Bewerber Kind des abgebenden Vertragspsychotherapeu-ten ist, nur noch eins von mehreren Auswahlkriterien. Auch wenn die Praxis von einem Kind, Ehegatten, BAG-Partner oder Angestellten fortgeführt werden soll, sind zwei Hürden zu überwinden: o Die 1. Hürde, also die Entscheidung darüber, ob die Praxis überhaupt nachbesetzt wird,

ist zunächst leichtgenommen, wenn der Vertragspsychotherapeut bei der Beantragung der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens angibt, dass seine Praxis von seinem Kind oder einem anderen privilegierten Bewerber weitergeführt werden soll. Unabhängig von der Bedarfslage kann der ZA den Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsver-fahrens dann nicht mehr ablehnen (§ 103 Abs. 3a Satz 3 SGB V).

o Als 2. Hürde hat der Gesetzgeber allerdings festgelegt, dass in dem Fall, dass der ZA zu dem Ergebnis kommt, dass der privilegierte Bewerber nicht als Nachfolger auszuwählen ist, die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes mit der Mehrheit seiner Stimmen abgelehnt werden kann, wenn die Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist.

o Wenn also die 2. Hürde nicht genommen wird und der privilegierte Bewerber nicht als Nachfolger ausgewählt wird, stellt der Gesetzgeber die 1. Hürde wieder auf. (§ 103 Abs. 4 Satz 4 Nr. 5 SGB V. Und: Deutscher Bundestag, Drucksache 12/3608, S. 99). Nur wenn die privilegierte Person als Nachfolger vom ZA ausgewählt wird, entfällt die Entscheidung, ob die Nachbesetzung aus Versorgungsgesichtspunkten erforderlich ist. Wird sie nicht aus-gewählt, dann erfolgt eine Nachbesetzung nur, wenn der ZA den Antrag auf Durchfüh-rung des Nachbesetzungsverfahrens nicht ablehnt.

b) Privilegierung von Job-Sharing-BAG und Job-Sharing-Angestellten: o Auf der Ebene der Prüfung der Ausschreibungsfähigkeit handelt es sich zunächst um eine

gebundene Entscheidung des ZA, wenn als Nachfolger der Job-Sharing-Partner einer Berufs-ausübungsgemeinschaft angegeben wird. Der ZA darf die Ausschreibung dann nicht verwei-gern.

o Auf der Ebene der Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern muss die gemein-schaftliche Praxisausübung mit dem Job-Sharing-Partner berücksichtigt werden. Ein Bewer-ber, der bereits mit einem abgabewilligen Vertragspsychotherapeuten im Job-Sharing zu-sammenarbeitet, gilt als besonders geeignet. So muss der ZA nach überwiegender Ansicht zwingend in seine Abwägungsentscheidung die Tatsache einbeziehen, wenn ein Bewerber bereits als Job-Sharing-Angestellter des Praxisabgebers arbeitet (§ 103 Abs.4 Satz 4 SGB V). Für den nicht angestellten, sondern in einer BAG beschäftigten Job-Sharing-Partner gilt dies eigentlich erst nach 5 Jahren gemeinsamer Tätigkeit (§ 101 Abs.3 S.4 SGB V). Doch da dies ei-ne sachwidrige Ungleichbehandlung gegenüber den angestellten Job-Sharern wäre, wird die Zeit der Job-Sharing-Partnerschaft in einer BAG wie eine fiktive Angestelltentätigkeit analog zu berücksichtigen sein.

c) Privilegierung von Angestellten (gem. § 103 Abs.4 Satz 5 Nr. 6 SGBV) und Vertretern: Ein bei einem abgabewilligen Psychotherapeuten angestellter Psychotherapeut hat nach diesem Paragraphen gute Aussichten, im Auswahlverfahren durch den ZA berücksichtigt zu werden, wenn er als Bewerber ein angestellter Psychotherapeut des abgabewilligen Psychotherapeuten ist. Darüber hinaus sind Tätigkeiten als Vertreter (§ 14 Abs.3 BMV-Ä) oder als Entlastungsassis-tent (§ 32 Ärzte-ZV) zu berücksichtigen149.

8. Berücksichtigung von Interessen der Partner einer Gemeinschaftspraxis (GP) bzw. Berufsaus-übungsgemeinschaft (BAG):

149 Dr. Uta Rüping: Fahrplan für die Nachbesetzung von Vertragspsychotherapeutensitzen. In: Kammertelegramm der PKN,

02/2013.

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Nach § 103 Abs.6 Satz 2 SGB V sind die Interessen der verbleibenden Partner einer Gemein-schaftspraxis (GP) bzw. Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) „angemessen“ zu berücksichtigen, wenn ein Partner ausscheidet und ein Nachfolger zu finden ist. In diesem Fall ist das Votum der Praxispartner im Rahmen der Auswahlentscheidung vom ZA zu berücksichtigen. o Nach einer Entscheidung des BSG (Az.: B 6 KA 13/11) kommt es bei der Entscheidung über

die Nachfolge in einer BAG vorrangig auf den Wunsch des oder der verbliebenen Ärzte an. Dabei spielt es keine Rolle, wenn der ausgeschiedene Arzt nicht selbständig, sondern als An-gestellter tätig war. Im Streifall hatte ein Arzt in einer Gemeinschaftspraxis in Niedersachsen auf seine Zulassung verzichtet. Bei ihrer Entscheidung über den Nachfolger folgten die Zulassungsgremien dem Wunsch des verbliebenen Kollegen. Ein weiterer Arzt klagte, dass er die Zulassung hätte be-kommen müssen. Die gesetzliche Vorschrift, wonach der verbliebene Arzt maßgeblich mit-entscheiden kann, greife hier nicht, denn der ausgeschiedene Arzt sei nicht als Partner, son-dern als Angestellter tätig gewesen, so der Kläger. Darauf komme es nicht an, urteilte das BSG. Laut Gesetz komme dem Wunsch des verbliebenen Arztes oder der verbliebenen Ärzte ein „ausschlaggebendes Gewicht“ zu. Allein entscheidend sei dabei, „ob der ZA die Geneh-migung zur Führung der Gemeinschaftspraxis erteilt hat“, was hier ja der Fall war. Im Interes-se einer raschen Entscheidung sei „dieser Status (Gemeinschaftspraxis) im Nachbesetzungs-verfahren nicht erneut zu überprüfen“, so das BSG150.

o Das SG Hannover hat am 30.10.2013 ein Urteil zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer BAG im Nachbesetzungsverfahren gefällt (Az.: S 65 KA 189/12)151. Die Bildung einer BAG zum Zwe-cke der Praxisübergabe sei zumindest dann rechtlich zulässig, wenn die Zusammenarbeit mit dem Nachfolger ernstlich gewollt sei, so das SG. Von einem Gestaltungsmissbrauch sei allerdings dann auszugehen, wenn die formal gewähl-te Rechtsform nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche. Eine (über)örtliche BAG könne schon dann den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, wenn eine auch nur gerin-ge “gelebte“ Zusammenarbeit vorzufinden sei. Die Bildung einer BAG zum Zwecke der Pra-xisübergabe sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen zumindest dann rechtlich zulässig, wenn die Zusammenarbeit mit dem Nachfolger ernstlich gewollt sei.

o Selbst wenn in der Gründung der BAG kein Gestaltungsmissbrauch zu sehen ist, dann ist nach der Rechtsprechung des BSG in seinem Urteil vom 11.12.2013 (Az.: B 6 KA 49/12 R, Rn. 49) bei der Auswahlentscheidung folgendes zu berücksichtigen: „Je deutlicher sich also der Ein-druck aufdrängt, dass die Berufsausübungsgemeinschaft vorrangig mit dem Ziel gegründet worden ist, Einfluss auf die Nachbesetzung zu nehmen, je kürzer die Berufsausübungsge-meinschaft bestanden hat und je weniger intensiv die Zusammenarbeit innerhalb der Berufs-ausübungsgemeinschaft war, desto geringeres Gewicht kommt den Interessen der verblei-benden Ärzte bei der Auswahlentscheidung zu". (s. 2.3).

9. Wirtschaftliche Interessen des Praxisabgebers:

Die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben sind nur in-soweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswerts der Praxis nicht über-steigt (§ 103 Abs. 4 S. 8 SGB V). Der ZA kann demnach nur einen Bewerber auswählen, der bereit ist, den Verkehrswert zu zahlen. Am 21. 04. 2012 wurde durch Beschluss der Kammerversammlung der Psychotherapeutenkam-mer Niedersachsen § 24 der Berufsordnung der PKN durch einen neuen Abschnitt 6 wie folgt er-gänzt: „Dem Psychotherapeuten ist es untersagt, seine Praxis zu einem sittenwidrig überhöhten Kaufpreis anzubieten und/oder zu veräußern“.

150 Ärzte Zeitung online: Arzt kann sich nicht in Praxis einklagen. 04.01.2011. 151 RA Rüping und Henning: Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Berufsausübungsgemeinschaft im Nachbesetzungsverfahren. Vortrag für die PKN vor Vertretern der ZA und des BA am 19.07.2014.

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10. Fortführungswille: o Ein Bewerber kommt nur dann für die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in Betracht, wenn

er den Willen hat, den Kaufpreis zu entrichten (s. 12.5) und als Vertragsarzt am bisherigen Pra-xisort tätig zu werden. Nach Auffassung des BSG (Urteil vom 20.03.2013; Az.: B 6 KA 19/12 R) fehlte einem Kläger der für eine Praxisnachfolge nach § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V erforderliche Fortführungswille: „Wo die Praxis in Wirklichkeit gar nicht veräußert werden soll, weil jedenfalls der neuzuzulassen-de Arzt sie nicht fortführen kann oder will, besteht kein Grund für eine Nachfolgezulassung. Diese dient dann lediglich der Kommerzialisierung des Vertragsarztsitzes, die nach ständiger Recht-sprechung des Senats vom Gesetzgeber nicht gewollt ist“. „Eine Praxis wird nur dann im Sinne des § 103 Abs. 4 SGB V „fortgeführt“, wenn der sich um eine Praxisnachfolge bewerbende Arzt am bisherigen Praxisort als Vertragsarzt – ggf. auch als Mit-glied einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft – tätig werden will bzw. tätig wird. Es reicht nicht aus, wenn der Nachfolger lediglich als angestellter Arzt in der Zweigpraxis einer Berufsausübungsgemeinschaft oder eines MVZ dort tätig werden will“. Allerdings führte das BSG auch aus:

„Auch mag es im Einzelfall sachliche Gründe dafür geben, die Praxis zumindest nicht am bisheri-gen Ort oder nicht mit dem bisherigen Personal fortzuführen, etwa weil sich die Praxis im Einfami-lienhaus des aus der vertragsärztlichen Versorgung ausscheidenden Arztes befindet oder dessen Ehefrau als Arzthelferin beschäftigt war.“ Das BSG hat in einem Urteil vom 11.12.2013 (Az.: B 6 KA 49/12 R) zum Thema Fortführungswille erneut Stellung genommen152. Seiner Meinung nach kommen für die Praxisnachfolge nur Bewer-ber in Betracht, die den Willen zur Fortführung der Praxis haben. Dabei sei ein Zeitraum von fünf Jahren jedenfalls ausreichend. Zur Eindämmung des Zulassungshandels sei es sachgerecht, den Fortführungswillen eines Nachfolgers auf einen Zeitraum von fünf Jahren – gerechnet ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit durch den Nachfolger – zu beziehen. Wenn es auch im Einzelfall einmal Konstellationen geben könne, in denen ein kürzerer Zeitraum ausreichend sein könne, gelte im Regelfall, dass Fortführungswille und damit Nachbesetzungs-bereitschaft nur angenommen werden dürften, wenn nichts gegen die Annahme spreche, dass der Übernehmer mindestens fünf Jahre als Nachfolger tätig bleiben wolle und in Anbetracht seines eigenen Alters auch bleiben könne.

o Im Hinblick auf die Altersdiskriminierung gibt es keinen rechtlichen Nachrang von bereits zuge-lassenen Bewerbern gegenüber solchen Bewerbern, die erstmals Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung anstreben. Den Interessen jüngerer, erstmals den Zugang zum System der GKV be-gehrender, Bewerber kann nur unter dem Gesichtspunkt der Versorgungskontinuität Rechnung getragen werden. Berücksichtigung finden darf danach auch, dass ein Bewerber die prognosti-sche Gewähr für eine länger andauernde kontinuierliche Patientenversorgung im größeren Um-fang bietet als ein anderer Bewerber.

Viele Ärzte waren mit der einstigen Altersgrenze von 68 unzufrieden153. 2010 wurde sie abgeschafft. Jetzt hat ein Sozialgericht in der Rechtsprechung nachgezogen: Dass der Zulassungsausschuss allein wegen fortgeschrittenen Alters einen Jüngeren bevorzugt, wäre Diskriminierung. Noch 1998 hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Fähigkeiten und Zuverlässigkeit älterer Ärzte in Frage gestellt. Vor allem dies hatte bei vielen Medizinern nicht nur Unverständnis ausgelöst. Etwas ge-schickter hatte das Bundessozialgericht in seiner früheren Rechtsprechung zugunsten der Alters-grenze vor allem auf die jungen Kollegen abgestellt, die eine Chance und Perspektive - und daher freiwerdende Arztsitze bräuchten. Doch längst werden nicht mehr Arztsitze, sondern Ärzte ge-braucht. Und die Sensibilisierung von Bürgern und Justiz bezüglich Diskriminierungen ist durch das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) deutlich gewachsen. Beides fand nun seinen konkreten Niederschlag in einem Urteil des Mainzer Sozialgerichts (Az.: S 16 KA

152 RA Rüping und Henning: BSG, Urteil vom 11.12.2013, Az.: B 6 KA 49/12 R. Vortrag für die PKN vor Mitgliedern der ZA und des BA am

19.07.2014. 153 Martin Wortmann: Aktuelles Urteil. 74-Jähriger hat eine Chance auf Zulassung. Ärzte Zeitung 22.06.2016.

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211/14). Danach darf das Alter eines Bewerbers nicht alleiniges Kriterium für die Besetzung eines Arztsitzes sein. Im Streitfall konkurrierten ein 64-Jähriger und ein 74-Jähriger um einen Vertragsarzt-sitz als Augenarzt. Der Zulassungsausschuss entschied sich für den 74-Jährigen, weil dieser bereits länger auf der Warteliste stand. Der 64-Jährige rief daraufhin den Berufungsausschuss an. Der hielt den 74-Jährigen sogar für fachlich besser geeignet. Dennoch entschied er sich für den Jüngeren, weil der noch länger als Vertragsarzt arbeiten und deshalb besser eine kontinuierliche Versorgung ge-währleisten könne. Auf die Klage des 74-Jährigen hob das SG Mainz diese Entscheidung nun auf. Es verpflichtete den Berufungsausschuss, neu über die Besetzung zu entscheiden. Zwar dürften die Zu-lassungsgremien das Alter des Bewerbers durchaus berücksichtigen. Hier sei dies aber erkennbar das alleinige Kriterium gewesen. Das dürfe "schon aus Diskriminierungsgesichtspunkten nicht sein", be-tonten die Richter. Deutlicher werde dies beim Vergleich beispielsweise eines 35-jährigen und eines 45-jährigen Bewerbers. Ein Abstellen einzig auf das Alter würde "zu einer grundsätzlichen Benachtei-ligung des älteren Bewerbers führen". Allein wegen des jüngeren Alters könne aber nicht auf eine bessere oder kontinuierlichere Versorgung geschlossen werden. Denn es gebe auch viele persönliche Gründe, eine Praxis aufzugeben oder an einen anderen Ort zu verlegen. Das SG Mainz ist in Vertrags-arzt-Streitigkeiten erstinstanzlich für ganz Rheinland-Pfalz zuständig. Gegen das erstinstanzliche Ur-teil kann der Berufungsausschuss Berufung zum Landessozialgericht Mainz einlegen.

Der Praxisabgeber kann dem ZA aus der Kenntnis seiner Praxis Argumente für die Auswahlentschei-dung liefern, die Entscheidung des weisungsunabhängigen ZA jedoch weder erzwingen noch präjudi-zieren. Da Bewerber und Veräußerer am Zulassungsverfahren beteiligt sind, sollten sie jedoch die Möglichkeit wahrnehmen, ihre Interessen vor dem ZA gemeinsam zu vertreten. Es ist also keines-wegs so, dass der abgabewillige Psychotherapeut von jeglichem Einfluss auf die Auswahlentschei-dung des ZA ausgeschlossen ist.

12.3 Ganzer Praxissitz, halber Praxissitz § 19 a Abs.1 Ärzte-ZV verpflichtet den Arzt, die vertragsärztliche Tätigkeit vollzeitig auszuüben.

Seit Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG) 2007 ist der Vertrags-psychotherapeut gem. § 19 a Abs. 2 Ärzte-ZV jedoch berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Zulassungsausschuss (ZA) seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte des voll-zeitigen Versorgungsauftrags zu beschränken.

Die Abgabe eines halben Versorgungsauftrags ist auch deshalb attraktiv, weil der neue halbe Praxissitz ein „volles halbes Praxis-Budget“ besitzt.

Das Recht, die Ausschreibung eines ganzen oder halben Praxissitzes beim ZA zu beantragen, hat der Praxisabgeber; bei dessen Tod sind seine Erben antragsberechtigt.

Für die Beantwortung der Frage, wie ein bestehender Praxissitz ausgefüllt sein muss, damit ein halber Praxissitz veräußerungswürdig ist, findet die bisherige Rechtsprechung zur Übergabe einer Praxis und zum Thema Praxissubstrat (s. 11.7) Anwendung: Der Abgeber muss eine „fortführungsfähige“ Praxis führen, was o den Besitz oder die Miete von Praxisräumen, o das Vorhalten von Sprechzeiten, o die tatsächliche Entfaltung einer vertragsärztlichen Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen

sowie o das Bestehen der für die Ausführung der Praxistätigkeit erforderlichen Praxisinfrastruktur erfordert (BSG-Urteil vom 29.09.1999 – B 6 KA 1/99 R).

Der Trend zur Teilzeittätigkeit bei niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten hält an154. Das geht aus der aktuellen Ärztestatistik der KBV für das Jahr 2014 hervor. Erhöht hat sich im Berichtsjahr die Zahl der Psychotherapeuten. Sie stieg infolge der Bedarfsplanungsreform um 756 auf 22.957. Der bundesweite Anstieg von 3,4 % ist dabei v.a. auf einen Zuwachs in den neuen Bundesländern zurückzuführen. Das Durchschnittsalter der Ärzte und Psychotherapeuten ist ge-stiegen. Lag es im Jahre 2009 noch bei 51,9 Jahren, betrug es Ende 2014 53,9 Jahre. Über dem Al-

154 Trend zur Teilzeitbeschäftigung bei Ärzten. Niedersächsisches Ärzteblatt, 5/2015, S. 7.

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tersdurchschnitt liegen u.a. die Psychotherapeuten. Der Anteil der Frauen unter den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten liegt bei 77,6 %, unter den Psychologischen Psychotherapeuten bei 70,4 %.

Nach einem Urteil des BSG vom 11.02.2015 (Az.: B 6 KA 11/14 R) dürfen Vertragsärzte auch an zwei Standorten eine Praxis mit jeweils einem halben Versorgungsauftrag führen155. Das gilt auch dann, wenn beide Standorte in unterschiedlichen KV-Regionen liegen. Zur Begründung ver-wies das BSG auf das Grundrecht der Berufsfreiheit, das nur durch Gesetze oder gleichwertige Regelungen eingeschränkt werden darf. Voraussetzung sei lediglich, dass der Arzt an beiden Standorten ausreichend präsent sei. Die Zulassungsgremien müssten hier prüfen, ob dies geplant und überhaupt möglich sei. Neben der Entfernung könne dies von der konkreten Tätigkeit des Arztes und auch von seiner Praxisorganisation abhängen.

12.4 Was tun, wenn der unterlegene Bewerber gegen den Zulassungsbescheid des ZA Widerspruch einlegt?

Während dem erfolgreichen Bewerber der begünstigende Verwaltungsakt des ZA mit der statusbegründenden Zulassung zugeht, erhalten die unterlegenen Mitbewerber denselben Be-scheid als Ablehnung ihrer Anträge. Diese Ablehnungen sind belastende Verwaltungsakte und werden vom ZA mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen156. a) Bewerber, deren Zulassungsantrag vom ZA abgelehnt wurde, können - ebenso wie die KV

und die Krankenkassen - binnen eines Monats Widerspruch einlegen, womit die Zulassungs-angelegenheit insgesamt auf den Berufungsausschuss (BA) übergeht. Eine Begründung des Widerspruchs ist nicht erforderlich. Es wird lediglich die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den sich der Widerspruch richtet, verlangt. Der Berufungsausschuss besteht aus einem Vorsitzenden mit der Befähigung zum Richter-amt, 4 Kassenvertretern, 2 Psychotherapeuten sowie 2 überwiegend oder ausschließlich psy-chotherapeutisch tätigen Ärzten, wobei unter den Psychotherapeuten mindestens ein KJP vertreten sein muss.

b) Denkbar ist auch, dass die abgabewillige Vertragspsychotherapeutin mit der Auswahlent-scheidung des ZA nicht einverstanden ist, weil z.B. mit der vom ZA ausgewählten Person kein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Der Widerspruch könnte Erfolg haben, wenn sie geltend machen kann, dass die Verkehrswertgarantie oder das Angehörigenprivileg verletzt worden sind.

Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung, den sog. Suspensiveffekt. Zwar kann der Über-nehmer nach seiner Zulassung zunächst seine vertragsärztliche Tätigkeit in der übernommenen Praxis aufnehmen, wenn die Praxis bereits übergeben wurde. Jedoch muss er sie sofort einstel-len, sobald ihm mitgeteilt wird, dass Widerspruch gegen den Zulassungsbescheid eingelegt wur-de.

Da also der aus der Zulassung folgende Versorgungsauftrag des ausgewählten Bewerbers suspendiert ist, ist gleichzeitig der Ablauf der gesetzlichen Dreimonatsfrist zur Aufnahme der ver-tragspsychotherapeutischen Versorgung gehemmt.

Wenn die ausscheidende Vertragspsychotherapeutin den Verzicht unter der Bedingung erklärt hat, dass ihr Nachfolger bestandskräftig zugelassen wird und die Praxis übernimmt, wird sie ihre psychotherapeutische Tätigkeit noch nicht einstellen, um sich nicht der Gefahr einer Zulas-sungsentziehung auszusetzen, trifft sie doch weiterhin eine Versorgungspflicht.

So gerät nicht nur der Nachfolger, sondern auch die ausscheidende Vertragspsychotherapeutin, in eine äußerst unkomfortable Situation: Es kommt insofern zu einer Blockade, als dass die aus-scheidende Vertragspsychotherapeutin ihre Tätigkeit länger als vielleicht gewollt fortsetzen

155 Zwei halbe Praxen – BSG stimmt zu. Bundesmitgliederbrief 2 2015 der DPtV, April 2015, S. 8. 156 Uta Rüping & Ekkehard Mittelstaedt: Abgabe, Kauf und Bewertung psychotherapeutischer Praxen. Psychotherapeutenverlag, Verlags-gruppe Hüthig Jehle Rehm, Heidelberg, 2008, S. 57-64.

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muss, oder während derer sich der Praxiswert langsam aber sicher verflüchtigt. Und auch der designierte Nachfolger schwebt in Unsicherheit.

Diese „Hängepartie“ kann nur dadurch aufgelöst werden, dass jemand die durch den Wider-spruch ausgelöste aufschiebende Wirkung aushebelt, also die sofortige Vollziehung des Beschei-des des ZA, den „Sofortvollzug“ anordnet.

Durch den Sofortvollzug wird der Nachfolger in den Stand versetzt, trotz des laufenden Wider-spruchsverfahrens vertragspsychotherapeutische Leistungen zu erbringen. Und dazu ist ihm in einem solchen Fall auch zu raten, denn nun beginnt natürlich auch die Dreimonatsfrist wieder zu laufen. Der Widerspruch gegen den Zulassungsbescheid der KV unterliegt dagegen einer Monats-frist.

Den Sofortvollzug anordnen können a) der Zulassungsausschuss, b) der Berufungsausschuss oder c) das Sozialgericht. ad a) Wenn der Zulassungsausschuss die sofortige Vollziehung anordnet, wird er diese unter die Bedingung stellen, dass die ausscheidende Vertragspsychotherapeutin unbedingt auf ihren Ver-tragspsychotherapeutensitz verzichtet. Im Regelfall hat die ausscheidende Vertragspsychothera-peutin ihren Verzicht nur angekündigt oder ihn unter die Bedingung gestellt, dass eine Nachfol-gerin bestandskräftig zugelassen wird. Bestandskraft tritt nun aber gerade nicht ein, weil Rechts-behelfe eingelegt werden. Es bedarf also eines unbedingten Verzichts der ausscheidenden Ver-tragspsychotherapeutin auf ihren Psychotherapeutensitz. In einem solchen Fall wird der Kauf-preis fällig, weswegen eine Rückgewähr für den Fall des erfolgreichen gegnerischen Rechtsbe-helfs vereinbart werden sollte. Mit Beschluss vom 05.06.2013 hat das BSG (Az.: B 6 KA 4/13 B) entschieden, dass auch der Zulas-sungsausschuss die Befugnis hat, die sofortige Vollziehung seiner Beschlüsse anzuordnen. Nur so kann er, wenn die Kontrahenten bereits vor dem ZA ihre Widerspruchsabsicht kundtun, gewähr-leisten, dass eine Versorgungslücke sofort geschlossen wird, wenn der Praxisabgeber die Praxis nicht bis zur endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits fortführen kann. ad b) Nimmt sich der Berufungsausschuss der Sache an, kann er einen Widerspruch ohne münd-liche Verhandlung zurückweisen, wenn sich alle Mitglieder über diese Entscheidung einig sind. Im Übrigen ist eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben. Die Voraussetzungen einer Anordnung des Sofortvollzugs durch den BA, in deren Folge sofort vom Status Gebrauch gemacht werden kann, obwohl noch ein Klageverfahren anhängig ist, ergeben sich aus § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG: Die Interessen des Antragstellers (z.B. ausgewählter Mitbewerber bei der Nachbesetzung) und die Interessen der Versorgung müssen gewichtiger sein als die Interessen des Angreifers (z.B. über-gangener Mitbewerber): o Das ist in der Regel der Fall, wenn die Klage des Anfechtenden überhaupt keine oder geringe

Aussicht auf Erfolg verspricht. Dann wird der Sofortvollzug anzuordnen sein. o Hat die Anfechtung aber überwiegende Erfolgsaussicht, wäre es sowohl für den Angreifer als

auch für die Versorgung unverantwortlich, den Sofortvollzug einer wieder aufzuhebenden Zulassung anzuordnen.

o Wenn die Erfolgsaussichten des Anfechtungsverfahrens offen sind, wird das Interesse des Angreifers mit demjenigen des Begünstigten und der Versorgung abgewogen. Das Versor-gungsinteresse dürfte i.d.R. überwiegen.

ad c) Noch heikler wird die Lage, wenn ZA und/oder BA die Anordnung des sofortigen Vollzugs ablehnen. Der erfolgreiche Bewerber hat in diesem Fall die Möglichkeit, seine sofortige Nachfol-ge zu erzwingen, indem er beim Sozialgericht den Antrag auf Anordnung des Sofortvollzugs stellt. Gegen den Beschluss ist für den Unterliegenden die Beschwerde zum Landessozialgericht gege-ben. Dessen Entscheidung ist dann im Eilschutzverfahren abschließend.

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Tritt der hier geschilderte juristische Fall ein, ist die Hilfe eines Fachanwalts für Medizinrecht un-erlässlich.

12.5 Was tun, wenn der Bewerber den Kaufpreis nicht entrichten kann oder will?

Bei der Auswahlentscheidung des § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V sind nur solche Bewerber berücksich-tigungsfähig, die fortführungswillig sind.

Zur Fortführungswilligkeit gehört die Bereitschaft zur zivilrechtlichen Übernahme der bestehen-den Praxis und die Bereitschaft, mindestens den Verkehrswert als Kaufpreis zu bezahlen und die üblichen Sicherheiten, z.B. Bankbürgschaften, zu stellen.

Wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bewerber den Kaufpreis nicht entrichten kann oder will, müssen die Zulassungsgremien von Amts wegen zum Schutze des Praxisabgebers Sicherheiten – z.B. Bürgschaften – verlangen. Insbesondere wenn Zweifel an der Zahlungsfähig-keit bestehen, ist die rein verbale Bekundung, den Verkehrswert zahlen zu wollen, nicht ausrei-chend – so auch das Bayerische LSG im Urteil vom 19.09.2012 (Az.: L 12 KA 4/12)157.

12.6 Praxis-Verlegung Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die Praxis verlegt werden soll. Es gibt die weit verbreitete,

aber falsche Ansicht, dass man einen Umzug der KV nur zur Kenntnis geben muss.

Tatsache ist, dass die Verlegung eines Vertragspsychotherapeutensitzes nach § 24 Abs.7 Ärzte-ZV vom ZA zu genehmigen ist, weil gem. § 95 Abs.1 S.4 SGB V die Zulassung oder Ermächtigung für den Ort der Niederlassung (Vertragsarztsitz, konkrete Praxisanschrift) erfolgt.

Wer ohne Genehmigung des ZA umzieht, riskiert den Verlust der Abrechnungsfähigkeit der erbrachten Leistungen und den Verlust der Zulassung.

Bis zum 31.12.2012 hieß es: „Der ZA hat den Antrag eines Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen“.

Seit dem 01.01.2013 heißt es nunmehr: „Der ZA darf den Antrag eines Vertragsarztes auf Verle-gung seines Vertragsarztsitzes nur genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen“.

Mit dieser Änderung wird klargestellt, dass die Zulassungsausschüsse bei der Prüfung eines An-trags auf Verlegung eines Vertragsarztsitzes vorrangig darauf zu achten haben, dass Versor-gungsgesichtspunkte einer Verlegung des Vertragsarztsitzes nicht entgegenstehen. Führt damit z.B. die Verlegung eines Vertragsarztsitzes in einen anderen Stadtteil zu Versorgungsproblemen in dem Stadtteil, in dem sich der Vertragsarztsitz derzeit befindet, hat der ZA den Verlegungsan-trag abzulehnen. Aufgrund der Neufassung von § 24 Abs.7 Ärzte-ZV ist auch die Verlegung in-nerhalb eines Planungsbereichs, selbst innerhalb einer Stadt von einem Stadtteil in den nächsten, möglicherweise erheblich erschwert.

Die Zulassungsgremien können eine Praxissitzverlegung auch in einem wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich ablehnen, wenn der Sitz aus einem Teil mit geringerer Versorgungs-dichte in einen anderen Teil mit wesentlich höherer Versorgungsdichte verlegt werden soll, auch wenn der Teil mit geringerer Versorgungsdichte nach den Anhaltszahlen der Bedarfsplanungs-Richtlinie nach Sitzverlegung noch ausreichend versorgt wäre. Härtefallgesichtspunkte sind bei einer Praxissitz-Verlegung nicht zu berücksichtigen, da vertragsarztrechtlich allein Versorgungs-gesichtspunkte zu beachten sind. (Vgl. dazu den Beschluss des SG Marburg vom 05.02.2014, Az.: S 12 KA 36/14 ER und den Beschluss des LSG Hessen vom 16.05.2014, Az.: L 4 KA 25/14 B ER zu Sitzverlegung)158.

Die Genehmigung der Praxissitz-Verlegung liegt im Ermessen des ZA. Dieser muss positiv feststel-len, dass unter Versorgungsgesichtspunkten die Verlegung nicht nachteilig ist.

157 U. Rüping: Kaufpreissicherheiten bei Praxisübernahme. Vortrag beim 8. Treffen der Mitglieder der Niedersächsischen und Bremischen Zulassungs- Berufungsausschüsse am 24.08.2013. 158 Vorschrift Sitzverlegung. Vortrag der RA Rüping und Henning am 19.07.2014 für die PKN vor Mitgliedern der ZA und des BA.

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Möchte ein Niedergelassener seine Praxis also verlegen, muss er darauf achten, dass sich die Versorgungssituation am Ort des Praxissitzes dadurch nicht verschlechtert. Das gilt auch für die Verlegung von Praxissitzen in MVZ.

Zu beachten ist ferner, dass die Kassen und die KV gegen die Genehmigung eines Verlegungs-antrages Widerspruch einlegen können und dieser Widerspruch aufschiebende Wirkung hat, der Arzt also bis zum Abschluss des Verfahrens seine Praxis nicht verlegen darf. Wollen also KVen oder Kassen eine Praxissitzverlegung verhindern, kann dies bereits mit Einlegung eines Wider-spruchs gelingen, da der Arzt das juristische Procedere nicht abwarten wollen wird.

Die KV (nicht der ZA) kann sich nicht gegen eine Praxis-Verlegung stemmen mit dem Argument, dass in ferner Zukunft vielleicht Versorgungsengpässe entstehen könnten159. Dies ist der Tenor einer Eilentscheidung des SG Marburg (Az.: S 12 KA 531/14 ER)160. Die KV Hessen hatte die An-stellung einer 63-jährigen Kollegin versagen wollen, die im Nachbarort auf dem Land praktizierte und bei einer Hausärztin in der Stadt als angestellte Ärztin arbeiten und dazu ihren Vertragsarzt-sitz in deren Praxis einbringen wollte (Verzicht auf die Zulassung zugunsten der Anstellung). Der ZA hatte nichts dagegen. Die KV legte jedoch dagegen Widerspruch ein. Ihr Argument: Während der Planungsbereich der anstellenden Hausärztin überversorgt sei, sei dort, wo die 63-jährige Kollegin bisher praktiziert habe, zu befürchten, dass in diesem Bereich in Zukunft Versorgungsengpässe entstehen könn-ten, weil die dort praktizierenden Hausärzte aus Altersgründen voraussichtlich demnächst ihre Tätigkeit einstellen würden und grundsätzlich einer Konzentration der Versorgung auf die Stadt-gebiete entgegenzuwirken sei. Außerdem würden sich die Fahrzeiten für die Patienten verlän-gern. ZA und BA folgten den Einwänden der KV nicht und genehmigten die Verlegung. Hiergegen er-hob die KV Klage, die aufgrund ihrer aufschiebenden Wirkung die Verlegung zunächst verhindert hätte. In dem daraufhin eingeleiteten Eilverfahren bestätigte das SG Marburg die für die Ärztin positive Entscheidung der Berufsgremien. Die Ausführungen zu drohenden Zulassungsrückgaben dortiger Ärzte waren für das SG Marburg nicht nachvollziehbar. „Drohende Beendigungen können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich in irgendeiner Weise konkretisiert haben“, so die Sozi-alrichter. Sie konkretisierten damit das Spannungsverhältnis zwischen der verfassungsrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit einerseits und den einer Verlegung entgegenstehenden Gründen der vertragsärztlichen Versorgung andererseits. Da die Verweigerung der Verlegung in die Berufsfreiheit eingreife, müssten die einer Verlegung entgegenstehenden Gründe konkret vorliegen und nachvollziehbar dargestellt sein, so die Richter. Die Argumentation der KV stelle nicht auf die konkrete Versorgungssituation, sondern auf eine ungewisse zukünftige Entwicklung ab. Da bei einer psychotherapeutischen Praxis nach wie vor ein geschütztes Eigentum gem. Artikel 14 GG sowie Berufsfreiheit gem. Artikel 12 GG besteht, wird ein Praxisumzug durch den ZA nicht versagt werden dürfen, wenn nachvollziehbare Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. So das SG Marburg.

In großen Städten zugelassene Ärzte und Psychotherapeuten können ihren Praxissitz grundsätz-lich nicht von einem schlechter versorgten hin zu einem besser versorgten Ortsteil verlegen161. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Genehmigung für eine Praxissitzverlegung in einem Planungsbereich vom Versorgungsgrad der Versicherten im jeweiligen Stadtteil abhängig zu ma-chen, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) (Az.: B 6 KA 31/15 R) im August 2016 in Kassel.

159 Zulassung. Hausärztin setzt sich gegen KV durch. Ärzte Zeitung 13.01.2015. 160 Ingo Pflugmacher: Arztsitz-Verlegung. Berufsfreiheit geht vor. Ärzte Zeitung 21.01.2015. 161 Frank Leth: Praxisumzug in überversorgtes Gebiet. Sozialrichter lehnen Antrag einer Berliner Psychotherapeutin ab. Ärzte Zeitung,

04.08.2016

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Im konkreten Fall ging es um eine Psychologische Psychotherapeutin, die zum 1. April 2013 eine Praxis mit einem hälftigen Versorgungsauftrag in Berlin-Neukölln übernommen hatte. Nach ei-nem halben Jahr beantragte sie beim Zulassungsausschuss, den Praxissitz an ihren Wohnort im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg zu verlegen. Der ZA lehnte den Antrag ab und begründe-te dies mit einer Unterversorgung an Psychotherapeuten in Neukölln in Höhe von 83,7 Prozent. In Tempelhof-Schöneberg gebe es dagegen mit 344 Prozent eine Überversorgung. Die Psycho-therapeutin legte Widerspruch ein. Der Berufungsausschuss genehmigte ihren Antrag zur Praxissitzverlegung. Für die Patienten in Neukölln würde der neue Praxissitz keinen erheblichen Nachteil darstellen. Die Festlegung, wie der Versorgungsgrad im jeweiligen Stadtteil ist, sei nicht entscheidend. "Maßgeblich ist, wie gut der Versicherte die Praxis erreichen kann". Hier sei die bisherige Praxis der Therapeutin nur rund fünf Kilometer von der bisherigen Praxis entfernt und könne problemlos mit öffentlichen Ver-kehrsmitteln erreicht werden. Der ZA der KV Berlin sah dies anders. "Ob eine Praxissitzverlegung genehmigt werden kann, muss vom Versorgungsgrad im jeweiligen Berliner Bezirk abhängig gemacht werden", sonst zie-hen alle dorthin, wo die Privatpatienten sitzen". "Es geht wohl auch darum, wer hier den Hut aufhat", so das BSG zum Streit zwischen Berufungs-ausschuss und ZA. Nach dem Urteil ist dies nun der ZA. Laut den gesetzlichen Bestimmungen könne eine Praxissitzverlegung genehmigt werden, "wenn Gründe der vertragsärztlichen Versor-gung dem nicht entgegenstehen", so das BSG. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle in einem großstädtischen Planungsbereich, wie hier Berlin, verhindert werden, dass sich die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung der Be-völkerung in einzelnen Stadtteilen durch Praxissitzverlegungen verschlechtert. Der Versorgungs-grad sei maßgeblich, ob die Sitzverlegung genehmigt werden kann. Nur im Ausnahmefall könne aus anderen Gründen doch noch die Genehmigung erteilt werden, beispielsweise, wenn ein Arzt krankheitsbedingt nicht mehr an seinem bisherigen Praxissitz tätig werden kann.

12.7 Praxistausch

Einen Praxistausch sieht das Gesetz nicht vor. Wer diesen Weg dennoch beschreiten will, sollte sich unbedingt fachanwaltlicher Kompetenz bedienen.

12.8 Wegzug eines Vertragspsychotherapeuten aus dem Zulassungsbezirk Der bloße „Wegzug“ des Vertragspsychotherapeuten aus dem Zulassungsbezirk löst zwar das

Ende der Zulassung gem. § 95 VII SGB V, nicht aber automatisch das Nachbesetzungsverfahren aus. Dazu bedarf es des ausdrücklichen Verzichts auf die Zulassung - und zwar vor dem Wegzug.

Zieht also ein Praxisinhaber aus dem KV-Bezirk weg und beantragt nicht zuvor bei dem ZA das Nachbesetzungsverfahren, zieht die KV seinen Praxissitz ein und er begibt sich der Möglichkeit, diesen zuvor verkauft zu haben. Außerdem verhindert er dadurch, dass ein kaufwilliger Psycho-therapeut (Nachwuchs) die Möglichkeit zum Praxiskauf und damit zur Praxisgründung erhält.

12.9 Präsenzpflicht Der Vertragspsychotherapeut ist gemäß § 24 Abs.2 Ärzte-ZV verpflichtet, am Vertragsarztsitz

seine Sprechstunden abzuhalten (Präsenzpflicht). Das bedeutet, er muss seine Behandlungs-bereitschaft am Vertragsarztsitz zu bestimmten Zeiten nach außen ankündigen (z.B. auf dem Praxisschild durch „Sprechzeiten nach telefonischer Vereinbarung“).

Zu diesen Zeiten muss er zur Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfü-gung stehen.

Gem. §17 BMV-Ä ist der Vertragspsychotherapeut gehalten, den Umfang seiner Sprechstunden an dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen Versorgung auszurichten. Nach §17 Abs.1a BMV-Ä bedeutet dies, dass der Vertragspsychotherapeut an seinem Vertragsarztsitz persönlich mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung steht. Bei einem halben Praxissitz handelt es sich entsprechend um 10 Stunden (s. 1.2.2).

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20 Sprechstunden dürften 17 Therapiestunden entsprechen.

12.10 Residenzpflicht Bis zum Ende des Jahres 2011 war der Vertragsarzt nach § 24 Abs.2 Satz 2 Ärzte-ZV verpflichtet,

seine Wohnung so zu wählen, dass er für die ärztliche Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz ausreichend zur Verfügung steht. „Ausreichend“ war bis Ende 2011 eine Erreich-barkeit vom Wohnort zur Praxis binnen 30 Minuten. Das BSG bestätigte das grundsätzliche Recht der Zulassungsgremien, die Residenzpflicht „mittels einer Auflage als Nebenbestimmung zur Zu-lassung durchzusetzen“.

Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG)162 ist seit dem Jahr 2012 die Residenz-pflicht abgeschafft worden. Ärzte können damit ihren Wohnort frei wählen. Am Vertragsarztsitz muss künftig lediglich die Sprechstunde durchgeführt werden. Die Wahl des Praxissitzes kann also unabhängig vom Wohnort erfolgen. Diese freiheitliche Regelung erleichtert es den Behandlern nunmehr, berufliche Vorstellungen mit privaten Wünschen zu vereinbaren. Der Gesetzgeber verspricht sich davon eine bessere medizi-nische Versorgung im ländlichen Raum.

12.11 Praxisbörse / Nachfolger-Suche Die KVN hat zur Sicherstellung der Vertragsärztlichen Versorgung eine internetfähige Praxisbörse

eingerichtet. Mit dieser Praxisbörse will sie Ärzte und Psychotherapeuten bei der Suche nach einer Praxis zur potenziellen Nachfolge, Kooperation oder Anstellung zusätzlich unterstützen. Die Eintragungen sind kostenfrei. Es besteht die Möglichkeit, die Angaben soweit wie möglich zu anonymisieren. Die Praxisbörse ist zu finden unter www.kvn-praxisboerse.de oder über www.kvn.de. Hier ist auf der rechten Seite etwas unterhalb ein Button mit einem Link zur Praxis-börse angelegt. Bei Fragen kann man sich wenden an Frau Specht, Tel.: 0531-24 14-232. Die KVN veranstaltet immer wieder „Wirtschafts- und Niederlassungsseminare“, manchmal auch ganz speziell in diesem Zusammenhang eine „Praxisbörse für Jung und Alt“. Im Rahmen einer derartigen Praxisbörse haben die Teilnehmer während der gesamten Veranstal-tung die Möglichkeit, - sich über Notebooks in der Praxisbörse der KVN Inserate anzusehen, - selbst ein Inserat mit Unterstützung eines Praxisberaters aufzugeben, - Aushänge von Praxisangeboten anzusehen, - sich bei den Praxisberatern der beteiligten Bezirksstellen über konkrete Angebote zur Praxis-

übernahme, Kooperation und Anstellung zu informieren. Es besteht außerdem die Möglichkeit, unter www.kvn.de selbst ein Inserat einzustellen (die Zu-gangsdaten entsprechen denen für das Mitgliederportal) oder die KVN übernimmt das für ihre Mitglieder. Diese virtuelle Praxisbörse soll helfen, Anbieter und Interessenten auf einfachem Weg unter Wahrung der Anonymität zusammenzubringen. Die Beteiligten bestimmen dabei selbst, ob und wie sie miteinander in Kontakt treten wollen. Neben einigen Pflichteingabefeldern und freiwilligen Angaben gibt es auch die Möglichkeit, Bilder einzustellen. Das Inserat bleibt zu-nächst 180 Tage im Netz, kann jedoch bei Bedarf verlängert oder jederzeit gelöscht werden.

Anfang 2014 hat die Deutsche Apotheker- und Ärztebank eine Praxis- und Apothekenbörse163 ins Leben gerufen. Über sie sollen Existenzgründer passende Übernahmeobjekte finden, Praxis-abgeber machen sich potentiellen Käufern bekannt. Auch Kooperationen werden vermittelt. Der Zugang zur Praxis- und Apothekenbörse ist unkompliziert: Auf der Website der APO Bank (www.apobank.de/praxisabgabe bzw. www.apobank.de/praxissuche) können Interessenten In-formationen zu Suchkriterien übermitteln. Alternativ werden Gesuche oder Angebote vom Kun-denberater persönlich aufgenommen. Anhand der Angaben erstellt die APO Bank ein Expose´. Es werden Informationen zum Umsatz, zu Mitarbeitern, zum Mietvertrag, zum Behandlungsspekt-

162 Ärzte Zeitung: Mehr Flexibilität durch Aufhebung der Residenzpflicht. 18.10.2011, S. 20. 163 Hauke Gerlof: Wettbewerb um Jungärzte. Praxisabgeber können viel tun. Ärzte Zeitung online, 20.08.2015.

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rum sowie zur Lage erfasst. Die Angaben der Abgeber und Existenzgründer können im Internet nicht eingesehen werden (Diskretion). Über die Datenbank werden Angebote und Kaufgesuche abgeglichen. Daraus erstellt die APO Bank dann Vorschläge für Bewerber.

Auch die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) hat inzwischen eine Praxisbörse unter www.dptv.de online eingerichtet. Die Börse kann für Angebote und Suche genutzt werden. Der Service ist für alle Psychotherapeuten kostenfrei.

Da es sich bei der Praxisabgabe um eine einschneidende Entscheidung im Berufsleben eines Psy-chotherapeuten handelt, sollte mit einer entsprechenden Planung möglichst frühzeitig begon-nen werden. Dadurch kann vermieden werden, dass unter Zeitdruck ggf. unüberlegte oder gar falsche Entscheidungen getroffen werden.

Folgendes sollte bei der Nachfolger-Suche beachtet werden: o Sprechen Sie bei Fortbildungsveranstaltungen junge Kollegen an. o Teilen Sie Ihrer ehemaligen Ausbildungseinrichtung mit, dass sie auf der Suche nach einer Sie

entlastenden Psychotherapeutin sind oder in Erwägung ziehen, Ihren halben oder Ihren gan-zen Praxissitz zu verkaufen.

o Wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen an Ihren Berufsverband. o Wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen an Ihre Psychotherapeutenkammer. o Nutzen Sie das Seminar „Praxisberatung“ der PKN oder das Seminar „Praxisabgabe und Pra-

xisübernahme leicht gemacht“ der DPtV als Praxisbörse.

13. Gründung und Beendigung einer psychotherapeutischen Praxis164

13.1 Gründung einer psychotherapeutischen Praxis Zur Gründung Ihrer psychotherapeutischen Praxis165 müssen Sie diese bei Ihrer Psychothera-

peutenkammer unter Angabe Ihrer Mitgliedsnummer, der Praxisadresse und des Datums des Beginns Ihrer selbständigen Tätigkeit anmelden. Auch Zusammenschlüsse mit Berufskollegen (Praxisgemeinschaft, Berufsausübungsgemeinschaft) müssen Ihrer Kammer angezeigt werden.

Außerdem muss die Praxis bei dem örtlichen zuständigen Finanzamt angemeldet werden. Dort erhalten Sie auch Auskünfte zur Betriebsnummer sowie zur Abgabe der Einkommenssteuererklä-rung. Für die Einkommenssteuer ist das Finanzamt am Wohnort, für die Umsatzsteuer das Fi-nanzamt am Praxisort zuständig (s. 15.).

Die Praxis ist außerdem bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrts-pflege (BGW) anzumelden. Sollten Sie Arbeitnehmer in Ihrer Praxis beschäftigen, müssen diese ebenfalls namentlich bei der BGW und bei der Minijobzentrale angemeldet werden. Außerdem ist eine Meldung zur gesetzlichen Sozialversicherung notwendig (am besten erledigen Sie dies al-les über Ihren Steuerberater).

Als freiberuflich tätiger Psychotherapeut müssen Sie eine Berufshaftpflichtversicherung abge-schlossen haben. Bei einer Praxistätigkeit im Anstellungsverhältnis sind Sie über die Berufshaft-pflichtversicherung Ihres Arbeitgebers mitversichert.

Wenn Sie als Kammermitglied auch Pflichtmitglied des Versorgungswerks Ihrer Psychotherapeu-tenkammer sind, so sollte auch diesem die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gemeldet wer-den.

164 Die hier aufgeführten Inhalte entstammen dem Artikel „Existenzgründung als Psychologischer Psychotherapeut“. Verfasser ist der

ehemalige Geschäftsführer der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen (PKN), Diplom-Ökonom Ekkehard Mittelstaedt. Der Artikel ist erschienen in Best et al.: Approbiert, was nun? Psychotherapeutenverlag Heidelberg, 2008, S. 193 – 230 sowie im Manage-ment Handbuch für die psychotherapeutische Praxis, Psychotherapeutenverlag Heidelberg, 2008 unter dem Titel „Existenzgründung als

Psychologischer Psychotherapeut: Existenzgründungsarten, Finanzbedarfsplanung, Businessplan“. Die aufgeführten Punkte sollen dazu anregen, den vollständigen Artikel zu studieren und die Listen und Tabellen im Anhang des Artikels bei einem Existenzgründungsvorhaben zu nutzen. 165 Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg: Informationen für Kammermitglieder zur Gründung einer Privatpraxis, Stand: September 2015

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Des Weiteren muss Ihre Praxis bei der Gebührenzentrale für Rundfunkgebühren (GEZ) angemel-det werden, denn seit dem 01.01.2013 muss für jede Betriebsstätte ein pauschaler Rundfunkbei-trag entrichtet werden.

Bei der Bezeichnung Ihrer Praxis müssen Sie anpreisende, irreführende oder vergleichende Wer-bung unterlassen. Am besten bezeichnen Sie Ihre Praxis als „Psychotherapeutische Praxis“.

Bei der Gestaltung des Praxisschildes besteht inzwischen eine weite Freiheit. Bei den Inhalten des Praxisschildes ist zwischen notwendigen, empfehlenswerten und unzulässigen Angaben zu unterscheiden. o Notwendige Angaben sind Name, Berufsbezeichnung und Angaben über Präsenz und Er-

reichbarkeit (Telefonnummer und/oder E-Mailadresse, Sprechzeiten nach telefonischer Ver-einbarung).

o Empfehlenswerte Angaben sind das Richtlinienverfahren der Approbationsurkunde. Die An-gabe eines Tätigkeitsschwerpunktes setzt eine nachhaltige Tätigkeit in diesem Bereich vo-raus. Die Angabe muss mit dem Zusatz „Tätigkeitsschwerpunk“ erfolgen.

o Unzulässige Angaben sind irreführende, vergleichende oder anpreisende Angaben, Heilungs-versprechen, Tätigkeitsschwerpunkte ohne entsprechenden fachlichen Nachweis, Vermi-schung von wissenschaftlich anerkannten und nicht anerkannten Verfahren, Angebot der Erwachsenenbehandlung unter der Berufsbezeichnung „KJP“.

Auch ein Praxisschild an der Privatadresse ist berufsrechtlich zulässig, wenn sich dort rechtmä-ßig ein Praxissitz befindet.

Berufswidrige Werbung ist zu unterlassen.

Psychotherapeuten dürfen sich in Verzeichnisse eintragen lassen.

Wie eigene Visitenkarten ist die eigene Homepage eine wichtige Visitenkarte der eigenen Praxis. Weil Psychotherapeuten zu den Dienstanbietern im Sinne des § 5 Telemediengesetz (TMG) gehö-ren, unterliegen sie der Impressumpflicht. Danach hat die Homepage ein Impressum zu erhalten, welches die nach § 5 TMG verpflichtenden Informationen enthalten muss. Dazu gehören: Name und Anschrift, unter der Sie niedergelassen sind, Angabe der E-Mail-Adresse, Angabe der zustän-digen Psychotherapeutenkammer, die gesetzliche Berufsbezeichnung und die Angabe des Staa-tes, in dem die Berufsbezeichnung verliehen worden ist, Verweis auf die Berufsordnung der ei-genen Kammer, Verweis auf das Heilberufekammergesetz (HKG) sowie eine Umsatzsteuernum-mer, wenn umsatzsteuerpflichtige Leistungen angeboten werden.

Ferner müssen Hygienevorschriften beachtet werden. In Praxen von PP und KJP beschränken sich diese auf eine regelmäßige Reinigung der Räume sowie auf die regelmäßige Desinfektion der Hände und Arbeitsflächen.

13.2 Existenzgründungsarten: a. Freiberufliche Tätigkeit:

Ein wesentliches Merkmal freiberuflicher Tätigkeit ist, dass die Tätigkeit von persönli-cher Arbeitskraft geprägt ist und in fachlicher Unabhängigkeit ausgeübt wird.

Freiberuflichkeit ist nicht immer abhängig von Selbständigkeit. Nicht jeder Selbständige ist Freiberufler und nicht jeder Freiberufler ist selbständig. So ist der niedergelassene Psychotherapeut in eigener Praxis selbständiger Freiberufler wie andere Mitglieder der Katalog-berufe (z.B. Rechtsanwälte, Ärzte, Steuerberater).

Der Informatiker mit eigenem Software-Unternehmen ist selbständiger Gewerbetrei-bender, also kein Freiberufler.

Angehörige der Freien Berufe können auch bei einem Arbeitgeber angestellt sein, z.B. als Arzt im Krankenhaus oder als Anwalt oder Steuerberater in einer Sozietät166.

166 Viele Punkte zum Thema Gründung einer psychotherapeutischen Praxis sind auch dem Script „Existenzgründung in den Freien Berufen – Leitfaden“ des Landesverbandes der Freien Berufe in Schleswig-Holstein (LFB), November 2012, entnommen (www.freie-berufe-sh.de).

Dieser Leitfaden ist eine Kurzfassung des „BFB-Leitfadens zur Existenzgründung in den freien Berufen“. Weitere Informationen erhalten Sie auf den Seiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie www.existenzgruender.de.

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Psychotherapeuten gehören zu den „verkammerten“ Freien Berufen wie die Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker.

Für die steuerliche Veranlagung trifft das Finanzamt die Entscheidung, ob man Freiberuf-ler im Sinne der Steuergesetzgebung ist oder nicht. Freiberufler melden sich nicht beim Gewerbeamt, sondern beim Finanzamt an. Sie erhalten von dort eine Steuernummer.

Freiberufliche Tätigkeiten sind also von der Gewerbesteuer und Umsatzsteuer befreit. Der steuerliche Gewinn ist gegenüber dem Finanzamt durch eine Einnahmeüberschuss-rechnung mitzuteilen.

Für die Anmeldung beim Finanzamt genügt ein formloser Brief mit einer kurzen Be-schreibung der Tätigkeit, die Sie vorhaben. Die Anmeldung muss spätestens binnen eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit erfolgen. Nach der Meldung schickt das Finanzamt einen „Fragebogen zur steuerlichen Erfassung“. Hier wird auch nach den Umsatz- und Gewinnerwartungen gefragt. Das Finanzamt entscheidet dann, ob der Antragsteller als Freiberufler oder Gewerbetreibender eingestuft wird. (Steuerberater erforderlich!).

b. Teilzeitgründung oder Nebenerwerbsgründung:

In der Teilzeitgründung wird die Berufstätigkeit nicht hauptberuflich, sondern neben-beruflich (s. 7.1) ausgeübt, sie dient also nicht der Unterhaltssicherung allein. Sie stellt einen guten Einstieg in die selbständige Tätigkeit dar.

Sie bedarf der Zustimmung durch den Arbeitgeber, bei dem PP oder KJP angestellt sind.

Die aus der Teilzeitgründung erzielten Einkünfte werden mit den Einkünften aus der so-zialversicherungspflichtigen Beschäftigung gemeinsam versteuert.

Nebenerwerbsgründungen sind möglicherweise förderungsfähig, wenn das Vorhaben innerhalb von drei Jahren zum Vollerwerb führt.

c. Neugründung:

Wesentliches Charakteristikum: die Existenzgründung startet bei Null. Der Existenzgrün-der kann nicht auf Bestehendes aufbauen.

Vorteil: der Existenzgründer kann die Praxis nach seinen Vorstellungen völlig neu auf-bauen.

Nachteil: Im gesperrten Bezirk ist diese Möglichkeit nicht gegeben. d. Unternehmensnachfolge oder Praxisnachfolge:

Die erfolgversprechendste Möglichkeit, sich im gesperrten Bezirk zur vertragspsycho-therapeutischen Tätigkeit niederlassen zu können.

Es wird eine bestehende Praxis übernommen.

Vorteil: es bedarf keiner oder nur einer kleinen Anlaufphase.

Nachteil: Praxisübernahme ohne Kaufpreis ist (in der Regel) nicht möglich. e. Teamgründung:

Sowohl Neugründung als auch Praxisnachfolge kann in Form der Teamgründung organi-siert werden.

Vorteil: Das Risiko wird nicht allein getragen. Die Kosten und Investitionen können aufge-teilt werden.

Es besteht inzwischen die Möglichkeit, zu zweit jeweils einen halben Praxissitz zu über-nehmen

13.3 Motivation und Gründungspersönlichkeit: 1. Mögliche Motive:

Etwas Eigenes schaffen, Unabhängigkeit, Eigenverantwortlichkeit, Selbstverwirklichung, höherer Verdienst, flexible Arbeitszeiten.

Motivation allein macht noch keine Existenzgründung.

Wesentlich ist die Existenzgründerpersönlichkeit. 2. Existenzgründerpersönlichkeit:

Mindestanforderungen an den Existenzgründer:

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o Gesundheit, Stressbewältigung, Risikobereitschaft, Ehrgeiz, Einsatzbereitschaft, Fleiß, Belastbarkeit, Lust zum Unternehmertum, Autonomiestreben

o zeitliche Flexibilität, Unterstützung aus der Familie o berufliche Erfahrungen o Kenntnisse der wesentlichen rechtlichen Bestimmungen o betriebswirtschaftliche und kaufmännische Kenntnisse.

3. Gründe für mögliches Scheitern:

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat folgende Gründe benannt: o Finanzierungsmängel (falsche Einschätzung des Kapitalbedarfs), o Informationsdefizite (Unterschätzung der Konkurrenz), o Qualifikationsmängel (Mangel an unternehmerischen Kenntnissen), o Planungsmängel (Planung fehlerhaft oder Existenzgründer hält sich nicht an seine

Planung), o Familiäre Probleme (Rückhalt in der Familie ist unzureichend), o Überschätzung der Betriebsleistung bzw. der eigenen Leistungsfähigkeit.

13.4 Finanzbedarfsplanung und Finanzierung: 1. Berechnung des Bedarfs für die Sicherung des Lebensunterhalts:

Monatliche Einnahmen und Ausgaben werden in einer Tabelle gegenübergestellt und verglichen.

2. Berechnung des Gesamtkapitalbedarfs:

Diese Berechnung entscheidet maßgeblich darüber, ob das Existenzgründungsvorhaben realisiert werden kann.

Die Berechnung des Gesamtkapitalbedarfs kann mittels eines Kapitalbedarfsplans erfol-gen. Dieser gliedert sich in folgende Bereiche: o Langfristige Investitionen, o Mittlere und kurzfristige Investitionen, o Reserven für besondere Belastungen in der Anlaufphase, o Gründungskosten. o Die Summe dieser Posten (Tabelle!) macht den gesamten Kapitalbedarf aus.

Danach richtet sich die Frage, wie der Kapitalbedarf finanziert werden soll: o Eigenfinanzierung? o Fremdfinanzierung? (Darlehensplan erstellen!) o Mittel aus Existenzgründerförderungen?

3. Umsatz- und Rentabilitätsvorschau:

Mittels dieser Vorschau wird der zu erwartende Ertrag unter Berücksichtigung der indi-viduellen Gegebenheiten der Investition berechnet.

Ausgangspunkt ist der prognostizierte Umsatz. Hiervon werden dann die Aufwendungen für Praxisbedarf etc. abgezogen. Von diesem Ergebnis werden dann wiederum die Ab-schreibungen, Gründungskosten und Zinsen für das Fremdkapital abgezogen. Im Ergebnis ist dann der prognostizierte Gewinn vor Steuern abgebildet.

4. Liquiditätsplanung:

Im Gegensatz zur Umsatz- und Rentabilitätsvorschau ist für die Liquiditätsplanung nicht maßgeblich, ob und wenn ja wie hoch die Rentabilität des Existenzgründungsvorhabens ist. Sie dient nur der Liquiditätssicherung und damit der Realisierung des Existenzgrün-dungsvorhabens.

Sie soll davor schützen, Liquiditätsengpässe zu haben und so - trotz positiver Bewertung des Existenzgründungsvorhabens - zahlungsunfähig zu werden.

Sie dient also der Sicherung der Liquidität, in der Regel für einen Zeitraum von 3 Jahren.

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5. Gründungszuschuss und Förderkredite:

Der Gründungszuschuss der Agentur für Arbeit ist seit dem 01.01.2012 neu geregelt. Beantragen können ihn wie bisher nur Bezieher von Arbeitslosengeld I. Für Bezieher von Arbeitslosengeld II gibt es nach wie vor das sog. Einstiegsgeld.

In der sog. Phase 1 wird dem Gründer für 6 Monate nach dem Unternehmensstart sein individuelles Arbeitslosengeld zzgl. 300,- Euro mtl. gezahlt.

In Phase 2, das sind 9 Monate, fällt das Arbeitslosengeld zwar weg, aber dafür werden noch 300,- Euro mtl. weitergezahlt. Die Zahlung erfolgt jedoch nur unter der Vorausset-zung, dass die Gründung wirtschaftlich erfolgreich und „mit intensiver Geschäftstätigkeit“ verlaufen ist.

Die Leistung für Phase 2 war bereits früher eine Ermessensentscheidung. Inzwischen ist Phase 1 jetzt ebenso eine Ermessensentscheidung. Ein Rechtsanspruch des Gründers be-steht nicht mehr. D.h., die Agentur für Arbeit entscheidet letztendlich, ob sie dem Antrag auf Gründungszuschuss zustimmt oder nicht.

Für den Antrag benötigt man einen Businessplan sowie die Stellungnahme einer fach-kundigen Stelle, d.h. eine Bestätigung der Tragfähigkeit des Businessplanes und einen Qualifikationsnachweis. Für die fachkundige Stellungnahme wenden Sie sich am besten an Ihre Psychotherapeutenkammer.

Informationen zu allen Förderkrediten finden Sie auf der Internetseite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unter www.kfw-mittelstandsbank.de.

Der Unternehmerkredit der KfW167 ist das wohl bekannteste und am häufigsten genutzte Förderprogramm für Freiberufler. Die Fördermaßnahme ermöglicht zinsgünstige Investi-tions- und Gründungsfinanzierungen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – und damit auch Ärzte – können in einem KMU-Fenster besonders günstige Konditionen erhal-ten. Förderfähig sind u.a. o der Erwerb von Praxisimmobilien inklusive ggf. anfallender Umbaukosten o der Kauf von technischen Geräten sowie Fahrzeugen und Einrichtungen o die Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie o immaterielle Vermögenswerte wie z.B. ideelle Praxiswerte bei Übernahme weiterer

Praxen.

Beim Unternehmerkredit können verschiedene Varianten hinsichtlich Darlehenslaufzeit und Zinsbindung gewählt werden.

Neben der KfW-Bankengruppe gibt es außerdem die Förderbanken der Länder. Sie sind wettbewerbsneutral und bieten das gesamte Spektrum kreditwirtschaftlicher Produkte an. Diese Banken ermöglichen teilweise sogar Umschuldungen bestehender Darlehen.

Die „Hausbank“ begleitet Ärzte bei wichtigen unternehmerischen Schritten und Investiti-onen. Sie berät bei der Auswahl sowie Kombination der Förderprogramme und weiteren Finanzierungsbausteinen. Beantragt werden Fördermittel immer vor Beginn des Investi-tionsvorhabens im Rahmen des Hausbankprinzips. Der Antrag kann also nur über die Hausbank bei der Förderbank eingereicht werden.

Eine Beratung über Fördermöglichkeiten erhalten Sie z.B. von den Förderlotsen der Investitionsbank Schleswig-Holstein www.ib-sh.de und sicher auch von Investitionsban-ken anderer Bundesländer.

13.5 Businessplan: Unabhängig davon, ob Sie Ihr Existenzgründungsvorhaben durch eine Bank finanzieren, öf-fentliche Mittel und/oder einen Gründungszuschuss in Anspruch nehmen oder eigene Mittel einsetzen - planen Sie sorgfältig ein Geschäftskonzept, Ihren Businessplan.

167 Marco Hübner: Praxisfinanzierung. Öffentliche Fördermittel richtig beantragen. Über die Hausbank zu öffentlichen Fördertöpfen. Ärzte Zeitung 23.04.2013.

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1. Beschreibung des Gründungsvorhabens:

Die oben dargelegten Kenntnisse sind im Businessplan zusammenzuführen und um eine genaue Beschreibung des Gründungsvorhabens zu ergänzen.

Der Businessplan richtet sich sowohl an den Existenzgründer selbst als auch an die Kapi-talgeber und ist im Bereich der Förderungsbeantragung und -bewilligung ein unverzicht-barer Bestandteil der einzureichenden Unterlagen.

2. Der Businessplan erfüllt 4 Funktionen: 1. Planungsfunktion, 2. Entscheidungsfunktion, 3. Kommunikationsfunktion, 4. Kontrollfunktion.

3. Der Businessplan enthält folgende Punkte: 1. Deckblatt mit Name und Adresse des Existenzgründers, 2. Gründungsvorhaben, 3. Geschäftsidee, 4. Existenzgründerprofil mit Gründerqualifikation, Berufserfahrung, Referenzen und Moti-

vation für die Selbständigkeit, 5. Markteinschätzung, Wettbewerbssituation, 6. Standortwahl, 7. Leistungsangebot und Zielgruppe, Geschäftsplan, 8. Praxisorganisation (Rechtsform, Gründungsart, Genehmigungen), 9. Kapitalbedarfsplanung, Liquiditätsplanung, Umsatz- und Rentabilitätsvorschau, 10. Anhang: Tabellarischer Lebenslauf des Existenzgründers, Zeugnisse und andere wesentli-

che Dokumente, Formular der Agentur für Arbeit. 11. Finanzteil.

4. Die Planung der Finanzen: Der Finanzteil des Businessplans168 besteht aus Investitionsplan, Finanzierungsplan, Umsatz- und Ertragsvorschau sowie dem Liquiditätsplan: 1. Der Investitionsplan umfasst sämtliche Investitionen, die zum Schritt in die Selbständig-

keit notwendig sind, z.B. den Praxiskaufpreis, Kosten für Umbaumaßnahmen und Neuan-schaffungen von Ausstattung und Geräten.

2. Im Finanzierungsplan wird die Art der Finanzierung für diese Investitionen festgelegt. Das können Eigenkapital, ein Darlehen aus der Familie oder aber auch Bank- und För-derdarlehen sein.

3. Die Umsatz- und Ertragsvorschau wird in der Regel über drei Jahre erstellt und umfasst die erwartete Einnahmen- und Kostenentwicklung der Praxis. Aus der Differenz von Ein-nahmen und Ausgaben wird der prognostizierte Gewinn berechnet.

4. Der Liquiditätsplan (Liquidität bedeutet Zahlungsfähigkeit) soll sicherstellen helfen, dass zu jeder Zeit alle fälligen Zahlungen wie Gehälter, Praxismiete etc. gezahlt werden kön-nen. Hierfür gilt es, entweder ein finanzielles Polster zu haben oder die Kosten mittels Kontokorrentkredit („PraxisDispo“) zu finanzieren. Um die notwendige Höhe zu bestim-men, sollten gerade die ersten Monate detailliert mit den entsprechenden Praxisbeson-derheiten geplant werden. Im Rahmen der Liquiditätsplanung sollte der tiefstmögliche Punkt ermittelt und auf dieser Grundlage die Zahlungsfähigkeit sichergestellt werden.

13.6 Gründungsnetzwerk / Steuerberater In Städten wie Braunschweig oder Hannover gibt es ein Gründungsnetzwerk. In diesem ha-

ben sich verschiedene etablierte Verbände und Institutionen zusammengeschlossen, um für Gründungswillige kompetente Ansprechpartner zu sein, die Interessierte auf ihrem Weg zum eigenen Unternehmen begleiten. Durch Klicken auf die entsprechende Institution kann man

168 D. Griethe: Vorbereitung der Existenzgründung. Die Finanzen der Praxis planen. Psychotherapie Aktuell der DPtV, 5. Jahrgang / Heft 3 / 2013, S.26 f.

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sich den passenden Partner aussuchen, über den man Informationen erhalten möchte. Ein Veranstaltungskalender unterrichtet über Info-Veranstaltungen, Unternehmer-Stammtische und Qualifizierungsmöglichkeiten für Existenzgründer. Es ist auch möglich, einen Beratungs-termin zu vereinbaren.

Der wichtigste Navigator bei Fragen zum Businessplan ist aber der Steuerberater, der sich mit Fragen der Existenzgründung einer psychotherapeutischen Praxis gut auskennt. Er infor-miert über Möglichkeiten, an Fördergelder und günstige Kredite zu gelangen und ist nach der Gründungsphase sowieso unverzichtbarer Ratgeber und Kontrolleur.

13.7 Führung einer psychotherapeutischen Praxis169 Die Eröffnung einer eigenen psychotherapeutischen Praxis bedeutet, den Schritt in die Selb-

ständigkeit zu wagen. Auf diesen Schritt sind die PP und KJP jedoch durch ihr Studium und ihre anschließende Ausbildung zum PP oder KJP nicht vorbereitet. So sind die betriebs-wirtschaftlichen Aspekte der Niederlassung in aller Regel nicht Bestandteil der Psychothera-peutenausbildung und schon gar nicht des Studiums. Manche KV’en informieren zwar über dieses Thema, sind aber immer noch schwerpunktmäßig auf die Gründung und Organisation von Arztpraxen ausgerichtet.

Dazu kommt, dass die betriebswirtschaftliche Sichtweise und Sprache Psychotherapeuten (immer noch) ungewohnt erscheint und lästig ist, weshalb sie sich damit eigentlich am liebs-ten gar nicht beschäftigen.

Trotz dieser Vorbehalte ist der angehende Praxisbetreiber bzw. Freiberufler in der Pflicht, bei der Organisation seines Praxisbetriebes die betriebswirtschaftlichen Grundprinzipien des ef-fektiven und effizienten Einsatzes der zur Verfügung stehenden Ressourcen sorgfältig zu be-achten, um nicht als Unternehmer Schiffbruch zu erleiden.

Folgende 4 Eckpunkte der betriebswirtschaftlichen Praxisorganisation sind wesentlich: 1. Arbeitszeit 2. Umsatz 3. Kosten 4. Gewinn.

Die vier Punkte hängen zusammen: Die aufgewandte Arbeitszeit und der festgelegte Preis (Honorar je Leistungseinheit) bestimmen den Umsatz. Über die Höhe der Betriebskosten er-mittelt sich als Differenz zum Umsatz der zu versteuernde Gewinn. Der Gewinn bestimmt schließlich das Einkommen des Praxisbetreibers.

ad 1. Arbeitszeit:

Da in der Psychotherapie persönliche Leistungspflicht besteht, unterliegt die Ausweitung der persönlichen Arbeitszeit natürlichen Grenzen. Außerdem bestehen individuelle Unterschie-de im Hinblick auf die Belastbarkeit bzw. den Wunsch nach Freizeit.

Die Arbeitszeit pro Woche ist ein gängiger Maßstab. Sie sollte realistisch eingeschätzt wer-den, da sie nicht nur die konkreten Therapiesitzungen, sondern auch Vor- und Nachbereitung und manches mehr umfasst. 1. Es gibt dabei erstens die Unterscheidung in Leistungen, mit denen direkt Einnahmen er-

zielt werden, und solche, die im Rahmen des Praxisbetriebs erbracht werden müssen, ohne dass dadurch Einnahmen erzielt werden können. Generell kann mit einem Zeitauf-schlag von ca. 50 % für diese Arbeiten gerechnet werden, wenn die Praxis über keine Hilfskräfte verfügt.

2. Ein zweiter Maßstab für die Einschätzung der Arbeitszeit ist der Vergleich der eigenen Eckdaten mit anderen Praxisbetreibern (Benchmarking). Um das Verhältnis aus Leistung und Einkommen bewerten zu können, bietet ein Vergleich der Jahresarbeitszeit, der Fall-

169 Dieser Abschnitt orientiert sich an dem Artikel von Udo Engler: „Führen einer psychotherapeutischen Praxis: Die Verbindung von fachlichen und ökonomischen Anforderungen“. MHP, 57. Aktualisierung, Oktober 2013, Nr. 1520.

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zahlen, des Umsatzes und der Betriebskosten (Betriebsvergleich) mit anderen psychothe-rapeutischen Praxen einen Orientierungsrahmen.

3. Ein dritter Maßstab ist die Nutzung aller Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung. o Welche Tätigkeiten (EDV, Formulare, Textbausteine, etc.) können rationalisiert wer-

den? o Welche Arbeitsabläufe (z.B. Dokumentation) können beschleunigt werden? o Welche Aufgaben können an Hilfskräfte delegiert werden (Telefonate, Verwaltung

der Warteliste, Auswertung standardisierter Testverfahren, Reinigung der Räume, Sammlung und Sortierung der Unterlagen für den Steuerberater, usw.).

Insgesamt gilt: Die Arbeitszeit, die nicht zu direkten Einnahmen führt, muss über die Thera-piehonorare finanziert werden. Deshalb sollte dieser Zeitanteil so gering wie möglich gehal-ten werden.

ad 2. Umsatz:

Die Einnahmen aus dem Praxisbetrieb ergeben den Gesamtumsatz der Praxis.

Es gibt folgende umsatzrelevante Faktoren, die einer Steuerung durch den Praxisbetreiber zugänglich sind: o Fallzahlen, Behandlungen, Auslastung o Terminmanagement o Ausschöpfung aller relevanten Abrechnungsziffern o Kontrolle der Quartalsabrechnung und regelmäßiger Widerspruch dagegen o Leistungsträgerstruktur des Patientenpools (GKV- und PKV-Patienten) o Angemessener Mix aus Kassenpatienten und Privatpatienten o Praxisstandort o Praxismarketing (Therapeutenverzeichnisse, zufriedene Patienten, etc.) o Praxisgestaltung (u.a. Licht, Geruch, Farbe, Sauberkeit, Möbel, Literatur, Bilder, etc.)

ad 3. Kosten:

Das Ausmaß der Kosten bestimmt die Höhe des Gewinns vor Steuern. Es gibt o fixe Kosten wie Raummiete bzw. Zins und Tilgung bei Eigentum, Versicherungen, Gehäl-

ter, etc.) und es gibt o variable Kosten wie Material- und Energieverbrauch.

Nutzergemeinschaften (Praxisgemeinschaften, Gemeinschaftspraxen) von Räumen, Appara-ten und Hilfspersonal können, den Synergieeffekt nutzend, die Kosten drücken.

Bei der Analyse der betrieblichen Gesamtkosten wird zwischen folgenden Kostenarten un-terschieden: o Raumkosten o Fremdkapitalzinsen (Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Anschaffung der Praxis) o Personalkosten o Versicherungen im Rahmen des Praxisbetriebs o Aufwendungen für private Vorsorge (Psychotherapeutenversorgungswerk - PVW) o Abschreibungen für bewegliche Anlagegüter (AfA) o Geringwertige Anlagegüter (GWG) o Aufwendungen für Fort- und Weiterbildung o Kosten für Supervision, Intervision, Qualitätszirkel o Kosten für Fachliteratur und Fachzeitschriften o KfZ-Kosten o Steuerberatungskosten o Sonstige laufende Kosten.

Für die Praxisausstattung (u.a. Behandlungszimmer) sind Kosten einzuplanen für Gegenstän-de wie Sessel, Beistelltisch, Schränke, Regale, Schreibtisch, Schreibtischstuhl, Teppiche, Bil-der, sonstige Raumdekoration, Flipchart, Video, Tests, Fachliteratur, Therapiematerialien,

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Therapiebedarf, Werbung (Praxisschild, Visitenkarten, Briefbogen, etc.), Büro (Computer, Drucker, Telefon, Fax, etc.), Ausstattung des Wartezimmers, Teeküche, WC. Bei minimaler Ausstattung ergeben sich kosten von ca. 4.750,- €, bei optimaler Ausstattung ergeben sich Kosten von ca. 47.500,- €170.

ad 4. Gewinn:

Der Gewinn bestimmt das Jahreseinkommen des Praxisbetreibers.

Die Ermittlung des Gewinns vor Steuern ergibt sich aus den Betriebseinnahmen abzüglich der Betriebsausgaben.

Das zu versteuernde Einkommen ergibt sich aus dem zu versteuernden Gewinn abzüglich der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen.

Das effektive Einkommen (Nettoeinkommen) ergibt sich nach Abzug der individuell festzu-setzenden Einkommenssteuer.

Da es auf der einen Seite jede Menge Steuersparende Möglichkeiten und auf der anderen Seite unzählige steuerliche Fallstricke gibt, - und die Steuerprüfung unweigerlich irgendwann an die Praxistür klopft - ist die Betreibung einer freiberuflichen psychotherapeutischen Praxis ohne Steuerberater ein kapitaler Fehler.

13.8 Kann die Praxis eines ärztlichen Psychotherapeuten von einem PP oder KJP gekauft werden?

Die Antwort heißt ja – unter bestimmten Voraussetzungen: o Es bewirbt sich kein ärztlicher Psychotherapeut auf diesen Sitz. o Der Versorgungsgrad beträgt unter 110 %.

Dies hatte schon das Landessozialgericht (LSG) Hessen so festgestellt. Dieses Urteil wurde vom LSG Baden-Württemberg bestätigt (AZ L 5 KA 600/90 W-A vom 05.05.2009). Kernsätze aus dem Urteil: „An das Weiterbildungsrecht anknüpfende berufsrechtliche Unterschiede zwischen beiden Psy-chotherapeutengruppen sind (…) nicht ausschlaggebend. Beide Psychotherapeutengruppen erbringen psychotherapeutische Behandlungsleistungen für gesetzlich Versicherte nach Maßgabe der dafür geltenden Psychotherapierichtlinien.“ Und: „Der Gesetzgeber hat (…) selbst zu erkennen gegeben, dass Psychologische Psychotherapeuten anstelle ärztlicher Psychotherapeuten tätig werden können. Die Rechtsauffassung des Antrags-gegners, wonach der Vertragsarztsitz eines ärztlichen Psychotherapeuten nicht von einem Psy-chologischen Psychotherapeuten eingenommen werden kann, ist (jedenfalls wenn wie hier nur ein Bewerber vorhanden ist) damit unvereinbar“. o Ein MVZ hat einen Anspruch auf Genehmigung der Anstellung eines PP als Nachfolger einer

Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Dies hat (erneut) das SG Düs-seldorf entschieden (Urteil vom 11.05.2011 – S 14 KA 184/09).

o Zuvor hatte sich bereits das LSG NRW im Eilverfahren (Beschluss vom 17.06.2009 – L 11 B 6/09 KR ER) so geäußert. Die Bedeutung dieses Urteils liegt darin, dass es Rückschlüsse auf die Frage erlaubt, ob ein zur Nachbesetzung ausgeschriebener Sitz eines ärztlichen Psycho-therapeuten durch einen PP nachbesetzt werden kann. Nach diversen Urteilen dürfte dies al-so der Fall sein, soweit nicht das für ärztliche Psychotherapeuten reservierte Mindestkontin-gent („Arztvorbehaltsquote“) unterschritten wird (s. 10.3.2).171

o Mit Urteil vom 02.07.2014 (Az.: B 6 KA 23/13 R) bestätigte das BSG diese Entscheidung. Über die Frage, ob ein PP Nachfolger eines ärztlichen Psychotherapeuten werden kann, wenn hierdurch die Mindestversorgungsquote unterschritten wird, hat das BSG allerdings aus-drücklich nicht entschieden.

170 W. Gross: Psychotherapiepraxis als Unternehmen. Die Säulen der Finanzierung. Deutsches Ärzteblatt PP, Heft 1, Januar 2017, S. 24 ff. 171 M. Plantholz: Rechtsprechungs-Report; Nachbesetzung einer ärztlichen Psychotherapeutenstelle durch Psychologische Psychotherapeu-ten. In: Psychotherapie Aktuell, 4. Jahrgang, Heft 1, 2012, S.46.

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o Auch nach Meinung des RA Jens-Peter Jahn ist die Übernahme einer ärztlichen Praxis durch einen Psychologischen Psychotherapeuten möglich172.

13.9 Nachfolge bei Berufsunfähigkeit oder Tod

Nicht immer hat der Praxisinhaber die Möglichkeit, über den Zeitpunkt der Abgabe seiner Praxis frei zu entscheiden. Es empfiehlt sich daher, für diesen Fall rechtzeitig Vorsorge zu treffen

In Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) sollten besondere Regelungen für Krankheitsfälle und den Todesfall getroffen werden173.

Beispielsweise kann durch eine Fortführungsklausel vereinbart werden, dass eine Gesellschaft trotz Todes eines Partners durch die übrigen Gesellschafter fortgeführt werden kann oder auch muss. In diesem Fall sind auch Regelungen zur Abfindung der Erben sowie zur Verwertung des Vertragsarztsitzes zu treffen.

Soll ein bereits auserkorener Nachfolger in die Fußstapfen des Verstorbenen treten, kann das durch eine rechtzeitig in den Gesellschaftsvertrag aufgenommene qualifizierte Nachfolgeklausel gewährleistet werden. Diese Regelungen müssen im Einklang mit einem etwaig angefertigten Testament stehen.

Auch für Ärzte in Einzelpraxis besteht durchaus Regelungsbedarf - z.B. in Sachen Mietvertrag. Denn sowohl der Vermieter als auch die Erben haben das Recht, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme vom Ableben des Mieters außerordentlich mit gesetzlicher Frist zu kündigen. Den Erben bleibt also lediglich ein Monat Zeit, um eine Kündigungsentschei-dung zu treffen.

Gleichzeitig droht kurzfristig die Kündigung des Vermieters. Bereits im Mietvertrag sollten daher Regelungen getroffen werden, die dieses Sonderkündigungsrecht ausschließen.

Die Rechte und Pflichten aus Arbeitsverträgen gehen im Todesfall auf die Erben über (s. 15.9). Sofern die Praxis allerdings an einen Nachfolger veräußert werden kann, übernimmt dieser kraft Gesetzes die für die Praxis bestehenden Arbeitsverhältnisse, vorausgesetzt, dass die betroffenen Mitarbeiter dem Betriebsübergang nicht widersprechen.

Wird der Praxisbetrieb eingestellt, ist darauf zu achten, dass die Arbeitsverhältnisse rechtzeitig und fristgerecht gekündigt werden.

Zur Veräußerung der Praxis im Todesfall gelten die allgemeinen Ausführungen zur Praxisabgabe. Rein formal endet nach § 95 Abs. 7 SGB V die Zulassung mit dem Tod. Es kann jedoch beantragt werden, die Praxis nachzubesetzen. Alle Rechte und Pflichten aus der Praxis gehen auf die Erben über. Diese können erst dann verbindliche Vereinbarungen treffen, wenn sie im Besitz des Erb-scheins sind.

Für den Verkauf der Praxis sollte das Praxissubstrat auch nach dem Tod des Praxisinhabers erhal-ten werden. Die KV kann die Weiterführung der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes durch einen anderen Arzt bis zur Dauer von zwei Quartalen genehmigen (§ 4 Abs. 3 BMV-Ä) Bereits in diesem Zeitraum sollten von den Erben Übergabeinitiativen ergriffen werden, um wirtschaftli-chen Schaden zu vermeiden. Wenn es nicht zeitnah gelingt, einen Nachfolger zu finden, kann die Praxis ihre Fortführungsfähigkeit verlieren, sodass die Durchführung eines Nachbesetzungsver-fahrens nicht mehr möglich ist.

Der Praxiswert der Praxis kann für die Erben nur gesichert werden, wenn schnell gehandelt wird. Sonst droht ein schleichender Verfall der Praxis mit der Gefahr, dass kein Praxissubstrat mehr vorhanden ist und die Praxis dann auch nicht mehr verkauft werden kann.

In der Konsequenz muss möglicherweise Personal entlassen werden, laufende Miet- und Leasingverträge müssen abgelöst werden, die Praxis muss geräumt werden, offene Verbindlich-keiten müssen beglichen und Bankkonten, Versicherungen und Mitgliedschaften müssen gekün-digt werden.

Handlungsleitfaden: Dieser sollte u.a. Vollmachten enthalten für:

172 Vgl. hierzu Jens-Peter Jahn: Praxisabgabe/-übernahme. In: MHP, 56. Aktualisierung, Juli 2013, S.36 f. 173 Michael Frehse: Nach Tod des Inhabers. Rechtsfragen, die auf Praxiserben zukommen. Ärzte Zeitung 30.12.2014

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o Banken mit Zeichnungsberechtigungen für die entsprechenden Konten o Versicherungen o Vermögen o Körperschaften (Kassenärztliche Vereinigung und Psychotherapeutenkammer) o Psychotherapeutenversorgungswerk (PVW) o Berufs- und Therapieverbände o Vereine und sonstige Organisationen o Das Personal und die Kollegen der Praxis (Thema Schweigepflichtentbindung) o Öffentliche Stellen wie Finanzamt, Kirche, Gemeinde o Steuerberater o Vertragskündigungen

Checkliste für Erben:174 o Prüfen, ob der Praxisinhaber einen Ansprechpartner für etwaige Nachfolgeregelungen

benannt hat – und wenn ja, wen o Kontakt zur KV aufnehmen o Suche nach einem Praxisvertreter starten. Hilfe gibt möglicherweise die KV o Überblick verschaffen über Praxisabläufe und kurzfristig erforderliche Entscheidungen, um

den Betrieb aufrechterhalten zu können o Unterlagen und Verträge sichten (Geldanlage, Kreditverträge, Versicherungen etc.) o Verträge und Mitgliedschaften kündigen

Vorsorge-Ordner: Die Checkliste sollte zusammen mit allen wichtigen Unterlagen in einem dafür angelegten Ordner aufbewahrt und regelmäßig aktualisiert werden. o Zulassungsurkunde o Praxisverträge o Aktuelle Honorarabrechnungen o Betriebswirtschaftliche Auswertungen o Vollmachten o Person des Vertrauens / des Beauftragten benennen

Erbschein: Es kann mehrere Wochen dauern, bis das zuständige Amtsgericht einen Erbschein ausstellt. Des-halb sollten für den Ernstfall entsprechende Generalvollmachten an ein oder zwei Vertrauens-personen ausgestellt werden. Das können auch die Erben sein. Alternativ lässt sich ein Testament beim Amtsgericht hinterlegen. Der Praxisinhaber erhält dann eine Hinterlegungsbescheinigung, die dem Erbschein entspricht. Mit dieser Bescheinigung und dem Totenschein zusammen haben die Erben sofort die Möglichkeit, sämtliche Nachlassfragen zu entscheiden.

Erbschaftssteuer: Beim Tod des Praxisinhabers droht auch die Erbschaftssteuer175, die schnell zu einer Belastung werden kann. Insbesondere wenn Immobilien vererbt werden, kann die Erbschaftssteuer dazu führen, dass Wohn- und Grundbesitz verkauft werden müssen, um die Steuern bezahlen zu kön-nen. Wenn dagegen der Praxisinhaber schon zu Lebzeiten weiß, wie er seine Erben einbeziehen will, könnte er das Vermögen etwa durch Schenkungen optimal auf die Erben verteilen. Auf diese Weise lassen sich steuerrechtlich vorgesehene Freibeträge besser ausschöpfen. Der Rat eines Steuerberaters und/oder Notars sollte auch hier eingeholt werden.

Beauftragter für den Verhinderungsfall: Die Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen (PKN) wurde auf Beschluss der Kammerversammlung vom 21.04.2012 wie folgt geändert: § 24 Abs.5 wird wie folgt gefasst: „(5) Jeder Psychotherapeut hat eine Person seines Vertrauens als sogenannten Beauftragten für den Verhinderungsfall zu benennen und zu verpflichten.

174 Stefan Hoch: Vorsorge für den Ernstfall. Wenn der Praxisinhaber plötzlich stirbt. Ärzte Zeitung 30.12.2014 175 Christoph Gasten: Praxiserben. Herausforderung Erbschaftssteuer. Ärzte Zeitung 30.12.2014

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Der Beauftragte darf im Verhinderungsfall des Psychotherapeuten die organisatorisch notwendi-gen Maßnahmen für den Psychotherapeuten ergreifen, namentlich Patienten über die Erkrankung informieren, Termine absagen oder verschieben und, Vollmacht vorausgesetzt, im Rahmen von Praxisveräußerung und Nachbesetzung Informationen über die Praxis erteilen. Falls der Beauftragte nicht selbst Psychotherapeut ist, hat der Psychotherapeut zusätzlich einen Psychotherapeuten zu benennen, der vom Beauftragten hinzugezogen werden muss, wenn An-fragen zu beantworten und Maßnahmen, wie etwa die Abrechnung, zu ergreifen sind, die einen Zugriff auf die Patientenakte notwendig machen. Die Person des Beauftragten im Sinne von § 24 Abs.5 S.3 der Berufsordnung ist der PKN auf dem Meldebogen mitzuteilen.“

Notfallordner. Das ist zu tun, wenn der Praxisinhaber stirbt

Treffen Praxisinhaber keine Vorsorge, um geschäftliche Dinge nach dem Tod zu regeln, können Erben und Familie in die Bredouille kommen. Inmitten seiner Kollegen erleidet z.B. ein deutscher Arzt einen Herzinfarkt und stirbt am Check-in am Flughafen. Der verstorbene Orthopäde hinter-lässt eine Frau und vier schulpflichtige Kinder. Zum menschlichen Drama kommt in solchen Fällen oft ein zweites: Die Witwe ist zahlungsunfähig – trotz genügend Geld auf dem Konto. Was fehlt, sind passende (Bank-)Vollmachten. Freiberufler und Praxisinhaber hinterlassen oft ein berufli-ches Chaos, wenn sie verunglücken oder schwer erkranken.

In Industrieunternehmen gibt es für diese Fälle einen Notfallordner. Den sollten auch Psychothe-rapeuten anlegen. Darin liegen Vollmachten und Verfügungen. Diese regeln, wer über welche Bankkonten verfügt bis hin zu wann etwa eine Beatmungsmaschine abgestellt wird. Liegen dann noch Ehevertrag sowie das Testament im Ordner, können Erben schnell ermittelt werden und sind handlungsfähig.

Eine Unternehmer-Vollmacht ist für niedergelassene Ärzte Pflicht. Diese ermächtigt Ehepartner oder Nachkommen, einen Stellvertreter für die Praxis einzusetzen, wenn der Psychotherapeut beispielsweise nach einem Unfall im Koma liegt und auf unbestimmte Zeit ausfällt. So laufen die Geschäfte weiter und die Existenz ist gesichert. Sinnvoll ist auch eine Telefonliste mit Nummern wichtiger Dienstleister, des Versorgungswerkes und der Kammer. Auch Kredite, Leasingverträge, Versicherungen, Jahresabschlüsse und Privatdarlehen sollten kopiert im Notfallordner liegen. Schlussendlich sind Listen mit Passwörtern, PIN-Nummern, Bankschließfächer sowie Grundstücke mit Grundbuchauszügen hilfreich, um die Notsituation ohne wirtschaftlichen Schaden zu über-stehen. Doch die Realität sieht anders aus: Viele Psychotherapeuten sammeln Notfalldokumente erst, wenn die Nachfolge ansteht.

Meist fehlt das Bewusstsein für die eigene Endlichkeit. Besonders verheerend wirkt sich die versäumte Vorsorge auf Gemeinschaftspraxen aus. Etliche firmieren als Gesellschaft des bürger-lichen Rechts (GbR). Fehlt im GbR-Vertrag allerdings der Zusatz "Beim Tod eines Gesellschafters gehen dessen Anteile an die Erben über" – erlischt die Gesellschaft mit dem Tod eines Partners. Sämtliche Miet- und Leasingverträge sind dann fällig und gehen auf die lebenden Partner über. Jeder Psychotherapeut haftet dann mit seinem Privatvermögen persönlich und unmittelbar.

Übrigens muss die Notfallakte nicht zwingend in Papier vorliegen. Das Zentralregister der Bun-desnotarkammer speichert diese auch digital. Dort können Ärzte und Psychotherapeuten entwe-der über einen Notar oder direkt beglaubigte Kopien hinterlegen lassen. Für rund 40 Euro kann jeder dort Dokumente speichern und erhält einen Ausweis mit Telefonnummer für Notfälle.

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14. Rechtsfragen zum Praxisübernahmevertrag 14.1 Praxiswert und Kaufpreis Der Kauf einer psychotherapeutischen Praxis ist in gesperrten Planungsbereichen eine Möglich-

keit, eine Praxis mit Kassenzulassung zu erhalten177. Dabei wird nicht die Kassenzulassung, also

176 Michael Sudahl: Notfallordner. Das ist zu tun, wenn der Praxisinhaber stirbt. Ärzte Zeitung, 22.08.2016. 177 Information: Steuerliche Bewertung / Abschreibung des Kaufpreises einer Praxis. In: Psychotherapie Aktuell, 3. Jahrgang, Heft 4, 2011, S.38. Weiterführende Literatur: Karch u. Schmidt: Steuern in der psychotherapeutischen Praxis, Deutsche PsychotherapeutenVereigung,

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der Praxissitz (die wird dem Bewerber durch den ZA erteilt), sondern die Praxis, ihre Einrichtung, die Patientenkartei, der Patientenstamm, der Bekanntheitsgrad, ihre Einbindung in das psycho-soziale Netz etc. veräußert.

Diese Faktoren bestimmen den Praxiswert und dafür zahlt der Praxiserwerber einen Kaufpreis.

Der Kaufpreis kann sowohl materielle als auch immaterielle Wirtschaftsgüter umfassen: o Materieller Wert: Betriebsvermögen, Praxisausstattung, gesamtes Inventar, Praxisgeräte etc.

Zur Ermittlung des materiellen Praxiswertes wird der Zeitwert für jedes einzelne Wirtschafts-gut bestimmt. Der Zeitwert ist der Preis, den ein Dritter unter marktüblichen Bedingungen für ein gebrauchtes Wirtschaftsgut zahlen würde. Dieser bemisst sich nach Alter, Zustand und wirtschaftlicher Nutzungsfähigkeit des Gegenstandes.

o Immaterieller Wert: Patientenbestand, Lage der Praxis, Ruf der Praxis, Einbindung ins psy-chosoziale Netz etc. Die Ermittlung des immateriellen Praxiswertes leitet sich aus strukturel-len Faktoren ab wie z.B. dem Praxisstandort, seiner Lage und Anbindung, der Anzahl und Struktur des Patientenstammes, der Konkurrenzsituation, der Abhängigkeit von Zuweisern etc. Er orientiert sich auch an der bisherigen und künftigen Praxis-Umsatzentwicklung, am Ruf der Praxis und an der Praxisorganisation und Personalsituation.

Der Kaufpreis kann vom Praxiserwerber in der Regel 3-5 Jahre gewinnmindernd in der Einnahme-Überschussrechnung angesetzt werden und führt damit zu einer geringeren Einkommenssteuer. Die für die Finanzierung des Kaufpreises möglicherweise notwendigen Darlehenszinsen werden steuerlich als Betriebsausgaben gewertet.

Am 21. 04. 2012 wurde durch Beschluss der Kammerversammlung der Psychotherapeutenkam-mer Niedersachsen (PKN) § 24 der Berufsordnung der PKN durch einen neuen Abschnitt 6 wie folgt ergänzt: „Dem Psychotherapeuten ist es untersagt, seine Praxis zu einem sittenwidrig über-höhten Kaufpreis anzubieten und/oder zu veräußern“. (s. 12.2, Punkt 11 der Auswahlkriterien)

Unstrittig war in der Vergangenheit, dass eine psychotherapeutische Praxis einen immateriellen Wert aufweist, der sich mit der Zeit verflüchtigt und daher abgeschrieben werden kann.

Darüber, ob die Kassenzulassung (also der Praxissitz) als solche ebenfalls ein selbständiges im-materielles Wirtschaftsgut darstellt, herrschte dagegen Uneinigkeit. Einige Finanzämter vertraten die Auffassung, dass mit dem Kauf einer Kassenarztpraxis ein Teil des Kaufpreises auf ein eigenes, nicht abschreibbares Wirtschaftsgut (“wirtschaftlicher Vorteil aus der Vertragsarztzulassung“) entfallen würde und hatten folglich die Abschreibungen gekürzt.

Dem widersprach der Bundesfinanzhof in einem am 21.09.2011 veröffentlichten Urteil (BFH-Urteil vom 09.08.2011 / VIII R 13/08). Dort heißt es: „Orientiert sich der zu zahlende Kaufpreis ausschließlich am Verkehrswert der fortgeführten Praxis, so ist in dem damit abgegoltenen Praxiswert der Vorteil der Zulassung als Vertragsarzt un-trennbar enthalten“.

Unstrittig ist damit heute, dass neben dem materiellen und immateriellen Wert auch die Kassen-zulassung nach der Übernahme komplett steuerlich geltend gemacht werden kann.

14.2 Betriebswirtschaftliche Praxisbewertung178 Checklisten für die Anfertigung einer betriebswirtschaftlichen Praxisbewertung:

o Dokumente: - Stichtagsaktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) - Einnahme-/Überschussrechnungen (möglichst der letzten 5 Jahre) - Auflistung des Inventars mit Anschaffungswert - KV-Abrechnungen - Mietvertrag über Praxisräume

Berlin 2011. 178

Was ist (m)eine Praxis wert? Praxisabgabe und Praxisübernahme. Wissen was zählt. Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Düsseldorf

2005, S. 59 ff.

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- Kooperationsverträge (z.B. IV-Verträge) - Leasing-Verträge (z.B. für PKW) - Versicherungspolicen - Gesellschaftervertrag bei Gemeinschaftspraxen bzw. Praxisgemeinschaften

o Praxisdaten: - Liste der Mitarbeiter mit Angabe der Funktion, des Gehalts etc. - Tagesablauf/Betriebszeiten - Grundrissskizze der Praxis - Investitionen der letzten 5 Jahre - Zuweiserstruktur - Rechtsangelegenheiten (evtl. zu Praxis-Rechtsstreitigkeiten) - Zulassungen / Ermächtigungen der Kollegen - Angaben zur Konkurrenzsituation - Arbeitsteilung der Kollegen - Fallzahlen der letzten vier Quartale - Angaben zur Ortslage und zu den Räumlichkeiten der Praxis

o Inventarliste: - Gegenstand - Anzahl - Hersteller/Lieferer - Typ und Zubehör - Anschaffung im Jahr … - Anschaffungskosten - Zustand des Gegenstands.

Bewertungsanlässe: Es sind die unterschiedlichsten Anlässe für die Bewertung psychotherapeutischer Praxen denkbar: Praxisaufgabe aus Altersgründen, Krankheit, Berufsunfähigkeit oder Tod. Obwohl diese Tatsache jedem Praxisinhaber bewusst ist, bereiten sich viele Psychotherapeuten nicht rechtzeitig genug darauf vor, was verständlicherweise zu Problemen führen kann. Denn die Praxisabgabe ist genauso wie die Praxisgründung eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben eines freiberuflichen Psychotherapeuten.

Verfahren zur Bewertung von Freiberuflerpraxen179: o Auch heute noch werden bei der Bewertung von Freiberuflerpraxen vielfach sog.

pauschalierte Bewertungsmethoden angewendet. Diese Verfahren folgen einer pau-schalen Betrachtungsweise und vernachlässigen die Besonderheiten und die Individuali-tät des einzelnen Bewertungsobjekts, hier der psychotherapeutischen Praxis.

o Die modifizierte Ertragswertmethode löst die Probleme bei der Bewertung von Freibe-ruflerpraxen besser, da sie - im Gegensatz zu den pauschalen Verfahren - die Besonder-heiten des Bewertungsobjekts berücksichtigt. Auf Basis einer detaillierten Vergangen-heitsanalyse wird eine Zukunftsprognose erstellt, die die Grundlage für die Ermittlung des Praxiswerts darstellt.

Im September 2008 haben die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihre bisherige Umsatzbezogenheit der Praxisbewertung aufgegeben und sind zu einer Ertrags-bezogenheit übergegangen.

14.3 Modifizierte Ertragswertmethode Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 09.02.2011 mit dem Az. XII

ZR 40/09 zum ersten Mal eine Methode zur Bewertung des Praxiswertes ausdrücklich positiv be-stätigt, die „modifizierte Ertragswertmethode“.

179 D. Zur Mühlen et al.: „Praxisbewertung. Kompass zur Wertbestimmung ärztlicher und psychotherapeutischer Praxen“. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 2010, S.89.

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Diesem Urteil hat sich das Bundessozialgericht (BSG) am 14.12.2011 mit dem Az. B 6 KA 39/10 R angeschlossen. Zur Ermittlung des Verkehrswertes180 hält das BSG diese Bewertungsmethode für grundsätzlich geeignet. Dabei wird neben dem Substanzwert einer Praxis, d.h. dem Zeitwert der bewertbaren Wirtschaftsgüter, der immaterielle Wert in Form eines Goodwill berücksichtigt. Eine Bemessung allein nach dem Substanzwert lasse zu Unrecht den auch bei psychotherapeutischen Praxen vor-handenen immateriellen Wert einer Praxis unberücksichtigt, so das BSG. In den „Hinweisen zur Bewertung von Arztpraxen“ sei zu Recht ausgeführt, dass der ideelle Wert einer Praxis seinem Wesen nach etwas Anderes ist als der Geschäftswert eines gewerblichen Unternehmens, da Ver-tragsärzte immer eine höchstpersönliche Leistung erbringen, (wobei der Grad der Bindung der Patienten an die Person des Arztes bei Psychotherapeuten ganz besonders ausgeprägt ist).

Bei der modifizierten Ertragswertmethode wird 1. zunächst der materielle Wert, also Sachwerte wie Grundstück und Gebäude, Geräte und

Einrichtung einer Praxis als Vermögen des Psychotherapeuten, ermittelt. 2. Sodann wird der immaterielle Wert (ideeller Praxiswert oder sog. Goodwill) berechnet. In

die Berechnung dieses immateriellen Vermögenswertes gehen Parameter wie Standort bzw. Infrastruktur der Praxis, Art und Zusammensetzung des Patientenstamms, Konkurrenzsitua-tion, Warteliste oder Mitarbeiter der Praxis, aber auch Ruf und Ansehen des Praxisinhabers bei den Patienten sowie seine Vernetzung mit potentiellen Überweisern ein.

3. Darauf wird zusätzlich zu diesen bestehenden Werten aber auch der voraussichtliche Ertrag der Praxis für die Bewertung herangezogen. Nach Meinung des BSG ist nicht zu beanstan-den, wenn der immaterielle Wert anhand der durchschnittlichen Erträge in den vergangenen drei Jahren ermittelt wird. Die durchschnittlich in der Vergangenheit erzielten Erträge sind eine geeignete Grundlage für die Prognose, welche zukünftigen Erwerbschancen durch den Kauf der Praxis eröffnet werden.

4. Wird die gesamte Praxis veräußert, sind sämtliche Erlöse zu berücksichtigen, die der bisheri-ge Inhaber mit der Praxis erzielt hat, mithin nicht nur die Erlöse aus der vertragsärztlichen Tätigkeit, sondern auch die aus privatärztlicher Tätigkeit. Ist der Abgeber weiterhin vertrags- und privatpsychotherapeutisch tätig, weil er nur eine Hälfte seiner Praxis mit vollem Versor-gungsauftrag verkauft, werden nur die Erlöse aus der vertragspsychotherapeutischen Tätig-keit berücksichtigt.

5. Der verbleibende Gewinn ist wiederum zu mindern um einen kalkulatorischen Unterneh-merlohn. Dieser beschreibt die Honorierung für den Arbeitseinsatz des Praxisinhabers. Es geht dabei darum, den auf den Übernehmer nicht übertragbaren Wert des persönlichen Ein-satzes des derzeitigen Praxisinhabers in Abzug zu bringen. Es wird in der Regel nicht zu bean-standen sein, wenn der Unternehmerlohn pauschalierend in Anlehnung an den TVöD in der jeweils aktuellen Fassung bestimmt wird. Allerdings muss der kalkulatorische Lohn vom Um-fang der Tätigkeit des bisherigen Praxisinhabers abhängig sein.

Der Umstand, dass nicht alle Berechnungsschritte genau bestimmt werden könnten, disqualifizie-re die Ertragswertmethode nicht. Derartige Unsicherheiten hafteten einer Prognoseentschei-dung stets an. Immaterielle Faktoren entzögen sich einer exakten Messbarkeit. Soweit mit Ein-schätzungen gearbeitet werde, bedürften diese freilich einer nachvollziehbaren Begründung, so das BSG in seinem Urteil vom 14.12.2011 mit dem Az. B 6 KA 39/10 R.

Die BPtK181 hat 2015 Sachverständige „mit betriebswirtschaftlichem Sachverstand“ beauftragt, ein Praxisbewertungsmodell zu erarbeiten, das rechtssicher ist, eine fundierte betriebswirt-schaftliche Verankerung bietet und die spezifischen Merkmale einer psychotherapeutischen Pra-xis berücksichtigt. Das Modell wird in Form einer Excel-Tabelle zur Verfügung stehen. Es berück-sichtigt explizit den Praxisstandort und lässt diesen in den ideellen Wert der Praxis einfließen. Hierzu gehören Daten wie Bevölkerungsdichte, die Kaufkraft, das Durchschnittsalter der Bevölke-

180 Zum Begriff Verkehrswert vgl. Mittelstädt in Rüping/Mittelstädt: Abgabe, Kauf und Bewertung psychotherapeutischer Praxen, 2008, S. ^149 ff. 181 P. Bühring: Bewertung psychotherapeutischer Praxen. Initiative für eine faire Übergabe. Deutsches Ärzteblatt/PP/Heft 1/Januar 2016, S. 8.

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rung und die psychotherapeutische Versorgungsdichte vor Ort. Weiterhin werden praxisspezifi-sche Faktoren wie der Vernetzungsgrad der Praxis und die Zahl der Patientenanfragen in die Be-wertung einbezogen. Geeinigt hat man sich auf das „modifizierte Ertragswertverfahren“. Aus-gangsbasis sind die bereinigten Gewinne der letzten drei bis fünf Jahre, die den zukünftigen jähr-lichen Nettoertrag ausweisen.

14.4 Bestimmung des Praxiswerts durch Zulassungsausschuss oder Berufungsausschuss Das Oberlandesgericht München urteilte am 22.07.2010 (8 U 5650/09) zur Praxiswertermitt-

lung: o Im Streitfall hatten sich Praxisverkäufer und Praxiskäuferin auf einen Kaufpreis von 48.000 €

geeinigt. Der ZA hatte der Interessentin den Praxissitz zugesprochen. Diese wollte den ver-einbarten Kaufpreis jedoch anschließend nicht bezahlen. Begründung: Materieller und ideel-ler Wert der Praxis seien gleich Null, ein Patientenstamm sei nicht übergeben worden.

o Das Landgericht hatte in 1. Instanz, unterstützt durch einen Sachverständigen, den Wert der Praxis auf 9.200 € beziffert.

o Das Oberlandesgericht München sah dagegen in 2. Instanz den Praxiswert von 48.000 € nicht als sittenwidrig an und ließ eine Revision gegen dieses Urteil nicht zu. Begründung: Es hande-le sich nicht um einen unzulässigen Zulassungshandel. Der Praxisabgeber habe insgesamt drei Patienten geschickt, eine ausreichende Praxisanbahnung habe daher stattgefunden, der freien Therapeutenwahl des Patienten könne nicht vorgegriffen werden. Es habe also eine fortführungsfähige Praxis vorgelegen, die sich allein an den Verhältnissen des Praxisabgebers bemesse. Die Absicht, die Praxis alsbald an einem anderen Ort und/oder mit anderem Inven-tar fortzuführen, sei rechtlich irrelevant. Es komme einzig darauf an, ob der abgebende Psy-chotherapeut tatsächlich eine Praxis betrieben habe. Dies sei vorliegend der Fall. Der Kläger habe über einen regelmäßigen Patientenstamm verfügt und gute Kontakte gehabt. Auch der geforderte Preis sei nicht als sittenwidrig zu bezeichnen. Es lägen dem Gericht Praxiswert-gutachten zwischen 0 und 57.500 € vor182.Bestehen solch große Bewertungsschwierigkeiten, so sei der Schluss von einer Überhöhung des Kaufpreises auf eine verwerfliche Gesinnung nicht möglich. Eine verwerfliche Gesinnung ist aber Voraussetzung für die Sittenwidrigkeit eines Vertrages.

Das Bundessozialgericht (BSG)183 hat in einem Urteil vom 14.12.2011 (B 6 KA 39/10 R, Vorinstanz LSG: L 5 KA 1323/09) klargestellt, dass sich die ZA und BA bei der Bestimmung des Praxiswerts heraushalten müssen – zumindest in den meisten Fällen. Wenn sich die beteiligten Ärzte oder Psychotherapeuten über den Wert einer Praxis einig seien, hätten sich die ZA herauszuhalten. Sie dürften dann nicht noch selbst einen Praxiswert ermitteln. Damit geben die Kasseler Richter den Behandlern einen weiten Spielraum, eine Praxisübergabe rasch zu regeln.

o Im Streitfall hatte eine Psychotherapeutin aus Baden-Württemberg den Wert ihrer Pra-xis zunächst auf 56.000 € geschätzt. Mit allen an einer Übernahme interessierten Kolle-gen einigte sie sich dann auf einen Verkehrswert von 40.000 €.

o Trotzdem holte der Berufungsausschuss (BA) ein eigenes Gutachten (GA) ein, das einen Wert von 35.000 € ergab. Auch das gefiel dem BA nicht; der immaterielle Praxiswert sei für eine psychotherapeutische Praxis zu hoch angesetzt.

o Ein weiteres GA ergab daraufhin einen immateriellen Praxiswert von 0 €. So verblieb nur noch ein Sachwert von 2.940 €.

o Das LSG Baden-Württemberg monierte zwar, der BA habe den Widerspruch der beiden Gutachter nicht aufgeklärt. Bundesweit sorgten die Stuttgarter Richter aber für Aufsehen mit ihrer Aussage, der BA sei grundsätzlich berechtigt gewesen, einen Praxiswert festzu-setzen.

182 Vgl. den Artikel Oberlandesgericht München zum Praxiswert: „Es kommt darauf an, … ob der abgebende Psychotherapeut eine Praxis

betrieben hat“. DPtV-Mitgliederbrief 1/11, S. 7 f. 183 Christopher Meder: Praxiswert: Gericht pfeift Gremien zurück. Ärzte Zeitung, 15.12.2011.

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Dem trat das BSG in seinem Urteil klar entgegen: o Wenn sich der abgebende Arzt mit einem oder auch mit mehreren Interessenten auf ei-

nen Praxiswert einigen kann, haben sich die Zulassungsgremien (ZA und BA) nicht mehr einzumischen.

o Nur wenn keine Einigung zwischen dem Veräußerer und dem am besten geeigneten Be-werber über den Kaufpreis erzielt wird, müssen nach dem BSG-Urteil die Zulassungsgre-mien einen Verkehrswert festsetzen. Dieser darf aber nicht unter dem niedrigsten Gebot liegen, weil sich die Interessenten zumindest in dieser Höhe einig sind. Zudem ist der ZA an das eingeholte Gutachten gebunden.

o Ist zwischen allen Bewerbern und dem ausscheidenden Vertragsarzt allerdings Einigkeit über den Kaufpreis erzielt worden, besteht keine Notwendigkeit zur Festsetzung des Verkehrswerts, weil die Bereitschaft zur Zahlung eines bestimmten Kaufpreises dann kein Auswahlkriterium mehr ist184.

o Die Regelung, dass die Interessen des Abgebers nur insoweit zu berücksichtigen sind, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswerts der Praxis nicht übersteigt, soll verhindern, dass aus einer Mehrheit von geeigneten Bewerbern derjenige auszuwählen ist, der den höchsten Kaufpreis zahlt.

o Jeder Bewerber muss andererseits bereit zur Zahlung eines Kaufpreises mindestens in Höhe des Verkehrswertes sein.

o Die wirtschaftlichen Interessen des Abgebenden sind insoweit geschützt, als nur die Be-werber in die Auswahl eingezogen werden müssen, die bereit sind, den Verkehrswert als Kaufpreis zu zahlen.

o Lässt der Praxisabgeber freilich die Übergabe scheitern, weil er keinen Kaufpreis ober-halb des Verkehrswertes erzielen kann, hat er kein Recht auf Wiederholung der Aus-schreibung.

14.5 Wettbewerbsverbot / Konkurrenzschutz Der Goodwill141 einer Praxis hängt im Wesentlichen davon ab, ob der Käufer den Patienten-

stamm und die Praxis in einem etablierten Umfeld fortführen kann. Dies könnte dadurch unter-laufen werden, dass der Verkäufer in der Nähe der verkauften Praxis weiterhin vertrags- und/oder privat-psychotherapeutisch tätig wird. Insbesondere durch die Möglichkeit, als ange-stellter Psychotherapeut tätig zu werden, könnte der Verkäufer die an seine Person gebundenen Patienten in eine andere Praxis überführen. Dies kann zwar im Einzelfall auch schon ohne Rege-lung im Vertrag eine vertragliche Nebenpflicht verletzen und Schadenersatz auslösen. Die Ab-grenzung würde jedoch schwierig. Aus diesem Grund sollte vertraglich ein Wettbewerbsverbot vereinbart werden, um den übernehmenden Arzt oder Psychotherapeuten vor Konkurrenz zu schützen.

Ein Wettbewerbsverbot kommt grundsätzlich unter sachlichen, räumlichen und zeitlichen Aspek-ten in Betracht. Nachvertragliche Wettbewerbseinschränkungen sind nach der ständigen Recht-sprechung des BGH dann wirksam, wenn sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hin-sicht das notwendige Maß nicht überschreiten o In sachlicher Hinsicht könnte ein Psychotherapeut nach Aufgabe seiner Praxis noch Interesse

an der Fortsetzung seiner privatärztlichen Tätigkeit haben. Denkbar ist auch, dass sich der Praxisverkäufer in einer anderen Praxis anstellen lässt und dort weiterhin bestimmte Leis-tungen erbringt. Das Verbot muss auf die in der verkauften Praxis praktizierte Tätigkeit zuge-schnitten sein und darf nicht uneingeschränkt gelten.

o Im Hinblick auf die räumliche Reichweite des Wettbewerbsverbots ist das Einzugsgebiet der Praxis zu beachten. Der Umkreis, in dem der Verkäufer nicht mehr tätig sein darf, kann auf dem Land weiter sein als in der Stadt.

184 M. Plantholz: Rechtsprechungs-Report; Verkehrswertbestimmung im Nachbesetzungsverfahren. In: Psychotherapie Aktuell, 4. Jahrgang, Heft 1, 2012, S.46.

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Hinsichtlich der zeitlichen Komponente nimmt die Rechtsprechung eine „geltungserhaltende Reduktion“ vor. D.h., wenn der Konkurrenzschutz für eine zu lange Zeitspanne vereinbart wurde, gilt dennoch die maximal zulässige Zeit als vereinbart. Der BGH zieht die Höchstgren-ze bei zwei Jahren (BGH, Urteil vom 07.05.2007, Az.: II ZR 281/05)

Sonderbedarfszulassungen sind durch eine Konkurrentenklage anfechtbar (s. 1.3.1). Niederge-lassene, die gegen bedarfsabhängige Ermächtigungen oder Sonderbedarfszulassungen aus Wettbewerbsgesichtspunkten rechtlich vorgehen wollen, müssen darlegen, inwieweit ihre Rechte beeinträchtigt sind, wobei die räumliche Lage, Verkehrsverbindungen und Überschnei-dungen bei der konkreten Tätigkeit eine Rolle spielen. Das hat das BSG entschieden (Az.: B 6 KA 38/08 R, B 6 KA 25/08 R). Im Rahmen einer Konkurrentenklage können die bei der ambulanten Versorgung vorrangigen niedergelassenen Ärzte geltend machen, es habe keine Versorgungslücke bestanden. Ein Drit-ter kann die Genehmigung einer BAG nicht anfechten185. Er ist nicht klagebefugt, weil die Mög-lichkeit einer Verletzung der subjektiven Rechte nicht gegeben ist. Dem kann der Dritte als Be-werber im Nachbesetzungsverfahren auch nicht entgegenhalten, dass seine Chancen auf Aus-wahl durch den ZA durch die Gründung der BAG verringert werden. Das BSG führt aus: „Im Üb-rigen wird die Möglichkeit einer missbräuchlichen Nutzung der Praxisform "BAG" im Nachbe-setzungsverfahren dadurch eingeschränkt, dass nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 13 RdNr 49, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; Urteil vom heuti-gen Tag - B 6 KA 44/13 R RdNr 47 ff) den Interessen der verbleibenden Ärzte nach einer nur sehr kurzen und nicht sehr intensiven Zusammenarbeit in einer überörtlichen BAG nur ein ent-sprechend geringes Gewicht bei der Auswahlentscheidung beizumessen ist: Je deutlicher sich also der Eindruck aufdrängt, dass die BAG vorrangig mit dem Ziel gegründet worden ist, Einfluss auf die Nachbesetzung zu nehmen, je kürzer die BAG bestanden hat und je weniger intensiv die Zusammenarbeit innerhalb der BAG war, desto geringeres Gewicht kommt den Interessen der verbleibenden Ärzte bei der Auswahlentscheidung zu.“ (Urteil vom 22.10.2014, Az.: B 6 KA 43/13). Am gleichen Tag entschied das BSG, (Az.: B 6 KA 44/13): „Auch eine eindeutig zum Zweck der Beeinflussung des Nachbesetzungsverfahrens erfolgte BAG-Gründung führt entspre-chend nicht dazu, dass die verbleibenden Partner es hinnehmen müssten, dass die Wahl auf ei-nen Kandidaten fällt, "mit dem aus objektiv nachvollziehbaren Gründen eine Zusammenarbeit keinesfalls erwartet werden kann"“

Eine Konkurrenzklausel186 in einem Gesellschaftsvertrag schützt die in der Gesellschaft blei-benden Partner nicht immer. o Eine Ausnahme hat das Landgericht Heidelberg definiert (Az.: 5 O 104/13). Demnach ist der

Konkurrenzschutz dann hinfällig, wenn der ausscheidende Gesellschafter den Patienten-stamm der Gesellschaft nicht illoyal nutzt. Eine illoyale Ausnutzung liege dann nicht vor, wenn die Zulassung von dem ausgeschiedenen Gesellschafter eingebracht wurde und die verbleibenden Gesellschafter dem ausgeschiedenen Gesellschafter für den Goodwill keine Abfindung zahlen. Oder anders ausgedrückt: Eine illoyale Ausnutzung des Goodwills liege nur dann vor, wenn ein ausscheidender Gesellschafter einerseits eine Abfindung erhalte, welche auch den Wert dieses Goodwills umfasse, er andererseits dennoch durch Konkur-renztätigkeit, insbesondere durch Mitnahme von Geschäftsbeziehungen, am gemeinsam aufgebauten Goodwill partizipiere.

o Im konkreten Fall hatten die Kläger ihre Kollegin ein Jahr nach Eintritt in die Gesellschaft aus-geschlossen und dann von ihr gefordert, das vertraglich vereinbarte Konkurrenzverbot ein-zuhalten. Dieses hätte sie verpflichtet, für die Dauer zweier Jahre nach dem Ausscheiden in einem Radius von 5 Kilometern um die bisherige Gemeinschaftspraxis nicht tätig zu wer-den. Das LG sah diesen Passus als nichtig an. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote seien dann unwirksam, wenn sie das räumlich, zeitlich und gegenständlich notwendige Maß über-

185 Keine Konkurrentenklage bei fehlendem Fortführungswillen. DPtV Bundesmitgliederbrief 1.2015, S. 17. 186 Beate Bahner: Kein Goodwill – kein Konkurrenzschutz. Ärzte Zeitung 03.02.2014, S. 13.

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schritten. Im vorliegenden Fall sei die gesellschaftsvertragliche Unterlassungsverpflichtung nichtig, da sie die durch Artikel 12 Absatz 1 GG geschützte Berufsfreiheit in unverhältnis-mäßiger Weise einschränke. Eine Abfindung war an die ausgeschlossene Gesellschafterin nicht vorgesehen gewesen. Sie hatte vielmehr einen hälftigen Vertragsarztsitz mit in die Gesellschaft gebracht und mit diesem Sitz innerhalb eines Jahres die Zweigpraxis der Ge-sellschaft maßgeblich mit aufgebaut.

Fazit: Konkurrenzklauseln sind also lediglich dann berechtigt, wenn im Falle eines Praxisver-kaufes ein entsprechender Kaufpreis bezahlt wird oder eine entsprechende Abfindung erfolgt.

14.6 Zustimmung des Ehepartners zum Praxisverkauf Stellt die Praxis gleichzeitig das gesamte Vermögen des Verkäufers dar, und ist dieser verheiratet,

so ist die Zustimmung des Ehepartners zur Veräußerung erforderlich.

14.7 Berufsunfähigkeit vor dem geplanten Übergabe-Zeitpunkt Für den Fall, dass der Veräußerer vor dem geplanten Übergabe-Zeitpunkt berufsunfähig wird,

sehen Musterverträge häufig vor, dass der Erwerber unter dieser Voraussetzung bereits unver-züglich nach Feststellung der Berufsunfähigkeit die Praxis übernimmt.

Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass der Erwerber zur vertragsärztlichen Versorgung zugelas-sen ist.

14.8 Übernahme des Praxispersonals („Betriebsübergang“) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt

dieser nach § 613a Abs. 1 S. 1BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Über-gangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

Übernimmt der neue Praxisinhaber daher gem. § 613 a Abs.1 S.1 BGB den Betrieb, ist er in der Pflicht, zunächst alle Mitarbeiter der Praxis zu übernehmen, auch Personen, die sich z.B. zum Zeitpunkt der Praxisübernahme in Elternzeit befinden. Auch wenn der Praxisabgeber diese Mit-arbeiter vergessen haben sollte, geht ihr Arbeitsverhältnis auf den Praxisnachfolger über.

Aber nicht nur der Verkauf einer Praxis, sondern auch die Zusammenführung von Praxen zu einer Gemeinschaftspraxis per Gesellschaftsvertrag kann einen „Betriebsübergang“ gem. § 613 a BGB darstellen. Ein Gesellschaftsvertrag, durch den Einzelpraxen zusammengeführt werden, be-inhaltet immer auch, die Arbeitsverträge der Einzelpraxen zu übernehmen und mit allen Rechten und Pflichten gemeinsam als Arbeitgeber in diese einzutreten.

Denkbar ist hingegen die Auflösung von sog. Ehegattenarbeitsverhältnissen durch einen geson-derten Auflösungsvertrag mit Zustimmung des Arbeitnehmers.

Das Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt hat im Jahre 2010 (Az.: 8 AZR 107/10)187entschieden, wann bei einer Arztpraxis ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB vorliegt. Ein Arzt, der eine Praxis übernimmt, muss nicht automatisch auch alle Mitarbeiter übernehmen, wenn kein Betriebsübergang vorliegt. Im Regelfall liegt nach der Rechtsprechung des BAG bei einer Arzt-praxis kein Betriebsübergang vor. Ein solcher Betriebsübergang würde nämlich nur dann vorlie-gen, wenn eine wirtschaftliche Einheit auf den Erwerber übergeht. Zu dieser können Gebäude, Betriebsmittel und Personal, aber auch Rechte (z.B. an der Patientenkartei) gehören. Das Wesen einer Arztpraxis macht aber vorrangig der Arzt selber aus, so das BAG. Zumindest in einer Einzelpraxis sei die gesamte Organisation auf die Person des Arztes zugeschnitten, insbe-sondere auf dessen individuelle ärztliche Arbeitsweise. Damit wird die Arbeit einer Arztpraxis in der Regel durch die dort tätigen Personen, nicht durch die vorhandenen Betriebsmittel geprägt. Daher geht in der Regel mit einer Praxisübernahme kein Betriebsübergang einher. Somit müssen die Ärzte die Mitarbeiterinnen der Vorgängerpraxis in der Regel nicht übernehmen.

187 Ärzte Zeitung: Praxisnachfolger hat bei Personalfragen meist freie Hand. 14.09.2011, S. 5.

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Anders kann es lediglich bei Praxen sein, die vorrangig wegen der dort vorhandenen Geräte auf-gesucht werden. Als solche Ausnahmen nennt das BAG radiologische oder nuklearmedizinische Praxen.

Aufpassen müssen allerdings Ärzte, die nur einen Teil der Angestellten übernehmen wollen. Hier kann ein Betriebsübergang vorliegen. Denn neben dem Arzt trage auch das Personal als „einge-spieltes Team“ wesentlich zur Identität und Funktionsfähigkeit der Praxis bei. Insbesondere, wenn der Nachfolger auch Räume, Einrichtung und Geräte übernimmt, hätte danach auch eine einzelne nicht übernommene Fachangestellte gute Chancen, den Fortbestand ihres Arbeitsplat-zes einzuklagen.

14.9 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), Mutterschutzgesetz (MuSchG) Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) hat die Arbeitnehmerin nicht nur

Anspruch auf Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes.

Nach § 15 Abs. 5 BEEG hat sie zudem das Recht, die vor der Elternzeit bestehende Teilzeitarbeit fortzusetzen. Die Arbeitnehmerin kann zudem einen Antrag auf weitere Reduzierung der Wo-chenarbeitsstunden stellen188.

Wenn die berufliche Tätigkeit einer Schwangeren ihr Leben, ihre Gesundheit oder die des Kindes gefährdet, können Ärzte ein Beschäftigungsverbot aussprechen. Der Arbeitgeber darf die Frau dann nicht weiter beschäftigen, muss Lohn oder Gehalt aber fortzahlen.

Laut Mutterschutzgesetz (MuSchG) sind diese Zahlungen nach dem Einkommen der voraus-gehenden drei Monate (13 Wochen) zu berechnen. Den Arbeitgeber belastet dies allerdings nicht. Er bekommt die Gehaltsfortzahlungen für Mutterschutzzeiten oder Beschäftigungsverbo-te aus einer von den Krankenkassen verwalteten Umlage ersetzt.

14.10 Schadensersatz nach abgebrochener Verkaufsverhandlung? Ein in Berlin entschiedener Fall189 zeigt, wie wichtig es für den Praxisverkäufer ist, Verhandlungen

über den Praxisverkauf von Beginn an unter den Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsschlusses zu stellen. In einem vor dem Landgericht Berlin im März 2014 entschiedenen Fall hatten sich die Beteiligten schon auf einen Kaufpreis verständigt. Uneins war man sich noch über den Zeitpunkt des Praxis-übergangs und die detaillierte Formulierung des Kaufvertrags. Doch nachdem ein Vertragsent-wurf von dem potenziellen Erwerber vorgelegt worden war, erhielt der Verkäufer ein neues, bes-seres Angebot. Der Abgeber hat daher seine Praxis an den neuen Interessenten veräußert. Der nicht zum Zuge gekommene Bewerber verklagte daraufhin den Abgeber auf Schadenersatz mit der Begründung, es habe ein mündlich geschlossener Vertrag vorgelegen. So sei ein vorver-tragliches Schuldverhältnis entstanden. Diese Vertragsverhandlungen habe der Verkäufer nicht abbrechen dürfen. Dieser Auffassung schloss sich das Landgericht Berlin nicht an. Ein mündlicher Vertragsschluss komme so lange nicht in Betracht, wie die Parteien übereinstimmend davon ausgehen, dass ein schriftlicher Kaufvertrag zu schließen wäre. Da dies unstrittig war, entfiel eine Schadensersatz-pflicht aus Verletzung von vertraglichen Pflichten.

15. Steuerrechtliche Fragen 15.1 Gründung einer psychotherapeutischen Praxis

Die Gründung einer psychotherapeutischen Praxis kann auf drei unterschiedliche Arten be-trieben werden: 1. Durch Neueröffnung einer Praxis

188 Frank A. Stebner: Arbeitsvertrag bei Praxisverkauf außen vor. Ärzte Zeitung, 13.09.2012. 189 Praxisverkauf. Kein Schadenersatz nach abgebrochener Verkaufsverhandlung. Ärzte Zeitung online, 01.04.2014.

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2. Durch Übernahme einer Praxis 3. Durch Kooperation mit anderen Praxen.

15.1.1 Steuerliche Pflichten bei Neueröffnung einer Praxis Die Neueröffnung einer Praxis190 ist dem zuständigen Finanzamt zeitnah anzuzeigen.

Nach der Abgabe eines Fragebogens zur Begründung der freiberuflichen Tätigkeit erhält der Praxisinhaber vom Finanzamt eine neue Steuernummer.

Je nach Einschätzung der Entwicklung des Umsatzes und der Gewinnerwartung (Umsatz ab-züglich Kosten) müssen vierteljährliche Vorauszahlungen auf die zu erwartende jährliche Einkommensteuer gezahlt werden. Diese sind zu festen Terminen (10.03., 10.06., 10.09. 10.12.) an das Finanzamt zu leisten. Eine Einzugsermächtigung hat den Vorteil, dass keine Termine versäumt werden können.

Nach Eröffnung der Praxis hat der Psychotherapeut zeitnah, vollständig, richtig und geordnet Aufzeichnungen vorzunehmen. Bare Einnahmen und Ausgaben sollen täglich aufgezeichnet werden. Sinnvollerweise geschieht dies durch das Führen eines Kassenbuches.

Die Belegsammlung für die Bankauszüge und die damit in Zusammenhang stehenden Rech-nungen und Quittungen ist Grundlage für die Steuererklärung.

Freiberuflich tätige Psychotherapeuten haben ihren Gewinn jährlich entweder durch eine Bi-lanz oder durch eine Einnahme-Überschuss-Rechnung zu ermitteln.

Kosten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Eröffnung der Praxis anfallen, gehören als „vorweggenommene Betriebsausgaben“ ebenfalls zu den Aufwendungen der Praxis. Hierzu gehören u.a. Fahrtkosten zur Standortsuche, Beratungskosten für den Rechtsanwalt und/oder Steuerberater, Mietzahlungen vor Aufnahme der Tätigkeit, Inserate für Personal etc. Diese Kosten werden unabhängig vom Zeitpunkt der Eröffnung der Praxis in der Steuer-erklärung des Jahres berücksichtigt, in dem diese Ausgaben angefallen sind.

Der Kauf von Praxiseinrichtungsgegenständen wird dagegen in der Regel über die Abschrei-bung ab dem Zeitpunkt der Praxiseröffnung berücksichtigt.

15.1.2 Haftung für Steuerschulden bei Übernahme einer Praxis Kauf und Abschreibung des Praxiswertes

Wird eine psychotherapeutische Praxis vom Praxisabgeber an den Praxisübernehmer über-tragen, so haftet191 der übernehmende Psychotherapeut für bestimmte Steuern, die aus dem Betrieb der Praxis heraus entstanden sind. In Betracht kommen hier die Umsatzsteuer und die Lohnsteuer.

Keine Haftung besteht für die Einkommensteuer des veräußernden Kollegen.

Die Haftung ist für den Erwerber der Praxis ein nicht unerhebliches Risiko. Er sollte daher vom abgebenden Kollegen den Nachweis verlangen, dass zum Zeitpunkt der Praxisveräuße-rung keine Lohn- oder Umsatzsteuerrückstände bestehen. Dies kann der Veräußerer durch Beantragung eines Kontoauszugs bei den Finanzbehörden nachweisen.

Für die Übernahme einer Praxis entrichtet der Psychotherapeut in der Regel einen Kaufpreis (s. 12.1). Der Goodwill einer erworbenen Praxis wird vom Erwerber über einen Zeitraum von 3-5 Jahren gewinnmindernd in der Einnahme-Überschuss-Rechnung angesetzt und führt so-mit zu einer geringeren Einkommenssteuer. Wird lediglich ein Teil der Praxis veräußert und eine Gemeinschaftspraxis gegründet, verlängert sich der Zeitraum der Abschreibung des Pra-xiswertes auf 6-10 Jahre.

Übernommene materielle Wirtschaftsgüter werden über die verbleibende Restnutzungs-dauer gewinnmindernd abgeschrieben.

190 Thomas Karch & Frank Kuhnert: Steuern in der psychotherapeutischen Praxis. MHP 2050, 62. Aktualisierung, November 2014, S. 15 ff.

Oder: Karch/Kuhnert: Steuern in der psychotherapeutischen Praxis. DPtV, medhochzwei Verlag Heidelberg, 2014, S.11 ff. 191 Thomas Karch & Frank Kuhnert: Steuern in der psychotherapeutischen Praxis. MHP 2050, 62. Aktualisierung, November 2014, S. 15 ff.

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15.1.3 Gründung durch Kooperation Eine Praxisneugründung kann auch durch eine Kooperation erfolgen. Als Kooperation kommt

eine Praxisgemeinschaft (s. 2.2), eine Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsausübungsgemein-schaft (s. 2.3) oder ein MVZ in Betracht. Für den neu einer Gemeinschaftspraxis beitretenden Psychotherapeuten sind in der Gründungssituation die gleichen steuerlichen Überlegungen anzustellen wie bei der Übernahme einer Praxis.

Steuerliche Folgen der Begründung einer Kooperation:192 o Begründet der Inhaber einer Einzelpraxis eine Kooperation mit Kollegen, indem er seine

bisherige Einzelpraxis in eine neu entstehende Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsaus-übungsgemeinschaft (BAG) einbringt, so ist hierin ebenso eine Veräußerung zu sehen.

o In diesem Zusammenhang werden 3 Modelle unterschieden, deren Ziel es ist, die Sofort-besteuerung des Veräußerungsgewinns für den bisherigen Praxisinhaber zu vermeiden: das Einbringungsmodell, das Gewinnverzichtsmodell und das Überlassungsmodell. 1. Einbringungsmodell: Bei dem Einbringungsmodell bringt der eintretende Gesell-

schafter einen dem künftigen Beteiligungsverhältnis entsprechenden Betrag als Ein-lage in das gemeinschaftliche Vermögen der BAG ein, statt den Kaufpreis in das Pri-vatvermögen des bisherigen Praxisinhabers einfließen zu lassen. Mit diesem Modell lässt sich die Sofortbesteuerung für den Einbringenden teilweise vermeiden. Hierfür ist entscheidend, dass er sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen seiner bisheri-gen Einzelpraxis in die BAG einbringt.

2. Gewinnverzichtsmodell: Beim Gewinnverzichtsmodell wird der eintretende Gesell-schafter bereits vollwertiger Partner der BAG. Er bekommt jedoch für eine gewisse Dauer unterproportionale Anteile am laufenden Gewinn. Mit diesem Verzicht er-kauft er sich seine Beteiligung an der BAG und besitzt damit keinerlei Finanzierungs-verpflichtung.

3. Überlassungsmodell: Beim Überlassungsmodell bleibt der bisherige Praxisinhaber Eigentümer des gesamten Praxisvermögens einschließlich des ideellen Praxiswertes und überlässt es der BAG gegen Entgelt. Problematisch ist hierbei, dass die entgelt-liche Überlassung Umsatzsteuer auslösen kann, soweit es sich nicht um die Überlas-sung von Immobilienvermögen handelt. Ein Ausweg kann hier die Vereinbarung ei-nes erfolgsabhängigen Vorabgewinns darstellen. Für den Erwerber entfällt dann wie-derum die Finanzierungsnotwendigkeit.

Um gravierende Fehler bei der Praxiseröffnung und Praxisführung zu vermeiden, sollte die Kooperation mit einem Steuerberater gesucht werden, der in Fragen einer psychotherapeu-tischen Praxis erfahren ist.

15.2 Steuern des selbständigen Psychotherapeuten Der Psychotherapeut in eigener Praxis ist nach § 1 Abs.1 EStG einkommensteuerpflichtig. Für

jedes Kalenderjahr hat er eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Die aus seiner Tätig-keit erzielten Einnahmen und Ausgaben hat er in einer Einnahme-Überschuss-Rechnung zu ermitteln und der Finanzbehörde als Anlage zur Einkommensteuererklärung beizufügen.

Die Tätigkeit des Psychotherapeuten ist eine selbständige Berufstätigkeit und gehört daher zu den freiberuflichen Tätigkeiten. Der Psychotherapeut ist also kein Gewerbetreibender, zahlt daher auch keine Gewerbesteuer.

Übt der Psychotherapeut neben seiner freiberuflichen Tätigkeit auch nicht heilberufliche Tä-tigkeiten aus, führt dies zu Einkünften aus Gewerbebetrieb193. Beispiele für derartige Tätig-keiten sind Berufsberatung, Niederlassungsberatung oder der Verkauf von Produkten.

192

Abgabe und Übernahme einer Praxis. Empfehlungen und Tipps für Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten. Bera-tungsservice für Ärzte 02 der KVN, Deutscher Ärzte-Verlag Köln, Oktober 2009, S. 94 f. 193 s. dazu Karch/Kuhnert. Steuern in der psychotherapeutischen Praxis. MHP 2050, 62. Aktualisierung, November 2014, S. 51 ff.

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Der selbständig niedergelassene Psychotherapeut ist auch umsatzsteuerlicher Unter-nehmer. Dies gilt sowohl für die Tätigkeit in eigener Praxis als auch für psychotherapeutische Tätigkeit an einer Institution. Sein Unternehmen umfasst stets seine gesamte berufliche Tä-tigkeit. Dazu gehören nicht nur die Behandlung von Patienten, sondern auch schriftstelleri-sche Tätigkeiten oder Vortragstätigkeiten sowie Leistungen im Rahmen von Supervisionen.

Selbständig ist der Psychotherapeut dann, wenn er auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung arbeitet. Es kommt nicht allein auf die vertragliche Bezeichnung, sondern auch auf die Art der Tätigkeit oder die Art der Vergütung an. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse.

Wie es sich mit Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben verhält, könnte ausführlich dar-gestellt werden.194 Auch hier gilt das oben Gesagte: Um gravierende Fehler bei der Praxiser-öffnung und Praxisführung zu vermeiden, sollte die Kooperation mit einem Steuerberater gesucht werden, der in Fragen einer psychotherapeutischen Praxis erfahren ist.

15.3 Drei Fallkonstellationen bei der Praxisaufgabe oder -veräußerung:

Bei einer Praxisbeendigung sind folgende 3 Fallkonstellationen zu unterscheiden195:

15.3.1 Aufgabe der Praxis ohne Nachfolger:

Bei der Aufgabe einer Praxis ohne Nachfolger werden die Praxisgegenstände entweder ein-zeln verkauft oder in das Privatvermögen übernommen. Die bei der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter erzielten Veräußerungserlöse sind den Buchwerten im Zeitpunkt der Ver-äußerung gegenüberzustellen und bei einer positiven Differenz als Veräußerungsgewinn zu versteuern.

Sollten die Veräußerungserlöse nicht die zum Zeitpunkt der Aufgabe bestehenden Buchwerte erreichen, so entsteht ein Veräußerungsverlust, der gewinnmindernd berücksichtigt werden darf.

15.3.2 Unentgeltliche Übertragung:

Diese Möglichkeit ist denkbar für den Fall, dass ein Psychotherapeut seine Praxis auf sein Kind oder seinen Ehepartner überträgt. Dabei können die Buchwerte der Praxis vom Über-nehmer fortgeführt werden. Ein Veräußerungsgewinn fällt dabei nicht an.

Die unentgeltliche Übertragung zu Buchwerten setzt allerdings voraus, dass alle funktionalen wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen werden. Dazu gehören für den Fall der Praxis im eigenen Haus auch die eigenbetrieblich genutzten Räume. Sollten diese zurückgehalten und in das Privatvermögen überführt werden, ist insgesamt keine Buchwertübertragung möglich. Dann müssen die „stillen Reserven“ (dies ist die Differenz zwischen den tatsächli-chen Werten und den Buchwerten der Praxisgegenstände) aufgedeckt und besteuert wer-den.

Als Ausnahme käme hier die vorherige Übertragung der Immobilie in eine gewerblich tätige Gesellschaft mit anschließender Verpachtung in Betracht (BFH Urteil vom 09.11.2011 – XR 60/09). Die Übertragung ist aber mit der sogenannten Gesamtplanrechtsprechung abzu-stimmen und stellt sich als äußerst kompliziert dar. Da der Wert der Immobilie für die psy-chotherapeutische Praxis nur von untergeordneter Bedeutung ist, ist diese Ausnahme in der Regel als nicht notwendig und nicht sinnvoll anzusehen.

Wird eine Praxis oder ein Anteil an einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf einen Übernehmer übertragen196, hat der

194 s. dazu Karch/Kuhnert. Steuern in der psychotherapeutischen Praxis. MHP 2050, 62. Aktualisierung, November 2014, S. 23 ff. oder Karch/Kuhnert: Steuern in der psychotherapeutischen Praxis. DPtV, medhochzwei Verlag Heidelberg, 2014, S.58 ff. 195 Siehe hierzu die Broschüre von Thomas Krach „Steuern in der psychotherapeutischen Praxis“, Deutsche Psychotherapeu-tenVereinigung, Psychotherapeutenverlag Heidelberg, 2008, S.78 ff. oder Karch/Kuhnert. Steuern in der psychotherapeuti-schen Praxis. MHP 2050, 62. Aktualisierung, November 2014, S. 74 ff. 196 Abgabe und Übernahme einer Praxis. Empfehlungen und Tipps für Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten. Bera-tungsservice für Ärzte 02 der KVN, Deutscher Ärzte-Verlag Köln, Oktober 2009, S. 98.

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Übernehmer die steuerlichen Buchwerte des Abgebers fortzuführen. Er tritt hinsichtlich der Abschreibungen in vollem Umfang in die Rechtsstellung des Abgebers ein.

Verpflichtet sich der Übernehmer gegenüber dem Abgeber zu lebenslangen, wiederkehren-den Versorgungsleistungen, so ist hierin keine Gegenleistung zu sehen. Von Versorgungsleis-tungen wird gesprochen, wenn der Abgebende eine Leistung beansprucht, die sich nicht am realen Kaufpreis der Praxis, sondern an seinen privaten Versorgungsgedanken orientiert und sich daher deutlich (niedriger) zu Kaufpreisraten abgrenzt. Näheres regelt hierzu das Schrei-ben des Bundesministers der Finanzen vom 11.03.2010 IV C 3 – S 2221/09 (10004), in dem zur Ausgestaltung des Vertrages und zur Höhe der Versorgungsleistung Stellung genommen wird.

Der Praxisübernehmer kann die Versorgungsleistungen in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehen. Im Gegenzug hat der Praxisabgeber die empfangenen Leistungen in vollem Um-fang zu versteuern. Rechtlich handelt es sich in diesem Fall um eine „Schenkung unter Leis-tungsauflage“.

Schenkungen sind - wie Erbschaften - nur steuerpflichtig, soweit keine Steuerbegünstigungen gewährt werden. So werden bestimmte Vermögenswerte von der Besteuerung ausgenom-men, zusätzlich gibt es persönliche Freibeträge. Ehegatten und Partnern von eigetragenen Lebenspartnerschaften wird ein Freibetrag von 500.000 € gewährt. Kinder können von je-dem Elternteil 400.000 € steuerfrei erhalten. Die Freibeträge werden alle 10 Jahre gewährt. Schenkungen innerhalb von 10 Jahren werden dabei zusammengerechnet.

Von einer „gemischten Schenkung“ wird gesprochen, wenn der Übernehmer an den Abgeber Abstandszahlungen zu leisten hat, sich zur Zahlung von Gleichstellungsgeldern an Dritte ver-pflichtet hat oder private Schulden des Abgebers übernimmt.

Ob und in welcher Höhe Schenkungssteuer zu zahlen ist, hängt bei der Schenkung einer frei-beruflichen Praxis (Betriebsvermögen) bzw. des Anteils an einer Praxisgemeinschaft von deren tatsächlichem Wert ab. Bei der Übertragung einer psychotherapeutischen Praxis können neben den Freibeträgen weitere steuerliche Begünstigungen gelten: o Betriebsvermögen kann zu 100 % steuerfrei vererbt oder verschenkt werden, wenn die

Praxis 7 Jahre fortgeführt wird. Der Nachfolger ist an diese Option gebunden und kann sie nicht widerrufen. Hält er die Bedingungen nicht ein, wird nachversteuert.

o Betriebsvermögen kann bis zu 85 % steuerfrei vererbt oder verschenkt werden. Von dem verbleibenden 15 %igen Anteil wird noch ein Freibetrag abgezogen.

o Eine steuerschädliche Veräußerung kann in bestimmten Fällen durch eine Verpachtung verhindert werden. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Beschenkte oder Erbe erst noch eine erforderliche Qualifikation erwerben muss, um die Praxis fortführen zu können197.

15.3.3. Entgeltliche Veräußerung:

Von der Veräußerung einer psychotherapeutischen Praxis kann immer dann gesprochen werden, wenn die Praxis im Ganzen übergeben wird. a. Dies ist erstens der Fall, wenn sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen (körperliche

sowie immaterielle Wirtschaftsgüter) mit übergeben werden. Nach Auffassung des Bun-desfinanzhofs zählen zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen alle funktionalen und quantitativen Wirtschaftsgüter der Praxis. - Funktional wesentliche Betriebsgrundlagen sind die dem eigentlichen Praxisbetrieb

dienenden Wirtschaftsgüter. Dazu gehören z.B. die Praxiseinrichtung und die Praxis-geräte. Einer der wesentlichen Werte ist der Patientenstamm, der bei einem Veräu-ßerungsvorgang übertragen wird.

- Daneben gibt es funktional nicht wesentliche Wirtschaftsgüter wie z.B. eigener PKW oder eigene Praxisimmobilie.

197 Christina Seimetz: Die Veräußerung oder Aufgabe psychotherapeutischer Praxen. In: Psychotherapie Aktuell der DPtV, 4. Jahrgang, Heft 4, 2012, S. 34.

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Alle wesentlichen Betriebsgrundlagen müssen aufgrund eines einheitlichen Beschlusses und zeitlich zusammenhängend zum Beschluss veräußert werden oder aber in das Privat-vermögen übergehen.

b. Dies ist zweitens der Fall, wenn der Psychotherapeut seine freiberufliche Tätigkeit been-det. Bestimmte Nebentätigkeiten wie Vortragstätigkeiten oder schriftstellerische Tätig-keiten sind unschädlich. Dies gilt auch, wenn der Psychotherapeut in einer Überleitungs-phase (von bis zu 6 Monaten) oder als Angestellter in der Praxis mitarbeitet198.

Einkommensteuerrechtlich werden der Praxisverkauf und die Praxisaufgabe in gleicher Weise als Veräußerung bezeichnet199. Das ist ein wichtiger Aspekt, denn das bedeutet, dass unab-hängig von einer Kaufpreiszahlung – bei Praxisaufgabe: Überführung des Betriebsvermögens in das Privatvermögen – eine „Besteuerung des Veräußerungsgewinns“ erfolgt. Der sich bei einer Veräußerung ergebende Veräußerungsgewinn ermittelt sich, indem vom Veräußerungspreis die Veräußerungskosten (Wertgutachten, Beratungskosten etc.) sowie der Buchwert des zu übertragenden Praxisvermögens (z.B. Geräte, Mobiliar) abgezogen wer-den. Einkommensteuerlich gilt als Veräußerung einer Praxis im Sinne des § 16 EStG nur die Ver-äußerung einer ganzen Einzelpraxis und des ganzen Anteils an einer Gemeinschaftspraxis.

Nicht als Veräußerung im Sinne dieses Paragraphen gilt hingegen die Veräußerung eines Teils einer Einzelpraxis oder eines Teils eines Anteils an einer Gemeinschaftspraxis. In diesen Fällen gilt der Gewinn als laufender Gewinn der Praxis, der voll der Einkommensteuer unter-liegt. Ein Freibetrag oder steuerliche Vergünstigungen kommen daher in diesen Fällen nicht in Betracht. Bei der Veräußerung lediglich eines halben Praxissitzes (s. 13.2) ist dieser Tatbestand folglich zu berücksichtigen. Das Fehlen der steuerlichen Begünstigungen beim ersten Teilverkauf kann jedoch abgemildert werden dadurch, dass der Übernehmer beim Kauf der ersten Pra-xishälfte einen deutlich geringeren Kaufpreis zahlt als beim Kauf der zweiten Praxishälfte, bei dessen Verkauf dann ja die steuerlichen Vergünstigungen in vollem Umfang greifen. Hier ist aber darauf hinzuweisen, dass gegenüber der Finanzverwaltung auch außersteuer-liche Gründe für diese Handhabe vorgetragen werden müssen. Anderenfalls kann die Finanz-verwaltung diese Vorgehensweise als Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 der Abga-benordnung einstufen. Das Modell setzt voraus, dass der zweite halbe Praxissitz auch zu dem vereinbarten höheren Preis verkauft wird. Hier ist Vorsicht geboten, da es zu Streitigkeiten über den Erwerb des zweiten halben Praxissitzes kommen kann. Bei Nichtzustandekommen des Verkaufs des zweiten halben Praxissitzes tritt ein Vermögensverlust beim Abgeber dadurch ein, dass die erste Hälfte des Praxissitzes zu günstig verkauft wurde. Die Variante kommt daher eher bei Übertragungen im Familienkreis zur Anwendung.

15.4 Steuerliche Vergünstigungen für den Praxisabgeber Mit zwei steuerlichen Vergünstigungen kann man bei der Praxisabgabe deutlich Steuern

sparen200: 1. mit einem Freibetrag (§ 16 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG)), 2. mit einem begünstigten oder ermäßigten Steuersatz (§ 34 EStG).

ad 1. Um den Freibetrag in Höhe von max. 45.000 € in Anspruch nehmen zu können, muss der

Veräußerer vier Voraussetzungen erfüllen:

198 Christina Seimetz: Die Veräußerung oder Aufgabe psychotherapeutischer Praxen. In: Psychotherapie Aktuell der DPtV, 4. Jahrgang, Heft 4, 2012, S. 33. 199 Was ist (m)eine Praxis wert? Praxisabgabe und Praxisübernahme. Wissen was zählt. Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Düsseldorf 2005, S. 46 ff. 200 Information: Steuerliche Bewertung / Abschreibung des Verkaufserlöses einer Praxis. In: Psychotherapie Aktuell der DPtV, 3. Jahrgang, Heft 4, 2011, S.37. Der ausführliche Text der ADVISIOn ® Steuerberatungsgesellschaft mbH mit erklären-den Grafiken und Tabellen findet sich auf der Homepage der DPtV.

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a. Er muss im Zeitpunkt der Veräußerung das 55. Lebensjahr vollendet haben oder b. im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig sein. Eine Veräußerung

wegen dauernder Berufsunfähigkeit liegt nicht vor, wenn ein Psychotherapeut seine Praxis aus gesundheitlichen Gründen veräußert und 18 Monate später an einem anderen Ort eine Praxis eröffnet.

c. Der Freibetrag darf nicht bereits an anderer Stelle einmal in Anspruch genommen worden sein, da er jedem Steuerpflichtigen nur einmal im Leben zusteht.

d. Der Freibetrag wird nur auf Antrag beim Finanzamt gewährt. Der Freibetrag wird von dem zu versteuernden Veräußerungsgewinn abgezogen. Für höhere Gewinne reduziert er sich um jeden Euro, um den der Gewinn den Betrag von 136.000 € übersteigt. Da wohl keine psycho-therapeutische Praxis diesen Gewinn erzielen wird, bleiben also in der Regel 45.000 € beim Verkauf einer psychotherapeutischen Praxis steuerfrei.

ad 2. Durch den begünstigten oder ermäßigten Steuersatz wird der Veräußerungsgewinn nur mit

einem Steuersatz in Höhe von 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes (mindestens jedoch 14 %) besteuert. Daraus ergeben sich hohe Steuerersparnisse. So sind bei einem Veräußerungs-gewinn von 140.000 € z.B. gegenüber der Normalversteuerung 29.596 € weniger Steuern zu zahlen. Für diese Vergünstigung gelten dieselben Voraussetzungen wie zu 1.

Sind die Voraussetzungen des Freibetrags und des ermäßigten Steuersatzes nicht erfüllt, findet die sog. Fünftel-Regelung (§ 34 Abs.1 EStG) Anwendung. Sie bedeutet, dass der Veräußerungs-gewinn rechnerisch auf einen Zeitraum von 5 Jahren verteilt wird und dadurch die steuerliche Gesamtbelastung durch einen geringeren Steuersatz ggf. reduziert werden kann (z.B. bei geringe-ren weiteren laufenden Einkünften). Die Fünftel-Regelung kann nur dann zu Steuerermäßigungen führen, wenn der Steuerpflichtige nicht mit seinen übrigen Einkünften bereits die höchste Pro-gressionsstufe mit dem Spitzensteuersatz von derzeit 42% erreicht hat.

Der Veräußerungsgewinn ist, unabhängig davon, ob er in einem Betrag oder in Raten über einen Zeitraum von nicht mehr als 10 Jahren gezahlt wird, im Jahr der Veräußerung in vollem Umfang zu besteuern (Sofortbesteuerung). Der Veräußerungsgewinn ist dabei steuerbegünstigt, sofern die persönlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Sind diese nicht erfüllt, findet die sog. Fünftel-Regelung Anwendung.

Erhält ein Arzt, dessen Praxis nicht nachbesetzt, sondern eingezogen wird, von der KV eine Ent-schädigung, so ist diese einkommensteuerpflichtig. Unter bestimmten Voraussetzungen wird aber nur der halbe Steuersatz fällig. Das ist dann der Fall, wenn der Arzt älter als 55 Jahre oder dauernd berufsunfähig ist. Zudem muss er die freiberufliche Tätigkeit zunächst beenden. Die von der KV gezahlte Entschädigung ist nach Ansicht maßgeblicher Steuerberater auch nicht umsatz-steuerpflichtig. Anders könnte das allerdings bei einer „Teilentschädigung“ aussehen, wenn der Praxisinhaber etwa den privatärztlichen Teil an einen Kollegen veräußert. Das muss auf jeden Fall durch einen Steuerberater geprüft werden201.

15.5 Nicht jeder Praxisverkauf ist umsatzsteuerfrei Da die heilberuflichen Leistungen umsatzsteuerfrei sind, gehen Ärzte meist davon aus, dass dies

auch für den Verkauf ihrer Praxis oder von Praxisinventar gilt. Doch hier drohen teure Fallstricke: Nicht jeder Verkauf ist umsatzsteuerfrei.

Für den Fiskus gibt es vier mögliche Konstellationen202 : 1. Grundsätzlich fällt beim Verkauf einer kassen- oder privatärztlichen Praxis (als sog.

Geschäftsveräußerung im Ganzen) keine Umsatzsteuer an. Voraussetzung ist, dass der Arzt die Praxis komplett mit der Einrichtung, allen medizinischen Geräten, dem Patientenstamm sowie dem Praxiswert veräußert. Gleiches gilt, wenn ein Arzt seine komplette Einzelpraxis in eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) einbringt. Scheidet er später aus der BAG wieder aus und verkauft seinen Anteil, ist dies ebenfalls umsatzsteuerfrei.

201 Ilse Schliengensiepen: Zwangsaufkauf. Kleine Praxen geraten unter Druck. Ärzte Zeitung 27.10.2015 202 Katja Beck: Praxisverkauf: Schnell schnappt die Umsatzsteuerfalle zu. Ärzte Zeitung, 05.03.2013, S. 12.

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2. Anders liegt der Fall, wenn ein Arzt nur einen Teil seiner Praxis verkauft. Hier fällt die Grund-lage für die Umsatzsteuerbefreiung – nämlich die Geschäftsveräußerung im Ganzen – weg. Und das passiert bereits dann, wenn ein Arzt, der eine kassen- und privatärztliche Praxis führt, alters- oder krankheitsbedingt kürzertreten und nur den kassenärztlichen Praxisteil veräußern will. Wird lediglich die Privatpraxis wie bisher mit Patientenstamm, Personal und Praxisinventar fortgeführt, verlangt der Fiskus Umsatzsteuer.

3. Beim Verkauf von Praxisinventar oder einzelnen Geräten hängt die Umsatzsteuerfreiheit von der Verwendung dieser Gegenstände ab. Nur wenn der Arzt diese Gegenstände aus-schließlich für seine umsatzfreien heilberuflichen Tätigkeiten genutzt hat, fällt auch beim Verkauf keine Umsatzsteuer an.

4. Demgegenüber ist der Verkauf des isolierten Patientenstammes oder einzelner immateriel-ler Wirtschaftsgüter immer umsatzsteuerpflichtig.

Es gibt aber einen Ausweg: die sog. Kleinunternehmerregelung. Die dürfte zumindest bei der Veräußerung kleinerer Praxiswerte greifen. Denn laut der Kleinunternehmerregelung entfällt die Umsatzsteuer, wenn die steuerpflichtigen Umsätze der Praxis im Vorjahr 17.500 € nicht über-schritten haben und wenn sie im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 € nicht übersteigen. Bei der Berechnung zählen die umsatzsteuerbefreiten ärztlichen Heilbehandlungsleistungen nicht mit, sondern nur die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen, wie z.B. gutachterliche Tätigkeiten.

15.6 Handhabung des Veräußerungspreises bei Ratenzahlungen Ratenzahlung bedeutet aus der Sicht des Praxisveräußerers, dass er dem Käufer den Kaufpreis

kreditiert. Daher werden die Ratenzahlungen verzinst. Die in den Ratenzahlungen enthaltenen Zinsanteile sind erst zum Zeitpunkt der Zahlung zu versteuern.

Werden Raten über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren bzw. als lebenslange Renten gezahlt, kann der Praxisveräußerer entscheiden, ob der Veräußerungsgewinn sofort besteuert wird (Sofortbesteuerung) oder erst bei Zahlung der einzelnen Raten bzw. Renten (Zuflussbesteue-rung).

Es besteht die Möglichkeit, die Versteuerung des Veräußerungsgewinns zeitlich zu verzögern. Dabei kommt es auf die Vertragsgestaltung an. Ist im Vertrag mit dem Käufer der Praxis ein fester Kaufpreis vereinbart, der in Raten zu begleichen ist, so gilt Folgendes: o Sind die Kaufpreisraten in einem Zeitraum bis zu 10 Jahren zu bezahlen, so kann der Veräu-

ßerungsgewinn im Jahr des Verkaufs unter den übrigen Bedingungen zum „ermäßigten“ Ein-kommensteuertarif versteuert werden. Die aus den Kaufpreisraten herauszurechnenden Zinsanteile gelten dabei als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Diese werden allerdings erst im Jahr des Zuflusses der Ratenzahlungen der Einkommensteuer unterworfen.

o Sind die Kaufpreisraten über einen Zeitraum von länger als 10 Jahren vereinbart, ergeben sich 2 Möglichkeiten: - Versteuerung im Jahr der Praxisveräußerung zum „ermäßigten“ Tarif, - Behandlung der Ratenzahlungen als „laufende Bezüge“, die zum normalen Einkommen-

steuertarif zu versteuern sind, sobald sie den Buchwert des veräußerten Betriebsvermö-gens übersteigen.

15.7 Handhabung des Veräußerungspreises auf Rentenbasis Im Kaufvertrag kann auch die Zahlung des Veräußerungspreises auf Rentenbasis festgelegt wer-

den.

Welche der beiden Möglichkeiten, „sofortige“ oder „laufende“ Besteuerung im Einzelfall günsti-ger ist, muss individuell unter Einbeziehung der übrigen zu erwartenden Einkünfte nach dem „Aktivendasein“ (am besten von einem Steuerberater) berechnet werden.

Auch die Kombination von Einmalzahlung bei Veräußerung und einer Rente lässt sich unter Umständen zur Steuergestaltung nutzen. Die Einmalzahlung kann zur Anwendung der Freibe-tragsregelung und somit zu einer Steuerersparnis führen.

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15.8 Der richtige Zeitpunkt für den Praxisverkauf Wird beim Praxisverkauf auf den richtigen Zeitpunkt geachtet, können Steuern gespart wer-

den203.

Das Ende eines Jahres ist in der Regel nicht der günstigste Zeitpunkt. Denn vielfach unterliegen die Praxisgewinne eines vollen Geschäftsjahres dem Spitzensteuersatz von 42%. Mit Solidaritäts-zuschlag und Kirchensteuer wird der Steuersatz auf 47% erhöht. Auch die ausstehenden Hono-rarforderungen erhöhen die Einkünfte aus der Praxistätigkeit und damit die einkommens-steuerliche Progression. D.h.: Das gesamte Einkommen wird mit einem höheren Steuersatz be-legt.

Findet hingegen der Verkauf am Anfang eines Jahres statt, so wird die Steuer deutlich niedriger ausfallen, da im Ruhestand wahrscheinlich wesentlich geringere Einkünfte zufließen als im „Aktivendasein“204. Um zu vermeiden, dass der Veräußerungsgewinn dem Spitzensteuersatz un-terliegt, sollte die Veräußerung in einem Jahr erfolgen, in dem möglichst niedrige sonstige Ein-künfte anfallen. Es bietet sich daher an, den Aufgabezeitpunkt der eigenen Praxis auf den Beginn eines Jahres zu legen und nicht auf das Ende, denn der Veräußerungsgewinn trifft im neuen Jahr auf keine laufenden Praxisgewinne.

Die Veräußerung einer psychotherapeutischen Praxis sollte in jedem Fall rechtzeitig geplant werden, denn neben steuerlichen Fragen spielen auch berufsrechtliche, betriebswirtschaftliche und persönliche Faktoren eine wichtige Rolle.

Angesichts dieser schwierigen Materie ist Praxis-Abgebern zu empfehlen, sich des Sachverstan-des eines Steuerberaters zu bedienen.

15.9 Veräußerung der Praxis durch die Erben205 Wird eine Praxis von Erben veräußert (s. 13.8) und haben die Erben nicht die berufsspezifische

Qualifikation eines Psychotherapeuten, erzielen sie keine Einkünfte aus freiberuflicher, sondern aus gewerblicher Tätigkeit, und zwar so lange, bis ein Nachfolger die Berufsqualifikation erlangt hat.

Wird die Praxis für eine Übergangszeit von einem Vertreter weitergeführt, haben die Erben gewerbesteuerpflichtige Einkünfte, soweit der Freibetrag überschritten wird. Begründet wird dies damit, dass das Praxisvermögen zwar vererbt wurde, nicht jedoch das Recht zur eigenver-antwortlichen und selbständigen Ausübung der beruflichen Tätigkeit, das durch den Tod des Pra-xisinhabers erloschen ist.

Eine Folge dieses Vorgangs ist, dass bei nicht sofortiger Aufgabe der Praxis nach dem Tod des Praxisinhabers, sondern allmählicher Abwicklung – wie es in vielen Fällen geschieht – die Freibe-tragsregelung des § 16 EStG entfällt, da zwischen der Beendigung der freiberuflichen Tätigkeit und dem Veräußerungsvorgang kein Zusammenhang mehr besteht.

D.h. also, Aufgabe und Übergabe der Praxis muss in einem Akt stattfinden. Die Abwicklung muss im Interesse der Erben also unverzüglich erfolgen, um die steuerlichen Vergünstigungen zu wah-ren.

15.10 Fortsetzung der Berufstätigkeit nach der Praxisabgabe206 Steuerschädlich ist es, nach der Praxisabgabe weiter in den alten Praxisräumen bisherige Patien-

ten zu behandeln. Das geht grundsätzlich nur in „ausreichender“ Entfernung zum bisherigen Pra-xissitz. Was „ausreichend“ ist, hängt v.a. vom Einzugsgebiet der alten Praxis ab.

203

Evelyn Schmalenbach: Praxisverkauf – Der richtige Zeitpunkt spart Steuern. Psychotherapie Aktuell (DPtV), 1/2910, S.25 f. 204

Was ist (m)eine Praxis wert? Praxisabgabe und Praxisübernahme. Wissen was zählt. Deutsche Apotheker- und Ärzte-bank, Düsseldorf 2005, S. 53. 205

Steuerliche Aspekte der Praxisführung. Beratungsservice für Ärzte – Band 6, Zentralinstitut für die kassenärztliche Ver-sorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Zi), Deutscher Ärzte-Verlag Köln, Juli 2000, S. 72. 206 Karch/Kuhnert: Steuern in der psychotherapeutischen Praxis. DPtV, medhochzwei Verlag Heidelberg, 2014, S.63 ff.

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o Voraussetzung der Steuerbegünstigungen ist also die Beendigung der psychotherapeuti-schen Tätigkeit im örtlichen Wirkungskreis – für eine begrenzte Zeit. Hierdurch sollen alle Patienten auf den Praxisübernehmer übergehen.

o Will der Behandler nach seinem Praxisverkauf seine Berufstätigkeit fortsetzen, läuft er Gefahr, seine steuerlichen Begünstigungen zu verlieren.

o Die Behandlung von Neupatienten am gleichen Ort ist sofort steuerlich schädlich. Dies ist schon der Fall bei einem einzigen neuen Patienten.

o Nach einer „Wartezeit“ ist allerdings eine Praxisneueröffnung am alten Praxisort denkbar. Allgemein unkritisch wird dafür ein Zeitraum von drei Jahren angesehen, nach dessen Ablauf eine steuerunschädliche Wiederaufnahme der Praxistätigkeit möglich ist. Im Zweifelsfall soll-te die Absicht mit dem Finanzamt abgestimmt werden. Sicherheit bringt nur die Einholung einer verbindlichen Auskunft beim Steuerberater oder beim Finanzamt207.

Steuerunschädlich ist die Fortsetzung der Berufstätigkeit nach der Praxisabgabe auf folgende Art und Weise: o Tätigkeit als angestellter Behandler beim Praxiserwerber, auch in der eigenen ehemaligen

Praxis – allerdings nur bei einer echten Arbeitnehmerstellung und nicht bei einer verdeckten Mitunternehmerschaft.

o Freiberufliche Mitarbeit im Namen und für Rechnung des Praxisübernehmers. o Fortführung der Tätigkeit in geringem Umfang. Diese liegt vor, wenn der bisherige Praxis-

inhaber zurückbehaltene Patientenbeziehungen weiterführt. Die daraus erzielten Erlöse dür-fen aber nicht mehr als 10 % der durchschnittlichen in den vergangenen drei Jahren vor der Praxisveräußerung erzielten Einnahmen ausmachen. Innerhalb dieser Grenze können daher Privatpatienten weiter behandelt werden.

Dies hat ein freiberuflicher Steuerberater nicht beachtet. Er arbeitete zwar einige Zeit zunächst für seinen Nachfolger als freier Mitarbeiter. Als es jedoch zu Differenzen um die Bezahlung kam, gründete der Steuerberater 22 Monate nach dem Verkauf eine neue Kanzlei, in der er einen Teil seines bewährten Personals wieder einstellte und einige „alte“ Mandanten wieder betreute. Das Finanzamt Köln wertete diese Umstände so, dass der Steuerberater seine Kanzlei nicht aufgege-ben, sondern seine berufliche Tätigkeit nur unterbrochen hatte. Folge: Die Steuerbegünstigung für den Veräußerungsgewinn wurde gestrichen. Schuld war aber nicht etwa die freie Mitarbeit nach dem Kanzleiverkauf. Die stufte das Gericht als unschädlich ein. Denn nach höchstrichterli-cher Rechtsprechung stehe eine solche Mitarbeit (wie übrigens auch eine Anstellung beim Pra-xisnachfolger) der Tarifbegünstigung nicht entgegen, wenn der Verkäufer „die wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen seiner Praxis einschließlich des Mandantenstamms definitiv auf den Erwerber“ überträgt. Der Käufer müsse zivilrechtlich und wirtschaftlich in der Lage sein, „die Be-ziehungen“ des Verkäufers zu den übertragenen Mandanten oder Patienten zu verwerten. Diese Voraussetzungen seien bei freier Mitarbeit gegeben. Das Finanzgericht Köln versagte die Steuer-begünstigung deshalb, weil der Steuerberater nach Eröffnung seiner neuen Kanzlei nicht nur in der gleichen Stadt wie sein Nachfolger arbeitete, sondern auch noch ehemaliges Personal wieder einstellte und einen erheblichen Teil seiner bisherigen Mandanten weiter betreute.

16. Kostenerstattung

Sachleistungsprinzip (§ 2 Abs. 2 SGB V) versus Kostenerstattungsprinzip (§ 13, Abs.3 SGB V):

Die gesetzlichen Krankenkassen (KK) erstatten ihren Versicherten nicht die Kosten für die Be-handlungen (Kostenerstattungsprinzip), sondern stellen die Leistungen als Sachleistung zur Ver-fügung (Sachleistungsprinzip). Der Vertragsarzt muss den gesetzlich versicherten Patienten

207

Zu diesem Steuerthema vgl. die Artikel „Steuerbegünstigung gibt’s nur einmal im Leben“ und „Nicht jede Tätigkeit als Arzt muss enden“ in Ärzte Zeitung vom 07.06.2011, S. 16 von Frank Kuhnert, Steuerberater bei der VPmed Steuerberatung in Krefeld, einem Netzwerkpartner der ApoBank.

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grundsätzlich behandeln, wenn dieser seine Mitgliedschaft mit der Chipkarte nachweist. Das Sachleistungsprinzip führt dazu, dass der Versicherte an den Therapeuten keine Vergütung zah-len muss. Der Psychotherapeut bekommt sein Honorar entsprechend der Quartalsabrechnung von der KV überwiesen. Nur in besonders geregelten Ausnahmefällen muss die gesetzliche KK dem Versicherten anstelle der Sachleistung die Kosten erstatten (Kostenerstattungsverfahren).

Gemäß § 13 Abs. 3 SGB V hat der Versicherte das Recht, sich eine notwendige medizinische Leis-tung selbst zu beschaffen und seine Kosten dafür erstattet zu bekommen, wenn die Krankenkas-se diese Leistung nicht rechtzeitig bereitstellen konnte oder sie zu Unrecht abgelehnt hat: „Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leis-tung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war“.

Nach wie vor müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen eingestehen, dass eine ausreichende Versorgung der Versicherten mit psychotherapeutischen Leistungen nicht sichergestellt ist. Als Folge davon entsteht - wie schon in den letzten 15 Jahren vor In-Kraft-Treten des PsychThG - eine zunehmend größer werdende Praxis der Kostenerstattung.

Das BMG ermittelte als extrabudgetäre Ausgaben für die Kostenerstattung von Psychotherapien für 2005 etwa 10,4 Mill. €, für 2010 etwa 30,5 Mill. €, die an den KV’en vorbei ausgezahlt wur-den. D.h., die Kostenerstattung bei Systemversagen nimmt für die Psychotherapie jährlich um circa 20 bis 25 Prozent zu208. Damit wählen immer häufiger psychisch kranke Menschen die Kostenerstattung, um möglichst schnell einen Therapieplatz zu bekommen.

Die Kostenerstattung ist für die (jungen) Psychotherapeuten eine Möglichkeit, trotz gesperr-ter Planungsbereiche sich einen Zugang zur freiberuflichen psychotherapeutischen Tätigkeit zu verschaffen. Sie ist für Patienten ein Ausweg, dem Mangel in der psychotherapeutischen Versor-gung zu begegnen209.

16.1 Kostenerstattung vor Inkrafttreten des PsychThG Auf der Basis dieser Bestimmung erstatteten Krankenkassen vor Inkrafttreten des PsychThG ih-

ren Versicherten die Kosten für eine notwendige ambulante Psychotherapie bei Diplom-Psychologen.

Um die Kostenerstattung bei einer Krankenkasse exemplarisch durchzusetzen, wurde z.B. von Braunschweig aus ein Prozess gegen die DAK Niedersachsen vor dem SG Lüneburg angestrengt. Die DAK wurde am 14.08.1984 verurteilt, die Kosten für die verhaltenstherapeutischen Maß-nahmen zu erstatten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen (Az.: S 9 Kr-26/83).

Die Kostenerstattung begann zunächst mit Einzelfallregelungen.

Zunehmend entstanden jedoch Strukturen, zunächst in Form einer Vereinbarung zwischen der Techniker-Krankenkasse (TK) und dem Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP). Diese „TK-Regelung“ vom 1.7.1983 war zuletzt - nach einigen Modifikationen - vom Bundesministerium für Gesundheit anerkannt worden. Es war eine geregelte Kostenerstattung entstanden. Unter den Bedingungen dieser geregelten Kostenerstattung waren damals ca. 6.500 Klinische Psycholo-gen/Psychotherapeuten psychotherapeutisch tätig.

Die „TK-Regelung“ definierte, welche Klinischen Psychologen/Psychotherapeuten an diesem Verfahren teilnehmen und auf einer Liste geführt werden konnten, etablierte ein Begutachtungs-system zur Kontrolle von Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der psychothe-rapeutischen Behandlungen und enthielt einen Leistungskatalog sowie eine Honorarordnung. Grundlage der „TK-Regelung“ war, dass die gemäß Psychotherapie-Richtlinien verfügbaren puris-tischen Verfahren Verhaltenstherapie oder analytische Psychotherapie bzw. tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie im vorliegenden Behandlungsfall nicht indiziert waren, sondern

208 Deutsches Ärzteblatt/PP/Heft 2/ Februar 2012, S. 55. 209 Ärzte Zeitung: Kostenerstattung soll Versorgungsmisere lindern. 12.1.2012, S.4.

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Methodenübergreifende Psychotherapie als zweckmäßiger und wirtschaftlicher angesehen wurde.

Weiterhin gab es seit dem 1.1.1995 die Empfehlungsvereinbarung zwischen den Bundesverbän-den der Betriebs- und Innungskrankenkassen und dem Deutschen Psychotherapeutenverband (DPTV), in deren Rahmen in größerem Umfang psychotherapeutische Leistungen erbracht wur-den. Anders als die „TK-Regelung“ sah die Empfehlungsvereinbarung vor, dass allein die in der Richtlinien-Psychotherapie angewendeten Verfahren zum Tragen kommen sollten (anfangs auch noch die Gesprächspsychotherapie).

Die geregelte Kostenerstattung wurde von Beginn an bekämpft: o 1984 reichte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) vor dem Sozialgericht Köln eine

Klage gegen die TK-Regelung ein. o 1990 wurde im erstinstanzlichen Urteil die Rechtswidrigkeit der geregelten Kostenerstattung

festgestellt. Dessen ungeachtet entschieden beide Seiten damals, den Rechtsstreit ruhen zu lassen.

o 1996 wurde dieser Rechtsstreit wiederaufgenommen. Durch ein Urteil des Landessozialge-richts Essen vom 23.10.1996 erreichte die KBV, dass sowohl die „TK-Regelung“ als auch die „Empfehlungsvereinbarung“ untersagt wurden. Das System der geregelten Kostenerstat-tung sei nicht vereinbar mit dem Sicherstellungsauftrag, Krankenkassen seien nicht berech-tigt, mit anderen Vertragspartnern als der KBV Versorgungssysteme aufzubauen. Dagegen klagten die TK und der BDP vor dem BSG.

o Vor dem Bundessozialgericht Kassel wurde am 21.5.1997 zwischen KBV und TK ein Vergleich geschlossen. In ihm wurden die rechtlichen Bedingungen genannt, nach denen zur Sicher-stellung der Versorgung der Bevölkerung mit psychotherapeutischen Leistungen eine rechts-konforme Kostenerstattungspraxis gem. § 13, Abs. 3 SGB V für Leistungen psychologischer Psychotherapeuten möglich ist: Zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassene Vertragsärzte sind verpflichtet,

Notwendigkeitsbescheinigungen auszustellen, Kostenerstattung darf nur für nach den Psychotherapie-Richtlinien zugelassene Verfah-

ren gewährt werden, Kostenerstattung ist nur möglich, wenn ein Vertragsbehandler nicht zur Verfügung

steht, Die KBV ist verpflichtet, das für die Notwendigkeitsbescheinigung erforderliche Gespräch

bei einem ärztlichen Psychotherapeuten innerhalb von vier Wochen nach Anfrage der Krankenkasse bei den Kassenärztlichen Vereinigungen sicherzustellen (Rasehorn, 1997).

Mit diesem Vergleich zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Techniker-Krankenkasse war nunmehr wieder allein die Kostenerstattung im Einzelfall möglich. Für die Versicherten war der Zugang zur Psychotherapie damit wesentlich erschwert worden. In jedem Einzelfall musste nachgewiesen werden, dass innerhalb zumutbarer Zeit kein Behandlungsplatz bei Vertragsbe-handlern zur Verfügung stand.

Gegen diese Urteile, die letztlich das Delegationsverfahren bestätigten, wurden fünf Klagen vor unterschiedlichen Sozialgerichten angestrengt, um die Frage der Verfassungsmäßigkeit des De-legationsverfahrens letztendlich durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klären zu lassen. Nach (erwartungsgemäß) verlorenen Klagen vor den fünf Sozialgerichten und dem Landessozial-gericht Niedersachsen/Bremen in Celle (diese Klage war die schnellste) konnte 1996 Verfas-sungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht werden.

Weil das Gesetzgebungsverfahren zum Psychotherapeutengesetz im Bund zwischenzeitlich in Gang gekommen war, und weil die Psychologenschaft deutschlandweit es geschafft hat, einheit-lich (auch bei einer gemeinsamen massiven Demonstration in Bonn) aufzutreten, kam es zu ei-nem Urteil des BVerfG nicht mehr.

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16.2 Kostenerstattung nach Inkrafttreten des PsychThG Nach Inkrafttreten des PsychThG wurde eine Zeit lang darüber nachgedacht, ob der § 13 Abs. 3

aus dem SGB V gestrichen werden sollte. Dies ist bekanntlich nicht geschehen. Die Möglichkeit zur Kostenerstattung ist also nach wie vor im Einzelfall gegeben und kann weiterhin genutzt werden.

Für unseren psychotherapeutischen Nachwuchs kann aber die Arbeit in der Kostenerstattung empfehlenswert sein, um Berufspraxis zu bekommen und um sich - bei höherem Approbations-alter - mit gewachsenen Erfolgsaussichten um den Kauf eines Praxissitzes vor dem ZA bewerben zu können.

41,2 Mill. € haben die gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2012 extrabudgetär für Psychothera-peuten ausgegeben: Damit haben sich die Ausgaben für Kostenerstattung in der Psychotherapie seit 2003 mehr als verfünffacht – damals lagen sie noch bei 7,7 Mill. €. Von 2011 auf 2012 sind diese Ausgaben um 25 % gestiegen. Da unsere Patienten im Schnitt etwa drei Monate auf ein Erstgespräch bei einem niedergelassenen Therapeuten warten müssen, nutzen einige von ihnen die Ausnahmeregelung des § 13 Abs. 3 SGB V210.

Heute gibt es folgende Bedingungen211, unter denen eine rechtskonforme Kostenerstattung für PP und KJP möglich ist: o Leistungen im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V dürfen nur vergütet

werden, wenn ein Vertragspsychotherapeut nicht zur Verfügung steht. o Der Antrag des Versicherten auf Durchführung der Psychotherapie muss durch einen zur psy-

chotherapeutischen Vertragsbehandlung berechtigten Behandler befürwortet werden („Notwendigkeits- bzw. Dringlichkeitsbescheinigung“).

o Der Leistungserbringer muss approbierter PP oder KJP sein. Nach § 1 PsychThG darf er die heilkundliche Psychotherapie ausüben.

o Im Rahmen der Kostenerstattung dürfen aber nur Richtlinienverfahren (VT, PA, TP) erbracht werden.

Der Patient hat zwar einen Rechtsanspruch auf psychotherapeutische Behandlung, wenn diese notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V vorliegen. Es gibt allerdings im Bereich der Psychotherapie kaum Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht wurde. Kostenerstattung ist daher immer eine Einzelfallentscheidung der KK, die einer guten, individuel-len Begründung des Patienten bzw. seines Psychotherapeuten bedarf.

Gibt es in der Kostenerstattung die freie Wahl des Psychotherapeuten? Markus Plantholz, der Justiziar der DPtV, hat dazu einen klärenden Artikel geschrieben, der hier widergegeben werden soll212: 1) Grundlage der Kostenerstattung ist § 13 Abs. 3 SGB V. Danach kann der Versicherte die ent-

standenen Kosten einer selbstbeschafften Leistung beanspruchen, wenn eine gesetzliche KK eine medizinisch notwendige Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Variante) oder eine un-aufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (1. Variante). Nur die 1. Variante ist hier von Interesse.

2) Der Versicherte ist zur Selbstbeschaffung berechtigt, wenn eine von der KK geschuldete Leis-tung infolge eines Mangels im Leistungssystem der GKV nicht als Sachleistung nach dem Sachleistungsprinzip erbracht werden kann und der Versicherte sich die Leistung deshalb selbst beschafft (BSG, Urteil vom 2.11.2007 – B 1 KR 14/07 R). Es muss also ein Kausal-zusammenhang zwischen dem die Haftung der KK auf die Kosten begründenden Umstand und der Kostenlast des Versicherten bestehen. Dieser wird bejaht, wenn die KK a. die betreffende Leistung im Sachleistungssystem hätte erbringen müssen und b. ihrer Leistungspflicht nicht rechtzeitig nachgekommen ist.

210 Patienten stürmen Privatpraxen. Ärzte Zeitung 30.04.2013. 211 M. Lahme & M. Plantholz: Kostenerstattung ist möglich. Krankenkassen haben einen Entscheidungsspiel-

raum. In: Psychotherapie Aktuell der DPtV, 3. Jahrgang, Heft 4, 2011, 34 ff. 212 M. Plantholz: Kostenerstattung und freie Wahl des Therapeuten. Psychotherapie Aktuell 3/12, S. 34.

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Der Kostenerstattungsanspruch ist daher grundsätzlich akzessorisch (d.h. abhängig von ei-nem anderen Recht) vom originären Sachleistungsanspruch.

3) Der originäre und vorrangige Sachleistungsanspruch wird durch zugelassene oder vertrag-lich gebundene Leistungserbringer erfüllt. Daher scheidet ein Anspruch auf Kostenerstattung für Leistungserbringer außerhalb des Systems der vertragspsychotherapeutischen und ver-tragsärztlichen Versorgung aus, wenn zugelassene Leistungserbringer verfügbar sind.

4) Daraus folgt die Pflicht des Versicherten, wenn es um die rechtzeitige Zurverfügungstellung der Therapie als Sachleistung durch einen hierfür zugelassenen Leistungserbringer geht, dass der Versicherte vor der Leistungsinanspruchnahme eines nicht zugelassenen Leistungs-erbringers grundsätzlich zunächst Kontakt mit der KK aufnehmen muss, damit diese die objektive Verfügbarkeit der Leistung als Sachleistung prüfen und dem Versicherten mitteilen kann (BSG, Urteil vom 2.11.2007, B 1 KR 14/07 R). Daraus folgt, dass eine KK, die dann im An-schluss an einen Kostenerstattungsantrag auf einen verfügbaren Therapieplatz eines zugelas-senen Leistungserbringers als Sachleistung verweist, entsprechend ihren gesetzlichen Ver-pflichtungen handelt.

5) Dem entspricht, dass sich die freie Wahl des Leistungserbringers also, soweit nicht ein Fall des Systemversagens vorliegt, weil kein Sachleistungserbringer zur Verfügung steht, nur auf die zugelassenen Therapeuten (Richtlinienverfahren!) erstreckt. Dies ist auch ständige Rechtsprechung des 1. Senats, des 3. Senats und des 6. Senats des BSG.

6) In der Folge ist der Versicherte auch auf einen Versuch verwiesen, den zugelassenen Ver-tragspsychotherapeuten, der einen Therapieplatz zur Verfügung stellen kann, aufzusuchen, sofern dies nicht unzumutbar ist. Die Unzumutbarkeit kann sich o aus der fehlenden räumlichen oder zeitlichen Erreichbarkeit, o aus einem bereits erschütterten Vertrauensverhältnis oder o aus einem im Laufe der probatorischen Sitzung(en) nicht aufgebauten Vertrauensver-

hältnis ergeben. Ist dies so, muss der Versicherte erneut vor Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Therapeuten einen Kostenerstattungsantrag stellen und die KK auf diesen Umstand hinwei-sen.

Der Antrag auf Bewilligung der Kostenerstattung muss also vor Beginn der Behandlung, auch vor Durchführung der probatorischen Sitzungen, gestellt werden. Eine bereits begonnene Be-handlung kann die KK ablehnen, auch wenn diese erforderlich ist und auch wenn kein Vertrags-behandler zur Verfügung steht!

Folgende Schritte führen heute zur Kostenerstattung: 1. Schritt: Kontakt mit der KK aufnehmen.

Dies kann der Patient selbst tun. Besser kann es sein, wenn dies der Psychotherapeut stell-vertretend für seinen Patienten tut. Er kann dabei selbst mit dem Vertreter der KK abklären, ob das geplante Antragsverfahren (z.B. Notwendigkeitsbescheinigung) von der KK akzeptiert wird oder ob ein anders Verfahren bevorzugt wird. Sehr hilfreich ist es für Patient und Psy-chotherapeut zu wissen, ob die KK schon einmal einen Antrag auf Kostenerstattung bewilligt hat bzw. ob sie schon einmal einen entsprechenden Prozess vor dem Sozialgericht verloren hat und wie damals argumentiert worden ist.

2. Schritt: Fehlenden Therapieplatz nachweisen. Patient und Psychotherapeut müssen Nachweise sammeln, dass innerhalb einer zumutbaren Wartezeit kein Therapieplatz bei einem Vertragsbehandler gefunden worden ist. Manche KK verlangen schriftliche Ablehnungen, anderen KK reichen Dokumentationen der Telefonate (Notizen über Datum, Uhrzeit, und Ergebnisse der Telefonate mit den Vertragspsychothera-peuten). Allgemein wird davon ausgegangen, dass 3 bis 5 Anfragen bei Vertragspsychothera-peuten für die Patienten zumutbar sind und dass längere Wartefristen als 6 Wochen bei Kin-dern und Jugendlichen sowie 12 Wochen bei Erwachsenen als unzumutbar anzusehen sind (Vergleich der KBV mit der TK vom 21.05.1997).

3. Schritt: Notwendigkeits- bzw. Dringlichkeitsbescheinigung einholen.

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Manche Krankenkassen verlangen eine Notwendigkeits- und Dringlichkeitsbescheinigung der Psychotherapie durch einen Arzt. Eine solche Bescheinigung kann ein Konsiliarbericht sein.

4. Schritt: Antragstellung. Der Patient, nicht der Psychotherapeut, ist Antragsteller. Nach Einholung der relevanten Un-terlagen (s.o.) formuliert er in einem formlosen schriftlichen Antrag seinen Anspruch auf Kos-tenübernahme bei seiner KK und legt die Gründe dar, warum er eine außervertragliche psy-chotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen möchte. Der Psychotherapeut begrün-det bei der KK den formlosen Antrag seines Patienten. Beantrag wird die Bewilligung außer-vertraglicher probatorischer Sitzungen und eine Psychotherapie (PA, TP oder VT). Der Antrag für die Kostenerstattung ist zwar immer ein individueller Antrag, jedoch können Formulare helfen, die Antragstellung zu strukturieren. Die Antragsformulare gem. der Psychotherapie-Vereinbarung können dafür freilich nicht genutzt werden. Im Mitgliederbereich der DPtV-Homepage (www.dptv.de) finden sich folgende Formularvor-drucke für die Beantragung von Psychotherapie im Wege der Kostenerstattung: o Information: Psychotherapie in der Kostenerstattung nach Sozialgesetzbuch § 13 SGB V –

Gesetzliche Krankenversicherung o Notwendigkeitsbescheinigung o Antrag auf Kostenerstattung für psychotherapeutische Behandlung

nach § 13 (3) SGB V; Erstantrag, Fortführungsantrag o Antrag auf Begutachtung zur Kostenerstattung für psychotherapeutische Behandlung mit

Bericht an den Gutachter o Gutachterliche Stellungnahme zur beantragten Kostenerstattung für psychotherapeuti-

sche Behandlung o Briefumschlag o Abtretungserklärung: Es ist auch möglich, den Patienten eine Abtretungserklärung unter-

schreiben zu lassen, sodass der behandelnde Psychotherapeut direkt mit der KK abrech-nen kann.

o Konsiliarbericht vor Aufnahme einer Psychotherapie (Ausfertigung für den Arzt, Ausfertigung für den Therapeuten)

o Dokumentation des Patienten: Wartezeiten auf Psychotherapie. 5. Schritt: Beginn der Probatorik.

Die Probatorik kann beginnen, wenn die KK die Übernahme der Kosten zugesichert hat. Da-bei werden häufig erst einmal die probatorischen Sitzungen bewilligt und es wird ein Bericht für den Gutachter angefordert. Die Begutachtung erfolgt durch den Medizinischen Dienst der KK (MDK) oder durch einen Gutachter gem. der Psychotherapie-Richtlinie.

6. Schritt: Genehmigung der KK. Beginn der Psychotherapie. Oder:

7. Schritt: Ablehnung der KK. Lehnt die KK die Kostenübernahme für die Psychotherapie ab, besteht die Möglichkeit, mit Verweis auf die Gesetzeslage Widerspruch bei der KK des Patienten einzulegen und auf das Recht auf Krankenbehandlung des Patienten zu verweisen. Neu eingeführt wurde § 13 Abs. 3a SGB V. Danach hat die Krankenkasse beim Antragsverfah-ren Fristen einzuhalten. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine er-forderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutacht-liche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Kann die Krankenkasse die Fristen nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungs-berechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Der An-tragseingang sollte demnach nachgewiesen werden können.

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8. Schritt: Widerspruch. Wenn die Krankenkasse den Antrag auf Kostenerstattung abgelehnt hat, kann der Psychothe-rapeut diesen Bescheid entweder klaglos hinnehmen oder dem Patienten empfehlen, dage-gen Widerspruch einzulegen. Dieser Widerspruch (des Patienten) sollte so formuliert sein, dass die KK sich gewarnt sieht, mit einer Klage vor dem Sozialgericht rechnen zu müssen, wenn der Widerspruchsausschuss der Krankenkasse ebenfalls den Widerspruch ablehnt.

9. Schritt: Klage vor dem Sozialgericht. Oder, wenn die KK dem Widerspruch stattgegeben hat:

10. Schritt: Abrechnung der in der Kostenerstattung erbrachten Leistungen.

Da es sich hierbei um eine Privatbehandlung handelt, für die die KK im Nachhinein die Kosten erstattet, hat der Psychotherapeut eine Rechnung entsprechend der Gebührenordnung für die Psychotherapeuten (GOP) zu erstellen. Diese ist an den Patienten adressiert, der sie wie-derum bei seiner KK zur Erstattung der Kosten einreicht. Wenn der Versicherte einen Be-handler auf der Grundlage des § 13 Abs. 3 zur Selbstbeschaffung in Anspruch nimmt, tritt er als Privatpatient auf, weshalb gem. § 1 GOP i.V.m. § 1 GOÄ auch eine Bindung an die GOP besteht. Die Krankenkasse hat die Kosten in der tatsächlich nach GOP entstandenen Höhe zu erstatten.

Einige Krankenkassen sind allerdings nur bereit, Kosten in der Höhe zu erstatten, die der Psy-chotherapeut nach dem EBM erhalten würde. Will man dem Patienten bei grundsätzlich be-willigter Kostenerstattung weitere Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse über die Hö-he der Kostenerstattung ersparen, ihn andererseits aber auch nicht den Differenzbetrag zwi-schen dem 2,3-fachen GOP-Satz und dem entsprechenden EBM-Satz selbst zahlen lassen, macht es Sinn, den Gebührensatz unter Berücksichtigung der Vorgaben der GOP (GOÄ) so zu wählen, dass die Kosten nicht den EBM-Satz überschreiten. Im Mitgliederbereich der Inter-netseiten der DPtV findet sich unter „Kostenerstattung“ / “Umrechnung von EBM-Honoraren in GOP-Honorare“ eine entsprechende Umrechnungstabelle213.

213 Dieter Best: Wie rechnet man Leistungen in der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V ab? In: Psychotherapie Aktuell der DPtV, 5. Jahrgang, Heft 1, 2013, S.27 ff.

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Den Ablauf des Antragsverfahrens verdeutlicht auch das folgende Flussdiagramm214:

214 M. Lahme & M. Plantholz: Kostenerstattung ist möglich. Krankenkassen haben einen Entscheidungsspielraum. In: Psychotherapie Aktuell

der DPtV, 3. Jahrgang, Heft 4, 2011, 34 ff.

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Da sich der Patient in der Regel nicht in der Lage sieht, einen qualifizierten Widerspruch zu formulie-ren, kann der Psychotherapeut ihm mit folgendem Vorschlag helfen:

Widerspruchstext (Name und Adresse des Patienten) (Datum) (Anschrift der Krankenkasse) Widerspruch gegen Ihren Ablehnungsbescheid vom _____________ Antrag auf Kostenerstattung meiner außervertraglichen Psychotherapie Sehr geehrte Damen und Herren, gegen Ihren o.g. Ablehnungsbescheid der Kostenerstattung meiner Verhaltenstherapie lege ich hier-mit fristgerecht Widerspruch ein. Begründung: Am ___________________ habe ich bei Ihnen einen Antrag auf Kostenerstattung für meine Verhal-tenstherapie gestellt, nachdem ich bei den zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelas-senen Psychotherapeuten für Verhaltenstherapie in unserer Region in einem zumutbaren Zeitraum keinen Therapieplatz bekommen konnte. Aus der beigefügten Behandler-Liste geht hervor, dass de-ren Wartezeiten zwischen 6 und 12 Monaten betragen bzw. bei ihnen ein Aufnahmestopp besteht. Aus diesem Grund muss ich davon ausgehen, dass Ihre Krankenkasse die Versorgung mit Verhaltens-therapie in unserer Region nicht gewährleisten kann. Nach §13 Abs. 3 SGB V sind Sie jedoch zu dieser Leistung verpflichtet, denn es heißt dort: „Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leis-tung notwendig war“. Meiner Behandlerin / meinem Behandler, Frau / Herr Dipl.-Psych. ___________________ wurde am ____________ die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin / Psychologischer Psychothe-rapeut erteilt. Die Approbation berechtigt sie / ihn zur Ausübung heilkundlicher Psychotherapie im Sinne des Psychotherapeutengesetztes (PsychThG). Außerdem hat Frau / Herr _______________ den Fachkundenachweis für Verhaltenstherapie. Im Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigung ________________ ist sie / er unter der Nummer _________________ eingetragen. Aus der Notwendigkeitsbescheinigung / dem Konsiliarbericht von Dr. _____________________ vom ________________ geht eindeutig hervor, dass es sich bei meiner Erkrankung um eine behandlungs-bedürftige Krankheit im Sinne des SGB V handelt. Weiterhin geht daraus hervor, dass im Hinblick auf die diagnostizierte Störung eine Verhaltenstherapie indiziert ist. Auch ist - entgegen Ihrer Ansicht - eine Wartezeit von bis zu einem halben Jahr nicht zumutbar, da die Gefahr einer weiteren Verschlechterung und Chronifizierung meiner Krankheit besteht. Außer-dem wurde in einem Vergleich vor dem Bundessozialgericht (BSG) am 21.05.1997 festgestellt, dass jeder Patient gegenüber seiner Krankenkasse den Anspruch hat, zeitnah behandelt zu werden. In dem Vergleich wurde der Begriff „zeitnah“ in bei Erwachsenen auf maximal drei Monate begrenzt. Nach meinen Ihnen vorliegenden Unterlagen sind damit alle Voraussetzungen für eine Kostenerstat-tung nach § 13 Abs. 3 SGB V erfüllt:

die Qualifikation der Behandlerin / des Behandlers ist durch Approbation und Fachkundenach-weis bescheinigt,

eine behandlungsbedürftige Krankheit nach SGB V liegt vor (Notwendigkeitsbescheinigung / Kon-siliarbericht),

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die Indikation für ein Richtlinienverfahren (hier: Verhaltenstherapie) ist gegeben und

die Kosten für die erhaltene Psychotherapie habe ich bereits beglichen. Weiterhin weise ich darauf hin, dass ich bei Frau / Herrn _______________________ bereits 5 Pro-besitzungen absolviert habe. Es hat sich in dieser Zeit ein tragbares therapeutisches Verhältnis entwi-ckelt und leichte Erfolge haben sich ebenfalls bereits eingestellt. Ich bin mit der psychotherapeuti-schen Behandlung durch Frau / Herrn ________________ vollauf zufrieden. Es würde für mich einen Rückschlag bedeuten, wenn ich mich auf einen anderen Behandler einstellen müsste, abgesehen davon, dass die Wartezeiten bei den von Ihnen empfohlenen Vertragsbehandlern unzumutbar lang sind. Ich bitte Sie daher, meinem Antrag auf Kostenerstattung in vollem Umfang zu entsprechen. Sollten Sie dagegen meinem Widerspruch nicht abhelfen, werde ich mir die Möglichkeit der Klage beim Sozi-algericht vorbehalten. Mit freundlichen Grüßen (Patientin / Patient)

Neue Bestimmung im Patientenrechtegesetz von 2013:

Über beantragte Leistungen müssen die Krankenkassen künftig innerhalb von 3 Wochen nach Antragseingang entscheiden. Kann eine Kasse über einen Antrag innerhalb dieser Frist nicht ent-scheiden, muss sie dies dem Versicherten unter Angabe von Gründen schriftlich mitteilen. In Fällen, in denen der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) gutachterlich tätig wird, verlängert sich die Frist auf 5 Wochen, von denen 3 Wochen auf den MDK entfallen. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt der Antrag als genehmigt. Der Versi-cherte darf dann die beantragte Leistung selbst beschaffen und die Kasse ist zur Kostenüber-nahme verpflichtet (§ 13 Abs. 3a SGB V)215.

Durch ein Urteil des BSG vom 08.03.2016216 wurde dieses Gesetz nun höchstrichterlich bestätigt. Da die KK über den Antrag nicht binnen drei Wochen entschied, ohne hierfür Gründe mitzuteilen, galt die Leistung als genehmigt. Es bestand ein Erstattungsanspruch gem. § 13 Abes. 3a, es lag ein hinreichend bestimmter Antrag des Versicherten vor, der subjektiv erforderlich war. Dieser durfte sich dabei auf die Beurteilung seiner behandelnden Psychotherapeutin verlassen. Da die KK ihm nach Antragstellung keine Gründe mitgeteilt hatte, die die Frist für die Genehmigung un-terbrechen hätten können, ist diese nach 3 Wochen in Kraft getreten. Daher hatte der versicher-te Anspruch auf Kostenerstattung durch seine KK.

Alle Kostenerstatter/Privatpraxen im Bereich der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen (PKN) haben die Möglichkeit, sich im Psychotherapeuten-Suchprogramm www.psychinfo.de als Privatpraxis einzutragen.

Umgekehrt kann die PKN jetzt Kolleginnen und Kollegen, die überbordende regionale Anfragen von Patienten haben, auf psychinfo verweisen. Die Suchfunktion soll so eingestellt werden, dass gezielt Privatpraxen aufgerufen werden können.

Weitere Infos zur Kostenerstattung finden Sie in der Broschüre der Bundespsychotherapeuten-kammer (BPtK), die Sie von der Homepage der BPtK herunterladen können, sowie in der DPtV-Zeitschrift „Psychotherapie Aktuell“, Heft 4/2011217.

215 AOK-Gesundheitspartner-Bundesverband-Arzt und Praxis-Aktuelle Gesetzgebung …: Patientenrechtegesetz. www.aok-gesundheitspartner.de/bund/arztundpraxis/gesetze/index 216 Wenn die Kasse zu spät entscheidet: Bundessozialgericht (BSG) bestätigt Anspruch auf Kostenerstattung. Infomail der DPtV vom

11.03.2016. 217 Deutsche PsychotherapeutenVereinigung. DPtV-Newsletter 03/2012 der Landesgruppe Niedersachsen. Im Oktober 2012, S.5.