Praxistransfer Schul- und Unterrichtsentwicklung

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Praxistransfer Schul- und Unterrichtsentwicklung Claudia Schreiner, Christian Wiesner, Simone Breit, Peter Dobbelstein, Martin Heinrich und Ulrich Steffens (Hrsg.)

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Praxistransfer Schul- und Unterrichtsentwicklung

Claudia Schreiner Christian Wiesner Simone Breit Peter Dobbelstein Martin Heinrich und Ulrich Steffens (Hrsg)

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsentwicklung

herausgegeben von Claudia Schreiner Christian Wiesner Simone Breit

Peter Dobbelstein Martin Heinrich und Ulrich Steff ens

in Kooperation mit dem Netzwerk fuumlr empiriegestuumltzte Schulentwicklung (EMSE)

und dem Institut fuumlr LehrerInnenbildung und Schulforschung der Universitaumlt Innsbruck

Waxmann 2019Muumlnster New York

ISBN 978-3-8309-3936-8

Creative Commons-Lizenz Namensnennung ndash Nicht-kommerziell ndash Weitergabe unter gleichen Bedingungen CC BY-NC-SA 40

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Umschlaggestaltung Hannes Kaschnig-Loumlbel Anne BreitenbachSatz Stoddart Satz- und Layoutservice MuumlnsterDruck Hubert amp Co Goumlttingen

Bibliografi sche Informationen der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet uumlber httpdnbdnbde abrufb ar

Dieser Band entstand in Kooperation zwischen dem Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens (BIFIE) dem Netzwerk fuumlr empiriegestuumltzte Schulentwicklung (EMSE) und dem Institut fuumlr LehrerInnenbildung und Schulforschung an der Universitaumlt Innsbruck

Inhalt

Vorwort 7

Konzeptionelle Beitraumlge

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 11

Herbert AltrichterTransfer ist Arbeit und Lernen 27

Rick MintropDesignbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 35

Hans-Guumlnter Rolff Transfer von Innovationen im Schulbereich 49

Martin Heinrich und Gabriele KlewinEvidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquoZum Problem der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierung sowie den Chancen und Grenzen von Praxisforschung als Alternative oder Ergaumlnzung 61

Christan Wiesner und Claudia SchreinerImplementation Transfer Progression und Transformation Vom Wandel von Routinen zur Entwicklung von Identitaumlt Von Interventionen zu Innovationen die bewegen Bausteine fuumlr ein Modell zur Schulentwicklung durch Evidenz(en) 79

Stefan Hahn Gabriele Klewin Barbara Koch Sebastian U Kuhnen Monika Palowski und Cornelia StillerUumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 141

Josef Th onhauserDas didaktische Potenzial von Lernaufgaben 153

Claudia Schreiner und Simone BreitPaumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung Instrumente paumldagogischer Diagnostik im Spannungsfeld zwischen wissenschaft lichen und schulpraktischen Anspruumlchen 171

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher Daten nutzen ndash Schulen entwickeln SANDBIST als interaktives Format der Datenruumlckmeldung 189

Christian Wiesner Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 207

Erfahrungsberichte

Ulrike KrugbdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen SchulenldquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingen241

Ramona LauPraxisforschung zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II ndash und dann Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer 247

Susanne WolterFortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) ndash eine Kooperation von Wissenschaft Landesinstitut regionaler Fortbildung und Schulpraxis259

Veronika Manitius und Nina BremmKooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie Einblicke in ein Schulentwicklungsprojekt zu Schulen in sozial-raumlumlichen benachteiligten Lagen in NRW 265

Autorinnen und Autoren 283

Vorwort

Das Netzwerk bdquoEmpiriegestuumltzte Schulentwicklung (EMSE)ldquo besteht seit 2004 um die Diskussion und den Austausch uumlber schulische Qualitaumltssicherung und Qualitaumltsent-wicklung zu ermoumlglichen Das Netzwerk spricht vor allem die in den 16 deutschen Bundeslaumlndern mit empirischen Verfahren der Schulentwicklung und Bildungspla-nung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kultus- bzw Schulministe-rien in den Landesinstituten und den Qualitaumltsagenturen an Im Zentrum stehen die Fachtagungen die sich mit zentralen Th emen der Bildungsplanung und Schulentwick-lung befassen Dabei werden neue Forschungsergebnisse rezipiert und im Hinblick auf ihre praktischen Konsequenzen eroumlrtert Ansaumltze und Verfahren empirisch orientier-ter Schul- und Unterrichtsentwicklung in den Bundeslaumlndern vorgestellt und Erfah-rungen ausgetauscht

Das Netzwerk ist gepraumlgt von der Schnittstelle zwischen und der Zusammenarbeit von Wissenschaft Verwaltung und Praxis Im Juni 2016 fand die erste Auslandsta-gung des EMSE-Netzwerks am BIFIE (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innova-tion amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens) in Salzburg statt Seitdem steht der Th emenkomplex bdquoTransfer ndash PraxisWissenschaft ndash Wissenschaft Praxisldquo im Fo-kus der Tagungen

Ausgehend von dieser 22 EMSE-Tagung in Salzburg sind die Beitraumlge fuumlr den vor-liegenden Band entstanden Sie reichen von konzeptionellen Beitraumlgen uumlber die Auf-arbeitung konkreter Herausforderungen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis bis hin zu Erfahrungsberichten und spiegeln so die Vielfalt der Zugaumlnge im EMSE-Netzwerk wider

Unser Dank gilt allen Autorinnen und Autoren die sich mit ihren Beitraumlgen zur vorliegenden Publikation an Diskussion und Austausch zu diesem zentralen Th e-menkomplex beteiligen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Begleitfor-schung und Medienmanagement des BIFIE fuumlr die tatkraumlft ige Unterstuumltzung in der Umsetzung dieses Buchprojekts

Claudia SchreinerChristian WiesnerSimone BreitPeter DobbelsteinMartin HeinrichUlrich Steff ens

Konzeptionelle Beitraumlge

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze

Vorbemerkung Der nachfolgende Text bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Pro-blemskizzeldquo ist im Zusammenhang des bdquoEMSE-Netzwerkesldquo entstanden EMSE steht fuumlr bdquoEmpiriegestuumltzte Schulentwicklungldquo Das Netzwerk wurde im Jahr 2004 gegruumln-det Ausgangspunkt fuumlr die Netzwerkidee war ein informelles Arbeitstreff en am Rande einer Tagung der PISA-Laumlnderkoordinatoren im Jahr 20041 Daraufh in hatten Dr Rai-ner Peek Peter Dobbelstein und Ulrich Steff ens zu einem ersten Arbeitstreff en aufge-rufen zu dem dann das Landesinstitut fuumlr Schule in Soest fuumlr den 15-16 Dezember 2004 eingeladen hatte Zum damaligen Zeitpunkt war im Zuge der so genannten bdquoem-pirischen Wendeldquo (Lange 2008) in der Bildungsplanung zwar der Bedarf nach ent-sprechenden Austauschmoumlglichkeiten erkennbar zugleich aber nicht abzusehen dass EMSE eine solche Resonanz ausloumlsen wuumlrde die bis heute eine Kontinuitaumlt an Fach-tagungen im halbjaumlhrlichen Abstand zur Folge hat Die erste Tagung war konzipiert als Moumlglichkeit fuumlr einen Erfahrungsaustausch uumlber aktuelle Entwicklungen einer empiriegestuumltzten Schul- und Unterrichtsentwicklung

Zum damaligen Zeitpunkt hatte sich im Zuge der bdquoempirischen Wendeldquo in der Bil-dungspolitik und Bildungsplanung bereits ein breites Spektrum an empirisch orien-tierten Vorhaben zur Qualitaumltssicherung und Qualitaumltsentwicklung in den einzelnen Bundeslaumlndern entfaltet bzw verstetigt1) fachbezogene Schulleistungstests insbesondere standardisierte Lernstandserhebun-

gen unterrichtsfachlicher Leistungen in verschiedenen Jahrgangsstufen2) uumlberfachliche Schulleistungstests zum Beispiel zum sozialen und kooperativen

Lernen zum Problemloumlsen oder zur Selbststaumlndigkeitsfoumlrderung 3) Sekundaumlranalysen zu internationalen und nationalen Datensaumltzen ndash zum Beispiel

PISA-2000-Landesdatensaumltze Verknuumlpfung von Ergebnissen aus internationalen nationalen Vergleichsuntersuchungen Systemmonitoring und Schulevaluation

4) fokussierte Evaluationen zum Beispiel Analyse von Schwachstellen des Schul-systems Auswertungen von Abschlusspruumlfungen oder schulinternen Vergleichs-arbeiten Studien zur Schulzeitverkuumlrzung oder zur Diagnosekompetenz und

1 Die Initiative dazu ging von Dr Christoph Burkard (damals Ministerium fuumlr Schule und Wei-terbildung Duumlsseldorf) Dietmar Kirchhoff (damals Senat fuumlr Schule und Wissenschaft Bre-men) und Ulrich Steff ens (damals Hessisches Landesinstitut fuumlr Paumldagogik ndash HeLP Wiesba-den) aus

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zum foumlrderorientierten Verhalten von Lehrpersonen Arbeiten zur Lehrer- oder Schuumller beurteilung sowie Arbeitsplatzuntersuchungen

5) empirische Analysen von Bildungs- und Schulstatistiken (bdquoSchulberichterstat-tungldquo)

6) Studien zur Schul- und Unterrichtsqualitaumlt ndash zum Beispiel ergaumlnzende empirische Studien zur Klaumlrung von Wirkungszusammenhaumlngen zwischen Lehr- und Lernbe-dingungen sowie erzieherischen und fachlichen Leistungen (bdquoKonfi gurationenldquo von Schul- und Unterrichtsqualitaumlt) Forschungsvorhaben zur Ermittlung von Bewer-tungsmaszligstaumlben der Schul- und Unterrichtsqualitaumlt (Referenzsysteme fuumlr Schul-qualitaumlt bdquoQualitaumltsindikatorenldquo) Identifi kation relevanter Kontextbedingungen fuumlr schulische Lehr- und Lernprozesse (bdquoBelastungsindikatorenldquo)

7) wissenschaft liche Begleitungen von Schulentwicklungsmaszlignahmen zum Beispiel externe Evaluationen von Programmen und Wirksamkeitsanalysen

8) sonstige Vorhaben zur empiriegestuumltzten Schul- und Unterrichtsentwicklung ndash zum Beispiel Transfer- und Folgenforschung Studien zu erfolgversprechenden Strategien der Ergebnisruumlckmeldung an die Schulen Studien zur Schulevaluation (u a Gelingensbedingungen schulinterner Evaluation Analysen zur Schulinspek-tionexternen Evaluation Verzahnung interner mit externer Evaluation) bildungs-oumlkonomische Recherchen (Kosten-Nutzen-Analysen)

Alle diese Vorhaben waren von dem Anliegen getragen neben bdquoSystemwissenldquo im In-teresse einer fundierten rationalen und wirksamen Bildungsplanung auch Handlungs-wissen fuumlr die Schul- und Unterrichtsgestaltung unter Beruumlcksichtigung empirischer Verfahren zu gewinnen

Im Mittelpunkt der ersten EMSE-Tagungen standen Verfahren der Standardset-zung die sich bundesweit in der Formulierung von Bildungsstandards und in den ein-zelnen Bundeslaumlndern in der Formulierung von Kompetenzerwartungen oder ver-bindlichen Anforderungen in (Kern-)Lehrplaumlnen fuumlr die Faumlcher zeigten Unmittelbar daran gekoppelt spielten in den Diskussionen Verfahren der Standarduumlberpruumlfung eine groszlige Rolle In diesem Zusammenhang hatten sich bundesweit in den einzelnen Bundeslaumlndern Lernstandserhebungen (Vergleichsarbeiten bzw Orientierungsarbei-ten) etabliert denen die methodischen Prinzipien aus Schulleistungsstudien bzw large scale assessments sensu PISA zugrunde lagen (standardisierte Testverfahren) die je-doch ndash in Abgrenzung zu PISA amp Co ndash vornehmlich auf Qualitaumltsentwicklung bdquovor Ortldquo zielten

In einer Reihe von Folgetagungen wurden aktuelle zentrale Th emen in den Vor-dergrund geruumlckt und zwar Referenzsysteme und Beobachtungsinstrumente zur Unterrichtsqualitaumlt (Institut fuumlr die Paumldagogik der Naturwissenschaft en IPN Kiel) schulinterne Evaluation (CITO Deutschland Solingen) Wirksamkeit von Lehrerfort-bildung (Senatsverwaltung Berlin) und Uumlbergangsprobleme von der Grundschule in weiterfuumlhrende Schulen (Landesinstitut fuumlr Paumldagogik und Medien DudweilerSaar-land)

Mehrere Tagungen widmeten sich der bdquoKMK-Gesamtstrategie zum Bildungsmo-nitoringldquo Neben einer bilanzierenden Tagung (QUA-LiS Soest) ging es in weite-

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ren Tagungen um einzelne Maszlignahmen und zwar um internationale und nationa-le Schulleistungsstudien (Institut fuumlr Qualitaumltsentwicklung Schwerin) standardisierte Lernstandserhebungen (IEA-DPC Hamburg) Schulinspektionen bzw externe Eva-luationen (IfBQ Hamburg) und um Bildungsstandards (Wiss Einrichtung Oberstu-fen-Kolleg Bielefeld)

Die aktuellen Tagungen des EMSE-Netzwerkes stehen unter dem Leitthema des Wissenstransfers und zwar seit der ersten Auslands-EMSE in Salzburgbull bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingenldquo

(22 Tagung vom 30 Juni bis 1 Juli 2016 in Salzburg Gastgeber Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens ndash BIFIE)

bull bdquoDialog der Systeme und Professionenldquo (23 Tagung vom 15-16 Dezember 2016 in FrankfurtM Gastgeber Deutsches Institut fuumlr Internationale Paumldagogische For-schung ndash DIPF)

bull bdquoDatenbasierte Schulentwicklung durch Wissenschaft -Praxis-Dialogldquo (24 Tagung vom 26-27 Juni 2017 in Landau Gastgeber Zentrum fuumlr Empirische Paumldagogi-sche Forschung ndash zepf)

bull bdquoBildung in der digitalen Welt ndash Welche Forschung haben wir welche Forschung brauchen wirldquo (25 Tagung vom 7-8 Dezember 2017 in Ludwigsfeld Gastgeber Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Berlin-Brandenburg ndash LISUM)

bull bdquoSchul- und Unterrichtsentwicklung bei zunehmend heterogener Schuumllerschaft ldquo (26 Tagung vom 11-12 Juni 2018 in Berlin Gastgeber Institut zur Qualitaumltsent-wicklung im Bildungswesen ndash IQB)

bull bdquoKulturelle Schulentwicklung im Querschnitt von Schule Kultur und Jugend ndash Was koumlnnen Verwaltung Forschung und Praxis voneinander lernenldquo (27 Tagung vom 18-19 Dezember 2018 in Remscheid Gastgeber Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung ndash BKJ)

Die vorstehende Aufl istung zeigt dass sich die Fachtagungen mit zentralen Th emen der Bildungsplanung und Schulentwicklung befassen Dabei werden neue Forschungs-ergebnisse rezipiert und im Hinblick auf ihre praktischen Konsequenzen eroumlrtert An-saumltze und Verfahren empirisch orientierter Schul- und Unterrichtsentwicklung in den Bundeslaumlndern vorgestellt und Erfahrungen ausgetauscht Die empirische Ausrichtung im EMSE-Netzwerk verfolgt das Ziel Erkenntnisse aus der Schul- und Unterrichtsfor-schung auf ihre praktischen Konsequenzen hin zu befragen und ihre Relevanz fuumlr die Bildungsverwaltung und Bildungspraxis aufzuzeigen Bei der empirischen Ausrichtung des Netzwerks sind insbesondere drei Perspektiven von besonderer Bedeutung1) Identifi kation struktureller bdquoGelingensbedingungenldquo der Schul- und Unterrichtsge-

staltung2) Befoumlrderung der Entwicklung bdquoevidenzbasierter Programmeldquo (zu denken waumlre bei-

spielhaft an aktuelle Projekte wie bdquoindividuelle Foumlrderung und adaptive Lern-Gele-genheiten in der Grundschule (IGEL)ldquo oder das Programm bdquoBildung durch Spra-che und Schrift (BiSS)ldquo

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 14

3) Kritische Refl exion und formative Adaption von bdquoImplementationsstrategienldquo die sich auf zielbezogene adressatengerechte und eff ektive Programmmaszlignahmen be-ziehen in denen die jeweiligen Komponenten bzw Instrumente bdquoorchestriertldquo und die unterschiedlichen Handlungsebenen mit ihren jeweiligen institutionellen Ak-teuren synchronisiert sind (Planungsparameter waumlren u a Konsistenz Kontinuitaumlt Koordination)

Bei den im EMSE-Netzwerk Mitwirkenden handelt es sich in erster Linie um die mit empirischen Verfahren der Schulentwicklung und Bildungsplanung befassten Mit-arbeiterinnen in den Kultus- bzw Schulministerien sowie in den Landesinstituten bzw Qualitaumltsagenturen aller 16 Bundeslaumlnder sowie inzwischen auch aus entspre-chenden Einrichtungen in Oumlsterreich und Suumldtirol der Schweiz und der deutschspra-chigen Gemeinschaft in Belgien Daruumlber hinaus wirken in dem Netzwerk auch einige Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft ler mit die in den EMSE-Th emenfeldern ihre Forschungsschwerpunkte haben Regelmaumlszligig nehmen auch Vertreterinnen des Bun-desministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) der Geschaumlft sstelle der Kultus-ministerkonferenz (KMK) und von verschiedenen Stift ungen an den Tagungen teil

Zu den zweimal jaumlhrlich stattfi ndenden zweitaumlgigen Fachtagungen laden im Re-gelfall die bereits erwaumlhnten Landesinstitute ein in Einzelfaumlllen auch wissenschaft -liche Einrichtungen wie das Deutsche Institut fuumlr Internationale Paumldagogische For-schung (DIPF) in FrankfurtM das IEA Data Processing Center (DPC) in Hamburg das Institut fuumlr die Paumldagogik der Naturwissenschaft en (IPN) in Kiel das Institut zur Qualitaumltsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin das Institut fuumlr Schulent-wicklungsforschung (IfS) in Dortmund die Wissenschaft liche Einrichtung des Ober-stufen-Kollegs an der Universitaumlt Bielefeld und das Zentrum fuumlr Empirische Paumldagogi-sche Forschung (zepf) in Landau

Fuumlr eine Dokumentation der bisher durchgefuumlhrten 27 Fachtagungen wird auf die Homepage des EMSE-Netzwerkes verwiesen (Emse-Netzwerk 2018) Dort befi n-den sich auch zwei bdquoPositionspapiereldquo die aus der Befassung mit zentralen Th emen auf den EMSE-Tagungen hervorgegangen sind Das erste Positionspapier zu zentra-len Lernstandserhebungen wurde von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der 5 EMSE-Tagung vom 7-8 Dezember 2006 in Berlin verabschiedet (bdquoZentrale stan-dardisierte Lernstandserhebungen ndash Positionspapier des Netzwerkes bdquoEmpiriege-stuumltzte Schulentwicklungldquo)2 Ein zweites Positionspapier bdquoNutzung und Nutzen von Schulruumlckmeldungen im Rahmen standardisierter LernstandserhebungenVergleichs-arbeitenldquo wurde auf der 9 EMSE-Tagung vom 16ndash18 Dezember 2008 in Nuumlrnberg verabschiedet3 Daruumlber hinaus ist das Papier bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichts-forschung ndash eine Problemskizzeldquo entstanden das zur ersten Auslandstagung des EMSE-Netzwerkes vom 30 Junindash1 Juli 2016 im Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung In-novation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens (BIFIE) in Salzburg von

2 Die Vorlage fuumlr dieses Positionspapier hatten Rainer Peek Ulrich Steff ens und Olaf Koumlller ent-worfen Das Papier ist auch erschienen in Die Deutsche Schule (100) 2008 Heft 3 S 380ndash384

3 Die Vorlage fuumlr dieses Positionspapier hatten Ulrich Steff ens und Rainer Peek entworfen Das Papier ist ebenfalls erschienen in Die Deutsche Schule (101) 2009 Heft 4 S 389ndash396

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 15

Ulrich Steff ens Martin Heinrich und Peter Dobbelstein zur Diskussion gestellt wur-de Nachfolgend wird diese Problemskizze in der damaligen Fassung wiedergegeben

1 Kurze Beschreibung der Sach- bzw Problemlage

[hellip] Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Forschungsbefunde vorliegen die Anregungen fuumlr eine Beruumlcksichtigung in der Praxis auf der System- Schul- und Unterrichtsebene liefern so faumlllt gleichzeitig auf dass sie kaum einen praktischen Niederschlag erfahren haben Die Gruumlnde dafuumlr duumlrft en sicherlich vielschichtig sein Beeindruckend ist dabei allerdings wie wenig die dargebotenen Forschungs-befunde bei den potenziellen Adressaten Beachtung fi nden und wie selten sie in der Bildungsplanung Lehrerbildung sowie Schul- und Unterrichtsentwicklung ausfuumlhrlicher rezipiert werden Off enbar ist nach anfaumlnglicher Euphorie uumlber die erhofft en Moumlglichkeiten uumlber die Dissemination empirischer Forschungsbefunde die paumldagogische Wirklichkeit veraumlndern zu koumlnnen (Heinrich 2011) insbeson-dere im Hinblick auf zentrale Th ematiken wie bdquoBildungsgerechtigkeitldquo (Heinrich 2010) Schulqualitaumlt (Altrichter et al 2014 Dietrich et al 2015 Heinrich 2015a) oder auch uumlbergreifende Th emenfelder wie bdquoInklusionldquo (Dietrich amp Heinrich 2014) oder bdquoBildung fuumlr nachhaltige Entwicklungldquo (Heinrich 2015b) eine zuneh-mende Ernuumlchterung eingetreten Die paumldagogische Praxis scheint sich entweder nachhaltig gegenuumlber diesem Programm der Evidenzbasierung zu sperren (Hein-rich 2015c) oder die Befunde nur halbherzig aufzugreifen (Th iel et al 2013)

Ein Grund fuumlr die geringe Bedeutung der Forschungsbefunde wird in der mangelnden Praxisrelevanz gesehen So ist haumlufi g zu houmlren dass Wissenschaft zu wenig die Praxis kennen und Anliegen und Probleme aus der Praxis kaum beach-ten wuumlrde Daruumlber hinaus wuumlrden die Forschungsergebnisse nur unzureichend fuumlr die Loumlsung von Praxisproblemen beitragen und kaum hilfreich sein (Altrich-ter amp Feindt 2004 S 418)

Ferner wird bemaumlngelt dass den Forschungsergebnissen der praktische Bezug fehle was allein schon an der abstrakten Ausdrucksform abzulesen sei So seien die Forschungsberichte auch nicht fuumlr einen praxisorientierten Leserkreis abge-fasst

Governanceanalytische Studien zeigen immer wieder dass die Forschungsbe-funde in der Praxis nicht aufgegriff en werden da sie vor Ort nicht anschlussfaumlhig sind d h die Handlungslogiken der Akteure vor Ort den Befunden gegenuumlber so fremd sind dass es ganz spezifi scher Formen der Aneignung bedarf um die Be-funde wirksam werden zu lassen

Dabei kommen Ansaumltze unterschiedlicher Provenienz in Frage die verschie-denen Anspruumlchen mit unterschiedlicher Reichweite gerecht werden koumlnnen Die-se Aneignungsformen gilt es zunaumlchst einmal konzeptionell zu durchdringen im Hinblick auf ihre Moumlglichkeiten und Grenzen auszuloten sowie in ihren prakti-schen Perspektiven zu erproben Je nach Reichweite kann dabei zwischen einem Wissenschaft s-Praxis-Dialog (1) einer Entwicklung und Bereitstellung von Praxis-

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theorien (2) sowie einer Begleit- bzw Praxisforschung (3) unterschieden werden Diese Herangehensweisen sollen im Folgenden skizziert werden

2 Handlungsperspektiven fuumlr einen Praxistransfer

21 Wissenschafts-Praxis-Dialog

Eine naheliegende Vorgehensweise ist in einer systematischen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis zu sehen die sich einer dialogischen Vorge-hensweise verpfl ichtet fuumlhlt

Schaut man sich dabei die praktizierten Vermittlungsformen an so faumlllt auf dass der Wissenstransfer nur eine Richtung zu kennen scheint naumlmlich einen In-formationsfl uss von der Wissenschaft s- zur Praxisseite Auch wenn dabei die For-schungsergebnisse auszligerordentlich verstaumlndlich dargestellt sein koumlnnen so aumlndert dies allerdings nichts an dem Sachverhalt dass der Wissenstransfer im Wesentli-chen einseitig bleibt Durch die Art der Verkehrsform werden zugleich auch die Rollen defi niert Auf der einen Seite wird informiert und auf der anderen Seite re-zipiert auf der einen Seite der Expertenstatus auf der anderen Seite der Laien-status Auch in der aktuellen Ergaumlnzung der KMK-Gesamtstrategie vom 11 Juni 2015 bei der Forschung mehr anwendungsbezogenes Wissen fuumlr die Bildungs-politik und Bildungspraxis bereitstellen soll bleibt es bei dieser (einseitigen) Blickrichtung

Dieser Art des Wissenstransfers fehlt eine dialogische Perspektive bei der beide Seiten miteinander ins Gespraumlch kommen koumlnnen Ein Dialog wuumlrde die Moumlglichkeit eroumlff nen Forschungsbefunde aus Praxissicht einzuordnen und zu interpretieren und so zu einer diff erenzierten Problemsicht in der Schul- und Unterrichtsforschung beizutragen Auf diese Weise koumlnnten Forschungsergebnis-se in einem neuen Licht betrachtet werden und auch zu neuen Hypothesen und Erkenntnissen fuumlhren Insofern wuumlrde auch die Forschung durch den Dialog pro-fi tieren Damit haumltte der Dialog einen zweiseitigen Ertrag naumlmlich fuumlr die Praxis und fuumlr die Forschung

Am einfachsten waumlre zunaumlchst einmal Wissenschaft s- und Praxisexperten in dialogischen Workshops zusammenzubringen um einen Austausch zu initiieren Eine solche Vorgehensweise wuumlrde sich vor allem im Zusammenhang jener ein-schlaumlgigen Programme und umfangreichen Maszlignahmen anbieten die in juumlngster Zeit vor dem Hintergrund der empirischen Bildungsforschung und im Zuge der bdquoempirischen Wendeldquo in der Bildungspolitik und Bildungsplanung initiiert wur-den

Zur Initiierung des Dialogs gilt es verschiedene Aspekte zu beachten1) Inhaltsaspekt Welche Forschungsbefunde sind hilfreich fuumlr die Praxis Was

sind relevante Forschungsthemen fuumlr die Praxis Welche Forschung wird ver-

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misst Hier geht es vorrangig um bdquoVerstaumlndigungsarbeitldquo zwischen Wissen-schaft und Praxis Grundlage dafuumlr koumlnnten beispielsweise Erhebungen zum Fortbildungsbedarf oder zu den Alltagsproblemen von Lehrerinnen und Leh-rern sein Fuumlr die Bildungsverwaltung koumlnnten die sieben Th emenfelder der KMK-Gesamtstrategie die als bdquoSchluumlsselfragen der Schul- und Unterrichtsent-wicklungldquo begriff en werden (Kultusministerkonferenz (KMK) 2015 S 17 f) den Ausgangspunkt fuumlr eine Verstaumlndigungsarbeit bilden

2) Formaspekt Hier steht die Art und Weise der Ergebnisdarstellung im Vorder-grund verstaumlndliche Erlaumluterung von Befunden konkrete beispielhaft e Dar-stellung Aufzeigen des moumlglichen praktischen Nutzens Diese wechselseitige bdquoUumlber setzungsarbeitldquo muss in beiderseitiger Off enheit erfolgen sodass auch die Wissen schaft durch die bdquoDignitaumlt der Praxis vor aller Th eorieldquo (Schleier-macher) belehrt werden kann d h die Ergebnisdarstellung off enbart dass Fra-gen ggf falsch gestellt wurden Befunde zwar nicht unwesentlich sind wo-moumlglich aber fuumlr die Praxis eine ganz andere Bedeutung haben als von der Wissenschaft gedacht (bspw eine empirisch nachweisbar erfolgreiche Interven-tion die von der Praxis aber als unzulaumlssige Manipulation der Schuumllerinnen und Schuumller abgelehnt wird)

3) Anwendungsaspekt Wie erfahre ich (als Praktiker insbesondere als Lehrerin bzw Lehrer) welche Konsequenzen ich aus Forschersicht aus den Ergebnissen ziehen kann Welche Folgerungen sind zulaumlssig Wie sieht eine Anwendung (beispielsweise kompetenzorientierte Unterrichtsentwicklung) ganz konkret in meinem Fach aus Wie erfahre ich als Wissenschaft lerin und Wissenschaft ler von der mangelnden oumlkologischen Validitaumlt meiner Ergebnisse An welchen Stellen zeigt sich in meiner Modellbildung fuumlr empirische Untersuchungen meine Naivitaumlt gegenuumlber der Komplexitaumlt paumldagogischer Praxis (gemeinsame bdquoBeratungs- und Fortbildungsarbeitldquo)

Gerade hinsichtlich dieser genannten Aspekte duumlrft e das EMSE-Netzwerk seine zentrale Bedeutung erlangen Es haumltte sich mit dem praxisbezogenen Bedarf und den relevanten Th emen zu befassen Des Weiteren muumlssten geeignete Vermitt-lungs- und Arbeitsformen erprobt und empfohlen sowie Strategien fuumlr entspre-chende Anwendungen im Sinne einer Entwicklungsforschung entworfen und ver-stetigt werden

22 Entwicklung und Bereitstellung von bdquoPraxistheorienldquo

Uumlber den Dialog hinaus bietet sich eine Vorgehensweise an in der der Wissens-transfer als eine eigenstaumlndige und von der Grundlagenforschung abzugrenzende wissen schaft liche Leistung begriff en wird Dabei ginge es darum Ergebnisse der Bildungsforschung in bdquoPraxistheorienldquo mittlerer Reichweite zu bdquotransponierenldquo Das heiszligt nicht spezifi sche Th eoreme oder einzelne Forschungsergebnisse zu aus-

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gewiesenen Th emen waumlren zu beschreiben und zu erlaumlutern vielmehr ginge es darum solche Befunde synoptisch zusammenzufassen und in einem groumlszligeren Handlungszusammenhang zu uumlberfuumlhren der sich einer praxisrelevanten realen Problemstellung widmet Dabei kommt es vor allem darauf an dass mit der zur Verfuumlgung gestellten Forschungssynopse eine Vorstellung daruumlber moumlglich wird wie eine Problemstellung bearbeitet bzw geloumlst werden kann zwar nicht im De-tail in einer konkretistischen Art wohl aber in prinzipieller Weise Praxistheorien in diesem Sinne sind nicht als bdquowissenschaft liche Wahrheitenldquo zu begreifen son-dern als an empirischen Evidenzen orientierte kohaumlrente und praxisbezogene Re-fl exionsangebote die es Lehrkraumlft en erlauben durch kritische Auseinandersetzung mit handlungsrelevanten Maximen ihr eigenes Professionsverstaumlndnis zu refl ek-tieren

Ein gutes Beispiel stellt das Gutachten zur Vorbereitung des Programms bdquoStei-gerung der Effi zienz des mathematisch-naturwissenschaft lichen Unterrichtsldquo dar (Bau mert et al 1998) aus dem das SINUS-Projekt hervorgegangen ist Im Grun-de handelt es sich dabei um eine Art Muster-Leitfaden wie ein entsprechender Unterricht in Mathematik und den naturwissenschaft lichen Faumlchern zu gestalten ist Auch die Veroumlff entlichung bdquoLernen sichtbar machen fuumlr Lehrpersonenldquo von John Hattie (2014) ist als Beispiel einer entsprechenden Praxistheorie zu nen-nen Es handelt sich dabei um eine Art bdquoErziehungslehreldquo die von Hattie vor dem Hintergrund seiner umfassenden Forschungsbilanz uumlber 138 Einfl ussgroumlszligen zum Lernerfolg von Schuumllerinnen und Schuumllern konzipiert wurde Darin geht es um eine Unterrichtsstunde die idealtypisch in fuumlnf Stadien beschrieben wird (bdquoPla-nung der Unterrichtsstundeldquo bdquoBeginn der Unterrichtsstundeldquo bdquoDer Fluss der Unterrichtsstunde Lernenldquo bdquoDer Fluss der Unterrichtsstunde Der Platz des Feed-backsldquo bdquoDer Abschluss der Unterrichtsstundeldquo) Als weitere Beispiele koumlnnten ge-nannt werden das Fortbildungsmodul im Rahmen des Pythagoras-Projekts von Eckhard Klieme und Kurt Reusser (Lipowsky et al 2003) oder das Bilanz-Kapitel zum Forschungsbericht des COACTIV-Projekts zur Lehrerprofessionalitaumlt (Kun-ter et al 2011) Auch aus der Allgemeinen Didaktik lassen sich Beispiele fi nden so sind etwa Hilbert Meyers bdquoWas ist guter Unterrichtldquo (Meyer 2004) und insbe-sondere Hans Aeblis zwoumllf Grundformen des Lehrens (Aebli 2006)4 hier zu er-waumlhnen

Mit diesen Verweisen duumlrft e klar geworden sein dass es bei den bdquoPraxistheo-rienldquo um die Auseinandersetzung mit einer anderen Wissensform geht als die in Forschungsberichten dargestellten Erkenntnisse und Befunde Eckhard Klieme spricht hier von bdquoHandlungswissenldquo (Klieme 2013) und Anand Pant ndash in Abgren-zung zu Klieme ndash von bdquoErklaumlrungswissenldquo (Pant 2015)

Sowohl in der Schul- und Unterrichtspraxis als auch in der Schulverwaltung besteht eine Nachfrage nach der Aufb ereitung von Forschungserkenntnissen in einer fuumlr sie verstaumlndlichen und nachvollziehbaren Weise Die groszlige Nachfrage

4 Fuumlr diesen Hinweis gilt Rudolf Messner ein besonderer Dank

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 19

nach einer solchen Wissensform laumlsst sich am Beispiel der Hattie-Studie (Hattie 2009 2014) aufzeigen Ihre groszlige Resonanz duumlrft e auch darauf zuruumlckzufuumlhren sein dass im undurchdringlichen Informationsdschungel argumentativ die Spreu vom Weizen getrennt und klare Position bezogen wird was wirkt und was nicht Hattie ist zugleich auch ein gutes Beispiel dafuumlr dass mit einem simplifi zierten Handlungswissen auch Gefahren verbunden sind etwa abzulesen an seinem Be-wertungssystem (bdquohinge pointldquo) seinem Ranking der Einfl ussfaktoren und seinen zugespitzten Bilanzierungen (beispielsweise bdquoStrukturfragen sind unbedeutendldquo) die statt zur Aufk laumlrung beizutragen mehr Missverstaumlndnisse und Fehlinterpre-tationen ausloumlsen Populistische Vereinfachungen sind dem in der Praxis nach-gefragten Handlungswissen nicht angemessen Praxistheorien sind demnach not-wendig um empirischen Befunden in der Handlungspraxis Relevanz zu geben gleichzeitig muumlssen sie so praumlsentiert und rezipiert werden dass sie zur Professio-nalisierung der Lehrerinnen und Lehrer beitragen und nicht zu rezepthaft er An-wendung

23 bdquoPraxisforschungldquo

Ausgehend von der erwaumlhnten fehlenden Anschlussfaumlhigkeit des Forschungswis-sens in praktischen Handlungszusammenhaumlngen koumlnnte eine weitere Vorgehens-weise darin liegen das bdquoklassischeldquo Prozedere sozusagen umzudrehen und von den Praxiserfordernissen her den Forschungsbedarf zu bestimmen Dazu waumlre die Praxis staumlrker in die Forschung mit einzubeziehen Auf diese Weise koumlnnten ihre Anliegen und Probleme besser aufgegriff en und zum Gegenstand einer auf Ver-besserung ausgerichteten Bildungsforschung gemacht werden

Das erfordert allerdings andere Forschungszugaumlnge als sie derzeit in der em-pirischen Bildungsforschung uumlblich sind Innerhalb der Transferprozesse duumlrfen diejenigen die die Befunde uumlbernehmen sollen im Forschungsprozess nicht zu Objekten gemacht werden da man dann ihre subjektiven Zugangsweisen nicht angemessen in das Konzept integrieren koumlnnen wird Notwendig werden damit forschende Zugriff e im Sinne einer partizipativen Form von Forschungs- und Ent-wicklungsprojekten wie sie seit Jahrzehnten an den Bielefelder Versuchsschulen etabliert sind (Hahn et al 2014)

Beispielsweise koumlnnte sich eine Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern (even-tuell ein Jahrgangsteam oder eine Fachgruppe) nach dem Interventionskonzept bdquoLesson Studiesldquo bzw bdquoLearning Studiesldquo (Posch 2016) mit der Frage befassen wie sie in ihrem Unterricht Schuumllerinnen und Schuumller wirksamer kognitiv akti-vieren und entsprechende Lehr- und Lernarrangements kontinuierlich versteti-gen koumlnnen Ein solcher Arbeits- bzw Untersuchungsprozess koumlnnte durch eine Begleitforschung supervidiert werden die die Lehrerforscherinnen dabei unter-stuumltzt die Ertraumlge der durchgefuumlhrten bdquoStudienldquo zu beschreiben und zu analysie-ren und zum anderen die Gelingensbedingungen des Vorgehens herauszuarbeiten

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Entsprechende Forschungsvorhaben koumlnnten sich auf Evaluationen von Schu-len und Programmen beziehen auf eine wissenschaft liche Begleitung von Re-formmaszlignahmen oder auch weitergehender auf praxisorientierte Verlaufsanalysen von Reformprozessen Mit solchen Projekten so Klaus-Juumlrgen Tillmann bdquowird zu-gleich auch ein neuer Forschungsbedarf produziert der die praktische Umsetzung von sbquoMaszlignahmenlsquo in den Blick nimmtldquo (Tillmann 2016 S 5) Gerade dafuumlr sind Praxiserfahrungen unverzichtbar bdquoDazu benoumltigt man zunaumlchst einmal paumldago-gisch-praktische Erfahrungen innovative Ideen aber auch Kenntnisse bisheriger Erfolge und Misserfolge Kurz In dieser Entwurfsphase sind vor allem die profes-sionellen Kompetenzen der innovativen Paumldagogen gefragtldquo (aaO S 6) In die-sem Zusammenhang koumlnnte man mit Helmut Fend (2006) von der Notwendigkeit zur bdquoRe-Kontextualisierungldquo sprechen Noch plastischer beschreibt dies Juumlrgen Kussau (2007) als die Notwendigkeit Forschungsbefunde vor Ort bdquonachzuerfi n-denldquo

In einer weiterfuumlhrenden Perspektive waumlre deshalb die vorherrschende empi-risch-analytische Bildungsforschung um eine schulische Begleitforschung oder so-genannte bdquoPraxisforschungldquo zu ergaumlnzen (Altrichter amp Posch 1994 2012 Altrich-ter amp Feindt 2004 oder Tillmann 2016) bdquoJeder der beiden Forschungszugaumlnge hat sowohl seine eigenen Erkenntnismoumlglichkeiten wie seine -grenzen Beide An-saumltze sind wechselseitig nicht austauschbar aber sie ergaumlnzen sich in ihren Er-kenntnissen Empirische Schulforschung sollte deshalb in einer Verknuumlpfung von empirisch-analytischer Forschung und Praxisforschung betrieben werdenldquo (Till-mann 2016 S 4)

24 Institutionelle Traumlger und Rollen eines Praxistransfers

Unbeschadet der Frage welcher Herangehensweise beim Wissenstransfer der Vor-zug zu geben ist bedarf es einer gesonderten Betrachtung wer die Traumlger eines Praxistransfer sind bzw sein sollen und wie sich eine entsprechende Versteti-gung und Institutionalisierung herbeifuumlhren laumlsst Auff allend ist dass es trotz der Bedeutung die dem Wissenstransfer inzwischen beigemessen wird keine Foren und Agenturen gibt die in systematischer Weise sich mit einem Transfer befas-sen Nach wie vor handelt es sich um singulaumlre und thematisch eingegrenzte Ver-anstaltungen

Haumlufi g wurden und werden sie von landesweiten Bildungseinrichtungen (vor-wiegend von Landesinstituten fuumlr Lehrerfortbildung Bildungsplanung oder Qua-litaumltsentwicklung) durchgefuumlhrt Auch verschiedene Stift ungen bemuumlhen sich ndash teilweise schon seit vielen Jahren ndash darum Forschungserkenntnisse zu bildungs-politisch aktuellen Th emen verschiedenen Praxiszusammenhaumlngen naumlher zu brin-gen Aumlhnliches gilt auch fuumlr verschiedene Verbaumlnde Allerdings orientieren sich diese in der Regel interessenbezogen an ihren Verbandsanliegen Auch wissen-schaft liche Einrichtungen wie die Institute fuumlr Schulentwicklungsforschung in

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 21

Dortmund oder in Klagenfurt das IPN oder das DIPF (beispielsweise das Projekt bdquowissenschaft praxis ndash Was ist guter Unterrichtldquo) widmen sich der Transferfrage in juumlngster Zeit auch die KMK und das BMBF So hat die KMK ihre bdquoGesamtstra-tegieldquo um einen Schwerpunkt ergaumlnzt um zu mehr bdquoanwendungsbezogenes Wis-sen fuumlr Bildungspolitik und Bildungspraxisldquo zu gelangen das nicht nur beschrei-ben sondern auch erklaumlren koumlnnen soll (Kultusministerkonferenz (KMK) 2015 S 17 f) Auch die vom BMBF initiierten Forschungsprojekte lassen sich diesem Zielhorizont zurechnen

Einen gesonderten Stellenwert im Bemuumlhen um Wissenstransfer nehmen Ein-richtungen ein die sich teilweise schon seit vielen Jahren mit einem Wissen-schaft s-Praxis-Dialog befassen z B der bereits seit 1985 bestehende bdquoArbeitskreis Qualitaumlt von Schuleldquo die Arbeitsgruppe Schulqualitaumlt in der DGBV das Netzwerk bdquoSchulentwicklungldquo der bdquoNordverbund Begleitforschungldquo oder die wissenschaft -lichen Einrichtungen der Bielefelder Versuchsschulen Auch die GFPF laumlsst sich diesem Kreis zurechnen

Letztendlich sind es viele Einrichtungen die sich mit dem Anliegen Wissens-transfer befassen Allerdings ist fuumlr sie festzustellen dass sie entweder thematisch oder methodisch eingegrenzt ausgerichtet sind oder in ihren Aktivitaumlten den Dia-log Wissenschaft ndash Praxis nicht kontinuierlich oder verbindlich verfolgen Ferner sind sie ihren eigenen Anliegen verpfl ichtet und fokussieren die Arbeit auf ihre je-weiligen Schwerpunkte und Aufgaben

Verkuumlrzt gesagt orientiert sich Bildungsforschung in erster Linie an wissen-schaft lichem Erkenntnisgewinn und an damit verbundenen Entwicklungs- und Karrierenotwendigkeiten Fuumlr eine Ausrichtung auf eine praxisverstaumlndliche Ver-mittlung von Befunden fehlen deshalb im Regelfall die erforderliche Zeit aber auch praxisorientierte Kenntnisse hinsichtlich der Untersuchungsthemen und der Handlungsfelder Vor diesem Hintergrund ist es verstaumlndlich dass dort wo Wis-senstransfer stattfi ndet er in erster Linie auf eine Vermittlung von Forschungs-ergebnissen ausgelegt ist und weniger eine Verstaumlndigung oder gar einen Dialog mit der Praxis intendiert

Bildungsverwaltungen (einschlieszliglich Landesinstitute) sind politisch und ad-ministrativ vorgegebenen Handlungszusammenhaumlngen verpfl ichtet Sie orientie-ren sich vorrangig an bestimmte operative Regelaufgaben (z B Lehrerfortbildung) sowie an aktuelle strategische Zielsetzungen der Bildungsplanung und Schulent-wicklung (z B Umgang mit Heterogenitaumlt Ganztagsbeschulung oder Inklusion) Fuumlr eine systematische Beobachtung der Schul- und Unterrichtsforschung und eine Aufarbeitung des aktuellen Erkenntnisstandes im Hinblick auf praktische Konsequenzen sind solche Einrichtungen im Regelfall nicht ausgelegt Allerdings wurde in den letzten Jahren mit einer bdquosystematischenldquo Erfassung der Problem-konstellationen und des entsprechenden Handlungsbedarfs in den verschiedenen Praxisfeldern des Schulwesens begonnen (siehe v a IQB-Laumlndervergleiche Schul-inspektionen und Vergleichsarbeiten) An dieses Potenzial koumlnnte angeknuumlpft werden um einen systematischen Praxistransfer zu initiieren

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 22

Demgegenuumlber ist Bildungspraxis zunaumlchst einmal wenig auf wissenschaft li-che Erkenntnisse und administrative Regelaufgaben ausgerichtet Sie folgt ihren eigenen Handlungserfordernissen und konzentriert sich auf unterrichtliches Han-deln und auf die Sicherung der Primaumlrprozesse auf der Mesoebene des Schulwe-sens (organisatorische und paumldagogische Maszlignahmen auf der Schulebene) Ihr Erkenntnisbedarf ist auf die Bewaumlltigung des schulischen Alltags ausgerichtet Re-formmaszlignahmen Verbesserungsvorschlaumlge und Handlungsempfehlungen fi n-den im Regelfall nur so weit Beachtung soweit sie Loumlsungen von Alltagsproble-men erkennen lassen oder spuumlrbare Entlastungen versprechen Teilweise ist auch ein Bemuumlhen um Praxisverbesserungen zu beobachten dass von einem berufs-ethischen oder gesellschaft spolitisch-paumldagogischen Anliegen getragen wird Al-lerdings duumlrft en selbst diese Lehrpersonen die von einem solchen Anliegen ge-tragen sind nur im Einzelfall an einem Wissenschaft s-Praxis-Dialog interessiert sein am ehesten noch Lehrpersonen in schulischen Leitungsfunktionen Vielmehr duumlrft e dieser Personenkreis vorrangig an konkrete Praxishilfen durch Lehrerfort-bildung und Schulberatung oder durch Handreichungen in Form von Praxisbei-traumlgen oder Leitfaumlden interessiert sein

Insofern ist davon auszugehen dass sich der Transfer wissenschaft licher Er-kenntnisse weniger auf die Lehrerinnen und Lehrer ndash als bdquoEndabnehmerldquo ndash bezieht vielmehr auf solche Personengruppen die in der Lage sind For-schungsergebnisse aufzunehmen und produktiv zu verarbeiten (sozusagen zu bdquore-kontextualisierenldquo) sowie Handlungsperspektiven im Medium der Praxis aufzu-zeigen und zwar im Sinne der erwaumlhnten bdquoPraxistheorienldquo (vgl Abschnitt 22) Solche bdquoMittlerldquo bzw bdquoUumlbersetzerldquo im Praxistransfer der Schul- und Unterrichts-forschung duumlrft en am ehesten in der Schulpaumldagogik Fach- und Allgemeinen Di-daktik sowie in Landesinstituten anzutreff en sein sei es in der zweiten Phase der Lehrerausbildung in der Lehrerfortbildung in der Schul- und Fachberatung bei Supervision und Coaching oder auch in der Bereitstellung von Praxishilfen in Form von Printmedien (z B Leitfaumlden fuumlr die Arbeit mit Bildungsstandards oder fuumlr den Umgang mit heterogenen Lerngruppen)

Wuumlrden die bdquoMittlerldquo und bdquoUumlbersetzerldquo in den genannten Handlungsfel-dern diese Herausforderung annehmen dann stellt sich die Frage nach geeigne-ten bdquoVerkehrsformenldquo fuumlr den Praxistransfer Auf welche Art und Weise wuumlrden die am Transfer interessierten Personen und Institutionen aus Bildungsforschung Bildungsverwaltung und Bildungspraxis zum Dialog uumlber Forschungserkenntnisse und Praxisbedarf zusammenfi nden Hier besteht noch Klaumlrungsbedarf Ein Einstieg in diese Diskussion koumlnnte auf den naumlchsten EMSE-Tagungen erfolgen auch wenn in dem Netzwerk nicht alle relevanten Gespraumlchspartner bislang ver-treten sind

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 23

3 Problem- und Fragestellungen bei der Initiierung des Praxistransfers

Zunaumlchst waumlre zu klaumlren inwieweit die in Abschnitt 1 skizzierte Problembeschrei-bung zutreff end ist und welche Handlungsperspektiven daraus abzuleiten sind Bei den denkbaren Kontroversen uumlber die geeigneten Herangehensweisen duumlrf-te wohl die in Abschnitt 21 vorgeschlagene bdquoAneignungsformldquo eines Dialogs un-strittig sein Insofern koumlnnte eine entsprechende Verstaumlndigung den Ausgangs-punkt fuumlr das Vorhaben bilden Die entsprechenden Leitfragen muumlssten sich dann auf die angesprochenen Inhalts- Form- und Anwendungsaspekte beziehen Da-bei waumlre die Diskussion daruumlber nicht abstrakt vielmehr anhand verschiedener Gegenstandsbereiche zu fuumlhren Deshalb werden die am Netzwerk beteiligten Landesinstitute und wissenschaft liche Einrichtungen gebeten gelungene Beispie-le fuumlr den Praxistransfer auf den EMSE-Tagungen vorzustellen beginnend bei der Salzburger Tagung

Eine davon unabhaumlngige Auseinandersetzung koumlnnte sich zu einem spaumlteren Zeitpunkt den in Abschnitt 22 angesprochenen bdquoPraxistheorienldquo widmen

Einen gesonderten Stellenwert nimmt die in Abschnitt 23 dargelegte bdquoPraxis-forschungldquo im Sinne einer Ergaumlnzung zur Grundlagenforschung ein Da sie bis-lang nur eine marginale Rolle in der oumlff entlichen Wahrnehmung der Schul- und Unterrichtsforschung spielt ginge es zunaumlchst darum ihre Vorgehensweise trans-parent und sichtbar zu machen und ihren moumlglichen Ertrag anhand von For-schungsbeispielen nachzuvollziehen (beispielsweise praxisorientierte Evaluations-studien oder Vorhaben der Begleitforschung)

Fuumlr die Initiierung der Diskussion zum Praxistransfer duumlrft en sich uumlber die dargestellten grundsaumltzlichen Aspekte hinaus zunaumlchst einmal einige Fragen auf-draumlngen die es bei der Salzburger Tagung zu diskutieren gilt

(1) Zur aktuellen Situation des Wissenstransfers Wie zutreff end wird die in der vorliegenden Problemskizze dargelegte Sach-

standsbeschreibung eingeschaumltzt

(2) Zielsetzungen und Aufgaben des Praxistransfers Wie folgerichtig sind die skizzierten Handlungsperspektiven Fehlen wesentli-

che Perspektiven bzw Aspekte Muumlsste die Netzwerk-Arbeit zum Praxistrans-fer hinsichtlich Zielsetzungen und Th emen eingegrenzt werden Worauf sollte ndash zunaumlchst spaumlter ndash der Fokus gelegt werden

(3) Traumlger und Rollen eines Transfers Sind an dem Vorhaben der EMSE die relevanten Einrichtungen beteiligt

Fehlen wichtige Partner (etwa aus dem Bereich der Grundlagenforschung) Muumlssten weitere Institutionen bzw Bezugsgruppen einbezogen werden Koumln-nen die Landesinstitute fuumlr Bildungsplanung Qualitaumltsentwicklung und Leh-

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 24

rerfortbildung in den Bundeslaumlndern die angesprochene bdquoSchnittstellenfunk-tionldquo fuumlr den Praxistransfer uumlbernehmen Oder ist das unrealistisch Gibt es geeignetere Einrichtungen Wie waumlre die Koordination der Transferarbeit zu gestalten Ist das EMSE-Netzwerk uumlberhaupt die richtige bdquoAgenturldquo fuumlr eine Konzeptualisierung des Praxistransfers Welche Einrichtung(en) waumlre(n) die Alternative

(4) Wissenschaft liche Fundierung des Ansatzes Welche grundlegenden Erkenntnisse zum Wissenstransfer gibt es Welche

theoretischen Arbeiten werden fuumlr eine wissenschaft liche Fundierung benouml-tigt Anhand welcher Merkmalsdimensionen laumlsst sich das Verhaumlltnis von Grundlagenforschung und Anwendungs- bzw Praxisforschung bestimmen z B anhand der Dimensionen bdquoNutzungsartldquo und bdquosozialer Produktionsmo-dusldquo nach dem Modell von Gibbons et al (1994) (Beywl et al 2016)

(5) Relevante Th emen und Inhalte des Praxistransfers Welches Wissen brauchen politische und administrative Entscheidungstrauml-

ger Welches Wissen brauchen Expertinnen und Experten in der Schulauf-sicht praxisorientierten Lehrerausbildung Bildungsplanung Schulentwick-lung Fach- und Schulberatung Coaching und Supervision Welches Wissen brauchen schulisches Leitungspersonal Lehrerinnen und Lehrer Schuumllerinnen und Schuumller

(6) Geeignete Formen und Anwendungsweisen des Transfers Was sind erfolgreiche Strategien fuumlr bdquoanschlussfaumlhigesldquo Wissen Wie sehen er-

tragreiche Vermittlungs- und Beratungskonstellationen aus (z B bei der Poli-tikberatung) Wie werden Forschungsergebnisse in der Praxis verarbeitet und genutzt Welche erfolgreichen Hilfen bei der Umsetzung oder Anwendung von Maszlignahmen gibt es (z B in praxisorientierten Seminaren zum kompetenz-orientierten Unter richt oder fuumlr Lernverlaufsdiagnosen)

(7) Institutionalisierung des Praxistransfers Wie laumlsst sich der Praxistransfer institutionell absichern Welche fi nanziellen

Unter stuumltzungsmoumlglichkeiten gibt es

Diese Fragenliste ist fuumlr die Initiierung einer Diskussion uumlber den Praxistransfer gedacht Sie bedarf sicherlich noch der weiteren Ausarbeitung und Ergaumlnzung

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 25

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Herbert Altrichter

Transfer ist Arbeit und Lernen

Die Transfer-Hoff nung

Anlaumlsslich einer Tagung des Netzwerks bdquoEmpiriegestuumltzte Schulentwicklungldquo zum Th ema bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelin-genldquo haben Steff ens Heinrich und Dobbelstein (2016) eine Analyse vorgelegt die im Wesentlichen besagt Die Erwartungen im Hinblick auf die Nutzung von wissenschaft -lichem Wissen in der Praxis die ein wichtiges Element des Programms bdquoevidenzba-sierter Schulentwicklung und Bildungspolitikldquo1 war haben sich nicht in der erhofft en Weise erfuumlllt Ein Kernelement dieses Programms ist eine Idee der bdquoRationalisierung praktischer Taumltigkeitldquo durch die Verwendung des besten Wissens der empirischen Bil-dungsforschung in der schulischen Praxis Diese Verwendung besten Wissens kann man sich gegenwaumlrtig in zwei idealtypischen Modi vorstellen (1) als bdquoallgemeiner Ruumlckgriff auf wissenschaft liches Wissenldquo Programme und praktisches Handeln von (individuellen und sozialen) Akteuren im Bildungswesen sollten auf der Basis wissen-schaft lichen Wissens entwickelt werden und durch dieses begruumlndet sein (2) als Bin-dung von Entwicklung an die Ergebnisse speziell fuumlr diesen Zweck entwickelter bdquoevi-denzbasierter Steuerungsinstrumenteldquo Entscheidungen uumlber die Weiterentwicklung dieser Programme und Praktiken sollten auf der Basis jener hochqualitativen Ruumlck-meldungen uumlber Systemtaumltigkeit und -leistungen fallen die durch die neuen Monito-ring- und Evaluationsinstrumente erbracht werden die im Zuge evidenzbasierter Re-formen aufgebaut wurden

Die prominentesten dieser bdquoneuen Instrumente evidenzbasierter Bildungspolitik und Schulentwicklungldquo sind in den deutschsprachigen Laumlndern bdquoBildungsstandards und vergleichende Leistungstestsldquo (Altrichter amp Gamsjaumlger 2017) sowie bdquoneue Schul-inspektionenldquo (Altrichter amp Kemethofer 2016) Sie funktionieren nach einer vergleich-baren Logik (Altrichter amp Maag Merki 2016 21 ff ) Prozess- und Leistungsziele fuumlr schulische Taumltigkeit werden (als Bildungsstandards oder Qualitaumltsrahmen von Ins-pektionen) aufgestellt und klar an die Akteure kommuniziert Die bestehende Praxis wird laufend (durch Lernstandserhebungen oder Inspektionsteams) beobachtet und

1 Sowohl bei Kritikerinnen und Kritikern als auch bei Proponentinnen und Proponenten fi ndet sich in letzter Zeit haumlufi g das Argument dass Reformen und Praktiken die unter der Marke der Evidenzbasierung auft reten dem Anspruch der Fundierung in Forschungsevidenz nicht voll genuumlgen und daher anders benannt werden sollten (Bellmann 2016) Dessen ungeachtet wird auf der Ebene der Reformpolitiken auf die sich diese Analyse bezieht weiterhin mit diesem Label gearbeitet

Herbert Altrichter 28

die Erreichung vorgegebener Ziele wird festgestellt Die Ruumlckmeldung dieser Informa-tionen soll die jeweiligen praktischen Akteure (von der Bildungspolitik bis zur Lehr-person im Unterricht und vielleicht sogar die Lernenden in den Klassenzimmern) zu Ist-Soll-Vergleichen anregen die sie fuumlr die Weiterentwicklung ihrer Praxis sowohl motivieren als auch orientieren (d h in die richtige Richtung weisen)

1 Wissensverwendung

Bei der Frage nach dem bdquoTransferldquo handelt es sich um die aktuelle Version eines Pro-blems das die Entwicklung der Wissenschaft schon lange Zeit begleitet Es wurde und wird in der Paumldagogik als Th eorie-Praxis-Problem diskutiert aber auch in anderen Sozialwissenschaft en thematisiert In den 1980er Jahren richtete die DFG ein breit an-gelegtes Forschungsprogramm ein das die gesellschaft liche Verwendung sozialwis-senschaft licher Ergebnisse untersuchen sollte (Beck amp Bonszlig 1989 Altrichter Kan-nonier-Finster amp Ziegler 2005) und letztlich bei folgendem Konzept der Aufnahme wissenschaft lichen Wissens in Praxissystemen anlangte Die Nutzung wissenschaft li-chen Wissens im Praxissystem erfordert eine aktive Veraumlnderung dieses Wissens im Sinne der Logik des Praxissystems durch die dort Handelnden

Das Argument von Beck und Bonszlig (1989) bricht mit dem Bild der bdquoAnwendungldquo wissenschaft lichen Wissens und betont die Eigengesetzlichkeit des Aneignungsprozes-ses im Sinn einer Transformation oder Reinterpretation Das bdquoNebeneinanderldquo von Th eorie und Praxis wird einerseits als ein Verhaumlltnis relativer Autonomie der sozialen Systeme Wissenschaft und Praxis verstanden Und andererseits sind die Beziehungen zwischen diesen Systemen nicht nur als einfache Transaktionen sondern als komple-xe Transformationsprozesse zu beschreiben Der Austausch zwischen diesen Systemen verlaumluft nicht automatisch nicht durch einfache Ab- und Anleitungen oder durch di-rekte Intervention von einem System ins andere sondern er stellt sich als bdquoechterldquo Prozess dar in dem aktiv Uumlbersetzungsarbeit geleistet wird Diese Uumlbersetzungsarbeit erfolgt nicht unproblematisch Transaktionen zwischen den beiden Systemen sind eben bdquoechteldquo Prozesse die erstens Einsatz und gesellschaft liche Arbeit von den Betei-ligten erfordern und in denen zweitens mit dem Ausgetauschten ndash in unserem Fall zu-naumlchst mit der bdquoTh eorieldquo ndash etwas geschieht

2 Modelle der Theorie-Praxis-Transformation

Wie wird Transfer aktuell im Bildungswesen gefoumlrdert Begriff e wie Steuerungswissen haben die Vorstellung nahe gelegt dass man bestimmte Wissensformen suchen muumls-se die praktische Nutzung stimulieren oder nach sich ziehen wuumlrden Natuumlrlich kann man wissenschaft liches Wissen dunkel oderund unzugaumlnglich formulieren Und doch scheint nicht in der Formulierung wissenschaft licher Ergebnisse das Hauptproblem der praktischen Nutzung von Wissen zu liegen Die Ergebnisse der Datenfeedback-forschung zeigen vielmehr dass es in der Zwischenzeit weithin gelungen ist die Er-

Transfer ist Arbeit und Lernen 29

gebnisse von Lernstandserhebungen so zu kommunizieren dass sie von der Mehrzahl der Lehrkraumlft e als verstaumlndlich eingeschaumltzt werden (Altrichter Moosbrugger amp Zu-ber 2016 253 f)

Das Hauptproblem der Datennutzung liegt vielmehr in der Gestaltung dieser kom-plexen Transformationsprozesse im Feld der Praxis Diese Transferprozesse sind Arbeit weil sie Zeit und Energie von den Beteiligten erfordern sie sind Lernen weil sie die Beteiligten und deren Handlungspraxis veraumlndern werden Welche Modelle fuumlr sol-ches berufl iche Lernen das die Rationalitaumlt paumldagogischer Berufstaumltigkeit erhoumlhen soll liegen vor

21 Unterrichts- und Schulentwicklung durch Datenfeedback

In den aktuellen Instrumenten evidenzbasierter Steuerung wird das wesentliche Mo-vens fuumlr Entwicklung in der Ruumlckmeldung von Daten (z B in Lernstandserhebungen oder durch Inspektionsberichte) gesehen Diese sollen bei den Akteuren Ist-Soll-Ver-gleiche bezuumlglich ihrer eigenen Praxis ausloumlsen Dabei auft retende Diskrepanzen zwi-schen den Zielen und dem real Erreichten sollen dann wieder Handlung motivieren und anzeigen in welche Richtung Verbesserungshandlungen gehen

Die Eff ekte von Datenfeedback auf die Unterrichtsentwicklung sind in deutsch-sprachigen Schulsystemen gut erforscht und werden als unbefriedigend angesehen (Maier amp Kuper 2012 Altrichter et al 2016) Lehrpersonen nehmen Datenruumlckmel-dungen seltener als erhofft als Anstoszlig fuumlr Veraumlnderungen in ihrem Unterricht und wenn sie dies tun dann umfasst die Unterrichtsentwicklung eher maszligvolle Anpassun-gen denn grundlegende Veraumlnderungen Warum ist dies der Fall

Interpersonelles Feedback ist relativ gut erforscht Metaanalysen (Kluger amp DeNi-si 1996 Hattie amp Timperley 2007) zeigen dass Feedback einen positiven Eff ekt auf die Leistung haben kann aber nicht unter allen Umstaumlnden Off enbar haumlngt die Wirk-samkeit von Feedback fuumlr nachfolgende Handlungen von bestimmten Merkmalen des Feedbacks sowie der Rezeptions- und Nutzungssituation ab (Altrichter et al 2016 263 ff ) Viele schulische Datenfeedback-Modelle scheinen einige dieser Bedingungen fuumlr die Wirksamkeit von Ruumlckmeldungen nicht zu erfuumlllen (Visscher amp Coe 2002 247 ff ) Sie bieten meist keine spezifi schen Cues die die Aufmerksamkeit auf den wei-teren Entwicklungsprozess und Verbesserungsmoumlglichkeiten lenken sondern haumlufi g Vergleiche mit anderen Schulen oder anderen Vergleichsgruppen die oft bdquoSelbstwertldquo bezogen interpretiert werden Sie stellen ihren Nutzerinnen und Nutzern meist sehr komplexe Aufgaben und koumlnnen eine Selbstwertbedrohung enthalten wenn sie Teil eines konsequenzenreichen Accountability-Systems sind

Die Idee dass Lehrpersonen Feedback uumlber Schuumllerleistungen zur Unterrichtsent-wicklung verwenden basiert auf einem unuumlblichen Verstaumlndnis von Feedback Lehr-personen erhalten Feedback uumlber die Leistungen anderer Personen und sollen daraus Schluumlsse fuumlr ihr eigenes Verhalten ziehen Externe oft als Kontrolle verstandene Me-chanismen sollen interne Operationen ausloumlsen Schuumllerinnen ndash oder (z B bei der Teaminspektion) die Schule ndash werden evaluiert einzelne Lehrerinnen sollen handeln

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(OrsquoDay 2004) Tatsaumlchlich zeigte sich bei Schneewind (2007 S 229) und auch Schild-kamp amp Ehren (2012) dass die befragten Lehrpersonen haumlufi g die Sichtweise ver-treten bdquodie Tests haben die Leistung der Kinder getestet und nicht die Leistung der Lehrerinnen Daher bieten ndash in der Wahrnehmung der Lehrerinnen ndash die Ruumlckmel-dungen nur Informationen uumlber die Schuumllerinnen und Schuumller an nicht jedoch uumlber das paumldagogische Handeln der Lehrerinldquo Ihre Konsequenz besteht daher allenfalls in Individualfoumlrderung nicht jedoch in Unterrichtsentwicklung

Die Staumlrke des Feedback-Modells liegt im Bereich der adaptiven Verhaltensan-passung es ist eher fuumlr Faumllle geeignet in denen die Faumlhigkeiten in einer bestimmten Weise zu handeln an sich da sind aber fuumlr spezifi sche Situationen adaptiert werden muumlssen Wenn die durch die Bildungsstandards-Politik nahe gelegte bdquoKompetenz-orientierungldquo aber tatsaumlchlich eine unterrichtspraktische Revolution ist wie von der Bildungspolitik oft behauptet dann ist zu erwarten dass alternative didaktische Prak-tiken im Repertoire von Lehrpersonen in sehr unterschiedlichem Maszlige vorhanden sind um neues Verhalten angesichts von Datenfeedback zu produzieren (Dubs 2006)

Die durch Datenfeedback bereitgestellten Informationen koumlnnen nicht einfach fuumlr die Unterrichtsentwicklung bdquoangewendetldquo werden sondern es bedarf eines aktiven Aneignungs- und Umwandlungsprozesses durch die Rezipientinnen und Rezipienten um Handlungskonsequenzen aus dem Datenfeedback zu erarbeiten Jeder Wissens-transfer erfordert eine bdquoTransformation des Wissensldquo die bdquoauf der Grundlage institu-tionell praumlformierter und im alltagspraktischen Gebrauch stabilisierter Deutungs- und Interpretationsmusterldquo geschieht (Kuper 2005 S 99)

22 Professionelles Lernen

Damit befi nden wir uns aber wieder in einem bdquoeinheimischenldquo Bereich Es geht um berufl iches Lernen von Lehrpersonen In den letzten Jahren hat die Fortbildungsfor-schung deutliche Fortschritte gemacht Wenn es um nachhaltiges Lernen von Lehr-personen geht dann werden meist die folgenden Qualitaumltsmerkmale von Fortbildung genannt (Lipowsky amp Rzejak 2014 Timperley Wilson Barrar amp Fung 2007 Lipow-sky 2004)

Qualitaumlt des Lernprozesses der Lehrpersonen Verbindung von Wissen Handeln und Refl exion Fortbildungssituationen muumlssen Lehrpersonen erlauben sich laumlngerfris-tig und in einer Vielfalt methodischer Settings mit berufl ichen Problemen ausein-anderzusetzen Diese Fortbildungsarrangements ermoumlglichen auch fremdes (wissen-schaft liches) eigenes (subjektives) Wissen und tatsaumlchliches Handeln in Verbindung zu bringen sowie grundlegende Uumlberzeugungen und eingespielte Handlungspraktiken kritisch zu hinterfragen

Bezug zum Unterricht Das Lernen der Schuumllerinnen in den Blick nehmen Solche Fortbildungssituationen haben einen klaren Bezug zur Unterrichtspraxis der Teilneh-merinnen daher oft einen fachdidaktischen Fokus auf ausgewaumlhlte Prozesse des Ler-nens und Lehrens sie erlauben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Feedback zu suchen und die Qualitaumlt und Wirksamkeit eigener Handlungspraxis zu refl ektieren

Transfer ist Arbeit und Lernen 31

Strukturelle Einbettung und Stimulierung koordinativer Beziehungen im System Sol-che Fortbildungen versuchen die (sich veraumlndernde) Taumltigkeit einzelner Lehrpersonen auf verschiedene Weise bdquosystemischldquo zu stuumltzen sie regen Kooperationen und Ver-netzungen an die uumlber die Fortbildungsveranstaltung hinausgehen sie ermutigen die Teilnahme mehrerer Lehrkraumlft e eines Standorts und arbeiten mit Schulleitungen an der Vorbereitung der Back-Home-Situation sie bieten externe Unterstuumltzung bei Um-setzung der Fortbildungsinhalte an der Schule

Wenn wissenschaft liche Ergebnisse fuumlr Unterrichtspraxis bdquonuumltzlichldquo werden sollen dann braucht es solche Settings laumlngerfristigen berufl ichen Lernens in denen Lehrper-sonen Impulse aus der Wissenschaft aufnehmen und zu eigenem Wissen und Hand-lungspraktiken transformieren koumlnnen Wie solche Fortbildungssituationen ausschau-en wissen wir Dafuumlr wie man sie praktisch organisieren kann gibt es durchaus praktische Beispiele (wie zB SINUS PFL oder Lesson Studies Krainer 2007) Dass man sie nicht oumlft er erleben kann haumlngt u a mit anderen Entwicklungen im Bildungs-wesen zusammen die solchen intensiven Lehrerfortbildungskursen entgegenzulaufen scheinen wie dem Versuch der Verminderung des Unterrichtsentfalls durch Lehrer-fortbildung oder dem Ausweichen auf kostenguumlnstige Fortbildungssettings

Ein solches Bild von Lehrerlernen impliziert aber auch dass Lernen nicht nur in distanzierten Fortbildungssettings geschieht sondern auch und nicht zuletzt im Be-ruf und in der professionellen Umgebung der eigenen Schule Die dienstrechtlichen und arbeitsorganisatorischen Bedingungen der Lehrerarbeit muumlssten in diesem Sin-ne auch dafuumlr sorgen dass Unterrichtsentwicklung (im Sinne der Vorbereitung eige-nen Unterrichts und der Refl exion von Unterrichtserfahrung) eben nicht nur indivi-duelle Aufgabe ist sondern ein institutionelles Merkmal der Lehrerarbeit die auch in der schulischen Arbeitsverteilung und Arbeitsorganisation zum Ausdruck kommt Das bedeutet dass im Arbeitsalltag auch Zeit fuumlr Refl exion und gemeinsame Entwick-lung vorgesehen werden muss die dann auch solche Dinge wie gemeinsame Curricu-lum-Entwicklung professionelle Lerngemeinschaft en oder Lesson Studies (Bonsen amp Frey 2014) erlauben wuumlrde

Schlieszliglich geschieht professionelles Lernen nicht nur in Fortbildungskursen und am eigenen Standort sondern fi ndet auch im Medium der Profession statt Eine lern-foumlrderliche Profession betreibt die Entwicklung eines Berufswissens betreibt Profes-sionsentwicklung schaumltzt die Ideen und Entwicklungen ihrer Mitglieder und schafft Foren in denen das Berufswissen kritisch hinterfragt und weiterentwickelt werden kann Es ist fraglich ob diese Aufgaben durch die bestehenden Lehrervereine und -or-ganisationen geleistet werden koumlnnen die oft stark auf die rechtlichen und oumlkono-mischen Bedingungen der Berufstaumltigkeit orientiert sind (was notwendig und wichtig ist) aber dem Berufswissen der Lehrpersonen und dessen Weiterentwicklung zu we-nig Aufmerksamkeit schenken

Herbert Altrichter 32

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Rick Mintrop

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss

Man kann die Schulentwicklung der letzten drei Dekaden unter dem Blickwinkel zweier miteinander in Spannung stehender Dynamiken begreifen Da ist auf der einen Seite eine Dynamik von auszligen nach innen hervorgerufen durch den Druck von Ac-countability-Systemen nationalen Tests Inspektionen und anderen Maszlignahmen der Qualitaumltssicherung Demgegenuumlber steht eine Dynamik von innen nach auszligen in der Schulen sich als autonome Lerngemeinschaft en organisieren sollen die aktiv nach neuen Loumlsungen fuumlr Leistungsschwaumlchen suchen sollen Beide Dynamiken sind in ihrer Implementierung auf Widerstaumlnde gestoszligen

Die Implementierungsmuster weisen nationale Besonderheiten auf aber Gemein-samkeiten sind erkennbar Inspektionsberichte und Datenruumlckmeldung von zentralen diagnostischen Tests oder Leistungstests haben sich als weit weniger durchschlagend fuumlr das Handeln der Lehrkraumlft e erwiesen als urspruumlnglich erwartet (vgl Brauckmann Th iel Kuper amp Tarkian 2015) Hoher Rechenschaft sdruck auf Schulen wie z B in den USA unter dem bdquoNo Child Left Behindldquo-System hatte allerdings groszlige Durch-schlagskraft aber nicht unbedingt so wie erwartet Lokale Schulaufsichten und Schu-len reagierten auf den Leistungsdruck indem sie sich auf die Suche nach den zweck-maumlszligigsten Unterrichtsstrategien begaben um die geforderten Testziele zu erreichen (Booher-Jennings 2005 Jacob 2005 Koretz 2005 Mintrop amp Sunderman 2009) Sie wurden in dieser Hinsicht unterstuumltzt von zahlreichen Non-Profi t-Organisationen die ihnen Programme Organisationsstrukturen und Beratung anboten (Coburn 2005 Honig 2004 Rowan 2002) Schulentwicklung gerierte sich unter diesen Umstaumlnden zu einem Wettlauf um die eff ektivste Kurzschlieszligung zwischen Unterricht und Tests (Achinstein amp Ogawa 2006 Daly 2009) anstatt zur Vertiefung des Schuumllerlernens beizutragen (Au 2007)

Die Umsetzung von autonom handelnden Lehrerlerngemeinschaft en innerhalb der Schulen traf auf andere Hindernisse Dort wo sie gut umgesetzt wurden zeigten sich positive Eff ekte (z B Talbert amp McLaughlin 1994 fuumlr die USA) Aber wie Forschun-gen zeigten sind Lehrerlerngemeinschaft en oft mals instabil (Louis amp Kruse 1995) ar-beiten oberfl aumlchlich (Little 1990) sind nicht wirklich autonom (Hargreaves 1994) und haben wenig Problemloumlsekapazitaumlten (Mintrop amp Charles 2017 Timperley amp Ro-binson 1998) fuumlr draumlngende aber schwierig zu loumlsende Probleme Wenn Schulen sich als autonom agierende Lerngemeinschaft en organisieren kommen ihnen klare inter-ne Strukturen und Leitfaumlden fuumlr Refl exion und Erkundung zugute (Blankstein 2013 Horn amp Little 2010 Schmoker 1999) die aber oft mals fehlen

Rick Mintrop 36

Designbasierte Schulentwicklung koumlnnte ein Weg sein die beschriebenen Maumlngel zu beheben Designbasierte Schulentwicklung beharrt auf authentischen lokalen oder schulspezifi schen Problemlagen gegenuumlber einer uumlberhandnehmenden Dynamik des bdquoVon auszligen nach innenldquo Die Logik des designbasierten Problemloumlsens strukturiert in-terne Denkprozesse sucht nach externen Innovationen von innen heraus und beglei-tet die Suche nach Loumlsungen mit Daten

1 Die Logik der designbasierten Schulentwicklung

Der Begriff Design wird oft mit schoumlnen und funktional bestechenden Objekten asso-ziiert die von Mode Kunst oder Architektur geschaff en werden Aber Veraumlnderungs-prozesse in Organisationen wie auch Unterrichtsstunden oder -einheiten koumlnnen auch als Design betrachtet werden Diese Art von Design besteht aus einer Abfol-ge von Lernschritten oder -moumlglichkeiten die in einem iterativen Versuch-und-Irr-tum-Verfahren entdeckt und kreiert werden Versuch und Irrtum ergeben sich jedoch nicht willkuumlrlich sondern erfolgen aus einer Handlungstheorie (theory of action) die auf der Basis von Bedarfsanalysen und wissenschaft lichen und praktischen Erkennt-nissen gebildet wird

Designbasierte Schulentwicklung gruumlndet sich auf zwei verschiedenen konzeptio-nellen Traditionslinien Eine kommt aus den kognitiven und Unterrichtswissenschaf-ten die andere aus dem Organisationsmanagement In den Unterrichtswissenschaf-ten werden Designexperimente durchgefuumlhrt um herauszufi nden welche Mischung aus Materialien Technologie Aufgaben Methoden Lernklima und Kontextbedingun-gen Lernprozesse in den verschiedensten Wissensgebieten voranbringen (Burkhardt amp Schoenfeld 2003 Cobb Confrey diSessa Lehrer amp Schauble 2003) Dementspre-chend laufen Designexperimente immer auf mehreren Ebenen ab (z B Artefakte pauml-dagogisches Handeln im Klassenraum Organisationskontext) Sie sind angelegt um eingangs gebildete theoriegeleitete Hypothesen oder Annahmen zu testen aber sie ge-winnen auch Einsichten aus unvorhergesehenen Abweichungen und Stoumlrungen (Cobb et al 2003)

Organisationsmanagement die zweite Quelle der designbasierten Schulentwicklung ist aumlhnlich wie die Unterrichtswissenschaft en darauf aus systematisch Innovationen im Produktions- oder Organisationsablauf zu testen und Schritt fuumlr Schritt zu verbes-sern Management-Guru W Edward Deming (1994) entwarf ein Konzept der konti-nuierlichen Qualitaumltsverbesserung In diesem Verfahren werden komplexe Organisa-tionsablaumlufe in Teileinheiten zerlegt sodass bestimmte Praktiken der Mitglieder einer Organisation zum Vorschein kommen und systematisch verbessert werden koumlnnen In einem sogenannten PDSA-Zyklus (Planen Durchspielen Studieren Anwenden) wer-den Ideen fuumlr kleinschrittige Verbesserungen entwickelt und in Versuchen getestet Resultate werden interpretiert Neuerungen werden gegebenenfalls nochmals verfei-nert oder bei guten Resultaten auf weitere Bereiche ausgeweitet Der Zeitrahmen fuumlr

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 37

Veraumlnderungsprozesse muss uumlberschaubar sein und sollte in der Regel nicht uumlber ein Halbjahr hinausgehen

Der Designprozess ist kreativ Er ist geleitet von Th eorie und Forschung auf spezifi -sche Kontexte zugeschnitten auf Endbenutzer konzentriert partnerschaft lich entwi-ckelt und letztlich vorangetrieben durch messbare Resultate Im Designprozess geht es nicht um Druck oder die Uumlberwindung von Widerstaumlnden vonseiten der Endbenut-zer wie so haumlufi g wenn externe Loumlsungen oder Programme internen Akteuren uumlber-gestuumllpt werden sondern es geht um die Befriedigung von Beduumlrfnissen und das We-cken vorhandener oder latenter Motivationen (Brown 2009 Kelley amp Kelley 2013) In der Loumlsung draumlngender komplexer praktischer Probleme spielen Intuitionen Er-fahrungen Spontaneitaumlt und Imagination ebenso eine Rolle wie Analyse Technik und empirische Verifi zierung (Schoumln 1983) Brown (2009) spricht von einem dritten Weg zwischen Rationalitaumlt und Intuition Kelley und Kelley (2013) fordern dass der De-signprozess zu Ideen fuumlr neue Produkte oder Organisationsablaumlufe fuumlhren soll die so-wohl emotional bedeutsam aber auch funktional sind Dies ist nur moumlglich wenn Designerinnen und Designer und Endbenutzerinnen und Endbenutzer eng in einer Ko-Design-Partnerschaft zusammenarbeiten

11 Handlungstheorien

Wie bereits erwaumlhnt geht im Designprozess der Phase des Protoyping die Formulie-rung einer Handlungstheorie voraus In der Handlungstheorie verknuumlpfen Designer ihre Leidenschaft en Werte und Intentionen mit ihrem Verstaumlndnis des Problems und ihrem Wissen uumlber eff ektive Veraumlnderungsprozesse (Argyris amp Schoumln 1996) Eine Handlungstheorie entsteht in folgenden Teilschritten Designerinnen und Designer bull identifi zieren defi nieren und rahmen ein klar umrissenes praktisches Problembull fuumlhren erste Bedarfsanalysen durchbull formulieren ein Ziel und spezifi zieren beobachtbare problematische (Punkt A) und

neue erwuumlnschte Praktiken (Punkt B) bull greifen Aspekte des praktischen Problems heraus uumlber die Schulen Einfl uss habenbull machen ihre intuitive Handlungstheorie d h ihr Verstaumlndnis wie man von A nach

B kommt explizit und hinterfragen es im Hinblick auf Th eorien und professionel-les Wissen

bull vertiefen ihr Verstaumlndnis des Problems indem sie Symptome und Kausalitaumlten er-kennen und off enlegen

bull konzipieren einen Veraumlnderungsprozess der von psychologisch eindringlichen und technisch realisierbaren Triebkraumlft en oder Treibern der Veraumlnderung (change dri-vers) getragen wird

bull planen eine Intervention in den normalen Fluss des Arbeitsalltags d h eine Abfol-ge von Aktivitaumlten durch die hindurch die Treiber der Veraumlnderung wirken koumln-nen

Rick Mintrop 38

12 Problemloumlsen

Der Kern der designbasierten Schulentwicklung ist Problemloumlsen Erfahrene Problem-loumlser koumlnnen sich ein Problem vorstellen das mental durch vier Eckpunkte struktu-riert ist die problematischen Uumlberzeugungen Einstellungen oder Verhaltensweisen zu Beginn des Veraumlnderungsprozesses die erwuumlnschten Praktiken am Ende des Veraumlnde-rungsprozesses der sich im uumlberschaubaren Zeitrahmen abspielen sollte das Zusam-menspiel von einsetzbaren Faktoren oder Variablen die eine Rolle im Hinblick auf die fokussierten Praktiken potenziell einnehmen koumlnnen und die Wirkung von foumlrder-lichen und einschraumlnkenden Faktoren im Kontext der Organisation in der das Ver-aumlnderungsprojekt stattfi ndet (Argyris amp Schoumln 1996 S 3ndash30) Letzteres ist von her-ausragender Bedeutung da Schulprobleme anders als zum Beispiel Probleme in der Produktion von Autos sehr oft von der Gesellschaft als Ganzer ausgehen und es von daher besonders schwierig fuumlr Schulen ist ihre eigenen internen Einfl ussfaktoren auf das Problem zu erkennen

Die meisten Probleme die sich Entscheidungstraumlgern in Schulen und Schulsys-temen darstellen sind unstrukturiert d h sie beinhalten keine klaren Zuweisun-gen zwischen Problemwahrnehmung und einsetzbaren Triebkraumlft en der Veraumlnderung (Brenninkmeyer amp Spillane 2008 Copland 2000 Jonassen 2000 Timperley amp Rob-inson 1998) Deshalb muumlssen Designer das Problem erst klar defi nieren um es einer Loumlsung zufuumlhren zu koumlnnen

Im Defi nieren und Rahmen eines Problems hat sich die Unterscheidung zwischen Problemen fuumlr Praxis und Problemen von Praxis oder zwischen Praxisproblemen und praktischen Problemen als nuumltzlich erwiesen Ein Problem fuumlr Praxis oder ein Praxis-problem ist es zum Beispiel das Schulklima zu verbessern das Leistungsgefaumllle zwi-schen Schuumllergruppen in einer Schule zu vermindern oder Schuumllerinnen fuumlr Lernstoff zu motivieren Was ein Problem fuumlr Praxis in eines von Praxis oder in ein praktisches Problem verwandelt ist die Benennung von diskreten Praktiken oft getragen von be-stimmten Uumlberzeugungen Einstellungen und Verhaltensweisen die veraumlndert werden sollten So koumlnnte man genauer im Hinblick auf Klima fragen was genau in den Prak-tiken auf Lehrerseite kulturell-nichtdominante Schuumllergruppen in ihrem Urteil bekraumlf-tigt dass sie nicht bdquodazugehoumlrenldquo oder im Hinblick auf Leistungsgefaumllle was genau Lehrerinnen tun um zuruumlckgebliebene Schuumllerinnen wieder an den Lernstoff des Klassendurchschnitts heranzufuumlhren oder wie viele Unterrichtsstunden mit einer Mo-tivationsphase beginnen in der sich Lehrerinnen bemuumlhen Interesse bei den Schuumlle-rinnen und Schuumllern fuumlr den Lernstoff zu gewinnen

13 Schnelles Denken ndash langsames Denken

Die menschliche Vorstellungskraft in einer Problemloumlsesituation ist notwendigerwei-se begrenzt (Simon 1997) Intuitionen eilen dort zur Hilfe wo Analyse und Ratio-nalitaumlt an ihre Grenzen stoszligen Der Wirtschaft spsychologe Kahneman (2011) unter-scheidet zwischen zwei Denkweisen einer schnellen in der Spontaneitaumlt Leichtigkeit

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 39

aber auch Bequemlichkeit vorherrschen und einer langsamen in der formale Re-geln Logik und Evidenz primaumlr sind Intuitionen verlassen sich auf unscharfe Asso-ziationen und Heuristiken die quasiautomatischen und unbewussten Charakter ha-ben und den Entscheidungsprozess abkuumlrzen Eine bestimmte Heuristik ist haumlufi g in der Schulentwicklung anzutreff en Wenn im Zweifel kann eine Fortbildung zum Th e-ma nicht schaden In Schulen in denen unzaumlhlige Entscheidungen in schneller Abfol-ge getroff en werden muumlssen (Lunenburg 2010) ist schnelles Denken eine Notwen-digkeit Schnelligkeit hat aber auch Nachteile Heuristisches Denken hat die Tendenz nach Analogien zu gesicherten Erfahrungen oder frischen Erlebnissen zu suchen die mit Leichtigkeit abgerufen werden koumlnnen d h sich darauf zu verlassen bdquowie wir es schon immer gemacht habenldquo oder bdquowie wir es unlaumlngst entschieden hattenldquo (Davis amp Davis 2003)

Designing braucht beides schnelles und langsames Denken Im langsamen Den-ken konfrontieren Designerinnen ihr explizites professionelles Wissen und die Evi-denz von spezifi schen Bedarfen in ihrer Organisation mit ihren Intuitionen und Heu-ristiken (Nieveen McKenney amp van den Akker 2006 Richey amp Klein 2007)

14 Diagnose eines Problems

Um zu verstehen was in die Diagnose eines praktischen Problems eingeht kann eine Analogie zur medizinischen Profession nuumltzlich sein In der Diagnose einer Patien-tin oder eines Patienten beginnt eine Aumlrztin oder ein Arzt mit der Feststellung von Symptomen gefolgt von gezielten Tests Interpretation von Testresultaten in Verbin-dung mit theoretischem Wissen uumlber den menschlichen Koumlrper fuumlhrt zum Verstaumlnd-nis kausaler Funktionszusammenhaumlnge und abschlieszligender Diagnose Managerinnen oder Initiatorinnen und Initiatoren von organisationaler Veraumlnderung gehen aumlhnlich vor Sie sammeln Informationen uumlber Symptome eines Problems mit niedrig-inferen-ten Beobachtungen von Verhaltensweisen oder Erkundungen von Einstellungen und Uumlberzeugungen und analysieren dann mithilfe hoch-inferenter Interpretationen und theoretischer Modelle Kausalbedingungen die diese Symptome hervorrufen (Lotz Gabriel amp Lipowsky 2013 Spillane amp Coldren 2011 Spillane amp Miele 2007)

In der Logik der fortlaufenden Qualitaumltsentwicklung konzentriert sich die Ursa-chenanalyse auf Faktoren in der Organisation die die Managerinnen und Beschaumlft ig-ten innerhalb der Organisation beeinfl ussen koumlnnen wie z B Zeit Personal Wissen und Kompetenz Prozesse Material Ausstattung usw Aber in Bildungsorganisationen spielen natuumlrlich auch gesellschaft liche kulturelle und politische Faktoren eine groszlige Rolle die von Entscheidungstraumlgern auf Schul- oder Schulaufsichtsebene wenig beein-fl ussbar sind In jedem Fall ist eine gute Diagnose davon abhaumlngig inwieweit die De-signerinnen auf solides professionelles Wissen z B uumlber Paumldagogik Organisations-management oder Sozialpsychologie zuruumlckgreifen koumlnnen (Deal amp Peterson 2009 Hallinger amp Heck 1998 Honig 2012 Knapp Honig Plecki Portin amp Copland 2014)

Rick Mintrop 40

15 Treiber oder Triebkraumlfte der Veraumlnderung

In den meisten Faumlllen ist die Veraumlnderung von eingewoumlhnten Verhaltensweisen Ein-stellungen oder Uumlberzeugungen mit gezielter Aufmerksamkeit neuem Wissen neu-geweckter Motivation Ressourcen Zielen und Prioritaumlten verbunden die in Veraumln-derungsdesigns eingebaut werden sollten (Burke amp Litwin 1992 Fullan 2007) Nicht minder wichtig sind Erwartungen Normen Werte Rituale und Routinen Diese sind oft mals halbbewusst und helfen Akteuren implizit Gemeinsamkeiten unter sich her-zustellen besonders wenn ndash wie typischerweise in Bildungsorgansationen (Deal amp Pe-terson 2009) ndash widerspruumlchliche Ziele und Methoden vorherrschen Inmitten dieser Vieldeutigkeit entwickeln Schulen Organisationskulturen deren Bestand sehr hart-naumlckig sein kann Ein wichtiges Element von Organisationskulturen ist es dass sie den Beteiligten intern ein positives Selbstwertgefuumlhl vermitteln auch wenn die Organisa-tion von auszligen als Problemfall angesehen wird (Schein 2010)

Change drivers oder Treibkraumlft e der Veraumlnderung sind nicht gleichzusetzen mit Aktivitaumlten die sequentiell in einer geplanten Intervention ablaufen Sie sind die dy-namischen Kraumlft e die in Aktivitaumlten freigesetzt werden Externe Triebkraumlft e koumlnnen z B von der Marktkonkurrenz von neuen Technologien oder von Rechenschaft s- oder Anreizsystemen ausgehen Neue Regeln Organisationsablaumlufe Resourcen Pro-gramme Modelle sowie neues Wissen frische Verpfl ichtungen und kollektive Ab-machungen koumlnnen interne Treiber sein (Burke amp Litwin 1992 Huy 2001) Welche Treiber zum Tagen kommen haumlngt vom praktischen Problem ab das Gegenstand des Designs sein soll

16 Iteratives Vorgehen

Designbasierte Schulentwicklung ist nicht vonnoumlten fuumlr praktische Probleme fuumlr die schon gute Loumlsungen bekannt sind und bereitliegen Aber es gibt eine Vielzahl von draumlngenden schwer zu loumlsenden Problemen fuumlr die Loumlsungen erst entwickelt werden muumlssen Oft mals plagen sich viele Schulen in vergleichbarer Lage mit dieser Art von Problemen ab Unter diesen Umstaumlnden ist designbasierte Schulentwicklung als Betauml-tigungsfeld von Praxis und Forschung angezeigt (Plomp 2010 van den Akker 1999)

Designer folgen einem strukturierten Prozess von Planung Durchfuumlhrung und Evaluation von Interventionen der es erlaubt systematisch Daten zu sammeln Aber sie lassen auch notwendigerweise Raum fuumlr Fehltritte Ad-hoc-Anpassungen und Versuch und Irrtum (Cobb et al 2003 Plomp 2010) Zwei Arten von Daten werden gesammelt Prozess- und Wirkungsdaten Prozessdaten fangen wichtige Eckpunkte des Interventionsverlaufs ein z B wenn entscheidende Lernprozesse oder kritische Wen-depunkte stattfi nden Wirkungsdaten fangen Unterschiede in Verhaltensweisen Ein-stellungen oder Uumlberzeugungen im Vergleich zwischen dem Ausgangs- und Endpunkt einer Intervention ein Daten koumlnnen quantitativ oder qualitativ sein Wichtig ist dass die Datenerhebung praktisch durchfuumlhrbar ist d h in den Fluss der taumlglichen Arbeit eingebettet werden kann

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 41

2 Partnerschaften zwischen Praxis und Forschung

In der Logik von Schulentwicklung als designbasiertem Problemloumlsen werden prak-tische Probleme praumlzisiert Symptome in ihrer Kausalitaumlt verstanden und Veraumlnde-rungsprozesse im Hinblick auf wirkmaumlchtige Triebkraumlft e durchdacht die die Men-schen dazu bewegen sich zu veraumlndern Praktisch erhebbare summative Messgroumlszligen helfen den Designern zu erkennen ob ihre geplante Intervention in einem uumlberschau-baren Zeitrahmen zu befriedigenden Resultaten gefuumlhrt hat Formative Prozessdaten helfen Designern eine Verbindung zwischen Prozess und Ergebnis plausibel zu ma-chen

Man kann sich designbasierte Schulentwicklung in kleinerem oder groumlszligerem Maszlig-stab vorstellen In kleinem Maszligstab koumlnnte sich eine Einzelschule ihrer eigenen fort-laufenden Qualitaumltsentwicklung widmen indem sie im Prinzip von Versuch und Irr-tum aus den Iterationen gemeinsam lernt In groumlszligerem Maszligstab koumlnnten sich viele Schulen in einem Bezirk oder Bundesland zusammenschlieszligen und gemeinsam ein draumlngendes aber schwer zu loumlsendes praktisches Problem angehen Forscherinnen koumlnnten arbeitsteilig ihr Forschungswissen einbringen und Daten erheben Auf der Grundlage einer gemeinsamen Handlungstheorie oder systematisch voneinander ab-weichenden Handlungstheorien koumlnnten verschiedene Interventionen im Ko-De-sign-Verfahren mit Praktikern in den Schulen der Schulaufsicht oder in Schulent-wicklungsinstitutionen durchgefuumlhrt werden Gemeinsame Messgroumlszligen machen die Resultate uumlber viele Iterationen hinweg in den verschiedensten Kontexten vergleich-bar So entsteht ein Repertoire von wirksamen Aktivitaumlten und Designprinzipien wel-ches nicht nur die Frage beantworten kann was wirksam im Hinblick auf ein spezi-fi sches Problem sein kann sondern auch wie man von A nach B kommt unter den verschiedensten organisatorischen Bedingungen Letzteres ist vor allem wichtig fuumlr Schulen oder Schulbezirke die unter sozial und organisatorisch schwierigen Bedin-gungen Schulentwicklung zuwege bringen muumlssen

In den USA ist es vor allem die Carnegie-Stift ung unter deren Aumlgide sogenann-te networked improvement communities als Praxis-Forschungs-Partnerschaft en in grouml-szligerem Maszligstab gebildet worden sind (siehe carnegiefoundationorg) Sie arbeiten in der Regel zu einem groumlszligeren draumlngenden komplexen Problem fuumlr die Praxis das sich auf nationalem Maszligstab in vielen Organisationen gleichzeitig stellt Im Designpro-zess wird dieses groszlige draumlngende Problem in viele praktische Probleme zerlegt die in arbeitsteilig entwickelten Iterationen angegangen werden bis zufriedenstellende Re-sultate erreicht worden sind Ein anderes Designprojekt im groumlszligeren Maszligstab koumlnnte sich mit einem Problem befassen welches viele Schulen in einem Schulbezirk gemein-sam umtreibt und dessen Loumlsung auf mehreren Ebenen des Systems gleichzeitig ange-gangen werden soll Der Autor dieses Beitrags ist an einem solchen Projekt im Staat Kalifornien in den USA maszliggeblich beteiligt

Rick Mintrop 42

21 Ein Fallbeispiel Das Projekt bdquoVertiefendes Lernenldquo in einem Schulbezirk in sozial schwieriger Lage

Der Schulbezirk ist fuumlr amerikanische Verhaumlltnisse von mittlerer Groumlszlige 30 Schulen ungefaumlhr 1200 Lehrkraumlft e und 20000 Schuumllerinnen Das soziale Umfeld des Bezirks ist kurz umrissen Fast drei Viertel der Schuumllerinnen sind als bdquobeduumlrft igldquo oder bdquoarmldquo eingestuft die Schuumllerschaft ist fast gaumlnzlich nicht weiszlig ungefaumlhr die Haumllft e ist im Be-griff Englisch als Schulsprache zu erlernen

Das bdquogroszlige Problemldquo fuumlr Praxis draumlngt sich von auszligen und von innen auf Von auszligen wird dem Bezirk durch das staatliche Accountability-System vermittelt dass er fuumlr die groszlige Mehrheit seiner Schuumllerinnen die durchschnittlichen staatlichen Bil-dungsziele nicht erreicht und dass der Anteil der Schuumllerinnen die in der Lage sind nach der High-School ein zumindest zweijaumlhriges College zu besuchen bei Weitem zu gering ist Von innen kommen Lehrerstimmen die durchgaumlngig beklagen dass Schuuml-lerinnen sich passiv oder auch aggressiv verhalten und dass sie wenig Interesse am Unterricht oder Lehrstoff zeigen Das bdquogroszlige Problemldquo ist benannt die mangelnde Be-teiligung vieler Schuumllerinnen am Unterricht vor allem an Lernaufgaben die tieferes Verstaumlndnis und houmlheres Denken auf College-Niveau erfordern Aber die Wahrneh-mung dieses Problems ist auf den verschiedenen Ebenen des Systems unterschiedlich ausgepraumlgt und es ist keineswegs ausgemacht wie das Problem als praktisches Pro-blem angegangen werden kann Denn das Problem existiert als ein aumluszligerst diff user Komplex in den Vorstellungen der Akteure und es werden vor allem aumluszligere Kausal-faktoren gesellschaft licher oder familiaumlrer Art geltend gemacht Im Blick auf die eige-ne Organisation werden vor allem knappe Ressourcen und fehlende Unterstuumltzung angemahnt

Die verantwortliche Schulaufsicht die in den USA engmaschiger auf den Unter-richt Einfl uss nimmt als in deutschsprachigen Laumlndern hatte in der Vergangenheit Schulentwicklungsprobleme so zu loumlsen versucht dass sie fuumlr die Vielzahl erkannter Probleme eine Vielzahl von extern entwickelten Programmen einkauft e und Initia-tiven startete von denen erwartet wurde dass die Schulen sie implementieren wuumlr-den Dies ist ein typisches Vorgehen in amerikanischen Schulbezirken die unter ho-hem Rechenschaft sdruck stehen So ergaben sich Planlosigkeit Fragmentierung und Inkohaumlrenz unter den verschiedensten Ansaumltzen die in einem stetigen Kommen und Gehen begriff en waren (Hatch 2001) Dies gepaart mit dem oumlff entlichen Fai-lure-Diskurs der den Schulbezirk und viele Schulen uumlber fast zwei Jahrzehnte als low-performing auswies hat bei der Lehrerschaft zu einer tiefsitzenden kollektiven De-fensivhaltung gefuumlhrt die professionelles Lernen enorm erschwert Innerhalb der Kol-legien geben sehr haumlufi g nicht die Lehrkraumlft e den Ton an die ihre Schuumllerinnen rela-tiv erfolgreich erreichen sondern die Skeptiker die es vermoumlgen andere Stimmen zu marginalisierten

Im Rahmen dieses Beitrags kann die Konzipierung des Designs lediglich in gro-ben Zuumlgen dargestellt werden Die wichtigsten Triebkraumlft e der Veraumlnderung sind Pro-blembewusstsein Inspiration und konkrete Vision der wuumlnschenswerten Praktiken Fokus und Kohaumlrenz konkrete Unterrichtspraktiken und Unterrichtsexperimente im

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 43

erreichbaren Zielfeld im next level of work von Lehrerteams die in ihrer Faumlhigkeit kollektiv zu lernen sehr stark variieren koumlnnen

22 Problembewusstsein

Mit diesem bdquodriverldquo geht es um die Defi nition von Verhaltensweisen oder Uumlberzeu-gungen und Einstellungen die beobachtbar oder kommunizierbar sind Sie sollen weit verbreitet und in ihrer Kausalitaumlt als intern beeinfl ussbar gesehen werden Dass der Schulbezirk ein Accountability- und Leistungsproblem hatte verdeutlichten Testdaten aber das Problem der sozialen Lage der Schuumllerinnen zuzuschreiben war bis in die Spitzen der Schulaufsicht vorherrschend Die erste Designherausforderung war dem-nach ein Verfahren zu entwickeln welches es Schulaufsicht und Schulleitungen und spaumlter auch Lehrerinnen und Lehrern ermoumlglichte konkretes Unterrichtsverhalten im Klassenraum zu beobachten ohne die ohnehin starke Defensivhaltung im Schulbe-zirk noch zu verstaumlrken Wir organisierten sogenannte learning walks oder Lernrun-den die monatlich in wechselnden Schulen stattfanden In diesen Lernrunden ver-sammelten sich Schulaufsicht Schulleitungen und Unterrichtscoaches und besuchten eine Reihe von Klassenraumlumen im 15-Minuten-Takt Die Beobachter waren ange-halten sich ganz und gar auf die Verhaltensweisen der Schuumllerinnen und nicht der Lehrpersonen zu konzentrieren und sich darin zu schulen konkretes Schuumllerverhalten mit niedriger Inferenz zu beschreiben Ein Analyseinstrument verlangte von den Be-obachterinnenBeobachtern die 15-minuumltigen Segmente aus der Sicht der Schuumllerin-nen zu beurteilen und festzustellen in welchem Grade Schuumllerinnen die Gelegenheit hatten sich mit Ideen vertieft auseinanderzusetzen In nur 10 Prozent aller Segmente konnte vertieft es Lernen beobachtet werden Es wurde zunehmend klarer Schuumllerin-nen im Schulbezirk waren an Unterrichtsstunden gewoumlhnt in denen ihr Interesse am neuen Stoff wenig beruumlcksichtigt wurde in denen neuer Stoff im Lehrermonolog ver-mittelt wurde und dann haumlufi g von den Schuumllern und Schuumllerinnen mechanisch ein-geuumlbt wurde

Forscherinnen beobachteten und analysierten das professionelle Lernen waumlhrend der Lernrunden mithilfe von drei Messgroumlszligen die wachsende Faumlhigkeit der Beteilig-ten sich bei der Beschreibung der Denkaufgaben der Schuumllerinnen auf Beobachtba-res zu beschraumlnken die Tiefe des Denkens zu klassifi zieren und die Beobachtungen in nichtwertender technisch-neutraler Sprache zu kommunizieren Jede neue Iteration verfeinerte die Instrumente und Protokolle Das Designziel der Lernrunden war ein dreifaches Leitungen wuumlrden schulbezirksuumlbergreifend konkrete Unterrichtsverhal-tensweisen als praktisches Problem beschreiben koumlnnen sie wuumlrden diese Praktiken als intern beinfl ussbar wahrnehmen und einen neuen nichtevaluativen Diskurs uumlber Unterricht einuumlben um Defensivhaltungen zu reduzieren

Rick Mintrop 44

23 Inspiration und konkrete Vision des bdquoVertiefenden Lernensldquo

Problembewusstsein und Beschreibung der problematischen intern beinfl ussbaren Praktiken war zunaumlchst eine Designherausforderung bezogen auf Leitungsebenen in unserem Fall von der Ebene der Schulraumltinnen und Schulraumlte bis hin zur Ebene der Fachbereichsleiterinnen und Unterrichtscoaches Fuumlr die Lehrerkollegien schien ein positives Beginnen nach so vielen Jahren negativen Beurteilens wirkungsvoller zu sein Wir begannen mit Videoclips die verschiedene Phasen einer Unterrichtsstun-de darstellten z B eine besonders gelungene Motivationsphase Gruppenarbeitspha-se Feedbackphase usw Die Videos wurden rundweg von den Kollegien abgelehnt Sie kamen von auszligerhalb des Schulbezirks und hatten somit keine Aussagekraft fuumlr bdquoour kidsldquo Der Schulbezirk baute ein Netzwerk von sogenannten bdquolab teachersldquo d h expe-rimentierfreudigen Lehrkraumlft en auf die bereit waren ihren Unterricht fuumlr ihre Kolle-gen und Kolleginnen zu oumlff nen und auch Videos zu produzieren Die Akzeptanz der Videos stieg uumlber viele Designiterationen hinweg in dem Maszlige wie die Videos intern produziert wurden realistisch Schuumllerinnen des Schulbezirks zeigten Schuumller- und Schuumllerinnendialoge und Lehrer- und Lehrerinnenimpulse im geteilten Bildschirm ab-bildeten und innerhalb einer Unterrichtsstunde eher gelungene und nicht gelungene Phasen miteinander verglichen Aber eine starke Durchschlagskraft konnten die Vi-deos nicht erreichen Sie wurden bei zentralen Fortbildungen eingesetzt vor allem fuumlr die Leiterinnen der Lehrerteams Die Leiterinnen griff en aber nur in seltenen Faumlllen auf die Videos fuumlr ihre eigene Arbeit mit den Teams zuruumlck Es fehlte der Unterbau der Lehrerlerngemeinschaft en an den Schulen die dazu in der Lage waren die Videos auch produktiv zu besprechen

Im naumlchsten Schritt sollen Videoclips in allen Schulen in kurzen 30-minuumltigen Workshops waumlhrend der Kollegiumskonferenzen eingesetzt werden um eine schulbe-zirksuumlbergreifende Zielsetzung fuumlr Unterrichtsentwicklung zu verstaumlrken Hierzu ste-hen freigestellte Lehrkraumlft e eine fuumlr je drei Schulen bereit Diese freigestellten Lehre -rinnen zusammen mit den Forscherinnen und Forschern von der Universitaumlt bilden das Ruumlckgrat der Ko-Design-Gruppe In regelmaumlszligigen Abstaumlnden werden Mitglieder der Schulaufsicht einige Schuleiterinnen und engagierte Lehrerinnen in einer erwei-terten Ko-Design-Gruppe zurate gezogen wenn neue Produkte oder Initiativen kri-tisch begutachtet werden muumlssen bevor sie zum Einsatz kommen

24 Unterrichtsexperimente in Teams

Lehrerteamarbeit ist die gegenwaumlrtige Designbaustelle Der Entwicklungsstand von Lehrerlerngemeinschaft en im Schulbezirk ist sehr unterschiedlich von Schule zu Schu-le und innerhalb der Schulen zwischen Fachbereichen und Jahrgangsgruppen Ge-naue Zahlen werden derzeitig mit Umfragen erhoben Erfahrungsgemaumlszlig machen viele Teams Unterricht eher nicht zum Th ema Einige Teams sind in der Lage gemeinsam Unterrichtseinheiten oder -stunden zu planen und ihre Durchfuumlhrung zu analysieren Es muumlssen also verschiedene Prototypen fuumlr Teamgespraumlche uumlber Unterricht entwi-

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 45

ckelt werden die den Teams Orientierung und Strukturen auf ihrem jeweiligen Ent-wicklungsstand geben koumlnnen Fuumlr einige Teams ist der bloszlige Austausch von Erfah-rungen im Unterricht ein groszliger Schritt andere koumlnnen den naumlchsten Schritt gehen und sich uumlber selbst gewaumlhlte einfache Experimente mithilfe von Artefakten aus dem Unterricht (z B Schuumllerarbeitsboumlgen ein kurzes Audio oder Video) austauschen Ein weiterer Schritt ist es diese Experimente auf Unterrichtspraktiken anzuwenden die das Schuumllerlernen gezielt vertiefen In jedem Fall muss eine positiv-analysierende Ge-spraumlchskultur kultiviert werden die den Schwerpunkt auf das Studium von Schuumller-verhaltensweisen legt

25 Unterrichtspraktiken

Es stellte sich heraus dass viele Teams einen klaren praktischen Fokus brauchen um ihre Arbeit am Unterricht zu strukturieren Aber der Fokus darf auch die Arbeit nicht zu sehr auf die Implementierung von bestimmten Prozeduren einengen eine Erwar-tung die allzu haumlufi g von den eingekauft en Unterrichtsprogrammen in der Vergan-genheit ausgegangen war Gegenwaumlrtig sind vier Praktiken angepeilt deren Haumlufi gkeit in den Unterrichtsstunden bezirksweit erhoumlht werden soll explizite Motivationspha-sen fuumlr neuen Stoff zu Beginn einer Unterrichtsstunde oder -einheit Erklaumlrungen von neuem Stoff im Schuumllerinnen-Lehrerinnen-Dialog Gruppenarbeitsphasen in denen Schuumllerinnen auch wirklich uumlber Ideen kommunizieren und Lehrerinnen-Feedback das auf den Ideen und Missverstaumlndnissen der Schuumllerinnen aufb aut Diese Kern-praktiken sind in ihrer Simplizitaumlt eingaumlngig und koumlnnen in einer Vielfalt von kon-kreten Unterrichtsprogrammen oder persoumlnlich bevorzugten Formaten verwirklicht werden Fuumlr eine Minderheit der Lehrerschaft sind diese Kernpraktiken keine Heraus-forderung aber wir vermuten gemaumlszlig unserer Handlungstheorie die aber noch empi-risch weiter abgesichert werden muss dass sie fuumlr die Mehrheit im next level of work angesiedelt sind Die Ko-Design-Gruppe koumlnnte aber auch noch andere Kernprakti-ken favorisieren

26 Fokus und Kohaumlrenz

Dieser Komplex ist zum einen eine Designherausforderung und zum anderen eine strategische Herausforderung auf Schulbezirksebene Als Designherausforderung sind die Designerinnen und Designer zurzeit dabei Formate fuumlr regelmaumlszligige informelle Gespraumlche zwischen Schulaufsicht und Schulleitungen zu entwickeln in denen Re-formuumlberlastung fortlaufende Qualitaumltsentwicklung mit klarem Fokus und formati-ve Evaluation zum Th ema werden Um der strategischen Herausforderung gerecht zu werden hat die Praxis-Forschungspartnerschaft eine Steuergruppe mit den fuumlhren-den Entscheidungstraumlgern im Schulbezirk und den Forschern eingerichtet die sich in etwas groumlszligeren Abstaumlnden trifft und versucht das Projekt bdquoVertieft es Lernenldquo in

Rick Mintrop 46

den Gesamtzusammenhang des Bezirks einzubetten und dafuumlr zu sorgen dass es eine Prioritaumlt im Treibsand der lokalen Politik bleibt

3 Schlussbemerkung

Designbasierte Schulentwicklung als Partnerschaft zwischen Praxis und Forschung ist in den Kinderschuhen Sie hat das Potenzial Loumlsungen fuumlr draumlngende weitverbreite-te aber vertrackte Probleme zu entwickeln Das Ziel ist kumulatives praktisches De-signwissen zu verstaumlrken welches das Wissen um das bdquoWasldquo mit Wissen um das bdquoWieldquo anreichert Besonders Schulen und Schulbezirke in schwierigen Lagen brauchen dieses Wissen um das bdquoWieldquo welches den Verantwortlichen fuumlr Schulentwicklung hilft unter erschwerten Bedingungen von A nach B zu kommen Das Fallbeispiel zeigt wie ein Designansatz hilfreich sein kann die Komplexitaumlt eines vertrackten Problems zu redu-zieren und handlungsfaumlhig zu machen Da das Problem ein systemisches ist koumlnnen auch nur systemische Loumlsungen zu nachhaltigen Verbesserungen fuumlhren und doch muss das Problem auf Kernpraktiken zuruumlckgefuumlhrt werden um die herum schritt-weise Lernprozesse organisiert werden koumlnnen Diese Lernprozesse zu foumlrdern ist die Aufgabe der Designentwicklung

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Hans-Guumlnter Rolff

Transfer von Innovationen im Schulbereich

Immer mehr Buumlcher und Aufsaumltze beschreiben und analysieren Konzepte und An-saumltze innovativer Schulentwicklung Sie berichten von empirischen Untersuchungen Erfahrungen und Visionen zur Realisierung neuen oder anderen Unterrichts Off en bleibt meistens die Frage wie Innovationen von einer Arbeitseinheit in einer Schu-le auf die ganze Schule ausgedehnt werden koumlnnen und noch weitergehend wie eine Innovation von einer Schule auf eine andere Schule oder gar auf das ganze Schulsys-tem ausgebreitet werden kann was nicht haumlufi g gelingt Es ist dies die Frage nach dem Transfer

Es gibt bisher allerdings keine auch nur annaumlhernd uumlberzeugende Th eorie des Transfers von schulischen Innovationen (Nickolaus amp Graumlsel 2006) und auch kaum Forschung dazu (Jaumlger 2004) Deshalb kann es sich im Folgenden nur um Voruumlber-legungen zu einer forschungsleitenden und praxisbezogenen Th eorie handeln die zu-naumlchst nach einer Begriff sklaumlrung und Begriff sdiff erenzierung verlangt Diese soll auch dazu dienen das bisherige Begriff sverstaumlndnis uumlber das gaumlngige Verstaumlndnis von Wissensmanagement hinaus zu erweitern und einige Hinweise fuumlr eine tiefer- wie weitergehende Praxis zu geben

1 Formen des Transfers

Transfer wird wie schon erwaumlhnt meistens wissensbasiert konzipiert und praktiziert (Willke 2004) Auch wenn es sich dabei um eine verkuumlrzte Sicht handelt worauf noch zuruumlckzukommen ist sollte zunaumlchst an die Vielfalt des wissensbasierten Transfers er-innert und sie dann noch erweitert werden um die Reichweite von Transfer auszulo-ten und auf Anwendbarkeit hin zu pruumlfen

Das Wissen das fuumlr Transfer relevant ist besitzt zumeist eine Duplexstruktur (Rolff 2012) Es existiert Buchwissen und Erfahrungswissen sowie theoretisches und praktisches Wissen Zu unterscheiden ist ferner explizites kognitives aufgeschriebe-nes Wissen und implizites bdquounsichtbaresldquobdquoverborgenesldquo Wissen international auch Tacit Knowledge genannt Das weiterhin zum Transfer anstehende Erfahrungswissen entsteht als implizites Wissen und muss in explizites uumlberfuumlhrt werden (was nicht in allen Faumlllen moumlglich ist) um sich fuumlr Wissenstransfer zu eignen (Porschen 2008)

Es gibt zudem inhaltliches und methodisches Wissen Transfers sind in mancherlei Hinsicht doppelschichtig veranlagt Man unterscheidet z B zwischen internem Trans-fer und externem Transfer sowie zwischen Produkttransfer und Prozesstransfer Er-

Hans-Guumlnter Rolff 50

waumlhnenswert ist noch der Verweis auf intangible Eigenschaft en die fuumlr Transfer von Belang sind Was kann man sich und in Bezug auf Schulen unter Intangiblem Un-greifb arem vorstellen Intangibel sind z B Schulenbull die einen bdquoSpiritldquo habenbull mit Lehrpersonen die an Erfolg glauben und an die Wirksamkeit ihres Tunsbull in denen eine Basis fuumlr Vertrauenskultur entwickelt istbull in denen Lernfreude herrscht bei Schuumllerinnen und Schuumllern wie bei Lehrperso-

nenbull in denen Wertschaumltzung lebtbull in denen Menschen Traumlume haben und sie gemeinsam realisieren wollen

Das Intangible macht im Grunde den Geist einer Schule aus Preistraumlgerschulen unter-scheiden sich in Organisation und Methoden haumlufi g wenig von Nachbarschulen aber sie unterscheiden sich im Geist d h vor allem in den Stimmungen den Visionen und den Beziehungen der Menschen untereinander und ob sie daran glauben dass man Schule grundlegend veraumlndern kann oder bestenfalls nur eine Optimierung fuumlr moumlg-lich halten

Es sind also die Menschen und der Geist die beim Transfer den Unterschied ma-chen

Man kann vier Stufen des Transfers unterscheiden die auch Intensitaumlts- und Schwierig keitsstufen sind (vgl Abb 1)

Abbildung 1 Schwierigkeits- und Intensitaumltsstufen des Transfers

Transfer von Innovationen im Schulbereich 51

Es gibt eine Vielzahl von Formen und Verfahren des Transfers erprobte und nicht er-probte tiefh aumlngende also einfach zu bdquopfl uumlckendeldquo und bdquohochhaumlngendeldquo Einige Ver-fahren des Transfers sind gar nicht so selten wie u abull Informationswaumlndebull Staumlnde zu Schulentwicklungsprojektenbull Forenbull Fachgespraumlchebull Schulpreisebull Organisationsgedaumlchtnis (Protokolle Instrumentenpools Newsletter Intranet u a)

Es gibt Formate die sich gut transferieren lassen wie z B bull Lernmethodenbull Lehrbuumlcherbull Evaluationsmethodenbull Peer Reviewsbull Raumeinrichtungen Lernlandschaft en und Aumlhnliches

Und es gibt aber auch bdquoFormateldquo die sich nur schwer und aufwaumlndig transferieren las-sen wiebull Engagement bull Begeisterungbull Haltungenbull Einstellungenbull Wertebull Wertschaumltzung und Aumlhnliches

Zudem gibt es Formate die sich uumlberhaupt nicht transferieren lassen wie z B Uumlber-zeugungen Gluumlcklicherweise laumlsst sich nur sehr wenig gar nicht transferieren Auch deshalb lohnt es sich uumlber Transfer weiter nachzudenken zu experimentieren und zu forschen

Die Uumlberlegungen zu den Formaten des Wissens und des Transfers sind deshalb von Interesse weil man sie nutzen kann um klar zu machen dass tiefergehende In-novationen aller Art und hier besonders des Unterrichts nicht uumlber Vortraumlge Semina-re Dokumente oder Videos zu implementieren oder zu verbreiten sind weil jede In-novation genauso doppelschichtig ist wie oben beschrieben Beispielsweise kann man Autofahren nicht aus einem Lehrbuch [praktizieren] lernen Es muss auch die tie-ferliegende Schicht des Wissens uumlbertragen oder neu erworben werden also implizi-tes methodisches und Erfahrungs-Wissen Nicht nur Produkte gehoumlren dazu sondern auch Prozesse

Werte und Haltungen lassen sich ohnehin nicht schnurstracks transferieren Wenn man z B schuumlleraktivierendes oder kooperatives Lernen schulintern oder schuluumlber-greifend transferieren will man muss sich andere Formen einfallen lassen als die die eine allzu konventionelle Lehrerfortbildung betreibt

Hans-Guumlnter Rolff 52

Und besonders uumlberlegenswert und experimentierfreudig ist der Transfer groszligfl auml-chiger und komplexer Akteurskonstellationen wie sie beispielsweise Netzwerke und erst recht Bildungslandschaft en darstellen

Das beste Wissen uumlber bessere Schulen oder besseren Unterricht weiterzugeben (Wissenstransfer) ist also nicht der Koumlnigsweg der Schulentwicklung Wissen ist nie vollstaumlndig (deshalb kann man auch nicht vollstaumlndig informieren) sondern es be-zieht sich eher auf die Oberfl aumlche eines Eisbergs um eine bekannte Metapher zu nut-zen Das Wissen oberhalb des Wassers ist explizites das innerhalb des Wassers impli-zites Wissen und in der Eisbergmetapher zudem in einer groszligen Mehrheit

Explizites Wissen ist relativ leicht zu erkennen und auch leicht zu transferieren z B via Veranstaltungen und Workshops via Gebrauchsanweisungen Materialpake-ten WerkzeugenInstrumenten Aufsaumltzen und Buumlchern Implizites Wissen wie Hal-tungen Werte Feedback-Kultur oder Fehlertoleranz ist schwer zu transferieren Im-plizites Wissen ist jedoch fuumlr Transfer bedeutsam vielfach sogar unabdingbar Es gestaltet und steuert Handlungsablaumlufe allerdings ohne dass es immer ins Bewusst-sein kommt Es laumlsst sich deshalb auch nicht einfach kopieren und nur schwer aumln-dern Implizites Wissen kann innovative Inhalte haben impliziert aber haumlufi g auch konservativ-retardierende Implizites Wissen ist also ambivalent Es ist vor allem re-levant Vieles was Schulleiter und Lehrpersonen machen basiert auf implizitem Wis-sen z B wie sie Schuumller begeistern oder disziplinieren Allein durch explizites Wissen laumlsst sich gute Praxis nicht und erst recht nicht innovative Praxis verbreiten oder aus-dehnen wenn ein Teil des Wissens nicht einmal sichtbar ist Zugespitzt bedeutet dies Wir wissen nicht was wir alles wissen und wir wissen nicht explizit welches Wissen wir brauchen wenn wir unsere Handlungen und unser Verhalten veraumlndern wollen

Abbildung 2 Transfer als Eisberg-Metapher

Transfer von Innovationen im Schulbereich 53

2 Transfer als Nacherfi ndung

Die Ausgangsfrage war Wie kann man Innovationen in der eigenen Schule und noch daruumlber hinaus in andere Schulen verbreiten also transferieren Diese Frage stellt sich allerdings erst wenn es auch tatsaumlchlich etwas Nuumltzliches undoder Notwendiges und Bedeutungsvolles zu transferieren gibt wie bei den aufgefuumlhrten Beispielen bei denen es ja nicht um neue Verordnungen oder neue Lehrplaumlne oder houmlhere Anforderungen und schon gar nicht um strengere Vorschrift en ging sondern um die Umsetzung und Verbreitung neuer Praxen Und das ist komplexer und komplizierter als bloszliger Wis-senstransfer

Die Erfahrungen der letzten Jahre (Boumlhle Buumlrgermeister amp Porschen 2012) zeigen Es gibt keinen 11-Transfer Daran zu glauben hieszlige der sogenannten Steuerungsillu-sion zu verfallen der Illusion dass man uumlber Anordnungen von oben die Akteure ge-nau so steuern koumlnnte wie es verordnet wird Innovationen werden von Schulen bzw Lehrkraumlft en nicht einfach uumlbernommen oder imitiert sondern bdquonacherfundenldquo wie Kussau (2007 S 287) formuliert Nacherfi ndungen passieren so gut wie nie eins zu eins Kussau argumentiert dass sich jede

Innovation in dem Zirkel (bewegt) wonach das Zerschlagen von Routi-nen Voraussetzung von Veraumlnderung ist damit umgekehrt aber ein massi-ves Veraumlnderungsproblem entsteht weil die Verpfl ichtung zur Aufgabe von Routinen Widerstand Subversion Abweichung etc provoziert An die Stelle von Routinen tritt zunaumlchst eine Mischung aus den bestehenden und beibe-haltenen Routinen und Deutungsprozessen die die neuen Vorgaben thema-tisieren und fuumlr die Praxis handhabbar machen Dieser Prozess wird hier als Nacherfi ndung bezeichnet (Kussau 2007 S 302)

Fend (2008) spricht in diesem Zusammenhang von Re-Konstituierung gebraumluchlich ist auch der Begriff der Neusituierung

Transfer ist nicht eins zu eins realisierbar weder auf dem Wege von der Behoumlrde zur Schule noch von einer Schule zu einer anderen Die Grenzen des Wissenstrans-fers liegen in der Natur des Wissens Ein Transfer soll innovative Praxis transferie-ren Wie weiter oben gezeigt wurde geht nicht alles was Praxis ist in Wissen auf z B ein Teil der Emotionen nicht und auch die situativen Randbedingungen nicht Zudem hat Wissen die beschriebene Duplexstruktur die aus explizitem Wissen und implizi-tem Wissen besteht Explizites Wissen kann annaumlhernd eins zu eins transferiert wer-den implizites Wissen nicht Implizites Wissen ist in der Defi nition des Soziologen Sennett bdquojenes Wissen welches so sehr zur Selbstverstaumlndlichkeit geworden ist dass es uns vollkommen natuumlrlich erscheintldquo (Sennett 2009 S 246) und deshalb gar nicht erst thematisiert wird

Die Frage bleibt Wie kann unthematisiertes Wissen transferiert und die Verbrei-tung schulischer Innovationen intentionsgetreu implementiert werden Die Transfer-forschung sucht seit Jahrzehnten nach einer Antwort aber Transfer war bisher nicht nennenswert erfolgreich (Jaumlger 2004 oder Willke 2004) Schulen machten aus den Reformvorhaben der Behoumlrden letztlich was sie selbst fuumlr richtig hielten Aus Ziel-

Hans-Guumlnter Rolff 54

vereinbarungen wurden Maszlignahmeverabredungen aus Schuumllerfeedback wurde Unter-richtsevaluation ndash oder auch umgekehrt Reformen veraumlndern Schulen aber Schulen veraumlndern auch Reformen

Jazz ist eine geeignete Metapher fuumlr Loumlsungsmoumlglichkeiten Auch im Jazz gibt es keinen 11-Transfer dennoch wird transferiert und transponiert Transferiert wird al-lerdings nur das Th ema oder die Tonart (also ein Prototyp wie er noch zu erlaumlutern ist) die Ausfuumlhrung in jedem neuen Kontext besteht indes aus Zusammenspiel und Improvisation Jede Solistinjeder Solist orientiert sich an Th ema und Tonart entwi-ckelt aber seine eigene moumlglichst unverwechselbare Version und jeder Musiker houmlrt auf ihn letztlich auf alle Mitspielerinnen und Mitspieler gibt ihnen Anregungen und nimmt Anregungen von ihnen auf Jedes Stuumlck ist anders aber ein erkennbares Th e-ma bleibt Unterrichtsentwicklung ist eher wie Jazz und weniger ein werkgetreues Nachspielen von Noten

Auch noch so praumlzise Bedienungsanleitungen z B Noten ermoumlglichen keine 11-Implementation Sie muumlssten dazu implizites Wissen transportieren koumlnnen was schon allein deshalb unmoumlglich ist weil implizites Wissen nicht bewusst ist Und Un-bewusstes kann man nicht aufschreiben Sennett nennt Bedienungsanleitungen bdquototes Bezeichnenldquo

Das beste Wissen uumlber bessere Schule oder besseren Unterricht weiterzugeben (Wissenstransfer) ist also nicht der Koumlnigsweg der Unterrichtsentwicklung denn Schulen entscheiden zum Teil manchmal zum Groszligteil selbst welches Wissen in wel-chem Format sie aufnehmen was sie mit dem Wissen anstellen das sie manchmal gar nicht verstehen (jedenfalls nicht so wie es die Wissensproduzenten meinen) und das nie vollstaumlndig ist sondern eher die Oberfl aumlche eines Eisbergs repraumlsentiert

Das Aufdecken und Aufarbeiten impliziten Wissens die Umwandlung von impli-zitem in explizites Wissen also Erfahrungstransfer ist Voraussetzung der Verbreitung innovativer Praxis Wie und wo kann das geschehen Es gibt mehrere Realisierungs-moumlglichkeiten Wirksame Transferformate sind datengestuumltzt (Argyris 1997) und werkstattbasiert Vor allem in Werkstaumltten koumlnnen Prototypen entstehen oder bdquoge-brauchsfertige Verfahrenldquo wie Sennett es nennt (Sennett 2009 S 214) Prototypen wandern von einer Werkstatt in andere Werkstaumltten sie sind eff ektiver zu transpor-tieren als werbende Texte Bedienungsanleitungen oder Anordnungen Sie bestehen nicht nur aus explizitem sondern auch aus implizitem Wissen

Als Zwischenfazit ergibt sich dass Unterrichtsentwicklung immer auch Umsetzung von Innovation bedeutet Transfer ist Transaktion oder auch Translation von Innova-tionen Vehikel von Innovationen die der Oberfl aumlchlichkeit von Wissenstransfer ent-gehen wollen sind Prototypen die in Schulen entwickelt und in andere Schulen trans-portiert werden

21 Dynamische Prototypen und Werkstaumltten

Prototypen werden in unterschiedlichen Varianten welche im Kern uumlbereinstimmen einzeln entwickelt und gehen dann in Serie (oder sie werden aufgegeben wenn sie

Transfer von Innovationen im Schulbereich 55

in der Erprobung nicht uumlberzeugt haben) Prototypen werden in Werkstaumltten herge-stellt die Entwicklungs- oder Lernwerkstaumltten sind in denen Experten zusammen-arbeiten Beispielsweise wird ein Konzept der Unterrichtsentwicklung z B SINUS nicht nur uumlber Lehrplaumlne und Schulbuumlcher in den Unterricht zu transportieren ver-sucht sondern durch Angebote fuumlr die Fachschaft Schule Fachberaterinnen Fach-unterricht-Coaches oder Schulbegleiterinnen koumlnnen helfen neue Lernsettings (oder auch neue Aufgabenkulturen) auszuprobieren weiterzuentwickeln und in einer Weise zu dokumentieren die sie serienreif macht

Der Werkstattbegriff vermag die Begriffl ichkeit zuzuspitzen z B dass darin ganz-heitlich gearbeitet wird es nicht nur um Technik geht (sondern auch Kunst im Spiel ist und Haltungen etwas wert sind) und viele Handwerker eine Meisterschaft anstre-ben

Professionelle Lerngemeinschaft en sind die verheiszligungsvollste Form von Werk-staumltten besonders wenn sie uumlber die einzelne Schule hinaus mit anderen verkoppelt sind Ganzheitlich gestalten heiszligt moumlglichst alle Dimensionen Aspekte und Facetten der UE kohaumlrent und bdquolinientreuldquo (alignement) zu integrieren also fachliches Wissen Methodenkompetenzen Uumlberzeugungen Werte und Haltungen in einen systemischen Zusammenhang zu bringen Vieles spricht dafuumlr dass das am ehesten mittels Prototy-pen gelingt

Beispiele fuumlr Prototypen sindbull EMU (Helmke 2009)bull Kompetenzraster (Muumlller 2015)bull Fachunterrichtscoaching (Hirt amp Mattern 2015)

Prototypen zu transferieren heiszligt Prototypen in einen anderen Kontext einzubetten also nachzuerfi nden um den Begriff von Kussau noch einmal aufzunehmen Dabei geht es im Bereich der UE nicht wie in der Automobilindustrie darum Prototypen zur Serienreife zu bringen die in den folgenden Jahren fuumlr keinerlei Veraumlnderung of-fen sind Prototypen muumlssen im Schulentwicklungsbereich indes auf Weiterentwick-lung hin vielleicht in anderen Schulen ausgelegt sein Deshalb sind hier dynamische Prototypen gemeint

22 Von Prototypen zur Nachhaltigkeit

Politik und Behoumlrden neigen im Sinne des klassischen Verwaltungshandelns dazu die Schulen zur Realisierung zentral konzipierter Projekte via Anordnungen zu bewe-gen Sie gehen dabei zumeist den Weg des Transports expliziten Wissens Es ist schon erwaumlhnt worden dass sie dabei an Grenzen stoszligen Fullan (2010) und Mourshed Chijioke und Barber (2011) zaumlhlen deshalb nicht Loumlsungen 1 Ordnung die mehr des-selben in perfekterer Weise anstreben zu den wesentlichen Gelingensbedingungen sondern Loumlsungen 2 Ordnung die das System selbst wandeln bzw weiterentwickeln Systemwandel heiszligt die einzelnen Schulen wie das ganze Schulsystem in die Lage

Hans-Guumlnter Rolff 56

zu versetzen die besten Loumlsungen ihrer Entwicklungsprobleme oder Entwicklungs-absichten selbst auszuwaumlhlen anzupassen und umzusetzen Fullan und Barber nen-nen diese Faumlhigkeit bdquocapacity for changeldquo und sie belegen anhand konkreter Beispiele dass der Koumlnigsweg zur wirksamen Schulentwicklung im Aufb au dieser Kapazitaumlten bzw Faumlhigkeiten zum Wandel in und von Schulen und Behoumlrden liegt Zur Faumlhigkeit zum Wandel gehoumlrt unverzichtbar auch die Faumlhigkeit Daten zu nutzen sowohl fuumlr Be-standsanalyse und -diagnose als auch fuumlr die Evaluation und Steuerung der Entwick-lungsvorhaben Unabdingbar ist fuumlr alle Vorhaben die Verbesserung der Lernbedin-gungen fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller im Auge zu haben und staumlndig zu pruumlfen ob sie den Schuumllerinnen und Schuumllern beim Lernen helfen bdquoKapazitaumlt fuumlr Wandelldquo entsteht wenn Schulen die Schulleitungen erweitern Steuergruppen einrichten und Entwicklungswerkstaumltten schaff en die aus Fach- Jahrgangs- oder Steuergruppen her-vorgehen oder als Th emengruppen eigens eingerichtet werden (s dazu auch Kap 1 dieses Bands) Transfer gelingt desto besser je mehr die Adressaten-Organisationen lernfaumlhig sind Wenn bereits Entwicklungskapazitaumlten vorhanden sind laumlsst sich einfa-cher und zieltreuer nacherfi nden

Staumltten des Capacity for Change sind seit Jahrhunderten solche Werkstaumltten die nicht nur Routinen pfl egen sondern auch Innovationen generieren (Sennett 2009) Werkstaumltten werden in diesem Zusammenhang nicht Workshops genannt sondern Werkstaumltten weil Werkstaumltten Dauereinrichtungen sind die Nachhaltigkeit erzeugen und in denen Handwerker mit Handwerkszeug arbeiten und auch Handwerkszeug entwickeln In der Schweiz spricht man uumlbrigens auch seltener von Workshops und mehr von Ateliers was beachtenswert ist weil das von vornherein die kuumlnstlerische Seite vom Handwerk betont

Prototypen sollten nicht nur als Vorlaumlufer von Serienmodellen verstanden werden sondern als Beispiele guter Praxis

23 Innovation als sozialer Prozess

Prototypen sind innovativ sie werden in Innovationswerkstaumltten entwickelt Hand-werkszeug ist keine rein technische oder gar technokratische Angelegenheit sondern ein sozialer Prozess Handwerk hat auch eine kuumlnstlerische Seite wie z B Pinsel Stif-te oder Meiszligel und Gestaltung von Kunstwerken mit den Haumlnden Handwerkszeug reicht uumlber das Imitierende und Maschinelle eines Tools weit hinaus Vor allem hat das Handwerkliche etwas Personales Es verweist auf die Person des Handwerkers und der wiederum verweist auf das Institutionelle die dauerhaft e Werkstatt Handwerks-zeug ist also menschlich konstituiert ganzheitlich orientiert und nachhaltig Hand-werkszeug ist gleichsam geronnenes Wissen das beides enthaumllt explizites und impli-zites Wissen

Handwerker arbeiten nicht mit Bedienungsanweisungen Routinen und Erfahrun-gen sind ihr Hintergrund und liefern handlungsleitendes Wissen Dieses ist oft nicht so explizit dass man es in Bedienungsanweisungen uumlbersetzen koumlnnte Es ist eher im-plizites Wissen das in die Werkzeuge und Routinen eingelassen aber im Kopf nicht

Transfer von Innovationen im Schulbereich 57

immer bewusst ist und sich deshalb auch nicht vertexten laumlsst Das macht Weitergabe und Transfer von guter Praxis und erst recht von Innovationen so schwierig

Werkstaumltten im Sinne von Entwicklungswerkstaumltten sind also eine wenn nicht sogar die wesentliche Grundlage fuumlr die Ausgestaltung und Verbreitung von UE in Schulen zwischen Schulen und zwischen Unterstuumltzungssystemen und Schulen In et-lichen Schulen gibt es deshalb Lernwerkstaumltten unterschiedlicher Art mit Lehrerinnen und Lehrern und Schulleiterinnen und Schulleitern mit Lehrerinnen und Lehrern der eigenen Schule und mit Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Schulen Auch das Lernen von Schuumllerinnen und Schuumllern kann als Lernwerkstatt organisiert wer-den oft Lernzentrum genannt Der Lernbegriff sollte dabei ein weiter sein Deshalb weist Sennett darauf hin bdquoIn der Th eorie sollte in der gut gefuumlhrten Werkstatt ein Gleichgewicht zwischen impliziten und explizitem Wissen bestehenldquo (Sennett 2009 S 109)

24 Transfer als Transformation

Es existiert eine kaum uumlbersehbare Streubreite von Handwerksberufen Handwer-ker sind Chirurgen und Geigenbauer Zahnaumlrzte und Goldschmiede Uhrmacher und Elektriker Maler und Anstreicher Koumlche und Maurer und auch Musiker Hausmeis-ter und Schulleiter Sie alle sind gute Handwerker wenn sie bdquoihrer Arbeit mit Hin-gabe nachgehen und sie um ihrer selbst willen gut machen wollenldquo (Sennett 2009 S 32) Beim guten Handwerker stehen Handeln und Denken Praxis und Th eorie im staumlndigen Dialog Sennett nennt das urspruumlngliche Identitaumltsmerkmal von Handwer-kern dass sie sich darauf konzentrieren bdquoQualitaumlt zu liefern und gute Arbeit zu leis-tenldquo (Sennett 2009 S 39)

Werkstaumltten im Sinne von Lern- oder Entwicklungswerkstaumltten sind also eine wenn nicht sogar die wesentliche Grundlage fuumlr die Ausgestaltung und Verbreitung von Innovationen in Schulen zwischen Schulen und zwischen Unterstuumltzungssyste-men und Schulen In etlichen Schulen gibt es deshalb Lernwerkstaumltten unterschied-licher Art mit Lehrerinnen und Lehrern und Schulleiterinnen und Schulleitern mit Lehrerinnen und Lehrern der eigenen Schule und mit Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Schulen Wenn Transfer nicht klappt wird es gemaumlszlig einer bdquoklas-sischenldquo Werkstatt off ensichtlich dass eine Reparatur ansteht Eine Reparatur ist ein willkommener Anlass um bei der Fehlersuche uumlber das Ganze nachzudenken was wiederum der Verbesserung der Innovationen dient und vielleicht auch zur Entde-ckung neuer Werkzeuge fuumlhrt

In entwickelten Werkstaumltten gibt es Personalentwicklung Netzwerke und den Auf-bau von Nebenstellen Die konsequenteste Form einer Werkstatt ist das Labor Labor ist eine Abkuumlrzung von Laboratorium Und im Laboratorium wird praktisch gearbei-tet und theoretisch refl ektiert werden Experimente durchgefuumlhrt und die Ergebnisse evaluiert Der Blick aufs Labor macht noch einmal deutlich warum wir uns nicht mit der Beschaumlft igung mit Tools begnuumlgen sondern den Schulleitungen den Dreischritt

Hans-Guumlnter Rolff 58

von Prototypen lernenden Lehrerinnen und Lehrern und Werkstaumltten schmackhaft machen wollen weil es zeigt wie aus Transfer Transformation werden kann

3 Change Management als Vehikel

Change Management beginnt im Idealfall mit dem Entwurf einer Strategie (Ruumlegg-Stuumlrm amp Grant 2014) fuumlr die in erster Linie die Schulleitung zustaumlndig ist Sie traumlgt nicht nur die Letztverantwortung sie hat auch die Entscheidungskompetenz weshalb sie zu den Machtpromotoren gehoumlrt Machtpromotor sind auch die Schul-konferenz und die Behoumlrden Beide koumlnnen der Schule Vorgaben zur Unterrichtsent-wicklung machen z B vorschreiben wie sie mit den jaumlhrlichen Lernstandserhebun-gen umzugehen hat

Die Strategie sollte auf einer Bestandsanalyse basieren damit Prioritaumlten bestimmt und an bereits vorhandene Entwicklungen angeknuumlpft werden koumlnnen Sie muss auch Vorgaben der Behoumlrde undoder des Gesetzgebers beruumlcksichtigen Nicht zuletzt ist zu bedenken wie weit in Strategien auch Visionen eingehen bzw eingehen sollten wie sie z B im Leitbild der Schule enthalten sind oder aus den Diskussionen in den Fauml-chern oder auch (als Erziehungsideale) mit den Eltern entspringen

Wenn die Strategie festliegt z B Unterrichtsfeedback zu etablieren die mit einem Schuumller-Lehrer-Feedback beginnt und durch kollegiale Hospitationen fortgesetzt wird stellt sich die Frage der Konkretisierung und Realisierung

Fuumlr die Ausgestaltung der Strategie und deren projektfoumlrmige Umsetzung hat sich die Einrichtung einer Steuergruppe bewaumlhrt Die Steuergruppe die in diesem Fall als Unterrichtsentwicklungsgruppe arbeitet entwirft ein Konzept fuumlr die Realisierung der Strategie Dabei muumlssen alle Betroff enen und letztlich alle Kollegiumsmitglieder be-teiligt werden Die Schulleitung tut gut daran bei der Strategieentscheidung eng mit einer Steuergruppe zusammenzuarbeiten Sie sollte auch Mitglied der Steuergruppe sein aber nicht deren Vorsitzender (Rolff 2016a 2016b)

Dann muss eine Struktur gefunden bzw geschaff en werden die eine nachhaltige Realisierung ermoumlglicht Bei der Optimierung des bdquoallgemeinen Lernensldquo bieten sich dafuumlr Jahrgangs- oder Stufenkonferenzen an bei fachbezogener UE die Fachkonferen-zen (in Berufsschulen auch die Bildungsgangkonferenzen) Wenn Nachhaltigkeit er-zielt werden soll muumlssen die Sprecher bzw Vorsitzenden dieser Gremien zu bdquoMittle-ren Fuumlhrungskraumlft enldquo werden Neue Gremien einzurichten empfi ehlt sich nicht weil dadurch die bestehenden veroumlden wuumlrden und zudem Doppelstrukturen entstehen koumlnnten Entwicklungsperspektive fuumlr alle der genannten Gremien waumlren Professio-nelle Lerngemeinschaft en in denen Lehrer von Lehrern lernen z B wie Ziele ver-einbart werden welche bewaumlhrte Praxis in der Schule bereits besteht oder wie neue Formen des Unterrichts evaluiert werden koumlnnen Auch Coaching und ein regelmaumlszligi-ger Austausch uumlber die Feedbackpraxis gehoumlrt zur Arbeit von Professionellen Lernge-meinschaft en

Schlieszliglich spielt beim Change Management die kulturelle Komponente eine wich-tige Rolle geht es doch darum eine anspruchsvolle und entspannte Lernkultur zu

Transfer von Innovationen im Schulbereich 59

schaff en Es sollen auch nicht nur die ohnehin aktiven Mitglieder der Steuergruppe oder der genannten Gremien mitwirken sondern letztlich alle im Kollegium beteiligt werden ndash was meistens auch bedeutet mit Widerstand umzugehen Gelingt das z B in Form der Etablierung einer schulweiten Feedback- Hilfe- oder Fehlertoleranzkul-tur so entsteht nach und nach eine neue Lernkultur

Change Management arbeitet mit den genannten vier Komponenten Die Reihen-folge ist nicht vorgegeben Sie haumlngt von der Strategie ab Entscheidend ist dass alle vier Elemente des Change Managements im Spiel sind und bleiben und in einen plau-siblen d h prozesslogischen und ganzheitlichen Zusammenhang gebracht werden

4 Transfer durch Personen

Wenn schon Wissen Methoden und Materialien fuumlr anspruchsvolle Transfers nicht ausreichen dann muumlssen innovationserfahrene Personen welche die im Fokus ste-hende Innovation mitentwickelt haben mit den Innovationen sozusagen mitgehen und zwar im vollen Sinn des Worts Ohne Naumlhe uumlbertraumlgt sich wenig Es sollen ja nicht nur Wissen Konzepte Werkzeuge und Verfahren sondern auch Werte Haltun-gen und Uumlberzeugen transferiert werden Letztere werden von Personen verkoumlrpert Transfer von Prototypen ist auch Transfer von Erfahrungswissen dieses ist an Per-sonen gebunden Deshalb gehoumlrt es zu den intensivsten Formen des Transfers dass Prototypen von weiteren Einrichtungen bdquogeholtldquo werden die sie nicht entwickelt ha-ben Und wenn Personen von denen die Prototypen stammen mit den Prototypen bdquomitwandernldquo dann waumlchst auch die Wahrscheinlichkeit dass die bdquoNacherfi ndungenldquo durch die bdquofremdenldquo Organisationen gelingen

Die Stufen drei und vier des Transfers (Abb 1) beziehen sich auf intensiven Trans-fer mit Tiefgang Sie benoumltigen Personen die an der Entwicklung der Prototypen be-teiligt waren und zwar u a solchebull die innerhalb ihrer Schule in eine andere Fachgruppe oder andere Stufenkonferenz

wechseln oderbull die eine Woche lang mit einem Prototypen in eine andere Schule gehen oderbull die ein halbes Jahr in einer anderen Schule arbeiten oderbull als Schulleiterinnen und Schulleiter eine Schulleitung in einer anderen Schule be-

gleiten sie sozusagen doppeln und ihr Feedback geben (bdquoShadowingldquo)

Es sind weitere Formate denkbar In England wird bdquoTransfer durch Personenldquo bereits seit Laumlngerem praktiziert zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist er auch in Deutschland gang und gaumlbe Auch Schulen die einen Schulpreis gewonnen haben wie die Grundschule bdquoKleine Kielstraszligeldquo in Dortmund praktizieren Transfer durch Personen z B indem Konrektorinnen und Konrektoren dieser Schulen Rekto-ren in anderen Schulen werden und dort versuchen bewaumlhrte Innovationen nachzu-erfi nden In vielen Schulen riecht bdquoTransfer durch Personenldquo noch nach Uumlberforde-rung Das muss nicht zutreff en Transfer wird nicht als Belastung empfunden werden wenn das zu transferierende UE-Konzept bzw der Prototyp nuumltzlich notwendig und

Hans-Guumlnter Rolff 60

bedeutungsvoll ist Dann koumlnnte Transfer vielmehr Begeisterung wecken und Motiva-tion fuumlr Innovation schaff en

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Martin Heinrich und Gabriele Klewin

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquoZum Problem der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierung sowie den Chancen und Grenzen von Praxisforschung als Alternative oder Ergaumlnzung

Th us the evidence-based strategy seems to have come full circle originating from dissatisfaction with teacher-led school improvement it was looking for external instruments to direct and speed up change only to arrive at the insight that it cannot do without teachers who are more then just technicians of an applied technology but who are professionals (Altrichter amp Posch 2014 S 17)

1 Praxisforschung als Antwort auf Probleme des bdquoEvidenz-Transfersldquo

Der eingangs zitierte Passus von Altrichter und Posch dokumentiert unseres Erach-tens sehr klar und pointiert die Entwicklungsgeschichte des bdquoKonzepts der Evidenzba-sierungldquo1 bzw der bdquoevidenzbasierte[n] Politikgestaltungldquo (Bieber Martens Niemann amp Windzio 2014 S 44) also der bdquoEvidenzbasierten Steuerungldquo bzw der so genann-ten bdquoevidence-based-policyldquo (Heinrich 2010) in den letzten Jahren Angefangen von der Frustration uumlber mangelnde Wissenschaft sbasiertheit lokaler Schulentwicklungs-prozesse uumlber die Hoff nungen einer Evidenzbasierung durch das Wissenschaft ssystem bis hin zur erneuten Frustration der mangelnden Adaptivitaumlt des Praxissystems gegen-uumlber den Angeboten aus der Wissenschaft

Die Geschichte des EMSE-Netzwerks laumlsst sich gleichsam als parallele Dokumenta-tion dieser bdquoKurzgeschichteldquo des Programms der Evidenzbasierten Steuerung von Alt-richter und Posch lesen Ausgehend von den Innovationen im Wissenschaft sbereich die durch die Large-Scale-Assessments und die Vergleichsarbeiten die Hoff nung ga-ben empiriegestuumltzte Schulentwicklung nunmehr systematisch betreiben zu koumlnnen gruumlndete sich das Netzwerk um auch in der Bildungsadministration den Landesins-tituten und den sich in den folgenden Jahren ausdiff erenzierenden Referaten fuumlr Qua-litaumltssicherung in den Ministerien bzw den Qualitaumltsagenturen sich selbst zu profes-

1 Beelmann (2014 S 62) defi niert das Konzept der Evidenzbasierung dabei wie folgt bdquoMit die-sem Konzept wird der Anspruch formuliert professionelle Handlungsstrategien und -empfeh-lungen auf gepruumlft es Wissen aus empirischen Untersuchungen zu stuumltzenldquo

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 62

sionalisieren und um diesen Prozess voranzutreiben Diese Professionalisierung im Rahmen des EMSE-Netzwerks war dahingehend erfolgreich dass es uumlber Jahre hinweg bis heute mithilfe von Tagungen und Diskussionen gelang diesen Grundgedanken vo-ranzutreiben Zugleich wurden im Netzwerk indessen die Stimmen lauter die auf die Rezeptionsproblematik der Evidenzen fuumlr eine datengestuumltzte Schulentwicklung ver-wiesen (bereits Positionspapier zu den bdquoZentrale[n] standardisierte[n] Lernstandser-hebungenldquo Dobbelstein Peek amp Steff ens 2008) Auch die aktuelle Problemskizze zum bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschungldquo die auf der 22 EMSE-Tagung 2016 im Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichi-schen Schulwesens (BIFIE) in Salzburg diskutiert und deren Th ematiken in Form von Vortraumlgen ausdiff erenziert behandelt wurden (die Dokumentation der Problemskizze und der Tagungsbeitraumlge im vorliegenden Band) thematisiert die mangelnde Rezep-tion von Forschungsergebnissen der empirischen Bildungsforschung

Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Forschungsbefunde vorliegen die Anregungen fuumlr eine Beruumlcksichtigung in der Praxis auf der System- Schul- und Unterrichtsebene liefern so faumlllt gleichzeitig auf dass sie kaum einen praktischen Niederschlag erfahren haben [hellip] Die paumldagogische Praxis scheint sich entweder nachhaltig gegenuumlber diesem Programm der Evidenz-basierung zu sperren (Heinrich 2015c) oder die Befunde nur halbherzig auf-zugreifen (Th iel et al 2013) (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 S 2)

Folgt man nun Pant (2014 S 80) der sowohl als Zielbestimmung Evidenzbasierte Steuerung formuliert

Im Kern geht es darum ob und wie es gelingt Evidenz hinsichtlich der Wirksamkeit paumldagogischer und bildungspolitischer Maszlignahmen zur Ver-fuumlgung zu stellen um diese in datengestuumltzte Entwicklungskreislaumlufe der Unterrichts- Schul- und Bildungsqualitaumlt einspeisen zu koumlnnen

als auch reklamiertJede evidenzbasierte Entscheidung fuumlr eine bestimmte Maszlignahme muss ih-rerseits auf ihre Eff ekte hin uumlberpruumlft werden und das Evaluationsergebnis in den Entwicklungskreislauf einfl ieszligen (ebda)

so bedarf es einer kritischen Bewertung des Programms der Evidenzbasierung da der avisierte bdquoZusammenhang zwischen evidenzbasierter Bildungspolitik sowie Bildungs-praxis und der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Oumlff entlichkeitldquo (Bromme amp Prenzel 2014 S 2) sich als problematisch erweist

Folgt man hierbei der eingangs zitierten Diagnose von Altrichter und Posch so besteht ein wesentliches Merkmal des Transferproblems in der mangelnden Beruumlck-sichtigung der Konstitutionsbedingungen der Lehrerschaft als Profession und in ihren eigenen Handlungslogiken im Vergleich zur Forschungslogik der Wissenschaft und ihren Vorstellungen von bdquoEvidenzenldquo

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 63

Vor dem Hintergrund dieser Defi zitdiagnose ist es dann nur folgerichtig wenn Altrichter und Posch die Aktionsforschung als moumlgliche Antwort auf dieses Prob-lem der mangelnden Beruumlcksichtigung der Profession anbieten bdquoAction research has something to off er when it comes to supporting active and refl ective teachingldquo (Alt-richter amp Posch 2014 S 23) Und auch in der EMSE-Problemskizze wird neben dem geforderten Wissenschaft s-Praxis-Dialog der Entwicklung und Bereitstellung von Praxistheorien sowie der Option von Begleitforschung explizit auch Praxisforschung (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016im vorliegenden Band) als eine moumlgliche Strategie zur Bewaumlltigung des Problems der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierten Steuerung genannt

Im Folgenden moumlchten wir den im EMSE-Papier nur skizzenhaft dargestellten und damit eher programmatisch reklamierten Anspruch dass Praxisforschung hier eine plausible Alternative bieten koumlnnte bzw eine hochfunktionale Ergaumlnzung des Pro-gramms der Evidenzbasierten Steuerung sein koumlnnte etwas ausdiff erenzierter ent-falten (Kap 3) Bevor dies allerdings geschehen kann sollen zunaumlchst einige Prob-lemlagen beschrieben werden die sich bereits immanent aus dem Programm der Evidenzbasierten Steuerung ergeben (Kap 2) In einem Fazit (Kap 4) versuchen wir dann ein vorlaumlufi ges Resuumlmee zur aus unserer Sicht sehr komplexen Gemengelage vorzunehmen Doch zunaumlchst zum Problemgehalt der sich bereits jenseits der Fra-ge nach der Professionssensibilitaumlt schon durch immanente Spannungen bzw Wider-spruumlchlichkeiten des Programms der Evidenzbasierten Steuerung ergibt

2 Von den immanenten Widerspruumlchen des Programms der Evidenzbasierten Steuerung und dem Problem des Transfers von Evidenzen

Die Chancen fuumlr eine erfolgreiche bzw programmgetreue Implementierung eines Pro-gramms steigen mit der Eindeutigkeit dessen was in dem Programm verwirklicht werden soll Im vorliegenden Fall des Programms der Evidenzbasierten Steuerung bzw der sogenannten Evidence-Based Policy zeigt sich hier schon ganz zu Beginn der Refl exion dass schon der zentrale Begriff des Programms der Evidenzbegriff hoch-gradig problematisch bzw missverstaumlndlich ist Dies haumlngt nicht nur aber sicherlich zum Teil auch mit dem Umstand zusammen dass das Programm einen Import aus dem angloamerikanischen Sprachraum darstellt und hier in der Uumlbersetzung des Pro-gramms im wortwoumlrtlichen Sinn bereits das erste Problem entsteht

Im deutschen Sprachgebrauch sprechen wir von Evidenz wenn etwas augen-scheinlich ist Etwas gilt als evident wenn es nicht erklaumlrt oder begruumlndet werden muss sondern sich von selbst versteht [hellip] Der geaumluszligerte Gedanke ist ohne eine weitere Form der Begruumlndung plausibel und uumlberzeugend So-mit bricht etwas das als evident gilt einen argumentativ gestuumltzten Diskurs ab Es muss nichts weiter gesagt werden die Auseinandersetzung ist an ihr Ende gekommen (Jornitz 2008 S 206 f)

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 64

Paradoxerweise enthaumllt diese Idee von bdquoEvidenzldquo durchaus etwas Dogmatisches bzw Nichtdiskursives indem in dieser Evidenzvorstellung streng genommen kein Ver-handlungsspielraum mehr vorliegt da wissenschaft stheoretisch gesprochen beim Vor-liegen einer Evidenz alle weitere Diskussion sich eruumlbrigt da das Wesen des Evidenten ebengenau darin besteht dass es augenscheinlich so richtig ist dass es kaum noch de-mentiert werden kann ohne dass man hierbei selbst als irrational erscheinen wuumlrde

Dieses Missverstaumlndnis ergibt sich aber nur wenn man ndash wie es dann aber eben fuumlr deutsche Muttersprachlerinnen kaum anders moumlglich ist ndash die deutsche Semantik des Evidenzbegriff s unbewusst immer schon mitdenkt Demgegenuumlber gestaltet sich dieser Zusammenhang im angloamerikanischen Sprachraum einfacher

Das Englische unterscheidet zwischen self-evidence und evidence Als bdquoself-evidenceldquo wird das verstanden was im Deutschen als Evidenz gilt eine Off enbarung ohne weitere Legitimation sich selbst evident sein bdquoEvidenceldquo hingegen [hellip] kann jedes bdquoMittel der Bestaumltigung und Rechtfertigung einer Annahmeldquo sein auch alles bdquowas Grundlage einer Meinungldquo [hellip] ist [hellip] Diese im Deutschen und Englischen uumlber Kreuz gehenden Begriff sverstaumlnd-nisse erschweren die Klaumlrung dessen was mit einer evidenzbasierten Paumlda-gogik gemeint sein koumlnnte (Jornitz 2008 S 207)

Jornitz illustriert diesen Gedanken dann noch am Beispiel amerikanischer Spielfi lme innerhalb derer im Gerichtssaal die Zeugenaussage mit den Worten eingeleitet wird dass der Zeuge aufgefordert wird bdquoto give evidenceldquo damit das Gericht entlang die-ser Evidenzen sein Urteil faumlllen kann Wenn diesem Sprachgebrauch zufolge eviden-ce damit nun bdquojedes sbquoMittel der Bestaumltigung und Rechtfertigung einer Annahme sein kannldquo (s o) dann wird unmittelbar deutlich dass der angloamerikanische Evidenz-begriff sehr viel besser anschlussfaumlhig ist an unsere wissenschaft stheoretischen Vor-stellungen der prinzipiellen Unabgeschlossenheit der Suche nach Wahrheit der damit verbundenen Vorlaumlufi gkeit aller Forschungsergebnisse und der auch in vielen For-schungsdesigns eingelassenen Zuruumlckhaltung So etwa wenn sowohl in quantifi zieren-den Verfahren immer nur von Hypothesenpruumlfung im Popperrsquoschen Falsifi kationssin-ne ausgegangen wird und auch in rekonstruktiv-kasuistischen Verfahren man gerne den Begriff der bdquoFallstrukturhypotheseldquo verwendet d h dem auch sprachlich darin zum Ausdruck kommenden Wissen folgt dass die vorgelegte Untersuchung immer mit dem Problem der Vorlaumlufi gkeit und der Unabgeschlossenheit allen Wissens bzw aller Wahrheitssuche unterliegt Bromme Prenzel amp Jaumlger versuchen diese interkultu-relle Diff erenz wissenschaft shistorisch bzw wissenschaft ssystematisch aufzuheben

Die neueren Diskussionen uumlber Evidenzbasierung im Bildungsbereich wer-den von einem Evidenzbegriff gepraumlgt der dem naturwissenschaft lich-em-pirischen (und nicht dem geisteswissenschaft lich-hermeneutischen) Konzept entspricht (Bromme Prenzel amp Jaumlger 2014 S 6)

Die Konsequenz fuumlr das Begriff sverstaumlndnis ist allerdings aumlhnlich wie bei Jornitz der-zufolge ja evidence dann bdquojedes sbquoMittel der Bestaumltigung und Rechtfertigung einer An-nahmelsquo sein kannldquo (s o) denn Bromme Prenzel amp Jaumlger formulieren bdquoEvidenz im

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 65

naturwissenschaft lichen Sinn dient eher als Beleg denn als Beweis fuumlr Vermutungen oder Th eorienldquo (Bromme et al 2014 S 6)

Legt man diesen Evidenzbegriff zugrunde so wird deutlich dass alle die eine Evi-denzorientierung reklamieren damit erst recht in der Begruumlndungspfl icht stehen ihr abschlieszligendes Urteil zu legitimieren ndash aumlhnlich wie der Richter oder die Richterin im von Jornitz zitierten Beispiel

Die Behauptung der Evidenzorientierung erzeugt damit eine besondere Form der Legitimationsnotwendigkeit ja geradezu einen auf Kohaumlrenz zielenden Rechtferti-gungszwang Denn niemand wuumlrde das Urteil eines Richters oder einer Richterin ak-zeptieren wenn dieser oder diese nicht in irgendeiner Art und Weise plausibilisieren koumlnnte wie er oder sie von den Zeugenaussagen und den damit vorliegenden Eviden-zen zur verkuumlndeten Schlussfolgerung also dem abschlieszligenden Urteil gelangt Mit anderen Worten Evidenzen dieser Art schlieszligen nicht eine Diskussion ab ndash wie dies mit Blick auf den deutschen Evidenzbegriff der Fall waumlre ndash sondern bilden zuallererst den Anfang einer ausfuumlhrlichen Begruumlndungspfl icht

Ein Schluumlsselproblem besteht in der bdquoUumlbersetzungldquo von Befunden in Evi-denz Dies ist ein Prozess der Forschungssynthese der zugleich eine Bewer-tung der Belastbarkeit unterschiedlicher Arten von Forschungsergebnissen umfasst Wir sprechen also von evaluativer Forschungssynthese um hervor-zuheben dass es nicht bloszlig um eine Befundaggregation gehen kann Die Be-wertung von Forschungsergebnissen muss dann je nach bildungspolitischer Fragestellung und je nach Art des erzeugten Wissens unterschiedlich erfol-gen (Bromme et al 2014 S 18)

Allerdings zeigen bildungshistorische Studien dass solche Vorstellungen einer Evi-denzbasierung im oumlff entlichen Diskurs schon seit uumlber hundert Jahren auch im an-gloamerikanischen Sprachraum oft mals nicht diesem Begruumlndungszwang folgten sondern zur Mystifi zierung (Bellmann 2012) bzw bdquoTaylorisierungldquo (Waldow 2012) genutzt wurden und somit von Anfang an auch das amerikanische Programm einer evidence-based policy empirisch nie das hielt was es an Aufk laumlrung versprach (Bies-ta 2007 Heinrich 2018)

Hieraus ergeben sich weitreichende Problematiken fuumlr eine bdquoevidence-based po-licyldquo denn eine Politik die sich auf Evidenzen beruft muumlsste streng genommen die Plausibilitaumlt ihres Ruumlckgriff s auf die Evidenzen selbst leisten Mit anderen Worten Die Bildungspolitik und die Bildungsadministrationen muumlssten streng genommen die empirischen Untersuchungen nicht nur selbst verstehen koumlnnen sondern sie auch dem Volk bzw den Lehrkraumlft en die sie beauft ragen erklaumlren koumlnnen um aumlhnlich wie der Richter oder die Richterin ihre politische Entscheidung zu legitimieren

Das Gegenteil ist leider oft mals der Fall Die Evidenzen werden seitens der Bil-dungspolitik oft mals als Autoritaumltsargument der Wissenschaft genutzt gerade nicht um die Details der Untersuchung darzustellen ihre Grenzen zu refl ektieren und moumlg-liche Handlungskonsequenzen daraus abzuleiten sondern um die Frage nach der Le-gitimitaumlt ihrer politischen Entscheidung mit einem kurzen und buumlndigen Hinweis auf die wissenschaft liche Autoritaumlt zu beenden

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 66

Im Rahmen von bdquodata-driven reformsldquo sind Daten und Verfahren der Mes-sung des Monitorings und der Evaluation zentrale Modi einer hypertech-nokratischen Steuerung durch Information Erziehungswissenschaft und Bil-dungsforschung ruumlcken damit noch naumlher an die Bildungspolitik heran ja sie werden Teil eines sich etablierenden Systems der bdquoEvidenzproduktionldquo dessen eindeutige Zuordnung zur Politik oder zur Wissenschaft Schwierig-keiten bereitet (Bellmann 2015 S 46)

Mit dieser Delegation der Entscheidungsverantwortung der Bildungspolitik an die Bil-dungsforschung die damit zur politischen Wissenschaft wird (Bellmann 2015 Oel-kers 2015 Forster 2015) erzeugt diese Auslegung des Programms einer Evidenzba-sierung wie schon vor nunmehr fast zehn Jahren argumentiert systematisch nicht den zwanglosen Zwang zum besseren Argument im Sinne einer Habermasrsquoschen Dis-kursethik (Habermas 1991) innerhalb derer alle gleichberechtigt im herrschaft sfrei-en Diskurs ihre Position vertreten koumlnnen sondern die Wissenschaft reklamiert ein Praumlrogativ der Deutungshoheit gegenuumlber der Handlungslogik der Praxis und evoziert damit einen bdquoDiskursabbruchldquo

Das haumlngt durchaus mit einem methodologischen Problem zusammen Bil-dungsforschung hat sich in ihren Methoden so weit ausdiff erenziert dass Evidenz als das bdquoAugenscheinlicheldquo kaum noch anzutreff en ist Evidenz er-scheint demgegenuumlber im Medium von Forschungsdesigns immer nur noch als vielfach bdquovermittelteldquo Nicht einmal fuumlr die bdquoLogik des besseren Argu-mentsldquo ist die Urteilskraft des Common Sense noch ausreichend da fuumlr Bil-dungsforscherinnen ein Blick auf das Schaubild einer Pfadanalyse durchaus Dinge als bdquoevident per Augenscheinldquo werden lassen kann was sowohl fuumlr die Bildungspolitik als auch fuumlr Lehrerinnen und Lehrer in Schulen damit noch lange keine Evidenz hat (Heinrich 2010 S 52)

Folgerichtig ndash aber damit allerdings auch die politische Schlagkraft des eigenen Pro-gramms torpedierend ndash formulieren Bromme Prenzel amp Jaumlger bdquoIm Zentrum steht die Frage wie die Rezeption von Befunden der empirischen Bildungsforschung und ihre Uumlbersetzung in Evidenz verbessert werden koumlnnenldquo (Bromme et al 2014 S 5) bdquoEvi-denceldquo ist damit eben nicht mehr bdquoself-evidenceldquo sondern muss erst in diese bdquouumlber-setztldquo werden2

Die Uumlbersetzungsbemuumlhungen bzw Versuche der kommunikativen Vermittlung zeigen sich exemplarisch am Beispiel der Schulinspektion (Heinrich 2015b 2015c 2018) indem aumlltere Begriffl ichkeiten wie bdquodatenbasiertldquo oder bdquodatenorientiertldquo oder gar bdquodatengetriebenldquo ersetzt werden durch Termini wie bdquoDeutungsangebotldquo Diedrich

2 Unberuumlcksichtigt bleibt bei dieser Darstellung zunaumlchst dass Bildungspolitik natuumlrlich oft mals auch sehr selektiv auf empirische Studien zuruumlckgreift je nachdem inwiefern die Befunde dem politischen Kalkuumll folgen Bellmann (2015) hat in diesem Zusammenhang auf die Proble-matik verwiesen dass die Bildungspolitik droht ihre Eigenstaumlndigkeit zu verlieren d h ihrem proprium zu folgen politische Entscheidungen selbst zu treff en wenn sie tatsaumlchlich ihre ei-gene Entscheidungsautonomie an die empirische Wissenschaft abgeben wuumlrde Die empirische Bildungsforschung wuumlrde dann naumlmlich zum Politikersatz (Forster 2015)

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 67

(2015 S 432) spricht von einer bdquoWendung Vom Objektivitaumltsanspruch zum Deutungs-angebotldquo

Uumlbertraumlgt man dieses Ergebnis der Begriff sklaumlrung nunmehr auf den Gedan-ken des Transfers von Evidenzen ergibt sich damit eine bdquoSchnittstellenproblematikldquo (Heinrich 2011) Diese wird allerdings seit der bdquoempirischen Wendeldquo (Lange 2008) in der Bildungsforschung zwar gesehen und als Herausforderung benannt (Heinrich 2016a 2016b Herzog 2012) was aber nicht zu einer grundsaumltzlichen Einsicht in die Fraglichkeit des Programms fuumlhrt (Bromme amp Prenzel 2014) Vielmehr wird dieses ndash auch in seinen Implementierungsproblematiken ndash immer diff erenzierter beschrieben (Bieber et al 2014) zugleich aber nur in den seltensten Faumlllen radikaler infrage ge-stellt (Boumlttcher 2013)

So raumlumt auch Tenorth (2015 S 276) ein dass die derzeitige Misserfolgswahrneh-mung Resultat bdquouumlberzogener Versprechenldquo sei wie bspw der bdquoAmbition Lehrplaumlne oder andere Programme wissenschaft sbasiert defi nitiv ableiten und professionsbasiert vielleicht sogar professionsresistent realisieren zu koumlnnenldquo (Tenorth 2015 S 276) Zu-gleich aber off enbare die Kritik an der Politisierung der Wissenschaft en dass sich ein

Wandel im Bewusstsein von Politik und Wissenschaft ereignet hat und zu-gleich dass das relevante Publikum von Bildungsforschung nicht mehr nur das paumldagogische Milieu und die eigene Profession ist sondern die mit Poli-tik und Administration und einer breiten Oumlff entlichkeit eingeschlossen Wirtschaft und Gewerkschaft en gegebenen Referenzen im Bildungssystem (Tenorth 2015 S 268)

Durch die Dominanz dieser anderen gesellschaft lichen Instanzen wird die bildungs-politische und mediale Aufl adung des Programms so groszlig dass der Druck auf die Profession der Lehrkraumlft e steigt und in der Argumentation die mangelnde Sensibilitaumlt fuumlr die paumldagogische Handlungslogik vor Ort also die fuumlr die Implementierung not-wendige Professionssensibilitaumlt wie sie Altrichter und Posch reklamieren im Kampf um Deutungshoheit der evidenzbasierten Steuerung an Bedeutung verliert In den Zeiten vor der bdquoempirischen Wendeldquo (Lange 2008) d h vor dieser bildungspoliti-schen und medialen Aufl adung des Programms der Evidenzbasierten Steuerung wur-de der Hiatus zwischen Forschungswissen und Professionswissen auch von Tenorth noch viel schaumlrfer betont

[hellip] dass sich Professionswissen und Forschungswissen trotz mancher for-maler Aumlhnlichkeit nicht aufeinander reduzieren und ebenso nur nach ihrer eigenen Logik verbessern lassen [hellip] Die Profession lernt nur aus der pro-fessionellen Praxis die Forschung lernt nur aus Forschungsprozessen bei-de lernen jedenfalls nicht bdquounmittelbarldquo vom anderen und auch nicht da-durch dass sie ihren jeweiligen Funktionsprimat suspendieren (Tenorth 1990 S 93)

Im Sinne Altrichters und Poschs moumlchten wir im Folgenden pruumlfen inwiefern sowohl dem bdquospaumlten Tenorthldquo (2015) als auch dem bdquofruumlhen Tenorthldquo (1990) zu widersprechen sei indem sowohl gilt dass das Programm der Evidenzbasierten Steuerung die paumlda-

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 68

gogischen Normative der Praxis nicht vergessen darf (Heinrich 2015a als Kommen-tierung von Tenorth 2015) d h professionssensibler werden muss als auch infrage steht ob es nicht doch eine Moumlglichkeit gaumlbe dass Profession und Forschung bdquounmit-telbarldquo (s o) voneinander lernen ndash naumlmlich im Modus der Praxisforschung (Kap 3) oder daran angelehnten neuen Formen der bdquoBildungsforschungldquo (Kap 4)

3 Zum Begriff der Praxisforschung und ihren Moumlglichkeiten und Grenzen fuumlr Transfer von Forschungswissen

Bevor die Moumlglichkeiten von Praxisforschung fuumlr Transferprozesse erlaumlutert werden gilt es kurz die Begriffl ichkeiten zu klaumlren Denn bereits in der Einleitung wurden zwei unterschiedliche Begriff e fuumlr die hier im Zentrum stehende Forschung genutzt Aktions- bzw Praxisforschung und es lassen sich weitere wie Handlungsforschung Teacher Research oder Lehrerforschung fi nden Trotz jeweils anderer Akzentuierung koumlnnen dennoch alle Ansaumltze Altrichter und Feindt (2004 S 84) folgend als eine bdquoFa-milieldquo angesehen werden Charakterisiert ist Praxisforschung der in diesem Kontext bevorzugte Begriff dadurch dass die Forschung in den Haumlnden der Praktikerinnen liegt Im vorliegenden Fall in den Haumlnden der Lehrkraumlft e Konkret bedeutet dies die Forschungsfragen sind solche der eigenen schulischen Praxis und das Ziel ist die Ver-aumlnderung besser die Verbesserung derselben (Tillmann 2007 Meyer 2010 Klewin Textor amp Schumacher 2016) Und auch fuumlr die Durchfuumlhrung sind die Lehrkraumlft e ver-antwortlich wobei sie in den meisten Projekten in unterschiedlichem Umfang von Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern unterstuumltzt werden bzw dauerhaft mit ih-nen kooperieren (Fichten amp Meyer 2009 Posch Rauch amp Mayr 2009 Hahn Heinrich amp Klewin 2014) In der Regel sind die Projekte kleinraumlumig angelegt und liefern loka-les Wissen Haumlufi g sind nicht ausschlieszliglich Forschungserkenntnisse das Ziel sondern auch konkrete Materialien fuumlr den Unterricht oder Konzepte fuumlr die jeweilige Einzel-schule

Dass diese systematische Auseinandersetzung mit einem Th ema die ebenfalls in einem gewissen Umfang die theoretische Aufarbeitung des Th emas einschlieszligt zu einer individuellen Professionalisierung der Beteiligten fuumlhrt wie Muumlller Andreitz und Mayr (2010) in ihrer Untersuchung festgestellt haben scheint auf den ersten Blick wenig uumlberraschend Transfer eruumlbrigt sich hier gleichsam dadurch dass der Ort der Wissensproduktion und die Erkenntniserweiterung die gleichen sind der Praxisfor-scher bzw die Praxisforscherin Im Sinne einer solchen Professionalisierung im und durch das eigene forschende Tun waumlre der Transfer dann automatisch immer schon gelungen zugleich aber auch nicht bdquotransferierbarldquo da notwendig gebunden an die jeweiligen Forscherinnen und ihre Erkenntnisgenerierungsprozesse selbst Es gaumlbe dann auf den ersten Blick nur die Alternative entweder alle auf Veraumlnderung des Sys-tems zielende Forschung als Praxisforschung zu konzipieren oder alternativ ande-re Formen des bdquoTransfers der nichttransferierbaren Forschungserfahrungldquo zu denken Gelaumlnge dies koumlnnte Praxisforschung eventuell genau die Aspekte von Professionalitaumlt foumlrdern die auch fuumlr das Gelingen der bisherigen Strategien notwendig waumlren

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 69

Obwohl Praxisforschung eine lange Tradition hat (Rauch Zehetmeier amp Erlacher 2014) liegen leider fuumlr den deutschsprachigen Raum nur wenige Untersuchungen zu den Eff ekten von Praxisforschung vor Die vorliegenden bestaumltigten die Ergebnisse von Muumlller et al bezogen auf die individuelle Ebene der Lehrkraumlft e (Fichten amp Mey-er 2006 Hollenbach amp Klewin 2008 Zehetmeier 2010) Vereinzelte Hinweise gibt es auch dafuumlr dass innerhalb der Schule der Praxisforschungsakteure ein interner Trans-fer stattfi ndet (Fichten 2014)

Da es bislang zu wenig empirisch gesicherte Ergebnisse fuumlr eine generalisierba-re Wirksamkeitsbehauptung im Sinne einer universalisierbaren indikatorengestuumltzten Outputevalution gibt moumlchten wir uns zunaumlchst der konzeptionellen Ebene zuwen-den um im Sinne einer theoretisch-praktischen Inputevaluation zu uumlberlegen welche Konzeption von Praxisforschung und welche Bedingungen dafuumlr existieren muumlssten um eine Wirksamkeit von Praxisforschung wahrscheinlich zu machen

Wie oben bereits beschrieben sind bdquoProdukteldquo von Praxisforschung nicht auf For-schungsergebnisse beschraumlnkt sondern koumlnnen auch Unterrichtsmaterialien Kurs-konzepte schulweite Maszlignahmen u a umfassen die als Innovationen innerhalb der Schulpraxis aufgefasst werden koumlnnen Hinsichtlich des Transfers ist zwischen beiden bdquoProduktenldquo zu unterscheiden Vielleicht liegt hier ein entscheidender Vorteil von Pra-xisforschung gegenuumlber der aktuell-dominanten Form empirischer Bildungsforschung in der Tatsache dass Forschung nicht bei den Forschungsergebnissen stehen bleibt sondern diese in Maszlignahmen umsetzt die bereits die erste Praxispruumlfung im Entste-hen hinter sich haben Demgegenuumlber bleiben Projekte der empirischen Bildungsfor-schung entweder oft mals Formen der Operationalisierung fuumlr die paumldagogische Pra-xis schuldig oder es mangelt ihnen bspw im Falle von Interventionsstudien angesichts der Spezifi k der Treatments und der Laborsituationen an oumlkologischer Validitaumlt

Um dies zu untermauern sollen allgemeine Kriterien fuumlr gelingenden Transfer von Innovationen angelegt werden an Innovationen die im Rahmen von Praxisforschung entstanden sind Wir beziehen uns dabei auf die Erarbeitung und Zusammenstellung von Koch (2011 und 2016) Einschraumlnkend muss gesagt werden dass wir uns hier auf einen Ausschnitt des gesamten Transferprozesses beziehen auf den Entstehungskon-text der Rezeptionskontext wird in weiten Teilen ausgeblendet (ebd) Demnach ist eine Innovation dann transferfaumlhig wenn sie auf einen wirklichen bdquoinnerschulischen Bedarf ldquo trifft und in der Lage ist ein bdquoKonzept zur Bearbeitung eines Problemsldquo zu bieten sowie bdquoan Bestehendes anknuumlpfb arldquo ist und bdquopassgenau mit Blick auf Zielgrup-peldquo konstruiert ist bdquoImplementationshinweiseldquo auff uumlhrt und bdquodokumentiertldquo (Koch 2016 vgl auch Hahn Klewin Koch Kuhnen Palowski amp Stiller in diesem Band)

Fuumlr den internen Transfer innerhalb der Schule in der eine Praxisforschungsgrup-pe arbeitet lassen sich die meisten dieser Kriterien recht gut mit den Merkmalen von Praxisforschung uumlbereinbringen So bedingen die Entstehung der Forschungsfragen aus der Praxis und das Ziel die Praxis zu verbessern dass ein bdquoinnerschulischer Be-darf ldquo gegeben ist und das zugrundeliegende Problem bearbeitet wird Auch die Krite-rien bdquoan Bestehendes anknuumlpfb arldquo und bdquopassgenau mit Blick auf Zielgruppeldquo ergeben sich sehr wahrscheinlich aus der Kenntnis des eigenen schulischen Kontextes der Pra-xisforschungsgruppe Das Kriterium der Dokumentation laumlsst sich aus den Kennzei-

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 70

chen von Praxisforschung ebenso wie das der Implementationshinweise nicht beant-worten Aus der Kenntnis einiger Praxisforschungsprojekte (Fichten amp Meyer 2009 Posch Rauch amp Mayr 2009 Hahn Heinrich amp Klewin 2014) laumlsst sich sagen dass dies Bestandteil der Arbeit ist haumlufi g in Form von Forschungsberichten Inwieweit diese Dokumentation so weit ausgebaut wird dass sie eine Grundlage fuumlr die Uumlber-nahme der Innovationen durch andere Lehrkraumlft e der Schule ist kann derzeit noch nicht beurteilt werden waumlre aber Aufgabe einer Implementationsforschung bzw Transferforschung im Rahmen von Praxisforschung Die Frage der bdquoImplementations-hinweiseldquo stellt sich dann nicht wenn die Praxisforschungsgruppe ihre Innovation selbst in die Schulentwicklung einfuumlhrt waumlre jedoch noumltig wenn auch unabhaumlngig da-von die Innovation genutzt werden soll

Vor der Problematisierung der Frage wie die Kriterien im Hinblick auf externen Transfer zu beurteilen sind soll noch die Transferwuumlrdigkeit betrachtet werden Hier-fuumlr ist die Einbeziehung von aktuellen theoretischen Grundlagen und Forschungs-ergebnissen gefordert (Koch 2016) was zwar nicht im selben breiten Umfang wie in rein universitaumlren Forschungsprojekten gegeben ist aber auch mit Blick auf die Merk-male von Praxisforschung Bestandteil ist

Der Rekurs auf bdquoRegelforschungldquo kann allerdings hierbei nicht als alleiniges Argu-ment fuumlr Transferwuumlrdigkeit gelten da Praxisforschung ja ndash aus den Problemlagen der alltaumlglichen Praxis folgend ndash oft mals bdquoandere Problemeldquo und diese dann zudem noch bdquoandersldquo erforscht und damit eine Dignitaumlt der Praxis vor aller Th eorie (und empiri-schen Bildungsforschung) reklamieren kann Insofern darf bei der Frage der Transfer-wuumlrdigkeit nicht die Gefahr einer Pfadabhaumlngigkeit uumlbersehen werden wenn hierbei die Regelforschung als alleiniger Maszligstab genommen wird Ansonsten ginge das In-novationsmoment der Praxisnaumlhe hierbei gegebenenfalls verloren

Hier erweist sich auch fuumlr die Transferfrage der typischerweise in der Bildungs-forschung formulierte Anspruch die entwickelten Maszlignahmen muumlssten ihre Wirk-samkeit durch Studien belegen die dem bdquoGoldstandardldquo der Wirkungsforschung ge-nuumlgen (kritisch dazu Wolff 2016) als problematisch Denn der hierbei formulierte Anspruch des bdquoGoldstandardsldquo ist selbst eine ideologische Formulierung ndash zumindest dann wenn man davon ausgeht dass das bdquoGoldeneldquo hier als das edelste Metall gilt Denn spaumltestens seit dem paradigmatischen Crash durch die viel zitierte Replikati-onsstudie (Open Science Collaboration 2015) die in der Psychologie weit reichende Konsequenzen hatte (Deutsche Gesellschaft fuumlr Psychologie 2015) muumlsste insbeson-dere im Kontext der empirischen Bildungsforschung deutlich sein dass es kaum Stu-dien geben wird die ndash uumlber den so genannten Goldstandard der Randomized Control Trials hinaus ndash empirisch auch die hohe Reliabilitaumlt von in der Breite implementierten Programmen und damit auch deren oumlkologische Validitaumlt belegen koumlnnten Uns ist zumindest keine Untersuchung bekannt die anhand einer statistisch hinreichend gro-szligen Stichprobe zeigen koumlnnte wie ein unter bdquoGoldstandardsldquo entwickeltes Treatment in der Flaumlche des Schulsystems reliable und oumlkologisch valide Eff ekte haumltte Hier ist allerdings zugutezuhalten dass die Forschungsfoumlrderung bislang auch keine Formate vorsieht solche Untersuchungen zu fi nanzieren sondern sich zumeist mit dem in La-borsituationen gewaumlhrleisteten bdquoGoldstandardldquo zufrieden gibt waumlhrend fuumlr den Trans-

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 71

fer im Sinne eines Programms der Evidenzbasierten Steuerung eigentlich ein bdquoPlatin-standardldquo der auch Reliabilitaumlt und oumlkologische Validitaumlt in der Flaumlche garantieren kann notwendig waumlre

Aus der Sicht von Praxisforschung waumlre dann allerdings selbst am Platinstandard problematisch dass Maszlignahmen die so konzipiert und evaluiert waumlren in der Re-gel eine genaue Befolgung des Programms also Programmtreue erfordern die dem Anspruch der an die Zielgruppe angepassten spezifi schen Loumlsung widerspricht und bei den meisten Lehrkraumlft en auf ebenjenen Widerstand stoszligen wuumlrde den Altrichter und Posch eingangs beschrieben hatten Jenseits der Tatsache also dass die Praxisfor-schung selbst den Platinstandard nicht erreichen koumlnnte waumlre dieser gemaumlszlig der in ihr vertretenen bdquoTransferlogikldquo noch defi zitaumlr da die Notwendigkeit zur lokalen Adaption der Evidenzen noch nicht hinreichend beruumlcksichtigt waumlre

Bislang wurde daher ja argumentiert dass gerade Innovationen die durch Pra-xisforschung entstanden sind gut fuumlr den internen Transfer geeignet sind Die Fra-ge des externen Transfers blieb damit allerdings ausgespart Auch hierfuumlr liegen so gut wie keine Studien vor Werden Konzepte deshalb besser angenommen weil sie praxis-naumlher entwickelt wurden Und sollte das zutreff en werden sie besser angenommen weil die Qualitaumlt fuumlr die Uumlbertragung in andere Schulen besser gegeben ist oder weil sie durch den Entstehungskontext den Stallgeruch bdquoSchuleldquo haben und nicht den der bdquoUniversitaumltldquo

Sollten die Vorteile die Innovationen von Praxisforschung in Bezug auf inter-nen Transfer haben sich nicht auf den externen Transfer uumlbertragen lassen hieszlige das dann bdquoPraxisforschung fuumlr alleldquo Zumindest fuumlr Letzteres lassen sich Alternati-ven fi nden So etwa die fruumlhere Bremer Schulbegleitforschung in der Lehrkraumlft e aus verschiedenen Schulen gemeinsam an einem Praxisforschungsprojekt gearbeitet ha-ben und so eine groumlszligere Breite erreicht werden konnte (Senatorin fuumlr Bildung 2007) Oder auch das oumlsterreichische Projekt bdquoInnovationen machen Schulen TOPldquo (IMST 2018) in dem uumlber Netzwerke eine groumlszligere Beteiligung erreicht wird

4 Ausblick

Wir hoff en dass wir mit den vorangegangenen Ausfuumlhrungen zeigen konnten dass sowohl das Programm der Evidenzbasierten Steuerung bislang die Transferfrage noch nicht befriedigend beantworten konnte und es daher der Suche nach Alternativen be-darf zugleich aber auch das im Zentrum dieses Beitrags stehende Alternativangebot der Praxisforschung immanente Beschraumlnkungen in sich traumlgt

Haumllt man allerdings an der Idee einer wie auch immer gearteten kollaborati-ven Praxis von Forscherinnen und Forschern einerseits und Praktikerinnen und Praktikern andererseits fest stellt sich die Frage inwiefern sich nicht aus den Pro-blembestimmungen der beiden Alternativen d h der klassischen empirischen Bil-dungsforschung mit Goldstandard und der Praxisforschung Hinweise fuumlr eine pro-fessionssensiblere und damit besser auf den Transfer ausgerichtete Bildungsforschung

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 72

ableiten lassen So etwa die Notwendigkeit der lokalen Adaptivitaumlt der ggf durch Netzwerke Professioneller besser Rechnung getragen werden kann

Im Folgenden moumlchten wir andeuten dass wir hier derzeit erste Schritte in die Richtung einer staumlrkeren Verschraumlnkung der beiden Traditionslinien der empiri-schen Bildungsforschung und der Praxisforschung gehen so etwa wenn wir in zwei BMBF-Forschungsprojekten zum Th emenbereich der schulischen Inklusion klassische empirische Bildungsforschung mit Unterstuumltzung von Lehrerforscherinnen und -for-schern durch Praxisadaption kombinieren

So werden in einem BMBF-Verbundprojekt der Universitaumlten Bielefeld Flensburg Frankfurt am Main und Siegen zur bdquoProfessionalisierung durch Fallarbeit fuumlr die in-klusive Schule (ProFiS)ldquo (FKZ 01NV1702A-D) zunaumlchst in Form klassischer rekons-truktiver Bildungsforschung (Heinrich amp Wernet 2018) kasuistische Fallstudien be-trieben die dann in Kooperation mit Lehrerforscherinnen und Lehrerforschern des Oberstufen-Kollegs an der Universitaumlt Bielefeld in ein bdquoFortbildungskonzept zur Rol-lenklaumlrung paumldagogischer Akteure durch Fallarbeit anhand governanceanalytischer Rekonstruktionen zur neuen Akteurskonstellation durch Schulbegleitungldquo uumlberfuumlhrt werden sodass hier die Expertise von Lehrerforscherinnen und Lehrerforschern ge-nutzt werden kann um die Adaption der Befunde der Forschungsprojekte fuumlr Lehrer-fortbildungen (und damit fuumlr den Transfer) sicherzustellen

Vergleichbares gilt fuumlr das BMBF-Verbundvorhaben bdquoRefl exion Leistung amp Inklu-sion (Re-L_ink)ldquo (FKZ 01NV171 OC) in dem zunaumlchst in einem methodentriangula-tiven Design durch Forscherteams an den Universitaumlten Frankfurt am Main und Han-nover Schulfallstudien zu bdquoQualifi zierungserfordernissen fuumlr einen refl exiven Umgang mit Leistung in der inklusiven Sekundarstufeldquo erstellt werden um dann im letzten Drittel der Projektlaufzeit erneut in Kooperation mit Lehrerforscherinnen und Leh-rerforschern des Oberstufen-Kollegs an der Universitaumlt Bielefeld diese Befunde in ein bdquoFortbildungskonzeptldquo zu uumlberfuumlhren das wiederum evaluiert wird sowie in die Kon-zeption einer schulinternen Lehrerfortbildung (SchiLF) Auch hier ist die Hoff nung dass es durch die Integration der Expertise der Lehrerforscherinnen in das For-schungsteam gelingt entgegen dem Tenortrsquoschen Verdikt (s o) Forscherinnen sowie Lehrkraumlft e unmittelbar voneinander lernen zu lassen um vermittelt hieruumlber wieder-um Fortbildungskonzepte zu etablieren die dann weniger widerstaumlndig von der paumlda-gogischen Praxis uumlbernommen werden koumlnnen

Waumlhrend in den beiden vorangegangenen Modellen die Kollaboration von For-schung und Praxis durch spezifi zierte Formen der Zusammenarbeit gelingen soll die besser transferierbare Produkte erzeugt so ereignet sich derzeit in Deutschland ndash in dieser Hinsicht kaum bemerkt ndash ein bundesweiter Sonderfall der Th eorie-Praxis-In-tegration Denn im Kontext der im Rahmen der gemeinsamen Qualitaumltsoff ensive von Bund und Laumlndern aus Mitteln des Bundesministeriums mit uumlber 500 Millionen euro Foumlrderung stattfi ndenden Projekte sind die Hochschulangehoumlrigen in ihrer Doppelrol-le gefragt naumlmlich einerseits Forscherinnen zu sein andererseits aber zugleich auch die Praktikerinnen der Hochschullehre Mit anderen Worten Durch diese Doppel-rolle erforschen sich derzeit in Deutschland Hochschullehrerinnen selbst ndash zumeist ohne diese besondere Form der Th eorie-Praxis-Vermittlung zu refl ektieren Dies geraumlt

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 73

erst langsam ins Bewusstsein (Heinrich Wolfswinkler van Ackeren Bremm amp Stre-blow o J)

In dem Projekt der Qualitaumltsoff ensive Lehrerbildung von Bund und Laumlndern am Universitaumltsstandort Bielefeld bdquoBiprofessional ndash Bielefelder Lehrerbildung praxisorien-tiert ndash forschungsbasiert ndash inklusionssensibelldquo (FKZ 01JA1608) haben wir dement-sprechend konsequent das Forschungs- und Entwicklungsmodell das an der Wissen-schaft lichen Einrichtung fuumlr die Versuchsschule des Landes NRW bdquoOberstufen-Kollegldquo in derzeit 9 Forschungs- und Entwicklungsprojekten (FuE-Projekte) mit 10 wissen-schaft lichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 52 Lehrerforscherinnen und -for-schern realisiert wird auf 24 FuE-Projekte uumlbertragen indem nunmehr in der Zusam-menarbeit von uumlber 70 beteiligten bdquoHochschullehrerforscherinnen und -forschernldquo die Lehrerbildung am Universitaumltsstandort Bielefeld weiter entwickelt werden soll Streng genommen koumlnnte man sagen dass dieses Projekt erstmals empirisch erprobt wie das bdquoLehrerforscherinnenmodellldquo der beiden Bielefelder Versuchsschulen Laborschu-le und Oberstufen-Kolleg nunmehr funktionieren kann wenn es uumlbertragen wird auf das Modell der bdquoHochschullehrerforschungHochschullehrerinnenforschungldquo

In diesem Kontext gilt zumindest dass das gaumlngige Problem der Lehrerforsche-rinnen naumlmlich nicht uumlber genuumlgend forschungsmethodische Expertise zu verfuumlgen nicht gegeben ist Zugleich ergeben sich aber hier vergleichbare Fragen wie in den Lehrerforscherinnen- und Lehrerforschermodellen bei denen der interne Transfer zur Diskussion steht wenn eben bei anderen Hochschullehrenden die eigene Forschungs-erfahrung am Gegenstand fehlt (Kap 3)

Hinzu kommt dass die Gefahr besteht dass die bdquoHochschullehrerforschungHoch-schullehrerinnenforschungldquo in der Praxis zu einer Abspaltung fuumlhrt Denn selbst Bromme Prenzel und Jaumlger raumlumen fuumlr die Forscherinnenperspektive ein

Unstrittig duumlrft e die Vorstellung sein dass die empirische Bildungsforschung auf Erkenntnisse zielt die sich kurz- oder laumlngerfristig als nuumltzlich erweisen Ob sich die Forscherinnen und Forscher jedoch zu groszligen Teilen explizit mit einer Zulieferungsrolle fuumlr evidenzbasierte Entscheidungen identifi zie-ren kann bezweifelt werden Im Vordergrund steht fuumlr viele eine epistemi-sche Orientierung Wenn die Erkenntnisse nuumltzliche Evidenz fuumlr Entschei-dungen beisteuern ist das erfreulich aber nicht das intrinsische Motiv fuumlr die Forschung (Bromme et al 2014 S 15)

Wenn aber das bdquointrinsische Motiv fuumlr die Forschungldquo (s o) nicht in dem Nutzen fuumlr die Praxis liegt dann wird angesichts des bdquobundesweiten Forschungsprogrammsldquo an fast fuumlnfzig Universitaumltsstandorten zur interessanten empirischen Frage welche Moti-ve die Hochschullehrenden mit der Erforschung ihrer eigenen Praxis verfolgen

Dieser Blick auf die Qualitaumltsoff ensive Lehrerbildung waumlre dann insofern sehr lehrreich als er zumindest zeigen sollte dass die typische Abwertung der Praktike-

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 74

rinnen im Kontext der empirischen Bildungsforschung3 wenn diese die Transferan-gebote ablehnen nicht einfach damit argumentiert werden kann dass diese Profes-sionellen eben bdquozu unwissendldquo seien und bdquokein Verstaumlndnis fuumlr Forschung und Evi-denzbasierung und die Dignitaumlt der Befundeldquo haumltten Denn ansonsten muumlssten in den naumlchsten Jahren alle Befunde die im Rahmen der Qualitaumltsoff ensive Lehrerbildung die das Resultat der Beforschung hochschuldidaktischer Maszlignahmen enthalten un-mittelbar im System ihren Niederschlag fi nden ndash da ja die Hochschullehrerinnen als Forscherinnen sich dann doch diesen Evidenzen nicht werden entziehen koumlnnen

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Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 75

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Christan Wiesner und Claudia Schreiner

Implementation Transfer Progression und Transformation Vom Wandel von Routinen zur Entwicklung von Identitaumlt Von Interventionen zu Innovationen die bewegen Bausteine fuumlr ein Modell zur Schulentwicklung durch Evidenz(en)

Der vorliegende Beitrag stellt Kernideen und -gedanken (als bdquochange driversldquo siehe dazu Mintrop S 40 in diesem Band) als Konzeptsammlung fuumlr einen ersten Entwurf eines moumlglichen Modells zur Schulentwicklung durch Evidenz(en) vor Dabei sollen unterschiedliche Konzepte dargestellt und wesentliche Begriffl ichkeiten einer evidenz-orientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung geklaumlrt werden Gleichzeitig moumlchten wir das Zusammenwirken von Denkmodellen und Herangehensweisen aufzeigen

Impulse Innovation Reformen und Interventionen sind Dauerthemen in Bezug auf das Schulsystem die Einzelschule und den Unterricht Aktuell beschreiben und analysieren eine Reihe an fachbezogenen Artikeln Aufsaumltzen und Buumlchern vielfaumllti-ge Konzepte Modelle und Entwuumlrfe von Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Evidenz(en) Datenbasierte Steuerung und evidenzorientierte Entwicklung des Schul-systems der Schule und des Unterrichts stellen Herausforderungen an Politik Schul-aufsicht Schulleitung und Lehrpersonen Qualitaumlt ist ein grundlegendes Zielbild die Etablierung von Qualitaumltssystemen eine zu erfuumlllende Vorgabe die Idee einer lernen-den Schule und ein kooperatives Vorgehen sind Gelingensbedingungen Wichtig er-scheint ein fundierter Umgang mit den Begriff en und dahinterliegenden Denkvorstel-lungen Off en bleibt wie ein Impuls zu einer Innovation wird wie sich Schulen und das Schulsystem entwickeln und wie Entwicklung an einer Einzelschule wirklich an-geregt werden kann Off en ist auch wie eine Intervention in Schulen oder im Unter-richt die Schuumllerinnen und Schuumller nachhaltig lernwirksam bewegt ndash und produktive Lernerfahrungen kreiert Eine geschlossene Th eorie der Schulentwicklung durch Evi-denz(en) liegt bislang zu diesen Herausforderungen nicht vor (von Saldern 2010 De-dering 2007)

Wenn Veraumlnderung Wandel und Entwicklung stattfi nden sollen bdquogenuumlgt es nicht auf der Ebene der Umsetzer etwas anders oder etwas Anderes zu tun es muss vom System her neu gedacht werdenldquo (Scharmer 2009 S 26) Wie Personen in Teams mit Evidenz(en) lernen und professionelle Lerngemeinschaft en gestaltet werden hat grundsaumltzlich damit zu tun wie man mit Daten Informationen und Wissen umgeht (Willke 1998) Angestrebt wird ein Modell der Schulentwicklung durch Evidenz(en)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 80

in dem (meist) Ausschnitte der Wirklichkeit von Schule und Unterricht1 hinsichtlich mehrerer Aspekte2 Kriterien3 und Kontexte4 (siehe Abbildung 1) sowohl optimiert als auch entwickelt werden Wissen und praxisnahes professionelles Handeln sind dabei bdquodie zentrale Ressource fuumlr Innovation und Entwicklung ndash sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebeneldquo (Huber amp Krey 2013 S 89)

Abbildung 1 Das Kohaumlrenz-Dreieck Vielfalt Diff erentes Divergentes als integratives Konzept

(eigene Darstellung)

Wir moumlchten in diesem Beitrag der als kreativer Impuls gedacht ist zunaumlchst unse-re Weiterentwicklung des Modells der Entwicklung und Verbesserung darlegen das analytisch dabei unterstuumltzen soll Prozesse und Maszlignahmen einer evidenzorientier-ten Schul- und Unterrichtsentwicklung einordnen zu koumlnnen Danach werden wir die Arbeit mit Daten und deren Diff erenzierung thematisieren da jegliche Entwicklung auf Handeln baut und Handeln von praxisrelevantem Wissen abhaumlngig ist Mit Wissen und Werten arbeiten Lerngemeinschaft en an einer lernenden Schule um die Qualitaumlt ihres Unterrichts und ihrer Schule zu sichern zu verbessern und zu entwickeln Dafuumlr sind Rahmenmodelle notwendig die einerseits Aspekte und Kriterien vorgeben ande-rerseits Entwicklungen durch zu enge Vorgaben nicht einengen sondern ermoumlglichen Ermoumlglichung braucht ein integratives Verstehen Integration braucht zunaumlchst Diff e-renzierung von Konzepten Im vorliegenden Beitrag moumlchten wir das Verstaumlndnis von Implementation Transfer Progression (noch ungewoumlhnlich fuumlr die Schulentwicklung) und Transformation naumlher beleuchten und ausdiff erenzieren und im Modell der Feld-transformation wieder integrativ zusammenfuumlhren

Ziel dieses Beitrags ist somit mehrere Kerngedanken und Entwuumlrfe fuumlr Gelingens-bedingungen als Prototypen aufzuzeigen und zu argumentieren um weitere Diskus-sionen und Auseinandersetzungen mit Blick auf eine Schul- und Unterrichtsentwick-

1 Jeweils als Systeme gedacht2 Als Blickwinkel und Betrachtungsweisen zur (Re-)Organisation von Beziehungen und Unter-

scheidungen gedacht3 Als Richtmaszlig fuumlr Entscheidungen auf Basis von Unterscheidungsmerkmalen gedacht4 Als Vernetzung miteinander verbundener Teile bzw Elemente gedacht (ein Zusammenweben)

Blickwinkel

Aspekte

Unterschiede

Kriterien

Beziehung

Kontexte

Implementation Transfer Progression und Transformation 81

lung durch Evidenz(en) anzuregen Alle Konzepte und Gedanken fuumlr die vorgestellten (multiplexen) Ideen entspringen dem Konzept von bdquocommon and diff erent conceptsldquo (Petzold 1996 S 72) als Integrationsmodell und Zusammenfassung diff erenzierter oder scheinbar disparater Teile zu einem uumlbergeordneten Ganzen bzw als Loumlsen von Aufgaben auf einer houmlheren Strukturebene (Petzold 2003 S 701) Integration muss bdquoim dialektischen Bezug zum Begriff Diff erenzierung gesehen werden Nur wo Viel-falt Diff erentes Divergentes gegeben ist wird Integration moumlglichldquo (Petzold 2003 S 717) Entwicklung und Integration lassen sich jedoch nur als Prozess verstehen wo-mit begruumlndet werden kann dass es keine endguumlltige Th eorie der Schulentwicklung durch Evidenz(en) geben kann5

Kerngedanke 1 ein Modell der Entwicklung und Verbesserung

Seit einigen Jahren beschaumlft igen wir uns mit der Idee einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung Daraus ist das Beduumlrfnis entstanden eine Diff erenzierung zwischen der Verbesserung von Bestehendem und der Entwicklung des Bestehenden vor-zunehmen um foumlrderliche und produktive Impulse geben zu koumlnnen Interventionen Anregungen und Stimulierungen sind sonst womoumlglich beliebig ergebnislos oder bleiben unerkannt

Um Veraumlnderungen im Schulsystem an Schulen und im Unterricht wirkkraumlft ig ge-stalten zu koumlnnen wird ein angemessenes Verstaumlndnis von Veraumlnderung und dem Gleichgewicht von Stabilitaumlt und Instabilitaumlt benoumltigt (Wheatley 1997) Die Steue-rung von Systemen ndash Schule und Unterricht ndash gelingt vor allem dann nicht wenn bdquoman Kausalitaumlten identifi ziert und eindeutige Ursache-Wirkung-Beziehungen unter-stelltldquo (Bartz 2013 S 159) da dies der Komplexitaumlt der zugrundeliegenden Wirkun-gen nicht gerecht wird Dem kann beim Steuern und Regeln oder (eher) einem sys-temischen Navigieren und Drift en (Simon amp Weber 2009) eher durch ein zyklisches wendelfoumlrmiges und systemisches Denken entsprochen werden Wir moumlchten an die-ser Stelle ein Modell der Entwicklung und Verbesserung generieren und vorstellen (Schreiner Breit Wiesner amp George 2018 Wiesner Schreiner Paasch Gregorzewski amp Schratz 2018) um mit und an einem Verstaumlndnis uumlber Wandlungs- und Veraumlnde-rungsprozesse im Sinne von Entwicklung arbeiten zu koumlnnen (Argyris amp Schoumln 2008 Stacey amp Mowles 2016)

Kruse (2004) Schratz (2009) oder auch Holz (2011) unterscheiden zwischen Funk-tionsoptimierung einerseits und dem Prozessmusterwechsel als Entwicklung anderer-seits im Sinne von Argyris (1999 Argyris amp Schoumln 1999) der das Prinzip des Ein-schleifen-Lernens bzw Verbesserungslernens (Single-Loop-Learning siehe auch Kerngedanke 4) vom Prinzip des Doppelschleifen-Lernens bzw Veraumlnderungslernens (Double-Loop-Learning) abgrenzt Diese Uumlberlegungen entsprechen in weiten Teilen der Idee der Assimilation und Akkommodation von Piaget (1948 1973 1974 Lefran-

5 bdquoTh ere is no end to integration [hellip] there is always something you can assimilate and integrate Th ere is always a chance for growingldquo (Perls 1969 S 276)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 82

cois 1986) oder dem Aumlnderungsgesetz nach Lewin (1947 Cummings Bridgman amp Brown 2016 Illenis 2007)

Das Einschleifen-Lernen zielt auf die Optimierung auf bdquoeine Verbesserung der Handlungsroutinenldquo (Bartz 2013 S 157) den bdquoAbgleich von Ergebnissen und Zielenldquo (ebd) sowie auf eine bdquoeff ektivere und effi zientere Gestaltungldquo (ebd) Um ihre Perfor-manz zu erhoumlhen reagieren Systeme und Personen meist mit dem Versuch Wissen und Koumlnnen bdquoim Rahmen bestehender Funktionalitaumlt zu verbessernldquo (Kruse 2004 S 19) Im Sinne des Nachmachens und bdquoNacherfi ndensldquo (Kussau 2007 S 288) wird uumlber zuruumlckliegende Erfahrungen nachgedacht und diese werden zielorientiert analy-siert Verbesserungslernen aktiviert ein refl exives Denken (als Fragender zuruumlckden-kend Fischer 2007 Fischer-Buck 2004) und basiert auf explizitem bzw explizierba-rem Wissen und bewusstem Erfahrungswissen (Rolff 2015) sowie kontinuierlichem Optimieren (Kruse 2004) Die Funktionsoptimierung bdquoorientiert sich an Best Practi-celdquo (ebd S 20) Good Practice und Best Practice brauchen dabei immer dreierlei ein bestimmbares und kommunizierbares (verbesserungsmoumlgliches) Ziel das es zu errei-chen gilt und im Sinne der Idee der Steuerung durch Implementation und Transfer umsetzbar wird eine Bereitschaft zum Optimieren und Verbessern und die Arbeit am Detail im Sinne eines bdquoDetailmanagementsldquo (Schley 2017 S 2) Das Verbesserungs- und Optimierungslernen fuumlhrt anfangs zu einer starken Steigerung dann tritt jedoch ein so genannter Deckeneff ekt ein (vgl Abbildung 2) und ab einem gewissen Punkt sind weitere Verbesserungen meist nur mehr unter Einsatz von groszligen Reserven Res-sourcen und durch kleinschrittige Optimierungen moumlglich bdquoAm Ende der Phase des Optimierens erleben wir [oft ] dass alle unsere Optimierungsversuche nichts bewir-ken sondern unsere Probleme eher verschaumlrfenldquo (Bauer 2017 S 25) Das Bisheri-ge stoumlszligt an bdquodie Grenzen der in ihm stehenden Moumlglichkeitenldquo (Schratz 2009 S 17 Kruse 2005)

Nach der Optimierung und Verbesserung des Bestehenden ruumlckt nun die Per-spektive der Entwicklung in den Vordergrund des Interesses (Kruse amp Schomburg 2016) Das Doppelschleifen-Lernen ermoumlglicht tatsaumlchliche Neu- und Re-Orientierun-gen (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2016) Beim Doppelschleifen-Lernen geht es dann viel tiefgreifender als bei Optimierungsprozessen um die Transformation dieser Werte und subjektiven Th eorien selbst (Bartz 2013 S 158) Nach Scharmer (2009) ist ein Prozessmusterwechsel als Veraumlnderungslernen fuumlr jede nachhaltige Neuausrich-tung notwendig da fuumlr eine Entwicklung immer die Grundprinzipien Werte Annah-men refl ektiertprofl ektiert gewandelt und veraumlndert werden muumlssen Hentig (1993) nimmt Bezug auf das Veraumlnderungslernen wenn er dafuumlr plaumldiert die Schule neu zu denken d h unsere Annahmen uumlber das wie wir Schule sehen und gestalten neu zu defi nieren (Schratz 2014) Scharmer (2009) spricht von einer Entwicklung der so-zialen Komplexitaumlt6 die sich aus den unterschiedlichen Deutungsmustern bzw Glau-benssaumltzen im Miteinander von Menschen in sozialen Organisationen ergibt Entwick-lung im Sinne von Next Practice fuumlhrt zum Neudenken von Schule und Unterricht

6 Komplexitaumlt als eine unuumlberschaubare Menge an Komponenten die auf vielfaumlltige Weise mitei-nander verknuumlpft und verbunden sowie fuumlr einen Beobachter nicht vollumfassend durchschau-bar sind (Weyer amp Schulz-Schaeff er 2009)

Implementation Transfer Progression und Transformation 83

und benoumltigt immer dreierlei eine werterefl ektierende Bezogenheit Damit Entwick-lung erlebbar wird brauchen Systeme und Personen das Andere und die Anderen um durch einen diff erenzierten Bezug zu dem Anderen ein vertieft es identitaumltskonstituie-rendes Wissen zu gewinnen Dazu ist nach Schratz (2009) eine Bereitschaft notwen-dig sich auf Unsicherheit und Einbruumlche einzulassen und es braucht eine Vision als (inneres) Bild einer wuumlnschenswerten und anzustrebenden Zukunft

Erfolgreiche Entwicklungen sind systemische Prozesse und koumlnnen als Kohaumlrenz (lat cohaerere zusammenhaumlngen) und Konfl ux (lat con und fl uere zusammenfl ieszligen) von vielfaumlltigen Aspekten Kriterien und Kontexten zu einer neuen Gestalt Beschaf-fenheit Identitaumlt Haltung oder auch Kultur verstanden werden Entwicklungen be-noumltigen Emergenz Wandel und Veraumlnderung sowie sinnvolle Prozessmusterwechsel (bzw Skripts Schemata Rollen) um einen Weg von Good Practice und Best Practi-ce zur Next Practice zu fi nden (Schratz 2009) Entwicklung vereint den Wandel durch Transfer- und Transformationsprozesse sowie die emergente Veraumlnderung

Um Entwicklungen im Sinne einer Next Practice zu ermoumlglichen benoumltigen so-wohl Personen als auch Systeme starke Impulse bzw bdquoAumlnderungsimpulseldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 153) In der Fachliteratur werden fuumlr diese Entwicklungsimpulse unterschiedliche Begriffl ichkeiten verwendet und damit (Entwicklungs-)Richtungen bezeichnet wie z B bull bdquoIrritationenldquo (Luhmann 2002 S 196) im Sinne einer noch undefi nierten Uumlberra-

schung im Bereich von System-zu-System-Beziehungenbull bdquoInterventionenldquo (Petzold 2007 S 250 Muumlller 2012 S 277) als mehrperspekti-

visch begruumlndete Einwirkungen auf (personale soziale oumlkologische oumlkonomische politische etc) Systeme mit dem Ziel einer theoriegeleiteten und ethisch legiti-mierbaren Veraumlnderung

bull bdquokreative Stoumlrungenldquo (Schratz 2009 S 17 f) um neue weitere Perspektiven und Alternativen einzunehmen

bull bdquoInkongruenzerfahrungenldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 160) wenn die Identifi zie-rung und die Identifi kation voneinander abweichen und eine Kongruenzerfahrung nicht moumlglich ist

bull bdquoKonfl ikte und Krisenldquo (Steinkellner amp Wiesner 2017 S 296) als ein zeitgleiches Aufeinandertreff en von widerstrebenden Impulsen

bull bdquoStimulierungldquo (Kruse 2009 S 86) um Faumlhigkeiten entwickeln und ausbilden zu koumlnnen oder

bull bdquoWiderfahrnisldquo (Schratz 2017 S 6) ndash im Widerfahrnis wird man mit der Frage des Sinns konfrontiert mit einem irritierenden nicht beeinfl ussbaren Geschehnis und einer unmittelbaren Bedeutung

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 84

Abbildung 2 Next Practice ndash Von Verbesserungen zur Entwicklung und zu Verbesserungen (eigene Darstellung in Anlehnung an Kruse 2004)

Diese Impulse dienen als Motor fuumlr ein bdquovertieft es Lernenldquo (Fullan Quinn amp McEa-chen 2017) und als bdquoVoraussetzung fuumlr gelingende Veraumlnderungldquo (Kruse 2005 S 8) Nur das Bewusstwerden von Unstimmigkeit(en) und Diskrepanz(en) fuumlhrt als Akti-vierung Anregung und Ausgangspunkt zu Veraumlnderungen im Denken und Handeln (Sieland Eckert amp Ebert 2013) Die Impluse bringen als kreative Stoumlrungen Instabi-litaumlt ins System und oumlff nen den Weg fuumlr tiefgreifende Entwicklungen die zu einer er-neuten steilen Lernkurve fuumlhren koumlnnen (vgl Abbildung 2) Veraumlnderungslernen aktiviert dabei ein profl exives Denken (als Gefragter vorausdenkend Fischer 2007 Fi-scher-Buck 2004) bdquodas zu einem Wertewechsel sowohl der handlungsleitenden Th eo-rien als auch der Strategien und Annahmen fuumlhrtldquo (Argyris amp Schoumln 2018 S 36) und sich nach einem verborgenen reichhaltigen Zukunft spotenzial ausrichtet Vielfalt Dif-ferentes Divergentes ermoumlglicht eine sinnorientierte Integration (Petzold 2003) von Konzepten Ideen Entwuumlrfen und Th eorien mit und in der Praxis Navigieren in einer Phase der Instabilitaumlt lebt von Neugier und Faszination vom Querdenken und vom Vernetzen von Kooperation und dem Gestalten von (kreativen) Loumlsungen von Reso-nanzerfahrung und bdquovon der Glaubwuumlrdigkeit der Fuumlhrungldquo (Kruse 2005 S 7) Pro-gression als kreative Entwicklung durch Prozessmusterwechsel speist sich aus der bdquoVi-sionldquo (Kruse 2004 S 69) nicht aus Zielen

Die Abbildung 2 zur Next Practice visualisiert das Entwicklungspotenzial das aus dem Wechsel zwischen Optimierung und Entwicklung zwischen Stabilitaumlt und Insta-bilitaumlt sowie zwischen Arbeiten im und am System entsteht bdquoIm Systemldquo ist es moumlg-lich zu optimieren Ablaumlufe zu verbessern Qualitaumlt zu sichern und auch zu steigern und das Bestehende zu stabilisieren Mit der Situierung bdquoam Systemldquo erweitert sich das Spektrum der Loumlsungsmoumlglichkeiten Situationen koumlnnen neu bewertet werden Allianzen gebildet oder Regeln uumlberdacht bdquoAm Systemldquo passieren die Uumlbergaumlnge dort wird Instabilitaumlt zur Voraussetzung des Wandels bedeutet Loslassen ein Risiko und zugleich eine Chance den notwendigen Freiraum fuumlr Neues zu schaff en (Schley amp Schley 2010 S 28) Nach jeder Entwicklungsphase folgt eine neue Phase der Verbes-serung das Niveau steigt dabei stetig an (siehe Abbildung 3) Die Phasen selbst koumln-

Verbesserungen

Entwicklungendurch Musterwechsel

Exzentrizitaumlt amp Mehrperspektivitaumlt

kreative Stoumlrung(en)

Instabilitaumlt

Stabilitaumlt

Good Practice

Best Practiceneu

e Stab

ilitaumlt

schaff

en

Next Practice

Double-Loop-Lernen

Single-Loop-Lernen

Prozess der NeuorientierungArbeiten am System

Prozess der OptimierungArbeiten im System

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nen zeitlich sehr voneinander abweichen je nachdem wie lange eine Stabilitaumlt auf-rechterhalten wird bzw werden kann7

Ein- und Zweischleifenlernen ist in Bezug auf den Bezugspunkt der Refl exion zwi-schen Vergangenheit und Zukunft zwischen Refl exion und Profl exion (Fischer 2007 Fischer-Buck 2004) zwischen Retrospektion (lat retro ruumlckwaumlrts zuruumlck specere schauen betrachten) und Prospektion (lat prospectare Ausschau halten in die Fer-ne schauen) verankert Verbesserungslernen regt das Zuruumlckdenken und Arbeiten mit Erfahrungen und explizitem Wissen an Veraumlnderungslernen hingegen das Vor-ausdenken8 und die Arbeit mit implizitem Wissen (Werten Haltungen Beliefs usw) wodurch auch intangibles holistisches Wissen (Spirit Empathie) moumlglicherweise ex-plizierbar wird und nach Scharmer (2009) emporkommen kann Loumlsungen werden demnach nicht nur durch das Refl ektieren vergangener Probleme Schwaumlchen und De-fi zite gefunden sondern aktiv durch das Profl ektieren und das Prospektieren von zu-

7 Die Verbesserung ist ein wichtiges Prinzip in der Schulentwicklung um fortwaumlhrend besse-re Qualitaumlt anzustreben und gute Qualitaumlt zu sichern Die Entwicklung ist ein Prinzip in der Schulentwicklung um auch die Defi nition von Qualitaumlt zu hinterfragen und die Bedeutung von Qualitaumlt zu entwickeln

8 Das Vorausdenken erweitert die Perspektiven und ermoumlglicht die Veraumlnderungen und den Wandel von Grundprinzipien Werten und Annahmen (durch die Fragen Wohin Wozu Wie wollen wir sein) Das Zuruumlckdenken stabilisiert oft mals die Grundprinzipien und Werte als Erklaumlrung(en) fuumlr das bereits Geschehene (durch die Fragen Warum Wie haben wir es ge-tan)

good

practice

vergangener

Status quo

neuer

Status quo

Kontinuum

Integration

Transformation

Chaos

Aumlnderungsimpulse

IrritationIntervention

kreative Stoumlrung

Inkongruenzerfahrung

Perf

orm

anz

best

practice

next

practice

Single-Loop-

Lernen

neue Stabilitaumlt schaffen

Instabilitaumlt

Verbesserung

Entwicklung

Entwicklung

Hier und Heute

vergangenheitsbasiert zukunftsorientiert

Verbesserung

Stabilisierung durch

Beziehung Praumlsenz Haltung

Instabilitaumlt

Single-Loop-

Lernen

Double-Loop-

Lernen

Abbildung 3 Das Modell der Entwicklung und Verbesserung (eigene Darstellung in Anlehnung an Glass 2003 und Appelo 2011)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 86

kuumlnft igen Visionen9 Neuorientierungen und Zielbildern10 im Hier und Heute (Gegen-wart)

Bestimmte Herausforderungen lassen sich bdquonicht durch eine Refl exion von Erfah-rung also nicht durch eine Refl exion der Vergangenheitldquo (Schratz 2014 S 19) loumlsen Vertrauen und Intuition Eigendynamiken und Selbstverantwortung werden zu zen-tralen Erfolgsfaktoren und Gelingensbedingungen (Kruse 2005) Sowohl die Funk-tionsoptimierung (Kruse 2004) als auch das Veraumlnderungslernen (Argyris amp Schoumln 1999) werden oft mals als Angriff auf etwas Etabliertes gesehen ihnen wird in der Re-gel mit Misstrauen begegnet und sie werden als Verlust von Sicherheit und Stabilitaumlt erlebt (Schratz 2009) Bei Funktionsoptimierungen kann jedoch auf bereits bestehen-de Muster zur Stabilisierung von Unsicherheit zuruumlckgegriff en werden Dabei kom-men zwar oft mals auch Bedrohungen Widerstaumlnde und Verunsicherungen auf jedoch greifen die vorhandenen Rollen und Skripte und bisherige Erfahrungen eroumlff nen eine Chance auf relativ stoumlrungsfreie Tradierung

Kerngedanke 2 die Verortung von Daten

Bei der Arbeit mit Evidenzen als Basis fuumlr Qualitaumltsentwicklung besteht eine Herausfor-derung darin zwischen den vielfaumlltigen Arten und Moumlglichkeiten von Daten zu unter-scheiden und deren Qualitaumlt zu bestimmen Kerngedanke 2 nimmt sich der Klaumlrung an mit welchen Arten von Daten wir bei einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichts-entwicklung arbeiten Ohne ein tieferes Verstaumlndnis der Herkunft der Daten ist es oft -mals schwer Entwicklungsideen undoder Verbesserungspotenziale zu erkennen Allzu leicht diskutiert man uumlber Unveraumlnderbares und uumlbersieht Moumlglichkeiten Chancen und das Off ensichtliche Maszlignahmen umzusetzen und Prozesse zu veraumlndern benoumltigt die Einsicht in die Grenzen und Moumlglichkeiten verschiedener Arten von Daten

Ein Entwurf eines Modells der Schulentwicklung durch Evidenz(en) benoumltigt neben einem Modell der Entwicklung und Verbesserung einen Ansatz der Diff erenzierung und Verortung von Daten Um die Vielfalt und Mannigfaltigkeit von (potenziellen) Daten als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage fuumlr Fuumlhrungspersonen als auch in sozialen Systemen zu erkennen braucht es Systematiken und Strukturen um das Angebot der zur Verfuumlgung stehenden Daten kategorisieren und katalogisieren zu koumlnnen Dies dient den Bedeutungstraumlgern im System ndash Lehrerinnen und Lehrern Schulleitungen Vertreterinnen und Vertretern der Schulaufsicht und der Bildungsad-

9 Eine Vision ist eine Vorstellung oder auch Idee aber nicht ein exakt fassbarer Sollwert Eine Vision ist kein Ziel (Kruse 2004 S 69)

10 Zielbilder sind gepraumlgt durch Werte Beliefs Lebenserfahrung und Lebenssinn Die aktuelle Umwelt und die Atmosphaumlre an einer lernenden Schule (lernende Organisation) sind ein Kon-fl ux aus Visionen Zielen Strategien Standards Ritualen Kooperationen usw Sie beschreiben den Moumlglichkeitsraum einer Schule und die Orientierung in die Zukunft (Scharmer 2009) Zielbilder sind vielmehr wie eine Zeichnung oder ein Gemaumllde Organigramme und Prozessvi-sualisierung sind keine Zielbilder

Implementation Transfer Progression und Transformation 87

ministration ndash dazu das Angebot erfassen diff erenzieren verstehen und integrieren zu koumlnnen

Das dynamische System (in horizontaler Richtung gedacht) benennt drei grundle-gende Auspraumlgungen von Daten (Input Prozess Output) zur Erfassung und Beurtei-lung von Schulqualitaumlt (vgl Levin 1974a Scheerens 1990 Creemers 1993 Posch amp Altrichter 1997 Dubs 1996 Ditton 2000 Ditton amp Muumlller 2011 Lai amp Schild-kamp 2013 Huber et al 2014) Die Grundlagen der Unterteilung stammen aus dem bdquoconcept of accountability in educationldquo von Levin (1974b 1976) und gehen auf Ent-wuumlrfe von Averch Carroll Donaldson Kiesling und Pincus (1972) zuruumlck um die Eingangsbedingungen (Inputs) die Prozesse und die erzielten Ergebnisse (Outputs Outcomes) von Schule zu betrachten Ikemoto und Marsh (2007 S 110) unterschei-den Daten noch etwas diff erenzierter indem sie dieser Systematik bdquosatisfaction dataldquo hinzufuumlgen sowie nach der Anzahl der Quellen (eine gegenuumlber mehreren Datenquel-len mehrere Personen oder Gruppen usw) deren Art (primaumlre oder sekundaumlre Quel-len) und dem Detaillierungsgrad (aggregierte oder nicht aggregierte Daten) diff eren-zieren11

Input-Daten (Input)Aus der Perspektive einer Einzelschule gehoumlren zu den Inputfaktoren neben den fi -nanziellen materiellen und personellen Ressourcen und Arbeitsbedingungen (Lehr-buumlcher raumlumliche Ausstattung Infrastruktur der Schule Hausordnung Handreichun-gen usw) auch die strukturellen Bedingungen des jeweiligen Schulsystems (Gesetze Verordnungen Weisungen Autonomiegrad usw) Aus der Perspektive der Einzel-schule (Schulebene) zaumlhlen Scheerens (1990) sowie Lai und Schildkamp (2013) zu Input-Daten insbesondere die Charakteristika der Schuumllerschaft (z B soziooumlkono-mischer Status Schulabbruch Erstsprache Fehlzeiten usw) und Daten uumlber die Merk-male der Lehrenden und die paumldagogische Fuumlhrung (z B Alter Geschlecht Pensio-nierung Faumlcherverteilung Qualifi kation und Zusatzausbildung usw)

Prozessdaten (Process)Prozessdaten beziehen sich im Allgemeinen auf Merkmale die veraumlnderbar sind (Scheerens 1990) und beschreiben wie Unterricht am Schulstandort ablaumluft wie Lerngeschehen oder Classroom-Management gestaltet wird wie Arrangements der Beurteilung aussehen welche Verbesserungs- und Entwicklungsszenarien und -strate-gien am Standort verfolgt werden (vgl Lai amp Schildkamp 2013) Auch Merkmale der Unterrichtssituation (die Art und Weise des Unterrichtens die Wissensvernetzung Aktivierung [Lern-]Freude Lernzeit usw) und die Einbeziehung der Schuumllerinnen und Schuumller bdquoin die Entscheidungen uumlber Ziele und Lernaktivitaumltenldquo (Posch amp Alt-richter 1997 S 15 vgl Scheerens 1990) gehoumlren zu dieser Kategorie von Daten Pro-zessdaten entstehen auf Schul- und Unterrichtsebene auch auf der Grundlage von Hospitationen Peer-Reviews und beschreibenden Analysen wie etwa dem School

11 Bei der Diff erenzierung von Daten muss darauf geachtet werden dass die Zuordnung zu ei-ner Datenart jeweils aus einer Perspektive vorgenommen wird da z B die Output-Daten einer Ebene in gewissen Faumlllen Input- oder Prozess-Daten einer anderen Ebene sein koumlnnen

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 88

Walkthrough (Hofb auer amp Westfall-Greiter 2015 vgl Wiggins amp McTighe 2005) oder dem Classroom Walkthrough (Downey Steff y English Frase amp Poston 2004 Kachur Stout amp Edwards 2010 2013 Schwarz 2011)

Ergebnisdaten (Output Outcome)Ergebnisdaten12 (Output Outcome) beziehen sich bdquoauf die Ergebnisse von schulischer Arbeitldquo (Posch amp Altrichter 1997 S 16 vgl Scheerens 1990) und sind damit Daten zur Schulleistung Bewertungsergebnisse schrift liche und muumlndliche Pruumlfungen Port-folios und Zeugnisse Ergebnisdaten koumlnnen auch als erworbenes Selbstkonzept der Lernenden in einem Fach als bdquoLehrerleistungenldquo oder als bdquoErgebnisse der schulischen Betriebsfuumlhrungldquo (Posch amp Altrichter 1997 S 16) vorliegen

Daten zur Zufriedenheit (Satisfaction)Daten zur Zufriedenheit (Satisfaction) beschreiben durch aggregierte Einschaumltzungen z B die Schulkultur und ergeben sich damit aus den Meinungen von Schuumllerinnen und Schuumllern Lehrpersonen Eltern usw zur Atmosphaumlre zum Ethos zur Haltung Praumlsenz Beziehung und zum Schul- und Klassenklima zum Unterricht oder auch zur Disziplin (Ikemoto amp Marsh 2007 vgl Lai amp Schildkamp 2013) Auch Ruumlckmeldun-gen hinsichtlich bestimmter gesetzter Schwerpunkte an einem Schulstandort koumlnnen hier einbezogen werden Daruumlber hinaus koumlnnen die Zufriedenheit nach dem Wer-degang der Absolventinnen und Absolventen nach einem bestimmten zeitlichen Ver-lauf oder das (oumlff entliche) Ansehen einer Schule13 erfragt und herangezogen werden (vgl Posch amp Altrichter 1997) Zufriedenheitsdaten sind gekennzeichnet dadurch dass sie sich aus subjektiven Einschaumltzungen speisen Eine Einbeziehung der Meinung relevanter Personengruppen ist ebenso wichtig wie objektiviert erhobene Input- Pro-zess- oder Outputdaten Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Qualitaumlten von Daten naumlmlich zwischen subjektiven Einschaumltzungen und Bestrebungen zur objek-tivierten Erfassung von Input Prozess Output und Outcome ist fuumlr eine fundierte Qualitaumltsentwicklung und -sicherung unabdingbar

Aus diesen Zugaumlngen lassen sich nun die Verortungen darlegen (vgl Abbildung 4)

12 Ergebnisdaten unterscheiden sich in Output-Daten als direkte unmittelbare Ergebnisse und Outcome-Daten als kuumlnft ige langfristige (Aus-)Wirkungen aufgrund der Output-Daten (vgl Klieme amp Tippelt 2008) Ein Wissenszuwachs (gemessen am Output) kann zu einer Veraumlnde-rung z B der Handlungen Werte und des Engagements (ersichtlich als Outcome) fuumlhren

13 Posch und Altrichter (1997) teilen z B das Ansehen einer Schule und die Zufriedenheit der Schuumllerinnen und Schuumller den Ergebnisdaten zu Lai und Schildkamp (2013) ordnen diese dem Begriff der Kontextdaten zu fuumlr Ikemoto und Marsh (2007) sind es Daten zur Zufrieden-heit Es liegt keine eindeutige Uumlbereinstimmung zwischen den Autorinnen und Autoren vor wodurch bei der Ausschaumlrfung noch einige Fragen off enbleiben wir hier jedoch die vorliegen-de Zuteilung vornehmen

Implementation Transfer Progression und Transformation 89

Abbildung 4 Das dynamische Modell moumlgliche Entscheidungs- und Handlungsbereiche im Schul- und Bildungswesen (eigene Darstellung)

Hinsichtlich der Kategorisierung und Katalogisierung von Daten schreibt Maritzen (2014) mit Blick auf Deutschland Wenn man im Bereich der Schulentwicklung bdquoge-rade die Entwicklungsfunktion datengestuumltzter Ruumlckmeldungen staumlrkenldquo will dann bdquosind die schulbezogenen Ergebnisdaten [hellip] zum einen durch die Ruumlckmeldung von Daten zu innerschulischen Prozessen und durch systematische Bereitstellung von ein-zelschulischen Kontextdaten (Zusammensetzung der Schuumllerschaft Spezifi ka des schu-lischen Umfelds usw) zu ergaumlnzenldquo (S 411) Aus diesem Verstaumlndnis heraus ist eine wesentliche Gelingensbedingung fuumlr eine (evidenzorientierte) Unterrichts- und Schul-entwicklung die vielfaumlltige und mehrperspektivische Zusammenstellung von Daten als Quelle fuumlr Re-Profl exionen Entscheidungen und Handlungen

Eine Diff erenzierung zwischen Datenarten stellt eine wichtige Basis fuumlr Refl exions- und Profl exionsarbeit dar Input-Daten zu Schuumllerschaft und Lehrpersonen sowie Daten zur Zufriedenheit bzw Wohlbefi nden soziale Einbettung Lernfreude usw wer-den in der Fachliteratur jedoch oft mals unter dem Sammelbegriff Kontextdaten zu-sammengefasst Der Begriff Kontexte (lat contexere zusammenweben) diff erenziert die Daten meist wenig und grenzt sie oft mals nur von den kognitiven Output-Daten (Leistung) ab Mit den Kontextdaten werden dann meist kognitive Leistungsunter-schiede zu erklaumlren versucht Die Komplexitaumlt des Zusammenwirkens von Input Pro-zessen Output und Zufriedenheitsdaten wird damit jedoch nicht abgebildet wodurch die Bedeutungsmoumlglichkeiten der Daten wesentlich eingeschraumlnkt werden So hinter-fragen Frohn und Heinrich (2018) inwiefern die Kompetenzorientierung gegenwaumlrtig vor allem eine reine bdquoVerkuumlrzung des Kompetenzbegriff s auf die Leistungsdimension im oumlff entlichen Diskursldquo (S 157) darstellt indem Kontexte meist nur zur Erklaumlrung von (kognitiven) Leistungen beruumlcksichtigt und nicht als integraler Bestandteil eines umfassenden Kompetenzbegriff s gesehen und fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung kaum genutzt werden Allerdings umfasse ein diff erenziertes Lehr-Lern-Geschehen alle bdquoKonnotationen des Kompetenzbegriff sldquo (Frohn amp Hein-rich 2018 S 157) wie z B Kritikfaumlhigkeit Evaluative Judgement Kooperation Parti-zipation Motivation gegenseitige Wertschaumltzung und Beziehungsfaumlhigkeit

Gesetze

Schulform

Infrastruktur

Hausordnung

Lehrmaterialien

hellip

Input Prozess Output

Lerngeschehen

Lernaktivitaumlten

Klassenfuumlhrung

SchoolClassroom

Walkthrough

hellip

Leistung

Kompetenzen

Kritikfaumlhigkeit

hellip

Outcome

Chancen

Wohlbefinden

staatsbuumlrgerliches

Engagement

Kultur

hellip

ZufriedenheitSchul- und Klassenklima Beziehung Atmosphaumlre Ansehen hellip

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 90

Eine weitere Moumlglichkeit der Verortung von Daten ist der Entwurf des Mehrebe-nensystems welches oft mals hierarchisch in einer vertikalen stufenfoumlrmigen Richtung gedacht wird und Daten Informationen und Wissen (Willke 1998) z B von Quali-taumlt von Schule (meist) in vier Ebenen mit verschachtelten Strukturen gliedert (Fend 2001 Fend 2006 und dann Ditton amp Muumlller 2011 von Saldern 2010)

Individualebene oder personale Ebene (Mikroebene)1) Die Schuumllerin und der Schuumller die Lehrerin und der Lehrer usw

System-Subsystemebenen (Meso- Exo- und Makrosystem)2) das Lehr-Lern-Geschehendie Lehr-Lern-Situation (Unterrichts- bzw Klassenebe-

ne) als Setting 3) die Schule an einem Standort (Schulebene) in 4) einem sozial-regionalen Kontext (z B Regionalebene Schulsystem)

Die jeweilige houmlhere Ebene wird als Unterstuumltzungssystem und als Handlungsrah-men betrachtet (Ditton 2000 Fend 2006 Helmke 2012 Scheerens 2016) Die Ebe-nen koumlnnen zusaumltzlich in Dimensionen unterteilt werden wie z B Schule in Schul-form (Ditton amp Muumlller 2011) Das Handeln der Akteurinnen und Akteure auf den Ebenen ist jedenfalls bdquovon den Vorgaben der sbquouumlbergeordnetenlsquo Ebene und den jeweili-gen situativen Gegebenheiten der Handlungsanforderungen der jeweiligen Ebene ab-haumlngigldquo (Fend 2017 S 38) Wie erfolgreich der bildungspolitische und buumlrokratische Input (nach einer Implementierung) umgesetzt wird ist bdquoauf Schulebene die zentra-le Qualitaumltsperspektiveldquo (Steff ens Maag-Merki amp Fend 2017 S 10) Bedeutsam ist je-doch die Tatsache dass auf jeder Ebene wiederum das dynamische Modell vorzufi n-den ist Zu jeder dieser Ebenen koumlnnen Daten Informationen und Wissen (Willke 1998) erhoben oder herangezogen und systematisiert und strukturiert werden um re-liable und valide Aussagen uumlber die Qualitaumlt einer Ebene treff en zu koumlnnen Dabei koumlnnen die Daten jeder Ebene in Input- Prozess- Output- Outcome- und Zufrie-denheitsdaten gegliedert werden Bei der detaillierten Ausschaumlrfung des Mehrebenen-systems sind nach Fend (2017) noch viele Forschungsfragen off en Besonders aus der Perspektive der Schulentwicklung ist die laumlngsschnittliche Wirksamkeit im Mehrebe-nenmodell durch Veraumlnderungsprozesse und Interventionen bislang noch nicht hin-reichend wissenschaft lich erforscht (Klieme amp Steinert 2009)

Diese beiden Modelle das dynamische Modell und das Mehrebenenmodell stellen die wesentlichen Orientierungspunkte fuumlr die Verortung von Daten dar Sie tun dies aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln Waumlhrend das dynamische Modell die Daten anhand eines Prozessmodells strukturiert fokussiert das Mehrebenenmodell die ver-schiedenen Aggregationsebenen des Bildungssystems Um eine klare Ausgangsbasis in der Qualitaumltsverbesserung und -entwicklung zu haben ist die Kombination der bei-den Modelle erforderlich Dies ist insbesondere wichtig da die Output-Daten einer Ebene ggf die Input-Daten einer anderen Ebene darstellen koumlnnen und eine zutref-fende Einordnung von Daten so nur durch die Kombination ermoumlglicht wird

Implementation Transfer Progression und Transformation 91

Kerngedanke 3 die Diff erenzierung von Daten verstehen

Die Qualitaumlt von Daten zu verstehen und zu erkennen ob Daten wissenschaft liche Guumlte-kriterien erfuumlllen oder ob Informationen eine praxisnahe essenzielle Annaumlherung an den Prozess des Unterrichtens erlauben ist eine besondere Gelingensbedingung einer evidenz-orientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung Die Qualitaumlt von Daten bestimmt welche Entscheidungen und Handlungen in und durch Lerngemeinschaft en ableitbar sind Sie bestimmt das zukuumlnft ige praxisnahe Wissen und die Bedeutung von Daten fuumlr das aktive Tun Nach der Verortung der Daten geht es im Besonderen auch um die Vielfaumlltigkeit und Diff erenzierung der Qualitaumlt von Daten Lai und Schildkamp (2013) unterscheidet in unterschiedliche Qualitaumlten von Daten und unterteilt diese in informelle formelle und wissenschaft liche Daten In Anlehnung daran verwenden wir den Begriff der in-formellen Daten dafuumlr wenn diese z B von Lehrpersonen oder der Schulleitung ge-legentlich spontan gesammelt werden beispielsweise waumlhrend des Unterrichts (z B unstrukturierte Unterrichtsbeobachtungen Diskussionen in der Klasse Auff aumllligkei-ten bei einzelnen Schuumllerinnen und Schuumllern) Diese Daten koumlnnen in einem Prozess eingesetzt werden der als situative Beurteilung der Lernaktivitaumlten (Formative Assess-ment) bezeichnet wird (Black amp William 1998 S 140 Kippers Schildkamp amp Poort-man 2016 LaPointe-McEwan et al 2017 Van der Kleij et al 2015) Formelle Daten sind systematisch gesammelte quantitative und qualitative lokale Schul- und Unter-richtsdaten wie beispielsweise Schuumllererhebungen Leistungsmessungen und Unter-richtsbeobachtungen Eine weitere Quelle sind wissenschaft liche Daten die beispiels-weise aus der einschlaumlgigen Fachliteratur stammen und in der Schulpraxis eingesetzt werden koumlnnen (Stoll et al 2016 Brown et al 2017 Schildkamp 2017) jedoch nicht an den Schulen selbst erzeugt werden (koumlnnen) Diese Daten liegen z B auch aus For-schungsprojekten (z B Erhebungen Evaluationen Studien Experimente) vor welche zwar meist nicht lokal als Daten vom Standort selbst verwendet werden koumlnnen je-doch als Impulse fuumlr eine Schul- und Unterrichtsentwicklung am Standort herangezo-gen werden koumlnnen

Zur weiteren Diff erenzierung von Daten fuumlhren wir noch Register- bzw Verwal-tungsdaten sowie in Anlehnung an Specht (2002) wissenschaft liche Referenzdaten (im Sinne von wissenschaft lichen Vergleichsdaten) ein Vergleichs- bzw Referenzdaten sind Daten die bei Messungen (z B Stichproben Vollerhebungen) mit direktem Be-zug fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwicklung fuumlr jede einzelne Schule nach wissen-schaft lichen Guumltekriterien standardisiert erhoben werden (vgl Terhart 2002) und als Referenz dienen (z B Erreichung von Kompetenzstufen Leistungsvergleiche Schul-klima Fairer Vergleich von Schulen usw) Referenzdaten fuumlr schulische Qualitaumlt zei-gen grundsaumltzlich eine bdquoRichtung fuumlr kuumlnft ige Entwicklungen anldquo (Schratz amp West-fall-Greiter 2010 S 27)14 Daruumlber hinaus koumlnnen Register- und Verwaltungsdaten

14 Die an wissenschaft lichen Erhebungen ausgerichteten Entwicklungen schaff en Sicherheit in der Orientierung und tragen dazu bei dass die unterschiedlichen Lehrerinnen in der Schule und in ihrem Unterricht auf ein gemeinsames (Qualitaumlts-)Ziel(bild) hinarbeiten indem sie sich mit

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 92

fuumlr die Schulentwicklung am Standort durch die direkte Verfuumlgbarkeit fuumlr Schulen von Interesse sein wie z B Einzugsgebiet der Schuumllerinnen und Schuumller Teilnahme an Foumlrderkursen Migrationshintergrund usw Im Unterschied zu Referenzdaten wer-den Registerdaten oft mals nur wissenschaft sbasiert (und haumlufi g nicht standardisiert) erhoben und sind in der Qualitaumlt der wissenschaft lichen Guumltekriterien sowohl For-schungsdaten als auch Referenzdaten nicht gleichzusetzen15 Van Ackeren et al (2017 S 251) unterscheiden zusaumltzlich zwischen wissenschaft lich-empirischen Studien und Vergleichsarbeiten sowie Schulinspektionen als bdquoEvidenzen im engeren Sinneldquo einer-seits und kollegialen Hospitationen und Schuumllerfeedbacks als bdquoEvidenzen im weiteren Sinneldquo andererseits ndash auch diese Unterscheidung moumlchten wir fuumlr die Verortung der Daten aufgreifen

Die unterschiedlichen Aspekte Kriterien und Kontexte und die damit verbunde-nen Niveaus Auspraumlgungen ihre Beschaff enheit und die Guumlte von Daten koumlnnen fuumlr Pro-Refl exionsprozesse Entscheidungsfi ndungen und (kuumlnft ige) Handlungen einge-setzt werden (Lai amp Schildkamp 2016 Wiesner Schreiner Breit Kemethofer George amp Angerer 2016 LaPointe-McEwan DeLuca amp Klinger 2017 Van der Kleij et al 2015 Schildkamp 2017) Daraus ergibt sich eine groszlige Vielfalt und Diff erenzierung von Daten fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung (vgl Tabel-le 1)

Eine Herausforderung die in der Fachliteratur als bestehendes Problem (und noch ohne Loumlsung) angesprochen wird ist die Doppel- und Dreifachfunktion bzw Mehr-fachnutzung von Daten z B von Lernstandserhebungen und Kompetenzmessungen unter unterschiedlichen Blickwinkeln etwa sowohl unter der Perspektive der Entwick-lung als auch unter jener der Kontrolle Hiermit wird zumindest die gelebte Dualitaumlt von Daten derselben Quelle angesprochen Van Ackeren (2003) beschreibt die Mehr-fachnutzung als Mischmodell bdquoPressure and Supportldquo (S 276) Waumlhrend Pressure eine Datenquelle als top down im Sinne eines Rechenschaft slegungsinstruments beschreibt kann eine Datenquelle im Support-Modus als buttom up eigenverantwortlich und ent-wicklungsorientiert von Schulen genutzt werden Auch Kompetenzmessungen (z B Standarduumlberpruumlfung in Oumlsterreich IKM ndash Informelle Kompetenzmessung) im Hin-blick auf Verbesserungen und Veraumlnderungen des Unterrichtens (Unterrichtsebene) im zeitlichen Verlauf als Wendelsystem bzw heraklitische Spirale (Petzold 1988) koumln-nen im Sinne einer formativen Ruumlckmeldung (formativ und komplex) die (Weiter-)Entwicklung der Prozesse unterstuumltzen Schul- und Unterrichtsentwicklung benoumltigt jedoch immer eine angemessene Komplexitaumlt d h neben Leistungsdaten jedenfalls Kompetenzstufen und relevante Kontexte um vor Ort ressourcenorientierte Verbes-serungen und Veraumlnderungen zu ermoumlglichen Die Idee der Kontrolle beruht in der Regel auf einfachen Indikatoren was dazu fuumlhrt dass Komplexitaumlt so stark reduziert

qualitaumltsvollen Referenzdaten auseinandersetzen Alle an Schule Beteiligten erhalten dadurch mehr Vertrauen und Transparenz uumlber die Entwicklung von Schule und Unterricht (Schratz amp Westfall-Greiter 2010)

15 Register als Datengrundlage ermoumlglichen eine Vielzahl von Fragestellungen jedoch um moumlg-lichst viele Faktoren zu beruumlcksichtigen und beobachtete Eff ekte moumlglichst einer Intervention wissenschaft lich zuschreiben zu koumlnnen bdquoist ein gutes Studiendesignldquo (Jenkner Muumlller-Rath Miltner amp Niemeyer 2017) unabdingbar

Implementation Transfer Progression und Transformation 93

wird dass die Wirklichkeit nicht mehr angemessen abgebildet wird etwa wenn Leis-tungsdaten in Form von ausschlieszliglich Schulmittelwerten zur Beurteilung der bdquoSchul-qualitaumltldquo herangezogen werden

Zentrale standardbasierte Lernstandserhebungen und wissenschaft liche Ver-gleichsarbeiten als Kernelement von evidenzorientierter Unterrichts- und Schul-entwicklung beziehen sich auf bdquoKompetenzentwicklungenldquo und nicht bdquoauf das un-mittelbar vorangegangene Unterrichtsgeschehenldquo Ihr Schwerpunkt bezieht sich bei Vergleichen und Referenzwerten besonders auf eine bdquokriterielle Orientierungldquo und sie geben wissenschaft lich zuverlaumlssige Informationen zum erreichten Lernstand in Teilbereichen der Faumlcher auf der Ebene von KlassenKursen auf der Ebene von Jahrgangsstufen und auf der Ebene von SchulformenBildungsgaumlngenldquo (EMSE 2006 S 2 Steff ens 2010) Dabei sind Lernstandserhebungen und wissenschaft liche Ver-gleichsstudien bdquokein originaumlres Instrument der Individualdiagnostik Auf Individual-

Daten Informelle Daten

Formelle Daten

Register-daten

Referenz-daten

Forschungs-daten

Strukturiertheit gelegentlich (on-the-fly) spontan ge-sammelt keine Guumltekriterien

systematisch vor Ort gesammelt wissenschaftsbasiert geringe Beachtung der wissenschaftlichen Guumltekriterien

systematisch gesammelt wissen-schaftlich und meist unabhaumlngig erhoben Beachtung wissen-schaftlicher Guumltekriterien (objektiv valide reliabel)

Erhebung intern extern

Evidenz im weiteren Sinne im engeren Sinne

Bezugsnorm individueller sozialer Vergleich individueller sozialer Vergleich

kriterialer individueller sozialer und fairer Vergleich

Beispiele unstrukturierte lokale Unter-richtsbeobach-tungen gefuumlhr-te Gespraumlche Diskussionen in der Klasse in Bezug zur taumlg-lichen Praxis

quantitative und qualitative lokale Schul- und Unter-richtsdaten bzw auch lokal-zentrale Tests

Verwaltungs-daten (z B Abschluumlsse an einem Stand-ort) behoumlrd-liche Daten Kontrolldaten (Ressourcen-anforderung und -verbrauch)

Schul- und klassenbezoge-ne Daten aus wiss Studien Uumlberpruumlfungen fuumlr die Schule undoder den Unterricht an einem Standort (Schulruumlck-meldung Unterrichtsruumlck-meldung)

Daten aus Studien Forschungen Uumlberpruumlfungen und Testungen (randomisiert und kontrolliert doppelblind usw) nicht fuumlr die Schule an einem Standort erhoben (z B Stichproben) Metastudien

Ziel situative Aumlnde-rung und Ver-besserung von Lernaktivitaumlten in der Klasse individuelle Foumlrderung

Entwicklung und Opti-mierung von Unterricht in der Klasse und Un-terrichtspraxis an der Schule individuelle Foumlrderung

Ressourcen-vergabe Kontrolle KonsequenzenSteuerung

Entwicklung und Optimie-rung von Unter-richt und Schule am Standort

Impulse fuumlr Ent-wicklung und Verbesserung von Unterricht und Schule als System Grund-lagenforschung

Tabelle 1 Daten ndash Vielfalt Diff erentes und Divergentes

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 94

ebene sind die skalierten Ergebnisse deutlich messfehlerbehaft et wobei die Messfeh-ler in den Randbereichen des Leistungskontinuums besonders zum Tragen kommenldquo (EMSE 2006 S 3) Die Daten aus diesen Erhebungen sind primaumlr fuumlr eigenverant-wortliche lernende Schulen gedacht und foumlrdern die Professionalisierung der Lehr-personen an den Schulen Eine Doppelfunktion bei der die Daten einerseits der oumlf-fentlichen Rechenschaft slegung und Kontrolle der Leistung der Schulen durch die Verwaltung dienen und andererseits die Entwicklung der Schulen und des Unterrichts am Standort speisen sollen ist i d R nicht zweckdienlich

Abbildung 5 Architektur der Evidenzorientierung (in Anlehnung an Coburn amp Turner 2011 Ikemoto amp Marsh 2007 Mandinach Honey Light amp Brunner 2008 Marsh 2012 North 2016 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018 ausgehend von Willke 1998 2011)

Sollen Daten fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung verwen-det werden ist zunaumlchst eine Systematisierung Priorisierung und Fokussierung er-forderlich Daten legen in einem System fest was gesehen wird und was nicht (blin-de Flecken) Diese Uumlberlegung zeigt dass es qua Beobachtung nur konstruierte Daten d h beobachtungsabhaumlngige Daten geben kann (Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) Erst durch Bedeutungen Kontexte und ihre Relevanz fuumlr den Standort wer-den Daten zu akzeptierbaren und akzeptierten wie auch argumentierbaren Informa-tionen Dabei sind Informationen systemisch relevante Daten und werden wieder-um nur durch Praxisbezug und Erfahrungen zu Wissen (vgl Abbildung 5) bdquoWissen ist das Ergebnis eines Verstehensprozesses der sich durch die Einordnung von Infor-mation in einen Kontext auf Basis individueller Erfahrungen vollziehtldquo (Klein 2001 S 73) Wissen ist demnach nicht gleichzusetzen mit verfuumlgbaren Daten oder Infor-mationen Das Generieren von Wissen ist verbunden mit der Faumlhigkeit selektieren-de strukturierende (re-)organisierte und damit systematisch-geordnete (integrative) Aussagen Erklaumlrungen und Urteile uumlber Daten und Informationen als Beweise bzw

Evidenzorientierung woraus ersehen werden kann

Datenndash Input

ndash Prozess

ndash Ergebnisse (Output-come)

ndash Zufriedenheit

Information

Wissen

Handeln

Wirkung

Realisierung

Feedback

Daten sind der Rohstoff fuumlr alles Wissen

+ Kontext(e)

+ Bedeutung(en)

+ Relevanz

+ Vernetzung

+ Praxisbezug

+ Erfahrung(en)

+ Koumlnnen

+ Anwendungsfeld(er)

+ handlungsrelevantes Verstehen

systematische ampwissenschaftliche

Wahr-nehmung

Beobachtung

System

Region

Schule

Unterricht

Implementation Transfer Progression und Transformation 95

uumlber Beweisketten herstellen zu koumlnnen Der Wert des Wissens wird fuumlr die Schule bzw den Unterricht dann erkennbar wenn Wissen in Koumlnnen transferiert oder trans-formiert wird Entscheidungsmoumlglichkeiten fuumlr ein bewusstes Handeln entstehen und dieses Handeln in Anwendungsfeldern sinnvoll umgesetzt wird Das Rohmaterial fuumlr professionelle Refl exion und Profl exion ist in diesem Sinne die Evidenz als klare Ge-wissheit mit der einer Erkenntnis durch Beweise sowie durch Urteilen und Hinterfra-gen zugestimmt werden kann

Kerngedanke 4 Professionelle Lerngemeinschaften und Netzwerke foumlrdern

Professionelle Lerngemeinschaft en stellen die wesentliche Bedingung fuumlr eine evidenz-orientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung dar Sie sind der Impuls Durch die viel-faumlltigen Herangehensweisen der einzelnen Personen entstehen die Ideen Entwuumlrfe und Prototypen Damit sind Menschen der zentrale Aspekt des Gelingens Gleichzeitig haben wir gelernt dass Situationen und Th emen in Lerngemeinschaft en ebenso eine Variation von Impulsen als Anregung benoumltigen und zwischen einem Verbesserungs- und Veraumlnde-rungslernen diff erenziert werden muss um durch Abwechslung Neugierde und Faszina-tion zu motivieren an langfristigen Prozessen und (muumlhsamen) abstrakten Konzepten dranzubleiben Vieles geht auch durch Humor

Um Daten professionell zu bearbeiten (Refl exions-Profl exionsarbeit) und daraus In-formationen und Wissen zu generieren und Handlungen am Standort abzuleiten be-noumltigen wir eine wirksame eigenverantwortliche und auch begleitbare Professiona-lisierung der Profession in Form von Lerngemeinschaft en und Lernnetzwerken Im Kontext einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung hat sich in den vergangenen Jahren das Arbeiten in Professionellen Lerngemeinschaft en (PLG) und in Lernnetzwerken (PLN) als besonders wirkungsvoll gezeigt (vgl Lieberman 2000 Stoll amp Seashore Louis 2007 Brown amp Poortman 2017)

In dem Vorwort zu bdquoEducators as Leaders Establishing a Professional Learning Community in Your Schoolldquo macht Barth (2000) durch die drei Worte Profession ndash Lernen ndash Gemeinschaft auf die Begriff skonstellation bdquoProfessionelle Lerngemeinschaft ldquo aufmerksam (vgl Schratz amp Westfall-Greiter 2010) Wir moumlchten diese Dreieckskon-stellation aufgreifen (siehe Abbildung 6) und uns bei unseren Entwuumlrfen und Ideen auf die Kernprinzipien von bestehenden Konzepten von Lernkooperationen besinnen Dabei argumentieren wir dass es notwendig ist unterschiedliche Aspekte des Lernens in Kooperationen zu verstehen die Kriterien der jeweils notwendigen Professionalitaumlt fuumlr eine erfolgreiche evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung zu etablie-ren und Gemeinschaft en in Schulen und Netzwerke uumlber Schulen hinweg zu foumlrdern (Brown amp Poortman 2017) Durch Professionelle Lerngemeinschaft en koumlnnen auch bestehende Barrieren in der Schul- und Unterrichtsentwicklung uumlberwunden wer-den (Datnow amp Hubbard 2016 Hoogland et al 2016 Brown et al 2017 Stoll et al 2016) Jede Form von Lerngemeinschaft ist nach der jeweiligen Profession (und deren

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 96

Beduumlrfnisse und Herausforderungen) zu unterscheiden sowie nach der Gestaltung des Lernens d h ob eher eine Funktionsoptimierung oder ein Prozessmusterwechsel16 an-gestrebt wird

Ausgangspunkt unserer Uumlberlegungen sind die Kernprinzipien (bdquobig ideasldquo Du-Four 2004a S 6) bestehender Konzepte von Lernkooperation welche wir zunaumlchst ausdiff erenzieren damit durch ein Besinnen auf die Ziele von Lerngemeinschaft en die jeweiligen Impulse Anregungen und Stimulierungen deutlicher praxisnaumlher und umsetzbarer werden Dies ist vor allem auch wichtig damit es zu keiner infl ationauml-ren Verwendung der Konzepte bzw zu Umsetzungsproblemen durch Beliebigkeit oder zu unzulaumlnglichen Schlussfolgerungen kommt (Blankenship amp Ruona 2007 Scrib-ner Cockrell Cockrell amp Valentine 1999) Professionelle Lerngemeinschaft bezeichnet einerseits einen besonderen Modus fuumlr die professionelle Zusammenarbeit in einer Berufsgruppe und andererseits eine bestimmte ziel- und sinnorientierte Struktur In Lerngemeinschaft en spielt Lernen bdquoeine zentrale Rolle und das Selbstverstaumlndnis der Beteiligten ist dass sie Lernende sindldquo (Schratz amp Westfall-Greiter 2010 S 129) Evi-denzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung ist immer ein ko-kreativer zykli-scher Prozess (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018) in dem nicht eine Person allein sondern bdquodas Zusammenwirken aller Moumlglichkeitenldquo (Petzold 2007 S 242) die Synergie der Gruppe und die Emergenz des Teams schoumlpferisch sind

Die beiden Entwuumlrfe die wir zunaumlchst aufgreifen ndash Communities of Practice (CoP) und Professional Learning Communities (PLC) ndash haben auf den ersten Blick viele Aumlhnlichkeiten jedoch jeweils spezielle Vorzuumlge und Fokussierungen Diesen bei-den Konzepten von Lernkooperationen ist zunaumlchst der Begriff der Gemeinschaft (Communities) und des Lernens (Learning) gemeinsam und dass die in den Gemein-schaft en lernenden Personen gemeinsame Interessen teilen (DuFour amp Eaker 1998) Eine Profession teilt sich ein gemeinsames spezifi sches und theoretisch-abstraktes

16 Prozessmusterwechsel brauchen eine Vision und die Bereitschaft sich auf Leistungseinbruumlche und Verunsicherung einzulassen (Kruse 2004 S 73)

Lernen

Aspekte

Profession

Kriterien

Gemeinschaft

Kontexte

Abbildung 6 Das Dreieck Profession ndash Lernen ndash Gemeinschaft (eigene Darstellung)

Implementation Transfer Progression und Transformation 97

Wissen (Kruse amp Louis 1993)17 jedoch nicht immer gemeinsame Grundprinzipien und Werte An dieser Stelle erhalten die beiden Lerngemeinschaft en eine jeweils spe-zielle Ausrichtung und wir kommen in diesem Kontext nun auch zuruumlck auf das Ein-schleifen- und Zweischleifen-Lernen (Stacey amp Mowles 2016 vgl Kerngedanke 1)

Der Begriff CoP wurde zum ersten Mal von Lave und Wenger (1991 Wenger McDermott amp Snyder 2002) verwendet Nach Wenger (2000) und Wenger et al (2002 S 4) formen sich CoPs aufgrund ihrer Leidenschaft fuumlr ein Th ema und in Bezug auf ihr Fachwissen (im Sinne einer sachorientierten Ausrichtung) um durch regelmaumlszligiges gemeinsames Interagieren Wissen zu schaff en zu lernen sich auszutauschen Wissen zu verbreiten sich zu verbessern und gemeinsam zu refl ektieren um ihre (Fach-)Ex-pertise ihre Materialien (z B Dokumente) zu teilen und ihre Handlungsmoumlglichkeiten in der Praxis zu erweitern bzw zu vertiefen (bdquoDeepen their expertiseldquo Wenger McDer-mott amp Snyder 2002 S 151 bdquodeepen their knowledgeldquo ebd S 4 bdquomanaging know-ledge in organizationsldquo ebd S 151 bdquoable to share knowledgeldquo [Patel 2017 S Modul 5]) Fuumlr Saint-Onge und Wallace (2003 S 50) sowie Cheng (2015) richten sich CoPs deutlich nach den Th eorien des Wissensmanagements (bdquoknowledge managementldquo18 Cheng 2017 S 101) aus und sollen der Verbesserung der individuellen praktischen fachlichen und organisatorischen Leistung dienen Das Wissensmanagement beschaumlf-tigt sich mit dem Erfassen Selektieren Organisieren und Integrieren von Wissen In-formationen und Daten (Mayer 1999 Salifu 2017) wodurch CoPs als reiche Quel-le systematischer Sammlungen von Erfahrungen und Evidenz(en) im Sinne von Good Practice und Best Practice angesehen werden koumlnnen (Th omas Kellogg amp Erickson 2001) Aber die bdquobloszlige Menge und Dauer der Berufserfahrung verbessert jedenfalls nicht automatisch die Handlungs- und Lernqualitaumlt von Lehrkraumlft enldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 133) Die Einschraumlnkung von CoPs liegt darin dass sie als bestehen-de Gemeinschaft oft mals Muster des Wissensmanagements nicht (mehr) veraumlndern in Bestehendem verhaft et bleiben und dann das organisatorische Lernen nicht (mehr) weiter befoumlrdern (Mittendorff Geijsel Hoeve de Laat amp Nieuwenhuis 2006) Diese Aspekte Kriterien und Kontexte stellen ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu den PLCs dar (Blankenship amp Ruona 2007) zeigen jedoch auch die Bedeutsamkeit der Refl exion von Erfahrungen (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018)

Der Begriff PLC wurde von Senge (1990) zum ersten Mal eingefuumlhrt daher richten PLCs sich in ihrer Grundidee auch an der lernenden Organisation (Learning Organi-zation) aus Der Ansatz nimmt direkt Bezug auf die Arbeiten von Argyris (1990) und Schoumln (1991) indem z B die weitreichenden Verallgemeinerungen des eigenen Den-kens (Beliefs19 Werte Annahmen usw) und subtile Denkmuster thematisiert werden welche auch Lerngemeinschaft en und deren Kapazitaumlt im Gegenwaumlrtigen beeinfl ussen (Senge 1990)

17 Spaumltestens an dieser Stelle des Beitrags ist festzuhalten dass die Begriff e Wissen (Brown 2001) und Lernen (Edelmann 1986 Lefrancois 1986) selbstverstaumlndlich Homonyme sind

18 bdquoA CoP can be applied as a knowledge management tool for leverage knowledge to support organization developmentldquo (Cheng 2017 S 101)

19 Beliefs vereinen als subjektive Th eorien sowohl kognitive als auch aff ektiv-motivationale An-teile miteinander und koumlnnen als Bindeglied von didaktischen Th eorien und tatsaumlchlichem unterrichtlichem Handeln und wahrnehmbarer beobachtbarer Haltung verstanden werden (Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner 2018)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 98

Eines der (drei) Kernelemente der PLCs ist zunaumlchst die Kultur der Zusammen-arbeit und der Gemeinschaft (DuFour 2004b) Seashore et al (2003 S 3) verwen-den den Begriff PLC dafuumlr um nicht nur das Interesse am sachorientierten Austausch und das Interagieren zu fokussieren sondern das Ermoumlglichen einer (schulweiten und klassenuumlbergreifenden) gemeinsamen Kultur in den Vordergrund zu ruumlcken um Ko-operation durch Klaumlrung von Werten Visionen und Uumlberzeugungen zu verwirklichen Die kritische Pruumlfung erfolgt erneut im Abgleich mit den Lernergebnissen der Ler-nenden wodurch die beiden anderen Leitmotive festgelegt werden das Lernen (der Lernenden) und der Fokus auf die Ergebnisse der Schuumllerinnen (als breites Verstaumlnd-nis Output Outcome Impact) Der Ansatz macht besonders auf die Bedeutung der Profl exion neben der Refl exion20 aufmerksam Innovation(en) Experimente (Proto-typen) und Leadership (als kongruentes Verhalten und Handeln) sind die unterstuumlt-zende Bedingung fuumlr die Entwicklung und Umsetzung einer gemeinsamen Kultur ge-tragen von Werten und Visionen (DuFour amp Eaker 1998 Hord 2004) Besonders Leadership traumlgt dazu bei sowohl Vertrauen als auch ein gemeinsames Zielbewusst-sein zu foumlrdern (Scribner et al 1999) Diese Herangehensweise unterscheidet wiede-rum die PLCs wesentlich von den CoPs und zeigt gleichzeitig auch ihre Einschraumln-kung(en) (vgl Tabelle 2)

Tabelle 2 Die grundlegenden Konzepte Communities of Practice und Professional Learning Communities

CoPs agieren nach dem Prinzip des Einschleifen-Lernens bzw Verbesserungslernens (bdquoSingle-Loop Learningldquo Argyris 1999 S 68 Scribner et al 1999) welches sich im Wesentlichen auf die Eff ektivitaumlt die Optimierung und das Problemloumlsen bezieht um bestehende Ziele (als Good Practice und Best Practice) sehr gut oder noch bes-ser zu erreichen Das Verbesserungs- und Optimierungslernen beguumlnstigt bdquodie Sta-

20 Durch Refl exion und Profl exion entsteht im Hier und Heute (Presence und Presencing) ein Prefl ectioning (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018)

Konzept Zweck Gemeinschaft Kooperation Fokus

communities of practice

Wenger 2000Wenger McDermott amp Snyder 2002

Wissen schaffen erweitern aus tauschen reflektieren und personale Kompetenzen entwickeln

durch Fach-wissen und Leidenschaft fuumlr ein Thema

durch Lei-denschaft Engagement Verbindlichkeit Identifikation mit der Gruppe und ihrer gemeinsa-men Expertise

Verbesserungs-lernen

professional learning communities

Bolam et al 2005Stoll amp Sea-shore 2007

gemeinsame Werte und Visio-nen reflektieren teilen erweitern entwickeln

durch Fokus-sierung auf das Lernen (personal als in Gruppen) und gegenseiti-ge Vernetzung Unterstuumltzung und Partner-schaft

durch kollektive Verantwortung fuumlr das Lernen der Schuumllerinnen gegen-seitige Offenheit und Vertrauen

Veraumlnderungs-lernen

Implementation Transfer Progression und Transformation 99

bilisierung von gewohnheitsmaumlszligigen Wahrnehmungs- Erklaumlrungs- und Zielschemata bei gleichzeitiger Blindheit fuumlr potenzielle Nebenwirkungen Es ist vermutlich die haumlu-fi gste und problematischste Art lebenslangen Lernensldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 136) PLCs sollen die professionelle Refl exion und Profl exion foumlrdern und zu ge-meinsam entwickelten geteilten bdquoUumlberzeugungen Werthaltungen und Normenldquo (Bon-sen amp Rolff 2006 S 181) fuumlhren PLCs agieren nach dem Prinzip des Doppelschlei-fen-Lernens bzw Veraumlnderungslernens (bdquoDouble-Loop-Learningldquo Argyris 1999 S 68 vgl Scribner et al 1999) Auch nach Scharmer (2009) ist eine Veraumlnderung im-mer verbunden mit einem Hinterfragen der (eigenen bzw organisatorischen) Grund-prinzipien Werte Annahmen Uumlberzeugungen Beliefs und Normen Ohne Veraumln-derungslernen fuumlhrt eine bdquovoumlllige Erfolgslosigkeitldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 136) dennoch zu gewohnten Handlungsmustern und nicht zur Refl exionProfl exion uumlber die Angemessenheit von Handlungen bdquosondern wird aumluszligeren Umstaumlnden oder dem Interaktionspartner als Widerstand zur Last gelegtldquo (ebd)

Das Double-Loop-Lernen bzw Veraumlnderungslernen ist nach Argyris und Schoumln (1999) ungleich schwieriger und das Vorgehen kann grundsaumltzlich durch das Hinter-fragen des Verbesserungslernens als Innovation bezeichnet werden da die Refl exionProfl exion von Werten Haltungen und Sinn als Orientierungsrahmen (Bohnsack 2014) zu einer Veraumlnderung von Verhaltens- und Handlungsmustern als Orientie-rungsschemata im Sinne eines moumlglichen Wertewechsels fuumlhrt Bei einer aktiven For-mung einer Kultur der Zusammenarbeit arbeiten PLCs mit bdquoGlaubenssaumltzenldquo (Schratz 2014 S 19) der Beteiligten da bdquoMenschen daran glauben das Richtige zu tun wo-rin sich der Sinn fuumlr menschliches Tun konstituiertldquo21 Innovation und Entwicklung als Neuerung benoumltigt immer eine Veraumlnderung von bdquotief sitzenden Uumlberzeugungen und sozial ausgehandelten Praktikenldquo (Graumlsel amp Parchmann 2004 S 201) Werte und Haltungen lassen sich nicht bdquoschnurstracksldquo (Rolff 2015 S 56) entwickeln diese muumls-sen refl ektiert profl ektiert und gemeinsam (neu) durch Konsens und Dissens geschaf-fen werden Dabei fuumlhrt ein Konsens uumlber den Dissens meist auch zu einer Akzeptanz und nachhaltigen Veraumlnderung der (Kooperations-)Kultur Veraumlnderungslernen wird erst moumlglich wenn Personen und Lerngemeinschaft en Inkongruenzerfahrungen ma-chen oder durch explizites Feedback sensibilisiert werden wodurch eine Chance zur Akkommodation nach Piaget (1975) ermoumlglicht wird (Sieland Eckert amp Ebert 2013) Double-Loop Learning (jedoch gedacht als wendelfoumlrmige Spirale) ermoumlglicht einen erfolgreichen Aufb au von PLCs22 (Scribner et al 1999) Von PLCs kann erst gespro-chen werden wenn professionell und bewusst Ziele Uumlberzeugungen und Werte hinter-fragt und refl ektiertprofl ektiert werden bdquoohne vorzeitige Bestaumltigungserfahrung zu su-chenldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 137) In diesem Sinne wird die Lerngruppe zu einer kooperativen Gemeinschaft refl ektierender Praktikerinnen (Schoumln 1991)

Vergleichsweise jung ist der Entwurf der Research Learning Communities (RLC) von Brown (2018 2017) fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwicklung RLC versteht sich

21 Das Vermeiden einer kritischen Auseinandersetzung und Analyse der Werte Uumlberzeugun-gen und Normen in Bezug zur gegenwaumlrtigen Praxis fuumlhrt (nur) zu einem Single-Loop-Lernen (Scribner et al 1999)

22 bdquoTh us the principles of double-loop learning can guide us in establishing professional learning communitiesldquo (Scribner et al 1999 S 157)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 100

als Lerngemeinschaft und -netzwerk d h die Beteiligten koumlnnen auch von einer Rei-he von Schulen zusammenkommen um als Gemeinschaft professionell zu lernen Der Ansatz beruht auf dem Prinzip der Research-Informed Teaching Practise und strebt an Daten Informationen und Wissen aus der Wissenschaft und Forschung in die Weiterentwicklung des Unterrichts einzubeziehen (bdquoresearch evidenceldquo Brown 2017 S 393) Dabei basiert der Ansatz der RLCs auf drei Kernideen (bdquocore ideasldquo) 1) Ein besonderes Ziel ist es die Lehrerinnen dabei zu unterstuumltzen ein neues Ver-

staumlndnis fuumlr und Verstehen von speziellen Herausforderungen bzw Problemen auf-zubauen und ihr Handeln vor dem Hintergrund von Forschungsdaten und -ergeb-nissen zu diskutieren und weiterzuentwickeln (Katz amp Dack 2013) Nach diesem Konzept sollen neue Praktiken und Strategien entstehen die in der Praxis ange-wendet werden und wodurch zusaumltzliches (Fach-)Wissen entwickelt werden kann (als eine bdquoknowledge creationldquo Brown 2017 S 389) Diese Idee entspricht grund-saumltzlich den CoPs und dem Verbesserungslernen

2) Veraumlnderungen irritieren meist die bisherige gegenwaumlrtige (Schul- bzw Unter-richts-)Kultur ndash im Sinne des Modells der Entwicklung und Verbesserung ndash und es besteht ein Risiko dass eine veraumlnderte Praxis daher auf Ablehnung stoumlszligt Aus diesem Grund muumlssen sich Personen an den Lerngemeinschaft en beteiligen die durch ihre Haltung und Werte sowie ihr Ansehen und ihre formale Stellung in der Schule tatsaumlchlich Veraumlnderungen inan einer Schule bewirken moumlchten und koumln-nen (als bdquothe right people in the roomldquo Brown 2017 S 390) Eine Schluumlsselrol-le kommt dabei der Schulleitung (bdquoleadershipldquo Brown 2017 S 391) und der Fuumlh-rungskultur (Schratz et al 2016) zu um Vor- und Leitbild zu sein (im Sinne von bdquowalk the talkldquo Brown 2017 S 390 Southworth 2009) Diese Idee greift den Ver-lust von Sicherheit und Stabilitaumlt im Sinne des Modells der Entwicklung und Ver-besserung auf und zeigt wie durch erfahrbare und erlebbare Fuumlhrung im Dialog und im Polylog neue Moumlglichkeitsraumlume fuumlr Entwicklung durch beziehungsorien-tierte Stabilitaumlt (nach Riemann 1975 als Naumlhe bezeichnet siehe dazu Abbildung 3 und 10) geschaff en werden koumlnnen

3) Die Veraumlnderungen und Entwicklungen brauchen die Begleitung von Personen die als Lernbegleiterinnen durch Krisen fuumlhren koumlnnen (als bdquocapacity [hellip] to lead changeldquo Brown 2017 S 391) Dabei spricht Brown (2017) v a die Notwendig-keit an Change Management in der Ausbildung von Schulleiterinnen und Schul-leitern fest zu verankern Grundsaumltzlich ist aber auch denkbar den Prozess durch professionelle Entwicklungsbegleiterinnen unterstuumltzen zu lassen Haumlufi g ist es von Vorteil wenn Universitaumlten und (Paumldagogische) Hochschulen in solche Re-search Learning Communities einbezogen werden um Partnerschaft en von Praxis und Wissenschaft und auch Schulbegleitforschungsprojekte zu entwickeln (Huber 2005 Bryk 2015 Datnow amp Hubbard 2016 Lai amp Schildkamp 2016 Campbell et al 2017) und als wissenschaft sorientierte Lernbegleitung zu agieren Die drit-te Idee bringt Stabilitaumlt in instabile Veraumlnderungsprozesse indem durch Bezie-hung Praumlsenz Haltung Begegnung und Begleitung eine Form von Bestaumlndigkeit geschaff en wird welche nach der Entwicklungsphase erneut Stabilitaumlt ermoumlglicht (siehe Abbildung 3)

Implementation Transfer Progression und Transformation 101

Der RLC-Ansatz erweitert das Konzept der PLCs indem Gruppen von Lehrpersonen aus verschiedenen Schulen in gemeinsamen Workshops auf der Basis von Forschungs-ergebnissen an einem sie interessierenden Th ema arbeiten (Brown 2017 S 390) Der Ansatz birgt durch die drei genannten Kernideen ein hohes Potenzial im Sinne von Gelingensbedingungen durch eine evidenzorientierte professionelle Schulentwick-lungsbegleitung wenn bull die CoPs wie auch die PLCs integrativ verbunden werden ohne die jeweiligen Dif-

ferenzen zu negieren bull die RLC kann dann als Denkfi gur der Begegnung zwischen den beiden Denkwei-

sen der Lerngemeinschaft en in Form einer eigenstaumlndigen Identitaumlt verstanden werden in der die Betrachtungsweisen als Vielfalt und Divergierendes wertschaumlt-zend und refl exivprofl exiv erhalten bleiben und

bull die Vorzuumlge sowohl der CoPs (Wissensmanagement) als auch der PLCs (Werte und Kultur der Zusammenarbeit) als Konfl ux vereint werden wodurch auch Lernab-wehrroutinen sowie Widerstaumlnde und Ablehnung welche in Lerngemeinschaft en entstehen koumlnnen durch Bereitschaft Bezogenheit und Vision(en) aufgeloumlst wer-den koumlnnten

Selbstverstaumlndlich muss in diesem Sinne die RLC als integrativer Ansatz verstanden werden und funktioniert nur als Erweiterung der beiden anderen Entwuumlrfe (CoP PLC) und nicht in bzw als Konkurrenz zu diesen Eine weitere Besonderheit ist das Meta-Lernen welches (verkuumlrzt) die Refl exion und Profl exion des Single- und des Double-Loop Learnings darstellt und im RLC-Ansatz eine zusaumltzliche Bedeutung gewinnen koumlnnte Die Idee des Meta-Lernens ist dass eine Lerngemeinschaft (oder eine lernende Schule) im eigenen Resonanzraum ergruumlndet was wie wann und wes-halb bei den Handlungen (Single-Loop) angepasst oder nicht anpasst wird bzw was wie wann und weshalb die Werte Annahmen Uumlberzeugungen Haltungen und Nor-men (Double-Loop) veraumlndert oder nicht veraumlndert werden (Argyris amp Schoumln 1999) Dabei werden das Wissen die (subjektiven) handlungsleitenden Th eorien und die Auswirkungen des Handelns mit den Wertvorstellungen und subtilen Denkmus-tern verbunden wodurch ein Wertewandel (Transformation) ermoumlglicht wird Die drei Entwuumlrfe (Single-loop- Double-loop- und Meta-Lernen) sind grundsaumltzlich als gleichwertig und als sowohl als auch zu verstehen

Jeder Prozessmusterwechsel ist risikoreich fuumlr eine lernende Organisation da er Abwehrreaktionen bewirken kann und Bestehendes infrage stellt (Kruse 2004) Wenn Schulen als lernende Organisation es schaff en z B ihre Lernabwehrroutinen zu veraumln-dern bzw Widerstaumlnde Ablehnung und Widerspruumlchlichkeiten aufzuloumlsen (vgl Graumlsel amp Parchmann 2004) um Single- undoder Double-Loop-Lernen zu ermoumlglichen und aktiv bewusst zu foumlrdern dann fi ndet in einem Triple-Loop zusaumltzlich Meta-Lernen statt (siehe Abbildung 7) Ein professioneller Umgang mit Widerstaumlnden und struktu-rellen und personalen Hindernissen ist erforderlich um fuumlr das Lernen den notwen-digen Entfaltungsraum in der Schule als lernende Organisation zu schaff en (Schratz 2017) Off ene Refl exionsprozesse benoumltigen fuumlr ihre Entwicklungsdynamik Feedback das sich in einem Resonanzraum durch bdquogut gedachtldquo und bdquospannendldquo konstruktiv

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 102

entwickelt (Schley amp Schratz 2005 S 253 Schratz 2017) Besonders die Einstellun-gen und Haltungen der Beteiligten gegenuumlber Entwicklungen und ihre Uumlberzeugun-gen fuumlr eine aktive Umsetzung von Veraumlnderungen wie auch der Wandel von subjek-tiven Th eorien sind entscheidend (Graumlsel amp Parchmann 2004 Timperley amp Phillips 2003) Beim Meta-Lernen ergruumlndet eine lernende Schule im eigenen Resonanzraum wie wann und weshalb Handlungen angepasst oder nicht anpasst bzw wie wann und weshalb die Werte Annahmen Haltungen usw veraumlndert oder nicht veraumlndert wer-den (vgl Argyris amp Schoumln 1999)

Diese Idee greift die Vielfalt des (Er-)Lernens durch Kooperation auf und die Not-wendigkeit dass (angehende) Lehrerinnen und Lehrer in Kooperationsgemeinschaft en (Vergemeinschaft ung und Gemeinschaft sgefuumlhl) sich als Gruppe foumlrdern entwickeln in Frage stellen und durch Dissens-Konsens-Erfahrungen (persoumlnliche und gemein-same) Transformation als Wandel Bereicherung und (Lebens-)Ressource sehen koumln-nen

Kerngedanke 5 eine lernende Schule entwickeln und etablieren

Kerngedanke 5 speist sich erneut aus dem Modell der Entwicklung und Verbesserung Wir oumlff nen hier eine weitere Tuumlr indem wir den Gedanken einer lernenden Schule als Moumlglichkeitsraum fuumlr eine Kultur des Veraumlnderns und Optimierens etablieren Damit moumlchten wir die professionellen Lerngemeinschaft en als Bedingung fuumlr ein professionelles organisationales Lernen verstehen und ihre Bedeutung nochmals hervorheben

Lernende Schulen verstehen sich als sich stabilisierende optimierende zielorientier-te entwickelnde und wert- bzw sinnorientierte Organisationen (Learning Schools) und sind soziale Systeme die selbst lernfaumlhig sind und lernende Kooperationen (Lern-gemeinschaft en und -netzwerke) gestalten Ausgangspunkt ist dabei dass Organisa-tionen und (soziale) Systeme nur uumlber Menschen lernen koumlnnen (Dalluege amp Franz 2015 Schratz 2017) Es beginnt mit bdquoMenschen die Ideen haben ndash Ideen die verbin-

WerteAnnahmenStrategienHaltungen

HandlungenUumlberpruumlfung der Konsequenzen und Ergebnisse

zufrieden(stellend)

nicht zufrieden(stellend)unerwartetggf gescheitert

Reflexion und Proflexion desLernprozesses

Communities of Practice Single-Loop-Lernen

Professional Learning Communities Double-Loop-Lernen

Research Learning Communities Triple-Loop-Lernen (Meta-Lernen)

Abbildung 7 (Lern-)Gemeinschaften und ihre Moumlglichkeitsraumlume (eigene Darstellung)

Implementation Transfer Progression und Transformation 103

denldquo (Sprenger 2018 S 188) Das Schaff en von Schulqualitaumlt versteht sich in diesem Sinne als eine Aufgabe aller Beteiligten vor Ort die durch ihre Handlungen Taumltig-keiten Praumlsenz Beziehungen und Haltungen entsteht und nicht an einzelne Perso-nen an eine Qualitaumltsabteilung oder ans Management abgegeben werden kann Sys-tem- und Organisationslernen als Entwicklung der Schule ist ein zyklischer sowohl oft mals kreisfoumlrmiger aber auch wendel- und spiralfoumlrmiger Prozess zu einem verbes-serten und kontinuierlich wachsenden Wissen und Verstaumlndnis uumlber die eigene Schu-le und deren (progressive) Entwicklung (vgl Fiol amp Lyles 1985) Organisationen wer-den nur uumlber Menschen taumltig daher stellt das personale Lernen den Kern jeglichen organisationalen Lernens dar (Heimerl-Wagner 1992) Lernen muss jedoch auch an den Strukturen und Prozessen (Ordnung) Strategien und Zielen Visionen und Wer-ten einer Organisation durch professionelle Lerngemeinschaft en erfolgen (siehe Abbil-dung 8) Zwischen dem personalen und dem organisationalen Lernen besteht somit ein Zusammenhang in Form einer Wechselbeziehung Bezogen auf Organisationen ruumlckt fuumlr Lernprozesse dann die Kommunikation und die Gemeinschaft in den Vor-dergrund bdquoWaumlhrend Lernen auf individueller Ebene ein psychischer Vorgang ist han-delt es sich bei ihm auf kollektiver Ebene um ein kommunikatives Phaumlnomenldquo (Kli-mecki Laszligleben amp Th omae 1999 S 7)

Abbildung 8 Das Zusammenwirken von personalem und organisationalem Lernen (eigene Darstellung)

Wir argumentieren mit Brown et al (2017) dass zur Verbesserung einer Schule eine Integration von verschiedenen Ansaumltzen Modellen Th eorien und Daten bedeutsam ist da die Staumlrken eines Ansatzes jeweils die Schwaumlchen eines anderen ausgleichen (koumlnnen) Um ein Struktur- und Prozessmodell zu entwickeln das Schulen als ler-nende Organisationen befaumlhigt sowohl Verbesserungslernen in strukturierter Form zu bewaumlltigen als auch Veraumlnderungslernen zu ermoumlglichen integrieren wir die diversen Ansaumltze aus Kernidee 4 zu einem umfassenden Struktur- und Prozessmodell des Ver-besserungs- und Veraumlnderungslernens

Brown et al (2017) kombinieren den in Kernidee 4 angesprochenen Ansatz der Research Learning Communities (als Weiterentwicklung des Unterrichts auf der Basis vorhandener wissenschaft licher Forschung Brown 2017) mit dem Ansatz der Data-Teams (einem Prozessmodell zur Weiterentwicklung der Qualitaumlt von Schule und Unterricht auf der Basis von schulbezogenen [teils selbst gesammelten] Daten Schild-kamp amp Ehren 2012) Aus der Kombination dieser beiden Ansaumltze entsteht das Mo-dell des bdquoEvidence informed School and Teacher Improvement (ESTI)ldquo (Brown et al 2017) das einen Ablauf der kooperativen Entwicklungsarbeit auf der Basis von schul-bezogenen Daten und wissenschaft lichen Ergebnissen vorschlaumlgt

Personales Lernen

Wandel

der Ziele

Modifikation

der Ordnung

Veraumlnderung

der Vision

Transformation

der Werte

Organisationales Lernen

Wandel

der Ziele

Modifikation

der Ordnung

Veraumlnderung

der Vision

Transformation

der Werte

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 104

Insgesamt ist jedoch eine Integration aller drei Ansaumltze erforderlich um sowohl Einschleifen- als auch Zweischleifen-Lernen und die Einbeziehung von Forschungs-daten zu unterstuumltzen Daraus kann ein Prozess in 10 Schritten abgeleitet werden des-sen erste acht Schritte des Verbesserungslernens in Anlehnung an den Ansatz der ESTI (Brown et al 2017) im Sinne einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichts-entwicklung wie folgt beschrieben werden koumlnnen 1) Zielsetzung und Initialphase Ziel- und Leitbilder sowie messbare und realistische

Ziele werden gesetzt und Evidenzen gesammelt um die aktuelle Situation in Bezug zu diesen Zielen zu beurteilen Diskrepanzen zwischen Ist- und Soll-Zustand die-nen zur Identifi zierung von Problemen Aufgaben oder paumldagogisch-schulischen Herausforderungen Die Bereitschaft sich sachorientiert mit Problemen und Louml-sungen auseinanderzusetzen wird aktiviert

2) Identifi zierung moumlglicher Problemursachen und Ordnen der Daten Lokales Fach-wissen (auch in Form informeller Daten) sowie vorhandene und direkt verfuumlgbare Daten Informationen und (Praxis-)Wissen werden genutzt um die Th emenfelder und Phaumlnomene in Bezug auf die Entstehung die Herausforderungen und moumlgli-che Ursachen der in Schritt 1 vorliegenden und identifi zierten Th emen Probleme und Aufgaben systematisch zu ermitteln

3) Refl ektieren der Datensammlung Referenzdaten als Evidenzen uumlber die Schule und Forschungsdaten als allgemeine wissenschaft liche Informationen zu den identifi -zierten Th emenfeldern werden uumlber die in Schritt 2 identifi zierten Th emen Phauml-nomene Aufgaben und moumlglichen Ursachen umfassend gesammelt gesichtet und refl ektiert Gegebenenfalls koumlnnen die vorhandenen und verfuumlgbaren Evidenzen durch gezielte Datenerhebungen an der Schule ergaumlnzt werden Je nach Problem-stellung kann etwa die Entscheidung fallen eine Zufriedenheitsbefragung unter Schuumllerinnen und Schuumllern oder Eltern durchzufuumlhren oder vorhandene standar-disierte Kompetenztests (Lese-Screening Instrumente fuumlr eine informelle Kompe-tenzmessung ndash IKM oAuml) an der Schule systematisch einzusetzen

4) Qualitaumltsanalyse und erste Integration Die Qualitaumlt der gesammelten Evidenzen wird uumlberpruumlft und die fuumlr die Untersuchung der Phaumlnomene Herausforderungen und moumlglichen Ursachen notwendigen Analysen werden durchgefuumlhrt diskutiert und konsensgegruumlndete Konzepte erstellt Ein wichtiger Aspekt in diesem Schritt ist die Zusammenschau der verschiedenen Datenquellen und die Integration der Erkenntnisse aus schulbezogenen (vorhandenen und gesammelten) Daten sowie Forschungserkenntnissen

5) Schlussfolgerung Basierend auf der Qualitaumltsanalyse und einer ersten Integration enstehen Entwuumlrfe Schluumlsse und Entscheidungen hinsichtlich der Th emen Phauml-nomene Aufgaben und moumlglichen Ursachen indem die gewonnenen Erkenntnisse vor dem Hintergrund des standortbezogenen Wissens auf den Kontext der Schule bezogen und im zeitlichen Zusammenhang verortet werden

6) Suche nach Prozessen und Aktionen Aufb auend auf diesem breiten Buumlndel an Evi-denzen werden (neue oder geaumlnderte) Maszlignahmen Prozesse Prototypen und moumlgliche Loumlsungen entwickelt und geschaff en

Implementation Transfer Progression und Transformation 105

7) Entwicklung einer Strategie Basierend auf den Evidenzen die in den vorherigen Schritten gesammelt diskutiert und kooperativ durchgearbeitet wurden wird eine Strategie entwickelt die sich an Handlungsentwuumlrfen durch Prozessverbesserungen und Maszlignahmen orientiert

8) Erste Evaluierung Die Strategie wird erprobt zyklisch verfeinert ggf in der Schule bzw im Unterricht ausgerollt und fortlaufend evaluiert bzw hinterfragt Hier sollte die Bezugnahme auf die in Schritt 1 defi nierten Ziele erfolgen

Brown et al (2017) sowie Steinkellner und Wiesner (2017) weisen darauf hin dass der bewusste Einsatz eines systematischen und systemischen Fragezyklus wichtig ist Das kann vor uumlbereilten Entscheidungen schuumltzen die ausschlieszliglich auf persoumlnlicher Beurteilung bzw Empfi ndungen basieren welche oft unzuverlaumlssig und fuumlr Vorurtei-le anfaumlllig sind Aus dem Blickwinkel einer lernenden Schule ist Lernen in einer Or-ganisation immer sowohl ein personaler als auch ein kollektiver systemischer Prozess (Geiszligler 1996 S 267)

Nun sind die oben beschriebenen acht Schritte fuumlr sich genommen allerdings vor allem dazu geeignet Verbesserungslernen gezielt auf Daten zu beziehen Forschungs-ergebnisse einzubeziehen und den Prozess der Optimierungsbestrebungen zu struk-turieren Dies birgt mittelfristig allerdings das Risiko der Frustration naumlmlich dann wenn die Moumlglichkeiten des Verbesserungslernens an seine Grenzen stoszligen (sie-he Kernidee 1) In Systemen wie auch bei Personen treten dann bei Veraumlnderungen von Strukturen und einem bloszligen Verbesserungslernen (wie es in den CoPs und in der Grundform der Data Teams bzw des ESTI stattfi ndet) ohne Beachtung der Be-deutung des Veraumlnderungslernens (PLC) meist lernwidrige Abwehrroutinen als syste-matisches und systemisches Reaktions- und Handlungsmuster auf Dadurch koumlnnen nachhaltige Lernblockaden in Systemen und bei Personen auft reten und sich langfris-tig etablieren (Argyris 1996) Eine Vorgehensweise ausschlieszliglich auf der Basis von Veraumlnderungslernen wie es die PLCs unterstuumltzen birgt andersherum das Risiko das System mit neuen kreativen Ideen moumlglicherweise zu uumlberfrachten weil die Struktu-ren des Verbesserungslernens fehlen um die Phase der groszligen Instabilitaumlt die durch den Schritt Richtung Next Practice erzeugt wird zu uumlberwinden und die neuen Her-angehensweisen Sichtweisen und Prozesse zu stabilisieren und zu optimieren ndash und damit sozusagen auf den Boden zu bringen Die Stabilisierung von Entwicklungen ge-schieht maszliggeblich durch die Kernidee des RLC-Ansatzes indem durch die Bezie-hungsorientierung eine Form von Bestaumlndigkeit geschaff en wird (in unserem Beitrag in den Kerngedanken 4 integriert)

Schul- und Unterrichtsentwicklung benoumltigt daher einerseits immer ein breites Buumlndel von Evidenz(en) unterschiedlicher Qualitaumlt und Auspraumlgung (Daten Infor-mationen Wissen) und entsprechende Strukturen um diese in den Qualitaumltsentwick-lungsprozess einzuspeisen Andererseits muumlssen die vorgestellten Schritte des Verbes-serungslernens unbedingt durch ein zweites eher wendelfoumlrmiges Lernen ndash gedacht als Aufwaumlrtsspirale und nicht als Schleife23 ndash ergaumlnzt werden So kann der Ansatz der

23 Wir vertreten die Ansicht dass Lernprozesse weniger in Schleifen zu denken sind als in Auf-waumlrtsspiralen und Begriff e wie wendelfoumlrmiges Lernen sinnvoller erscheinen wuumlrden

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 106

ersten acht Schritte im Sinne des Verbesserungslernens der auf eine Optimierung der Handlungen und Handlungsstrategien fokussiert ergaumlnzt werden um eine Komponen-te des Veraumlnderungslernens Diese Vorgehensweise kann als Kultur- und Wertearbeit (im Sinne der Transformation von und durch Fuumlhrungskultur) verstanden werden in-dem die ersten acht Schritte erweitert werden damit Schule von der Zukunft her ent-wickelt werden kann9) Mehrperspektivitaumlt und Erweiterung des Moumlglichkeitsraums durch Perspektivenwech-

sel Die Schritte 1ndash8 entsprechen der Arbeit im System und verfolgen i d R die Verbesserung und Optimierung vorhandener Prozesse In Schritt 9 versucht die Lerngemeinschaft nun aus dem System herauszutreten und einen externen dis-tanzierten Blick auf das System sowie den Verbesserungsprozess zu werfen Da-durch koumlnnen Aumlnderungsimpulse (siehe Kerngedanke 1 in diesem Beitrag) ent-stehen die die Veraumlnderungsbereitschaft aktivieren und anregen (als Neugier und Faszination) Durch die Veraumlnderung von Perspektiven indem die Sachebene ver-lassen wird und der Prozess auf einer Metaebene mit Bezug auf die Sachorien-tierung und die Beziehungsorientierung (Grundprinzipien und Werte) refl ektiert wird endet das Verteidigen von Standpunkten Es werden Lehren aus den vergan-genen Erfolgen und Misserfolgen aus den gemeinsamen Irrtuumlmern und Erkennt-nissen gezogen jeder der ersten acht Schritte wird nochmals unter der Perspekti-ve der eigenen und gemeinsamen Werte Haltungen Grundprinzipien Strategien Annahmen und als ein Erkunden von Standpunkten als Fragender zuruumlckdenkend refl ektiert (Fischer 2007 Fischer-Buck 2004 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) und diskutiert Mithilfe von imaginativen Prototypen koumlnnen Konsequenzen moumlglicher Veraumlnderungen durchgearbeitet werden Scharmer (2009) nennt diesen Prozess auch bdquovon sich als einem Teil des Ganzen her sprechendldquo Besondere Auf-merksamkeit wird auf die (Selbst-)Refl exionProfl exion und das Feedback gelegt um Wirkungen und Nebenwirkungen sowie Ruumlckfalltendenzen zu thematisieren

10) Transformation durch entstehende Moumlglichkeiten Die Beteiligten als Ort kollekti-ver Kreativitaumlt denken als Gefragte (in die Zukunft ) voraus sie bdquoprofl ektierenldquo (Fi-scher 2007 vgl Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018) um Schule an Evi-denz(en) orientiert aus einer entstehenden Zukunft her zu entwickeln Scharmer (2009) nennt diesen Prozess bdquovon der entstehenden Moumlglichkeit her sprechendldquo als ein schoumlpferisches Handeln welches zu einem Wertewandel durch Integration (als Verinnerlichung) fuumlhren kann In diesem Schritt koumlnnen Aumlnderungen in der Hal-tung den praumlgenden Werten und damit zusammenhaumlngend der Vision der Schu-le erfolgen An dieser Stelle sollen im Besonderen Prozesse des Meta-Lernens an-gestoszligen werden um Veraumlnderungen und Musterwechsel moumlglichst nachhaltig zu integrieren

Nach Schritt 10 erfolgt erneut Schritt 1 (vgl dazu auch Abbildung 10) Im Zentrum der Refl exion und Profl exion in den Schritten 9 und 10 stehen sowohl Visionen als auch Zielbilder aber auch Haltungen und Werte Dadurch wird ein erneuter Durch-gang der Schritte 1 bis 8 auf der Basis von veraumlnderten Visionen Werten und Haltun-gen auf eine naumlchsthoumlhere Ebene gehoben

Implementation Transfer Progression und Transformation 107

Lernende Schulen sind nach Argyris amp Schoumln (1999 S 9) zu verstehen als ein bdquoaus vergangenen Erfolgen und Misserfolgen Lehren ziehen die Irrtuumlmer der Vergangen-heit aufspuumlren und korrigieren bevorstehende Bedrohungen erahnen und darauf re-agieren experimentieren staumlndig innovativ sein und Bilder einer erstrebenswerten Zukunft aufzeigen und realisieren muumlssenldquo Ein erfolgreiches Qualitaumltssystem muss demnach sowohl Ziel Weg und Kultur beruumlcksichtigen (Dalluege amp Franz 2015) sollte aber auch Evidenzorientierung als Moumlglichkeit der Horizonterweiterung entste-hender Zukunft verstehen

Kerngedanke 6 ein Rahmen- und Orientierungsmodell

Jedes Modell ndash auch jeder Entwurf eines Modells ndash benoumltigt einen Rahmen welcher so-wohl die Moumlglichkeiten als auch die Grenzen aufzeigt Modelle sind Entwuumlrfe sie sind nicht auf Dauer stabil bilden jedoch fuumlr eine gewisse Zeit einen Rahmen fuumlr das Denken und Diskutieren Modelle sind gepraumlgt von der Kultur und den Denkmodellen der Zeit Wir stellen in diesem Kerngedanken ein zyklisches wendelfoumlrmiges Modell fuumlr eine evi-denzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung vor ndash als eine Moumlglichkeit Ein Mo-dell das sowohl die Optimierung als auch die Entwicklung beherbergt sollte auch selbst dynamisch bleiben und von einem eindeutigen Ursache-Wirkungs-Prinzip Abstand neh-men Wichtig erscheint jedenfalls dass ein Entwicklungsmodell nicht ohne den Aspekt der Refl exion auskommt und Refl exionsleistungen sowie die Ergebnisrichtung nicht an-weisbar oder steuerbar sind Refl exions- und Profl exionsarbeit ermoumlglichen implizites Wissen in (neue) Konzepte und Konstrukte zu integrieren wodurch Wege zu einer Next Practice eroumlff net werden

Professionelles Handeln mit Bezug auf Verbesserungs- Veraumlnderungs- und Meta-Ler-nen erfordert eine professionelle Qualitaumlt von Feedback und professionelle Refl e-xions-Profl exionsarbeit Professionelles Handeln zeichnet sich dadurch aus dass es bdquobegruumlndet methodisch geleitet fall- und situationsangemessenldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 221) und auch nebenwirkungsbewusst ist Die professionelle Praxis ist wiede-rum bdquokomplex ungewiss mehrdeutig einzigartig und von Wert- und Interessenkon-fl ikten gepraumlgtldquo (Horster amp Rolff 2006 S 68)

Die Idee einer refl exivenprofl exiven Entwicklungsorientierung als Paradigma ent-spricht grundlegend der bdquoFunktion der Schul- bzw Unterrichtsentwicklungldquo (Wurs-ter Richter Schliesing amp Pant 2013 S 24) und grenzt sich maszliggeblich ab von einem bdquoParadigma der Kontrolleldquo (Terhart 2002 S 63) einem verkuumlrzten Verstaumlndnis von Entwicklung als bloszlige bdquoExternalisierung der schulischen Leistungsbeurteilungldquo (Alt-richter amp Kanape-Willingshofer 2012 S 356) und der Strategie bdquobessere Leistungen der Schuumllerinnen durch regelmaumlszligige Rechenschaft slegungldquo (ebd S 357) zu errei-chen Gefordert ist vielmehr systematisch und systemisch betriebene eigenstaumlndige Qualitaumltsentwicklung am Standort durch Heranziehung von externen und internen Evidenz(en) die bdquozu einer zyklischen Bewegungldquo fuumlhren (Schratz Iby amp Radnitzky 2000 S 10) die bdquoso sie erfolgreich ist in Form einer Spirale aufwaumlrts fuumlhrtldquo (ebd)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 108

Entwicklungsorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung fuumlhrt die Qualitaumltsarbeit mit interner und externer Evidenz zusammen und akzeptiert nicht das (immer noch) weit verbreitete Missverstaumlndnis dass extern erhobene Daten und Informationen zu einer Schule oder dem Unterricht vor Ort als reine Fremdevaluation zu begreifen sind (Specht 2002) Besondere Aufmerksamkeit erfahren dabei nun Kontextdaten wie z B die bdquoaff ektiven und sozialen Wirkungenldquo (Ditton 2000 S 75) die bdquoMerkmale des Unterrichtsldquo (ebd) die komplexen Prozesse24 in der Schule und im Unterricht sowie die Orientierung an Kompetenzen (Weinert 2001) und die Ergebnisse von Kompe-tenzmessung (Leutner Fleischer Gruumlnkorn amp Klieme 2017) In den Hintergrund tre-ten bloszlige Leistungsvergleiche oder die Erwartung der reinen Verbesserung von Leis-tungsergebnissen (als Punktwerte) Besonders das Rahmenmodell von Helmke (2004) entspricht der Entwicklungsorientierung durch die zentrale Positionierung der Refl e-xionsarbeit und zeigt den paumldagogischen Nutzen von Daten und Informationen in der Schul- und Unterrichtsentwicklung

Das Modell von Helmke (2004) wird z B als Rahmen im Bereich der paumldagogi-schen Nutzung von Vergleichsarbeiten in Hamburg (Th onke amp Luumlcken 2015) oder als Rahmenmodell zur Beschreibung von Schulinspektion (Wurster et al 2013) herange-zogen Aus diesem Originalmodell von Helmke (2004) entwickelte sich in Oumlsterreich prozesshaft fuumlr das Arbeiten mit Evidenz(en) aus den Bildungsstandarduumlberpruumlfungen in den letzten Jahren ein Entwurf fuumlr ein weiterentwickeltes spezifi sches und erwei-tertes Rahmenmodell (Wiesner Schreiner amp Breit 2015 Schreiner amp Breit 2016) Zur Teilpruumlfung25 der zentralen Dimensionen Rezeption ndash Refl exion ndash Aktion aus diesen beiden Rahmenmodellen wurden von uns im Zuge der oumlsterreichischen Bildungsstan-darduumlberpruumlfung Schulleiterinnen und Lehrerinnen zur Schulentwicklungsarbeit be-fragt (Wiesner et al 2016) Die fuumlr die im Folgenden praumlsentierten Analysen verwen-deten Daten entstammen den Standarduumlberpruumlfungen zu Mathematik aus den Jahren 2017 (M8) und 2018 (M4) bei denen alle Schulleiterinnen und Schulleiter der Se-kundarstufe 1 und der Grundschule (VS) in Oumlsterreich zur Schulentwicklungsarbeit auf Basis von Ruumlckmeldungen aus der Standarduumlberpruumlfung befragt wurden Zusaumltz-lich wurden im Fruumlhjahr 2018 Lehrpersonen befragt Bei den Lehrpersonen handelt es sich um all jene die im Schuljahr 201718 eine vierte Klasse Grundschule unterrichtet haben und damit zur Zielgruppe der Lehrerruumlckmeldung aus der Standarduumlberpruuml-fung zu Mathematik 4 gehoumlrten26

24 Prozesse beinhalten sowohl Entwicklung als auch Optimierung und sollen in Abgrenzung zu Produkten und Maszlignahmen verstanden werden Ein Prozess ist eine Struktur deren Elemente Aufgaben Aufgabentraumlger Sachmittel sowie Daten Informationen und Wissen sind die durch Beziehungen verknuumlpft und verbunden sind und durch Ziele Visionen Werte und Uumlberzeu-gungen bestimmt werden

25 Eine Analyse der Zusammenhaumlnge zwischen den drei Konstrukten Rezeption Refl exion und Aktion erfolgte mittels eines Strukturgleichungsmodells Im vorliegenden Fall wird entspre-chend den theoretischen Annahmen von Helmke (2004) davon ausgegangen dass die Refl e-xion eine intervenierende (mediierende) Rolle zwischen dem Rezeptionsprozess und den kon-kreten Handlungen einnimmt

26 Informationen uumlber das zugrundeliegende Studiendesign und die Stichproben sind den Bun-desergebnisberichten (Schreiner et al 2018) zu entnehmen

Implementation Transfer Progression und Transformation 109

Abbildung 9 Die Bedeutsamkeit der Refl exion in Entwicklungsprozessen Ergebnisse aus der Begleitforschung zu den Bildungsstandards27 (eigene Darstellung)

Die Ergebnisse aus der Begleitforschung (vgl Abbildung 9) unterstreichen die Bedeu-tung von Refl exionsprozessen in der evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsent-wicklung (Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) Die Rezeption von Evidenz(en) wirkt sich bei den Schulleitungen stark auf die Refl exionsarbeit (mit Werten knapp uumlber 08) aus welche in hohem Maszlige Aktion als (bewusste) Handlungen (095) der Schulleitungen initiiert Signifi kante direkte Eff ekte von der Rezeption auf die Ak-tion sind indes nicht zu beobachten Aumlhnliche Eff ekte lassen sich bei den Schullei-tungen in der Grundschule (M4) feststellen Im Unterschied zu den Schulleitungen ist der Zusammenhang zwischen der Rezeption und der Refl exion (023) bei Lehrper-sonen allerdings deutlich geringer was bedeutet dass aktuell weniger Lehrkraumlft e in Oumlsterreich nach dem Rezipieren von Evidenz(en) uumlber diese auch refl ektieren Auch bei den Lehrkraumlft en haumlngt die Refl exion allerdings in starkem Maszlige mit Handlun-gen (076) zusammen d h werden Evidenz(en) refl ektiert dann werden Handlun-gen (Aktion) davon auch stark beeinfl usst (Schreiner Breit Wiesner amp George 2018 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018)

Die vorliegenden Ergebnisse waren unsere Widerfahrnisse woraus Ideen und Pro-totypen fuumlr eine spezifi sche und zyklische Transformation des Modells ermoumlglicht wurden Der Ursprung fuumlr die stetige Veraumlnderung des Ursprungsmodells ist einer-seits in den Ergebnissen der Begleitforschung des BIFIE zu fi nden und andererseits durch die gemeinsame Gestaltung einer Professional Learning Community (PLC) in der Anregungen und Impulse im Bereich der Th eorie-Praxis-Problematik entstanden sind (siehe Abbildung 10)

Nach dem wendelfoumlrmigen Salzburger Entwicklungsmodell gestaltet sich erfolgrei-che und gelungene Schul- und Unterrichtsentwicklung immer als bdquodas Zusammen-wirken aller Moumlglichkeitenldquo (Petzold 2007 S 242) als die Synergie der Gruppe Ein

27 Herzlichen Dank fuumlr die intensive Mitwirkung an diesem Projekt und die statistischen Analy-sen an Dr Ann Cathrice George

Rezeption Reflexion Aktion

Anmerkungen

Lehrpersonen LL M4 Bildungsstandarduumlberpruumlfung in Mathematik 4 SSt n = 2117

p le 005 CFI = 089 TLI = 087 RMSEA = 008 SRMR = 005

Schulleitungen SL M4 Bildungsstandarduumlberpruumlfung in Mathematik 4 SSt n = 2510

p le 005 CFI = 089 TLI = 087 RMSEA = 009 SRMR = 006

Schulleitungen SL M8 Bildungsstandarduumlberpruumlfung in Mathematik 8 SSt n = 1294

p le 005 CFI = 093 RMSEA = 008 SRMR = 006

SL M8 ndash07 SL M4 ndash09

SL M8 83

SL M4 82

SL M8 95

SL M4 88

LL M4 23 LL M4 76

LL M4 ndash01

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 110

Konfl ux aller Kraumlft e Faumlhigkeiten und Fertigkeiten der an der Schul- und Unterrichts-entwicklung beteiligten Personen als fl ieszligendes Zusammenspiel und -wirken im je-weiligen Kontext (je nach Th ema und Situation) und im zeitlichen Verlauf (Konti-nuum Petzold 2007)28 Das Modell beinhaltet sowohl ein Verbesserungslernen im Verstaumlndnis eines Kreislaufs nach der RADAR-Systematik (Result ndash Approach ndash De-ployment ndash Assessment ndash Refi nement) welcher auf dem Plan-Do-Check-Act-Kreis (PDCA-Kreis) basiert (Moll 2012) als auch das Veraumlnderungslernen als wendelfoumlrmi-gen Prozess (Initialphase ndash Refl exions-Profl exionsphase ndash Integrations-Neuorientie-rung-Aktionsphase ndash Evaluationsphase siehe Abbildung 10)

Die Initial- und Rezeptionsphase (Wiesner et al 2016) bzw bdquoInitiierungsphaseldquo (Bartz 2013 S 163) oder schlicht bdquoRezeptionldquo (Helmke 2009 S 312 Helmke 2004 S 101) dient dem bewussten Wahrnehmen der Phaumlnomene Th emen und Situationen in bestimmten innerschulischen Prozessen und einzelschulischen Kontexten in denen mit denen und uumlber die in einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwick-lung ko-respondiert werden kann ndash im Sinne des Miteinanderantwortens unter Be-ruumlcksichtigung der jeweiligen Kontexte und des zeitlichen Verlaufs Diese Phase er-moumlglicht ein vielfaumlltiges Sammeln ein Wahrnehmen Formulieren Artikulieren und Identifi zieren sowie ein erstes exploratives Erkennen von Potenzialen Ideen Defi zi-ten Problemen sowie Loumlsungs- und Moumlglichkeitsraumlumen als vielfaumlltige Wirklichkeit aus unterschiedlichsten Blickwinkeln durch Evidenz(en) (Petzold 2007 Wiesner et al 2016) Durch eine fokussierte Wahrnehmung und das Erkennen von Th emen und Si-tuationen in Verbindung mit innerschulischen Prozessen und einzelschulischen Kon-texten entstehen erste Chancen des Selektierens beim Sammeln und Einbringen von Daten Informationen und Wissen durch alle Beteiligten sowohl auf der Sachebene als auch auf der Haltungs- Werte- und Sinnebene In der Initialphase werden beispiels-weise Vermutungen formuliert die eigene und gemeinsame Aufmerksamkeit auf moumlg-liche Schwaumlchen wie auch Potenziale gelenkt und u a bdquogedachteldquo (aber noch nicht vorhandene) Probleme artikuliert Die Perspektiven werden durch das Sammeln von Daten und Informationen erweitert und Beziehungen zwischen Daten Informationen und Wissen sortiert sowie z B nach Relevanz geordnet

Die Refl exions- amp Profl exionsphase (Wiesner et al 2016 Bartz 2013) bzw bdquoRe-zeptionldquo (Helmke 2004 S 101) kann als fokussiertes Erfassen und Verstehen sowie Weiterwirken der Initialphase verstanden werden wobei eine Th ematisierung durch fokussierte Praumlsenz erfolgt und inspirative Loumlsungen konkurrierende Loumlsungsaspek-te oder neue Perspektiven hinsichtlich Th emen oder Situationen entstehen (Petzold 2003) die noch als Probleme oder Defi zite bezeichnet werden Es handelt sich da-bei um eine professionelle Auseinandersetzung (KonsensDissens) aller Beteiligten mit Evidenzen Eine professionelle vertiefende Refl exion und Profl exion ist als entwick-lungsorientierte (Schul- und Unterrichts-)Kulturarbeit verstanden die entscheidende Phase im gesamten Prozess (Helmke 2004 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018)

28 In der Praxis genuumlgt es oft mals den kontextuellen Rahmen bewusst zu machen um bdquodann das Th ema klarer vor seinem Hintergrund zu sehen Vielfach aber muss KontextKontinuum selbst erst detailliert zum Th ema werden ehe ein Sachthema oder ein situatives Problem adaumlquat an-gegangen werden kann denn auch ein Th ema hat seinen Kontext und steht nicht jenseits der Situationldquo (Petzold 2003 S 118 f)

Implementation Transfer Progression und Transformation 111

und benoumltigt ein ko-respondierendes ko-kreatives und damit ko-operatives Zusam-menwirken durch gelingende Teamarbeit Gemeinschaft und Buumlndnisse Neben einem Diskurs uumlber Fragen des Lehrens und Lernens und der Th ematisierung von Kontex-ten sollen besonders auch (Re-)Visionen und praumlgnante Ziele sowie neue veraumlnder-te Zielbilder durch Veraumlnderungslernen (Double-loop Learning) ermoumlglicht werden Der Diskurs uumlber Fragen des Lernens und Lehrens widmet sich beispielsweise dem kompetenzorientierten Unterricht und den Dimensionen der Kompetenzorientierung (Steinkellner amp Wiesner 2017) wie der kognitiven motivationalen und sozialen Akti-vierung der lebensweltlichen Anwendung und Wissensvernetzung dem professionel-len Feedback der Lernbegleitung der Haltung und Klassenfuumlhrung oder spezifi schen Th emen wie dem Classroom Walkthrough (Schwarz 2013) Verbindungen zwischen Annahmen Vermutungen Informationen und Daten werden aktiv und systematisch hergestellt und Beziehungen geordnet um Zusammenhaumlnge in den Th emen und Situ-ationen zu verstehen

Der Integrations- und Neuorientierungsphase bzw bdquoAktionldquo (Helmke 2009 S 312) kommt bdquodie Aufgabe der kritischen Auswertungldquo (ebd) zu hat sie doch das Ziel Veraumlnderungen oder Verbesserungen praumlgnant fokussiert und praumlsent zu ma-chen also bdquoden Sinn des Geschehens seine Bedeutung hervorzuheben das Erarbeite-

Um

setzen

V

erb

ess

ern

Planen

Uumlberpruumlfen

Qualitaumlts-verbesserung

(Kreislauf)

Qualitaumlts-entwicklung

(Spirale)

Qualitaumlts-transformation

als Prozess

Qualitaumltskontrolle

plan

do

check

act

Initital- und Rezeptionsphase Staumlrken und Schwaumlchen erkennen

Probleme identifizieren und formulieren

Daten Informationen Wissen sammeln

Beziehungen ordnen

erkennen

Reflexions- und Proflexionsphase Auseinandersetzung aller Beteiligten

Erklaumlrungen und Ideen entwickeln

Beziehungen reorganisieren und (neu)

verknuumlpfen

verstehen

Integrations- und Aktionsphase

konsensgegruumlndete Konzepte und Kreation

Entwicklungen und Maszlignahmen arrangieren

Kooperationen und Projekte verbinden

Neuorientierung

gestalten

Evaluationsphase Was hat gewirkt Was wirkt Wie wirkt es Wirkt es nachhaltig Ist es sinnvoll

hinterfragen

Initial- undRezeptionsphase

Integrations- undAktionsphase

Reflexions- undProflexionsphase

Evaluationsphase

2 Zyklus

1 Zyklus

Situation

3 Zyklus

Situation

Situation

Abbildung 10 Das wendelfoumlrmige Salzburger Entwicklungsmodell (eigene Darstellung)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 112

te kritisch zu bewerten und zu Handlungskonsequenzenldquo (Petzold 2003 S 131) uumlber-zuleiten Diese Phase soll als tatsaumlchliche Entwicklung im Sinne von Next Practice (vgl Kruse 2004) als Moumlglichkeit zur Veraumlnderung verstanden werden wie auch als Re-Orientierung bzw Umsetzung von Gestaltungsmoumlglichkeiten aber auch zur Opti-mierung von Prozessen und Maszlignahmen als Good Practice und Best Practice

Die aus der Initial- und Refl exions-Profl exionsphase erarbeiteten zentralen Ge-sichtspunkte Handlungsfelder und Loumlsungen gelten nun einerseits als Konzepte und reproduzierbare Prototypen (auch im Sinne von Produkten Maszlignahmen und Prozes-sen explizites Wissen) als gedachte gefuumlhlte und gehandelte (neue) Erfahrung (neu-es implizites Wissen vgl Abbildung 11) Andererseits schaff en sie im Unterricht oder in der Schule eine neue veraumlnderte oder optimierte Stabilitaumlt und Identitaumlt als Grund-lage fuumlr moumlglicherweise neue Haltungen gespeist aus veraumlnderten Uumlberzeugungen und Zielen In dieser Phase wird die vorhandene Komplexitaumlt maszliggeblich reduziert und zugleich erschlossen sie steckt bdquoeinen Horizont ab und eroumlff net damit neueldquo (Pet-zold 2003 S 131) sie schafft bdquofuumlr eine Zeit fi xierte Konzepte durch die dann wiede-rum ein Mehr an fl ieszligender Wirklichkeit erschlossen werden kannldquo (ebd) Entschei-dend in dieser Phase ist eine bewusst im Handeln realisierte (Ruumlck-)Wirkung durch Refl exion auf innerschulische Prozesse und einzelschulische Kontexte und somit auf

ko-kreative ErfahrungenKonzeptePrototypen generieren

RezeptionReflexionProflexionAktion

Integration

und Hinterfragen

implizites in explizites

Wissenwandeln

explizitesWissen

generieren

implizitesWissen

Reflexion

ko-kreative ErfahrungenKonzeptePrototypen generieren

InitialphaseReflexions-Proflexionsphase

Aktionsphase

Integrationsphase und

Evaluationsphase

implizites in explizites

Wissenwandeln

explizitesWissen

generieren

implizitesWissen

Reflexion

explizites undimplizitesWissen

verknuumlpfen

explizites undimplizitesWissen

verknuumlpfen

Abbildung 11 Zyklen der evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung (eigene Darstellung)

Implementation Transfer Progression und Transformation 113

die Ausgangssituation um nicht nur (leichte) Anpassungen sondern durch Profl exion tatsaumlchliche Chancen der Veraumlnderung der Schule des Unterrichts und des Umfelds durch die Handelnden (Veraumlnderungslernen) zu ermoumlglichen

In der Phase der bdquoEvaluationldquo (Helmke 2009 S 313 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) sind zumindest immer die Fragen zu stellen Wie wirken sich die ge-setzten Handlungen auf meineunsere Schule auf meinenunseren Unterricht auf die Beziehungsqualitaumlt auf das Klassen- und Schulklima auf meineunsere Kompe-tenzen auf meineunsere Grundprinzipien usw aus Was hat gewirkt und wird ver-mutlich wirken Was sollen wir in unserer Schule bzw unserem Unterricht bloszlig tun Die Phase der Evaluation ist damit regelhaft auch eine Initialphase fuumlr einen neuen Zyklus (siehe Abbildung 10) sodass Konzepte und reproduzierbare Prototypen lau-fend praumlzisiert und veraumlndert werden um weitere veraumlnderte abgewandelte Praxis (als Next Practice) oder verbesserte Praxis (als Best Practice) zu ermoumlglichen bdquoVerstehenldquo (Kruse 2004 S 60) erhoumlht dabei die bdquoBereitschaft sich auf Veraumlnderung einzulassenldquo (ebd)

Kerngedanke 7 Kompetenzverstaumlndnis

Weinert hat rund um die Jahrtausendwende den Begriff der Kompetenz in einer Form defi niert die ihn fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwicklung handhabbar machte Da-mit hat sich die Idee der Mehrperspektivitaumlt geoumlff net Lernen wird aus Sicht der Lehr-personen jedoch auch aus Sicht der Schuumllerinnen gesehen wahrgenommen und gespuumlrt (Beziehungs- und Resonanzpaumldagogik) Kompetenzorientierung schafft eine Verbin-dung zwischen den Begegnungen und Beziehungen in einer Schule und im Unterricht und dem sachorientierten Lehrplan dem Stoff und den Uumlbungen Sie verbindet den In-haltsaspekt mit dem Beziehungsaspekt nach Watzlawick Beavin amp Jackson (2011) und foumlrdert (nebenbei) die zwischenmenschliche Kommunikation Wichtig erscheint Modelle kritisch zu pruumlfen und zu hinterfragen welche Botschaft en sie vermitteln

In der bdquoUumlberwindung des sbquoRichtig-falsch-Denkenslsquo und der habituellen Schuldzu-schreibung liegt fuumlr die Beratungsprozesse die das Denken Fuumlhlen und Handeln von Menschen in loumlsungs- und entwicklungsorientierter Weise veraumlndern wollen der ent-scheidende kognitiv-mentale Knoten Da die mentalen Muster per Defi nition nicht bewusst ablaufen gilt es Formen zu fi nden diese der Erkenntnis zugaumlnglich zu ma-chen und annehmen zu koumlnnenldquo (Schley amp Schley 2010 S 25)

Ein Entwurf eines Modells der Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Evi-denz(en) fuumlr die Praxis ist immer facettenreich sowie mehrdimensional und benoumltigt dennoch systematisierende entwicklungsorientierte und zwischenmenschliche Mo-delle Visuell abbildbare Modelle brauchen wiederum systemische Denkansaumltze (Os-simitz 1996 S 281 f 2000 Doumlrner 1989 Merten 1974) um heuristische und pro-gnostische Funktionen organisiert aufzuzeigen sowie Zusammenhaumlnge zu klaumlren Besonders die Faumlhigkeit Dynamiken Ruumlckkopplungen Nebenwirkungen Wendel- und Kreislaumlufe in einem System identifi zieren zu koumlnnen sowie eine vorliegende dyna-

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 114

mische Komplexitaumlt verstehen und beurteilen zu koumlnnen sind nach Ossimitz (2000) wesentliche Aspekte und Kriterien von Modellen Bei aller Komplexitaumlt des For-schungsgegenstands besteht die Aufgabe von Modellen darin dass bdquowissenschaft licher Fortschritt weitgehend auch im Aussprechen von Trivialitaumltenldquo (Maletzke 1998 S 58) stattfi ndet Explizite Modelle sind nicht nur Abstraktionsleistung menschlichen Den-kens sondern zeigen vernetzte systemische (nicht tabellarische) Strukturen auf Dabei werden Argumentationsketten ermoumlglicht die als Teilaspekte in dynamische Zeit- und Raumgestalten gebracht werden koumlnnen wie z B Zeitverlaumlufe und verstaumlndliche ein-fache Aspekte Kriterien und Kontexte mit praktikablem Praxisbezug Dennoch sind die Analyse der Einfl uss und die Wirkung von Modellen als Instrumente der visuel-len Argumentation bisher kaum diskutiert (Elsing amp van Ackeren 2017)

Modelle legen jedoch immer bei detaillierter und genauerer Betrachtung die fuumlr die Bewertung zugrunde liegenden Vorstellungen Ziele Annahmen Werte und Prin-zipien usw off en (Ditton 2007 Ditton amp Muumlller 2011) Selbst der urspruumlnglich wert-neutrale Begriff der Qualitaumlt erhaumllt durch ein (Rahmen-)Modell immer (mindestens) eine Wertung (Huber amp Schneider 2011) Jedes Modell gibt (explizit und implizit) vor welche Bedingungen im Hinblick auf eine Qualitaumltserwartung erfuumlllt werden muumlssen (Schratz amp Westfall-Greiter 2010) Dabei sollen Modelle zur Qualitaumlt zunaumlchst nur bdquodie Wirklichkeit in einer noch uumlberschaubaren aber dennoch genuumlgend diff eren-zierten Formldquo (Ditton 2007 S 83) systematisch und strukturiert abbilden Doch je nach Art Umfang und Anlage eines Modells ergeben sich unterschiedliche Arten von Daten Informationen und Wissen und diese Evidenzen fuumlhren bdquozu unterschiedlichen Steuerungsmoumlglichkeitenldquo (Terhart 2002 S 72) und letztendlich zu ungleichen Er-wartungen und Entscheidungsfi ndungen

Fuumlr einen Entwurf eines Modells der Schul- und Unterrichtsentwicklung sollten wir daher bei Modellen als Ausgangspunkt zunaumlchst keine Verkuumlrzung der Kompe-tenzorientierung auf bloszlige kognitive Leistungsfaumlhigkeit annehmen wie dies z B beim Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) mit der Bezeichnung bdquostandardbezogene Testsldquo (ebd S 60) stattfi ndet Das Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) strebt auch u a nur bdquoverbesserte Ergebnisseldquo (ebd S 60) an die Prozesse (siehe Kerngedan-ke 2) bleiben im Modell zunaumlchst eine Black-Box und beschreiben im Ablauf vorran-gig nur Optimierungen29 (siehe Kerngedanke 1) Die Herangehensweise dieses Mo-dells vernachlaumlssigt zusaumltzlich die besondere Bedeutung der Refl exionProfl exion und ermoumlglicht daher nur eine einseitige Herangehensweise im Sinne eines Einschleifen-

29 Die Kompetenzorientierung wird nicht explizit angefuumlhrt und Bildungsstandards mit Leis-tungstests (Performance Standards) gleichgesetzt (Altrichter amp Gamsjaumlger 2018) Altrichter und Gamsjaumlger (2018) verweisen auf Coburn und Turner (2011) aber z B nicht auf die Ent-wicklungsorientierung nach Helmke (2004) wodurch die Botschaft der Datennutzung nun ausschlieszliglich sachorientiert formal und analytisch formuliert wird bdquoLehrpersonen sollen Bil-dungsstandards wahrnehmen und beachten (noticing) ihre (teilweise neuartigen) Botschaft en interpretieren und verstehen (interpreting) und daraus Konsequenzen insbesondere in Bezug auf ihre Unterrichtsplanung und -durchfuumlhrungldquo (Altrichter amp Gamsjaumlger 2018 S 63 f) (als Implications) ableiten Der Ruumlckgriff auf Coburn und Turner (2011) blendet die Bedeutsam-keit der Refl exions-Profl exionsprozesse aus (siehe dazu Abbildung 9 und 10) und etabliert das Modell mit Bezug auf Kolb (2015) fast ausschlieszliglich im Bereich des assimilierendes Lernens wodurch weder Ideen noch Handlungen entstehen

Implementation Transfer Progression und Transformation 115

lernens (Single-Loop-Learning) und oumlff net damit ausschlieszliglich eine Perspektive der Verbesserung wodurch der Blick auf Entwicklungsprozesse maszliggeblich eingeschraumlnkt und beschraumlnkt wird

Die beiden Zielsetzungen der Bildungsstandards in Oumlsterreich (Educational Stan-dards) waren spaumltestens ab 2008 die an Daten orientierte Unterrichtsentwicklung und die Einfuumlhrung des kompetenzorientierten Unterrichts (Specht amp Lucyshyn 2008 Wiesner amp Schreiner 2017) Das Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) greift weder die tatsaumlchlichen Ziele30 noch die enge Verbindung der Bildungsstandards mit der Kompetenzorientierung auf Gerade durch diese Verknuumlpfung sollte sich der Unterricht weg von einem Angebotsparadigma (Altrichter amp Posch 2007) und dem bdquopassive[n] gelenkte[n] Lernenldquo (Krainer 2004) hin auf eine Kompetenzkultur (Stein-kellner amp Wiesner 2017) entwickeln und bdquoden Fokus des Unterrichts vom durchzu-nehmenden Stoff auf die zu vermittelnden Kompetenzenldquo (Specht amp Lucyshyn 2008 S 2) verlagern In diesem Sinne sind tatsaumlchlich entwicklungsorientierte Modelle ndash wie das Rahmenmodell von Helmke (Helmke 2004) ndash als Zielbild ansprechender zei-gen den paumldagogischen Nutzen von Daten leisten fuumlr einen Entwurf eines Modells der Schul- und Unterrichtsentwicklung einen houmlheren Erklaumlrungsbeitrag und ermoumlg-lichen diff erenziertere und vielfaumlltigere Einblicke unter der Betonung der Refl exions-prozesse Ein anderes entwicklungsorientiertes Modell mit der dezidierten Verbindung zwischen der Kompetenzorientierung und den Bildungsstandards ist das oumlsterrei-chische Rahmenmodell (Wiesner Schreiner amp Breit 2015 Schreiner amp Breit 2016) Schulen benoumltigen jedenfalls praxisbezogenes Wissen uumlber Modelle und Uumlbersetzun-gen von Modellen um vor dem Hintergrund ihrer spezifi schen Bedingungen und Be-duumlrfnisse bestmoumlgliche Entscheidungen treff en zu koumlnnen und um die Qualitaumlt von Schule und Unterricht evidenzorientiert zu entwickeln und zu verbessern

Auch Modelle aus dem Total Quality Management (TQM) ndash wie z B das Modell der European Foundation of Quality Management (EFQM) ndash greifen fuumlr ein Modell der Schulentwicklung zu kurz da sie meist nur formalisierte (Qualitaumlts-)Verbesserung nach der bdquoRADAR-Systematikldquo (Result ndash Approach ndash Deployment ndash Assessment ndash Re-fi nement [RADAR]) auf Basis des Plan-Do-Check-Act-Kreises (PDCA-Kreis Moll 2012 Toumlpfer amp Mehdorn 1994) als bloszlige Kreislaufmodelle (Einschleifenlernen) an-bieten Aumlhnlich dem EFQM-Modell ist z B auch das Rahmenmodell zur Qualitaumlt durch Evaluation und Entwicklung (Q2E) von Landwehr amp Steiner (2003) Diese Mo-delle integrierten weder die Idee einer tatsaumlchlichen Bestimmung bdquoder Guumlte eines Pro-duktsldquo (Klopsch 2009 S 10) noch die Orientierung an Entwicklungsprozessen um eine Entwicklung der Beschaff enheit und Guumlte durch Prozessmusterwechsel (als Next Practice) zu ermoumlglichen (Schratz et al 2016)

30 Bereits Altrichter und Kanape-Willingshofer (2012) berichteten von Zielen der oumlsterreichi-schen Bildungsstandards die in der Genese der Bildungsstandards in dieser Art und Weise zwar vorkommen aber ab spaumltestens 2008 in vielen Bereichen an Bedeutung verloren haben wodurch bis heute in Oumlsterreich kein Weg des bdquoParadigmas der Kontrolleldquo beschritten wurde

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 116

Tabelle 3 Aspekte und Kriterien der Kompetenzorientierung im Unterricht und der Lehrkraumlftebildung

Aspekte und Kriteriennach Weinert (2001)

Dimensionen der Kompeten-zorientierung nach Wiesner et al (2018)

hellip im Unterricht hellip hellip professionelle Lehrkraumlftebildung nach Baumert und Kunter 2006

erlernbar

Lernbegleitung

hellip ermoumlglicht eine hohe Passung und ein gelungenes Zusammenwirken indivi-dueller differenzierter und personalisier-ter Lernbegleitung und -begegnungen durch variable lerntheoretisch fundierte und fachdidaktische Herangehens-weisen und Methoden

paumldagogische und psychologische Kompetenz fachdidaktische Kompetenz Fach-kompetenz Be-ratungskompetenz Uumlberzeugungen Werthaltung und Ziele Organisations-wissen

Klassenfuumlhrung hellip durch eine foumlrderliche Haltung und Praumlsenz (Allgegenwaumlrtigkeit) der Lehrperson um einen kompetenz-orientierten Unterricht und Foumlrderung zu ermoumlglichen eine fehleroffene und stoumlrungspraumlventive Fuumlhrung der Klasse die Foumlrderung einer sinnstiftenden wertschaumltzenden und respektvollen Kommunikation

kognitiv

Aktivierung und Verarbeitungstiefe

hellip durch kognitive motivationale volitionale und soziale Aktivierung Strukturieren Systematisieren Heraus-fordern sowie selbststaumlndiges als auch kooperatives Lernen und Arbeiten Foumlrderung strategischen und kreativen Denkens Foumlrderung von Routinen und Entwicklung Partizipation

motivational volitional und sozial

Probleme loumlsen Foumlrderung der fach lichen und uumlberfach lichen Wis-sensvernetzung um Probleme zu loumlsen

hellip durch eine vielfaumlltige Wissensver-netzung sowohl innerhalb eines Faches als auch zwischen mehreren Faumlchern durch Analysieren Erkunden Erproben Entdecken Erfinden Abwaumlgen Argu-mentieren innerhalb eines Faches als auch uumlber Faumlcher hinweg

Problemloumlsung in variablen Situationen

Foumlrderung lebens-weltlicher Anwendun-gen um Loumlsungen in variablen Situationen und in der Lebens-welt zu ermoumlglichen

hellip durch lebensweltliche Anwendung des zu Lernenden und des bereits Gelernten verankern und variable Situ-ationen kennenlernen durch vielfaumlltige Angebote und Variationen vor allem auch zwischen dem Fach sowie der Lebenswelt und Wirklichkeit der Schuumllerinnen Variabilitaumlt und Viabilitaumlt erhoumlhen

erfolgreich und verantwortungs-voll

(Selbst-)Reflexion hellip durch wiederkehrendes Vorleben und Stimulieren von (Selbst-)Reflexions-prozessen reflektieren der eigenen Zielorientierung Feedback Attribution der eigenen eingesetzten Kompetenzen durch Hinterfragen Kritikfaumlhigkeit

Uumlberzeugungen Werthaltung und Ziele Beratungs-kompetenz

Implementation Transfer Progression und Transformation 117

Grundsaumltzlich ist jedenfalls von einer bdquoverkuumlrzten Gleichsetzungldquo (Frohn amp Heinrich 2018 S 156) von Kompetenzorientierung mit kognitiv-verkuumlrzten Leistungstests wie im Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) abzuraten Sowohl Ziener (2010) Feindt amp Meyer (2010) Steinkellner amp Wiesner (2017) als auch Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner (2018) entwerfen reichhaltige Modelle der Kompetenz-orientierung und plaumldieren gegen eine Verengung auf die kognitive Leistungsfaumlhig-keit Bezugspunkt der oumlsterreichischen Bildungsstandards sind der von Franz E Wein-ert entwickelte Kompetenzbegriff und die Foumlrderung von Kompetenzen im Unterricht Kompetenzen sind bdquodie bei Individuen verfuumlgbaren oder durch sie erlernbaren kogni-tiven Faumlhigkeiten und Fertigkeiten um bestimmte Probleme zu loumlsen sowie die damit verbundenen motivationalen volitionalen und sozialen Bereitschaft en und Faumlhigkeiten um die Problemloumlsung in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nut-zen zu koumlnnenldquo (Weinert 2001 S 27 f Herv d Verf) In diesem Sinne muss es nach Frohn und Heinrich (2018) darum gehen bdquoSchuumllerinnen in allen dieser Defi nition innewohnenden Kompetenzdimensionenldquo nachhaltig zu foumlrdern Demnach ist es fuumlr umfassende und integrative bdquoLehr-Lern-Prozesse unabdingbar alle Konnotationen des Kompetenzbegriff s in der Planung und Durchfuumlhrung von Unterricht zu beruumlcksich-tigen um diff erenzierte Lernangebote zu eroumlff nenldquo (Frohn amp Heinrich 2018 S 157) Ein diff erenziertes Lehr-Lern-Geschehen benoumltigt ein integratives Konzept (siehe Ta-belle 3) mit einem weiten Begriff sverstaumlndnis als Verbindung der Kompetenzdefi ni-tion von Weinert (Weinert 2001) der Dimensionen der Kompetenzorientierung im Unterricht (Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner 2018) und der Lehrkraumlft ebil-dung (Baumert amp Kunter 2006)

Frohn und Heinrich (2018 S 157) argumentieren daher dass kompetenzorien-tierte bdquoStandards nicht im Sinne von Leistungserwartungen an Schuumllerinnenldquo formu-liert werden duumlrfen sondern als bdquoUnterrichtsstandardsldquo im Sinne einer professionel-len Lehrkraumlft ebildung zu defi nieren sind (siehe dazu Tab 3) die bdquoFeedback soziale Lernprozesse gegenseitige Wertschaumltzung Partizipation Kritikfaumlhigkeit und Motiva-tion bis hin zu kreativ-aumlsthetischen Parameternldquo integrieren Risikoreich und entwick-lungshemmend ist jedenfalls eine Verkuumlrzung der Kompetenzorientierung auf blo-szlige kognitive Leistungsfaumlhigkeit wie auch Rahmenmodelle der Schulentwicklung die Kompetenzmessungen verkuumlrzt als bloszlige kognitive Tests darlegen damit sich nicht bdquotradierte Bewertungsmusterldquo (Frohn amp Heinrich 2018 S 157) weiterhin fortsetzen Besonders die Idee der bdquoNeuen Steuerungldquo reproduziert durch solche Verkuumlrzungen moumlglicherweise nur bdquoalte Ungleichheitenldquo (Dietrich Heinrich amp Th ieme 2011)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 118

Kerngedanke 8 Implementation Transfer Progression und Transformation

In den letzten Jahren durft en wir viele Workshops dialogische Vortraumlge und Veranstal-tungen mit und fuumlr Schulleitungen Lehrpersonen und Schulaufsicht aktiv (mit-)gestal-ten Aufb auend auf diesen reichhaltigen Erfahrungen Begegnungen und Beziehungen haben wir versucht ein refl ektierendes Modell fuumlr eine refl ektierende Praxis im Rahmen unserer Begleitforschungen fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung zu generieren Die bisherigen Entwuumlrfe liegen in diesem Beitrag nun vor und ordnen die Herangehensweisen vor allem durch theoretische oft mals (zugegeben) etwas abstrak-te Konzepte Doch die Konzepte konnten in der Praxis wirkkraumlft ig erfolgreich und pra-xisnah eingesetzt werden Wichtig und handlungsleitend fuumlr uns war dabei dass nicht immer alles implementiert werden kann aber auch nicht alles eine Transformation sein muss Das Modell der Feldtransformation (gemeinsam entwickelt mit der wissenschaft -lichen Leitung der oumlsterreichischen Leadership Academy31) hat uns dabei viele Impul-se und Anregungen gegeben Wir moumlchten diese heranziehen um wichtige Begriff e einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung zu klaumlren

Eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Zielbilder als Ver-bindung von Vision und Ziel kann bdquomehr oder weniger nebenwirkungsreich gelin-genldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 154) Entwicklungen sind als Zielbilder sowohl von Visionen als auch von Zielen und einer professionellen Fuumlhrungskultur (Schratz et al 2016) gepraumlgt ohne Vision bdquoverliert die Veraumlnderung ihre Basis bevor sie begonnen hatldquo (Kruse 2004 S 69) Zielbilder benoumltigen Grundlagen Ausgangspunkte um Op-timierungen Entwicklungen oder Transformatives als Erfahrung bewusst beschreiben und aktiv refl ektierenprofl ektieren zu koumlnnen

Die Begriff e Implementierung Transfer und Transformation sind in der Schul- und Unterrichtsentwicklung haumlufi g verwendete Begriff e und (Dauer-)Th emen Sie werden dennoch manchmal leichtfertig verwendet ohne ihre Bedeutung ihre Ver-bindung zueinander und ihre Diff erenz aufzuzeigen Entwicklung kann verstan-den werden als Moumlglichkeiten des Augenblicks als Durchbruch von Vorstellungen und als Zusammenspiel von (planbarem) Wandel und (emergenter) Veraumlnderung In der Schul- und Unterrichtsentwicklung werden seit vielen Jahrzehnten Innovationen durch Reformen als Interventionen gefordert und unterschiedliche Umsetzungsmoumlg-lichkeiten als Paradigmen gewaumlhlt (Schratz et al 2016) Reformen (lat reformare um-gestalten verwandeln) und Intervention (lateinisch intervenire dazwischentreten) die zu Innovationen (lateinisch innovare erneuern) fuumlhren (sollen) determinieren immer auch intangibles implizites oder explizites Wissen und Strukturen und Begrenzen das Moumlgliche (siehe den Beitrag von Rolff in diesem Sammelband)

Wir moumlchten zunaumlchst Bezug nehmen auf den innovativen Entwurf der Feldtrans-formation als alternatives Th eoriegebaumlude fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwick-lung (siehe den Beitrag von Wiesner in diesem Band) sowie zur Entwicklung einer

31 Die Leadership Academy (LEA) existierte in Oumlsterreich von 2004 bis 2018 unter der wissen-schaft lichen Leitung von Wilfried Schley und Michael Schratz

Implementation Transfer Progression und Transformation 119

persoumlnlichen Koumlnnerschaft z B im Bereich Leadership und Management (Schratz et al 2016) Alle Prozesse im Modell der Feldtransformation sind als Gesamtprozesse in einem multidimensional diff erenzierten Kontext und im Kontinuum (Zeitverlaumlu-fe) zu sehen Das Modell folgt dabei zunaumlchst dem Entwurf aus den 1960er Jahren von Riemann (Riemann 2007 S 238 Paschen amp Dihsmaier 2014) und greift ein ana-lytisches psychodynamisches Denken auf Dabei haben Personen und Systeme kei-ne absoluten sondern immer wieder voruumlbergehende strukturelle Zuumlge Das Modell von Riemann (2007) beschreibt vier bdquoFormen des In-der-Welt-Seinsldquo (Riemann 2007 S 243)32 welche als Grundimpulse und potenzielle Antriebe im Hinblick auf Situatio-nen sowie als Moumlglichkeiten und Antworten dienen (ebd S 27 vgl Abbildung 12) 1) Dauer eine Ordnung und eine moumlglichst dauerhaft e Geborgenheit zu schaff en als

Stabilitaumltsorientierung (durch Unsicherheit und als Angst vor Wechsel und Angst vor Vergaumlnglichkeit)

2) Distanz eine erkennende analysierende Distanzierung zur Loumlsung einer bdquoAufgabe und Forderungldquo als Sachorientierung33 (und als Angst vor Abhaumlngigkeit)

3) Naumlhe eine Identifi zierung und Identifi kation und die Gestaltung von bdquoBeziehungldquo (Riemann 2007 S 238) als Beziehungsorientierung (und der Angst vor Isolation) oder

4) Wechsel eine Hingabe als ein Einlassen auf Veraumlnderung und Wandel als Entwick-lungsorientierung (und als Angst vor Bestaumlndigkeit Einengung und Endguumlltig-keit)

Die verfuumlgbaren und kombinierbaren Antwortmoumlglichkeiten als verschiedene Louml-sungsentwuumlrfe sind als ein bdquoZeichen der Lebendigkeitldquo (Riemann 2007 S 238) und Beweglichkeit von Menschen und Systemen zu verstehen Th omann und Schulz von Th un (2003 S 177) verwenden die vier Grundimpulse von Riemann (2007) z B in ihrem kommunikationswissenschaft lichen Wegweiser-Modell um die Intensitaumlt der jeweiligen Aktivierung auf den Achsen zu bestimmen und die fl ieszligenden Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten zu veranschaulichen

In vielen Th eorien fi ndet sich explizit oder implizit wie Personen und Systeme als Einheit zu denken sind jedoch uumlber die Art und Weise wie diese verbunden sind (als Mikro-Makro-Diff erenzierung gedacht) herrscht oft mals rege Uneinigkeit Hier greift das Modell der Feldtransformation auf den systemischen Entwurf des Soziologen Rit-zer (1975 1978 1985) zuruumlck Ritzer (2001 2010) ordnet und diff erenziert wesentli-che soziologische Th eorien und Denkmodelle und fuumlhrt diese einer 4-Felder-Matrix mit vier Dimensionen und deren Wechselbeziehungen zu Die Struktur des Modells

32 Die beschriebenen Strukturdiagnosen fi nden sich indirekt z B als (depressive zwanghaft e schizoide und hysterische) Persoumlnlichkeitsdispositionen von Riemann (2007) in der ICD-10 oder der DSM-IV-TR Die Grundlagen dazu gehen auf die Th eorie der Neurosenstruktur von Schultz-Henke (1951) zuruumlck In der Organisationsforschung spricht Tuumlrk (1976) von Grund-lagen einer Pathologie der Organisation

33 In Fachbuumlchern wird dieser Impuls oft mals auch als bdquoAutonomieorientierungldquo (Paschen amp Dihsmaier 2014 S 41) bezeichnet das Modell der Feldtransformation greift hierbei jedoch auf die Begriff e des bdquoInhaltsaspektsldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 S 53 f) und der bdquoOrien-tierung an der Sachebeneldquo (Schulz von Th un 2002 S 15 Th omann 2004 Muumlri 1993) zuruumlck um Verwirrungen mit dem Begriff der Schulautonomie zu vermeiden

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 120

geht zunaumlchst von einer Mikro-Makro-Achse aus und einer Achse die zusaumltzlich zwi-schen objektiv und subjektiv diff erenziert (vgl Abbildung 13) Sowohl auf der bdquoMik-ro- als auch auf der Makro-Ebene sind soziale wie subjektive Faktoren aktivldquo (Schuuml-lein 2018 S 96) Systeme und Subsysteme sind daher immer bdquomehr oder weniger stabil bzw instabilldquo (Kruse 2004 S 40) sowie mehr oder weniger einfach oder kom-plex aber immer auch entwicklungsoff en

Das Modell der Feldtransformation speist sich aus kommunikationswissenschaft -lich-psychotherapeutischen Ansaumltzen (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 Wiesner 2015) aus psychologisch-kommunikationswissenschaft lichen interpersonellen Ent-wuumlrfen (Th omann amp Schulz von Th un 2003 Th omann 2004 Wiesner 2010) aus lerntheoretisch-kommunikationswissenschaft lichen Ansaumltzen (Kolb 1974 Kolb 2015 Wiesner 2010 2015) aus Modellen zum kritischen und kreativen Denken (Jonas-sen 1996 Astleitner 1998 Csikszentmihalyi 2010 Wiesner 2010 2015) aus Model-len zu dynamischen Systemen (Kruse 2004) aus systemtheoretischen Entwuumlrfen zum Chaos-Management34 (Muumlri 1993) und aus neueren systemisch-orientierten Leader-ship-Ansaumltzen (Weick amp Sutcliff e 2016 Schratz et al 2016) Das Modell greift u a die personenorientierte Herangehensweise aus der klinischen Psychologie und der da-mit verbundenen Th erapieforschung von Riemann (2007) und den metasystemischen

34 Chaos als die bdquonormale Durchgangsstation im Wachstumldquo (Muumlri 1993 S 20)

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanz

Intellekt

Individualitaumlt

Freiheit

Spontanitaumlt

Flexibilitaumlt

Lebendigkeit

Abstand

Autonomie

Alleinsein

Kooperation

Geselligkeit

Gefuumlhle

Entwicklung

Veraumlnderung

Uumlberraschung

Sicherheit

Verantwortung

Zuverlaumlssigkeit

Ordnung

Kontrolle

Detailmanagement

Vertrauen

Harmonie

Solidaritaumlt

Abbildung 12 Grundimpulse und Grundformen der Angst (in Anlehnung an Riemann 2007 Stahl 2012)

Implementation Transfer Progression und Transformation 121

Ansatz von Ritzer (2001) als Grundmodell auf und diff erenziert bei der ersten Ach-se somit zwischen einer sachorientierten bdquoVerstandesweltldquo (von Saldern 2010 S 80) bzw einem bdquoInhaltsaspektldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 S 61) bzw einer bdquoSachebeneldquo (Muumlri 1993 S 58 Th omann 2004) und einer beziehungs- und emo-tionsorientierten bdquoIntuitionsweltldquo (von Saldern 2010 S 80 Holtfort 2013) bzw einer bdquoBeziehungsebeneldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 S 62 Th omann 2004) bzw bdquoBegegnungs- und Gefuumlhlsebeneldquo (Muumlri 1993 S 58) Die Aktivierungen lassen sich im Modell der Feldtransformation so verstehen dass die vier Impulse als Polaritaumlten und die vier Felder als gleichwertige Positionierungen gedacht werden wobei fl ieszligen-de Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten und Positionierungen moumlglich sind Die erste Polaritaumlt ist daher die Zeitachse (Stabilitaumlts- und Entwicklungsorientierung) die zwei-te die Raumachse (Sach- und Beziehungsorientierung) Je staumlrker ein Impuls ist desto weiter vom Nullpunkt entfernt wird er eingeordnet

Systeme ndash wie Schule und Unterricht ndash bestehen immer zwischen Kontinuitaumlt und Veraumlnderung weshalb eine der Leitachsen im Sinne einer bdquoIdentitaumlts-Diff erenzldquo (von Saldern 2010 S 69) geformt wird Eine Annaumlherung an eine Ganzheit im Sin-ne von bdquoBalancingldquo (Kolb 2015 S 143) entsteht wenn Personen und Systeme moumlg-lichst viel bisher Wesensfremdes und Fernliegendes integrieren um sich selbst als Per-son oder als System bdquozu weitenldquo (Riemann 2007 S 239) Der Blick von einem Punkt

Abbildung 13 4-Felder-Matrix der Mikro-Makro-Ebenen (in Anlehnung an bdquoMajor Levels of social analysisldquo (Ritzer 2001 S 93) (1975 1978 1985))

subjektiv

Makro

objektiv

Mikro

Mikro-objektive Ebene Mikro-subjektive Ebene

Makro-objektive Ebene Makro-subjektive Ebene

Muster von

Verhalten Handlung

und Interaktion

Konstruktion von

Wirklichkeit

Gesetze und Buumlrokratie Werte

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 122

einer Leitachse bestimmt die jeweilige Wahrnehmung Beobachtung und Analyse und veraumlndert die Aussagen und Erkenntnisse uumlber ein System (Boos 1991 Sandschnei-der 1995) wodurch die Felder als eine Ganzheit (System) und der Standpunkt bzw die jeweiligen Standpunkte ins Zentrum der Beobachtung ruumlcken Das Konzept der Feldtransformation ist nicht als ein einseitiger linearer Prozess zu betrachten sondern vielmehr als Kreislauf in Spiral- und Wendelbewegungen ndash als Vorstellung einer Pra-xis-Th eorie- und der Th eorie-Praxis-Beziehung Dabei stehen die vier Felder in einer wechselseitigen Beziehung zueinander und wirken gegenseitig aufeinander ein

In der Schul- und Unterrichtsentwicklung lassen sich nun die Konzepte der Im-plementation des Transfers der Progression und der Transformation einordnen und ihre Vorzuumlge und Nachteile naumlher bestimmen (siehe Abbildung 14) Dabei stellen wir uns folgende Fragen Wie positionieren sich Personen (Lehrerinnen Schulleiterin-nen Schulaufsicht usw) und Systeme (Politik Schule Unterricht usw) im Wandel der Zeit und wie fi nden Personen und Systeme ihre Identitaumlt in einer sich veraumlndernden Welt Wie positionieren sich Menschen und Systeme zueinander und gestalten Bezie-hungen und begreifen das Zusammenwirken (Paschen amp Dihsmaier 2014)

Die Idee der Implementation (lateinisch implere anfuumlllen erfuumlllen Abbildung 14 Nr i) stellt die Verbindung zwischen Sach- und Stabilitaumltsorientierung dar Sie verfolgt eine Verbesserung eher nach stabilitaumltsfunktionalistischen Uumlberlegungen und einem Innovationsverstaumlndnis nach dem Muster bdquoknowlegde informs actionldquo (Dewe Ferch-hoff amp Radtke 1992 S 71) indem durch eine Umsetzung Luumlcken geschlossen wer-den und Bestehendes durch Umstrukturierung (voraussichtlich) weiter optimiert wird Wenn Umsetzungen stattfi nden Teilbereiche umgestaltet und Funktions- und Struk-turzusammenhaumlnge verbessert werden um Bestehendes durch Anordnungen Erlaumls-se oder Gesetze zu optimieren dann sprechen Rolff amp Schratz (2015 S 6) von Imple-mentation35 Das Denkmodell der Implementation ist mittlerweile grundlegend mit Lenkungsmodellen der (Neuen) Steuerung verbunden und steht in einem Selbstver-staumlndnis von Taumltigkeiten wie lenken steuern leiten vorgeben vermitteln kontrol-lieren sanktionieren formalisieren Weisungen erteilen um dadurch auch (einfache) Transparenz zu schaff en (von Saldern 2010 Fuchs 2008 Bartz 2013) Die Ideen neh-men Bezug auf makro-objektive Th eorien und in den Begriff en steckt der bdquoGrundte-nor einer linearen Steuerung von Systemenldquo (von Saldern 2010 S 8) oder Personen verbunden mit dem Risiko der Uumlbersteuerung und Uumlberstabilisierung (Tuumlrk 1976) durch Vorgaben Standards (Gesetze Verordnungen usw) Uumlberformalisierung und Anordnungen Nur wenn bdquoein System einfach und stabil istldquo (Kruse 2004 S 42) also wenig komplex und auf wenig miteinander vernetze Elemente reduziert wird dann bdquokann es gesteuert werdenldquo (ebd im Sinne makro-objektiver Th eorien)

Im Sinne des Th eorie-Praxis-Problems moumlchte die Implementation ein theoretisch wissenschaft liches Wissen als handlungspraktisches professionelles Wissen durch moumlglichst rasche Entscheidungsfi ndung (Kolb 2015) etablieren ohne zu beruumlck-

35 bdquoAnordnungen Erlaumlsse oder Projekte die aus den Behoumlrden oder Stift ungen also von oben kommen nennen wir nicht Transfer sondern eher Umsetzung oder Implementationldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 6)

Implementation Transfer Progression und Transformation 123

sichtigen dass theoretisches oder bdquowissenschaft liches Wissen nicht ein besseres Han-deln-Koumlnnen impliziertldquo (Bommes Dewe amp Radtke 1996 S 220) Th eoretisches wis-senschaft liches oder auch politisches Erklaumlrungswissen ist nicht mit Handlungswissen gleichzusetzen Im Mittelpunkt des Interesses steht bei der Implementation die Uumlber-windung von Rezeptions- und Anwendungswiderstaumlnden als Probleme bdquoVerstopfun-gen und Blockadenldquo (Bommes Dewe amp Radtke 1996 S 222) in der und durch die Praxis Meist und vor allem im Kontext von Schul(system)entwicklung kommt hin-zu dass das bdquoGelingen in hohem Maszlige von den Personenldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 4) in der Schule und im Unterricht vor Ort bestimmt wird die die Ziele nicht vor-geben und bdquoim Prozess der Erkenntnisgewinnung nicht beteiligt warenldquo (ebd) Pro-blematisch kann dann zusaumltzlich bdquodie Zusammenarbeit einer buumlrokratischen Orga-nisation mit einem auf einem Fachgebiet ausgewiesenen Spezialistenldquo (von Saldern 2010 S 56 f) erscheinen besonders durch bdquoinhaumlrente Orientierungskonfl ikte zwi-schen organisatorischen und professionellen Normenldquo Bei der Implementation erfolgt eine Neuausrichtung und Verbesserung meist durch die Idee einer stabilitaumltsgebenden bdquoWeisungsmachtldquo (Bartz 2013 S 158)

Das Denkmodell des Transfers (lateinisch transferre hinuumlberbringen uumlbertragen Ab-bildung 14 Nr ii) stellt die Verbindung zwischen Sach- und Entwicklungsorientie-rung dar Es steht in einem Selbstverstaumlndnis von Taumltigkeiten wie agiles Regeln regu-lieren (Situationen) analysieren Ziele vereinbaren auf Abweichen reagieren erklaumlren

Abbildung 14 Feldaktivierungen in der Schul- und Unterrichtsentwicklung (eigene Darstellung)

Beziehungs-orientierung

Stabilitaumltsorientierung

prospektiv ndash proflektiv

Sach-orientierung

Entwicklungsorientierung

retrospektiv ndash reflektiv

kooperativ ndash innovativ ndash

sinnorientiert

optimierend ndashanalytisch ndash

formal

Transfer Progression

Implementation Transformation

uumlbertragen fortschreiten

erfuumlllen umgestalten

i

ii

iv

iii

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 124

ruumlckmelden und ein rationales bdquoArgumentierenldquo (Bartz 2013 S 158 Kruse 2004) um dialogisch produktives Gelingen zu foumlrdern und ein bdquoBrainstormingldquo (von Sal-dern 2010 S 81) als kuumlnstliche Spontanitaumlt anzuregen Die Idee des Transfers meint nunmehr entweder die Herausforderung ein wissenschaft liches theoretisches Wissen in ein praktisch-professionelles Handlungswissen zu uumlberfuumlhren ndash gedacht als Th eo-rie-Praxis-Problem ndash oder indem die Anschlussfaumlhigkeit des wissenschaft lichen Wis-sens an die Wissensbestaumlnde des Alltags (Alltagstheorie) erhoumlht wird im Sinne eines Th eorie-Th eorie-Problems (Bommes Dewe amp Radtke 1996) Die dritte Moumlglichkeit des Transfers ist das praktisch-professionelle Handlungswissen von einer Schuleeinem Unterricht in eine andere Schulein eine andere Unterrichtssituation im Sinne eines Praxis-Praxis-Problems durch die (wissenschaft liche) Analyse der Alltagstheo-rie(n) zu uumlberfuumlhren um ein bdquoNacherfi ndenldquo (Kussau 2007 S 288) zu ermoumlglichen Denkweisen koumlnnen nach dem Entwurf des Transfers nicht durch schlichte Regeln oder Vorgaben vermittelt werden da die Praxis immer selektiv mit Wissensbestaumlnden umgeht diese strategisch adaptiert und oft mals umfunktioniert damit die Stabilitaumlt durch eine etablierte Praxis aufrechterhalten werden kann (Bommes Dewe amp Radt-ke 1996) Vom Transfer betroff en sind bdquonicht neue Verordnungen und anspruchsvol-le Vorschrift en sondern Innovationen in Form von besseren Praxenldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 6) Im Mittelpunkt des Interesses steht beim Transfer nun die produktive und analytische Auseinandersetzung mit Ziele(n) Daten Informationen und Wissensbe-staumlnden und das Entwerfen von (abstrakten) Konzepten (Kolb 2015) Dadurch wer-den bdquopaumldagogische Probleme neu und angemessener wahrgenommen und erklaumlrtldquo (von Engelhardt 1982 S 91) und es lassen sich bdquoso notwendige Veraumlnderungen paumlda-gogischer Zielsetzungen und Handlungsweisen einleitenldquo (ebd) um einen wechselsei-tigen Enrichment-Prozess zu ermoumlglichen (Bommes Dewe amp Radtke 1996) bdquoAllen Transferbemuumlhungen gemeinsam ist dass ein vorhandener bzw erarbeiteter Erkennt-nisgewinn auf einen neuen bzw anderen Kontext uumlbertragen werden sollldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 4) Wenn die Felder Transfer und Transformation verbunden werden kann von einer refl exiven Praxis (Schoumln 1991) auf Grundlage von Werten und Uumlber-zeugungen gesprochen werden

Sowohl der Gedanke der direkten und kontrollierbaren Steuerung (Implementa-tion) als auch der Entwurf des Regelns durch Dialog und ein logisches analytisches Regulieren (Transfer) ist gebunden an die mehr oder weniger groszlige Vorhersagbarkeit von Wandel im Sinne von Um-Ordnung oder gezielter und geplanter Neu-Ordnung (Kruse 2004) Eine groumlszligere Herausforderung entsteht durch nicht planbare emergen-te Veraumlnderungen und Prozessentwicklungen (Progression) oder durch eine Transfor-mation der Werte die jedoch nicht steuerbar sind oder geregelt werden koumlnnen

Die Idee der Progression (lateinisch progredi fortschreiten entwickeln Abbildung 14 Nr iii) stellt die Verbindung zwischen Entwicklungs- und Beziehungsorientierung dar Sie vertritt das Konzept nachhaltiger Entwicklung(en) durch Prozessmusterwechsel im Sinne von (emergenter) Veraumlnderung ein dynamisches Miteinander und den Ent-wurf des Polylogs (Petzold 2010) wodurch auf Basis von Vertrauen ein gemeinsames Formen und Zusammenwirken zu einem Wechselspiel von Prozessen und zu einer

Implementation Transfer Progression und Transformation 125

(neuen) Gestalt fuumlhrt (Bartz 2013) Es bleibt bdquodie Entwicklung von Visionen das Ver-trauen in Intuition die Sensibilisierung fuumlr die Wahrnehmung aktueller Gegebenhei-ten und das bewegliche Sich-Einlassen auf jede noch so kleine Veraumlnderungldquo (Kruse 2004 S 48 f) Progression uumlberschreitet die von der Vergangenheit gepraumlgte Gegen-wartsbindung und bdquobegibt sich in die Vogelperspektiveldquo (Muumlri 1993 S 198) Das Denkmodell der Progression und die Th eorien auf der mikro-subjektiven Ebene sind vorrangig mit der Idee des Navigierens (Malik 2015 Simon amp Weber 2009) verbun-den und stehen in einem Selbstverstaumlndnis des schwer Erfassbaren oft mals Unuumlber-schaubaren Dennoch schafft es neue Perspektiven und Raum fuumlr Impulse Intuition Kreation Spontanitaumlt Vision und Flexibilitaumlt durch Navigieren und Gestalten aber auch Kreieren und Generieren Progression betont Zukunft s- und Vernetzungsfaumlhig-keit Intuition Kooperation Spontanitaumlt und Kreativitaumlt Krisen- und Konfl iktsensibi-litaumlt sowie die zwischenmenschliche (interpersonelle) Kommunikation (Muumlri 1993) und das Sich-etwas-Vorstellen (bdquoImaginingldquo Kolb 2015 S 134) In den Vordergrund ruumlckt ein umfassendes bdquoSensemakingldquo (Weick amp Sutcliff e 2016 S 28 f Coburn 2004 Stacey amp Mowles 2016) Die Uumlberlegungen der Progression gehen nunmehr von kei-nem direkten implementierbaren oder transferierbaren Weg von wissenschaft lichem theoretischem Wissen in die Praxis (Schule Unterricht) aus sondern folgen der Idee einer gemeinsamen emergenten Veraumlnderung in der neue Wissensbestaumlnde erst durch praktische Loumlsungen und gelingende Situationen entstehen (Dewe Ferchhoff amp Radtke 1992)

Wertordnungen manifestieren sich in scheinbar festen und stabilen Uumlberzeugungen Annahmen und Grundprinzipien (Muumlri 1993) Die Idee der Transformation (latei-nisch transformare umgestalten verwandeln Abbildung 14 Nr iv) stellt die Verbin-dung zwischen Beziehungs- und Stabilitaumltsorientierung dar Sie gibt nun die Denk-fi gur der Vermittlung von Th eorie und Praxis auf und formt die Begegnung der Denkweisen und der Wissensbestaumlnde zu einer eigenstaumlndigen Identitaumlt (lat idem derselbe dasselbe) in der die Betrachtungsweisen jedoch als Vielfalt und Divergieren-des ndash auch als Uumlberzeugungen und Haltungen ndash erhalten bleiben und in einer wech-selseitigen Achtsamkeit Resonanz und Refl exivitaumlt stehen (Dewe Ferchhoff amp Radt-ke 1992 Luhmann 1987 Weick amp Sutcliff e 2016) Parsons (1969) defi niert bdquoeinen Wandel in der Struktur eines sozialen Systems als Wandel seiner normativen Kul-turldquo (S 43) im Sinne einer zunehmenden Ritualisierung und Institutionalisierung von Konfl ikt- Krisen- und Risikoregelungen und der Regulation von Interaktionen sozia-len Kontakten Begegnungen und Beziehungen Wenn die Felder Transformation und Transfer verbunden werden kann von einer bdquoKultur des Veraumlndernsldquo (Stadler 2009 S 14) gesprochen werden Ein Veraumlndern Verwandeln und Umgestalten betrifft dem-nach immer das Normen- und Wertesystem Transformation besitzt eine groszlige Ini-tiationskraft (Kolb 2015) und ist durch Werte und Vertrauen eine Quelle moumlglicher Ausgangs- und angestrebter Endpunkte neuer Ideen und Entwuumlrfe um bestehende Erfahrungsrahmen zu uumlberwinden (Muumlri 1993) Die Weg(e) und Ziel(e) der Progres-sion und Transformation gehen oft mals vom Komplexen zum Einfachen und betonen Prozesse in heterarchischen Systemen gegenuumlber Strukturen in hierarchischen Syste-

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men Besonders fuumlr Transformationsprozesse an einem Schulstandort mit einem spe-zifi schen Erfahrungskontext gibt es keine Blaupausen Es geht dabei um Entwicklung als Entstehung durch Wechsel von Prozessmustern als ein Next Practice ein Doppel-schleifen-Lernen (Argyris amp Schoumln 1999 Stacey amp Mowles 2016) und um ein inno-vatives (gemeinsames) Fortschreiten (Progression) in Verbindung mit Transferprozes-sen und Implementationsmaszlignahmen

Risikoreich in Bezug auf Entwicklung ist es fuumlr Personen oder Systeme nach dem Konzept der Feldtransformation jedenfalls wenn diese bdquogleichsam Repraumlsentanten einer der vier Grundeinstellungenldquo (Riemann 2007 S 239) werden bdquozum Exponen-ten eines der vier Grundimpulseldquo (ebd) und das Wesen und Anliegen der jeweils an-deren Moumlglichkeiten nicht mehr erleben den Zusammenhang der bdquovier Formen des In-der-Welt-Seinsldquo (ebd S 243) als Gestaltungschancen nicht wahrnehmen Die vier Strebungen bilden die Grundimpulse und Polaritaumlten des Modells der Feldtransforma-tion (Wiesner 2015) Im Modell der Feldtransformation geht es demnach nicht um eine Bewertung von besser und schlechter sondern um eine Aktivierung durch eine Positionierung (bzw durch vielfaumlltige Positionen) in einem Moumlglichkeitsraum von vier unterschiedlichen Impulsen Ein idealer Prozess fi ndet dann statt wenn alle vier Fel-der aktiviert und verbunden werden

Fazit

Evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung benoumltigt off ene Fragen Fragen die neue Moumlglichkeitsraumlume eroumlff nen aber auch Fragen die Bestehendes bewahren koumlnnen In diesem Sinne koumlnnen die Entwuumlrfe von Fischer (2007 vgl Fischer-Buck 2004) auf evidenzorientierte Schulentwicklung am Standort angewendet werden so-dass folgende Frage auf Basis von Evidenz(en) zentral wird bdquoWas sollen wir in unse-rer Schule (in unserem Unterricht) kuumlnft ig bloszlig tunldquo Mit dem Was wird nach dem realisierbaren Handeln im Hier und Heute gefragt Mit sollen wird nach der kuumlnft ig zu loumlsenden Aufgabe und nach (inneren Ziel-)Bildern gefragt die eine Situation im Kontext und Kontinuum darstellt Mit dem wir in unserer Schule (in unserem Unter-richt) wird einerseits die Verantwortung und andererseits die Verbindlichkeit der Per-sonen und der Schule als lernende Organisation (System) sowie die Bezogenheit klar angesprochen Das kuumlnft ig gibt die Orientierung und Richtung hin zu einem wuumln-schenswerten Morgen an Das bloszlig steht fuumlr die Suche nach konkreten ersten Schrit-ten Maszlignahmen Prozessaumlnderungen und Prototypen die durch Evidenz(en) gelei-tet und begleitet werden Und das tun verlangt einen eigenen praktischen personalen bzw individuellen Ansatz Einsatz sowie Erfahrungen und Widerfahrnisse

Bereits vor mehreren Jahrzenten schrieb Doumlrner (1983) dass die vorherrschenden Denktraditionen der Notwendigkeit in Problemnetzen zu denken nur wenig gerecht werden bdquoDie Tendenz zum monokausalen Denken in Wirkungsketten statt in Wir-kungsnetzen ist nicht vertraumlglich mit der Notwendigkeit vernetzt zu denkenldquo (Doumlr-ner 1983 S 23) In diesem Sinne verstehen sich die Kerngedanken die wir in diesem

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Beitrag als wesentliche Bestimmungsstuumlcke eines Modells der Schulentwicklung durch Evidenz(en) diskutiert und argumentiert haben als Teile eines Ganzen Nur im Zu-sammenspiel und Zusammenwirken der unterschiedlichen gedanklichen Straumlnge kann ein Modell der Schulentwicklung entstehen das der Komplexitaumlt der Realitaumlt in aus-reichendem Maszlige gerecht werden kann

Systeme ndash hier Schulsysteme aber auch Einzelschulen und Unterricht jeweils ge-dacht als System ndash sind defi niert durch einen vielfaumlltigen Umgang mit beteiligten Be-stimmungsstuumlcken deren Vernetztheit Beziehungen Verbindungen und Verknuumlp-fungen zu einem dynamischen Geschehen mit vielen oft auch widerspruumlchlichen Zusammenhaumlngen fuumlhren Zugleich sollten in ein Modell der evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung kuumlnft ig auch Nebenwirkungen des Handelns mit-einbezogen und im Sinne einer achtsamen Balancierung und Ausgewogenheit von Ideen dargestellt werden So verstehen sich die ausgearbeiteten Kerngedanken als Denkanstoumlszlige und Bausteine fuumlr einen ersten Entwurf eines Modells der Schulentwick-lung durch Evidenz(en) Vielleicht kann das eine oder andere als Irritation Interven-tion oder kreative Stoumlrung Inkongruenzerfahrungen oder Widerfahrnisse stimulieren die Veraumlnderungslernen in Bezug auf die Verwendung von Evidenz(en) in der Ent-wicklung von Schule und Unterricht ermoumlglichen

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Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen

Aktuelle Beitraumlge die sich mit der Frage befassen wie Erkenntnisse empirischer Bil-dungsforschung in die Praxis gelangen koumlnnen um dort qualitative Entwicklung her-vorzurufen legen den Schluss nahe dass ein Nutzen fuumlr die Praxis erst dann entste-hen kann wenn Akteure aus der Praxis systematisch am Forschungsprozess beteiligt werden (Beywl Kuumlnzli Messmer amp Streit 2015 Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 Hartmann Deeristan amp Klieme 2016)

Allein die Beteiligung der Praxis an der Forschung bringt aber nicht zwingend fuumlr die Praxis nuumltzliche Innovationen hervor Wie Ergebnisse aus der Transferforschung zeigen haumlngt der Nutzen fuumlr die Praxis u a von spezifi schen Merkmalen der Innova-tionen ab Off en bleibt jedoch wie genau das Zusammenspiel von Forschung und Pra-xis erfolgen sollte um zu transferfaumlhigen und -wuumlrdigen Innovationen zu gelangen In diesem Beitrag geht es um die Gestaltung von Forschungsprozessen in Teams von Praktikerinnen und Praktikern und Forscherinnen und Forschern Vor diesem Hin-tergrund gehen wir der Frage nach ob Praxisforschung in multiprofessionellen Teams unter bestimmten Voraussetzungen ndash naumlmlich den am Oberstufen-Kolleg gegebenen ndash transferfaumlhige Innovationen sowie einen geeigneten Unterstuumltzungskontext fuumlr Im-plementierungsprozesse hervorbringen kann Ziel ist es eine diff erenzierte Perspektive auf Implikationen grundlegender Transferbedingungen zu eroumlff nen und damit einen Beitrag zur methodologischen Weiterentwicklung der Praxisforschung zu leisten

Zunaumlchst werden fuumlr die Fragestellung relevante Begriff e geklaumlrt (Kap 1) und die Rahmenbedingungen fuumlr Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg erlaumlutert (Kap 2) um sodann anhand unterschiedlicher Forschungsprojekte die dort praktizierte spe-zifi sche Form der Zusammenarbeit von Praktikerinnen und Praktikern und For-scherinnen und Forschern im Entwicklungsprozess von Innovationen und in der Unterstuumltzung von Implementationsprozessen zu refl ektieren Kapitel 3 fasst pro-jektuumlbergreifend wesentliche Aspekte zusammen die sich auf methodische Zugaumlnge Merkmale der Zusammenarbeit und die Bedeutung der Adressatenorientierung im Prozess der Praxisforschung beziehen

Stefan Hahn Gabriele Klewin Barbara Koch Sebastian U Kuhnen Monika Palowski und Cornelia Stiller 142

1 Innovationen und Transfer

Das Oberstufen-Kolleg wird in diesem Beitrag als spezifi scher Kontext fuumlr Praxisfor-schung betrachtet Bevor die Struktur und anhand ausgewaumlhlter Beispiele die inhaltli-che Ausrichtung dieser Variante von Forschung erlaumlutert werden sollen zunaumlchst zen-trale Begriff e aus dem Diskurs um Innovation und Transfer geklaumlrt werden um einen Rahmen fuumlr die Betrachtung des Transferpotenzials dieser Praxisforschung zu setzen

Als Ausgangspunkt fuumlr Transferprozesse gelten Innovationen die im Bereich schulrelevanter Forschung unterschiedlich aussehen koumlnnen Denkbar sind Innova-tionen als empirische Erkenntnis uumlber Gelingensbedingungen einer wuumlnschenswerten Praxis als theoretisch fundiertes paumldagogisches Konzept als gelungene Entwicklungs-arbeit an einer Einzelschule oder als Instrument zur Steuerung schulischer Entwick-lungsprozesse

Ein Transfer liegt vor wenn Rezipientinnen und Rezipienten ndash hier Schulen ndash eine Innovation aufgreifen und innerhalb von schulischen Entwicklungsprozessen in die bestehende Praxis implementieren um diese qualitativ weiterzuentwickeln Diese Re-zeptionsprozesse koumlnnen zielgerichtet und systematisch herbeigefuumlhrt werden oder zufaumlllig erfolgen Trifft Letzteres zu spricht man allerdings nicht mehr von Transfer sondern von Diff usion Relevant ist auch die Unterscheidung zwischen externem und internem Transfer Ein interner Transfer liegt vor wenn eine Innovation innerhalb einer Schule verbreitet wird die die Innovation entwickelt hat Von externem Transfer wird gesprochen wenn der Transfer einer Innovation in andere Schulen erfolgt

Aus der Innovations- und Transferforschung lassen sich unterschiedliche Ansatz-punkte fuumlr einen verbesserten Transfer benennen Diese sind vor allem ableitbar aus den Merkmalen einer transferfaumlhigen Innovation und einer rezeptionsfoumlrdernden Unterstuumltzung Entscheidend ist dass Merkmale die einen Transfer foumlrdern waumlhrend der Entwicklung der Innovation ndash also waumlhrend des Forschungsprozesses ndash systema-tisch erzeugt werden muumlssen

Eine Innovation ist transferfaumlhig wenn sie fuumlr andere als diejenigen die sie ent-wickelt haben eine Relevanz besitzt (Nickolaus amp Schnurpel 2001 Paumltzold Busian Riemann amp Wingels 2002 Koch 2011 Hasselhorn Koumlller amp Zimmer 2014 Euler 2015) und auf einen von den Akteuren vor Ort identifi zierten innerschulischen Be-darf trifft (vgl Koch 2011) Eine Innovation muss ferner ein Konzept zur Bearbeitung eines Problems bieten an Bestehendes anknuumlpfen und mit Blick auf die Zielgruppe passgenau entwickelt sein Selbstverstaumlndlich muss eine Innovation dokumentiert und mit Hinweisen zur Implementation versehen sein (vgl ebd)

Hinsichtlich der Unterstuumltzung der Rezipientinnen und Rezipienten ist insbe-sondere die Rolle der Unterstuumltzenden wichtig die idealerweise die Entwicklerinnen und Entwickler der Innovation sind (vgl ebd) Aufb auend auf ihrem Wissen um die Schritte der Implementation koumlnnen sie im Prozess der Initiierung und Implementa-tion als Schulentwicklungsberaterinnen agieren oder diese unterstuumltzen (vgl ebd) Wie die Innovation selbst sollte auch das Unterstuumltzungsangebot an den Beduumlrfnissen der Schule ausgerichtet sein

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 143

Gemaumlszlig der o g Fragestellung ist nun zu pruumlfen inwieweit Praxisforschung in der Variante des Oberstufen-Kollegs die Entwicklung transferfaumlhiger Innovationen foumlrdert und den Transfer mit Angeboten fuumlr den Rezeptionsraum unterstuumltzen kann

2 Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg Bielefeld

Bei der Beantwortung der konzeptionellen Frage ob durch Praxisforschung gewonne-ne Ergebnisse oder Innovationen in besonderer Weise fuumlr Transfer geeignet sind soll folgende Defi nition fuumlr das allgemeine Verstaumlndnis von Praxisforschung zugrunde ge-legt werden

Praxisforschung ist ein aus der internationalen Aktionsforschung hergeleite-ter Forschungsansatz mit dessen Hilfe Praktikerinnen und Praktiker wichti-ge Fragen ihres Berufsalltags eigenstaumlndig methodisch kontrolliert und im Rahmen einer professionellen Gemeinschaft mit dem Ziel erforschen1) durch refl exive Distanz zum Unterrichtsalltag die eigene Berufspraxis

kritisch zu durchleuchten2) bdquolokalesldquo wissenschaft lichen Guumltekriterien genuumlgendes Wissen zu produ-

zieren3) und die Untersuchungsergebnisse fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwick-

lung zu nutzen(Meyer 2010 S 3)

Diese Defi nition trifft in ihren grundlegenden Merkmalen auch auf die Praxisfor-schung am Oberstufen-Kolleg zu allerdings erfaumlhrt sie durch die spezifi schen Bedin-gungen und Anforderungen eine Erweiterung die im Folgenden kurz erlaumlutert wird Als Versuchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen hat das Oberstufen-Kolleg einen Versuchsauft rag in dem neben der Entwicklung von neuen Unterrichtskonzepten u a auch die Pruumlfung der Moumlglichkeiten des Transfers entwickelter Innovationen in das Regelsystem verankert ist (Grundordnung der Oberstufen-Kollegs) Die Lehren-den am Oberstufen-Kolleg bekommen zeitliche Ressourcen in Form von Entlastun-gen vom Unterrichtsdeputat fuumlr Praxisforschung zur Verfuumlgung gestellt Sie forschen gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wissenschaft lichen Ein-richtung Oberstufen-Kolleg (WE OS) die zur Fakultaumlt fuumlr Erziehungswissenschaft der Universitaumlt Bielefeld gehoumlrt Diese Rahmenbedingungen sind an anderen Standorten der Praxisforschung in der Regel nicht gegeben Zudem sind das systematische Be-antragungsverfahren fuumlr Projekte die verpfl ichtende Berichtslegung und die kontinu-ierliche Begleitung durch einen wissenschaft lichen Beirat fuumlr die Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg kennzeichnend (Hahn Heinrich amp Klewin 2014)

Im Folgenden werden ausgewaumlhlte Forschungs- und Entwicklungsprojekte aus dem Oberstufen-Kolleg vorgestellt um eine Praxisforschung zu charakterisieren die sowohl transferfaumlhige Innovationen hervorbringen als auch einen geeigneten Unter-stuumltzungskontext fuumlr die Rezeption von Innovationen zur Verfuumlgung stellen soll Hier-zu werden zwei Projekte vorgestellt die die Praxisforschung als Entwicklungskontext

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der Innovation in den Blick nehmen Die Darstellung des dritten Projekts thematisiert den Transfer einer bereits entwickelten Innovation im Modus der Praxisforschung

21 Die Entwicklung von Fragestellung und methodischem Design in Kooperation von Praxis und Wissenschaft

Charakteristisch fuumlr Praxisforschung ist ihre Fundierung in Handlungsproblemen und Fragestellungen die einen innerschulischen Bedarf abbilden dabei aber auch an den (erziehungs-)wissenschaft lichen Diskurs angebunden werden muumlssen Ent-sprechend muss das methodische Design eine Balance zwischen schulpraktischen Moumlglichkeiten und wissenschaft lichen Anforderungen leisten um transferfaumlhige Er-gebnisse und Innovationen erbringen zu koumlnnen Das Forschungs- und Entwicklungs-projekt bdquoBildungsbiografi sche Grenzgaumlnge zwischen Abschluss und Abbruchldquo (Pa-lowski Schumacher Schoumlbel amp Tassler 2014) illustriert eine Variante der praktischen Auseinandersetzung mit dieser doppelten Anforderung an die Gestaltung des Innova-tionsentwicklungskontexts

Bei dem aktuell noch laufenden Projekt handelt es sich um eine Laumlngsschnittstu-die zu Bildungsverlaumlufen Bildungsrisiken und -erfolgen in der Sekundarstufe II die am Oberstufen-Kolleg und sieben weiteren Oberstufen durchgefuumlhrt wurde Das For-schungsteam besteht aus einer Mitarbeiterin der WE OS sowie drei Lehrenden der Versuchsschule darunter zwei Laufb ahnberaterinnen Die anvisierte Innovation be-steht aus einem Konzept zur Beratung bdquoriskanterldquo Bildungsbiografi en in der Sekun-darstufe II

Die grundlegende Fragestellung des Projekts setzt sich zunaumlchst mit einem Deside-rat des erziehungswissenschaft lichen Diskurses auseinander (Palowski Boller amp Muumll-ler 2013) Welche personellen und schulischen Faktoren tragen zu Wiederholungen und Schulabbruumlchen in der Sekundarstufe II bei

Im Zuge der Konstitution eines neuen zweijaumlhrigen Forschungs- und Entwick-lungsplans wurde dieses noch wenig diff erenzierte Erkenntnisinteresse in das Kolle-gium des Oberstufen-Kollegs getragen erwies sich als unmittelbar anschlussfaumlhig an Beobachtungen Fragen und Probleme vieler insbesondere beratend taumltiger Lehren-der und markierte somit deutlich einen innerschulischen Bedarf Mit der Fokussie-rung auf Risiken der Ausbildung am Oberstufen-Kolleg wurde daruumlber hinaus eine Anregung aus dem wissenschaft lichen Beirat der Schule aufgegriff en die mit der Ziel-setzung der beteiligten Lehrenden korrespondierte In der Folge wurde ein spezieller Fokus auf die Untersuchung von riskanten Bildungsverlaumlufen und Abbruumlchen im eige-nen Haus gelegt

Waumlhrend der Findungsphase des Forschungsteams wurden Forschungsfragen und Zielsetzung im Dialog ausdiff erenziert Dies druumlckt sich in den drei weiterfuumlhrenden Fragestellungen Wie gelingt es potenziell gefaumlhrdeten Schuumllerinnen und Schuumllern ihre Schullaufb ahn erfolgreich abzuschlieszligen Wie kann paumldagogisches Handeln dazu beitra-gen Abbruumlchen entgegenzuwirken und Wie sollten schulische Foumlrderung und Beratung in der Sekundarstufe II gestaltet sein um potenziell gefaumlhrdete Schuumllerinnen und Schuumller

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 145

zu unterstuumltzen aus Die forschenden Lehrenden verfolgten mit der Weiterentwick-lung von Foumlrderung und Beratung neben der wissenschaft lichen auch eine praktische Zielsetzung Waumlhrend der Samplebildung erwiesen sich die Forschungsfragen und -ziele als kongruent zu innerschulischen Problemlagen die auch an anderen Oberstu-fen der Region als relevant eingestuft wurden Die sukzessive Ausdiff erenzierung der Fragestellungen ermoumlglichte die schrittweise Entwicklung eines methodischen Designs mit hoher Passung zu den Forschungsfragen aber auch zu Ressourcen und prakti-schen Interessen der verschiedenen Projektbeteiligten

In der Planung der Erhebungen wurden konzeptionelle Entscheidungen groumlszligten-teils gemeinsam getroff en waumlhrend die methodische Detailplanung die Konzeption der Erhebungsinstrumente sowie die Terminierung und Durchfuumlhrung der Erhebun-gen von der Mitarbeiterin der WE OS vorstrukturiert und anschlieszligend im Team dis-kutiert und fi xiert wurden Dabei war die gemeinsame Arbeit an den Instrumenten im Sinne einer kontinuierlichen Validierung der wissenschaft lichen Konstrukte durch die unmittelbare Praxiserfahrung der Lehrenden besonders fruchtbar fuumlr das Projekt Bei den uumlbergreifenden Aufgaben der Berichtslegung Publikationen und Konferenzbeitrauml-ge sowie der Ruumlckmeldung von Zwischenergebnissen waren wiederum zeitliche Kapa-zitaumlten und das Interesse der Lehrenden ausschlaggebend fuumlr die gemeinsame Planung und Durchfuumlhrung

Auch im konkreten methodischen Vorgehen orientierte sich die Kooperation im Projekt vorrangig an Vorkenntnissen und Interessen aber auch an zeitlichen Ressour-cen der Lehrenden Quantitative Methoden wurden im Sinne einer pragmatischen Arbeitsteilung groumlszligtenteils durch die wissenschaft liche Mitarbeiterin abgedeckt Durch die vielfach gruppenfoumlrmige Durchfuumlhrbarkeit qualitativer Verfahren fi el es hingegen leichter diese ndash auch zeitlich ndash in die Arbeit der Forschungsgruppe zu integrieren Hierzu wurden entsprechende projektinterne und uumlbergreifende Fortbildungs- bzw Schulungsmaszlignahmen zu Interviewfuumlhrung und qualitativen Analysemethoden ange-boten Dabei erwiesen sich speziell das gemeinsame Besprechen Kontrastieren und Interpretieren von Einzelfaumlllen sowie typenbildende Verfahren als hoch anschlussfaumlhig an die Interessen der Lehrenden Hierbei handelte es sich um kommunikativ organi-sierte Anlaumlsse bei denen bdquodas eigene professionelle Wissen [hellip] mit dem allgemeinen erziehungswissenschaft lichen Wissen verlinkt werdenldquo konnte (Ponte 2010 S 544 zi-tiert nach Koch-Priewe 2011 S 193) Besonders im Bereich qualitativer Methoden konnte so ein Professionalisierungseff ekt erzielt werden der auf die Beratungstaumltigkeit der forschenden Lehrenden ausstrahlte Laut einer projektinternen Befragung setzen sie inzwischen Fragen und Fragetechniken aus den Interviewleitfaumlden in Beratungs-gespraumlchen ein sehen Alltagsbeobachtungen durch Erkenntnisse aus dem Projekt be-staumltigt bzw korrigiert und fuumlhlen sich besser fuumlr die Beratung bdquoschwieriger Faumllleldquo ge-ruumlstet

Zusammenfassend illustriert das Projekt Relevanz und Potenzial einer dialogischen und gleichberechtigten Kooperation von Praxisforscherinnen und Praxisforschern (Lehrende des OS) und Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern im Innovations-entwicklungskontext zeigt aber auch inwieweit punktuell pragmatische Erfordernis-

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se und unterschiedliche Ressourcen der beiden Gruppen ausbalanciert werden muumls-sen um schulpraktischen und wissenschaft lichen Anforderungen Rechnung zu tragen

22 Die Gestaltung von Ergebnisruumlckmeldungen in Prozessen der datengestuumltzten Unterrichtsentwicklung

In diesem Beispiel ist die Innovation ein Instrument zur Unterstuumltzung von Entwick-lungsprozessen in Form eines am innerschulischen Bedarf orientierten Ruumlckmeldefor-mats das in einem multiprofessionellen Team entwickelt wurde Das Ruumlckmeldefor-mat entstand im Rahmen der Evaluation der Profi le als Bestandteil der Verlaufs- und Absolventenstudie des Oberstufen-Kollegs in den Jahren 2013 und 2014 (Hahn amp Ob-belode 2014 S 141 ff ) Bei den Profi len am Oberstufen-Kolleg handelt es sich um zehn Faumlcherverbuumlnde im Grundkursbereich der Qualifi kationsphase der gymnasia-len Oberstufe Bei ihrer didaktischen Ausgestaltung wurde versucht eine Struktur fuumlr die Umsetzung des wissenschaft spropaumldeutischen Konzepts des Perspektivenwechsels (Kupsch amp Schuumllert 1996) zu schaff en die auch faumlcherkoordiniertes Arbeiten (Huber 1998) ermoumlglicht (Hahn et al 2014a)

Das Erkenntnisinteresse bestand in der Pruumlfung der Tragfaumlhigkeit des allgemeinen didaktischen Konzepts der Profi le (Hahn amp Obbelode 2014) im Sinne einer forma-tiven Evaluation (Bortz amp Doumlring 2006) Zu diesem Zweck wurde als theoretische Grundlage die Figur des Perspektivenwechsels in das Perspektivenschema von Klaf-ki (19852007) integriert und darauf bezogen methodisch vielfaumlltige Erhebungsinst-rumente entwickelt (Hahn amp Obbelode 2014 S 278 ff ) Hierbei sind neben den ge-schlossenen Frageformaten fuumlr Frageboumlgen Gruppendiskussionen Feedbackmethoden und eine ergaumlnzende Befragung der Lehrenden zu nennen Diese Methodenvielfalt diente zur wechselseitigen Validierung der Ergebnisse und dazu die Perspektiven ver-schiedener Akteursgruppen adaumlquat zu beruumlcksichtigen was insbesondere ein Anlie-gen der beteiligten Praktikerinnen und Praktiker war Ihre Mitarbeit bei der Entwick-lung der geschlossenen Frageformate hat zudem stark zur Reliabilitaumlt und (Kontext-)Validitaumlt der konstruierten Skalen beigetragen weil Praktikerinnen und Praktiker eher wissen wie bestimmte Itemformulierungen von ihren Schuumllerinnen und Schuumllern (miss-)verstanden und mit welchen Konstrukten die praxisimmanenten Th eorien der Kolleginnen und Kollegen abgebildet werden koumlnnen (Hahn et al 2014b)

Zentral in Bezug auf die Unterstuumltzung der Entwicklungsarbeit in den einzelnen Profi len waren die profi lspezifi schen Ruumlckmeldeberichte (Hahn amp Obbelode 2014 S 218 ff ) die sich in Duktus und Abstraktionsniveau an Lehrenden als Adressaten orientierten (Altrichter Moosbrugger amp Zuber 2016 S 253 f) Diese Berichte wur-den den jeweiligen Gruppen von Lehrenden eines Profi ls mit der Auff orderung ausge-haumlndigt mit den anderen Gruppen in einen Austausch zu treten um so die Entwick-lungsarbeit zu unterstuumltzen

Durch diese Berichte und weitere schuloumlff entliche Ergebnispraumlsentationen konn-te der kollegiale Austausch uumlber den Unterricht der Profi le und seine Entwicklung im Lichte der Ruumlckmeldungen initiiert und moderiert werden Zwar wurde die Wir-

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 147

kung der schuloumlff entlichen und profi lbezogenen Ruumlckmeldungen nicht systematisch erforscht die schrift lichen Ruumlckmeldeberichte wurden jedoch aktiv als Argumenta-tionsgrundlage bei der Diskussion um die Weiterentwicklung der Profi le auf Schul-entwicklungstagen genutzt um Standpunkte und Eindruumlcke zu untermauern Die Profi lgruppen berichteten zudem dass die Berichte die Refl exion uumlber Staumlrken und Schwaumlchen des Profi ls erleichtert und hilfreiche Impulse fuumlr den kollegialen Austausch und die Dokumentation der Profi lcurricula gegeben haben Dies zeigt u E dass eine nahe Anbindung der Erhebungsinstrumente an die handlungsleitenden Ideen der Lehrenden eine erhoumlhte Akzeptanz fuumlr die Ergebnisse und ihre Produktionsweise er-zeugen Die uumlberwiegend positiven Ruumlckmeldungen zu den Berichten weisen zudem darauf hin dass erstens ein valides lokales Wissen erzeugt wurde das Perspektiven verschiedener Akteursgruppen auf den Gegenstand umfasst und dieses Wissen auf-grund seiner adressatengerechten Aufb ereitung zweitens eine hohe Brauchbarkeit fuumlr Prozesse der Schul- und Unterrichtsentwicklung besitzt

Obwohl Ergebnisse aus der Schulentwicklungsforschung zeigen dass die qualitati-ve Entwicklung von Schule und Unterricht uumlber Datenruumlckmeldungen schwer umzu-setzen ist (Altrichter Moosbrugger amp Zuber 2016) illustriert das vorliegende Beispiel dass im Modus der Praxisforschung Instrumente entwickelt und Ergebnisse erzeugt werden koumlnnen die bei den Adressaten auf Akzeptanz stoszligen und damit auch eher fuumlr Entwicklungsprozesse genutzt werden Die Erfahrungen aus diesem Projekt zeigen ferner dass mit Ergebnissen dieser Art von Praxisforschung nicht nur Schulentwick-lung betrieben sondern auch Beitraumlge zum wissenschaft lichen Diskurs geleitstet wer-den koumlnnen da u a die entwickelten Erhebungsinstrumente (Hahn et al 2014b) so-wie tiefergehende Analysen zum didaktischen Konzept der Profi le (Hahn et al 2014a) publiziert wurden Inwieweit das Instrumentarium und das Ruumlckmeldeformat auch in anderen Schulen auf Akzeptanz stoszligen und zu Entwicklungsprozessen fuumlhren koumlnnen wird in einer spaumlteren Phase des Projekts zu pruumlfen sein wenn Vergleichsdaten in an-deren Profi loberstufen erhoben und ruumlckgemeldet worden sind

23 Transfer durch Netzwerkbildung und Ruumlckwirkungen der Rezeption auf den Innovations- und Unterstuumltzungskontext

Das Praxisforschungsprojekt bdquoBasiskurs Naturwissenschaft enldquo wird getragen von einem multiprofessionellen Team aus Lehrenden aller Naturwissenschaft en und wis-senschaft lichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit schulpaumldagogischer und bio-logiedidaktischer Expertise Es durchlief bereits mehrere Forschungszyklen und hat verschiedene Fragestellungen bearbeitet Zu Beginn lag der Fokus des Projekts auf der Entwicklung eines naturwissenschaft lichen Curriculums fuumlr die Eingangsphase der gymnasialen Oberstufe Das entwickelte Kurscurriculum besteht heute aus einer theoretischen Einfuumlhrung in die ndash in allen Naturwissenschaft en typische ndash hypothe-tisch-deduktive Vorgehensweise und einer Sequenz von acht Unterrichtseinheiten aus den Faumlchern Chemie Physik und Biologie In jeder dieser Einheiten wird in ein ba-sales Konzept der Naturwissenschaft en eingefuumlhrt und ein Experiment durchgefuumlhrt

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Diese Experimente werden in verschiedene Arbeitsschritte untergliedert die zuneh-mend selbstreguliert von den Schuumllerinnen und Schuumllern ausgefuumlhrt werden Die Ent-wicklung des Curriculums erfolgte in gemeinsamer Planung und Refl exion des in pa-rallelen Kursen angebotenen Unterrichts Didaktische Entscheidungen wurden dabei auch im Lichte der Ergebnisse aus formativen Evaluationsprozessen verabredet Die-se Evaluationen waren als Laumlngsschnitte angelegte Fragebogenerhebungen die Ent-wicklungen der Schuumllerinnen und Schuumller in den angestrebten Zielbereichen anzeig-ten (Hahn et al 2014)

Im weiteren Verlauf wurde die Transferfrage in einem juumlngeren Projektzyklus kon-kreter ins Auge gefasst d h die Untersuchung der Bedingungen eines gelingenden Transfers wurde zum Gegenstand eines Praxisforschungsprojekts am Oberstufen-Kol-leg Erste Transfer-Situationen wurden in eintaumlgigen Fortbildungsveranstaltungen von den Lehrenden des Projekts realisiert Befragungen der Teilnehmenden ergaben dass die mit dem Kurskonzept umgesetzte Kompetenzorientierung die Foumlrderung der Selbststaumlndigkeit und der Fokus auf wissenschaft liche Arbeitsweisen auch den Bedar-fen der Rezipientinnen und Rezipienten entsprechen Allerdings fehlen die genaue Passung zu den Kernlehrplaumlnen und bereitgestellte Unterrichtsmaterialien die insbe-sondere auch Hinweise fuumlr innere Diff erenzierung enthalten In der Konsequenz wer-den aktuell die Veroumlff entlichung von fachlichen jeweils lehrplankompatiblen Modulen des Basiskurscurriculums vorbereitet und gestuft e Lernhilfen fuumlr die Durchfuumlhrung der einzelnen Experimente entwickelt

Da die didaktische Idee des Kurses als Innovation gemaumlszlig den ersten Ruumlckmel-dungen aus Fortbildungen auch auf Bedarfe in anderen Schulen zu reagieren ver-mag wurde ein Fortbildungskonzept entwickelt und erprobt in dessen Zentrum das bdquoNacherfi ndenldquo (Kussau 2007) des Kurses unter den lokalen Bedingungen des Re-zeptionsraums steht Die Idee Transfer als Prozess der begleiteten Eigenentwicklung unter Maszliggabe der didaktischen Idee des Basiskurses zu organisieren soll bei Rezi-pientinnen und Rezipienten die Identifi kation mit dem Ergebnis und damit die Chan-ce auf Implementation erhoumlhen und versetzte die Lehrenden aus dem Projekt in die Rolle kollegialer Beraterinnen und Berater

Eine Abfrage der Erwartungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an die Fort-bildung und eine retrospektive Bewertung inwiefern diese Erwartungen erfuumlllt wur-den sollte weitere Hinweise auf Transferbedingungen fuumlr das Kurskonzept geben Es zeigte sich zunaumlchst dass ca die Haumllft e der Befragten eher einer bdquonaivenldquo Transferidee anhaumlngen und groumlszligere Hoff nungen auf die ungebrochene Uumlbernahme einzelner Mo-dule aus einem bestehenden Konzept hatten als auf die Unterstuumltzung bei der konkre-ten Weiterentwicklung eigener Kurse Dass diese Hoff nungen erwartungsgemaumlszlig eher enttaumluscht wurden zeigt dass Transferchancen auch durch Merkmale des Rezeptions-raums ndash insbesondere auch durch die Erwartungen Einstellungen und Ressourcen der Personen vor Ort ndash begrenzt werden Die anderen Befragten sahen eine Chance darin ein erprobtes Konzept adaptieren zu koumlnnen und im kollegialen Austausch Unterstuumlt-zung bei der Weiterentwicklung der eigenen Kurse zu bekommen Da diese Erwar-tungen durch die bdquoNacherfi ndungsldquo-Workshops sogar noch leicht uumlbertroff en wurden scheint dieser Unterstuumltzungskontext zumindest fuumlr einen Teil der Rezipientinnen und

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 149

Rezipienten ein annehmbarer Weg zu sein den Bedarfen der Schulen gerecht zu wer-den

Entsprechend muumlndeten auch diese Ruumlckmeldungen in Konsequenzen fuumlr die weitere Projektarbeit So wird aktuell uumlber ein Netzwerk fuumlr Lehrende verschiedener Schulen nachgedacht dessen Ziel es ist sich gegenseitig bei der Adaption grundlegen-der Elemente des Kurskonzepts zu unterstuumltzen eine Plattform fuumlr den Austausch von Unterrichtsmaterialien zu schaff en und eine wissenschaft liche Begleitung des Trans-ferprozesses zu organisieren die mittelfristig auch eine Evaluation der nacherfunde-nen Curricula mit den Instrumenten der Evaluation des Originals umfasst

3 Bedingungen fuumlr die Entwicklung transferfaumlhiger Innovationen

Die einzelnen Projektdarstellungen des Oberstufen-Kollegs enthalten zentrale Hinwei-se dazu unter welchen Bedingungen transferfaumlhige Innovationen entstehen koumlnnen Diese sollen im Folgenden projektuumlbergreifend in den Blick genommen werden

In allen drei Projekten betreiben multiprofessionelle Teams die Entwicklung oder den Transfer der jeweiligen Innovation Diese setzen sich aus Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern und Praktikerinnen und Praktikern zusammen Die Koopera-tion ist gekennzeichnet durch gemeinsame Zielsetzungen eine bdquoBegegnung auf Au-genhoumlheldquo eine pragmatisch-funktionale Arbeitsteilung und eine dialogisch angelegte Ausdiff erenzierung von Zielen Fragestellungen Erhebungsinstrumenten und Ruumlck-meldeformaten in den unterschiedlichen Phasen des Forschungsprozesses Die Form der Arbeitsteilung ergibt sich aus den jeweiligen Interessen Kompetenzen und Res-sourcen der beteiligten Akteure Fuumlr die Arbeit im Team scheint es hilfreich zu sein wenn Einzelne methodische Vorstrukturierungen vornehmen und diese dann im Team als Vorlage diskutiert werden

Auch der methodische Zugang ist in den Projekten mit spezifi schen Bedingungen verknuumlpft Das methodische Vorgehen ist an den vorhandenen Ressourcen und den praktischen Interessen orientiert Die praktische Relevanz von qualitativen Zugaumlngen wie beispielsweise die Arbeit an Faumlllen scheint gegenuumlber quantitativen Zugaumlngen un-mittelbar gegeben da sie eine gemeinsame Auswertung im ganzen Team eher ermoumlg-lichen Werden quantitative Zugaumlnge gewaumlhlt ist eine Zusammenarbeit haumlufi g nur in der Phase der Instrumentenentwicklung und der Interpretation der Befunde moumlglich Diskussionen im Team bei der Entwicklung geschlossener Frageformate koumlnnen je-doch die Kontextvaliditaumlt deutlich erhoumlhen Fuumlr eine adressatenorientierte Ruumlckmel-dung von Forschungsergebnissen scheint die Kombination quantitativer und qualita-tiver Daten besonders fruchtbar zu sein Eine partizipativ angelegte Dokumentation von Forschungsergebnissen gewaumlhrleistet zudem eher einen Duktus und ein Abstrak-tionsniveau der Darstellung die bei den Adressatinnen und Adressaten Verstaumlndnis und Akzeptanz der Befunde erhoumlhen

Mit Blick auf die drei Projekte wird erkennbar dass die Adressatinnen und Adressa-ten der Innovation in allen Phasen des Forschungs- und Transferprozesses beruumlcksich-tigt werden sollten Dies geschieht wenn das Erkenntnisinteresse mit den Problemla-

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gen der Adressatinnen und Adressaten zu verknuumlpfen ist Von Bedeutung ist es dabei diese Verknuumlpfung kommunikativ herzustellen Die Beispiele zeigen dass es einerseits sinnvoll ist die Sichtweise der Adressatinnen und Adressaten als Rezipientinnen und Rezipienten einer Innovation schon vor deren Entwicklung durch Befragungen einzu-holen Waumlhrend des Transferprozesses kann ihre Sichtweise andererseits auch Ruumlck-wirkungen auf die Weiterentwicklung der Innovation haben Diese kann jedoch nur gewaumlhrleistet werden wenn Projekte weitergefuumlhrt werden und sich aneinander an-schlieszligenden Fragestellungen widmen koumlnnen

Das Transferprojekt verweist noch auf eine weitere zentrale Transferbedingung die Erprobung und Refl exion der entwickelten Innovation in der schulischen Praxis Gewon-nene formative Evaluationsergebnisse bilden so die Grundlage fuumlr eine teamorientier-te Weiterentwicklung der Innovation und geben auch externen Akteuren Hinweise auf die Transferwuumlrdigkeit einer Innovation (Nickolaus 2014 Koch 2016) d h die Qua-litaumltspruumlfung der Innovation anhand wissenschaft licher Kriterien

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Josef Thonhauser

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben

Aufgaben haben eine zentrale Bedeutung fuumlr die schulische Bildungsarbeit Die Mar-burger Erziehungswissenschaft lerin Renate Girmes behauptet sogar ndash allerdings in einem sehr abstrakt bleibenden bdquotheorie-lastigen Textldquo ndash bdquoalles Wissen und Koumlnnen der Welt nimmt Bezug auf Aufgabenldquo (Girmes 2014 S 12) Dagegen ist Hermann Astleitner bescheidener dafuumlr aber praumlziser Er versteht (schulisches) Lernen bdquoals eine Form von Wissenserwerb in Interaktion mit Aufgabenldquo (Astleitner 2006 S 20)

Der vorliegende Beitrag ist in drei unterschiedlich umfangreiche Abschnitte ge-gliedert In einem ersten (1 Ein allgemeindidaktischer Rahmen) werden zunaumlchst moumlgliche Funktionen von Aufgaben im Rahmen schulisch organisierten Lernens be-schrieben (11) dann wird der Frage nachgegangen wer jeweils uumlber die Aufgaben entscheidet (12) anschlieszligend wer jeweils die Aufgabenloumlsungen der Schuumllerinnen beurteilt (13) Damit hoff e ich fuumlr meine Ausfuumlhrungen einen ausreichenden allge-meindidaktischen Rahmen geliefert zu haben In einem weiteren Kapitel wird disku-tiert welche formalen Merkmale insbesondere Lernaufgaben haben sollen (14) bevor einschraumlnkende Bedingungen schulischen Lernens beim Einsatz von Lernaufgaben er-oumlrtert werden (15) In einem zweiten Abschnitt wende ich mich fachdidaktischen Dif-ferenzierungen zu (2) um letztlich beispielhaft einige mir als repraumlsentativ erschei-nende Beispiele anzufuumlhren mit denen die Ebene konkreter Praktischer Paumldagogik erreicht werden will (3)

1 Ein allgemeindidaktischer Rahmen

11 Welche Funktionen koumlnnen Aufgaben grundsaumltzlich erfuumlllen

Schon lange bevor diverse top down verordnete Standardisierungsmaszlignahmen (z B Zentralmatura Bildungsstandards Begabungschecks) das Th ema dem tagespolitischen und damit medialen Interesse aussetzten waren bdquoAufgabenldquo ein wichtiges Element schulischen Lehrens und Lernens Dabei erfuumlllten sie vielfaumlltige Funktionen die im Folgenden eroumlrtert werden

Aufgaben dienen der Lernzieldefi nition indem sie bespielhaft konkretisieren was Lernende mithilfe von Unterricht am Ende eines Lernprozesses koumlnnen sollen Da (eine Sammlung von) Aufgaben Ziele nie vollstaumlndig abbilden wurde zwischen Per-formanz (konkrete Handlungen einer Aufgabenloumlsung) und Kompetenz (die jenen zu-

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grunde liegenden ndash jeweils erschlossenen nicht unmittelbar beobachtbaren ndash Disposi-tionen) unterschieden1

Aufgaben dienen der Erhebung von Eingangsvoraussetzungen am Beginn eines Lehr-Lernprozesses um die Lernenden (womoumlglich individuell) dort abzuholen wo sie stehen und sowohl vor Uumlberforderungen als auch unnoumltigen Redundanzen zu be-wahren

Aufgaben dienen als Lernaufgaben der Lernanregung indem sie den Lernenden konkrete Situationen vor Augen fuumlhren die sie aktuell noch nicht (sicher) bewaumllti-gen koumlnnen sondern wofuumlr sie noch Lernprozesse erfolgreich durchlaufen muumlssen (Grell amp Grell 199912 Kap 8) Eine (am gemaumlszligigten Konstruktivismus orientierte2) paumldagogische Praxis die Lernaufgaben als zentrale Elemente vorsieht stellt hohe An-spruumlche an den Unterricht weil sie eine black box zwischen dem Reiz bdquoAufgabeldquo und der Reaktion bdquoLoumlsungldquo wie es die behavioristische Tradition sehen mag nicht akzep-tiert Sie interessiert sich aus dem bevorzugten Anlass von Aufgaben einer bestimm-ten Qualitaumlt3 in starkem Maszlige fuumlr Lern- und Loumlsungshandlungen mitsamt ihren Irr-wegen4 Dieter Doumlrner hat seinerzeit in einer vielbeachteten Arbeit vorgeschlagen zwischen Aufgaben und Problemen zu unterscheiden wobei er die Bekanntheit bzw Unbekanntheit der fuumlr die erfolgreiche Loumlsung noumltigen Transformationsprozesse als konkretes Unterscheidungskriterium angegeben hat (Doumlrner 1976 S 10) Er hat sich damit nicht durchgesetzt weil in der Zunft mehrheitlich die Vorstellung eines Kon-tinuums bdquoRoutineaufgaben ndash Problemeldquo bevorzugt wurde (Th onhauser 2008 S 14)

Aufgaben dienen als Uumlbungsaufgaben im Rahmen der Entwicklung von Routinen d h von Faumlhigkeiten die es moumlglich machen die in den Aufgaben repraumlsentierten Si-tuationen (z B Alltagssituationen im fremdsprachlichen Ausland) rasch und sicher zu bewaumlltigen

Aufgaben dienen der Evaluation (d h der Uumlberpruumlfung des Erfolgs von Lehre und Studium) zum Zwecke kuumlnft iger (womoumlglich individuell) diff erenzierter Planung von Lehr-Lernprozessen Dabei duumlrft en allerdings einige Fallstricke nicht uumlbersehen wer-den Wenn sich die Ziele schulischen Lernens nicht auf Wissen beschraumlnken sondern

1 Wenn man dieses Begriff spaar in diesem theoretischen Kontext betrachtet (Weinert 2001 21) ist die in den letzten Jahren haumlufi g vorgebrachte Polemik gegen diese Unterscheidung schwer nachvollziehbar Dafuumlr hier nur ein sehr populaumlr gewordenes Beispiel bdquoWo Kompetenzen ver-mittelt hellip wird [sic] ndash dort ist die Praxis der Unbildung am effi zientestenldquo (Liessmann 2014 Klappentext vgl auch insbesondere Kapitel 3 bdquoKompetenter Ungeistldquo S 45 ff ) Dazu passt auch Lutz Koch (2013) der in polemischer Manier wiederholt was er bereits in Beitraumlgen fruuml-herer Jahre geaumluszligert hat Als letzten Trumpf spielt er aus dass Kompetenz zwar wichtig sei aber erst nach der Schule die der Oumlff nung der wichtigsten Raumlume des Wissens zu gelten habe erworben werden koumlnne (S 163)

2 Diesenberger 20123 Dazu gehoumlren die Merkmale lebensweltliche Bezuumlge hohes kognitives Aktivierungspotenzi-

al Anregung zu sozialem Lernen (z B Austausch der Schuumllerinnen im Gruppenunterricht) und Innere Diff erenzierung (ggf bis zur Individualisierung) (Muumlller Gartmeier amp Prenzel 2013 134 f)

4 Felix Winter hat sehr anschaulich beschrieben wie der geniale Carl Friedrich Gauszlig seiner-zeit aus der trivialen Uumlbungsaufgabe (die Zahlen 1 bis 100 addieren) selbststaumlndig fuumlr sich eine Lernaufgabe gemacht hat indem er nach einer Analyse des Materials uumlber die Anwendbarkeit eines eleganteren alternativen Verfahrens nachgedacht hat (Winter 2008 S 120) Im Lichte ei-ner reduzierten behavioristischen Didaktik waumlre das dem Lehrer entgangen

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Koumlnnen miteinschlieszligen muss eine Evaluation daruumlber Auskunft geben inwieweit Schuumllerinnen anwenden bzw umsetzen koumlnnen was sie wissen oder (vornehmlich in praktischen Situationen) begruumlnden koumlnnen was sie tun Wir wissen jedoch bdquodass Koumlnnerinnen in komplexen Domaumlnen (z B einen fi ktionalen Text verfassen oder mittels eines Experiments eine physikalische Annahme pruumlfen) in hohem Maszlige in-tuitiv-improvisierend handeln Deshalb besteht die Gefahr dass Schuumllerinnen oder Schuumllern aufgrund ihres verbal nachgewiesenen Wissens faumllschlicherweise Koumlnnen zu-geschrieben wird uumlber das sie nicht verfuumlgen Oder aber umgekehrt bei manifesten sprachlichen Defi ziten vorschnell ein Koumlnnen abgesprochen wirdldquo (Neuweg 2008 S 86 f)

Aufgaben dienen der Selektion (d h der Unterscheidung von Lernenden mit aus-reichenden bzw [vorlaumlufi g] nicht ausreichenden Kompetenzen) mit der Konsequenz gegebenenfalls Letztere von besonderen Bildungsprozessen (vorlaumlufi g) auszuschlie-szligen5

Aufgaben dienen (wenn auch nicht unbedingt in der Absicht der Lehrerinnen so doch de facto) der Disziplinierung im Sinne einer Veranlassung zu (zeitlich begrenz-ten) Taumltigkeiten (z B bdquoHausaufgabenldquo) die andere Taumltigkeiten (z B mehr oder min-der angemessene Freizeitaktivitaumlten) einschraumlnken

Diese der Begriff sanalyse dienende Aufzaumlhlung entspricht einer diff erenzierten Beschreibung die nicht fuumlr sich bereits normative Implikationen aufweisen will Ins-besondere die letzten beiden Funktionen duumlrft en bei vielen Leserinnen und Lesern (durchaus verstaumlndlicherweise) Widerspruch provozieren der allerdings nicht aus-reicht sie (z B im Rahmen wenig Sinn vermittelnder [Haus-]Uumlbungen6) aus dem schulischen Alltag zu verbannen

12 Wer entscheidet uumlber die zu stellenden Aufgaben

Lange Zeit schien die Antwort auf diese Frage unbezweifelbar die zustaumlndigen (Klas-sen- bzw Fach-)Lehrerinnen Wer unterrichtet traumlgt auch die Verantwortung fuumlr

5 Schon Frank Wedekind lieszlig in seinem Drama bdquoFruumlhlingserwachenldquo einen der kulturpubertie-renden Jugendlichen sagen bdquoWozu gehen wir in die Schule hellip damit man uns examinieren kann Und wozu examiniert man uns ndash Damit wir durchfallen Sieben muumlssen ja durchfallen schon weil das Klassenzimmer oben nur sechzig fasst (Wedekind 1977 S 11)

6 Bei einem Aufenthalt in Kolumbien besuchte ich eine Volksschule in der viele von einer Vul-kankatastrophe betroff ene Kinder vorgeblich nach dem Konzept von Maria Montessori un-terrichtet wurden Im Rechenunterricht ging es um Zehneruumlber- bzw -unterschreitungen an-hand einer Liste von 100 einschlaumlgigen Aufgaben Da fi el mir ein kleines Maumldchen ins Auge das dabei war die Angaben dieser Aufgaben fein saumluberlich in sein Heft zu uumlbertragen ohne auch nur mit der Loumlsung einer einzigen Aufgabe zu beginnen Ich setze mich zu ihm und wir begannen gemeinsam mit dem Versuch aus den fuumlr es unloumlsbar scheinenden Problemen (im Sinne Doumlrners) loumlsbare Aufgaben zu machen und damit der Uumlbung einen Sinn zu geben Es war begluumlckend zu erleben wie sich das Kind uumlber die neu erworbene Kompetenz freute und mich aus Dankbarkeit auf dem Nachhauseweg spontan bei der Hand nahm Vgl Standop 2014 insb S 107

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(alle) bdquoevaluativen Pruumlfungenldquo7 war die geltende Maxime Es bedurft e der unuumlber-sehbaren Ergebnisse empirischer Untersuchungen dass die Chancen auf den Bil-dungserfolg der Schuumllerinnen auch mit den jeweils gestellten Aufgaben einhergehen Das regte nachhaltige Uumlberlegungen an wie eine mangelhaft e Beruumlcksichtigung des Schwierigkeitsgrades und der Fairness von Aufgaben bzw die mangelhaft e Objektivi-taumlt und Validitaumlt der Beurteilung ihrer Loumlsungen seitens der Lehrerinnen einzudaumlm-men seien (Bruneforth amp Lassnigg 2015 S 112 ff Eder et al 2015 S 80 ff ) und for-cierte bildungspolitische Alternativen Delegierung der Aufgabenkonstruktionen und auch der Beurteilung der von Schuumllerinnen und Schuumllern vorgelegten Loumlsungen bei bestimmte Bildungschancen besonders maszliggeblich beeinfl ussenden Situationen (Auf-nahmepruumlfungen Abschlusspruumlfungen beispielsweise die Matura oder Bildungsstan-dards) an externe Instanzen (Bildungsministerium Bildungsinstitut fuumlr Forschung und Entwicklung im Bildungswesen ndash BIFIE) zu uumlbertragen was nachhaltige haumlufi g kont-rovers gefuumlhrte Diskussionen ausgeloumlst hat (Altrichter amp Kanape-Willingshofer 2012 Neuweg 2004)

Obwohl die Beweislage im Hinblick auf die Maumlngel der Tradition dass die jeweils unterrichtenden Lehrerinnen auch bei selektiven Pruumlfungen die Haupt- wo nicht Al-leinverantwortung tragen zunehmend erdruumlckender geworden war wurde die Tradi-tion sowohl von der Bildungspolitik als auch von der Lehrergewerkschaft bis in die juumlngste Zeit mit auff allender Vehemenz verteidigt (Mandl 2008) Die Ambivalenz des haumlufi g vorgebrachten Arguments die unterrichtenden Lehrerinnen wuumlssten am besten uumlber die Staumlrken und Schwaumlchen ihrer Schuumllerinnen Bescheid und koumlnnten darauf bereits bei der Aufgabenstellung Ruumlcksicht nehmen wurde mehr oder weni-ger ignoriert Denn gerade dadurch koumlnnen auch dem Einfl uss diverser zweifelhaft er Komponenten (z B SympathieAntipathie manipulative Steuerung individueller oder kollektiver Pruumlfungsergebnisse8) zahlreiche Moumlglichkeiten eroumlff net werden

Aber daraus die Konsequenz zu ziehen Lehrerinnen von jeder Mitverantwortung an selektiven Pruumlfungen zu befreien wuumlrde hinwiederum die Gefahr ihrer bereichs-spezifi schen Deprofessionalisierung in sich bergen wie wir sie seinerzeit im Rahmen der Schulversuche der Zehn- bis Vierzehnjaumlhrigen in Oumlsterreich kennengelernt ha-ben9 Damals hatte das Zentrum fuumlr Schulversuche diese Arbeit zur Gaumlnze uumlbernom-men Heute ist man sich im zustaumlndigen Ressort der erwaumlhnten Gefahr bewusst und neigt daher im Rahmen von bdquoTeilzentralisierungenldquo dazu den Lehrerinnen und Leh-rern Moumlglichkeiten einer Mitgestaltung einzuraumlumen Unterstuumltzt wuumlrde diese Maszlig-nahme mit der Th ese dass auch Lehrerinnen selbst ein zu vermittelndes Wissensge-biet erst dann in seiner Bedeutung richtig verstanden haben wenn es ihnen gelingt anspruchsvolle Aufgaben zu formulieren und ihre Loumlsbarkeit zu demonstrieren (Ja-cobs 2008 S 111)

7 Dass der Fokus von Evaluation dabei so gut wie ausschlieszliglich auf die Lernenden gerichtet blieb und nicht auch die Qualitaumlt des Unterrichts und damit auch die Lehrerinnen betreff en sollte steht allerdings auf einem anderen Blatt

8 Z B um die Gefahr einer fuumlr Lehrerinnen aufwaumlndigen Pruumlfungswiederholung abzuwenden9 Gottfried Petri ist seinerzeit in seiner detailreichen Evaluation auf diesen Aspekt allerdings

nicht eingegangen (Petri 1984)

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Einen Ausweg aus diesem Dilemma (Vermeidung von Maumlngeln bei Pruumlfungen um den Preis der Deprofessionalisierung der Lehrerinnen) boumlte die Einladung an die Lehrerinnen bestimmter Schulstufen und Unterrichtsfaumlcher lehrplankonforme Auf-gaben die begruumlndeten Qualitaumltskriterien genuumlgen in einen Pool einzuspeisen aus dem sodann die konkreten Aufgaben fuumlr individuelle Schuumllerinnen bzw Schulklassen zu ziehen waumlren Damit koumlnnten sowohl die Maumlngel der Aufgaben als auch die Ent-woumlhnung von wichtigen professionellen Taumltigkeiten hintangehalten werden Nach bis-herigen Erfahrungen stuumlnde allerdings ein Einspruch der Lehrergewerkschaft zu be-fuumlrchten der es immer darum zu tun ist ihre Klientel gegen zusaumltzliche nicht eigens entlohnte Arbeit abzuschirmen In dem konkreten Fall waumlre es allerdings nicht schwer zu argumentieren dass es sich nicht um zusaumltzliche sondern lediglich um anders or-ganisierte Arbeit zum Zwecke einer Qualitaumltsverbesserung im Bildungswesen handeln wuumlrde Denn an Aufgaben lernen nicht nur diejenigen die sie loumlsen sondern insbe-sondere auch jene die sie konstruieren (Glowalla amp Glowalla 2004)

Schlieszliglich verdient auch noch die Frage beachtet zu werden inwieweit Schuumlle-rinnen an der Stellung von Aufgaben beteiligt werden koumlnnten Es empfi ehlt sich bei der Antwort darauf den Rahmen nicht auf selektive Situationen (Aufnahmepruumlfungen die Zugaumlnge ermoumlglichen oder Abschlusspruumlfungen die uumlber Berechtigungen ent-scheiden) zu beschraumlnken sondern auch Aufgaben die in nicht (unmittelbar) selekti-ven Situationen gestellt werden (z B Uumlbungsaufgaben oder Lernaufgaben) zu denken Hans-Joumlrg Herber hatte in seinem theoretisch gut begruumlndeten und praktisch noch immer sehr anregenden Konzept der bdquoInneren Diff erenzierungldquo vorgesehen dass den Schuumllerinnen und Schuumllern zum Beispiel im Mathematikunterricht zu gegebener Zeit eine Sammlung von Aufgaben verschiedener nicht aufsteigender Schwierigkeit ange-boten wird unter denen sie ndash selbstbestimmt ob in individueller Partner- oder Grup-penarbeit ndash frei waumlhlen koumlnnen (Herber 1983) Die Schuumllerinnen uumlbernehmen da-mit eine Mitverantwortung fuumlr ihr Lernen indem sie sich bewusst machen was sie in der Situation leisten wollen und eigener Einschaumltzung zufolge leisten koumlnnen (Herber 1998 S 60 f)

13 Wer beurteilt die von Schuumllerinnen und Schuumllern vorgelegten Loumlsungen

Die Antworten auf diese Fragestellung fallen zu einem Gutteil aumlhnlich aus wie im vo-rigen Kapitel Auch hinsichtlich der Beurteilung galt lange Zeit quasi als selbstver-staumlndlich dass die Lehrerinnen die Ergebnisse der von ihnen gestellten Aufgaben auch beurteilen (und damit in der Regel benoten) In seltenen Faumlllen (z B bei der Reifepruumlfung) wurde mit Landesschulinspektorinnen und Landeschulinspektoren bzw anderen Beamten der Landesschulratsbehoumlrden eine Instanz aufgeboten die ein zurei-chendes Maszlig an Objektivitaumlt und Validitaumlt sowie eine interregionale Vergleichbarkeit der Beurteilungen sicherstellen sollte Aber erst in juumlngster Zeit wurde (z B mit der Leadership Academy) einerseits dafuumlr Sorge getragen dass auch die dafuumlr vorgesehe-nen Personen einschlaumlgig geschult werden und sich nicht auf die aus autoritaumlren Sys-

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temen uumlbernommene Regel mit dem Amt kaumlme auch der (Sach-)Verstand verlassen durft en Andererseits wurden unter dem Druck demokratiepolitischer Argumente die Einspruchsrechte der Betroff enen (wenn auch zaghaft 10) erweitert

Wenn die Beurteilung extern erfolgt wird die Erfuumlllung der Qualitaumltskriterien in der Regel mit dem Einsatz mehrerer (unabhaumlngiger) Beurteilerinnen die einen aus-reichenden Uumlbereinstimmungsgrad aufweisen muumlssen gewaumlhrleistet Die Gefahr kras-ser Fehlurteile erscheint damit als gebannt

Auf das auch in diesem Zusammenhang gegebene Problem einer Deprofessionali-sierung der Lehrerinnen gehe ich hier nicht nochmals ein Es gelten mutatis mutan-dis die oben (unter 12) angefuumlhrten Bedenken

14 Formale Merkmale von Aufgaben

Konkrete Aufgaben koumlnnen in praktischen Zusammenhaumlngen mehrere Funktionen erfuumlllen auch wenn die paumldagogische Absicht nur auf eine bestimmte gerichtet sein mag So erweisen sich Pruumlfungsaufgaben oft mals ndash insbesondere bei Defi ziterfahrun-gen der gepruumlft en Schuumllerinnen ndash als nachtraumlglicher Beitrag zur Lernzieldefi nition der ihnen klar macht woraufh in sie haumltten lernen sollen Lernaufgaben dienen fall-weise auch Hinweisen auf (u U fehlende) EingangsvoraussetzungenDie Qualitaumlt konkreter Aufgaben entscheidet sich in praktischen Zusammenhaumlngen danach in welchem Grad sie bestimmte formale Merkmale aufweisen Sie werden im Folgenden eroumlrtert

bull VerstaumlndlichkeitDamit sind Klarheit und formale Eindeutigkeit gemeint worin die Loumlsung einer Auf-gabe besteht Die Schuumllerinnen muumlssen die Moumlglichkeit haben zu erkennen ob ihre Loumlsung richtig sein kann indem sie pruumlfen ob diese der gestellten Aufgabe formal (z B eine oder mehrere moumlgliche Loumlsungen) entspricht

Fuumlr Schuumllerinnen die eine Aufgabe bearbeiten sollen ist entscheidend ob die Aufgabe fuumlr sie (individuell) verstaumlndlich ist An dieser Frage haben sich (z B in Oumlsterreich) in letzter Zeit (u a aus Anlass der schrift lichen Zentralmatura) heft i-ge bildungspolitische Diskussionen entzuumlndet die bis ins Parlament hineingetragen wurden Dabei standen nicht nur Faumlcher im Vordergrund in denen groumlszligere Inter-pretationsspielraumlume Tradition haben (Deutsch Fremdsprachen) sondern insbeson-dere auch Mathematik Uumlberpruumlfungen ergaben dass fallweise Schuumllerinnen deren mathematische Faumlhigkeiten im Vorfeld durchaus Maturaniveau aufgewiesen hatten

10 Z B damit dass Einspruch nur im Fall einer negativen Beurteilung moumlglich ist obwohl es bei diversen Uumlbergaumlngen innerhalb des Bildungssystems (z B bei beschraumlnkten Zugangsmoumlglich-keiten oder nachfolgenden Berufschancen) eine Rolle spielen kann welche (positiven) Kalkuumlle Schuumllerinnen vorweisen koumlnnen

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an der Kompliziertheit der Aufgabenformulierung also an einer mangelnden Sprach-kompetenz gescheitert sind (Neuhauser 2018)11

bull Prinzipielle LoumlsbarkeitEs mag auf den ersten Blick trivial erscheinen dieses Merkmal eigens zu nennen Es ist jedoch bei Pruumlfungsaufgaben unverzichtbar und ein Verstoszlig zieht u U schwer-wiegende Konsequenzen nach sich12 Bei Lernaufgaben gilt dieses Merkmal u U nur bedingt naumlmlich dann wenn eine der beiden folgenden Fragen (die ein erhebliches katalysatorisches Potenzial aufweisen) die Loumlsbarkeit auf eine andere Ebene (metako-gnitives Wissen) hebta) Reichen die vorliegenden Angaben aus um die Aufgabe loumlsen zu koumlnnenb) Welche zusaumltzlichen Informationen muumlsste die Aufgabenstellung enthalten um

eine Loumlsbarkeit zu gewaumlhrleisten13

bull (Objektive) Sinnhaft igkeit ndash (Subjektive) BedeutsamkeitDieses Merkmal wird in der einschlaumlgigen Literatur vergleichsweise weniger beachtet wiewohl es die Anstrengungsbereitschaft bei der Bearbeitung von Aufgaben bzw die Lernbereitschaft entscheidend beeinfl usst An einem konkreten (allerdings ambivalen-ten) Beispiel soll das exemplifi ziert werden

Ein junger Mann spart euro 5000- fuumlr eine Reise in den fernen Osten Dort reist er mehrere Wochen von Land zu Land In jedem wechselt er euro 300- in die landesuumlbliche Waumlhrung Bevor er das Land wieder verlaumlsst tauscht er den jeweils verbliebenen Rest in die Eurowaumlhrung zuruumlck wobei er einen Verlust von 10 in Kauf nehmen muss In einer Tabelle sind die bereis-ten Laumlnder die jeweiligen Wechselkurse und der jeweils verbliebene Rest der zuruumlckgetauscht wurde aufgelistet Wie viel Euro bringt der junge Mann letztlich von der Reise zuruumlck wenn er euro 900- fuumlr den Flug bezah-len muss14

In dieser Aufgabe werden mehr oder minder aufwaumlndige Rechenoperationen in einen exotischen aller Wahrscheinlichkeit nach fuumlr die Schuumllerinnen fremden (motivieren-den) Kontext verpackt Die unter Zeitbegrenzung vorgegebene Aufgabe wuumlrde es je-doch nicht erlauben einem allenfalls erwachenden Interesse an einem der bereisten

11 Eine engagierte Mathematiklehrerin in einer Neuen Mittelschule (NMS) mit hohem Anteil von Kindern nicht deutscher Muttersprache hat es sich aus diagnostischen Uumlberlegungen zur Re-gel gemacht bei Schularbeiten zur Haumllft e reine Zahlenbeispiele (ohne Texteinkleidung) vorzu-legen um eine Benachteiligung dieser Kinder hintanzuhalten Im geringeren Maszlige profi tierten davon auch Kinder mit deutscher Muttersprache aber geringerer Sprachkompetenz

12 Vor einigen Jahren sorgte ein Zwischenfall bei einer schrift lichen AHS-Matura fuumlr Aufregung Ein Schuumller mit guten Leistungen in Mathematik machte die Lehrerin darauf aufmerksam dass eines der vorgelegten Beispiele nicht loumlsbar sei Die Lehrerin wies den Einwand vehement zuruumlck ndash hatten die Aufgaben ja eine kritische Begutachtung im Landesschulrat hinter sich In weiterer Folge stellte sich heraus dass der Schuumller Recht hatte Fuumlr einige Schuumllerinnen erwies sich dieser Fehler jedoch als entscheidende Beeintraumlchtigung der Chancen positiv zu bestehen Die Panne musste bis zum Herbst mit groszligem Aufwand repariert werden

13 Vgl das unten (Seite 14 f) zitierte komplexe Beispiel14 Aus dem Gedaumlchtnis zitiert

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Laumlnder oder den Gruumlnden fuumlr die z T infl ationsbedingt extremen Kurse nachzuge-hen Die Aufgabe ist letztlich auf die (allerdings vielfach anzuwendenden) Grundrech-nungsarten und einfaches Prozentrechnen beschraumlnkt Die Einkleidung lenkt eher von der konzentrierten Bearbeitung der Aufgabe ab als dass sie Bedeutsamkeit vermittelt

bull Zeitlich begrenzte (bdquospeedldquo) oder zeitlich unbegrenzte Aufgabenbearbeitung (bdquopowerldquo)Oft schon hat eine Evaluation von Pruumlfungen ergeben dass die gewaumlhrten zeitli-chen Rahmenbedingungen einen entscheidenden Einfl uss auf die Erfolgsquoten ha-ben Bei Pruumlfungsaufgaben die in der Regel unter mehr oder minder streng kont-rollierten Bedingungen zu bearbeiten sind ist die Zeit in der Regel begrenzt obwohl man weiszlig dass damit die Entfaltung von kreativen Ansaumltzen oder die Origina-litaumlt von Texten behindert wird Lange Zeit hatte jedoch der organisatorische Rah-men schulischen Lernens kaum eine andere Moumlglichkeit geboten In den letzten Jah-ren sind mit komplexen Aufgaben wie z B den Fachbereichs-15 oder Diplomarbeiten Moumlglichkeiten geschaff en worden Sie erlauben Schuumllerinnen und Schuumllern sich selbst Rahmenbedingungen zu organisieren und damit jene aus dem erweiterten Bereich von Pruumlfungsaufgaben in Richtung Lernaufgaben zu veraumlndern bei denen bereits die Interpretation der Th emen mehr Anteile individueller Mitentscheidungen hat

Einer allgemeinen Verschiebung von bdquospeedldquo in Richtung bdquopowerldquo steht allerdings der Groszliggruppen-Unterricht in Schulklassen entgegen in dem die Lernenden mit ihrer mehr oder minder ausgepraumlgten oft mals unterschaumltzten Heterogenitaumlt letztlich aus vordergruumlndigen zeitoumlkonomischen Gruumlnden immer wieder zu einem gemeinsa-men Vorgehen zusammengefuumlhrt werden muumlssen

bull Komplexitaumlt und transferfoumlrdernde KontexteLernaufgaben erreichen kaum die wuumlnschenswerte Qualitaumlt wenn sie nicht eine ent-sprechende Komplexitaumlt aufweisen die sie individuell herausfordernd bzw in Grup-pen kooperativ bearbeitet fuumlr das Von-einander-Lernen ergiebig machen

Generierendes Lernen (d h die Konstruktion von Wissen durch die Lernenden) fi ndet mit Vorteil in Verbindung mit (zumindest gedanklich praumlsenten) Nutzanwen-dungssituationen statt Dadurch wird verhindert dass isolierte Fakten mit geringem Transferpotenzial gelernt werden (Neber 1993)

bull FormAufgaben koumlnnen in unterschiedlicher Form gestellt werden Als Fragen deren Beant-wortung die Loumlsung darstellt oder als Auff orderungen eine bestimmte Handlung aus-zufuumlhren (Zeichnen Uumlbersetzen einen fi ktionalen Text verfassen oder einen Sachver-halt muumlndlich darstellen eine gymnastische Uumlbung vorfuumlhren oder ein Musikstuumlck darbieten etc) Insbesondere die von Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht haumlufi g gestellten Fragen sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen in der paumldagogischen bzw erziehungswissenschaft lichen Literatur16 Das Th ema Lehrerinnen-Fragen ist in-

15 Heute Vorwissenschaft liche Arbeiten16 Die Hinweise auf die Namen Hans Aebli Otto Friedrich Bollnow G Dahms Hugo Gaudig

Heinz Neber und Berthold Otto moumlgen hier als Belege genuumlgen

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 161

dessen so komplex dass es nicht als Nebensache eines Beitrags behandelt werden darf Allein die haumlufi g an Benjamin S Blooms Taxonomie orientierte Klassifi kation der Fra-gen nach ihrem kognitiven Niveau bzw Anspruch und Versuche ihrer Vermittlung in Trainings (King 1997 Klinzing amp Klinzing-Eurich 1982) haben eine umfangreiche Forschungsgeschichte (Levin 2005) Hier begnuumlge ich mich mit wenigen gut beleg-ten Bemerkungenbull Faktenfragen (wer wann wo z B in historischen Zusammenhaumlngen) dienen

kaum als Lernaufgaben weil sie keine Verbindung zu Anwendungssituationen dar-stellen also fuumlr sich allein genommen lediglich totes Wissen anhaumlufen helfen

bull Die sogenannten Lehrerfragen (oft als sokratische Fragen verbraumlmt) moumlgen im Klas-senunterricht ndash sparsam eingesetzt ndash geeignet sein bei Schuumllerinnen und Schuumllern (vielleicht jedoch auch nur bei manchen) einschlaumlgige Konzepte zu aktivieren und damit eine Denkbewegung in Richtung des jeweiligen Th emas auszuloumlsen Sie ver-fuumlhren die Lehrerinnen jedoch dazu von einzelnen Antwortstimmen auf allgemei-ne Beteiligung und allgemeines Verstaumlndnis zu schlieszligen17

15 Einschraumlnkende Bedingungen beim Einsatz von Lernaufgaben

Es entspricht der Logik wenn unter dem fuumlr diesen Beitrag gewaumlhlten Titel ein Plauml-doyer fuumlr den vermehrten Einsatz von Lernaufgaben folgt um damit einer einseitigen Assoziation von Aufgaben mit Pruumlfungssituationen ndash sei es in evaluativer oder selekti-ver Funktion ndash gegenzusteuern Unter den Bedingungen wie sie fuumlr den uumlberwiegen-den Teil des gegenwaumlrtigen Schulunterrichts naumlmlich den Unterricht in Schulklassen gelten stehen dem jedoch betraumlchtliche Hindernisse entgegen Zuallererst die Hetero-genitaumlt der Schuumllerinnen welche ihrer Veranlassung zu gleichzeitigem Lernen Gren-zen setzt

Jochen Grell der in seinem Ende des vorigen Jahrhunderts unter dem ebenso pro-vokanten wie missverstaumlndlichen bzw missverstandenen Titel bdquoUnterrichtsrezepteldquo zum Bestseller gewordenen Buch acht Phasen fuumlr einen qualitativ akzeptablen Stan-dardunterricht empfi ehlt sieht darin nicht zufaumlllig die selbststaumlndige Bearbeitung von Lernaufgaben als zeitlich mit Abstand ausgedehnteste Phase vor um den unterschied-lichen Voraussetzungen der Schuumllerinnen wenigstens mit entsprechenden zeitlichen Rahmenbedingungen (Puff erzonen fuumlr fakultative individuelle Zusaumltze) gerecht zu werden18

Seit auch bei Large-Scale-Assessments (z B PISA) neben Kenntnissen worauf sich die einschlaumlgigen Unternehmungen anfangs beschraumlnkten auch andere Domauml-

17 Reinhard Tausch Klaus Holzkamp oder Jochen Grell haben daher mit nachvollziehbaren Ar-gumenten mehr oder minder radikal fuumlr didaktische Alternativen plaumldiert Ob sie damit auf breiter Ebene praktisch erfolgreich waren bleibt allerdings dahingestellt Vgl S 163 den Hin-weis auf Alexander Renkl

18 In einem Brief anlaumlsslich des Entstehens des Buches bdquoAufgaben als Katalysatoren von Lernpro-zessenldquo (Th onhauser 2008) schrieb Jochen Grell er bedaure dem Th ema Lernaufgaben nicht weitere Aufmerksamkeit gewidmet zu haben weil er nach wie vor von deren didaktischem Po-tenzial uumlberzeugt sei

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nen (z B Interesse Nachhaltigkeit) erhoben werden sind die Qualitaumlt von Lernaufga-ben und Bedingungen fuumlr ihren Einsatz auch in der Bildungsforschung bedeutsam(er) geworden (Prenzel19 et al 2013) Denn so meint Lucien Criblez vollmundig bdquogute Schulleistungen entstehen durch guten Unterricht und guter Unterricht entsteht durch gute Lernaufgabenldquo (Criblez 2016 S 28 mit Bezug auf Keller amp Bender 2012)

Der Optimismus damit moumlglicherweise einen Hebel fuumlr eine Steigerungen der Unterrichtsqualitaumlt in Haumlnden zu halten muumlsste allerdings noch auf die Lehrerinnen uumlberspringen

2 Nach wie vor ein Desiderat fachdidaktische Diff erenzierungen

In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts hat in den deutschsprachigen Laumlndern die Bedeutung der Fachdidaktiken in der Aus- und Fortbildung der Leh-rerinnen merkbar zugenommen Allenthalben wurden fachdidaktische Gesellschaf-ten oder Arbeitsgemeinschaft en gegruumlndet einschlaumlgige Tagungen veranstaltet und fuumlr Studierende Moumlglichkeiten geschaff en sich mit fachdidaktischen Arbeiten in Di-plom- und Doktoratsstudien zu qualifi zieren Die Entwicklung der Paumldagogischen Hochschulen in Richtung vollguumlltiger tertiaumlrer Einrichtungen neben den Universitaumlten erwies sich insbesondere in der Schweiz aber auch in Deutschland (Vollmer 2007) z B an der Gesamthochschule Kassel oder der Universitaumlt Dortmund ndash um zwei Bei-spiele zu nennen ndash ebenfalls als foumlrderlich

In Oumlsterreich hat Klagenfurt urspruumlnglich als Universitaumlt fuumlr Bildungswissenschaf-ten konzipiert eine Vorreiterrolle Diese wurde u a dadurch beguumlnstigt dass dort ers-tens das Lehramtsstudium von Anfang an (1975) nach den neuen Studiengesetzen (AHStG 1966 Gesetz uumlber die geistes- und naturwissenschaft lichen Studienrichtun-gen 1971) organisiert wurde die den Fachdidaktiken einen bedeutsamen Platz ein-raumlumten und zweitens alle berufenen Fachprofessoren auch fuumlr die (Entwicklung der) Fachdidaktiken zustaumlndig waren20 Was anfangs als Wiederaufl eben des Glaubens mit dem Amt (und seiner Bezeichnung) komme auch der (Sach-)Verstand belaumlchelt wur-de erwies sich im Verlauf der Jahre als wichtiger Impuls dem mehrere nachhaltige Initiativen zu verdanken waren Beispielhaft sei auf einschlaumlgige Tagungen hingewie-sen die sich fuumlr andere Universitaumlten (z B Salzburg und Innsbruck) als Initialzuumln-dungen erwiesen (Tietze et al 1988) oder das Fortbildungsprogramm Paumldagogik und Fachdidaktik fuumlr Lehrerinnen (PFL) ein international beachtetes vom Bildungsmi-nisterium uumlber Jahrzehnte bis heute unterstuumltztes interdisziplinaumlres Kooperationspro-jekt (Krainer amp Posch 1996 Messner 2018 S 285 ff ) Nicht zu vergessen die erstmals gelungene Integration von schulpraktischen Elementen in die universitaumlre Lehrerbil-dung

19 Manfred Prenzel hat erst unlaumlngst (25062018) in einem Vortrag an der Universitaumlt Salzburg die Wichtigkeit der Erweiterung der evaluierten Merkmale wieder hervorgehoben

20 Laut Ernennungsdekreten waren die Professorinnen und Professoren jeweils fuumlr ein Lehramts-fach und seine Fachdidaktik zustaumlndig

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 163

Der Weg des Fortschritts in den Fachdidaktiken erweist sich jedoch ndash jedenfalls im Bereich der Lernaufgaben ndash nach wie vor als muumlhsam Das liegt einmal an der Er-ziehungswissenschaft als Bezugswissenschaft Denn sie hat ihre Chancen weit mehr darin gesehen einen Beitrag zur evidenzbasierten Evaluierbarkeit von (Fach-)Unter-richt zu leisten als zur Weiterentwicklung des Lernaufgabenkonzepts Das schlaumlgt sich bereits in der Unklarheit dieses Begriff s nieder welche die fachdidaktische Forschung belastet21 Noch vor wenigen Jahren baute ein fachdidaktisches Projekt auf die mehr als kuumlhne defi nitorische Aussage von Alexander Renkl aus dem Jahre 1996 auf bdquodie kleinste Lernaufgabe (sei) eine Frage oder Aufgabenstellung der Lehrkraft und die Louml-sung eine Schuumllerantwortldquo (Manzel amp Sowinski 2014 S 73) Damit stuumltzt man (unge-wollt) den nach wie vor weitverbreiteten Erarbeitungsunterricht der nur in negativer Hinsicht als evidenzbasiert bezeichnet werden koumlnnte (vgl oben S 162)

Zahlreiche Berichte uumlber fachdidaktische Forschungen beklagen die geringe Zahl an (empirischen) Validierungen von fachdidaktischen Empfehlungen fuumlr die paumlda-gogische Praxis (z B Schweitzer 2014 S 29 Schmaltz 2017 S 411) Philipp Mitt-nik weist in einer aufwaumlndigen Studie uumlber Reifepruumlfungsaufgaben nach bdquodass der Grundgedanke der Kompetenzorientierung in der oumlsterreichischen Lehrerschaft [zumindest im Fach GeschichteSozialkunde J T] noch nicht im ausreichenden Maszlige angekommen sein duumlrft eldquo Es uumlberwiegen nach wie vor Aufgaben im Anforderungs-bereich I (Reproduktion) fuumlr die es bdquolaut Rechtsvorschrift keine Beurteilung mit sbquosehr gutlsquo geben duumlrft eldquo (Mittnik 2014 S 34)

Positiv hervorgehoben zu werden verdienen hingegen zwei umfangreiche publi-zierte Dissertationen die nach jeweils eingehender Beschaumlft igung mit Merkmalen gu-ten Unterrichts im Allgemeinen fachlichen Aspekten von Lernaufgaben nachgehen ndash im Kontext der Berufsschullehrerbildung die eine (Schaff enrath 2008) des Franzouml-sischunterrichts die andere (Tesch 2010) Auch an der Universitaumlt Dortmund entstan-den in den letzten Jahren uumlber ein Dutzend Dissertationen in mehreren Fachdidak-tiken die sich mit dem Potenzial von Lernaufgaben auseinandersetzen (Hinz et al 2014 S 259 f)Trotzdem beklagt Bernd Ralle dass das Th ema Lernaufgaben in vielen Fachdidaktiken nicht seiner Bedeutung gemaumlszlig behandelt werde obwohl es ein bdquowichtiger Schluumlssel fuumlr die Umsetzung [hellip] didaktischer Ziele im Unterrichtldquo sei (siehe Ralle et al 2014 S 9 vgl auch Becher amp Glaumlser 2014 S 159 Helbig et al 200022)

Ein kraumlft iger Impuls koumlnnte in naher Zukunft von den Learning Studies ausgehen wenn sich diese auch in den deutschsprachigen Laumlndern durchsetzen (Posch 2018)

21 Vgl z B Zadelhoff ampWember 2013 S 121 welche die individuelle Anpassung von Aufgaben-schwierigkeiten ihrem Lernaufgaben-Konzept integrieren

22 In der umfangreichen Festschrift fuumlr den Romanisten K-R Bausch fi ndet sich auf 600 Seiten unter drei Dutzend Beitraumlgen keiner zum Th ema Aufgaben (Helbig et al 2000)

Josef Thonhauser 164

3 Einige illustrative Beispiele fuumlr Lernaufgaben23

Die wenigen hier vorgestellten aus der Literatur uumlbernommenen und adaptierten Bei-spiele koumlnnen als typisch fuumlr Lernaufgaben gelten indem sie bull Lernende vor neue Herausforderungen stellenbull komplex und off en sind (d h mehrere Loumlsungsmoumlglichkeiten zulassen) undbull hervorragende Anlaumlsse zu sozialem Lernen bieten (voneinander lernen in Gruppen

mit unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen insbesondere Interessen und Louml-sungskompetenzen)

In der vorliegenden Form sind sie keinesfalls als Evaluations- Pruumlfungs- oder Uumlbungs aufgaben geeignet

31 Ein begruumlndetes aumlsthetisches Urteil fi nden (fuumlr eine gymnasiale Oberstufe)

Ein zeitgenoumlssischer Literat (1958) hat das folgende Gedicht veroumlff entlicht24

Der Tag erwacht

01 Morgens wenn die Daumlmmerung gruumlszligt 09 Wolken jagen um die WetteUnd der Mond die Laumlden schlieszligt Jede will die erste seinHuumlpft die Sonne durch die Fenster Auch der Fluss in seinem BetteUnd vertreibt die Nachtgespenster Laumlsst sich auf den Wettlauf ein

05 Kirchturm laumlsst die Glocken klingen 13 Nur die groszligen weisen BergeBlumen fangen an zu singen Bleiben still am Platze stehnSelbst vorm Haus der Apfelbaum Koumlnnen immer von ganz obenGruumlszligt ganz leis man houmlrt ihn kaum All das bunte Treiben sehn

Die Schuumllerinnen sollen uumlberlegen inwieweit sie sich ein aumlsthetisches Urteil uumlber das Gedicht zutrauen Auf dem Weg dorthin sollen sie im Sinne des gelenkten Entdeckens (nach moumlglicherweise mehrfacher Lektuumlre)bull uumlberlegen wie das Gedicht insgesamt auf sie wirkt ndash auch wenn sie nicht jedes De-

tail verstehenbull eine Passage auswaumlhlen die ein fuumlr sie verstaumlndliches ansprechendes Bild be-

schreibt

23 Auf sie passt Norbert Seels Defi nition Lernaufgaben sind bdquonach didaktischen Uumlberlegungen ausgewaumlhlte und speziell praumlparierte Lernobjekte die einen bestimmten Lernvorgang ausloumlsen und organisieren sollenldquo (Seel 2003 S 383)

24 Hoppe amp Metz 2013 S 55 ff

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 165

bull erkunden welche Passagen in der Klasse (moumlglicherweise mehrfach) ausgewaumlhlt wurden welche hingegen kein einziges Mal und uumlberlegen was die Gruumlnde dafuumlr sein koumlnnten

bull pruumlfen welchen der einzelnen Verse oder Strophen sie einen Sinn entnehmen koumln-nen welchen nicht

bull sich nach der Lektuumlre selbst klar machen welche im Gedicht enthaltenen Aussagen ihnen vertraut sind (= welche sie u U bei der Beschreibung des erwachenden Tages selbst verwenden wuumlrden) welche nicht

bull sich den Zusammenhang zwischen ihrer subjektiven Sinnentnahme und der Nei-gung zu aumlsthetischen Urteilen bewusst machen

bull nach Begruumlndungen fuumlr ihre Urteile suchenbull sich off enhalten fuumlr Diskussionen uumlber die voranstehenden Punkte mit ihren Mit-

schuumllern-innen (ggf auch mit der Lehrperson)

Eine Voraussetzung fuumlr den Erfolg dieser Lernaufgabe besteht darin dass sich die Schuumllerinnen auf sie einlassen obwohl ein unmittelbarer Lebensweltbezug nicht als gegeben erscheint und ebenso vermittelt werden muss wie auch die Bedeutung des Lernprojekts

32 Nicht jede (z B im Schulbuch gestellte) Aufgabe ist auch loumlsbar

(Sekundarstufe I)

Die mittlerweile haumlufi g zitierte Aufgabe bdquoTankenldquo (Linneweber-Lammerskitten 2012 S 28)

Herr Stein wohnt in Trier 20 km von der Grenze zu Luxemburg entfernt Er faumlhrt mit seinem VW Golf zum Tanken nach Luxemburg wo sich di-rekt hinter der Grenze eine Tankstelle befi ndet Dort kostet der Liter Benzin nur 105 euro im Gegensatz zu 130 euro in Trier Lohnt sich die Fahrt fuumlr Herrn Stein Begruumlnde deine Antwort

Die Aufgabe in der vorliegenden Fassung waumlre nur dann loumlsbar wenn die Schuumllerin-nen stillschweigend bull einige zusaumltzliche Annahmen traumlfen die im Text gar nicht enthalten sind z B Fas-

sungsvermoumlgen des Tanks Benzinverbrauch des Autos Distanz zur naumlchsten Tank-stelle in Trier

bull groumlszligerer Zeitaufwand erhoumlhter Verschleiszlig und erhoumlhtes (Unfall-)Risiko sowie oumlko-logische Bedenken wegen der zusaumltzlichen Kilometer ignoriert werden

Josef Thonhauser 166

Um aus dieser unvollstaumlndigen und genau genommen unloumlsbaren Aufgabe eine Lern-aufgabe zu machen gaumlbe es zwei Moumlglichkeitena) Vordergruumlndig Ergaumlnzungen im Sinne der aufgezaumlhlten Maumlngelb) Nachhaltig Aumlnderung der Aufgabenstellung z B mit einer oder beiden der fol-

genden Ergaumlnzungen ndash Was muumlsstest Du noch wissen um berechnen zu koumlnnen ob sich die Fahrt

uumlber die Grenze fuumlr Herrn Stein unmittelbar fi nanziell lohnt ndash Welche Aspekte muumlssten noch beruumlcksichtigt werden um entscheiden zu koumln-

nen ob ein fi nanzieller Gewinn gesellschaft spolitisch zu rechtfertigen waumlre

Die Aumlnderung der Aufgabenstellung waumlre auch eine Antwort auf zahlreiche Untersu-chungsergebnisse die feststellen dass mit Mathematikaufgaben Politik gemacht wird ndash nicht nur im Sinne einer totalitaumlren Ideologie (z B Mertens 1986 Menzler-Trott 2001) sondern auch aktueller wirtschaft spolitischer oder oumlkologischer Doktrinen (Ullmann 2008)

33 Menschenrechte da und dort ndash gestern und heute (Sekundarstufe II25)

Dieses Beispiel steht fuumlr Politische Bildung deren Aufwertung in Oumlsterreich in letz-ter Zeit mehrfach gefordert wurde (z B im Zusammenhang mit den Feiern zur Gruumln-dung der Republik im November 1918)

Informationena) Martin Luther King (MLK) war im vorigen Jahrhundert in den USA ein Buumlrger-

rechtskaumlmpfer Als Schwarzamerikaner und Baptistenpfarrer setzte er sich fuumlr ge-waltlosen Widerstand ein weshalb er stark bekaumlmpft wurde

b) Bei einem Marsch auf Washington hielt er unter dem Titel bdquoIch habe einen Traumldquo eine vielbeachtete Rede (28 August 1963) Darin hieszlig es u a bdquoIch habe einen Traum dass eines Tages die Soumlhne von fruumlheren Sklaven und die Soumlhne von fruuml-heren Sklavenhaltern miteinander am Tisch der Bruumlderlichkeit sitzen koumlnnen [hellip] dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden Erst wenn dies wahr ist wird Amerika eine groszlige Nation seinldquo

c) Ermutigt wurde MLK u a durch die Amerikanische Unabhaumlngigkeitserklaumlrung von 1776 in der die individuellen Rechte auf Leben Freiheit und das Streben nach Gluumlck sowie eine demokratische Verfassung allen Buumlrgerinnen und Buumlrgern zuge-sichert werden

d) Anlaumlsse fuumlr seine Rede waren die taumlglichen Buumlrgerrechtsverletzungen (Rassendis-kriminierung extreme soziale Benachteiligungen Chancenungleichheit)

e) MLK hat nicht erlebt dass sein Traum wahr geworden waumlre Er wurde nach meh-reren fehlgeschlagenen Anschlaumlgen 1968 ermordet

25 Waldis 2013

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 167

Lernaufgabea) Organisiert euch in Gruppen und besorgt euch einen Zugang zum Internet ggf

um weitere Informationen zu erhaltenb) Welche einfl ussreichen Personen oder Organisationen arbeiten seit MLK an der

Verwirklichung seines Traums ndash welche (eher) dagegen c) Inwiefern haumltte heute (ein neuer) MLK Anlass uumlber einen Traum zu sprechend) Vergleicht die Situation in Europa und den USAe) Inwieweit ihr zu Einigungen gekommen seid inwieweit nicht

Mit den im Text eingestreuten und den abschlieszligenden Beispielen sollte gezeigt wer-den welches Potenzial in Lernaufgaben im Unterricht quer durch alle Altersstufen und Schultypen steckt aber auch welche Herausforderungen sie fuumlr die Lehrerschaft und die Bildungspolitik enthalten

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Claudia Schreiner und Simone Breit

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung Instrumente paumldagogischer Diagnostik im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen und schulpraktischen Anspruumlchen

Der Einsatz paumldagogischer Diagnostik durch Lehrkraumlft e verfolgt in der Regel das Ziel den Unterricht auf die jeweils aktuellen Kompetenzen der Schuumllerinnen moumlglichst treff sicher abstimmen zu koumlnnen Daraus erwachsen unterschiedliche praktische He-rausforderungen die zum einen mit den Instrumenten und Methoden der paumldagogi-schen Diagnostik zu tun haben weiters mit der Verarbeitung des Feedbacks daraus und zum anderen mit der Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse im Unterricht Auf einer anderen Ebene koumlnnen allerdings noch andere Arten von Herausforde-rungen festgemacht werden Diese entstehen vorrangig aus der Verschraumlnkung und Abgrenzung der Rollen der verschiedenen Akteure und betreff en insbesondere die Schnittstellen Wissenschaft ndash Lehrende sowie Lehrende ndash Lernende

Es erscheint grundsaumltzlich sinnvoll eff ektiv und effi zient dass Instrumente fuumlr eine eher formale Form der paumldagogischen Diagnostik von der Wissenschaft entwickelt werden und Lehrenden im Feld zur Verfuumlgung stehen Dadurch entsteht (uumlber die Einbeziehung von Praktikerinnen und Praktikern in die Entwicklung und Erprobung hinaus) eine explizite Schnittstelle zwischen der Wissenschaft und der Praxis und es bedarf bestimmter Transferprozesse um zwischen diesen beiden Welten zu vermit-teln Wo hier jeweils die Grenzen gezogen werden und bei welcher dieser beiden Ak-teursgruppen die professionelle Verantwortung fuumlr welche Teilprozesse verankert wird hat Auswirkungen auf die Handlungsmoumlglichkeiten und das Rollenverstaumlndnis der verschiedenen Beteiligten und beeinfl usst diesen Transferprozess Die Gratwande-rung zwischen der Unterstuumltzung der Praxis durch Instrumente aus der Wissenschaft auf der einen Seite und der Selbstbestimmtheit des Handelns und damit verbundener Verantwortungsuumlbernahme fuumlr das eigene Handeln durch die Lehrkraumlft e auf der ande-ren Seite wird im vorliegenden Beitrag anhand einiger Instrumente aus dem Bereich der paumldagogischen Diagnostik diskutiert

Claudia Schreiner und Simone Breit 172

1 Ausgangspunkt Heterogenitaumlt

Wie sich die Sicht auf Vielfalt im Klassenzimmer im Lauf der Zeit gewandelt hat be-schreibt z B Sliwka (2010) So ging die Diskussion im deutschsprachigen Raum lan-ge von der Annahme aus durch verschiedene Maszlignahmen der Struktur und Organi-sation von Schule homogene Lerngruppen schaff en zu muumlssen und zu koumlnnen (z B Reh 2005) Moumlglichst homogene Gruppen zu schaff en entspricht der bdquotradierte[n] Sicht auf Vielfalt im dt Schulsystemldquo (Fischer Rott amp Veber 2014 S 22) Dies wur-de durch das Paradigma der Heterogenitaumlt (Sliwka 2010) abgeloumlst in dem die Unter-schiedlichkeit von Schuumllerinnen und Schuumllern innerhalb von Schulen und Klassen erkannt und anerkannt wird Praumlgend ist die Wahrnehmung der Heterogenitaumlt als He-rausforderung an Schule und Unterricht Stellvertretend sei Burkhard Jungkamps Be-schreibung im Vorwort zu Vock und Gronostaj (2017) angefuumlhrt bdquoHeterogenitaumlt ist beides Realitaumlt in Schulen und Klassenzimmern sowie Herausforderung fuumlr das schu-lische Lernen die Unterrichtsgestaltung und die Organisationsform von Lerngruppenldquo (S 5) Nun postuliert Sliwka als naumlchste ndash anzustrebende ndash Stufe die Wahrnehmung von Vielfalt als Chance und Bereicherung (Sliwka 2010 S 213 f) in der Diversitaumlt ge-nutzt wird um voneinander und miteinander zu lernen und damit eine positive Sicht auf die Unterschiedlichkeit von Schuumllerinnen und Schuumllern vorherrscht So liest man im Vorwort von Ute Erdsiek-Rave zu Fischer (2014) von einer bdquoSchule die Unter-schiedlichkeit und Heterogenitaumlt als Chance begreift die unter Bildungsgerechtigkeit auch die Verantwortung versteht jedem einzelnen Kind gerecht zu werdenldquo (S 5)

Unterschiedlichkeit ist daruumlber hinaus nicht nur zwischen Schuumllerinnen und Schuuml-lern innerhalb von Klassen oder Lerngruppen zu beobachten auch jedes individu-elle Kind besitzt bdquoeine Vielzahl praumlgender Diversitaumltsdimensionenldquo (Fischer 2014 S 11) Diese beeinfl ussen auch die individuelle Wahrnehmung und damit das Lernen So formuliert Reusser (2006) als eine der Leitfragen im Rahmen konstruktivistischen Stoff verstaumlndnisses bdquoBleibt die Perspektivitaumlt von Wissen gewahrt bzw das Bewusst-sein erhalten dass Erkennen nie voumlllig voraussetzungsfrei ist und keine zwei Schuumller je eine voumlllig identische Sicht auf eine scheinbar gleiche Unterrichtssituation habenldquo (S 162)

In Bezug auf den Blick auf Diversitaumlt innerhalb von Lerngruppen liegen aus den oumlsterreichischen Standarduumlberpruumlfungen fuumlr Mathematik (Schreiner amp Breit 2012 2014a Schreiner Breit Pointinger Pacher Neubacher amp Wiesner 2018) sowie ver-schiedene Kompetenzbereiche aus dem Fach Deutsch fuumlr die 4 und 8 Schulstu-fe (Breit Bruneforth amp Schreiner 2016 2017) sowie fuumlr Englisch fuumlr das Ende der 8 Schulstufe (Schreiner amp Breit 2014b) Daten vor mit denen zum einen bdquodas viel-leicht auff aumllligste Merkmal von Heterogenitaumlt im Klassenzimmerldquo (Scharenberg 2012 S 246) die Leistungsheterogenitaumlt beschrieben werden kann Sie sind jeweils eine Momentaufnahme zu einem spezifi schen Zeitpunkt und somit beispielhaft fuumlr die Situation in einer Klasse fuumlr Lehrerin und Schuumllerinnen Daruumlber hinaus kann das Konzept der Heterogenitaumlt zum anderen aber auch in Bezug auf Kontextmerk-male der Schuumllerinnen und Schuumller operationalisiert werden zum Beispiel nach Erst-sprache Migrationshintergrund Herkunft sland Sozialstatus oder Bildung der Eltern

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 173

Eine dritte Ebene Vielfalt im Klassenzimmer zu fassen sind grundsaumltzlich nicht nur kognitive sondern im Besonderen auch motivationale emotionale und volitionale Merkmale Erste Analysen zeigen eine immense Vielfalt nach allen drei angesproche-nen Merkmalsgruppen innerhalb von Klassen bzw Unterrichtsgruppen (Schreiner amp Wiesner 2019) So erstrecken sich die Kompetenzen von Schuumllerinnen und Schuumllern innerhalb einer Klasse bzw Unterrichtsgruppe in Mathematik i d R uumlber mehre-re Lernjahre Fuumlr die mittleren 75 einer Klasse betraumlgt die mittlere Leistungsspan-ne 184 Punkte (wobei zumindest in der Mitte der Skala ein Lernjahr mit 35ndash45 Punk-ten zu beziff ern ist) Bei dieser Leistungsspanne uumlber mehr als 4 Lernjahre sind die leistungsschwaumlchsten und die leistungsstaumlrksten Schuumllerinnen nicht inbegriff en Je-weils 125 der Leistungen innerhalb der Klasse liegen uumlber und unter diesem Wer-tebereich Diverse Zusammensetzungen sind auszligerdem in Bezug auf emotionale und motivationale Merkmale wie Freude am Fach fachbezogenes Selbstkonzept Wohlbe-fi nden in der Schule und Klasse sowie Herkunft smerkmale etwa den Migrationshin-tergrund den sozialen Status der Familie oder den Bildungshintergrund der Eltern der Normalfall innerhalb von oumlsterreichischen Schulklassen ndash sowohl in der Volks-schule als auch in der Sekundarstufe I (Schreiner amp Wiesner 2019)

Eine positive Sicht auf die Unterschiedlichkeit von Menschen eroumlff net diverse Moumlglichkeiten und Chancen und kann eine wesentliche Grundlage fuumlr unterrichtli-che Konzepte und Herangehensweisen an Lehren und Lernen darstellen Nichtsdes-totrotz darf dabei nicht uumlbersehen werden dass der Umgang mit Heterogenitaumlt mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen Lernverlaumlufen Lerngeschwindigkeiten hohe Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer stellt So meint dazu zum Beispiel Reus-ser (2015) vor dem Hintergrund empirischer Daten zu Leistungsheterogenitaumlt einiger Klassen bdquo[es] duumlrft e intuitiv klar sein vor welche gewaltigen Probleme die Leistungs-heterogenitaumlt die Lehrkraumlft e in leistungsmaumlszligig ungeteilten Klassen stellteldquo (S 12) Der Wissenschaft kommt dabei eine wichtige unterstuumltzende Rolle zu um die An-forderungen an Lehrpersonen bewaumlltigbar(er) zu machen ndash zum Beispiel in der Er-forschung gelingender Arrangements und Settings fuumlr ein die Unterschiedlichkeit der Lernenden beruumlcksichtigendes selbstbestimmtes Lernen oder in der Entwicklung von Instrumenten

2 Paumldagogische Diagnostik als Grundlage zielgerichteten Lernens

In der Schule spielt der Umgang mit Heterogenitaumlt in Lernvoraussetzungen und Lern-entwicklung eine zentrale Rolle (z B Juumlrgens amp Lissmann 2015 S 17) Die paumldago-gische Diagnostik dient zur laufenden Erhebung des Lernstands von Lernfortschrit-ten der Lernentwicklung der individuellen Lernenden um auf diesen Informationen und Erkenntnissen aufb auend die jeweils naumlchsten kuumlnft igen Lernschritte planen zu koumlnnen

Informationen zu sammeln die im Sinne von Feedback einen Lernprozess unter-stuumltzen koumlnnen ist integraler Bestandteil zielgerichteten Lehrens und Lernens im Sin-ne paumldagogischer Diagnostik Dies umfasst mehr und weniger formelle mehr und we-

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niger geplante mehr und weniger bewusste Prozesse aufseiten der Lehrenden aber auch der Lernenden

Ingenkamp und Lissmann (2008) nennen als Hauptaufgabe der paumldagogischen Diagnostik bdquofuumlr den Lernenden richtige Entscheidungen zu treff enldquo (S 14) welche sich auf bdquoFoumlrderungs- Platzierungs- und Selektionsmaszlignahmenldquo beziehen Sie folgt dem Optimierungsgrundsatz und verwendet wissenschaft liche Methoden (ebd) Im deutschen Sprachraum wird haumlufi g auf die von Ingenkamp (1985) grundgelegte Defi -nition paumldagogischer Diagnostik Bezug genommen Sie lautet in der letzten Fassung

Paumldagogische Diagnostik umfasst alle diagnostischen Taumltigkeiten durch die bei einzelnen Lernenden und den in einer Gruppe Lernenden Voraussetzun-gen und Bedingungen planmaumlszligiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt Lern-prozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden um individuel-les Lernen zu optimieren Zur Paumldagogischen Diagnostik gehoumlren ferner die diagnostischen Taumltigkeiten die die Zuweisung zu Lerngruppen oder zu indi-viduellen Foumlrderungsprogrammen ermoumlglichen sowie die mehr gesellschaft -lich verankerten Aufgaben der Steuerung des Bildungsnachwuchses oder der Erteilung von Qualifi kationen zum Ziel haben (Ingenkamp amp Lissmann 2008 S 13)

Die aus dem englischsprachigen Raum kommenden Konzepte der bdquoformative evaluationldquo (Scriven 1967) sowie des bdquoclassroom assessmentldquo (Bloom 1969) das neben der Dokumentation des Lernfortschritts im Kontext seiner Th eorie des zieler-reichenden Lernens (bdquomastery learningldquo) vor allem dazu beitragen soll den Prozess zu foumlrdern und das Lernen zu verbessern sind relevante Grundlagen Black amp Wil-liam (1998) versuchten in der Metastudie bdquoInside the Black Boxldquo die positiven Aus-wirkungen von bdquoformative assessmentldquo zu belegen welchem sie folgende Defi nition zugrunde legen

We use the general term assessment to refer to all those activities undertak-en by teachers ndash and by their students in assessing themselves ndash that provide information to be used as feedback to modify teaching and learning activ-ities Such assessment becomes formative assessment when the evidence is actually used to adapt the teaching to meet student needs (S 140)

Durch bdquoformative assessmentldquo soll ermoumlglicht werden dass Schuumllerinnen ihre Lern-prozesse so selbststaumlndig wie moumlglich steuern koumlnnen Fuumlr die positive Wirkung von Feedback spielt in diesem Kontext eine wichtige Rolle dass dadurch Informatio-nen entstehen die den aktuellen Lernstand mit dem Lernziel in Verbindung bringen und damit nicht nur Ruumlckmeldung uumlber den vergangenen Lernprozess geben son-dern auch eine vorwaumlrtsgerichtete Komponente aufweisen (z B Hattie amp Timper-ley 2007 S 90) Der von Broadfoot Daugherty Gardner Harlen James und Stobart (2002) verwendete Begriff des bdquoassessment for learningldquo hebt den Zweck paumldagogi-scher Diagnostik im Sinne einer Entwicklungsorientierung besonders deutlich her-vor Im Zentrum des Interesses steht hier paumldagogische Diagnostik mit dem Zweck der Optimierung des Lernens aus der Defi nition von Ingenkamp amp Lissmann (2008)

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 175

und nicht die gesellschaft lich verankerten Aufgaben paumldagogischer Diagnostik als Ba-sis fuumlr Selektion und Allokation Diese Perspektive praumlgt auch die weiteren Uumlberle-gungen und war leitend fuumlr die Entwicklung und Bearbeitung der in Folge vorgestell-ten Instrumente

3 Instrumente aus der Wissenschaft und ihre Verwendung in der paumldagogischen Praxis

Im Folgenden stellen wir einige Instrumente aus der paumldagogischen Praxis vor mit deren Entwicklung oder Weiterentwicklung das BIFIE (Bundesinstitut fuumlr Bildungs-forschung Innovation und Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens) als wis-senschaft liche Einrichtung befasst war bzw ist Diese dienen vor allem dazu exem-plarisch einige kritische Punkte herauszuarbeiten und zu diskutieren die sich an der Schnittstelle Wissenschaft ndash Praxis ergeben Dazu stellen wir das Instrument jeweils kurz vor beschreiben seinen Aufb au die intendierte Nutzung und beleuchten die ent-stehende Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Schulpraxis

31 Informelle Kompetenzmessung (IKM)

Grundkonzeption und ZweckDie Informelle Kompetenzmessung (IKM) basiert auf den Kompetenzmodellen und Deskriptoren der Bildungsstandards und ist ein Instrument zur Selbstevaluierung fuumlr Lehrerinnen und Lehrer IKM bietet Lehrpersonen die Moumlglichkeit den Lernstand ihrer Klasse und einzelner Schuumllerinnen festzustellen Die automatisch generierten Ruumlckmeldungen koumlnnen zur Evaluierung und Weiterentwicklung des eigenen Unter-richts sowie als Grundlage der Foumlrderung von Schuumllerinnen und Schuumllern verwendet werden Vorrangiger Zweck der IKM ist zur erfolgreichen Planung und Gestaltung eines kompetenzorientierten Unterrichts beizutragen Die daruumlber hinaus verfuumlgbaren Individualruumlckmeldungen geben Aufschluss uumlber bereits erworbene Kompetenzen je-der einzelnen Schuumllerinjedes einzelnen Schuumllers und unterstuumltzen Lehrpersonen auf diese Weise bei der Ermittlung individuellen Foumlrderbedarfs (Schreiner et al 2018) Im Sinne der Grundkonzeption der IKM als Selbstevaluierungsinstrument ist es aus-schlieszliglich der durchfuumlhrenden Lehrperson moumlglich die Ergebnisse der IKM einzel-nen Schuumllerinnen und Schuumllern zuzuordnen (Wiesner Pacher George Breit amp Schrei-ner 2017)

Die IKM wird fuumlr verschiedene Kompetenzbereiche bzw Faumlcher in der Volksschu-le Sekundarstufe 1 und Sekundarstufe 2 angeboten Konkret gibt es Aufgabenpakete fuumlr die 3 Schulstufe fuumlr Mathematik sowie Deutsch (Lesen Sprachbetrachtung Ver-fassen von Texten) fuumlr den Beginn der 5 Schulstufe (Mathematik) fuumlr die 6 und 7 Schulstufe fuumlr Mathematik Englisch (Reading und Listening) sowie Deutsch (Lesen Sprachbetrachtung) fuumlr die 8 Schulstufe fuumlr Naturwissenschaft (Physik Chemie Bio-logie) und den Beginn der 9 Schulstufe (Mathematik Englisch Deutsch) Waumlhrend

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den Schuumllerinnen und Schuumllern in der Volksschule Aufgabenheft e in gedruckter Form vorgelegt werden erfolgt die Bearbeitung der Aufgaben in der Sekundarstufe im Rah-men einer Online-Plattform uumlber die die Lehrerinnen ndash in der Volksschule wie im Sekundarbereich ndash nach Abschluss der Messung automationsgestuumltzt auch Ergebnisse und Feedback zu den von ihnen betreuten Gruppen und SchuumllerinnenSchuumllern abru-fen koumlnnen (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumls-terreichischen Schulwesens 2018a)

Intendierte NutzungDie Ergebnisse der IKM koumlnnen auf drei Ebenen betrachtet analysiert und refl ektiert werden Dabei ist eine genaue Identifi zierung von Staumlrken und Schwaumlchen Ressour-cen und Potenzialen wesentliche Voraussetzung fuumlr eine zielgerichtete Unterrichts-entwicklung und die Ableitung erfolgversprechender Maszlignahmen (Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner 2018)bull Makro-Ebene ndash Fokussierung auf Kompetenzfelder und Teilkompetenzen Das Grup-

penfeedback bietet Ruumlckmeldung uumlber alle Aufgaben und Schuumllerinnen hinweg und dient der Refl exion von Schwerpunktsetzungen im Unterricht und der damit einhergehenden Struktur des Unterrichts

bull Meso-Ebene ndash Fokussierung auf Aufgaben Das IKM-Feedback beinhaltet geloumls-tenicht geloumlste Aufgaben sowie deren Schwierigkeit und Komplexitaumlt je Kompe-tenzfeld Das Gruppenfeedback dient einerseits der Refl exion des eigenen unter-richtlichen Handelns und ermoumlglicht andererseits eine fachdidaktische Analyse der Aufgaben uumlber die Klasse bzw Unterrichtsgruppe hinweg Auszligerdem beinhaltet das IKM-Feedback Aufgabenloumlsungen fuumlr jede einzelne Schuumllerinjeden einzelnen Schuumller im Hinblick auf eine personalisierte paumldagogische Diagnose

bull Mikro-Ebene ndash Fokussierung auf Ebene der Schuumllerinnen Auf dieser Ebene werden erworbene Kompetenzen in bestimmten Feldern und geloumlstenicht geloumlste Aufga-ben auf Schuumllerebene als Individualfeedback zur Foumlrderung von Lernenden und zur Professionalisierung im Bereich der paumldagogischen Diagnostik beleuchtet

Ziel ist bei der Auseinandersetzung Analyse und Interpretation der Ergebnisse auf Makro- und Meso-Ebene nicht auf den Foumlrderbedarf von einzelnen Schuumllerinnen und Schuumllern zu fokussieren sondern dem Zyklus der evidenzorientierten Unterrichts-entwicklung entsprechend systemisch integrativ und systematisch den Blick auf den Stand der erworbenen Kompetenzfelder der Klasse bzw Lerngruppe und der geloumls-tennicht geloumlsten Aufgaben zu richten Erst in einem dritten Schritt sollte das Augen-merk auf die Analyse des Foumlrderbedarfs einzelner Schuumllerinnen gelegt werden (Wies-ner et al 2018)

Schnittstelle zur SchulpraxisAus der schulischen Praxis ergeben sich drei groszlige Diskussionsfelder was den Ein-satz der IKM im Unterricht betrifft Das sind zum einen sehr pragmatische Aspek-te des Aufwands oder der erforderlichen technischen Ausstattung Weiters sind die Nutzungsmoumlglichkeiten der IKM mannigfaltig und kommen in dieser Vielfalt der in-

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 177

tendierten Nutzung manchmal naumlher und manchmal weniger nah Zum anderen er-gibt sich aus der Interpretation der Ergebnisse und Ableitungen daraus eine brisante Schnittstelle zur Praxis

Grundsaumltzlich wurde bei der Entwicklung der IKM versucht den Zeit- und Or-ganisationsaufwand aufseiten der Schulen und Lehrkraumlft e moumlglichst gering zu halten Allerdings ergibt sich auf der einen Seite durch die Anforderungen die mithilfe von oumlff entlichen Geldern erstellten Instrumente fuumlr den schulischen Gebrauch zu schuumlt-zen die Notwendigkeit der Einbeziehung der Schulleiterinnen in die Verwaltung der Nutzerinnen Zum anderen wurde bei der Laumlnge der einzelnen Pakete sehr auf den schulischen Ablauf geachtet und eine Schulstunde als absolutes Maximum fuumlr die Be-arbeitungsdauer eines Pakets (inkl Anleitung etc) festgelegt Daraus ergeben sich na-tuumlrlich Konsequenzen fuumlr die erreichbare Praumlzision der Messung (siehe unten) Der mit der Vorbereitung und Durchfuumlhrung von IKM verbundene Aufwand fuumlr Schu-len und Lehrerinnen ist in der Volksschule etwas houmlher als in der Sekundarstufe Da in der Volksschule gedruckte Testheft e zum Einsatz kommen ist eine Bestellung der Pakete vorweg erforderlich und die Schuumllerantworten bzw deren Bewertung muss von der Lehrerin oder dem Lehrer in die Plattform eingegeben werden damit in die-ser entsprechend systematisch aufb ereitete Ruumlckmeldungen generiert werden koumlnnen In der Sekundarstufe wo IKM als Onlineinstrument angeboten wird entfaumlllt Bestel-lung und Uumlbertragung der Schuumllerantworten allerdings stellen die Anforderungen an Computerausstattung und Internetanbindung sowie die Organisation und Vorberei-tung der Durchfuumlhrung im Computerraum fuumlr manche Schulen bzw Lehrkraumlft e eine gewisse Herausforderung dar

Zur Art der Nutzung der IKM zeigen Ergebnisse aus der Begleitforschung zum Einsatz der IKM (Kemethofer Gugerell Hafner Breit amp Pacher 2018 S 500 ff ) dass in vielen Faumlllen intendierte und tatsaumlchliche Nutzung groszlige Uumlberschneidung auf-weisen So wird als Motivation die IKM einzusetzen vorrangig die Feststellung des Lernstands der Klasse genannt (uumlber 80 ) Bei der Nutzung des Feedbacks messen Lehrerinnen v a der Selbstrefl exion uumlber das Gelingen von Lehr- und Lernprozes-sen der Einschaumltzung des Lernstands der Klasse und der Verwendung als Kompe-tenzdiagnostik zur Unterstuumltzung bei der Planung und Gestaltung des Unterrichts hohe Bedeutung bei Konsequenzen in Bezug auf den Unterricht berichten Lehrerin-nen vor allem in Bezug auf eine staumlrkere Konzentration auf die Kompetenzen die in den Bildungsstandards beschrieben sind sowie auf uumlbergreifende Kompetenzen Da-bei kommt einem selbstbestimmten Einsatz der IKM eine wichtige Rolle zu Insbe-sondere werden IKM-Ergebnisse deutlich haumlufi ger als Basis fuumlr Selbstrefl exionsprozes-se und die Einschaumltzung des Lernstands genutzt wenn IKM auf eigenen Wunsch der Lehrkraft eingesetzt wurde

Die IKM wird aber auch fuumlr Zwecke verwendet die nicht der unmittelbaren Inten-tion der Entwicklerinnen entspricht etwa als Orientierungshilfe fuumlr zukuumlnft ige Uumlber-pruumlfungen z B in Bezug auf Formate und Testerfahrung oder um die Leistungsbe-urteilung gerechter zu machen Die ebenso weniger intentionsnahen Verwendungen als Unterrichtsaufgaben oder Hausuumlbung werden in der Befragung nur selten genannt (Kemethofer et al 2018 S 501)

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Als drittes Diskussionsfeld ergibt sich das Spannungsverhaumlltnis zwischen dem was die IKM ndash auch unter den durch die Rahmenbedingungen von Schule und Unterricht bestimmten Bedingungen ndash leisten kann und dem was sich Lehrerinnen wuumlnschen aus den Ergebnissen ableiten zu koumlnnen So ergibt etwa die Anforderung an die IKM die Dauer einer typischen Unterrichtseinheit nicht zu uumlberschreiten eine entsprechen-de Restriktion in Bezug auf die moumlgliche Anzahl an Aufgaben eines Pakets Je besser die Ergebnisse aber diff erenziert werden koumlnnen ndash etwa nach Handlungs- und Inhalts-bereichen in Mathematik oder spezifi schen Strategien des Leseverstaumlndnisses ndash des-to besser nutzbar sind diese fuumlr die Weiterarbeit Insbesondere in Bezug auf den Lern-stand einzelner Schuumllerinnen ist die Praumlzision der Messung insgesamt und verstaumlrkt fuumlr Subbereiche des jeweiligen Tests aufgrund der eingeschraumlnkten Testzeit allerdings relativ gering Bei unrefl ektiertem Einsatz besteht demnach die Gefahr der Uumlberinter-pretation von Ergebnissen

Gleichzeitig sind die Testerstellerinnen bemuumlht die IKM moumlglichst gut nutzbar zu machen Nachdem eine Erhoumlhung der Messpraumlzision unter den derzeit akzeptierten Rahmenbedingungen nur sehr eingeschraumlnkt moumlglich ist wird versucht die Interpre-tation der Ergebnisse insbesondere durch fachdidaktische Hinweise und Anregungen und eine Fokussierung auf die Aufgaben zu unterstuumltzen

32 USB PluS Sprachstandsfeststellung in der Volksschule

Grundkonzeption und ZweckUSB PluS (Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung Profi lanalysen und Sprachfoumlrderung) ist ein systematisches Verfahren zur Feststellung der muumlndlichen Sprachkompetenz von Schuumllerinnen und Schuumllern der Grundstufe 1 Ergebnis ist je-weils ein (computergestuumltzt erstelltes) Kompetenzprofi l hinsichtlich pragmatischer morphosyntaktischer und lexikalischer Indikatoren das sowohl fuumlr jedes Kind sowie fuumlr die KlasseGruppe generiert wird Das Sprachstandsfeststellungsinstrument wird ergaumlnzt durch konkrete Anregungen und Materialien zur Sprachbildung und -foumlrde-rung die auf die Sprachprofi le Bezug nehmen

USB PluS ist als Profi lanalyse konzipiert und wurde fuumlr den Einsatz in der Mitte des ersten Schuljahrs und gegen Ende des zweiten Schuljahrs entwickelt USB PluS ist universell einsetzbar sowohl fuumlr ein- als auch fuumlr mehrsprachige Kinder die als or-dentliche1 Schuumllerinnen gefuumlhrt werden

Die gesprochene Sprache des Kindes wird mithilfe einer Fingerpuppe in Form eines Dachses und von eigens entwickelten Bilderbuumlchern die Th emen aus der Erleb-niswelt von Kindern umfassen elizitiert und auf Tonband aufgezeichnet Die Auswer-tung erfolgt auf der Basis einer Transkription Dazu fuumlhrt das USB-PluS-Tool Schritt fuumlr Schritt durch die Analyse der erhobenen sprachlichen Aumluszligerungen und generiert Kompetenzprofi le fuumlr einzelne Schuumllerinnen Unterrichtsgruppen oder Klassen Da-

1 Das Instrument ist nicht fuumlr Kinder mit Deutsch als Zweitsprache die wie es im Gesetz heiszligt aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse dem Unterricht nicht folgen koumlnnen (sect 4 Abs 2 und 3 SchUG) und damit als auszligerordentliche Schuumllerinnen gefuumlhrt werden konzipiert

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 179

ruumlber hinaus kann ein Verlaufsprofi l erstellt werden das Aufschluss uumlber die Entwick-lung der muumlndlichen Sprachkompetenz zwischen den beiden Erhebungen gibt Das Instrument ist ausdruumlcklich als foumlrderdiagnostisches Instrument konzipiert Die Kom-petenzprofi le bilden gleichzeitig die Schnittstelle zu Empfehlungen und Materialien zur Sprachbildung und -foumlrderung die auf Basis der Ergebnisse bereitgestellt werden (Grammel amp Freunberger 2017)

Intendierte NutzungUSB PluS ist als foumlrderdiagnostisches Instrument entwickelt worden und wurde im August 2017 allen Volksschulen als Materialkoff er zur Verfuumlgung gestellt Es ist fuumlr die Anwendung durch die jeweiligen Klassenlehrerinnen mit Schuumllerinnen und Schuumllern der Vorschulstufe sowie der ersten und zweiten Schulstufe konzipiert und soll einen Einblick in die muumlndliche Deutschkompetenz aller Schuumllerinnen einer Klasse unab-haumlngig von deren sprachlichem Hintergrund ermoumlglichen Der Anwendungszeitraum in den ersten beiden Schulbesuchsjahren richtet den Fokus auf den Erwerb der Bil-dungssprache Diagnostik von Sprachentwicklungsstoumlrungen ist mit USB PluS grund-saumltzlich nicht intendiert (Grammel amp Freunberger 2017 Zauner 2016)

Die Validierung zeigt dass USB PluS sowohl lexikalische als auch strukturel-le Veraumlnderungen im Sprachgebrauch von Kindern der Grundstufe I abbilden kann da sich die Schuumllerinnen der untersuchten Schulstufen in allen Bereichen hinsicht-lich ihrer Kompetenzen unterscheiden (Freunberger amp Breit 2018) Zur Interpreta-tion der Ergebnisse aus USB PluS stehen den Nutzerinnen und Nutzern Referenzpro-fi le zur Verfuumlgung die auf Basis von Pilotierungsergebnissen ermittelt wurden und eine Einteilung in jeweils fuumlnf Entwicklungsbereiche je Indikator auf Basis der Popu-lationsverteilung vornehmen (Freunberger 2018) Mit den Kompetenzprofi len werden Foumlrderanregungen und Materialempfehlungen verbunden

Schnittstelle zur SchulpraxisVon der wissenschaft lichen Entwicklungsgruppe wird sowohl das Erhebungsmate-rial ein kindgerechtes praxistaugliches Erhebungssetting als auch ein Tool zur com-putergestuumltzten Schritt-fuumlr-Schritt-Auswertung der sprachlichen Aumluszligerungen des Kin-des bereitgestellt Daruumlber hinaus werden auch die Interpretation der Ergebnisse und konkrete Schlussfolgerungen in Bezug auf naumlchste Foumlrderschritte in den Blick genom-men und Anregungen fuumlr Foumlrderung sowie Empfehlungen fuumlr Materialien aufb auend auf dem jeweiligen Kompetenzprofi l bereitgestellt Bei USB PluS ist deutlich das Be-streben der Entwicklerinnen zu spuumlren Lehrkraumlft e moumlglichst gut in ihrer Arbeit zu unterstuumltzen Neben der linguistischen Fundierung des Instruments spielte die Pra-xistauglichkeit bei der Entwicklung eine groszlige Rolle Mit der Entwicklung von Foumlr-derempfehlungen die in direktem Bezug zu den Kompetenzprofi len als Ergebnis des diagnostischen Instruments stehen geht das Projekt weiter als viele andere aumlhnlich ge-lagerte Arbeiten (vgl auch Zauner 2016)

Trotzdem ergab sich eine Notwendigkeit fuumlr Schulungsangebote (Grammel amp Freunberger 2017) Vom AutorinnenteamAutorenteam wurden MultiplikatorinnenMultiplikatoren an den Paumldagogischen Hochschulen ausgebildet die wiederum Schu-

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lungen fuumlr Lehrerinnen anbieten Diese werden vorbereitend durch einen Onlinekurs zu linguistischen Grundlagen und den drei Teilen des Instrumenteneinsatzes ndash Vor-bereitung und Durchfuumlhrung Transkription und Auswertung Informationen zu den Profi len ndash unterstuumltzt (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwick-lung des oumlsterreichischen Schulwesens 2017) Eine besondere Herausforderung liegt bei USB PluS im Anspruch ein Instrument fuumlr Volksschullehrerinnen und nicht fuumlr speziell geschulte Sprachfoumlrderlehrpersonen anzubieten Um die erforderlichen lin-guistischen Grundlagen auch eigenverantwortlich auff rischen zu koumlnnen wurde der USB-PluS-Vorkurs (Freunberger 2017) zur Verfuumlgung gestellt

Dennoch bleiben groumlszligere Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit ndash in Bezug auf linguistische und foumlrderdiagnostische Kompetenz der Lehrkraumlft e ndash be-stehen Auszligerdem stellen organisatorisch-zeitliche Komponenten viele Klassenlehre-rinnen vor eine Herausforderung Die Erhebung dauert pro Kind zwar nur etwa 10 Minuten waumlhrend der Durchfuumlhrung bedarf es allerdings einer zweiten Lehrperson die die Klasse fuumlhrt und beaufsichtigt Auch die computergestuumltzte Auswertung die aufgrund der Teilautomatisierung entlasten sollte beansprucht je nach Routine bis zu 30 Minuten sodass Aufwand und Nutzen ndash vor allem bei einem etwaigen verpfl ich-tenden fl aumlchendeckenden Einsatz ndash kritisch beleuchtet werden

33 USB DaZ Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache

Grundkonzeption und ZweckIm Auft rag des Bildungsministeriums wurde von der Universitaumlt Wien das Instru-ment Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung ndash Deutsch als Zweitsprache (kurz USB DaZ) entwickelt und 2014 veroumlff entlicht Es handelt sich dabei um ein Diagnose-instrument zur Feststellung sprachlicher Faumlhigkeiten von Schuumllerinnen und Schuumllern mit Deutsch als Zweitsprache mit dem die Aneignung des Deutschen als Zweitspra-che von Kindern uumlber mehrere Jahre hinweg individualdiagnostisch begleitet wer-den kann Der Einsatz von USB DaZ ist sowohl fuumlr den Regelunterricht als auch fuumlr DaZ-Foumlrdermaszlignahmen vorgesehen (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innova-tion amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens 2018b Bundesministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft und Forschung 2018)

USB DaZ ist als in den Unterricht zu integrierendes Beobachtungsverfahren ange-legt Im Zentrum steht damit die Beobachtung des freien Sprechens und Schreibens Der Beobachtung und Dokumentation liegen ein Beobachtungsbogen (Froumlhlich Doumlll amp Dirim 2014a) in Bezug auf verschiedene Dimensionen und ein zugehoumlriger Ergeb-nisdokumentationsbogen (Froumlhlich Doumlll amp Dirim 2014b) zugrunde

USB DaZ steht seit 2014 Lehrerinnen und Lehrern in Oumlsterreich zur struktu-rierten Beobachtung der Sprachaneignung von Zweitsprachlernerinnen und Zweit-sprachlernern zur Verfuumlgung 2016 wurde der Einsatz von standardisierten foumlrderdia-gnostischen Verfahren im Rahmen der Sprachfoumlrderkurse bzw Sprachstartgruppen

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gesetzlich verbindlich und der Einsatz von USB DaZ dafuumlr vom Bildungsministerium empfohlen (Fast-Hertlein 2018a)

Intendierte NutzungDer Einsatz von USB DaZ wurde im Rahmen der urspruumlnglichen Entwicklung er-probt (Doumlll amp Heller 2014) und es hat sich gezeigt dass es sich um ein valides und konsistentes Diagnoseinstrument handelt (Doumlll Froumlhlich amp Dirim 2014) USB DaZ ist fuumlr den Einsatz in der 1 bis 7 Schulstufe empfohlen Der Einsatz des Instruments soll der systematischen Beobachtung der Aneignung der deutschen Sprache von Kin-dern in der Primarstufe ndash und daruumlber hinaus ndash dienen um in Kooperation zwischen Klassenlehrerin und Sprachfoumlrderlehrerin Foumlrdermaszlignahmen ableiten zu koumlnnen Es kann als seit 2016 verbindlich einzusetzendes Diagnoseinstrument im Rahmen der Deutschfoumlrderung auszligerordentlicher Schuumllerinnen verwendet werden (wofuumlr es durch das BMBWF auch empfohlen wurde Fast-Hertlein 2018a)

Obwohl Sprachkompetenzdiagnose durch Beobachtung also verlaumlsslich moumlglich ist bringen Umgang mit linguistischer Terminologie und der korrekten Analyse sprachli-cher Strukturen spezifi sche Herausforderungen fuumlr die Anwenderinnen welchen nur durch fundierte Ausbildung und regelmaumlszligige Weiterbildung begegnet werden kann (Doumlll Froumlhlich amp Dirim 2014) Fuumlr solche Lehrzwecke wuumlrde es auch authentisches Audio- und Videomaterial benoumltigen um Sprechperformanzen von L2-Lernenden mit ihren Spezifi ka analysieren zu koumlnnen Schnittstelle zur SchulpraxisBereits in den ersten Praxiserprobungsphasen wurde durch die Autorinnen des Inst-ruments ein hoher Fortbildungsbedarf bei den angesprochenen Lehrpersonen festge-stellt insbesondere in Bezug auf die zugrundliegenden linguistischen Grundbegriff e (Doumlll amp Heller 2014 S 26) Die Verbreitung von USB DaZ war sehr unterschiedlich und stark abhaumlngig von entsprechenden dazugehoumlrigen umfangreichen Schulungsan-geboten (und deren Nutzung) Die Verwendung des Instruments wurde von vielen Lehrkraumlft en als groszlige Herausforderung wahrgenommen und die Schwelle zur gut in-tegrierbaren Nutzung teils als zu hoch bewertet Auf Basis dieser ndash mehr oder we-niger systematischen ndash Beobachtungen wurde das BIFIE durch das Bildungsministe-rium Ende 2016 mit der Erstellung von Begleitmaterialien zu USB DaZ beauft ragt Ziel dieses Auft rags war es die praktische Handhabung des Instruments zu erleichtern und auf Basis der entstehenden Diagnose des jeweiligen Sprachstands konkrete Foumlr-derempfehlungen anzubieten

Eine umfangreiche Analyse von Gelingensbedingungen und Hemmnissen bei der Nutzung von USB Daz identifi zierte insbesondere das gleichzeitige Unterrichten und Beobachten als groszlige Herausforderung aber auch entsprechende Sprechanlaumlsse zu schaff en das Beobachtungsinstrumentarium in das Unterrichtsgeschehen zu integ-rieren Orientierung im komplexen Instrument zu fi nden und sich in den linguisti-schen Fachbegriff en zurechtzufi nden Um Lehrerinnen bei diesen Herausforderungen zu unterstuumltzen wurde ein Leitfaden zur Nutzung von USB DaZ erstellt (Fast-Hert-lein 2018a) der neben Anregungen zum Einstieg in die Anwendung des Beobach-

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tungsverfahrens Hilfestellungen zur Integration in die unterrichtliche Praxis bietet einfache Anleitungen fuumlr die einzelnen sprachlichen Phaumlnomene Beispiele und ihre Umsetzung im Dokumentationsbogen Hilfestellungen zur Ergebnisinterpretation und Foumlrderung sowie eine umfangreiche Literatursammlung fuumlr Foumlrder- bzw Unterrichts-material umfasst Handzettel sollen einen schnellen Uumlberblick bieten sowie die Do-kumentation erster Beobachtungen unterstuumltzen unterschiedliche Formen des Doku-mentationsbogens erleichtern die Handhabung fuumlr jeweils unterschiedliche Anlaumlsse (z B fokussierte Beobachtung eines sprachlichen Phaumlnomens) und ein DaZ-Foumlrder-plan steht als Beispiel zur Verfuumlgung (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innova-tion amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens 2018b)

Daruumlber hinaus wurden konkrete Foumlrderempfehlungen entwickelt die direkt auf die sprachlichen Phaumlnomene und Aneignungsstufen die mit USB DaZ erfasst werden Bezug nehmen (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens 2018b) Ein Handbuch erklaumlrt die Foumlrderanregungen und unterstuumltzt die Umsetzung der Foumlrderempfehlungen im Kontext von Ergebnissen aus USB DaZ im Unterricht mit praktischen Tipps und Informationen zur Sprachfoumlr-derung (Fast-Hertlein 2018b)

Uumlber die Entwicklung eines systematischen Beobachtungsinstruments durch die Wissenschaft und Zurverfuumlgungstellung des Instruments durch die Bildungsadmi-nistration hinaus schien es in Bezug auf USB DaZ noumltig weitere Hilfestellungen zur Uumlberwindung der Kluft zwischen wissenschaft lichem Instrument und paumldagogischer Praxis zu erarbeiten Dies geschah aus wissenschaft licher Perspektive allerdings be-sonders stark verzahnt mit der paumldagogischen Praxis und damit der Perspektive der Anwenderinnen

4 Diagnoseinstrumente von der Wissenschaft fuumlr die paumldagogische Praxis ein Balanceakt in vielerlei Hinsicht

Wissenschaft liche (Praumlzisions-)Anspruumlche vs notwendige Pragmatik in der praktischen AnwendungInstrumente der paumldagogischen Diagnostik sind haumlufi g Produkte der Wissenschaft Vertreterinnen der Wissenschaft sdisziplinen beziehen waumlhrend der Entwicklung zwar vielfach Praktikerinnen ein um eine moumlglichst hohe Passung zwischen Beduumlrfnissen der Praxis und dem Produkt zu erreichen aber dennoch folgen die Instrumente einer wissenschaft lichen Logik Der Anspruch der inhaltlichen wie methodischen Exaktheit konkurriert letzten Endes mit der praktischen Umsetzung Die Implementierung er-folgt stets durch die Praxis mit den ihr eigenen Gesetzmaumlszligigkeiten So unterziehen sich Instrumente der Wissenschaft im Prozess der Nutzung einem Transformations-prozess und die Instrumente werden nicht oder anders genutzt als intendiert

Bei den oben skizzierten Beispielen USB PluS und USB DaZ sind es beispielsweise fachlich-inhaltliche Huumlrden in Form des linguistischen Vokabulars die es zu uumlberwin-den gilt Instrumente muumlssen stets an das Denken und Handeln der Lehrpersonen an-knuumlpfen und dazu braucht es Refl exivitaumlt auf beiden Seiten Wissenschaft liche Praumlzi-

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sionsanspruumlche koumlnnen auch organisatorisch-administrativen Huumlrden entgegenstehen Beispielsweise muss beruumlcksichtigt werden wie viel Zeit Durchfuumlhrung und Auswer-tung in Anspruch nehmen und ob sich die Erhebung im Rahmen des schulorganisa-torisch vorgefertigten Korsetts umsetzen laumlsst (vgl die Probleme bei USB PluS oder die Beschraumlnkung der Testzeit bei IKM) Ein Beispiel dafuumlr wissenschaft lich bewaumlhrte Verfahren unter Mitwirkung von Praktikerinnen und Praktikern im Hinblick auf den Bedarf und die Nutzungsbedingungen zu verbessern wie dies Kammermeyer amp King (2018) vorschlagen stellt die Entwicklung der Begleitmaterialien zu USB DaZ dar

Gretchenfrage der Instrumentenentwicklung Objektiv Reliabel ValideEine Sonderform des Spannungsfelds zwischen wissenschaft lichem Anspruch und notwendiger Pragmatik in der Anwendung betrifft die Guumltekriterien Sie etablieren sich bei der Entwicklung von Instrumenten fuumlr die paumldagogische Diagnostik als Gret-chenfrage Waumlhrend Praktikerinnen vorwiegend die Machbarkeit in den Mittelpunkt des Interesses ruumlcken stehen fuumlr Wissenschaft erinnen die Guumltekriterien an oberster Stelle Es geht um die Fragen ob das Instrument unabhaumlngig vom Anwenderder An-wenderin ist wie groszlig der Messfehler und wie genau damit das Ergebnis ist und ob das Instrumentarium uumlberhaupt das misst was es zu messen vorgibt Kammermeyer und King (2018) schlagen beispielweise vor in der Praxis akzeptierte Verfahren hin-sichtlich der Erfuumlllung der Guumltekriterien weiterzuentwickeln Uumlber die Frage welcher Messfehler toleriert werden kann und was als schlicht inakzeptabel gelten muss sollten Wissenschaft lerinnen und Praktikerinnen gemeinschaft lich beraten

Insgesamt braucht es wechselseitig ein Bewusstsein fuumlr die Rahmenbedingungen und Anforderungen der Wissenschaft und der Praxis So muumlssen Lehrerinnen im Sinne des Guumltekriteriums Objektivitaumlt dafuumlr sensibilisiert werden dass standardisier-te Instruktionen und Prozesse Teil der Durchfuumlhrung sind ohne die eine gewinnbrin-gende Interpretation nicht moumlglich ist auf der anderen Seite braucht es entsprechen-des Bewusstsein der Wissenschaft erinnen fuumlr die Notwendigkeit die Verwendung solcher Instrumente in den Unterricht integrieren zu koumlnnen In Bezug auf die Re-liabilitaumlt ist es erforderlich dass Forscherinnen den Anspruch auf praumlzises Messen an die praktischen Gegebenheiten anpassen Insbesondere bei Messungen auf Indi-vidualebene stellen sich hier groszlige Herausforderungen Hochrechnungen auf Ba-sis der Daten der oumlsterreichischen Standarduumlberpruumlfungen zeigen zum Beispiel dass uumlber 800 Minuten Testzeit erforderlich waumlren um auf Individualebene eine Messge-nauigkeit von ca plusminus 17 Punkten erreichen zu koumlnnen2 (das entspricht bei einer Populationsstandardabweichung von 100 Punkten etwa einem halben Lernjahr Schreiner amp Wiesner 2018) Im Kontext der IKM (aber natuumlrlich auch im Rahmen der Standarduumlberpruumlfungen) ist eine Belastung der Schuumllerinnen aber auch eine Ver-wendung von Unterrichtszeit in diesem Ausmaszlig weder denkbar noch zielfuumlhrend Da-raus entsteht ein technisch unloumlsbares Dilemma Es wird jedoch jedenfalls klar dass

2 Beim Einsatz von 700 Items des Typs wie er derzeit in der Standarduumlberpruumlfung M4 verwen-det wird ergibt sich fuumlr einen einzelnen Schuumllereine einzelne Schuumllerin ein Konfi denzinter-vall von +- 166 Punkten bei 90iger Sicherheit (Quelle internes Arbeitsdokument des Teams Methoden amp Statistik im Arbeitsbereich Bildungsstandards ndash Uumlberpruumlfung und Qualitaumltsent-wicklung des BIFIE 2018)

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so ein Praumlzisionsanspruch nicht mit praktischen Rahmenbedingungen vereinbar ist Gleichzeitig ist es allerdings unerlaumlsslich Lehrerinnen uumlberhaupt fuumlr das Problem der Messgenauigkeit zu sensibilisieren damit diese ihre Interpretationskompetenz weiter-entwickeln koumlnnen Der professionellen Verwendung der Werkzeuge durch die Leh-rerinnen sowie der Anerkennung und Wertschaumltzung dieser Professionalitaumlt durch die Wissenschaft lerinnen kommt eine groszlige Bedeutung zu Anforderungen an die Validitaumlt sind gemeinsam im Kontext der intendierten Anwendung eines Instruments abzustimmen und aufseiten der Praktikerinnen braucht es eine Bereitschaft zur Mit-wirkung an der Validierung von Instrumenten Das Austarieren zwischen dem Nut-zen (z B den Interpretationsmoumlglichkeiten aufgrund der Guumltekriterien) und den Kos-ten (z B dem Aufwand zur Integration in den Unterricht und fuumlr die Durchfuumlhrung) ist im Grunde als laufende Optimierungsaufgabe zu sehen die nur im Dialog zu be-waumlltigen ist

Zentral entwickelte Instrumente fuumlr lokale BedarfeDer Vorteil von zentral entwickelten Instrumenten besteht darin dass der Entwick-lungsaufwand zentral geballt anfaumlllt und dort das notwendige Know-how und die er-forderliche Infrastruktur fuumlr die Instrumentenkonstruktion vorhanden sind Dies er-scheint insofern effi zient da nicht jeder Lehrerjede Lehrerin alles neu erfi nden muss

Gleichzeitig stellt sich aber die Frage ob dieses Vorgehen nicht eine mechanis-tisch-vereinfachende Sicht auf Lehren und Lernen mit sich bringt Denn kann man sich an vielen Orten und in verschiedenen Kontexten stellende Probleme einmal zent-ral loumlsen Es muss jedenfalls gewaumlhrleistet sein dass die Individualitaumlt der Lehrenden Lernenden des Lernens und die damit entstehenden Herausforderungen und Proble-me beruumlcksichtigt werden

Fuumlr die Entwicklerinnen der IKM sowie fuumlr die Anwenderinnen bedeutet dies beispielsweise eine Einschraumlnkung indem eine Uumlbersetzungsleistung zwischen Er-gebnis und unterrichtlichem Handeln stattfi nden muss Auf standortspezifi sche Ge-gebenheiten kann insofern immer nur bei der Entscheidung uumlber den Einsatz der Ins-trumente und der Interpretation der Ergebnisse Bedacht genommen werden Hier kommt den Anwenderinnen und Anwendern und ihren Refl exionskompetenzen eine groszlige Verantwortung zu

Unterstuumltzung versus BevormundungPersonen und Institutionen die Instrumente zur paumldagogischen Diagnostik bereit-stellen sehen sich auf der Seite der Praktikerinnen Sie wollen durch hilfreiche Ins-trumente die schulische Praxis das Handeln der Lehrpersonen und das Lernen der Schuumllerinnen unterstuumltzen Die Aufgabe der Bildungsforschung ist daher zunaumlchst entsprechende Grundlagen bereitzustellen um Instrumente nach fachwissenschaft li-chen und methodischen Kriterien entwickeln zu koumlnnen Grundlagenforschung dient der angewandten Bildungsforschung als Naumlhrboden Die Anwenderinnen der Instru-mente sollten sich entlastet fuumlhlen und einen Nutzen aus der Nutzung ziehen

Aus der Perspektive moumlglichst groszliger Unterstuumltzung der unterrichtlichen Praxis werden Instrumente besonders zielsicher einfach handhabbar mit genauen Anleitun-

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 185

gen zur Interpretation der Ergebnisse und Hilfestellungen in der Umsetzung der Er-gebnisse in Foumlrdermaszlignahmen entwickelt So wurde zum Beispiel bei der Entwick-lung von USB PluS groszliges Augenmerk auf einen moumlglichst umfangreichen Service fuumlr die Anwenderinnen gelegt Dennoch nimmt das Instrument oder etwa die Bereitstel-lung der Uumlbungskartei mit Anregungen zur Sprachfoumlrderung Lehrende und Lernende nicht aus ihrer Verantwortung fuumlr den Lernprozess Gefragt ist groszlige Professionalitaumlt mit der Instrumente und Materialien in das Lehr-Lern-Geschehen integriert werden Insgesamt ist aber festzuhalten dass mit steigendem Service-Charakter der Instru-mente auch das Risiko einer Entmuumlndigung der Lehrerinnen und der Unterminie-rung ihrer paumldagogischen Expertise und Professionalitaumlt steigt ndash oder anders betrach-tet der Anspruch an die Refl exionskompetenz der Lehrerinnen bei der Nutzung der Instrumente Lehrerinnen muumlssen daher kundige und kritische Nutzerinnen dieser Werkzeuge sein und trotz der Bereitstellung von Instrumenten durch die Wissenschaft die Verantwortung fuumlr die Lehr- und Lernprozesse tragen Wer Lernen als Entwick-lungsprozess betrachtet ist sich der Tatsache bewusst dass diesen Prozess das Sub-jekt selbst vollbringen muss und dieser nicht von auszligen gemacht werden kann Das gilt fuumlr das Lernen der Lernenden genauso wie fuumlr die professionelle Weiterentwick-lung der Lehrenden Deshalb besteht eine groszlige Herausforderung ndash insbesondere bei der Nutzung von Instrumenten der paumldagogischen Diagnostik ndash darin die Lernenden selbst mit ins Boot zu holen und den Aspekt der Selbstbestimmung und Selbstverant-wortung im Lernprozess ernst zu nehmen Denn bdquoMethoden und (kognitive kulturel-le mediale) Werkzeuge sind immer nur so gut wie die Intelligenz ihrer Handhabung durch Lehrende und Lernendeldquo (Reusser 2006 S 164)

5 Zusammenfassung und Ausblick

Der vorliegende Beitrag diskutiert die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und paumlda-gogischer Praxis die bei der Anwendung von wissenschaft lich entwickelten Verfahren der paumldagogischen Diagnostik durch Lehrerinnen und Lehrer entsteht Anhand eini-ger konkreter Beispiele zeigt sich dass sich in diesem Feld Moumlglichkeiten fuumlr die For-schung ergeben die paumldagogische Praxis zu unterstuumltzen und dass die zentrale Ent-wicklung von Verfahren sowohl in Bezug auf den Ressourceneinsatz effi zient als auch im Hinblick auf das notwendige oft sehr spezifi sche Know-how qualitaumltssichernd ist Zentral fuumlr eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und paumldagogi-scher Praxis erweist sich ein wechselseitiges Bewusstsein fuumlr die Anspruumlche und Be-duumlrfnisse der jeweils anderen Akteursgruppe um die entstehenden Spannungsfelder bearbeiten zu koumlnnen Es gilt die Gratwanderung zwischen wissenschaft lichen Guuml-tekriterien und pragmatischen Notwendigkeiten Unterstuumltzung und Bevormundung der Lehrerinnen durch die Wissenschaft und zentral gebuumlndeltem Ressourcen- und Know-how-Einsatz auf der einen Seite und je individuellen lokalen Problemstellun-gen auf der anderen Seite im staumlndigen Dialog gemeinsam zu meistern

Claudia Schreiner und Simone Breit 186

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Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher

Daten nutzen ndash Schulen entwickelnSANDBIST als interaktives Format der Datenruumlckmeldung

Die externe Uumlberpruumlfung fachlicher Kompetenzen hat fuumlr Qualitaumltsentwicklungs- und Qualitaumltssicherungsprozesse in einem Schulsystem zentrale Bedeutung Bei den Stan-darduumlberpruumlfungen an allgemeinbildenden Pfl ichtschulen in Oumlsterreich (am Ende der Volksschule bzw der Sekundarstufe 1) und allgemeinbildenden houmlheren Schulen (am Ende der Sekundarstufe 1) liegt der Schwerpunkt darauf Schulleitungen sowie Leh-rerinnen und Lehrern konkrete Ruumlckmeldung uumlber die von ihren Schuumllerinnen und Schuumllern erzielten Ergebnisse (Schule Klasse) zu geben Die Ergebnisruumlckmeldungen bilden in Oumlsterreich eine Grundlage fuumlr die standortbezogene Schul- und Unterrichts-entwicklung (Kemethofer Wiesner George Schreiner amp Breit 2018) Dabei kommt einer professionellen kooperativen Refl exionsarbeit am Schulstandort eine Schluumlssel-funktion zu (Wiesner Schreiner Breit Kemethofer George amp Angerer 2016) Zudem werden die aggregierten Schulergebnisse der zustaumlndigen Schulaufsicht zur Verfuumlgung gestellt der als Aufsichtsorgan zentrale Bedeutung im Qualitaumltsentwicklungsprozess zukommt

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Rolle der Schulaufsicht im Prozess der Datennutzung fuumlr Schulentwicklungszwecke in ihrer Mittlerrolle zwischen Bildungs-administration und den Akteuren an den Schulstandorten Einen besonderen Impuls fuumlr die aktive Auseinandersetzung mit den Daten liefert die innovative Datenbereitstel-lung in Form eines interaktiven Tools (SANDBIST) das in Folge naumlher beleuchtet wird

1 Schul- und Unterrichtsentwicklung durch externe Daten ndash Wie Standarduumlberpruumlfungen in Oumlsterreichs Schulen Qualitaumltsentwicklung anstoszligen (sollen)

Schulentwicklung im Sinne Fullans (2000 S 9) beschreibt bdquoVeraumlnderungen und Lern-prozesse an Schulen die durch kollektive Kapazitaumlten an einer Schule bewirkt wer-denldquo Dubs (2000 S 61 f) betont dabei das zielorientierte und langfristige Vorgehen der Schulleitung und Lehrerschaft zur Steigerung der Wirksamkeit der Schule Sys-tematische und systemische Schulentwicklung erfordert Entwicklungs- und Transfor-mationsprozesse und ein diff erenziertes Verstaumlndnis der Anforderungen und Hand-lungsfelder (Schratz Wiesner Kemethofer George Rauscher Krenn amp Huber 2016)

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 190

Langfristig angelegte und immer wiederkehrend bereitgestellte Daten und Informatio-nen aus den nationalen fl aumlchendeckenden Standarduumlberpruumlfungen bieten die Moumlg-lichkeit auch anhand von externen Daten die Prozesse am Schulstandort zu analysie-ren und zu hinterfragen womit Entwicklungen angestoszligen werden koumlnnen Altrichter Moosbrugger und Zuber (2016 S 235) betonen dass bdquodurch die Erhebung besserer Informationen uumlber die Ergebnisse [hellip] der schulischen Taumltigkeit und durch sbquoDaten-ruumlckmeldunglsquo an relevante Akteure eine zielgerichtete und effi ziente Entwicklung in Richtung erhoumlhter Qualitaumlt erreicht werden kannldquo

Evidenzbasierte Ruumlckmeldungen vermitteln einen objektivierten Blick von auszligen auf die fachlichen Kompetenzen der Schuumllerinnen und Schuumller z B auch im fairen Vergleich zu anderen Schulen mit aumlhnlichen Strukturen und Bedingungen In Verbin-dung mit Kompetenzorientierung konstituieren die Bildungsstandards und deren re-gelmaumlszligige Uumlberpruumlfung den Ausgangspunkt eines Qualitaumltszyklus Dabei koumlnnen die Ruumlckmeldungen aus den Bildungsstandarduumlberpruumlfungen an den Schulstandorten als Basis fuumlr Entscheidungen sowie zur Steuerung von Maszlignahmen und Prozessen ge-nutzt werden Daruumlber hinaus entsteht eine umfassende Datenbasis uumlber das oumlsterrei-chische Schulsystem die fuumlr Systemverantwortliche eine Grundlage zur Beurteilung von Entwicklungen und Reformen darstellt Das Ziel der evidenzorientierten Quali-taumltssicherung betrifft somit alle Ebenen des Schulsystems

Helmke (2004) hat ein grundlegendes Rahmenmodell vorgeschlagen das einen idealtypischen Prozess fuumlr den Umgang mit Ruumlckmeldungen zum Lernstand der Schuumllerinnen einer Klasse (oder Schule) veranschaulicht und dafuumlr maszliggebliche Ge-lingensbedingungen Wirkfaktoren und Unterstuumltzungsstrukturen aufzeigt Fuumlr Oumlster-reich liegt seit einiger Zeit eine Weiterentwicklung davon vor (siehe Abbildung 1) In diesem weiterentwickelten Rahmenmodell wird die Kompetenzorientierung als Leit-idee sichtbar die mit der Einfuumlhrung von Bildungsstandards als verbindliche Lern-ziele und der Uumlberpruumlfung dieser einhergeht Im Mittelpunkt steht dabei die einzelne Schule als systemische Einheit Die Kompetenzorientierung und die Bildungsstan-dards erfordern einen Muster- und Perspektivenwechsel weil sie die Aufmerksam-keit des Unterrichts nicht vorrangig auf den durchzunehmenden Stoff sondern auf die Kompetenzen der Schuumllerinnen richten Im Vordergrund stehen Handlungskom-petenzen der Lernenden zur Bewaumlltigung von Problemen in variablen Situationen und die damit verbundenen motivationalen und sozialen Faumlhigkeiten und Bereitschaft en um die Kompetenzen verantwortungsvoll und erfolgreich zu nutzen (Weinert 2001) Einen zweiten Perspektivenwechsel stoumlszligt die Einfuumlhrung von Bildungsstandards und verbindlichen fl aumlchendeckenden Standarduumlberpruumlfungen an indem Qualitaumltsentwick-lung am Standort als verbindlicher Prozess und (auch) auf der Basis der Evidenzen aus diesen Uumlberpruumlfungen etabliert wird Die Ruumlckmeldung von Lernergebnissen und Kontextdaten aus den Bildungsstandarduumlberpruumlfungen durchlaufen die Phasen der Rezeption Refl exion Aktion (Handlungen) und schulinternen Evaluation Die profes-sionelle Refl exion hat sich empirisch als die entscheidende Phase im gesamten Quali-taumltsentwicklungs- und Qualitaumltssicherungsprozess herauskristallisiert (Wiesner et al 2016) Es geht darum die Ruumlckmeldeinformationen durch eine gemeinsame Diskus-sion verschiedener Erklaumlrungsansaumltze und Perspektiven im Fachkollegium zu verdich-

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 191

ten Handlungsfelder zu identifi zieren und Gestaltungsspielraumlume zu eroumlff nen Dar-an schlieszligt die systematische Umsetzung dieser Maszlignahmen bzw die Veraumlnderung von Ablaumlufen oder Methoden an Die Evaluation der gesetzten Handlungen und Ent-wicklungen bildet den Abschluss eines Bearbeitungszyklus und gleichzeitig den An-stoszlig fuumlr einen neuen Qualitaumltskreislauf Insbesondere die Ergebnisse aus einer naumlchs-ten Standarduumlberpruumlfung weisen diese Doppelfunktion auf ndash Basis der Evaluation von Maszlignahmen die durch die vergangene Standarduumlberpruumlfung angestoszligen wurden und Grundlage einer erneuten zukunft sgerichteten Ergebnisrezeption und -refl exion (Wiesner Schreiner Breit amp Kemethofer 2017b)

Dabei sind sowohl die fachlichen Kompetenzen wie auch die Kontextdaten (Schul-klima Klassenklima Selbstkonzept usw) fuumlr eine evidenzbasierte Schulentwicklung sowie fuumlr einen standortbezogenen Qualitaumltssicherungs- und -entwicklungsprozess von maszliggeblicher Bedeutung um Kompetenzorientierung an den Schulstandorten nachhaltig zu etablieren

Die wichtigsten Akteure in diesem Prozess sind die handelnden Personen am Schulstandort in Form von Lehrpersonen und Schulleitung aber auch die Personen aus der Schulaufsicht In ihrem Zusammenspiel entstehen Atmosphaumlren des Vertrau-ens der Kooperation und Entwicklung oder eben des Misstrauens und der Kontrolle Insbesondere in Bezug auf die Einbettung der Ruumlckmelde- und Qualitaumltsentwicklungs-prozesse in einen verbindlichen Rahmen spielt die Schulaufsicht eine entscheidende Rolle ndash sie ist der Angelpunkt zwischen den Schulstandorten und den daruumlber liegen-den Ebenen der Regionen In ihren Abstimmungsprozessen mit den Ebenen des Bun-deslands sowie in letzter Konsequenz mit der Zentralstelle bildet sie die Bruumlcke zwi-schen Einzelschule und Schulverwaltung Schlieszliglich schafft die Lehreraus- -fort- und -weiterbildung wesentliche Voraussetzungen fuumlr das Gelingen einer evidenzorientier-ten Schul- und Unterrichtsentwicklung indem die dafuumlr notwendigen Kompetenzen angebahnt und ausgebaut werden Die wissenschaft lichen Erkenntnisse und Entwick-lungen bilden einen groumlszligeren Kontext in dem Schul- und Unterrichtsentwicklung vonstattengeht

Das integrative Rahmenmodell fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichts-entwicklung (Wiesner Schreiner amp Breit 2015 Wiesner Schreiner Breit amp Kemetho-fer 2017b) verdeutlicht den zyklischen Charakter der Qualitaumltsarbeit (vgl den Beitrag von Wiesner amp Schreiner in diesem Band) Nach einer ersten Rezeptionsphase der Er-gebnisruumlckmeldungen muumlssen Erkenntnisse zusammengetragen und in Beziehung zu-einander gesetzt werden Auf dieser Grundlage sollen in einer naumlchsten Phase Maszlig-nahmen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung geplant und umgesetzt werden Ein gezieltes Hinterfragen der gesetzten Maszlignahmen und Prozessaumlnderungen im Sinne interner Evaluation bildet den Abschluss des Zyklus ndash und ggf den Beginn eines neu-en Der spiralfoumlrmige Ablauf veranschaulicht einen kontinuierlichen Prozess der zwar in bestimmten wiederkehrenden Prozessschritten und -phasen ablaumluft jedoch grund-saumltzlich nicht endet Dabei ist ein Hin- und Herspringen zwischen den Prozessschrit-ten in der Praxis oft erforderlich etwa wenn sich bei der Diskussion der Maszlignahmen (Integrations- und Aktionsphase) zeigt dass doch noch einmal ein genauerer Blick in die Datengrundlage (Rezeptionsphase) erforderlich oder zweckdienlich sein koumlnnte

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 192

2 Die Rolle der Schulaufsicht im Rahmen datenbasierter Schulentwicklung

Die Wissenschaft spricht vor allem der Schulleitung und den Lehrpersonen fuumlr Schul-entwicklungsprozesse groszlige Bedeutung zu wobei die Schulleitung insbesondere in ihrer Leadershipfunktion gefordert ist (z B Dubs 2000 Schratz et al 2016) Schullei-tungen haben im Sinne eines Drei-Wege-Modells (Kempfert amp Rolff 2000) einen Sys-temzusammenhang zwischen Unterrichts- Personal- und Organisationsentwicklung herzustellen Moumlglichkeiten und Grenzen der Autonomie der Schule schaff en hierfuumlr einen klaren Handlungsrahmen (Dubs 2000) Auf Basis der Bildungsreform 2017 sol-len die Schulen erweiterte Autonomie und Verantwortung im Bereich der Organisati-ons- Unterrichts- und Personalentwicklung erhalten bdquoDie Schulaufsicht hingegen er-faumlhrt gleichsam eine Neuausrichtung ihrer Kernaufgaben im Sinne einer strategisch beratenden Funktion der Schulen mit Blick auf die Qualitaumltsentwicklungldquo (Brauck-mann et al 2019) Als bdquoGrenzgaumlnger zwischen Schulen und Bildungsadministra-tionldquo (Lange 2003 S 148) sind die Mitglieder der Schulaufsicht deshalb nicht nur

Abbildung 1 Oumlsterreichisches Rahmenmodell zur Nutzung von Ruumlckmeldungen aus Standard-uumlberpruumlfungen fuumlr evidenzorientierte Schulentwicklung (Wiesner Schreiner amp Breit 2015) als Weiterentwicklung des Modells von Helmke (2004)

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 193

Bindeglied zwischen den Ebenen Schule und Bildungsbehoumlrde sondern auch aktiv an Schulentwicklungsprozessen beteiligt

21 Die Mitglieder der Schulaufsicht als Bindeglied zwischen Schulen und Bildungsverwaltung

Der Schulaufsicht ist gemaumlszlig Bundes-Schulaufsichtsgesetz unter anderem die Aufgabe uumlbertragen das umfassende Qualitaumltsmanagement im Kontext des Nationalen Quali-taumltsrahmens einzurichten und zu betreuen (sect 18 (1) Bundes-Schulaufsichtsgesetz in der Fassung vom 13820181) Demnach hat die Schulaufsicht den Auft rag einen meh-rere Ebenen uumlberspannenden Qualitaumltsmanagementprozess aufzusetzen was hohe An-spruumlche an die Schulaufsicht im Sinne von Fuumlhrungsaufgaben stellt

In Zusammenarbeit mit den Schulen werden von der Schulaufsicht vor allem zwei Kernbereiche abgedeckt (Radnitzky 2015) Einerseits soll die Arbeit der Schulaufsicht in Hinblick auf regionale Bildungsplanung systematisch erfolgen Vor diesem Hinter-grund fordert die Schulaufsicht im Rahmen der Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprauml-che von den Schulleitungen eine grundlegende Auseinandersetzung mit den Ruumlckmel-dungen sowie eine evidenzorientierte Ist-Stands-Analyse ein und begleitet die darauf aufb auenden Maszlignahmen und deren Umsetzung in Form von Schulentwicklungspro-zessen

Andererseits kommt der Schulaufsicht in Hinblick auf die Erweiterung der Schul-autonomie die Aufgabe zu die Schulstandorte in der Nutzung ihrer Gestaltungsspiel-raumlume zu unterstuumltzen Schulentwicklung und Qualitaumltsmanagement sind dabei im Auge zu behalten Ein Th ematisieren von Problemen und das Einfordern eines Aus-gleichs von Defi ziten sind in diesem Kontext genauso wichtig wie die Wahrnehmung von eigenen Staumlrken zu foumlrdern und deren Ausbau anzuregen Entwicklungsbedar-fe zu erkennen und anzuerkennen und Qualitaumltsentwicklung anzustoszligen gelingt in der Regel nur gemeinsam mit den Betroff enen und nicht gegen deren Willen (Lange 2003 S 149 f) Zusammenfassend betont auch Radnitzky (2015 S 14) die Notwen-digkeit von bdquoFuumlhrung als Garant fuumlr Orientierung Ermutigung und Unterstuumltzung in einem immer komplexer werdenden System sowie ownership bei den beteiligten Ak-teurInnen sei es in der Schule in der Schulaufsicht oder im Bildungsministeriumldquo (Hervorhebung im Original)

Dieser Aufgabenbereich der Schulaufsicht fuumlhrt oft mals dazu sich in widerspruumlch-lichen Positionen zu fi nden Muslic Ramsteck und Kuper (2013) sowie Kemethofer und Wiesner (2018) verweisen explizit auf die komplementaumlre Position zwischen Be-ratungs- und Kontrollfunktion der Schulaufsicht da sie zwischen Bildungspolitik und Einzelschule als intermediaumlre Instanz agiert Widerspruumlchliches Agieren wird wahrge-nommen wenn im Rahmen von Schulentwicklung Schulen zwar ermutigt und unter-stuumltzt werden sollten andererseits aber Verbindlichkeiten einzufordern sind (Posch Rauch amp Seidl 2012 S 50) Auch in der Verwendung von externen Evaluationsdaten

1 Abrufb ar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGe setzesnummer=10009264ampShowPrintPreview=True

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 194

werden Ergebnisse bewertet und sollen nicht folgenlos bleiben Die Arbeit an Maszlig-nahmen muss einerseits eingefordert werden andererseits erfordert dies aber die Unterstuumltzung und Hilfestellung der Schulaufsicht Kemethofer und Wiesner (2016 2018) verweisen darauf dass ein konstruktives Arbeiten miteinander vor allem dann moumlglich erscheint wenn mit den erhaltenen Daten im Kontext der Schule unter Ein-beziehung umfassenderer Informationen ein Gesamtbild gezeichnet wird

22 Die Nutzung von Bildungsstandardergebnissen durch die Schulaufsicht

Aus Perspektive der Schulaufsicht fuumlhrt die Einfuumlhrung einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung (Schratz Wiesner Roumlszligler Schildkamp George Hofb auer amp Pant 2019) durch Bildungsstandarduumlberpruumlfungen zu weitreichenden Veraumlnderungen schulischer Arbeit (Kemethofer amp Wiesner 2016) der nunmehr durch eine bdquoAbkehr vom Bauchgefuumlhl Richtung Feedbackkulturldquo (Kemethofer amp Wiesner 2018 S 235) erklaumlrt wird Die Einbindung der Ergebnisse aus Standarduumlberpruumlfungen in die Arbeit der Schulaufsicht ist auf Basis ihrer gesetzlich defi nierten Rolle nunmehr verbindlich Die auf Schulebene aggregierten Ergebnisse aus Standarduumlberpruumlfungen des jeweiligen Aufsichtsbereichs werden der Schulaufsicht in Form von Schulberich-ten und zusammenfassenden Uumlbersichtstabellen zur Verfuumlgung gestellt2 Somit erhaumllt die Schulaufsicht fuumlr jede Schule des Aufsichtsbereichs den Schulbericht wie die jewei-lige Schule selbst

Bisherige Forschung zur Nutzung von Daten aus Standarduumlberpruumlfungen durch die Schulaufsicht weist grundsaumltzlich auf eine aktive Nutzung hin Zudem ist die Ak-zeptanz der Standarduumlberpruumlfungen durch die Schulaufsicht sehr hoch weil die erhal-tenen Ergebnisruumlckmeldungen als nuumltzliches Werkzeug fuumlr ihre Arbeit gesehen wer-den (Kemethofer amp Wiesner 2016 S 117) Fuumlr das Th ematisieren der Daten zwischen Schulaufsicht und Schulleitung wird ein dialogischer und wertschaumltzender Umgang miteinander als wesentliche Voraussetzung genannt um Akzeptanz und Verbindlich-keit zu foumlrdern Abgeleitete Maszlignahmen betreff en vor allem Empfehlungen in Hin-blick auf schulinterne und uumlbergreifende Fortbildungen Der gemeinsame Dialog wird insbesondere als Ausloumlser von Refl exions- und Einsichtsprozessen gesehen (Kemet-hofer amp Wiesner 2016 S 119 Steinkellner amp Wiesner 2017) Vorrangig werden die Daten gezielt als objektive und transparente Informationen zur Arbeit mit den einzel-nen Schulstandorten herangezogen Die Schulaufsicht betont die Grundlage zur ver-bindlichen Entwicklungsarbeit bis hin zu Kontrollmoumlglichkeiten die durch die objek-tive und transparente Datenbasis gegeben sind Dabei spielt auch der Vergleich mit den anderen Ergebnissen aus dem Aufsichtsbereich eine Rolle ndash wobei von Seiten der Schulaufsicht festgehalten wird dass es nicht um ein Ranking zwischen den Schu-len gehen soll sondern um die Einordnung und Strukturierung der Ergebnisse sowie einen daraus gewonnenen Erkenntnisgewinn (Wiesner Kemethofer Neubacher amp An-gerer 2017)

2 wwwbifi eatmusterrueckmeldungen

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 195

Zusammenfassend kann festgehalten werden dass die Schulaufsicht in Oumlster-reich den Ergebnisruumlckmeldungen aus Standarduumlberpruumlfungen fuumlr die Arbeit mit den Schulen und fuumlr Fortbildungsempfehlungen groszlige Bedeutung beimisst und die Daten dementsprechend auch genutzt werden Dennoch gibt es fuumlr die Schulaufsicht gewis-se Herausforderungen und Hemmnisse fuumlr die Verwendung der Daten Je mehr Schu-len zu einem Aufsichtsbereich zusammengefasst sind desto umfangreicher faumlllt die Berichtslegung an ein einzelnes Mitglied der Schulaufsicht aus Hinzu kommt dass mit jeder Standarduumlberpruumlfung neue Daten entstehen die ebenfalls in die Arbeit mit dem Schulstandort einzubinden sind Aufgrund dieser Fuumllle an Berichten ist es fuumlr die Schulaufsicht besonders wichtig die Informationen in uumlbersichtlicher Form zu erhal-ten um Zusammenhaumlnge und Entwicklungen besser herausarbeiten zu koumlnnen (Ke-methofer et al 2018)

3 Anforderungen an die Aufbereitung von Daten fuumlr die evidenzorientierte Qualitaumltsentwicklung an Schulen

Die Nutzung externer Leistungsdaten muss [hellip] als Prozess an den Schulen betrachtet werden (Mayer 2010)

31 Qualitaumltsanforderungen an Ruumlckmeldeberichte

Um die Nutzung externer Daten im Praxisfeld zu foumlrdern ist eine benutzerfreundliche Datenaufb ereitung durch die wissenschaft lichen Einheiten von zentraler Bedeutung In der einschlaumlgigen Forschung (z B Helmke 2004 van Ackeren 2007 Schildkamp amp Ehren 2012 Groszlig Ophoff 2013 Hattie 2009 Koch 2011) werden diesbezuumlglich ver-schiedene Aspekte benannt bull Verstaumlndlichkeit Die Berichte sollten nicht zu umfangreich sowie gut strukturiert

sein Der Text sollte gut lesbar Darstellungen uumlbersichtlich und verstaumlndlich sein indem sie moumlglichst geringe statistische Kenntnisse erfordern (Groszlig Ophoff 2013 Hattie 2009)

bull Einbeziehung von Kontextinformationen Neben Leistungsdaten auf unterschied-lichen Aggregationsniveaus werden Kontextinformationen uumlber die Schuumllerschaft ndash auch in Form von fairen Vergleichen ndash als aumluszligerst hilfreich eingeschaumltzt (Altrichter Moosbrugger amp Zuber 2016)

bull Foumlrderung der Akzeptanz Dazu ist es wichtig die praktische Relevanz und Bedeu-tung sowie Grenzen der Ruumlckmeldungen darzulegen (Hattie 2009)

bull Kriteriumsbezug Kriteriale Bezugsnormen werden von Lehrkraumlft en eher bevor-zugt als soziale Bezugsnormen (Schneewind 2007 Harks Rakoczy Klieme Hattie amp Besser 2014) weil bspw durch die Zuordnung der Leistungen zu inhaltlich de-fi nierten Kompetenzstufen diesen eine praktisch relevante Bedeutsamkeit zugewie-sen wird (Wiesner Schreiner George Breit amp Luger-Bazinger 2017)

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 196

bull Vielfaumlltigkeit der Darstellung Koch (2011) spricht sich fuumlr verschiedene Formen der Aufb ereitung aus um mit einem breiten Angebot der Darstellungen moumlg-lichst viele Nutzerbeduumlrfnisse abzudecken Je umfassender die Informationen des-to wichtiger sind kompakte strukturierte Zusammenfassungen um eine Uumlbersicht uumlber die Daten zu gewaumlhrleisten (siehe dazu auch den ersten Aufzaumlhlungspunkt)

Diesen verschiedenen Beduumlrfnissen Rechnung zu tragen stellt eine Herausforderung in der Konzeption von Ergebnisruumlckmeldungen dar Neben diesen Qualitaumltsmerkma-len sollten Ruumlckmeldungen als Feedback bestimmte Fragestellungen unterstuumltzen um Refl exions- und Entwicklungsprozesse anzuregen (Wiesner Schreiner Breit amp Kemet-hofer 2017b) Lehrpersonen sind in diesem Prozess nicht nur Lehrende sondern in erster Linie selbst Lernende bdquoIt is critical that teachers learn about success or other-wise of their interventions those teachers who are students of their own eff ects are the teachers who are the most infl uential in raising studentsrsquo achievementldquo (Hattie 2009 S 24) So werden die Ruumlckmeldungen uumlber den Kompetenzstand der Schuumllerinnen aber etwa auch ihre motivationalen Einstellungen zum Feedback an die Lehrperson das die Weiterentwicklung der Unterrichtsprozesse anregt Evaluative Orientierungen beim Lehren und Lernen haben also einen zentralen Stellenwert (Hattie 2009) Wies-ner et al (2017 S 3) entwickelten diesen Ansatz weiter da bdquoFeedback im Kontext der Lehr-Lern-Forschung [hellip] seit vielen Jahrzehnten als besonders eff ektiv [gilt] um Lern- und Veraumlnderungsprozesse zu unterstuumltzenldquo

Die Ruumlckmeldungen der Bildungsstandarduumlberpruumlfungen in Oumlsterreich wurden insbesondere als Feedback fuumlr Lehrpersonen Schulleitungen die Schulaufsicht sowie als Monitoring fuumlr das gesamte Schulsystem konzipiert Um eine professionelle Refl e-xionsarbeit auf all diesen Ebenen anzuregen sollten sich die einzelnen Akteure ver-schiedene Fragestellungen zu den Inhalten der Ruumlckmeldung stellen Dazu zaumlhlen so-wohl Fragen nach den eigentlichen Zielen und Visionen (Where am I going) aber auch Fragestellungen die die eigenen Maszlignahmen und Aktivitaumlten zur Zielerreichung hinterfragen (What am I doing here and now) bzw darauf achten wie man dabei vorgeht (How am I going) Bei all diesen Fragen sollten im Rahmen der Refl exions-arbeit Haltungen und Grundprinzipien bewusst wahrgenommen (How do I recogni-ze what I am experiencing) und neue Impulse und Prozesse uumlber die Zielerreichung hinaus (Where to next) uumlberlegt werden was in der professionellen Refl exionsarbeit zu einem Double-Loop-Lernen fuumlhren kann (Wiesner et al 2017a Steinkellner amp Wiesner 2017 vgl auch Wiesner amp Schreiner in diesem Band) Double-Loop-Ler-nen meint in diesem Kontext dass in einem ersten bdquoLoopldquo des Lernens eine Weiter-entwicklung des Unterrichts und des fachlichen Lernens stattfi ndet in einem zweiten bdquoLoopldquo aber auch der Prozess refl ektiert wird wie auf Basis der Evidenzen Entwick-lungsprozesse stattfi nden und welche Haltungen und Werte diesen Prozess praumlgen Dadurch nehmen die Akteure eine Meta-Perspektive ein und gestalten den Qualitaumlts-entwicklungsprozess bzw Aspekte davon weiter

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 197

32 Moumlglichkeiten und Grenzen der klassischen Datenaufbereitung in Berichtsform

Grundlage des Qualitaumltsentwicklungsprozesses auf Basis der Ergebnisruumlckmeldun-gen aus Standarduumlberpruumlfungen sind die einzelnen Schulberichte Dabei folgt die Be-richtstruktur studienuumlbergreifend der gleichen Logik indem zuerst Informationen zur Schuumllerschaft der Schule sowie Informationen zu Kontexten des Lehrens und Lernens (wie Wohlbefi nden in der Schule und Klasse sowie motivationale Merkmale) in ta-bellarischer Form aufb ereitet sind Den Kern der Ruumlckmeldung bilden die fachlichen Kompetenzen der Schuumllerinnen einer Schule in Form verschiedener Kennzahlen (z B prozentuelle Verteilungen auf Kompetenzstufen Mittelwerte Streuungsinforma-tionen) Diese werden auch fuumlr verschiedene Schuumllergruppen (z B nach Geschlecht Migrationshintergrund) dargestellt Waumlhrend die Ergebnisdarstellungen im Schulbe-richt durchwegs in grafi scher Form ein intuitives Erfassen erleichtern sollen geben ta-bellarische Zusammenfassungen zum Abschluss einen kompakten Uumlberblick uumlber die Daten einer Schule Die Berichtsstruktur wird je nach fachlichem Konzept entspre-chend angepasst und wurde auf Basis von Evaluationsaktivitaumlten unter Einbindung von Akteuren an Schulen uumlber die Jahre hinweg optimiert

Vorteile dieser Ruumlckmeldeform liegen in der Vertrautheit der Zielgruppen (Schul-leiterinnen Lehrerinnen Schulaufsicht) mit dem Format der Berichte Die Schulbe-richte werden in Form von PDF-Files zur Verfuumlgung gestellt koumlnnen gespeichert und ausgedruckt werden Die kontinuierlich gleiche Grundstruktur (mit entsprechenden Anpassungen je nach uumlberpruumlft em Fach) dieser Berichte unterstuumltzt den Aufb au von Vertrautheit und Strategien der Archivierung Gleichzeitig handelt es sich dabei um statische Berichte die von auszligen zusammengestellt und aufb ereitet sind Insbesondere bei der Zielgruppe Schulaufsicht werden die Grenzen dieses Berichtsformats und eine gewisse Schwerfaumllligkeit sichtbar Die zustaumlndigen Personen der Schulaufsicht erhalten jeweils die einzelnen Schulberichte der Schulen ihres Aufsichtsbereichs wodurch in vereinzelten Faumlllen ein Konvolut von Einzeldokumenten im dreistelligen Bereich ent-steht Uumlbersichtsdarstellungen gingen bis dato uumlber eine tabellarische Aufl istung der wichtigsten Kennwerte der Schulen nicht hinaus Daruumlber hinaus werden Schulen im Schnitt etwa alle zwei Jahre uumlberpruumlft wodurch die Anzahl vorliegender Berichte je Schule (und je Aufsichtsbereich) kontinuierlich anwaumlchst

4 SANDBIST als innovative Form der Datenbereitstellung fuumlr die Schulaufsicht

Die klassische Form der Berichtslegung stellte die Mitlieder der Schulaufsicht mit der zunehmenden Anzahl von Standarduumlberpruumlfungen und Ergebnisruumlckmeldungen vor die Herausforderung mit tausenden Seiten von elektronischen oder gedruckten Do-kumenten agieren zu muumlssen Im Laufe der Zeit entstand daher der Wunsch die den Berichten zugrundeliegenden Daten auch in bearbeitbarer Form zur Verfuumlgung ge-stellt zu bekommen um diese fl exibler und variantenreicher nutzen zu koumlnnen und

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 198

das Potenzial das in den Daten steckt besser nutzen zu koumlnnen Im Mittelpunkt der Diskussion stand dabei die Uumlberlegung dass eine Moumlglichkeit des fl exiblen Umgangs mit den Informationen in Form von Analyse- Strukturierungs- und Visualisierungs-strategien geschaff en werden sollte die jedoch moumlglichst geringe technische Anfor-derungen an die Nutzerinnen stellen bdquoDas BIFIE griff den in den Studien geaumluszliger-ten Wunsch nach uumlberblicksmaumlszligigen jedoch moumlglichst ganzheitlichen Darstellungenldquo (Kemethofer amp Wiesner 2018) auf

Basierend auf einer Kooperation mit und Impulsen von LSI K Maier wurden von-seiten des BIFIE verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr eine Umsetzung ausgelotet Entstan-den ist nunmehr eine vielschichtige Desktop-Anwendung (App) zur systematischen und effi zienten Daten- und Informationsaufb ereitung die das Akronym SANDBIST traumlgt und fuumlr bdquoSchulentwicklung durch Analyse und Nutzung von Datenldquo3 steht Die Entwicklung der Anwendung war getragen von diversen Uumlberlegungen und Diskus-sionen im damaligen BIFIE-Leitungsteam und entstand auf Basis einer Idee von C Wiesner4

Bei der Konzeption des Soft ware-Tools SANDBIST waren folgende Anforderungen leitendbull Das Tool sollte dieselben Daten beinhalten wie die klassische Berichtsformbull In Bezug auf die Handhabung durch die User sollte das Tool niedrige Anforderun-

gen stellen Spezielle Programmierkenntnisse sollten nicht erforderlich sein son-dern eine intuitive Benutzeroberfl aumlche sollte einen niederschwelligen Einstieg in die Arbeit mit dem Tool gewaumlhrleisten

bull Das Tool sollte eine fl exible Nutzung der Daten aus Standarduumlberpruumlfungen er-moumlglichen die die traditionelle Art der Datenaufb ereitung in Form von Berichten ergaumlnzt und die Bearbeitung eigener Fragestellungen unterstuumltzt

bull Bei der Erstellung des Tools spielte die Moumlglichkeit von Kombinationen eine gro-szlige Rolle Es sollten sowohl Daten zwischen Schulen als auch innerhalb von Schulen verknuumlpft werden koumlnnen Demnach sollte eine gemeinsame Analyse ausgewaumlhl-ter Schulen des Aufsichtsbereichs genauso moumlglich sein wie Analysen uumlber mehre-re Erhebungszeitpunkte hinweg

bull Schulentwicklung bedeutet Informationen Erkenntnisse und Ziele zu dokumen-tieren ndash dementsprechend sollte das Tool die Moumlglichkeit bieten die Dokumenta-tion von Visualisierungen und zugehoumlrigen Ergebnisinterpretationen zu speichern

Trotz einer neuen Form der Datenaufb ereitung war es wichtig die Wiedererkennung von Ergebnisdarstellungen wie die grafi sche Abbildung von Kennwerten und Kons-trukten (z B Darstellung des fairen Vergleichs Mittelwerte Prozentverteilungen) durch Verwendung gleicher Symbole oder Farben und aumlhnlicher Darstellungsformen zu gewaumlhrleisten

3 Das Tool wurde zunaumlchst bdquoSchulaufsicht analysiert und nutzt Datenldquo (Kemethofer amp Wiesner 2018 S 60) genannt Der weitere Entwicklungsverlauf machte eine Anpassung des Akronyms notwendig (siehe Abschnitt 5)

4 Der erste Prototyp von SANDBIST geht auf das damalige Leitungsteam (Wiesner Schreiner Breit und Bruneforth) der erste Release auf die Personengruppe Wiesner Schreiner Breit und Neubacher als Urheberinnen zuruumlck

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 199

41 Nutzungsmoumlglichkeiten von SANDBIST

SANDBIST enthaumllt alle Daten und Informationen die auch in traditionellen Berichten aufb ereitet waren und sind Durch die intuitive Benutzeroberfl aumlche und die individu-ellen Datenabfragen ermoumlglicht diese Applikation jedoch viel weitreichendere Analy-sen hinsichtlich der einzelnen Schulstandorte und uumlber Schulstandorte hinweg1) Durch die gleichzeitige Verfuumlgbarkeit der Daten aller Schulstandorte des Zustaumln-

digkeitsbereichs kann eine Schulaufsichtsperson die in ihrer Verantwortung liegen-den Standorte gemeinsam und schuluumlbergreifend analysieren Im Sinne der regio-nalen Bildungsplanung sind dadurch vertiefende Analysen moumlglich

2) Je nach Fragestellung koumlnnen die Daten nach verschiedensten Kriterien variabel zusammengestellt werden Vor allem die Kombinationsmoumlglichkeiten von Kon-textinformationen und fachlichen Kompetenzen die in der traditionellen Bericht-erstattung vergleichsweise aufwaumlndig sind sind neuartig

3) Schulentwicklung ist ein langfristig angelegter Prozess der uumlber einzelne Erhe-bungen hinausgeht und zyklisch zu denken ist Durch die Einbindung aller Daten einer Schule koumlnnen alle bisherigen Erhebungen auf einer Schulstufe gemeinsam analysiert werden und studienuumlbergreifende Fragestellungen bearbeitet werden Dies ist sowohl faumlcheruumlbergreifend (M8 in Kombination mit Informationen aus E8 oder D8) als auch die verschiedenen Erhebungen des gleichen Fachs aufgreifend (M8-2012 mit M8-2017) moumlglich

4) Durch die interaktive Verwendung koumlnnen verschiedenste Referenzwerte ein- und ausgeblendet Daten nach bestimmten Merkmalen sortiert oder gefi ltert und Ab-fragen gespeichert oder verworfen werden Diese vielfaumlltigen Umsetzungsmoumlglich-keiten erlauben es tiefer in das Datenmaterial einzutauchen und neue Perspekti-ven aufzuzeigen

Zusammengefasst laumlsst sich festhalten dass mithilfe dieser innovativen Desktop-An-wendung die Schulaufsicht bei der Nutzung von Ergebnissen aus Standarduumlberpruuml-fungen unterstuumltzt wird Durch das eigenstaumlndige Formulieren von Fragestellungen und die Eigenaktivitaumlt beim Abrufen Strukturieren und Visualisieren der Daten sind die Anwenderinnen inhaltlich in hohem Maszlige gefordert Auch aufgrund der neuen Moumlglichkeiten die sich durch das Verknuumlpfen von Daten ergeben muumlssen Beziehun-gen geordnet neue Verbindungen hergestellt Zusammenhaumlnge verstanden und Inter-pretationen nachvollziehbar dokumentiert werden Eigene Annahmen und Hypothe-sen koumlnnen uumlberpruumlft und bestaumltigt oder widerlegt werden Nicht zu unterschaumltzen sind auch die Moumlglichkeiten die sich durch die Visualisierung von Zusammenhaumln-gen ergeben ndash fuumlr den Nutzer oder die Nutzerin selbst aber auch fuumlr Kommunika-tionszwecke

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 200

42 Beschreibung des Instruments und Begleitmaszlignahmen

Veraumlnderungen und Innovationen im etablierten Prozess der Berichterstattung rund um die Standarduumlberpruumlfungen wie die Bereitstellung von SANDBIST benoumltigen Un-terstuumltzungs- und Begleitmaszlignahmen Die oberhalb genannten Anforderungen an die Anwenderinnen des Tools machen zudem eine Schulung in der Nutzung des Tools unabdingbar Die Distribution des Tools SANDBIST an die Schulaufsicht ist deshalb be-wusst mit einem zweitaumlgigen Workshop verknuumlpft Da der Einstieg aus technischer Perspektive nicht sehr schwierig ist und ohnehin durch das SANDBIST-Benutzerhand-buch unterstuumltzt wird dient dieser Workshop nicht primaumlr der Erklaumlrung der einzel-nen Features im Tool sondern vor allem der praktischen Durchfuumlhrung von Daten-analyse und Refl exion mithilfe des Instruments ndash im Sinne einer prototypischen Initial- und Rezeptionsphase

Der Workshop selbst ist in vier Phasen gegliedert in welchen unterschiedliche analytische Ansaumltze ndash von der Einzelschulperspektive bis zur systemischen Perspekti-ve ndash erarbeitet werden

In Phase 1 sollen Staumlrken und Schwaumlchen sowie Besonderheiten eines einzelnen Schulstandorts herausgearbeitet werden wobei nicht nur fachliche Kompetenzen ana-lysiert sondern auch verschiedene Kontexte (Informationen zur Zusammensetzung der Schuumllerschaft genauso wie Merkmale wie Wohlbefi nden Lernfreude Anstren-gungsbereitschaft ) der einzelnen Standorte in den Analysen beruumlcksichtigt werden sollen Die Verwendung von SANDBIST im Vergleich zum klassisch aufb ereiteten Be-richt bietet nicht nur die Moumlglichkeit Informationen die im Bericht auf verschiede-nen Seiten zu fi nden sind gemeinsam darzustellen sondern vor allem auch die Op-tion Informationen aus mehreren Erhebungen miteinander zu vergleichen ohne alte Berichte aus dem Archiv holen zu muumlssen Abbildung 2 veranschaulicht das Ergebnis eines solchen Analyseschrittes Die Kompetenzstufenverteilung in Lesen aus dem Jahr 2016 sowie das Wohlbefi nden an der Schule und in der Klasse werden zeitgleich be-trachtet mit der Kompetenzstufenverteilung in Mathematik aus dem Jahr 2017 sowie dem schulischen Wohlbefi nden aus diesem Erhebungsjahr Dem Diagrammbaum auf der rechten Seite sind die ausgewaumlhlten Merkmale sowie deren Labels zu entnehmen waumlhrend auf der linken Seite die interessierenden Merkmale grafi sch dargestellt sind

In Phase 2 des Workshops wurden die Daten dieses Schulstandorts mit einem zweiten Standort des Zustaumlndigkeitsbereichs ergaumlnzt (z B der naumlchstgelegenen Schu-le oder einer Schule die aus Sicht der Anwenderindes Anwenders uumlber aumlhnliche Rah-menbedingungen verfuumlgt)

In der dritten Phase des Workshops wurden schlieszliglich mehrere Standorte ge-meinsam analysiert und ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet Diese Herangehensweise gestattet es Schulen einer geografi schen Region oder Schu-len aumlhnlicher Groumlszlige oder mit denselben Schwerpunkten zu betrachten Basierend auf dieser Auswahl koumlnnen Besonderheiten einzelner Schulstandorte identifi ziert Moumlg-lichkeiten der Ergebnisinterpretationen erweitert oder gemeinsame Th emen schul-uumlbergreifende Potenziale oder Herausforderungen erkannt werden Gerade in diesen Phasen darf nicht verabsaumlumt werden auch Kontextfaktoren naumlher zu beleuchten und

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 201

miteinander zu vergleichen bzw diese in Erklaumlrungsversuche einzubeziehen Aus Ab-bildung 3 geht hervor dass im Tool mehrere Datenabfragen fuumlr mehrere Schulen zeit-gleich getaumltigt werden koumlnnen Es handelt sich um fuumlnf Schulen die sich hinsichtlich des Index der sozialen Benachteiligung deutlich voneinander unterscheiden (unterer Teil der Abbildung) Dargestellt ist auszligerdem die Verteilung der Schuumllerinnen auf die Kompetenzstufen in Mathematik sowie das Selbstkonzept der Schuumllerinnen im Gegenstand Mathematik (im oberen Teil der Abbildung) Dem Diagrammbaum auf der rechten Seite sind die Merkmale sowie Labels zu entnehmen

In der vierten und letzten Phase des Workshops wird schlieszliglich ein Perspekti-venwechsel eingefordert Waumlhrend in den ersten drei Phasen die Analyse einzelner Schulen oder einer Gruppe von Schulen im Fokus stand wird in der vierten Phase eine systemische Perspektive auf den gesamten Aufsichtsbereich bzw die Bildungs-region eingenommen In dieser Analysephase gilt es besondere Th emen aber auch besondere Schulen im Aufsichtsbereich zu identifi zieren und dabei den ganzheitli-

Ab bildung 2 Aufbereitung von Informationen uumlber eine Schule mit SANDBIST

Anmerkungen Dargestellt sind (von links nach rechts) zuerst die Verteilung der Schuumllerinnen auf die Kompetenzstufen das Wohlbefi nden in der Schule sowie das Klassenklima ndash zuerst fuumlr Lesen im Fach Deutsch aus der Uumlberpruumlfung von 2016 und danach fuumlr Mathematik aus der Uumlberpruumlfung von 2017 (eigene Darstellung)

S

chuumll

erin

nen

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 202

chen Blick anzuwenden So koumlnnen uumlbergreifende Schluumlsselthemen herausgearbeitet werden Zudem koumlnnen mithilfe des Instruments Darstellungen relevanter Aspekte zu Dokumentstations- und Kommunikationszwecken zusammengefasst und verdichtet werden

Abbildung 4 stellt die vier Workshop-Phasen uumlberblicksartig dar welche die An-wenderinnen in die Nutzung und Moumlglichkeiten von SANDBIST einfuumlhrt und ihnen Refl exionsraumlume aufzeigt

Die vier Workshop-Phasen stellen das Kernelement des Schulungskonzepts dar (Wiesner Schreiner Breit amp Kemethofer 2017a) Die Erlaumluterung der einzelnen Fea-tures wird dabei in die einzelnen Workshop-Phasen eingebettet Somit wird die Ein-arbeitung in das Tool mit der inhaltlichen Analyse- und Refl exionsarbeit verknuumlpft Den Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern wird von Beginn des Workshops an eine Version des SANDBIST-Tools mit den jeweils eigenen Daten zur Verfuumlgung ge-stellt um die Aktivitaumlten im Workshop sofort zur Analyse der eigenen Daten verwen-den zu koumlnnen und keine Uumlbungsphasen mit hypothetischen Daten durchfuumlhren zu muumlssen Dies gewaumlhrleistet dass die im Rahmen des Workshops erarbeiteten Analy-sen Interpretationen und Refl exionen fuumlr den eigenen Zustaumlndigkeitsbereich erstellt vor dem Hintergrund bekannter Rahmenbedingungen durchgefuumlhrt und in der Fol-ge weiterverwendet werden koumlnnen Die konkrete Arbeit mit dem SANDBIST-Tool wird durch eine Refl exionsphase zu Bildungsstandards Uumlberpruumlfungen Kompetenzorien-tierung und der Rolle der Schulaufsicht eingeleitet und damit in den relevanten Kon-text eingebettet Alle Workshop-Phasen werden von diversen Austauschmoumlglichkei-ten zu Analyseergebnissen und -strategien sowie Moumlglichkeiten der Ergebnisnutzung

Abbildung 3 Aufbereitung von Informationen uumlber mehrere Schulen mit SANDBIST

Anmerkungen Dargestellt sind (von links nach rechts) im oberen Teil der Abbildung zuerst die Verteilung der Kompetenzstufen und dann die Verteilung hinsichtlich des fachbezogenen Selbstkonzepts Mathematik aus der Uumlberpruumlfung von 2017 Im unteren Teil der Abbildung wird fuumlr die gleichen Schulen die jeweilige Schuumllerzusammensetzung anhand eines Index der sozialen Benachteiligung (Belastungsindex) dargestellt (eigene Darstellung)

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 203

begleitet Dabei wurde in der Planung der einzelnen Workshops wo irgendwie moumlg-lich darauf geachtet auch einen Austausch zwischen verschiedenen Aufsichtsberei-chen und insbesondere verschiedenen Bundeslaumlndern zu ermoumlglichen und anzuregen

5 Zusammenfassung und Ausblick

Mit der Erweiterung der klassischen Ergebnisruumlckmeldung in Berichtsform durch eine Desktop-Anwendung die Ergebnisanalysen aus Standarduumlberpruumlfungen in umfangrei-cher und dynamischer Form ermoumlglicht wurden fuumlr die oumlsterreichische Schulaufsicht neue Nutzungsmoumlglichkeiten dieser Evidenzen geschaff en Die Verteilung des Tools SANDBIST erfolgte im Laufe der Schuljahre 201718 bereits an rund 80 der Mitglie-der der Schulaufsicht Dabei zeigte sich bereits in den Workshops dass durch die er-weiterten Moumlglichkeiten die das Instrument bietet die Interpretationskompetenz der Anwenderinnen noch staumlrker gefordert ist Denn das eigene Erkunden der Daten bie-tet vielfaumlltige Moumlglichkeiten um Verbindungen Verknuumlpfungen und Gemeinsamkei-ten aber auch Unterschiede (vermeintliche) Widerspruumlche oder Besonderheiten zwi-schen Faumlchern Merkmalen Zeitpunkten oder verschiedenen Schulen zu entdecken Im Rahmen der einzelnen Workshop-Phasen wurden die Teilnehmerinnen deshalb immer wieder hinsichtlich der Interpretationsanforderungen sensibilisiert und ein Nachdenken sowie kollegialer Austausch uumlber Analysestrategien und Interpretationen angeregt und unterstuumltzt

Analyse einer

Schule Beruumlcksichtigung

innerschulischer Prozesse und

einzelschulischer Kontexte

Analyse einer Schule

im Kontext einer zweiten

Analyse einer kleinen

Gruppe von Schulen

Identifikation von

besonderen Schulen

Identifikation von

besonderen Themen Fokussierung der Aufmerksamkeit fuumlr den gesamten Aufsichtsbereich

relevant

Workshop-Phase 1 Workshop-Phase 2 Workshop-Phase 3 Workshop-Phase 4a Workshop-Phase 4b

Perspektive EinzelschuleGruppen von Schulen Von der Einzelschule bzw aumlhnlichen Gruppierungen zu tieferen Strukturen Zusammenhaumlngen und Beziehungen

Systemische Perspektive Aufsichtsbereich Von der Gesamtheit zu besonderen Themen und Kriterien des Systems bzw

eines Subsystems (Gruppe)

Auffinden von

KriterienThemen

Schluumlsselthemen im

Aufsichtsbereich

wenige Risikoschuumllerinnen

Schulen unter dem

Erwartungswert

z B positives Schulklima

Eher positives Klassenklima

aber nur moderates Schulklima

positives Klassenklima aber

weniger positives Schulklima

ne = ne

Erkennen und Verstehen von

Staumlrken Schwaumlchen und

Kontexten an einer Schule

Besonderheiten und Kontexte

an einer Schule

Erkennen und Verstehen durch

Vergleich von zwei Befunden

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

zweier Schulen mit aumlhnlichem

Kontext

Erkennen und Verstehen durch

Vergleich von mehreren Befunden

Potenzialen Staumlrken und Schwaumlchen

Probleme in Gruppen (Gruppierungen)

Erkennen und Verstehen durch

Identifizieren von ThemenKriterien

Besondere ThemenKriterien

bestimmter Gruppen

Erkennen und Verstehen durch

Identifizieren von uumlbergreifenden

Schluumlsselthemen

Uumlbergreifende Schluumlsselthemen

im Aufsichtsbereich

Auffinden von unterschiedlichen

Gruppierungen und KriterienThemen

Auffinden von Unterschieden

und Gemeinsamkeiten im

direkten Vergleich

Auffinden von Besonderheiten

Staumlrken und Schwaumlchen

einer Schule

Lesen unter dem Erwartungswert

Lesen uumlber dem Erwartungswert

Unterschiede

Gemeinsamkeiten=

ne Schwaumlchen

Staumlrken

Kontexte amp Prozesse

Abbi ldung 4 Herangehensweisen der Refl exionsarbeit mit SANDBIST (Wiesner Schreiner Breit amp Kemethofer 2017a)

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 204

Inwiefern das Tool nachhaltig Einzug in die Arbeit der Mitglieder der Schulauf-sicht fi ndet soll in regelmaumlszligigen Abstaumlnden erfasst werden Das Instrument kann durch seine benutzerfreundliche Handhabung und durch innovative Nutzungsmoumlg-lichkeiten zur Verwendung animieren eine regelmaumlszligige Nutzungsfrequenz erscheint aber erforderlich um das Tool effi zient und zeitsparend in den Arbeitsalltag integrie-ren zu koumlnnen

Letztendlich ist es das Ziel mit dieser neuen Form der Datenaufb ereitung einen Impuls zu geben sich staumlrker mit evidenzbasiertem Feedback auseinanderzusetzen Im Rahmen der Workshops haben sich die Teilnehmerinnen in vielen Faumlllen sehr in-tensiv mit den Daten beschaumlft igt und es schienen auch Personen Zugang zur evidenz-orientierten Arbeit gefunden zu haben die mit teils groszliger Skepsis zum Workshop angereist waren Dies liegt vermutlich nicht nur an der veraumlnderten Ergebnisdarstel-lung sondern vor allem an den erweiterten Moumlglichkeiten der Auseinandersetzung mit den Daten und den Potenzialen die sich aus der Kombination von Kompetenzen und Kontexten ergeben Gleichzeitig wird eine veraumlnderte Datenbereitstellung nicht ausreichen ein generelles Fehlen an Bereitschaft zur Nutzung empirischer Daten zu aumlndern

Trotz dieser Limitationen sollen mit dieser alternativen Form der Datenbereitstel-lung im Rahmen von Schulentwicklung unterschiedliche Zugaumlnge zu Analyse- und Refl exionsmoumlglichkeiten geschaff en werden Zudem ist es unabdingbar den Refl e-xionsprozess um Informationen aus anderen Wissensbestaumlnden zu ergaumlnzen um moumlgliche Wirkfaktoren auffi nden zu koumlnnen Die Intention von SANDBIST ist jene diesen Prozess der kooperativen aber auch kollaborativen Arbeit von Schulaufsicht und Schulen im Entwicklungsprozess zu unterstuumltzen und dabei die Wuumlnsche nach Innovationen in der Datenbereitstellung zu integrieren

Damit auch Schulen von den Potenzialen einer interaktiven Nutzung eines sol-chen Instruments profi tieren koumlnnen stellt das BIFIE seit dem Schuljahr 201819 auch Schulleiterinnen und Schulleitern eine SANDBIST-App bereit Dadurch bekommen auch Schulleitungen die Moumlglichkeit von den Vorteilen einer Desktop-Anwendung zu profi tieren und die Daten ihrer Schule uumlber das Tool zu rezipieren und analysieren Auch ihnen steht nun eine benutzerfreundliche Oberfl aumlche zur Verfuumlgung die stu-dienuumlbergreifende Analysen fuumlr den Standort sowie neue Kombinationen ermoumlglicht So werden Schulleiterinnen dabei unterstuumltzt evidenzbasiertes Feedback im Rahmen von Schul- und Unterrichtsentwicklung zu nutzen Diskussionen anzustoszligen und Re-fl exionen und Interpretationsmoumlglichkeiten aufzuspuumlren

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Christian Wiesner

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten

Die Problemskizze zum bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschungldquo die auf der 22 EMSE-Tagung 2016 im BIFIE in Salzburg erstmals ausfuumlhrlich in Oumlsterreich dis-kutiert wurde ist der Bezugspunkt fuumlr die Uumlberlegungen und Entwuumlrfe dieses Bei-trags Die mangelnde Beruumlcksichtigung von Forschungsergebnissen der empirischen Bildungsforschung und die (noch) nicht befriedigende Integration von reichhaltigen Forschungsbefunden in die Praxis fuumlhrt augenblicklich zu zweierlei einerseits ent-wickelt sich durch die (noch) mangelnde Rezeption Refl exion und Integration eine (oft mals sehr) unsachliche Kritik an der Evidenzbasierung (zu bevorzugen ist m A n das Orientierungskonzept also der Begriff der Evidenzorientierung) Andererseits waumlre es notwendig Evidenzen in bdquoEntwicklungskreislaumlufe der Unterrichts- Schul- und Bildungsqualitaumltldquo (Pant 2014 S 80) tatsaumlchlich einzuspeisen um Gelingens-phaumlnomene systematisch zu beobachten und um daraus wiederum ndash evidenz- erfah-rungs- und entwicklungsorientiert ndash zu lernen im Sinne einer refl ektierenden Praxis (Schoumln 1983 Schoumln 1991)

1 Ein kurzer Exkurs zum Begriff der Evidenz

Die erste Herausforderung betrifft zunaumlchst den unsachlichen Umgang mit dem Be-griff der evidenzorientierten bzw -basierten Forschung Diese Problematik ist nicht das weite Th ema dieses Beitrags soll jedoch an dieser Stelle kurz aufgegriff en werden Jornitz (2008) bezeichnet den Terminus der bdquoevidenzbasierten Bildungsforschungldquo als bdquoWortungetuumlmldquo (ebd S 207) und als bdquounsinnigen Begriff ldquo (Jornitz 2009 S 69) wel-cher als bdquoWort-fuumlr-Wort-Uumlbersetzung aus dem Englischenldquo (ebd S 69) bdquoseine Adap-tion aus einer Fremdsprache nur schwerlich verbergen kannldquo (Jornitz 2008 S 207) Urspruumlnglich wurde das Substantiv evidentia jedoch von Cicero (ca 106 bis 43 v Chr) als Wortschoumlpfung kreiert Cicero verwendete es erstmalig in seiner akademi-schen Abhandlung im bdquoDialog Lucullusldquo (Cic Ac Pr 217) im Sinne von klarer Dar-stellung Quintilian (ca 30 bis 96 n Chr) benutzte den Begriff Evidenz unter direk-ter Bezugnahme auf Cicero als Qualitaumltsmerkmal von Aussagen und Darstellungen im Sinne von Beweisfuumlhrung (Ueding 1996) Etwa ab dem 13 Jahrhundert fi ndet der Be-griff Evidenz Eingang in die europaumlischen Landessprachen (Ritter 1972 S 830) Um ca 1500 ersetzt der englische Begriff evidence in der englischen Rechtssprache den

Christian Wiesner 208

Begriff witness und stimmt begriffl ich ab diesem Zeitpunkt in der Rechtssprache mit dem deutschen Wort Beweis1 uumlberein der Nachweis einer Tatsache wird hingegen als proof of fact bezeichnet (Curti 1928 Ueding 1996) In diesem Sinne ist Evidenz zu-naumlchst kein unsinniger Begriff sondern weist auf eine klare nachvollziehbare Darstel-lung von einem oder mehreren Beweisen hin ndash Evidenz benoumltigt Daten Informatio-nen und Wissen (Schratz Wiesner Roumlszligler Schildkamp George Hofb auer amp Pant in Druck)

Sollte das Programm der Evidenzbasierung in der Unterrichts- und Schulentwick-lung auch auf der Idee der evidenzbasierten Medizin (EBM) beruhen dann geht es nach Sur amp Dahm (2011) oder Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson (1996) um die systematische Suche nach den besten verfuumlgbaren Beweisen durch fundier-te Daten Informationen Expertenwissen Erfahrung und scharfsinniger Intuition als bdquobest available evidenceldquo (ebd S 72) fuumlr die Praxis2

Th e practice of evidence based medicine means integrating individual cli-nical expertise with the best available external clinical evidence from sys-tematic research By individual clinical expertise we mean the profi ciency and judgment that individual clinicians acquire through clinical experience and clinical practice (Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson 1996 S 71)

Daher ist von einer verkuumlrzten Gleichsetzung von Evidenz mit der Interpretation vom Augenschein durch Jornitz (2008) grundsaumltzlich abzuraten Evidenz ist im Kontext des Beweises und einer klaren Darstellung zu verstehen als eine bdquosorgfaumlltige Beobachtung der empirischen Sachverhalteldquo die einen bdquoBestandteil eines Argumentsldquo bilden (Baumlch-li amp Graeser 1995 S 230) Demnach ist fuumlr eine umfassende und integrative Unter-richts- Schul- und Bildungsqualitaumltsentwicklung unabdingbar alle Konnotationen des Begriff s der Evidenz zu beruumlcksichtigen um diff erenzierte Ideen Entwuumlrfe und Mo-delle zu eroumlff nen Wichtig ist die Balance zwischen theoretischen Konzepten prakti-schen Expertenwissen und Erfahrungen

Good doctors use both individual clinical expertise and the best available external evidence and neither alone is enough (Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson 1996 S 72)

Evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung funktioniert nicht mit koch-buchartigen Rezepten Um eine empiriegestuumltzte Unterrichts- und Schulentwicklung zu foumlrdern und zu unterstuumltzen sind reichhaltige vielfaumlltige und integrative Entwuumlr-

1 bdquoInformation given in a legal inquiry tending to establish factldquo (Curti 1928 S 52) Der Inbe-griff des rechtlichen Beweises ist der Augenschein welcher als bdquoreal evidenceldquo (Ueding 1996 S 38) bezeichnet wird

2 bdquoEvidence based medicine is not bdquocookbookldquo medicine Because it requires a bottom up ap-proach that integrates the best external evidence with individual clinical expertise and patientslsquo choice it cannot result in slavish cookbook approaches to individual patient care External cli-nical evidence can inform but can never replace individual clinical expertise and it is this ex-pertise that decides whether the external evidence applies to the individual patient at all and if so how it should be integrated into a clinical decisionldquo (Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson 1996 S 72)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 209

fe Schnittmengen und Ansaumltze im Sinne von bdquocommon and diff erent conceptsldquo (Pet-zold 1996 S 72) bzw bdquocommon and divergent factorsldquo (Petzold Scheiblich amp Th o-mas 2006 S 76) zu denken

Hilfreich fuumlr ein tieferes Verstaumlndnis ist zunaumlchst ein Blick auf das Makro-Mik-ro-Makro-Modell3 (Coleman 1991) als Heuristik um vielfaumlltige und verschiedene evi-denzorientierte Unterrichts- und Schulentwicklungsentwuumlrfe in der Praxis systema-tisch wahrzunehmen und strukturiert zu beobachten (im Sinne von Praxisforschung) Dieses bdquoBadewannenldquo-Modell (Grewe Schnabel amp Schuumltzeichel 2008) soll das Wirken von Systemen (Schule Netzwerke Schulsystem) auf Subsysteme (Unterricht Klasse) und auf handelnde Personen aufzeigen und auch deren Wirken als aggregierte kollek-tive Eff ekte auf das System klaumlren (siehe Abbildung 1)

Abbildung 1 Das Makro-Mikro-Makro-Modell in Anlehnung an Coleman 1991 und Grewe Schnabel amp Schuumltzeichel 2008 (eigene Darstellung)

Eine dialogische (oder besser polylogische) Vorgehensweise als ein Zusammenwirken von Personen aus der Th eorie und Praxis braucht Relationen und Expertise zwischen Konzepten und Erfahrung zwischen sachorientierten Daten und beziehungsorientier-ter Erfahrung Aus Forschungsdaten kann vermutlich nur dann praxisrelevantes Han-deln entstehen wenn auch praxisbezogenes Wissen (gemeinsam) generiert und kre-iert wurde (im Sinne der Gestaltung von Praxistheorien) Eine einseitige Aufb ereitung von Forschungsbefunden (als Daten und Informationen bereitgestellt) oder ein koch-buchartiges Auswerten von Befunden z B fuumlr die Professionalisierung wird im Sin-ne der in diesem Beitrag vorgestellten Entwuumlrfe und Ansaumltze (auch) nicht ausreichend sein Es besteht nicht nur die Notwendigkeit Forschungsbefunde vor Ort nachzuerfi n-den sondern Erfahrungen und Kontexte vor Ort in die Gestaltungsprozesse aktiv mit-aufzunehmen Dazu werden Modelle benoumltigt die einen weiten Blick erlauben sowohl auf die Mikro- als auch auf die Meso- und Makro-Ebene und gleichzeitig zwischen sachorientierten Forschungsbefunden und erfahrungsorientierten Praxisbefunden dif-ferenzieren und diese jedoch auch jeweils integrieren

3 In diesem Fall verwende ich ein Makro-Meso-Mikro-Meso-Makro-Modell Selbstverstaumlndlich koumlnnen allein durch ein Modell (wie bei allen Modellen) nicht alle Fragen geklaumlrt oder umfas-send beantwortet werden

Makro-Ebene

Mikro-Ebene

Schulsystem

Schule Netzwerke kollektive Effekte

Meso-Ebene

Handelnde amp

Kommunizierende

Handlungen amp

Kommunikationen

Unterricht Klasse

Lehr-Lerngeschehenkollektive Effekte

Christian Wiesner 210

2 Das Modell der Feldtransformation

bdquoWie kommt das Neue ins Systemldquo ist dabei die vorrangige Frage um sowohl an Maszlignahmen als auch an Prozessen zu arbeiten Ein auf der Frage aufb auender Ansatz ist das sogenannte Modell der Feldtransformation (siehe Abbildung 2) das eine Ver-bindung von vier Konzepten anstrebt und u a auch aus diff erenziertem Erfahrungs-wissen fuumlr die Schulleitungsqualifi zierung entwickelt wurde Der Ansatz deckt ein wei-tes Spektrum ab und zeigt moumlgliche Wege fuumlr eine zukuumlnft ige Weiterentwicklung auf (Wiesner George Kemethofer amp Schratz 2015) Die horizontale Achse des Modells zeigt das Kontinuum zwischen der Sachorientierung und der Beziehungsorientierung Die vertikale Achse zeigt sowohl die Stabilitaumltsorientierung als auch die Entwicklungs-orientierung von Strukturen und Prozessen Der erste Quadrant (links unten dann im Uhrzeigersinn) steht fuumlr bdquoVernunft ldquo der zweite fuumlr bdquoStrategieldquo der dritte fuumlr bdquoGestal-tungldquo und der vierte fuumlr bdquoIdentitaumltldquo Die Arbeit mit dem Modell eroumlff net eine Einord-nung in das dynamische Gefuumlge zwischen Stabilitaumlt (Dauer) und Entwicklung (Wech-sel) sowie Naumlhe und Distanz welches den jeweiligen Moumlglichkeitsraum bestimmt Aufgrund der Einbettung in systemische Kontexte oder in jeweilige Arbeitskontexte ergeben sich hierbei ganz unterschiedliche Konstellationen die eine Flexibilitaumlt Re-sponsivitaumlt und Ausgewogenheit der Felder erfordern Ein Verstaumlndnis fuumlr das Modell und ein Verstehen des Modells soll nun durch die weiteren Ausfuumlhrungen zu anderen Ansaumltzen im Blick auf bdquocommon and diff erent conceptsldquo (Petzold 1996 S 72) ermoumlg-licht werden

Wechsel

Dauer

NaumlheBeziehungs-orientierung

Sach-orientierung

Entwicklungsorientierung

Stabilitaumltsorientierung

Distanz

Strategie

Vernunft

Gestaltung

Identitaumlt

WandlungZielbild

AgilitaumltWirkkraft

IntuitionEmergenz

ResonanzKooperation

TransparenzOptimierung

EvidenzStandards

WerteKongruenz

VertrauenRituale

Abbildung 2 Das Grundmodell der Feldtransformation (eigene Darstellung)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 211

Aktivierungen von Feldern (Quadranten) lassen sich im Modell der Feldtransforma-tion so verstehen dass die Polaritaumlten und die daraus entstehenden vier Felder als gleichwertig gedacht werden wobei fl ieszligende Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten und Positionierungen moumlglich sind Die erste Polaritaumlt ist eine Zeitachse (Stabilitaumlts- und Entwicklungsorientierung) die zweite eine Raumachse (Sach- und Beziehungs-orientierung) Der Beitrag versucht nun die vielfaumlltigen und reichhaltigen Ansaumltze Th eorien und Modelle aus unterschiedlichen Fachdisziplinen aufzuzeigen die mit der Feldtransformation verbunden sind um das Modell der Feldtransformation so in Mi-kro- Meso- und Makro-Ebenen im Sinne von z B Fuumlhrungshandeln Lehr-Lern-Ge-schehen im Unterricht und Schulentwicklung am Standort zu verorten

3 Annaumlherungen aus einer psychotherapeutischen Perspektive der Ursprung des Modells

Ein Ursprung des Modells der Feldtransformation und die Idee der Achsen-Bezeich-nung geht auf den Th eorieentwurf von Riemann4 (Riemann 1975 Schratz Hart-mann amp Schley 2010 Paschen amp Dihsmaier 2014) aus den 1960er Jahren zuruumlck und greift dabei ein integrativ-analytisches psychodynamisches Denken auf Das Modell kann sowohl zur Anregung und Stimulierung von Entwicklungsprozessen als auch fuumlr bdquoGrundformen der Angstldquo (Riemann 1975) herangezogen werden Personen (und Systeme) haben in diesem Ansatz keine absoluten sondern immer wieder voruumlber-gehende strukturelle Zuumlge und vier bdquoFormen des In-der-Welt-Seinsldquo (Riemann 1975 S 207) Diese vier Impulse durchziehen in bdquowechselnder Gestalt unser ganzes Leben und wollen in immer neuer Weiseldquo (Riemann 1975 S 13) beantwortet werden Die-se vier Impulse dienen als Aktivierungen in Hinblick auf Situationen als Moumlglichkei-ten und Antworten (Riemann 1975) und werden explizit u a in (neuere) theoretische Ansaumltze (Th omann amp Schulz von Th un 2003 Th omann 2004 Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 Wiesner 2015 Wiesner 2010) integriert Die Loumlsungsentwuumlrfe sind als ein bdquoZeichen der Lebendigkeitldquo (Riemann 1975 S 203) und Beweglichkeit sowohl von Menschen als auch von Systemen zu verstehen Die beschriebenen Strukturdiag-nosen von Riemann (1975) fi nden sich indirekt z B als (depressive zwanghaft e schi-zoide und hysterische) Persoumlnlichkeitsdispositionen in der ICD-10 oder der DSM-IV-TR (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 187) Die Grundpfeiler dazu gehen wiederum auf die Th eorie der Neurosenstruktur aus dem Beginn der 1950er Jahre von Schultz-Henke5 (1951) zuruumlck (Th omauml 1963a Th omauml 1963b)

4 Der Psychoanalytiker und Psychologe Franz Riemann (1902ndash1979) entwarf seinen theoreti-schen Ansatz fuumlr Personen die Ideen und Grundlagen sind jedoch auch im systemischen Den-ken schluumlssig In der systemisch orientierten Organisationsforschung spricht (Tuumlrk 1976) u a von der Pathologie der Organisation

5 Der Mediziner Philosoph und Psychoanalytiker Harald Schultz-Hencke (1892ndash1953) praumlgte in der psychodynamischen Th eorie die sogenannte Neurosenstruktur wobei in seinem An-satz eine Neurosenstruktur keine Erkrankung sondern eine Struktur (gedacht eher als Mus-ter Skript Rolle) und Grundlage fuumlr manifeste Neurosen (als Krankheit) darstellt Unter den neo-psychoanalytischen Th eorien gelten die Ansaumltze von Schultz-Henke der sich bdquodem logi-schen Empirismus und des sbquoWiener Kreiseslsquo verbundenldquo (Naatz 2006 S 286) fuumlhlte als die

Christian Wiesner 212

Das Modell von Riemann (1975) beschreibt die vier bdquoFormen des In-der-Welt-Seinsldquo (Riemann 1975 S 207) als Grundimpulse bdquoStrebungenldquo (ebd S 12) und potenzielle bdquoAntriebeldquo (ebd S 47) im Hinblick und als Moumlglichkeiten und Antworten auf Situationen Kontexte und die Umwelt (ebd S 15 siehe Abbildung 3) 1) Naumlhe Kooperation Hingabe Geselligkeit Solidaritaumlt und die Gestaltung von

menschlicher bdquoBeziehungldquo (Riemann 1975 S 203) als Beziehungsorientierung (und der Angst vor Isolation Abkapslung und Alleinsein als Extremfall die de-pressive Person)

2) Wechsel Erneuerung Spontanitaumlt Flexibilitaumlt Zielorientierung und Kreativitaumlt und ein Einlassen auf Veraumlnderung und Wandel als Entwicklungsorientierung (und als Angst vor Bestaumlndigkeit Einengung Erstarrung Stillstand Unbeweglichkeit und Endguumlltigkeit als Extremfall die hysterische Person)

3) Distanz Individualitaumlt Einzelerfolg Unabhaumlngigkeit Intellekt und eine erken-nende analysierende Sachlichkeit und Distanzierung als Sachorientierung6 (und als Angst vor Abhaumlngigkeit Selbstaufgabe und Vereinnahmung als Extremfall die schizoide Person)

4) Dauer Sicherheit Zuverlaumlssigkeit Kontrolle Ordnung und eine moumlglichst dauer-haft e Geborgenheit als Stabilitaumltsorientierung (durch Unsicherheit und als Angst vor Wandel Chaos Vergaumlnglichkeit und Kontrollverlust als Extremfall die zwang-haft e Person)7

Das Modell fuumlhrt zwei Achsen ein die sowohl Erfahrungen als auch Analysen von Bestaumlndigkeit und Entwicklung in der Zeit ermoumlglichen und (System-)Probleme und Herausforderungen sowie Loumlsungen und Gelingensbedingungen sach- und bezie-hungsorientiert aufzeigen Je staumlrker ein Impuls ist desto weiter vom Nullpunkt ent-fernt wird der Impuls eingeordnet

4 Annaumlherungen aus einer lerntheoretischen Perspektive der Prozess des Lernens

Eine weitere bedeutsame Annaumlherung an das Modell der Feldtransformation und einen direkten Bezug zum Unterricht und zur Entwicklung von Fuumlhrungskraumlft en in der Schule stammt aus dem (historisch aumllteren) Ansatz des erfahrungsorientierten Lernens von Kolb (1974) und aus einem (juumlngeren) Ansatz der didaktischen Design-

empirisch am besten abgesicherten KlientinnenKlienten und PatientinnenPatienten soll-ten lernen sich der Welt zuzuwenden und die Aufmerksamkeit sollte auf die Zukunft und ein planvolleres Leben hingelenkt werden (Schultz-Henke 1951 Rudolf amp Ruumlger 1988)

6 In Fachbuumlchern wird dieser Impuls oft mals auch als bdquoAutonomieorientierungldquo (Paschen amp Dihsmaier 2014 S 41) bezeichnet Das Modell der Feldtransformation greift hierbei jedoch auf die Begriff e des bdquoInhaltsaspektsldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 S 53 f) und der bdquoOrientierung an der Sachebeneldquo (Schulz von Th un 2002 S 15 Th omann 2004 Muumlri 1993) zuruumlck um Verwirrungen mit dem Begriff der Schulautonomie zu vermeiden

7 bdquoAm Rande sei bemerkt dass die offi ziellen Werte die vor allem in der Berufswelt unserer Gesellschaft hochgehaltenlsquo werden uumlberwiegend aus dem schizoid-zwanghaft en Gebiet (Dau-er-Distanz-Tendenz) kommenldquo (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 188)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 213

theorie von Schulmeister (2004) Beide Ansaumltze moumlchten aus der Perspektive von Ler-nenden moumlglichst produktive und foumlrderliche Lerngeschehen erschaff en

Nach Schulmeister (2004) variieren Lerngeschehen betraumlchtlich und bieten Ansaumlt-ze von bdquoUmgebungen die ein individuelles Selbststudium ermoumlglichen bis hin zu ko-operativen Lern- und Wissensgemeinschaft enldquo (Schulmeister 2004 S 24 2005) Eine Form von Lerngeschehen richtet sich an Lernende die sich an einem (stabil erschei-nenden) festen (Fakten-)Wissen und standardisierten Grundwissen orientieren um auf eine Frage moumlglichst eine richtige Antwort zu fi nden Eine andere Form hingegen verfolgt die Moumlglichkeiten von Lerngemeinschaft en dadurch verfuumlgen diese Lernen-den eher uumlber ein (vielfaumlltiges) Set off ener Fragen Herausforderungen und Probleme Mit diesem Blick werden an den beiden Enden des Kontinuums auch unterschiedliche Fragen fuumlr die Didaktik in und mit Bezug auf Lerntheorien aufgeworfen Fuumlr Lern-gemeinschaft en spielt die zwischenmenschliche Kommunikation die Kooperation die Beziehungsebene oder die Resonanz das interpersonelle Feedback und gemein-same Visionen Werte und ein Vertrauen in- und untereinander eine wesentliche Rol-le Beim individuellen Lernen tauchen traditionelle Formen der Wissensvermittlung und -aneignung auf (Schulmeister 2004) Bei dem Modell von Schulmeister (2004 2005) bildet die senkrechte Achse ab mit welcher Orientierung das Lernen jeweils am besten von Lernenden verstanden wird (z B regelgeleitete und off ene Lernformen) Auf der waagrechten Achse befi nden sich wiederum als Pole das bdquoindividuelle Lernenldquo (Schulmeister 2004 S 25) und die bdquoLerngemeinschaft ldquo (ebd) wodurch vier Felder des Lernens entstehen (siehe Abbildung 3)

Abbildung 3 Vier Formen des In-der-Welt-Seins Lehren und Lernen ndash die Verbindung von Riemann 1975 und Schulmeister 2004 (eigene Darstellung)

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanzindividuelles Lernen Lernkooperationen

kein

fest

er In

halt

Sta

ndar

d-I

nhal

t

Individualitaumlt

Einzelerfolg

Intellekt

Veraumlnderung

Spontanitaumlt

Lebendigkeit

Sachlichkeit

Abstand

Autonomie

Kooperation

Geselligkeit

Gefuumlhle

Wandel

Flexibilitaumlt

Zielorientierung

Sicherheit

Verantwortung

Zuverlaumlssigkeit

Ordnung

Kontrolle

Detailmanagement

Menschlichkeit

Solidaritaumlt

Vertrauen

Christian Wiesner 214

Die Th eorie des erfahrungsorientierten Lernens von Kolb (1973 1974 2015)8 wur-de uumlber Jahrzehnte sehr ausdiff erenziert entwickelt und greift im Grunde wie Schul-meister (2004 2005) auf die Idee von zwei Achsen und vier Feldern zuruumlck In der Fachliteratur wird die Th eorie als besonders geeignet zur Analyse der Hochschulpra-xis fuumlr das unternehmerische Lernen und zur Professionalisierung von Fuumlhrungskraumlf-te beschrieben (Gemmell Boland amp Kolb 2012 Blom 2000) Nach Kolb (1974 2015) ist ein Lernprozess immer ein zyklisches Geschehen und mit konkreten Erfahrungen und Konzepten verbunden9 bdquoDer Lernende macht Erfahrungen die von ihm bewertet werden sodass die neugewonnenen Einsichten probeweise angewendet werden koumln-nenldquo10 (Blom 2000 S 33) Das Lernen ist nach Kolb (1974) immer mehr oder weni-ger aktiv oder beobachtend und mehr oder weniger abstrakt oder konkret11 Lernen wird vor allem durch Denken und Konzepte (bei Kolb 2015 S 98 bdquothinking orien-tationldquo) und durch sinnliche Wahrnehmung und Empfi ndung als Erfahrung12 (mit-telhochdeutsch ervarunge meinte Erforschung Durchwanderung Khittl 2007 S 147 bei Kolb 2015 S 98 bdquofeeling orientationldquo) bestimmt Der Lernprozess vollzieht sich durch das Zusammenwirken von Erfahrungen und Konzepten und in Umdrehungen im Sinne eines konzentrischen Lernens Es handelt sich um ein bdquoLearning by doingldquo (Blom 2000 S 33) Erfahrungen werden wahrgenommen und refl ektiert wodurch neue Konzepte und (subjektive) Th eorien gebildet und abgeleitet werden die in und an der Praxis gepruumlft werden wodurch neue Erfahrungen entstehen und sich neue Lernspiralen eroumlff nen Die Konzepte und Th eorien werden dabei bestaumltigt oder wi-derlegt Die Abfolge legt damit eine Richtung fuumlr die Lernspirale fest (siehe Abbildung 4)13

Lernen und sich Wissen14 anzueignen ist fuumlr Kolb amp Kolb (2005) am besten als ein fortlaufender Prozess zu verstehen und nicht von Ergebnissen her zu denken Lernen ist dabei von vielen Faktoren abhaumlngig (Kolb 1974) der eigenen Lernbiographie der Motivation dem persoumlnlichen Interesse den eigenen Zielen und Lernstrategien der

8 Die Th eorie des erfahrungsorientierten Lernens ist empirisch bereits sehr gut abgesichert (Kolb Boyatzis amp Mainemelis 2001 Kolb amp Kolb 2005 Mainemelis Boyatzis amp Kolb 2002 Gemmell Boland amp Kolb 2012)

9 bdquoKnowledge results from the combination of grasping and transforming experienceldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 194)

10 Es handelt sich nicht um ein Trial-and-Error-Prinzip da das Erfahrungslernen nach Kolb (1974) nicht auf Zufallsprinzipien beruht (Blom 2000)

11 Die Th eorie Kolbs wird seit ihrer Veroumlff entlichung in den 70er Jahren von anderen Autoren adaptiert weiterentwickelt und fuumlr Studien- und Forschungsvorhaben genutzt Gleichzeitig entstehen bei den Erweiterungen Diff erenzen in den Begriffl ichkeiten und eine diff erenzierte Auseinandersetzung ist notwendig um die Gemeinsamkeiten erneut herzustellen (Gerlach amp Squarr 2004)

12 Erfahrung verweist hier bdquoauf die wahrnehmend herstellende Aktivitaumlt eines sich in seiner Leib-lichkeit empfi ndenden Subjektsldquo (Khittl 2007 S 145) Erfahrungen die bdquoaus dem Handeln gewonnen werden sind die Grundlage weiteren Handelns veraumlndern das weitere Wahrneh-mungs- und Empfi ndungsvermoumlgen ebenso wie die Vorgehensweisen beim Tun und Herstel-lenldquo (ebd)

13 bdquoTh is process is portrayed as an idealized learning cycle or spiral where the learner bdquotouches all the basesldquo ndash experiencing refl ecting thinking and acting ndash in a recursive process that is re-sponsive to the learning situation and what is being learnedldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 194)

14 bdquoTh e process of changing data into knowing is what Kolb calls bdquotransformation of experienceldquo (Zull 2002 S 33)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 215

direkten Auseinandersetzung mit einem authentischen Lerngegenstand dem Ausbau personalen Wissens durch abstrakte Begriff sbildung Entscheidungen die wir treff en Situationen die wir durchleben usw (Katzlinger 2008) Dauerhaft e und stabile Muster des Lernens entstehen durch Kolb (2015) durch das Zusammenwirken zwischen Men-schen Situationen und der Umwelt von einer Szene und Atmosphaumlre zu einer naumlchs-ten Szene und Atmosphaumlre15 (Petzold 1991 S 853) in der Lebenswelt16 Szenen sind immer bdquoerlebte Kontexteldquo (Petzold 1982 S 167) also Erfahrungen (Kolb 1973) Ler-nen durchschreitet in dem Modell der Lernspirale zyklisch und rekursiv vier unter-schiedliche Phasen (Felder Muster)17 die schlieszliglich bei Personen bestimmte (oft mals relativ stabile) Verhaltens- und Handlungsmuster herausbilden Lernende tendieren nach Kolb (1974) naumlmlich dazu bestimmte Lernfelder18 (uumlber die Zeit hinweg) zu fa-vorisieren und zeigen durch diese Bevorzugung auch verschiedene Potenziale und De-fi zite Fuumlr Kolb (1974 2015 Kolb amp Kolb 2005) gibt es vier Felder des Lernens 1) Konvergierendes Lernen ermoumlglicht grundsaumltzlich vernuumlnft ige rasche Entschei-

dungsfi ndungen und das Umsetzen von praktischen Loumlsungen und Anwendun-gen (Kolb amp Kolb 2005) Die Staumlrke (und Schwaumlche) des konvergierenden Lernens liegt im Loumlsen von Problemen durch das aktive Erproben Einuumlben und Anwenden von Konzepten19 und Regeln wodurch eine Entscheidungsfi ndung auch rasch er-folgen kann Loumlsungen beruhen dabei auf gleichen oder sehr aumlhnlichen Bedingun-gen (z B Regeln objektive Gesetze Normierungen) und erfordern gleiche oder aumlhnliche Entscheidungen (Kolb 2015) Fuumlr eine Situation oder ein spezifi sches

15 Alles was wahrgenommen und handelnd erreicht wird gehoumlrt zu einer Szene wie bdquoBeziehun-gen Begegnungen und Handlungenldquo (Petzold 1982 S 167 f) in Situationen und ihrer bdquoAtmo-sphaumlreldquo (Petzold 1991 S 852) Eine Szene ist in Bewegung niemals statisch und eine bdquoleben-dige Struktur in mir um mich herum durchmischtldquo (Petzold 1982 S 168)

16 bdquoTo elaborate further the complex dynamic nature of learning style and its formation through transactions between the person and environment we introduce the concept of learning space Th e concept of learning space builds on Kurt Lewinrsquos fi eld theory and his concept of life space [hellip] It embraces needs goals unconscious infl uences memories beliefs events of a politi-cal economic and social nature and anything else that might have direct eff ect on behaviorldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 199)

17 Zull versuchte das Modell auch neurobiologische fundiert zu erklaumlren bdquoPut into words the fi -gure illustrates that concrete experiences come through the sensory cortex refl ective observa-tion involves the in- tegrative cortex at the back creating new abstract concepts occurs in the frontal integrative cortex and active testing involves the motor brain In other words the lear-ning cycle arises from the structure of the brainldquo (Zull 2002 S 18 f)

18 Kolb (2015) benennt vier Lernstile beschreibt diese aber als Prozess und nicht als manifeste (Persoumlnlichkeits-)Stile In diesem Beitrag wurden die Arbeiten von Kolb von 1973 bis 2015 im Sinne von bdquocommon factorsldquo (Petzold Scheiblich amp Th omas 2006 S 76) seiner Arbeiten zu-sammengefasst (siehe Abbildung 4)

19 Kolb (1973 2015) versteht im bdquoconvergent learning styleldquo (Kolb 2015 S 114 f) die Verwen-dung von bdquoactive experimentationldquo nicht als ein aktives wissenschaft liches Experimentieren (bdquoassimilative learning styleldquo) als keine sozial-intuitiv-kreativen Versuche (bdquodivergent learning styleldquo) oder als ein sinnorientiertes Durcharbeiten von Th emen (bdquoaccommodative learning styleldquo) sondern vielmehr das produktive Ausprobieren Erproben und Einuumlben von Konzep-ten und Regeln v a fuumlr Probleme oder Situationen die nur eine einzige richtige Antwort er-moumlglichen bdquoWe have called this learning style the converger because a person with this style seems to do best in situations like conventional intelligence tests where there is a single cor-rect answer or solution to a question or problemldquo (Kolb 2015 S 114) Kolb (1973) formuliert diese Perspektive Anfang der 70er Jahre noch als bdquoformation of abstract concepts and general-izationsldquo (ebd S 2)

Christian Wiesner 216

Problem gibt es als Loumlsung meist nur eine einzige richtige Antwort (Kolb 1974) Personen die dieses Lernen bevorzugen sind nach Kolb amp Kolb (2005) sehr inte-ressiert an einem angeleiteten Refl ektieren neuen Ideen und an technologischen Faumlchern

2) Assimilierendes Lernen ist nach Kolb amp Kolb (2005) das Verstehen von einer Viel-zahl von Informationen die in eine praumlgnante logische Form gebracht werden Die Staumlrke (und Schwaumlche) des assimilierenden Lernens liegt somit in dem Ent-werfen von abstrakten Konzepten und theoretischen Modellen was durch induk-tives Denken und das Verbinden von Erklaumlrungen und Schlussfolgerungen erfolgt (Kolb 2015) Wie das konvergierende Lernen ist das assimilierende Lernen wenig auf zwischenmenschliches ko-operatives Lernen oder auch auf einen praktischen Wert fokussiert sondern auf abstrakte Konzepte Th eorien und Ideen Wichtig ist die Logik von Konzepten die Defi nition von Problemen und das praumlzise aktive (wissenschaft liche) Experimentieren z B mit quantitativen Daten (Kolb 2015) Nach Kolb amp Kolb (2005) sind Personen die dieses Lernen bevorzugen besonders geeignet fuumlr analytisches forschendes und abstraktes (wissenschaft liches) Denken in Konzepten und Th eorien

Abbildung 4 Das erfahrungsorientierte Lernen die Theorie von David A Kolb von 1973ndash2015 (eigene Darstellung)

3) Divergentes Lernen ist nach Gemmell Boland amp Kolb (2012) vor allem stark mit kreativem Denken verbunden Die Staumlrke (und Schwaumlche) des divergenten Ler-nens ist die konkrete Erfahrung die intuitive und einfallsreiche Vorstellungskraft eine besondere Faumlhigkeit Situationen und Probleme aus vielen Perspektiven zu er-kennen die Kompetenz mehrere Alternativen generieren und Beziehungen (zwi-schen Menschen und auch Inhalten) sinnvoll gestalten zu koumlnnen (Kolb 2015)

convergent

learningselecting information

making decisions

choosing the best option

assimilative

learningorganizing information

testing theories and models

analyzing quantitative data

divergent

learninggathering information

listening with an open mind

being sensetive to people`s

feelings

accommodative

learningbeing personally involved

dealing with people

influencing and leading

others

ImaginingAnalyzing

DecidingInitiating

Reflecting

Acting

ExperiencingThinking

abstract-active

opening

alternatives and

perspectives

closing on

the single best

option for action

active learning in

context and getting

involved in new

experiences

reflective

conceptual

learning

imagine

possibilities by

reflecting and

experiencing

to use models to

decide on

problem

solutions

the ability to

systematize

ideas through

reflection

the ability to initiate

and to deal

with experiences

and situations

abstract-reflective concrete-reflective

concrete-activeextraverted thinking extraverted sensing

introverted analyzing introverted feeling

action skills

leadership

initiative

valuing skills

relationship

helping-others

thinking skills

information-analysis

theory-building

decision skills

goal-setting

use of technology

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 217

Diese Lernenden sind intuitiv damit in der Lage in einem Lerngeschehen beson-ders reichhaltige und vielfaumlltige Ideen zu generieren zusaumltzlich die Ideen aus ver-schiedenen Blickwinkeln zu betrachten (Kolb amp Kolb 2005) und sich durch ihr Interesse an Menschen in Lerngemeinschaft en aktiv und produktiv einzubringen Nach Kolb und Kolb (2005) koumlnnen Personen die dieses Lernen bevorzugen off en und aufgeschlossen zuhoumlren und erhalten gerne persoumlnliches Feedback

4) Akkomodatives Lernen ist nach Kolb amp Kolb (2005) vor allem dadurch gepraumlgt durch (praktische) Erfahrungen integrativ zu lernen Die Staumlrke (und Schwaumlche) des akkomodativen Lernens greift im Gegensatz zum assimilierenden Lernen so-mit auf die konkrete Erfahrung eine ausgepraumlgte Initiationskraft und auf die Ent-faltung von transformierenden Wirkungen zu um das (aktive) Handeln mit Chan-cen und Erfahrungen zusammenzufuumlhren (Kolb 2015) Diese Lernenden neigen dazu Herausforderungen und Probleme auf eine sinnorientierte Art und Weise zu loumlsen wo andere Lernende Konzepte Th eorien oder Plaumlne auf Grundlage eines abstrakt-analytischen Zugangs bereits als Moumlglichkeiten und Innovationen verwer-fen (Kolb 2015) Personen die dieses Lernen bevorzugen lassen sich nach Kolb amp Kolb (2005) gerne auf neue Erfahrungen ein stellen sich neuen und herausfor-dernden Erfahrungen und bewerten gerne verschiedene Ansaumltze und Alternativen

Weitere empirische Arbeiten und Studien zum erfahrungsorientierten Lernen identifi -zierten vier weitere Muster die von Abbey Hunt und Weiser (1985) und Hunt (1987) als Nord- Ost- Suumld- und Westvariante20 bezeichnet wurden Personen die eher dem Experiencing-Pol als bdquofeelingldquo (Hunt 1987 S 155 Kolb amp Kolb 2005 S 197)21 zu-zurechnen sind koumlnnen sich besonders in die Innenwelt des Refl ektierens einlassen und danach handeln jedoch haben sie Schwierigkeiten dabei Erfahrungen zu kon-zeptualisieren Personen die dem Aspekt des bdquorefl ectingldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) zuordenbar sind tendieren zu der Faumlhigkeit des sowohl gefuumlhlsorientierten als auch konzeptuellen vertiefenden Nachdenkens und In-Gedanken-Seins haben jedoch ein Problem damit Plaumlne umzusetzen Personen die den Aspekt von bdquothinkingldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) betonen haben hohe konzeptionelle und analytische Faumlhigkei-ten jedoch kaum einen Kontakt zu den eigenen Empfi ndungen Gefuumlhlen und Emo-tionen ndash ihre Refl exionsleistungen sind sehr sachorientiert (Hunt 1987 S 155) Per-sonen die vom Aspekt bdquoactingldquo profi tieren greifen auf eine gute Handlungsfaumlhigkeit zuruumlck jedoch ist der konzeptuelle Rahmen oft mals unklar und mit geringen Moumlg-lichkeiten versehen den Rahmen durch Refl exionsleistungen zu korrigieren (Kolb amp

20 In Abbildung 4 wurden die Felder gemaumlszlig der Feldtransformation angeordnet wodurch die Ausrichtung an den Himmelsrichtungen nun nicht mehr dem Modell des erfahrungsorientier-ten Lernens entspricht

21 Kolb amp Kolb (2005) bauen hier auf dem Ansatz von Myers (1998) auf bei diesem Ansatz wird zwischen bdquojudgingldquo (ebd S 6) sowohl als bdquothinkingldquo (bei Kolb 2015 S 143 begriffl ich bdquode-cidingldquo und bdquodeciding skillsldquo ebd S 136) als auch bdquofeelingldquo (bei Kolb 2015 S 104 begriff -lich bdquoimaginingldquo und bdquovaluing skillsldquo ebd S 136) unterschieden Gleichzeitig kann nach My-ers (1998) bdquoperceivingldquo (ebd S 6) unterteilt werden in ein emotionsorientiertes bdquosensingldquo (bei Kolb 2015 S 143 begriffl ich bdquoinitiatingldquo und bdquoacting skillsldquo ebd S 136) und in eine ratio-nal-kognitiv gemeinte bdquointuitionldquo (bei Kolb 2015 S 104 begriffl ich bdquoanalyzingldquo und bdquothinking skills ebd S 136)

Christian Wiesner 218

Kolb 2005) Mainemelis Boyatzis und Kolb (2002) legten zusaumltzlich ein Muster von einem relativ ausgewogenen Lernen fest welches nun unter dem Begriff bdquobalanced learningldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) bekannt ist

Ein idealer Prozess des Lernens fi ndet nach Kolb (2015 S 51) dann statt wenn die grundlegenden vier Felder des Ursprungsmodells in einer zyklischen Spirale und einem rekursiven Prozess aktiviert werden (vgl Abbildung 4) ndash Erfahrung (bdquoexpe-riencingldquo) refl ektierendes Nachdenken (bdquorefl ectingldquo) Denken (bdquothinkingldquo) und Han-deln (bdquoactingldquo) Lehrpersonen und Paumldagogen sollten nach Kolb (2015) die Flexibi-litaumlt der Rollen und Stile durch fundierte Professionalisierung verstehen und gezielt entwickeln22 um selbst aus einem reichhaltigen Repertoire schoumlpfen zu koumlnnen und um Lernende moumlglichst vielfaumlltig zu erreichen Im Sinne des bdquoBalancingldquo (Kolb D A 2015 S 143) sollten alle vier Felder produktiv nutzbar sein um einen idealen Lern-prozess fuumlr sich selbst und andere zu ermoumlglichen (Corbett 2005) Die Erkenntnis-se des erfahrungsorientierten Lernens sind sowohl fuumlr die Professionalisierung und Qualifi zierung von Lehrpersonen und Fuumlhrungskraumlft en wichtig und sollten fuumlr neue innovative Herangehensweisen an Schul- und Unterrichtsentwicklung (z B Lernge-meinschaft en) und Systementwicklung (z B Balancing von Schwerpunkten und Re-formen) beruumlcksichtigt werden

5 Annaumlherungen aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive der Prozess der zwischenmenschlichen Kommunikation

Th omann amp Schulz von Th un (2003)23 verwenden die vier Grundimpulse von Rie-mann (1975) in ihrem kommunikationswissenschaft lich orientierten bdquoWegweiserldquo (ebd S 176 ff ) fuumlr Fuumlhrungspersonen und Gruppen aus einem systemischen bdquoBlick-winkelldquo (Th omann 2004 S 225) um die Intensitaumlt der jeweiligen Aktivierung auf den Achsen zu bestimmen und die fl ieszligenden Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten zu ver-anschaulichen Auch Stahl (2012) zieht das Modell von Riemann (1975) fuumlr seinen bdquoGruppenkompassldquo (ebd S 250) heran um ein bdquoFeld der Gruppeldquo24 (ebd S 253) darstellen zu koumlnnen Das Modell der Feldtransformation speist sich auch aus dem psychotherapeutischen Ansatz der zwischenmenschlichen Kommunikation von Watz-lawick Beavin amp Jackson (2000 Wiesner 2015) aus psychologisch-kommunika-tionswissenschaft lichen Entwuumlrfen mit Bezug zu Leadership (Th omann amp Schulz

22 bdquoIndividuals however tend to have a defi nite preference for one or two roles over the others because of their educational philosophy their personal teaching style and the requirements of their particular educational setting including administrative mandates and learner needsldquo (Kolb 2015 S 306)

23 Der Psychologe und Kommunikationswissenschaft ler Friedemann Schulz von Th un entwickel-te das Kommunikationsquadrat (Schulz von Th un 2002) Das Modell geht von der Annahme aus dass jede Nachricht bzw Aumluszligerung nach vier Aspekten (Seiten) interpretiert werden kann

24 Ein Feld einer Gruppe stellt fuumlr Stahl (2012) z B in einer Organisation die Naumlhe oder Distanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar Oder auch wie viel Dauer oder Wechsel man einer Gruppe zumuten oder von einer Gruppe einfordern darf ohne dass Konfl ikte entstehen und die Gruppe als Ganzes gefaumlhrdet wird

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 219

von Th un 2003 Th omann 2004 Wiesner 2015) und aus Modellen zum inhaltsbe-zogenen kritischen und kreativen Denken und der Komplexitaumltsforschung (Jonas-sen 1996 Astleitner 1998 Csikszentmihalyi 2010 Wiesner 2010 Stacey amp Mowles 2016)

Die Perspektive der zwischenmenschlichen Kommunikation von Th omann (2004) und Th omann amp Schulz von Th un (2003) greift auf die Unterscheidung von bdquoInhalts-aspektldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 S 56) und bdquoBeziehungsebeneldquo (Mer-ten 1977 S 133) zuruumlck25 Uumlber den Inhaltsaspekt werden die bdquoSachinformationenldquo (Roumlhner amp Schuumltz 2012 S 26) und die bdquoTatsachendarstellungenldquo (Reichwald amp Hen-sel 2007 S 651) kommuniziert uumlber den Beziehungsaspekt die Beziehung und de-ren Bedeutung zu sich zu den anderen zur Situation und der Umwelt Der inhalt-liche Aspekt ist in Fuumlhrungsmodellen bdquozur Foumlrderung der Aufgabenerfuumlllung und Zielerreichungldquo (Reichwald amp Hensel 2007 S 652) zentral Gerade die Unterschei-dung zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt ist fuumlr Roumlhner und Schuumltz (2012) bdquobe-sonders wichtig wenn Kommunikationsstoumlrungen vorliegenldquo (ebd S 27) da die bdquoFoumlrderung der sozialen Integration des Zusammenhalts und der Beziehung zwi-schen Menschenldquo (Reichwald amp Hensel 2007 S 652) durch die Beziehungsorientie-rung bestimmt wird Th omann und Schulz von Th un (2003) verwenden die Th eorie von Riemann (1975) um Fuumlhrungspersonen in die vier Felder des Modells26 einzutei-len Die horizontale Achse entspricht erneut den Polen der Inhalts- und Sachorientie-rung (Distanz und Naumlhe) Diese beiden Aspekte koumlnnen in einer weiteren Diff eren-zierung auch als Unterscheidung von der bdquoVerstandesweltldquo (von Saldern 2010 S 80) bzw dem bdquothinkingldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) und der beziehungs- und emotions-orientierten bdquoIntuitionsweltldquo (von Saldern 2010 S 80 Holtfort 2013) dem bdquofeelingldquo (Hunt 1987 S 155 Kolb amp Kolb 2005 S 197) bzw der bdquoBegegnungs- und Gefuumlhls-ebeneldquo (Muumlri 1993 S 58) verstanden werden Die vertikale Achse wird zwischen den Polen der Dauer und des Wechsels aufgespannt (Schratz Hartmann amp Schley 2010) und verbindet das Streben nach Verlaumlsslichkeit Bestaumlndigkeit sowie das Streben nach Entwicklung als die Bereitschaft bdquoTraditionen und Gewohntesldquo (ebd S 26) zu veraumln-dern Wechsel und Chaos sind als eine bdquonormale Durchgangsstation im Wachstumldquo (Muumlri 1993 S 20) zu verstehen

Die Gestaltung der Fuumlhrungsrolle und ihre Anforderungen und Herausforde-rungen an eine Fuumlhrungsperson kann in Anlehnung an Th omann (2004) und Ul-rich Zenger und Smallwood (2000) durch die vier Grundtendenzen dargestellt wer-den (siehe Abbildung 5) wodurch die bdquoDenkrichtung Denkart und Weltanschauungldquo (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 184) von Fuumlhrungskraumlft en als bevorzugte Muster durch die Grundimpulse (und Felder) bestimmt werden

25 bdquoJede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt derart dass Letzterer den Ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation istldquo (Watzlawick Beavin amp Jack-son 2000 S 56)

26 Einseitige bdquoFuumlhrungsstile und Managementtheorien koumlnnen ndash mit anderen Worten ndash nie ab-solut richtig sein sie brauchen immer mindestens das Korrektiv der Gegenseiteldquo (Th omann 2004 S 255)

Christian Wiesner 220

Abbildung 5 Ein Leadership- amp Management-Modell Vier Formen des Mit-der-Welt-Kommuni-zierens und In-die-Welt-Houmlrens als Verbindung von Riemann 1975 Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 Thomann amp Schulz von Thun 2003 Thomann 2004 Pool 2007 Schratz Hartmann amp Schley 2010 Schley amp Schley 2010 Wiesner 2010 2015 (eigene Darstellung)

Auch in der Leadership Academy (LEA)27 in Oumlsterreich wurden die vier Grundten-denzen als bdquovier Schluumlsselelemente von Fuumlhrungseigenschaft enldquo (Pool 2007 S 45) verwendet 1) die Innovationsorientierung (bzw Zukunft ) fuumlr den Wechsel 2) die Kontinuitaumltsorientierung fuumlr die Dauer 3) die Ergebnisorientierung fuumlr die Distanz und 4) die Kommunikationsorientierung fuumlr die Naumlhe (Pool 2007) Dabei wurde die Th eorie von Riemann (1975) mit dem Entwurf der ergebnisorientierten Unterneh-mensfuumlhrung von Ulrich Zenger amp Smallwood (2000) in Beziehung gesetzt (Schley

27 Das Modell wurde als Feldtransformation (Gregorzewski Schratz amp Wiesner 2016) bezeich-net und als Weiterentwicklung der ergebnisorientierten Unternehmensfuumlhrung (Ulrich Zen-ger amp Smallwood 2000) sowie dem Riemann-Schley-Modell der Systemqualitaumlten (Schley amp Schley 2010) mit der 13 Generation der LEA eingefuumlhrt (Wiesner Schreiner Paasch Gregor-zewski amp Schratz 2018) Das Modell bdquodeckt ein weites Spektrum eines Kompetenzgefuumlges von sozialen und situativen Handlungen ab fuumlgt bisherige Aufgaben und Anforderungen an eine Schulleitung konfl uent zusammenldquo (Schratz et al 2016 S 232 Wiesner George Kemethofer amp Schratz 2015)

Vertrauen ist besser (als Kontrolle)

Walking around

Wir-Gefuumlhl

Strategie

Begeisterungsmotivation

Wachstumsunterstuumltzung

Kreatives Chaos

Hineinwachsen lassen

Beziehungs-

orientierungAufeinander zugehen

Stabilitaumltsorientierung

Innovationsorientierung

Sach-

orientierung

Richtung vorgeben

Kooperation

Engagement

Konzepte

Kontrolle ist besser (als Vertrauen)

Maszlignahmen

Hierarchie

Weisung

Rituale

Partizipation

Vision

Entwicklungsorientierung

Kontinuitaumltsorientierung

Kommunikations-

orientierung

Ergebnis-

orientierung

Ziele

Ergebnisse analysieren

Werte leben

Entscheidungen treffen

Kultur foumlrdern

Zukunft fokussieren

kritisches Denken

kreatives Denken

Qualitaumlt verbessern

Effizienz

Sicherheit

Szenarien definieren

inhaltsbezogenes Denken

Initiationskraft

fuumlr Prototypen

verschiedene Ideen und

Moumlglichkeiten von Prototypen

neue Moumlglichkeiten fuumlr

Produkte herausarbeiten

Instrumentalisierung

von Produkten

PlaumlneMeta-Fuumlhrung

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanz

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 221

amp Schratz 2007) Die Staumlrke des Modells liegt nach Pool (2007) in bdquodem Hinweis auf die Wichtigkeit sowohl der Ziel- als auch der Visionsorientierung im Bereich Innova-tion und Entwicklungldquo (ebd S 45) von Schulen (als lernende Organisationen Argy-ris amp Schoumln 2008) Leadership im Sinne von (paumldagogischer) Fuumlhrung orientiert sich an der Innovation und der Kontinuitaumlt und bdquostrebt sowohl Ziele als auch Ergebnisse an die nur mit den Menschen und Mitarbeitenden der Organisation im Dialog zu er-reichen sindldquo (ebd S 45) Fuumlhrungspersonen sollten ganzheitliche Kompetenzen im Sinne eines bdquoBalancingldquo (Kolb 2015 S 143) erwerben um sich sowohl gedanklich lernend als auch strategisch in den vier Quadranten (Feldern) bewegen zu koumlnnen um Entwicklungs- und Stabilisierungsprozesse zu ermoumlglichen (siehe Abbildung 5)

Menschenfuumlhrung und (Meta-)Kommunikation beginnt fuumlr Th omann (2004) bei jeder Fuumlhrungskraft selbst vor allem durch eine Ausgewogenheit der vier Grundim-pulse um nicht eine bdquoEigenart zum Maszligstabldquo (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 186) zu erheben und zum bdquoNullpunktldquo (ebd) zu machen bdquoZu starke Gewichtun-gen eines Eigenschaft sbereichs wirken sich nachteilig auf die Auspraumlgungen anderer Eigenschaft sbereiche aus und mindern entsprechend die Qualitaumlt der zu erreichenden Zieleldquo (Pool 2007 S 45 f) Wiesner (2010) zeigt auf Grundlage von vier Feldern die Beziehung zwischen unterschiedlichen Kommunikationstheorien (Modelle der Kom-munikation) der Forschung zum kritischen und kreativen Denken (Jonassen 1996 Astleitner 1998 Csikszentmihalyi 2010 Wiesner 2010 Stacey amp Mowles 2016) und der Didaktik (Baumgartner amp Payr 1999) in seinem Ansatz der analytischen Betrach-tung der zwischenmenschlichen Kommunikation in der Aus- Fort- und Weiterbil-dung auf (siehe Abbildung 6) 1) Instruktionalistisch-behavioristische Modelle des ersten Quadranten (i) stel-

len Kommunikation als eine Uumlbertragung zwischen Sender und Empfaumlnger dar Im Vordergrund steht der Gedanke von Kommunikation als Zeichenuumlbertragung unter bestimmten Regeln die Annahme der Ver- und Uumlbermittlung von etwas bdquoIdentischemldquo (die sogenannte bdquoContainerideeldquo) und bdquovon der Moumlglichkeit einer eindeutigen Rekonstruktionldquo (Wiesner 2010 S 5) der Mitteilung bzw Botschaft (Burkart 1998) Das zentrale Element jedes kommunikativen Prozesses ist tun-lichst die Geraumlusch- oder Stoumlrquellen zu reduzieren bzw zu minimieren (Shan-non 1948 Shannon amp Weaver 1972) um stoumlrungsfreie Kommunikationsprozes-se zu etablieren (Wiesner 2010) Auch nach dem Entwurf von Kolb (1974 2015) ist diese Form der Kommunikation mit Blick auf die Distanz-Dauer-Tendenz vor allem auf rasche moumlglichst ableitbare und damit vernuumlnft ige Entscheidungen ohne (zu viele) Stoumlrquellen und moumlglichst bloszlig einer richtigen Antwort ausgerich-tet Die zwischenmenschliche Kommunikation ist eher unpersoumlnlich jedoch eben entscheidungsorientiert und ist von einer objektiven Kritik gepraumlgt (bdquoextraverted thinkerldquo28 Kolb 2015 S 122) Das Lehren wird als linearer Prozess und Anlei-

28 Kolb (2015) greift hier auf die systematische Ordnung von Einzelbeobachtungen als Denkty-pen von Carl Gustav Jung (1875ndash1961) und die Ausformulierungen von Myers (1995 1998) zuruumlck Kolb (2015) schreibt zum bdquoextraverted thinkerldquo (ebd S 122) bdquoHe organizes facts si-tuations and operations well in advance and makes a systematic eff ort to reach his careful-ly planned objectives on schedule He believes everybodyrsquos conduct should be governed by lo-gic and governs his own that way so far as he can He lives his life according to a defi nite set

Christian Wiesner 222

tung gesehen wobei Lernende in didaktischen Schleifen die Inhalte (den Stoff das Fakten- und Grundwissen) anwenden uumlben identifi zieren auswaumlhlen und wie-derholen bis der erwartete Erfolg eintritt (Kron amp Sofos 2003) Das instruktio-nalistische Lehren ist eine bdquoprominente und einfl ussreiche akademische Richtungldquo (Holzinger 2001 S 112) innerhalb der Lernpsychologie vor allem fuumlr kleinschrit-tige Problemloumlsungen und Wiederholungsuumlbungen mit anschlieszligender Ruumlckmel-dung (Wiesner 2010)

2) Kognitivistische Modelle des zweiten Quadranten (ii) betonen die Prozesse des (analytischen) Denkens und Kommunizierens und versuchen die bdquoverschiede-nen Prozesse zu unterscheiden zu untersuchen und miteinander in ihrer jewei-ligen Funktion in Beziehung zu setzenldquo (Baumgartner amp Payr 1999 S 133) Die-se Modelle suchen nach einer (analytisch) idealen Kommunikation und beinhalten neben einem Kommunikatoreiner Kommunikatorin immer eine aktive Rezipien-tineinen aktiven Rezipienten (als Produzentin)29 Im Vordergrund stehen meist der gemeinsame Zeichenvorrat (ZV) als bdquoshared codeldquo (Faulstich 2002 S 35) die Denkprozesse das Vorwissen und die En- und Decodierungsprozesse der zwi-schenmenschlichen Kommunikation (Wiesner 2010) Mit (kognitivem) Lehren werden die Analyse und das Zerlegen Klassifi zieren Ordnen von Daten Informa-tionen und Wissen die Foumlrderung des Konzeptlernens und die Anwendung von Wissen auf Situationen im Sinne von Transfer verbunden (Lefrancois 1986 Seel 2000 Holzinger 2001) Anderson (2001) geht davon aus wenn wir in der kogniti-vistischen Lehre im Sinne eines introverted analyzing30 hinreichend verstehen wol-len bdquowie Menschen ihr Wissen und ihre intellektuellen Faumlhigkeiten erwerben und auf welche Weise sie ihre geistigen Groszligtaten vollbringen dann koumlnnten wir die Schulung ihres Denkens und ihre intellektuellen Leistungen entsprechend verbes-sernldquo (ebd S 4) Im Gegenzug fi ndet fuumlr Baumgartner und Payr (1999 S 105) beim Kognitivismus im Sinne einer Distanz-Wechsel-Tendenz dennoch eine bdquozu starke Konzentration auf geistige Verarbeitungsprozesse stattldquo

3) Bei konstruktivistischen Modellen im dritten Quadranten (iii) geht es um die Grundfrage wie menschliche Erkenntnis und Erfahrung zustande kommen und sich fortlaufend entwickeln (Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 Kron amp Sofos

of rules that embody his basic judgments about the world Any change in his ways requires a conscious change in the rules [hellip] He likes to decide what ought to be done and to give the requisite ordersldquo

29 Im Sinne von Lippmann (2013) und Rauen (2014) kann das Kommunikationshandeln des Mentorings erster Ordnung als Form der karriereorientierten Beratung genannt werden

30 Bei Kolb (2015 S 122) wird die Form als bdquointroverted intuitive typeldquo nach Jung (1921) und Myers (1998) bezeichnet obwohl das Feld von einer Distanz-Wechsel-Tendenz bestimmt wird Auch fuumlr Kolb (2015) entspricht die Benennung nach Jung und Myers nicht umfassend dem Konzept des erfahrungsorientierten Lernens und schreibt dazu bdquoMyersrsquos description of this type is similar to the description of the assimilative conceptual orientation but suggests a slightly more practical orientation than we indicateldquo (Kolb D A 2015 S 122) Kolb (2015) schreibt dazu bdquoIn assimilation the dominant learning abilities are abstract conceptualizati-on and refl ective observation [hellip] Th is orientation is less focused on people and more con-cerned with ideas and abstract concepts Ideas however are judged less in this orientation by their practical value Here it is more important that the theory be logically sound and preciseldquo (ebd S 115)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 223

2003) Diese Modelle foumlrdern im Sinne einer Wechsel-Naumlhe-Tendenz durch zwi-schenmenschliche Kommunikationsprozesse die Wahrnehmung die Selbstver-antwortung die Kooperationsfaumlhigkeit und im Besonderen die (Selbst-)Refl exion (Wiesner 2010 2015 bei Kolb 2015 S 121 als bdquointroverted feelingldquo31) Die Foumlr-derung von Intuition Kreativitaumlt Spontanitaumlt bdquoImaginingldquo (Kolb 2015 S 104) erweitert und entwickelt damit auch die Handlungsfaumlhigkeiten (bdquoActingldquo Kolb 2015 S 143) der Lernenden In dieser Orientierung werden durch Kommunika-tionsprozesse Erfahrungen aus vergleichbaren Situationen verbunden und (emo-tionale) Handlungsfaumlhigkeiten generiert (Stacey amp Mowles 2016) bdquoDa zwischen zwei konkurrierenden Zielen kein quantitativer Vergleich und somit keine rationa-le Entscheidung moumlglich ist lernen wir intuitive Entscheidungen durch emotiona-

31 bdquoHe has too a great faithfulness to duty and obligations He chooses his fi nal values without reference to the judgment of outsiders and sticks to them with passionate conviction He fi nds these inner loyalties and ideals hard to talk about but they govern his life [hellip] He is twice as good when working at a job he believes in since his feeling for it puts added energy behind his eff ortsldquo (Kolb 2015 S 121)

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanzindividuelles Lernen Lernkooperationen

kein

fes

ter

Inha

ltS

tand

ard

-Inh

alt

ZV

Kommunikatorin Produzentin

kognitivistisches

Lehren amp Lernen

konstruktivistisches

Lehren amp Lernen

instruktionales

Lehren amp Lernen

Meta-Lehren amp

Meta-Lernen

M

IA IA

BA BA

zirkulaumlresSystem

zirkulaumlresSystem

kritisches Denken

Entwicklungsorientierung

Sach-orientierung

Beziehungs-orientierung

Stabilitaumltsorientierung

kreatives Denken

inhaltsbezogenes Denken komplexes sinnorientiertes Denken

IPK20 IPK30

IPK10 IPK40

Stoumlrungen

Sender Empfaumlnger

BeziehungUnterschiede

Blickwinkel

ML

MLML

iiii

ii

Integration

i

ii

iv

iii

Abbildung 6 Vier Formen des Lehrens und Lernens und ihre Kommunikations- und Denkmodelle als Verbindung von Riemann 1975 Schulmeister 2004 und Wiesner 2010 2015 (eigene Darstellung)

Christian Wiesner 224

le Erfahrung zu treff enldquo (Wiesner 2015 S 18) Im Vordergrund steht nach Baum-gartner und Payr (1999 S 108) somit nicht mehr das autoritaumlre Lehrmodell des Instruktionalismus auch nicht mehr der beobachtende analysierende und behilf-liche Berater des kognitivistischen Modells sondern immer die Refl exion der eige-nen persoumlnlichen Erfahrung des Lernenden sowohl durch Inhalts- (IA) als auch Beziehungsaspekte (BA) im Sinne von Watzlawick Beavin amp Jackson (2000) und der Distanz-Naumlhe-Achse

4) Beim vierten Quadranten (iv) geht es gegenuumlber den ersten drei Quadranten um ein bdquovertieft es Lernenldquo (Fullan Quinn amp McEachen 2017) zweiter Ordnung (Vis-ser 2007) um die bdquoVoraussetzung fuumlr gelingende Veraumlnderungldquo (Kruse 2005 S 8) durch einerseits ein bdquoDoppelschleifen-Lernenldquo (Argyris amp Schoumln 2008 S 36 Sta-cey amp Mowles 2016) bdquodas zu einem Wertewechsel sowohl der handlungsleitenden Th eorien als auch der Strategien und Annahmen fuumlhrtldquo (Argyris amp Schoumln 2008 S 36) und andererseits einem spiral- und wendelfoumlrmigen Meta-Lernen32 (bei Ar-gyris amp Schoumln 2018 begriffl ich das Deutero-Lernen33) ndash in Beziehung durch die Unterschiede und Blickwinkel zu den anderen drei Feldern Das Meta-Lernen greift die Kommunikations- und Lernabwehrroutinen auf um Widerstaumlnde An-lehnungen und Widerspruumlchlichkeiten aufzuzeigen Loumlsungen zu generieren und gewandelte Werte und Strukturen zu ermoumlglichen Beim Meta-Lernen ergruumln-det eine lernende Organisation (Schule) im eigenen Resonanzraum wie wann und weshalb Handlungen angepasst oder nicht anpasst bzw wie wann und wes-halb Werte Annahmen Haltungen usw veraumlndert oder nicht veraumlndert werden (Argyris amp Schoumln 2008) Kommunikationsprozesse ermoumlglichen in diesem Feld (iv) nach Rauscher (2012) sinnorientierte Durchblicke damit Lernende entschei-den lernen (i) Einblicke damit Lernende analysieren lernen (ii) und Weitblicke auf dass Lernende veraumlndern lernen (iii) Die Initiationskraft wirkt in diesem Feld im Sinne eines Lernens zweiter Ordnung34 transformierend und ermoumlglicht Chan-cen und neue Erfahrungen (Kolb 2015) durch Veraumlnderung der Blickwinkel Er-kennen und Verstehen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten sowie dem Ver-

32 bdquoMeta-learning implies that persons refl ect on and inquire into the process in which sing-le-loop and double-loop learning take place Refl ecting on the process of single-loop learning involves thinking about ways to improve error detection and correction and thus to improve the eff ectiveness of action strategies Refl ecting on the process of double-loop learning involves thinking about ways to improve discussion about norms and values underlying action strate-giesldquo (Visser 2007 S 663)

33 Der Begriff Deutero-Learning geht urspruumlnglich auf Gregory Bateson (1904ndash1980) zuruumlck und meint das Lernen 2 Ordnung (Visser 2003) Es ist Visser (Visser 2007) zuzustimmen dass das Konzept in der Fachliteratur immer wieder sehr unklar ausgefuumlhrt wird und Deutero-Ler-nen eher die Lernpathologien in Bezug auf Angst und Stress in Organisationen meint Damit ist der Begriff des Meta-Lernens zu bevorzugen um die Meta-Refl exionProfl exion des Ein-schleifen- und Zweischleifen-Lernens hervorzuheben

34 Im Sinne von Lippmann (2013) und Rauen (2014) kann hier das Kommunikationshandeln des Mentorings zweiter Ordnung als Patenschaft mit einem (hierarchischen) Beziehungsgefaumllle be-schrieben werden Eine erfahrene Fuumlhrungsperson fuumlhrt durch die Betonung der Beziehungs-ebene in die Riten und Werte einer lernenden Profession oder Organisation ein (dient auch der Strukturerhaltung)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 225

binden und Verknuumlpfen von Beziehungen (im Sinne eines bdquoextraverted sensingldquo (Kolb 2015 S 120 Kolb Boyatzis amp Mainemelis 2001)35

6 Annaumlherungen aus der Perspektive der lernenden Organisation und der Systeme

Aus der Idee der Menschenfuumlhrung und (Meta-)Kommunikation heraus soll nach Th omann und Schulz von Th un (2003) aus dem Persoumlnlichkeitsmodell von Riemann (1975) eher ein Beziehungsmodell bzw Relationsmodell fuumlr (lernende) Organisa-tionen und Systeme entstehen Ulrich Zenger und Smallwood (2000) schreiben zu ihrem Ansatz der ergebnisorientierten Unternehmensfuumlhrung dass (lernende) Orga-nisationen (Schulen) als Systeme darauf achten dass ihre Ergebnisse immer bdquoausge-wogenldquo (ebd S 52) sind Organisationen bdquoschaff en keine Erfolge in einer Dimension indem sie eine andere ignorierenldquo (ebd 2000 S 52) Als Dimensionen und Felder defi nieren Ulrich Zenger und Smallwood (2000) die vier Quadranten von Riemann (1975) Gute Ergebnisse entstehen fuumlr die Autoren in und durch eine Organisation wenn die Strebungen und Impulse gleichmaumlszligig und ausgewogen uumlber die vier Quad-ranten verteilt sind diese stark mit der Strategie der Organisation verbunden werden dadurch entsprechend sowohl kurz- als langfristige d h dauerhaft e Ziele unterstuumltzen und die Ergebnisse einer Organisation als Ganzes nutzen also nicht nur einige Grup-pen oder Bereiche in einer Organisation (Ulrich Zenger amp Smallwood 2000) Ergeb-nisorientierte Fuumlhrungspersonen koumlnnen zwar von Zeit zu Zeit eine Dimension den anderen vorziehen jedoch sollten alle vier Felder ausbalanciert werden um sowohl qualitaumltsvolle Produkte als auch innovative Prototypen zu ermoumlglichen Haumltte man als Fuumlhrungsperson nach Ulrich Zenger und Smallwood (2000) 100 Aufmerksamkeits-punkte uumlber die vier Quadranten der Organisation zu verteilen sollte keine Dimen-sion bdquomehr als 60 oder weniger als 10 Punkte erhaltenldquo (ebd S 55)36

Um das Konzept der Feldtransformation nun als Ansatz fuumlr lernende Organisa-tionen und Systeme37 naumlher zu beleuchten sollten das Konzept und die Ideen auch

35 Diese Kombination formt eine anpassungsfaumlhige Kommunikation Tatsachen werden von die-sen Personen sachlich zwischenmenschlich und kommunikativ akzeptiert bdquoHe knows what they are since he notices and remembers more than any other type He knows what goes on who wants what who doesnrsquot and usually why And he does not fi ght those facts (hellip) Oft en he can get other people to adapt too Being a perceptive type he looks for the satisfying so-lution instead of trying to impose any sbquoshouldlsquo or sbquomustlsquo of his own and people generally like him well enough to consider any compromise that he thinks bdquomight workldquo He is unprejudiced open-minded and usually patient easygoing and tolerant of everyone (including himself) He enjoys lifeldquo (Kolb 2015 S 121)

36 Einen sehr aumlhnlichen Ansatz waumlhlt das Instrument der Feldtransformation360 um die Ausge-wogenheit und das Balancing der vier Quadranten bei paumldagogischen Fuumlhrungspersonen zu beurteilen (Gregorzewsk Schratz amp Wiesner 2018)

37 Nach Stahl (2012) hat zu Beginn (Gruumlndung) jede Gruppe oder Organisation noch kein Orga-nisationsfeld welches sich uumlber die vier Quadranten formt Zu Beginn haben lernende Orga-nisationen meist durch die Gruppeneff ekte eine Tendenz zur Mitte jedoch damit eine Organi-sation optimal arbeits- und entwicklungsfaumlhig ist muss sie sich in den Quadranten erweitern und ihre Impulse ausdiff erenzieren Es entstehen nun spezielle Organisationsfelder uumlber die vier Quadranten hinweg Die Analyse ist besonders fuumlr ein Meta-Lernen produktiv

Christian Wiesner 226

mit der Th eorie von Parsons in Beziehung gesetzt werden bdquoNiemand unter den Zeit-genossen hat eine Gesellschaft stheorie von vergleichbarer Komplexitaumlt entwickeltldquo schrieb Habermas (1981) und verweist darauf dass das Gesamtwerk uumlber eine Dau-er von mehr als 50 Jahren bdquokonkurrenzlos im Hinblick auf Abstraktionshoumlhe und Dif-ferenziertheit gesellschaft stheoretische Spannweite und Systematik bei gleichzeitigem Anschluss an die Literatur einzelner Forschungsgebieteldquo (ebd S 297) blieb38 Parsons interpretierte aus seiner Handlungstheorie heraus das Modell off ener grenzerhalten-der Systeme und ermoumlglichte mit seinen Werken zwei unterschiedliche inhaltliche He-rangehensweisen Einerseits das Verhaumlltnis von Kultur Gesellschaft und Person und der Institutionalisierung sowie Internalisierung als die bedeutenden systemverschraumln-kenden Elemente aufzuzeigen und andererseits intersystemische Austauschbeziehun-gen als Schluumlsselfunktion zu betrachten (Habermas 2016) Fuumlr Parsons (1977) selbst gab es immer das Primat der Handlungstheorie mit der Begruumlndung bdquothat the subject of social interaction is in a fundamental sense logically prior to that of social systemldquo (ebd S 145) Parsons (1977) versuchte bdquosystemisch stabilisierende Handlungszusam-menhaumlnge sozial interagierender Gruppenldquo (Habermas 2016 S 301) zu erkennen und zu verstehen39

Parsons (1976) nennt vier grundlegende Funktionen bdquoderen Erfuumlllung notwendige Bedingung der Existenzfaumlhigkeit von Handlungssystemenldquo (Willke 1991 S 57) sind und stuumltzt sich dabei auf seine Arbeiten zur Kleingruppenforschung der Gruppendy-namik und auf das Phasenmodell des Kleingruppenprozesses (Parsons Bales amp Shils 1953) Parsons (1976) wendet die aus den analytischen Verallgemeinerungen ent-standenen vier Impulse und Ideen auf Systeme an Seine bdquodynamische Analyseldquo (Par-sons 1976 S 169) umfasst Gruppen Organisationen und auch die Gesellschaft Par-sons (1961) verwendet ebenfalls zwei Achsen um ein Vier-Funktionen-Schema zu erstellen Auf der ersten Achse bdquosoll die Funktion der Erhaltung latenter Strukturen die Basis der Besonderheit des Bezugssystems zum Ausdruck bringen Die Struktur bestimmt naumlmlich die Besonderheit des Systems gegenuumlber seinen Umwelten Auf der anderen Achse ist sie der Fokus fuumlr die Erhaltung der Kontinuitaumlt uumlber die Zeit ndash ein-schlieszliglich der Kontinuitaumlt von Entwicklungsmusternldquo (Opielka 2006 S 273 Parsons 1961) Systeme ndash wie Schule und auch Unterricht ndash bestehen immer zwischen Konti-nuitaumlt und Entwicklung weshalb eine der Leitachsen im Sinne einer bdquoIdentitaumlts-Diff e-renzldquo (von Saldern 2010 S 69) zu verstehen ist Die erste Achse ist daher gepraumlgt von einer zeitlichen Dimension des Handelns als Prozess und die zweite Achse von Hand-lungsordnungen die sowohl innere Relationen des Systems als auch Beziehungen zur Umwelt organisieren Daraus formen sich vier Felder jedes davon stellt Subsysteme des ganzen Systems dar und alle Felder lassen sich in der Th eorie jeweils wiederum in

38 Der Soziologe Talcott Parsons (1902ndash1979) entwickelte zunaumlchst eine Handlungstheorie die er anschlieszligend zu einer soziologischen Systemtheorie ausbaute Fuumlr Habermas (2016) kann bdquoheute keine Gesellschaft stheorie ernst genommen werden die sich nicht zu der von Parsons wenigstens in Beziehung setzt Wer sich uumlber diesen Umstand taumluscht laumlszligt sich von Aktualitauml-ten statt ihnen gegenuumlber sensibel zu sein gefangennehmenldquo (ebd S 297)

39 Das Konzept der Feldtransformation versucht in diesem Sinne und systemisch betrachtet sta-bilisierende und entwickelnde Handlungszusammenhaumlnge sozial interagierender Gruppen in lernenden Organisationen und in Systemen zu begreifen und Aktivierungsstrategien von Fel-dern darzustellen

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 227

die vier Funktionen unterteilen (Junge 2002 S 197 f) Diese vier fuumlr ein Handlungs-system unverzichtbaren Funktionen werden im sogenannten AGIL-Schema40 als Meta-theorie von Parsons (1976) zusammengefasst (siehe Abbildung 7)1) Adaption Die Adaptionsfunktion wird von Parsons (1976) als (auch wechselseiti-

ge) Bereitstellung von Ressourcen und verfuumlgbaren Mitteln defi niert41 unabhaumln-gig von der Relevanz von Zielen Dieselben knappen Ressourcen koumlnnen inner-halb einer Vielzahl an Zielen bdquoalternative Verwendungldquo (Parsons 1976 S 175) fi nden Alle Mittel dienen der Erreichung von Zielen auch wenn die Bereitstel-lung von Mitteln selbst auch ein Ziel sein kann Auf lernende Organisationen an-gewandt umfasst die Adaption bdquoeine Mannigfaltigkeit von Faumlhigkeitenldquo (Parsons amp Platt 1990 S 27) die es gestatten mit der Umwelt durch Regeln zu agieren und in der Umwelt bdquoauffi ndbare Ressourcen fuumlr das Funktionieren des Systems einzuset-zenldquo (ebd S 27)

2) Zielorientierung und -verwirklichung42 Die Zielorientierung schafft veraumlnderte Prozessbildungen im und am System und eroumlff net in Systemen jedoch auch das Problem die Traumlgheit der Kultur- und Wertemuster zu stoumlren Ziele werden bei Parsons (1976) bdquodurch den Begriff des Gleichgewichtsldquo (ebd S 174) defi niert naumlmlich als eine an spezifi sche Situationen gebundene Richtungsaumlnderung Syste-me haben viele (komplexe) Ziele43 die meist durch bdquorelative Dringlichkeit geord-netldquo (Parsons 1976 S 174) werden wobei die (Ab-)Folge in (lernenden) Systemen bdquohinreichend fl exibelldquo (ebd S 174) und agil sein muss Die Funktion ist nach Par-sons (1976) die Anregung und Aufrechterhaltung von Motivation und bdquodas Ver-moumlgen zur Spezifi kation und zur Generalisierung von Faumlhigkeitenldquo (Opielka 2006 S 272)

3) Integration Die Integration traumlgt nach Parsons (1976) zum Funktionieren des Sys-tems als Ganzes bei indem hier bdquodie Aufgabe der internen Koordination der ver-schiedenen Systemfunktionenldquo (Opielka 2006 S 273) uumlbernommen wird und Be-ziehungen zwischen Strukturerhaltung Zielorientierung und Adaption ermoumlglicht werden Dabei muumlssen Aufgaben erledigt werden die Ressourcen verteilt werden und alle Taumltigkeiten und Kompetenzen muumlssen miteinander und zueinander ab-gestimmt werden um zu einer Einheit (z B Gruppe Organisation) zu gelangen Die Integration konzentriert sich auch bdquoauf die aff ektive Dimension des Handelnsldquo (Opielka 2006 S 281) Die Funktion der Integration ist das fortlaufende Zusam-menwirken der Systemelemente zu gewaumlhrleisten

40 bdquoSysteme und Subsysteme sind in Parsonslsquo Th eorieaufb au keine ontologischen Entitaumlten son-dern analytisch konstruierte Gesetzmaumlszligigkeiten die nur durch Handeln in reales Geschehen umgesetzt werdenldquo (Muumlnch 2007 S 46)

41 Nach Jensen (1976) sollte man beachten dass es sich bei Adaptation um bdquoein wechselseitiges Arrangieren zwischen Umwelt und Systemldquo (ebd S 64) handelt und sie nicht als eine einseiti-ge Anpassung betrachtet werden soll

42 bdquoGoalattainmentldquo wird von Jensen (1976 S 64) als bdquoZielorientierungldquo und von Opielka (2006 S 228) als bdquoZielverwirklichungldquo uumlbersetzt

43 Bei einem System spricht man eher bdquovon einem System von Zielen statt von einem einzigen Einheitszielldquo (Parsons 1975 S 174)

Christian Wiesner 228

4) Strukturerhaltung44 Menschen schaff en im Leben bdquoeigene Sinnsystemeldquo (Jensen 1976 S 64) und diese bdquoWerte haben eine primaumlre Funktion fuumlr die Aufrechterhal-tung der Strukturen eines Sozialsystemsldquo (Parsons 1975 S 35) Die Funktion ist dabei die Strukturerhaltung um die Stabilitaumlt der Kulturmuster der Werte und Ri-tuale (Parsons 1961) zu bewahren45 als bdquoVerinnerlichung in der Persoumlnlichkeits-strukturldquo (Parsons 1976 S 173) von Menschen46 Fuumlr Parson (1976) sind bdquoWerte dem Wandel unterworfenldquo (ebd S 173) Das kulturelle System (Werte Grund-prinzipien Annahmen Uumlberzeugungen usw) beeinfl usst als bdquoSteuerungssys-temldquo (Parsons 1976 S 171) maszliggeblich das ganze soziale System Der Struktur-erhaltung schreibt Parsons systemtheoretisch eine hohe bdquoTraumlgheitldquo (Parsons 1976 S 174) zu47 Wertordnungen manifestieren sich in (scheinbar) festen und stabi-len Grundprinzipien (Muumlri 1993) Die Strukturerhaltung (Grundprinzipien Wer-te Kultur) geht damit den anderen Systemelementen bdquovoraus und wird sie uumlber-

44 bdquoLatent Pattern-Maintenanceldquo wird von Jensen (1976 S 64) als bdquoStrukturerhaltungldquo und von Opielka (2006 S 228) als bdquoErhaltung latenter Strukturenldquo uumlbersetzt Die Strukturerhaltung richtet sich nach Parsons (Parsons 1976 S 173) bdquoauf die Strukturkategorie der Werteldquo

45 Fuumlr Parsons (1975) hat Stabilitaumlt nicht gegenuumlber Wandel Vorrang jedoch verweist er auf un-terschiedliche Problemtypen bei der Analyse von Gleichgewichtsprozessen und von einem Strukturwandel

46 Das Kultursystem hat demnach auch bdquokeinen Handlungscharakterldquo (Wenzel 1991 S 383)47 Parsons (1976) spricht dennoch davon dass bdquoStabilitaumlt eher als temporale Kontinuitaumltldquo (ebd

S 178) betrachtet werden solle

Wechsel

Zielorientierung Integration

Adaption Strukturerhaltung

Richtungsaumlnderungen

und Motivation

interne Koordination

und Zusammenwirken

Anpassung und

Ressourcen

Aufrechterhaltung

und Erneuerung

von Wertmustern

Dauer

NaumlheDistanz

Abbildung 7 Das AGIL-Schema von Parsons 1976 in Verbindung mit Riemann 1975 (eigene Darstellung)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 229

dauernldquo (Parsons amp Platt 1990 S 27) dennoch unterliegen bdquoSystemwerteldquo (Jensen 1980 S 105) einem bdquoTransformationsprozessldquo (ebd)

Als besonders wichtig fuumlr den Entwurf des Modells gilt dass bdquoParsons mit der Ent-wicklung des AGIL-Schemas konsequent seine Vorstellung vertieft wonach Hand-lungssysteme in Handlungseinheiten dekomponierbar sindldquo (Opielka 2006 S 274) Im Vier-Felder-Modell48 koumlnnen nun Systemprobleme und Herausforderungen auft re-ten wie von Parsons (1976) u a im bdquoGleichgewichtsansatzldquo (ebd S 169) vorgestellt Diese Probleme betreff en die Prozesse in einem System die unter die Aufrechterhal-tung der Kulturmuster fallen Die Herausforderung besteht darin das Gleichgewicht zwischen der Bewahrung von (kulturellen) Werten und Mustern sowie einem bdquoUn-gleichgewichtldquo (Parsons 1976 S 170) durch Entwicklungsprozesse zu erhalten Ein Ungleichgewicht kann zu einem strukturellen Wandel fuumlhren der bdquounter normativen Gesichtspunkten houmlherer Ordnung wuumlnschenswert sein kannldquo (ebd S 170) Die wei-tere Herausforderung umfasst selbstverstaumlndlich die Entwicklungsprozesse selbst ndash mit der immerwaumlhrenden Orientierungsfrage bdquoWie kommt das Neue ins Systemldquo

7 Ausblick und Fazit

Die vorangegangenen Ausfuumlhrungen plaumldieren fuumlr ein Modell welches die verschie-denen Bestrebungen und auch Welt- und Denkbilder zusammenfuumlhrt Ein Ein-Blick in die Befunde der Komplexitaumltsforschung erscheint daher kurz vor einem abschlie-szligenden Fazit angebracht Der Zugang zu einem Verstaumlndnis von Komplexitaumlt von Stacey (2000) zeigt als Komplexitaumltsmodell (siehe Abbildung 8) auf der horizonta-len Achse das Kontinuum zwischen bdquoEinfachldquo und bdquoKompliziertldquo die vertikale Ach-se zeigt das Kontinuum zwischen bdquovorhersagbarldquo und bdquokreativ-chaotischldquo (Appelo 2011 S 41 Stacey 2000 Stacey amp Mowles 2016)49 Empirische Forschungsbefunde entstehen (meist) auf komplexe Art und Weise dennoch ist die Darstellung von Er-gebnissen (meist Daten) von einer beachtlichen Einfachheit gegenuumlber der (taumlglichen Multi-)Komplexitaumlt der Praxis gepraumlgt Die Praxis ist bdquokomplex ungewiss mehrdeu-tig einzigartig und von Wert- und Interessenkonfl ikten gepraumlgtldquo (Horster amp Rolff 2006 S 68) Diese Wert- und Interessenskonfl ikte muumlssen bei Schul- und Unterrichts-entwicklungen beziehungsorientiert mitbedacht werden ndash bestehende Schulkulturen Grundprinzipien Wertordnungen bestimmen alle Ideen Entwuumlrfe und Ansaumltze von empiriegestuumltzen Entwicklungen wir haben diese zu beachten

48 Das Vier-Felder-Modell fuumlhrt in Verbindung mit der Feldtransformation zu folgender Ausge-staltung Vernunft als Adaption Strategie als Zielorientierung Gestaltung als Integration und Identitaumlt als Strukturerhaltung

49 bdquoIt can scarcely be denied that the supreme goal of all theory is to make the irreducible basic elements as simple and as few as possible without having to surrender the adequate representa-tion of a single datum of experienceldquo (Albert Einstein 1879ndash1955)

Christian Wiesner 230

Abbildung 8 Das Komplexitaumltsmodell von Stacey 2000 und Appelo 2011 in Verbindung mit dem Modell der Feldtransformation (eigene Darstellung)

Das Modell der Feldtransformation50 integriert daher die kommunikationswissen-schaft lich gepraumlgte Unterscheidung von Watzlawick et al (2011) dabei wird zwi-schen einem Inhalts-Sachaspekt und einem Beziehungsaspekt diff erenziert Gerade fuumlr Watzlawick et al (2011) wirkt die Beziehungsorientierung wesentlich auf Prozes-se und Strukturen ein (Houmllker 2014) Der Beziehungsaspekt defi niert die Werte Hal-tungen und Grundprinzipien und wirkt auf den sozialen Kontakt die soziale Begeg-nung und Beziehung sowie z B auf Lerngemeinschaft en (Kooperation Resonanz) und gestaltet die Bedeutungen und Nebenbedeutungen auch im Sinne eines holistischen Hintergrundwissens (Wiesner 2010) Das Modell der Feldtransformation integriert

50 Die Subsysteme und Teilaspekte des Modells der Feldtransformation und des dazugehoumlrigen Kompetenzfeststellungsinstruments (als Feldtransformation360) entstanden in gemeinsamen Denkwerkstaumltten zwischen Wilfried Schley Michael Schratz Christian Wiesner David Keme-thofer und Johannes Schley fuumlr die Qualifi zierungsarbeit und eine Ausgewogenheit der Kom-petenzorientierung in der Leadership Academy (Schratz et al 2016) Auf die Teilaspekte der Feldtransformation wird in diesem Artikel nicht ausfuumlhrlich eingegangen eine detaillierte Dar-stellung des Instruments und der Subsysteme ist in Gregorzewski Schratz amp Wiesner (2018) nachzulesen Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel die theoretischen Urspruumlnge und wis-senschaft lichen Einfl uumlsse auf das Modell darzulegen

Entwicklungsorientierung

Stabilitaumltsorientierung

Beziehungs-

orientierung

Sach-

orientierung

COMPLEX

CHAOTIC

COMPLICATED

SIMPLE

CLOSE TOCERTAINTY

FAR FROMCERTAINTY

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 231

auch die systemtheoretisch gepraumlgte Unterscheidung zwischen der Funktion der Er-haltung latenter Strukturen und der Funktion der Entwicklung

Eine Annaumlherung an eine Ganzheit im Sinne von bdquoBalancingldquo (Kolb 2015 S 143) entsteht wenn Personen und Systeme moumlglichst viel bisher Wesensfremdes und Fern-liegendes in die vorgestellten Modelle integrieren um sich selbst als Person oder als System bdquozu weitenldquo (Riemann 1975 S 204) Der Blick von einem Punkt einer Leit-achse bestimmt die jeweilige Wahrnehmung Beobachtung das Denkmodell und so-mit die Analyse und veraumlndert die Aussagen und Erkenntnisse uumlber ein System (Boos 1991 Sandschneider 1995) Daher ist es notwendig sowohl die Felder als eine Ganz-heit (System) als auch einen Standpunkt (bzw die jeweiligen Standpunkte) in den Vordergrund der Beobachtung zu ruumlcken und zu klaumlren Das Konzept der Feldtrans-formation ist nicht als ein einseitiger linearer Prozess zu betrachten sondern vielmehr als Kreislauf in Spiral- und Wendelbewegungen ndash als Vorstellung einer Praxis-Th eorie- und Th eorie-Praxis-Beziehung zwischen Konzepten und Erfahrungen Dabei stehen die vier Felder in einer wechselseitigen Beziehung zueinander und wirken gegenseitig aufeinander ein Reformen Entwuumlrfe und Ideen zur Schul- und Unterrichtsentwick-lung durch Evidenz(en) sollten die Ausgewogenheit der Felder aktiv mitdenken und foumlrderlich unterstuumltzen In einem Meta-Lernen sollten die Denkmodelle und Grund-prinzipien von Reformen Entwuumlrfen und Ideen hinterfragt werden um zukuumlnft ig Antworten zu fi nden auf die Frage bdquoWie kommt Neues ins Systemldquo

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Erfahrungsberichte

Ulrike Krug

bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen SchulenldquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingen

Die Lesekompetenz der 15-Jaumlhrigen hat sich seit PISA 2000 stetig verbessert insbe-sondere in den unteren Kompetenzniveaus (Reiss Saumllzer Schiepe-Tiska Kleine amp Koumlller 2016) allerdings ist der Hintergrund fuumlr die Verbesserung zum Groszligteil auf Veraumlnderungen der Schuumllerzusammensetzungen zuruumlckzufuumlhren ndash und nicht auf unterrichtliche Maszlignahmen und Angebote zur Lesefoumlrderung

Etwa ein Viertel der Schuumllerinnen und Schuumller der Sekundarstufe verfuumlgt nur uumlber unzureichende basale sprachliche Faumlhigkeiten die sich insgesamt negativ auf die schulischen Lehr-Lern-Prozesse auswirken Das zeigt sich konkret vor allem beim Lesen und Schreiben Selbst relativ einfache und kurze Texte koumlnnen nicht sinnverstehend gelesen werden weil entweder zu langsam und zu ungenau gelesen wird (Mangel an Lesefl uumlssigkeit) um die Textbedeutung zu erfassen oder aber es fehlt an Lesestrategien um Lerntex-te zu erschlieszligen (Schneider et al 2012 S 121)

Diesen Ergebnissen im Bereich Lesekompetenz steht das Engagement der Lehrkraumlf-te diametral gegenuumlber und wirft die Frage nach der Wirksamkeit der schulischen Lese-foumlrderung auf Im Primarbereich wie auch in der Sekundarstufe werden viele und viel-faumlltige Lesefoumlrdermaszlignahmen angeboten was sich in den schulischen Lesekonzepten bzw in Schulprogrammen niederschlaumlgt Darin werden die meist zahlreichen Aktivi-taumlten und lesefoumlrderlichen Angebote dokumentiert die fuumlr die Lehrkraumlft e mit viel Ein-satz und zusaumltzlicher Muumlhe verbunden sind

Bei genauer Betrachtung lassen sich jedoch meist Angebote zur Leseanimation fi nden die die Lesemotivation der Schuumllerinnen wecken sollen Waumlhrend fuumlr viele Schuumllerinnen und Schuumller leseanimierende Angebote anregend und weiterfuumlhrend sind koumlnnen gerade schwache Leserinnen und Leser davon nur selten profi tieren weil sie Defi zite im Bereich des Lesens aufweisen die andere ndash spezifi schere ndash Foumlrdermaszlig-nahmen erfordern

Daher ist es erforderlich die an den Schulen geleistete Arbeit und die Angebote wertschaumltzend aufzunehmen und in eine systematische Lesefoumlrderung zu uumlberfuumlhren die vor dem Hintergrund eines diff erenzierten fachdidaktischen Modells von Lese-kompetenz ndash hier des Mehrebenenmodells von Rosebrock und Nix (2008) die ent-

Ulrike Krug 242

scheidenden Foumlrderschwerpunkte ausweist und eff ektive Foumlrderangebote fuumlr die ein-zelnen Dimensionen von Lesekompetenz bereithaumllt

Ein weiteres Problem der schulischen Lesefoumlrderung besteht in dem uumlberwiegend punktuellen Charakter der Foumlrdermaszlignahmen Viele der Foumlrderangebote sind zwar im Schulkonzept verankert werden aber nur vereinzelt oder nur punktuell waumlhrend des Schuljahrs durchgefuumlhrt Waumlhrend manche Lehrkraumlft e die festgeschriebenen Maszlignah-men gewissenhaft durchfuumlhren verwenden andere nur wenig Unterrichtszeit fuumlr lese-foumlrdernde Maszlignahmen Entsprechend ist es wichtig nicht nur eine systematische Le-sefoumlrderung zu betreiben sondern auch die Umsetzung uumlber die Schulleitung so zu steuern dass verbindliche Vereinbarungen zur Lesefoumlrderung im ganzen Kollegium getroff en im Jahresarbeitsplan festgeschrieben und eingehalten werden

Eine wesentliche Huumlrde bzw Gelingensbedingung fuumlr erfolgreiche Lesefoumlrderung in allen Schulformen liegt im Wissenstransfer von Forschungsbefunden ndash hier zur Le-sekompetenz ndash in die schulische Praxis Lehrkraumlft e aller Schulformen sind in der Re-gel bereit und willens die Lesekompetenz ihrer Schuumllerinnen und Schuumller zu foumlrdern Was fehlt sind Fortbildungs- und Unterstuumltzungsangebote mit wissenschaft sbasierter systematischer Anleitung aber zugleich praxistauglichen Konzepten zur Foumlrderung der Lesekompetenz der Schuumllerinnen und Schuumller in allen Schulformen

In der bdquoGesamtstrategie der Kultusministerkonferenzldquo von 2015 wird erstmals der Wissenstransfer aus der Forschung in die schulische Praxis als verbesserungswuumlrdig angesehen und als Aufgabe postuliert damit zukuumlnft ig in groumlszligerem Maszlige bdquoErklauml-rungs- und Handlungswissenldquo fuumlr die Lehrkraumlft e und die Bildungsverwaltung zur Ver-fuumlgung gestellt wird (Sekretariat der Staumlndigen Konferenz der Kultusminister der Laumln-der in der Bundesrepublik Deutschland 2015)

Mit der 2012 vorgelegten BiSS-Expertise bdquoBildung durch Sprache und Schrift ldquo als Grundlage der Bund-Laumlnder-Initiative gibt es erstmals eine bundeseinheitliche un-abhaumlngige wissenschaft liche Stellungnahme bdquodie beschreibt wie Sprachfoumlrderung Sprachdiagnostik und Lesefoumlrderung in Deutschland systematisch weiterentwickelt werden koumlnnenldquo (Schneider et al 2012 S 15) und zwar uumlber alle Bildungsetappen hinweg Die Zielsetzung besteht dabei darin bdquoeine sprachwissenschaft lich und di-daktisch bzw paumldagogisch fundierte kontinuierliche Sprach- und Lesefoumlrderung so-wie eine darauf abgestimmte Diagnostik (formativ und summativ) und Qualifi zierung des paumldagogischen Personals zu gewaumlhrleistenldquo (Schneider et al 2012 S 15) Damit ist fuumlr Lehrkraumlft e und paumldagogische Fachkraumlft e ein Orientierungsrahmen zur Sprach- und Lesefoumlrderung gegeben und die in der Expertise dargelegten Bewertungen moumlgli-cher Maszlignahmen und Instrumente unterstuumltzen eine praktische Umsetzung

Diesem Standard sollten Konzepte zur Lesefoumlrderung und zu Fortbildungen entspre-chen

Das Konzept bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo erfuumlllt diese Stan-dards ist ausgerichtet auf die BISS-Expertise und hierbei orientiert an den BISS-Mo-dulen Lesekompetenz so wie sie im Kompetenzmodell der Bildungsstandards be-schrieben und in den Lehrplaumlnen in allen Bundeslaumlndern konkretisiert ist entsteht nicht bdquoeinfach soldquo durch Textarbeit im Unterricht Aufb au von Lesekompetenz erfordert

bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo 243

einen kleinschrittigen systematischen und kontinuierlichen Aufb au von Teilkompeten-zen bei dem wesentliche Grundlagen das fachdidaktische Wissen der Lehrkraumlft e so-wie deren Verstaumlndnis eines foumlrder- und kompetenzorientierten Unterrichts sind

Im vorliegenden Praxisleitfaden geht es genau darum Lehrkraumlft en in allen Schul-formen wird ein kohaumlrenter wissenschaft lich gesicherter Orientierungsrahmen fuumlr eine systematische fachdidaktische Weiterentwicklung der Lesefoumlrderung in einem foumlrder- und kompetenzorientierten Unterricht und fuumlr eine systemische Ausrichtung der Lesefoumlrde-rung in der ganzen Schule gegeben

Grundlage dafuumlr sind wissenschaft lich anerkannte und beeinfl ussbare Elemente der Lesekompetenz sodass Lehrkraumlft e bezuumlglich der Wirksamkeit ihrer Investitionen und Bemuumlhungen um die Lesefoumlrderung versichert sein koumlnnen Diese Elemente sind der zentrale Bestandteil des Konzepts bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schu-lenldquo

Als wissenschaft lich gesicherte und beeinfl ussbare Elemente der Lesekompetenz sind hier zugrunde gelegt bull Einsatz von Leselernstandsermittlungen (formative Lernstandsermittlung)bull Sicherung der DekodierfaumlhigkeitLesefl uumlssigkeitbull Einuumlben von Lesestrategienbull Lesen in allen Faumlchernbull LeseanimationSelbstkonzeptbull Lesefoumlrderung fuumlr Jungen

Die Setzung wissenschaft sbasierter Elemente der Lesekompetenz defi niert zugleich einen Mindeststandard in der Lesefoumlrderung und dient somit den Lehrkraumlft en als Orientierungsrahmen fuumlr die schulischen Angebote zur Lesefoumlrderung Diese werden je nach Schulform und Altersgruppe der Schuumllerinnen unterschiedlich priorisiert So wird z B die Lesefl uumlssigkeit in den Grund- Haupt- und Realschulen sehr viel intensi-ver trainiert werden muumlssen als in den Gymnasien in denen hingegen die Einuumlbung der Lernstrategien ganz vorrangig in den Blick geruumlckt werden muss

Alle Elemente sind jedoch gleichermaszligen bedeutungsvoll fuumlr die Lesefoumlrderung in allen Schulformen und uumlber alle Bildungsetappen hinweg Keines der Elemente soll-te in der schulischen Lesefoumlrderung vernachlaumlssigt oder nicht beachtet werden Wir-kungsvolle effi ziente Lesefoumlrderung kann nur in der jeweils spezifi schen Umsetzung aller Elemente der Lesefoumlrderung erzielt werden

Lesefoumlrderung wird in diesem Rahmen nachdruumlcklich nicht auf die Arbeit mit lite-rarischen Texten innerhalb des Literaturunterrichts beschraumlnkt sondern als ein uumlber-fachliches Anliegen verstanden als eine Schluumlsselkompetenz die fuumlr erfolgreiches Lernen in allen textbasierten Faumlchern von Bedeutung ist und in allen Faumlchern ndash ange-messen ndash bedacht sein muss

Lesen als uumlberfachliche Kompetenz wird im Praxisleitfaden auch nicht als alleini-ge Aufgabe der Grundschule verstanden Selbstverstaumlndlich ist das Lesenlernen eine zentrale Aufgabe in den beiden ersten Schuljahren der Grundschule Dennoch ist die Entwicklung der Lesekompetenz ndash wie bereits dargelegt ndash auch nach einem gelunge-

Ulrike Krug 244

nen Schrift spracherwerb am Ende der Grundschulzeit keineswegs abgeschlossen Viel-mehr muss das fl uumlssige Lesen und das Erlernen und Einuumlben von Lesestrategien ver-staumlrkt im Verlauf der weiteren Schulzeit und danach erfolgen insbesondere mit Blick auf die zunehmend laumlngeren und komplexeren Texte die als Grundlage fuumlr das Ler-nen in allen Faumlchern dienen Das Verstaumlndnis dass die Lesekompetenz auch nach der Grundschule ndash systematisch und in allen Faumlchern ndash weiter gefoumlrdert werden muss setzt sich in den weiterfuumlhrenden Schulen jedoch erst allmaumlhlich durch

Vor Beginn der eigentlichen Fortbildungen wird als erster Schritt mit dem jewei-ligen ganzen Kollegium eine Bilanzierung der bisherigen unterrichtlichen und schuli-schen Angebote und Maszlignahmen zur Lesefoumlrderung durchgefuumlhrt damit diese Arbeit gewuumlrdigt und festgeschrieben werden kann Die Bilanzierung erfolgt mithilfe der Checkliste die die bedeutsamen Elemente der Lesekompetenz (Standards) beinhaltet Ebenso wird durch eine Bilanzierung deutlich welcher schulische Entwicklungsbedarf bezuumlglich der Lesefoumlrderung besteht sodass dieser als Entwicklungszielfestgeschrieben werden kann Diese Entwicklungsziele stellen gleichzeitig Schulentwicklungsvorhaben dar die mithilfe der vorliegenden Fortbildungsmodule des Konzepts bdquoVerstaumlrkte Lese-foumlrderung an hessischen Schulenldquo mit theoretischer Fundierung und praktischer An-leitung angegangen werden koumlnnen

Die Struktur der Module ist immer gleich An erster Stelle stehen Ausfuumlhrungen allgemein zum foumlrder- und kompetenzorientierten Unterricht es folgt die theoreti-sche Fundierung des jeweiligen Elements der Lesekompetenz (Lesefl uumlssigkeit Text-verstaumlndnis Lesemotivation) sodass auf dieser Grundlage Diagnoseinstrumente und Foumlrdermaszlignahmen zur Umsetzung in der Unterrichtspraxis vorgestellt und umgesetzt werden koumlnnen

Im Modul 1 geht es um die Diagnose und die Foumlrderung der basalen Lesefertigkei-ten die ein fl uumlssiges Lesen auf der Wort- und Satzebene ermoumlglichen und auch in den Schulen der Sekundarstufe im Uumlbergang noch in den Blick genommen werden muumlssen In diesem Modul werden nach einer theoretischen Einfuumlhrung leicht hand-habbare Instrumente (bdquoToolsldquo) zur Diagnose wie auch Moumlglichkeiten der Foumlrderung vorgestellt Weiterhin wird mit der Methode bdquoLautlese-Tandemsldquo ein Foumlrderverfahren vorgestellt und praktisch eingeuumlbt Dieses Modul richtet sich speziell an die Deutsch-lehrkraumlft e

Im Modul 2 steht das Leseverstaumlndnis im Mittelpunkt Schwerpunkt ist hier der Einsatz von Lesestrategien sowie von metakognitiven Strategien Auch hier geht es eingangs um die grundsaumltzliche Bedeutung von Lernstrategien fuumlr den individuellen und eigenaktiven Kompetenzerwerb Oft mals sind den Lehrkraumlft en zwar Lernstrate-gien bekannt die Bedeutung der Lehrperson als Modell bei der Einuumlbung von Lern-strategien jedoch noch nicht genuumlgend praumlsent Lesestrategien werden haumlufi g im Fach Deutsch selten aber in allen Faumlchern genutzt Daher sollte dieses Modul von allen Lehrkraumlft en einer Schule erarbeitet werden

Im Modul 3 steht die Diagnose und Foumlrderung der Lesemotivationdes Selbst-konzepts im Fokus Hierbei geht es darum wie Schuumllerinnen und Schuumller zum Le-sen motiviert werden koumlnnen die zwar in kognitiver Hinsicht zur Textverarbeitung in der Lage sind aber laumlngere Texte und Buumlcher nicht lesen z B weil sie keinen per-

bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo 245

soumlnlichen Gewinn aus der Lektuumlre ziehen koumlnnen oder Anstrengung beim Lesen ver-meiden wollen Die Bedeutung des Selbstkonzepts fuumlr erfolgreiches Lernen ndash in allen Faumlchern ndash steht hier im Vordergrund Zur Diagnose werden Frage- und Selbstein-schaumltzungsboumlgen vorgestellt Verfahren der Leseanimation wie z B Leseprojekte Klas-senbibliotheken Lesenaumlchte usw sowie Vielleseverfahren werden als Moumlglichkeiten der Lesefoumlrderung in diesem Modul vorgestellt und erprobt Dieses Modul richtet sich an die Deutschlehrkraumlft e in den weiterfuumlhrenden Schulen aber auch an die Fachleiterinnen damit diese die grundlegenden Informationen weitergeben koumlnnen

Die Bilanzierung der Angebote zur Lesefoumlrderung ist wie bereits ausgefuumlhrt fuumlr alle Lehrkraumlft e einer Schule vorgesehen und der erste und grundlegende Schritt zur systemischen Verankerung des Ist-Stands sowie der Entwicklungsziele in der schuli-schen Lesefoumlrderung Die folgende Erarbeitung der drei Fortbildungsmodule zur Le-sefoumlrderung kann von einzelnen Lehrkraumlft en individuell fuumlr ihren eigenen Unterricht genutzt werden Wie oben bereits dargestellt besteht die Zielsetzung des Konzepts bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo jedoch immer auch darin ein gan-zes Kollegium eine ganze Schule zu erreichen Aus diesem Grund sind neben den fachlichen Angeboten zur Foumlrderung der Lesekompetenz jeweils auch Angebote zu verbindlichen Vereinbarungen zur Lesefoumlrderung in der ganzen Schule vorgehalten Da-bei geht es immer zunaumlchst um die Erprobung und Evaluation der eingesetzten Maszlig-nahmen mit der Frage nach der Wirkung bei den Lernenden und der Praktikabilitaumlt der bdquoAlltagstauglichkeitldquo fuumlr die Lehrkraft Der naumlchste Schritt ist die Abstimmung im Kollegium uumlber verbindliche Vereinbarungen zur Lesefoumlrderung z B zum Einsatz von Lautlesetandems ndash auch hierzu gibt es entsprechende Vorlagen fuumlr die Hand der Schulleiterinnen Damit ist eine systematische und gemeinsam vereinbarte Weiterent-wicklung der Lesefoumlrderung im ganzen System Schule moumlglich und somit auch hof-fentlich eine Nachhaltigkeit in der Lesefoumlrderung gewaumlhrleistet

Hierzu benoumltigen Lehrkraumlft e aller Schulformen Anleitung durch wissenschaft lich gesicherte und praxistaugliche Konzepte Grundlage muss darin vor allem die Prauml-zisierung und Konkretisierung von Lesekompetenz in Form beinfl ussbarer Elemen-te sein die systematisch und leicht handhabbar im Unterricht umgesetzt werden koumlnnen So erhalten Lehrkraumlft e einen fundierten und uumlberschaubaren Orientierungs-rahmen fuumlr die Lesefoumlrderung Das Konzept bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo hat genau diese Anleitung zum Ziel

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Sekretariat der Staumlndigen Konferenz der Kultusminister der Laumlnder in der Bundesrepub-lik Deutschland (2015) Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Bildungs-monitoring Beschluss der 350 Kultusministerkonferenz vom 11062015

Ramona Lau

Praxisforschung zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II ndash und dann Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer1

Innere Diff erenzierung ist das Th ema der Unterrichtsgestaltung ndash so koumlnnte man den-ken Denn Innere Diff erenzierung als Unterrichtsprinzip (Heymann 2010 S 8) wird von vielen Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern und Praktikerinnen und Prak-tikern als ein wichtiger Aspekt der individuellen Foumlrderung von Schuumllerinnen und Schuumllern in heterogenen Lerngruppen gesehen (z B Klafk i amp Stoumlcker 1976 Hey-mann 2010 Boller amp Lau 2010 Boumlnsch 2016 in kritischer Betrachtung auch Wi-scher amp Trautmann 2010a) die z B im Bundesland Nordrhein-Westfalen im Schulge-setz verankert ist2 Weiter verstaumlrkt wurde die Forderung nach Umsetzung von Innerer Diff erenzierung im Unterricht im Zuge der Einfuumlhrung inklusiver Bildung in das Schulsystem Deutschlands (Kultusministerkonferenz 2011 S 9)3 Dabei werden Zu-sammenhaumlnge zur Inneren Diff erenzierung zumeist lediglich fuumlr die Sekundarstufe I bedacht (Bathe Boller amp Kemper 2010) Dass Innere Diff erenzierung auch ein Th ema fuumlr die Ausbildung in der Sekundarstufe II ist haben Boller und Lau (2010) mit ihrem Praxishandbuch zum Th ema gezeigt

Diese Schlaglichter verdeutlichen dass am Oberstufen-Kolleg Bielefeld einer Ver-suchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen ein im Jahr 2006 begonnener For-schungsprozess zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II von pers-pektivisch hoher Relevanz war ndash mehr noch Sie lassen die Hypothese zu dass Forschungsergebnisse zur Inneren Diff erenzierung die aus der Praxis und fuumlr die Pra-xis gewonnen wurden in hohem Maszlige transferwuumlrdig waren bzw sind und nachge-fragt werden4

1 Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag bdquoPraxisforschung im Bereich Heterogenitaumlt und Inklusion ndash Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransferldquo vom 01072016 in Salzburg im Rahmen der 22 EMSE-Fachtagung

2 Erstmalig im Schulgesetz formuliert wurde das Recht auf individuelle Foumlrderung im Jahr 2006 (Ministerium fuumlr Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2006)

3 Im Schulgesetz NRW ist seit 2014 formuliert dass Schuumllerinnen und Schuumller mit und ohne Behinderung bzw sonderpaumldagogischem Foumlrderbedarf gemeinsam unterrichtet und erzogen werden sollen (Ministerium fuumlr Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2014)

4 Zur naumlheren Beschreibung von Forschungsprozessen an der Versuchsschule Oberstufen-Kolleg sowie dem spezifi schen Verstaumlndnis von Praxisforschung siehe Hahn et al in diesem Band Hahn et al defi nieren in ihrem Aufsatz zudem Transferprozesse bzw -forschung Die von den

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Aufb auend auf diesen Aussagen bzw Annahmen werden in diesem Beitrag For-schungs- und Transferaktivitaumlten zur Inneren Diff erenzierung nachgezeichnet und diskutiert Dabei wird ein Blick auf sechs Jahre Praxisforschung gerichtet die immer eng verbunden mit Praxistransfer gestaltet wurde Zunaumlchst werden in Kapitel 1 drei aufeinander aufb auende Praxisforschungsprojekte kurz vorgestellt die im Folgenden (Kapitel 2) bezuumlglich ihrer Moumlglichkeiten zum Praxistransfer kritisch betrachtet wer-den Abschlieszligend wird in Kapitel 3 eine Schlussfolgerung versucht in die auch Pers-pektiven fuumlr kuumlnft igen Praxistransfer einbezogen sind

1 Heterogenitaumlt als Normalfall Praxisforschung Innere Diff erenzierung in der Sekundarstufe II mit Transfer der Ergebnisse in die Praxis

Ausgangspunkt fuumlr die hier vorgestellte Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur In-neren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II war ein Schulentwicklungsprozess des Oberstufen-Kollegs der 2005 initiiert wurde Dessen zentrale Leitlinie war die Be-trachtung von Heterogenitaumlt als Normalfall In diesem Zusammenhang hat sich im Jahr 2006 die Forschungs- und Entwicklungsgruppe bdquoInnere Diff erenzierung in der Sekundarstufe IIldquo konstituiert Deren Mitarbeiterinnen (Lehrkraumlft e der Versuchsschu-le und Mitarbeiterinnen der Wissenschaft lichen Einrichtung Oberstufen-Kolleg) ha-ben sich bis ins Jahr 2012 mit verschiedenen Fragestellungen und Zielperspektiven des Th emas angenommen Von ihnen wurden Fragestellungen zur Inneren Diff eren-zierung immer praxisbezogen formuliert das betrifft auch die Transferprozesse die durch die Gruppe initiiert und durchgefuumlhrt wurden Drei Schwerpunkte wurden uumlber sechs Jahre hinweg betrachtet Im Folgenden werden diese drei Projekte skizziert

11 Interner Transfer von Forschungsergebnissen das Schulentwicklungsprojekt Innere Diff erenzierung in der Sekundarstufe II am Oberstufen-Kolleg

Zentrales Anliegen der Forschungs- und Entwicklungsarbeit zum Schulentwicklungs-projekt Innere Diff erenzierung in den Jahren 2006ndash2008 war die Professionalisierung der Lehrenden des Oberstufen-Kollegs im Umgang mit heterogenen Lerngruppen Dabei ruumlckte die Weiterentwicklung der Moumlglichkeiten zur individuellen Foumlrderung aller Lernenden (nicht nur spezieller Gruppen oder einzelner Schuumllerinnen) in den Fokus Zusammenfassend koumlnnen fuumlr die zwei Jahre folgende Th emenschwerpunkte bzw Taumltigkeiten nachgezeichnet werden bull Erhebung des Ist-Stands zur Inneren Diff erenzierung am Oberstufen-Kolleg zur

Durchfuumlhrung adressatengerechter interner Fortbildungsprozesse

Autorinnen und Autoren vorgenommenen Begriff sbestimmungen sind auch fuumlr diesen Beitrag leitend

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bull Analyse und Adaptionen (im Sinne von bdquoNacherfi ndenldquo Kussau 2007) von Metho-den Innerer Diff erenzierung unter dem Fokus der Bedingungen der Sek II konkret der gymnasialen Oberstufe

bull Rezeption von Forschungsergebnissen zur Inneren Diff erenzierung und zu Fortbil-dungskonzepten

bull Fokus Lehrerprofessionalitaumlt Was brauche ich als Lehrperson um erfolgreich Bin-nendiff erenzierung durchzufuumlhren

bull Interner Transfer der Forschungsergebnisse mit modularisiertem Setting

Nach einem Jahr theoretischer Vorarbeiten begann im Sommer 2007 die praktische Umsetzung der Schulentwicklungsarbeit im und mit dem Kollegium Im Fokus des in-ternen Transfers standen neben einer Auseinandersetzung mit konkreten Methoden der Inneren Diff erenzierung umfaumlngliche refl exive Anteile Die Lehrerprofessionalitaumlt wurde mit ihren Facetten professionelle Handlungskompetenz und paumldagogische Hal-tung (Bernard Lau amp Waumlcken 2010 Lau amp Boller 2010) als bedeutsames Moment zur Umsetzung des Prinzips Innere Diff erenzierung in den Mittelpunkt gestellt Inne-re Diff erenzierung war uumlber ein ganzes Ausbildungsjahr hinweg der Schwerpunkt der hausinternen Fortbildungsarbeit Damit konnte eine wichtige Voraussetzung fuumlr wirk-same Lehrerfortbildung das Erstrecken uumlber einen laumlngeren Zeitraum erfuumlllt werden (Lipowsky 2004 S 473) Foren ermoumlglichten neben mehreren paumldagogischen Tagen zum Th ema eine kollegiale Auseinandersetzung mit verschiedenen Dimensionen In-nerer Diff erenzierung Zur notwendigen kontinuierlichen Einbeziehung der Lernen-den des Oberstufen-Kollegs in die Konzeption konkreter Entwicklungsprozesse (Kem-per amp Kroumlger 2008 S 237) wurden Analysen vor und Evaluationen nach zentralen Veranstaltungen vorgenommen So wurde der Schulentwicklungsprozess so gut wie moumlglich adressatengerecht gestaltet (eine ausfuumlhrliche Darstellung zu dieser Schulent-wicklungsarbeit fi ndet sich bei Bathe Kemper Lau Rosowski amp Waumlcken 2008)

Im Verlauf dieser Transferarbeit nach innen ergaben sich wichtige Hinweise zu Gelingensbedingungen von Schulentwicklungsprozessen Diese lassen sich als Voraus-setzungen und Aufgaben fuumlr eine den Prozess gestaltende Schulentwicklungsgruppe fuumlr das Kollegium und fuumlr die Schulleitung bzw eine die Schulentwicklungsprozes-se einer Einrichtung insgesamt koordinierende Gruppe beschreiben (ausfuumlhrlich sie-he Lau 2012 S 249 f)

12 Das Praxishandbuch bdquoInnere Diff erenzierung in der Sekundarstufe IIldquo ndash aus der Praxis fuumlr die Praxis

Mit der Konzeption und Veroumlff entlichung des Herausgeberbands bdquoInnere Diff erenzie-rung in der Sekundarstufe II Ein Praxishandbuch fuumlr Lehrerinnenldquo (Boller amp Lau 2010) wurden die Forschungsergebnisse der Projektgruppe aus den Vorjahren im For-schungszeitraum 2008 bis 2010 fuumlr den externen Transfer aufb ereitet Bedeutsam ist dass sich die Projektgruppe Innere Diff erenzierung nie als bloszliges Methodenrepertoire verstanden hat sondern umfaumlnglich Voraussetzungen und Diskussionen zur Inneren

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Diff erenzierung rezipiert erforscht und formuliert hat (zur Buchkonzeption ausfuumlhr-licher siehe Lau 2012 S 250 f) Im Mittelpunkt standen fuumlr die Gruppe in diesem Sinne einerseits Chancen und Grenzen von Methoden Innerer Diff erenzierung dazu wurden Ergebnisse empirischer Forschungen einbezogen Andererseits wurde auch eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Lehrerprofessionalitaumlt durch das Buch betont Hervorzuheben ist dass dieses Handbuch die Luumlcke schloss die fuumlr Pu-blikationen zur Inneren Diff erenzierung vorlag Ein Praxisband nur fuumlr die Sekundar-stufe II war (und ist) etwas Besonderes

Mit diesen hier nur angedeuteten Erfahrungen und Forschungsergebnissen aus vier Jahren Praxisforschung konnte der letzte Schwerpunkt der Arbeit in den Blick genommen werden der externe Transfer von Praxisforschungsergebnissen zu Innerer Diff erenzierung uumlber Fortbildungskonzepte

13 Externer Transfer Fortbildungen zur Inneren Diff erenzierung

Die Projektgruppe war gewarnt Forschungsergebnisse zur Inneren Diff erenzierung so aufzubereiten dass sie auf Unterrichtspraxis der fortgebildeten Lehrpersonen einwir-ken und diesen Transfer auch zu beforschen ndash das ist eine Herausforderung (Lipow-sky 2010 S 51)

Entsprechend wurden die Fortbildungen die durch die Projektgruppe in den Jah-ren 2010 bis 2012 angeboten wurden sehr sorgfaumlltig geplant Leitend waren neben eigenen Praxiserfahrungen (siehe 11) u a folgende Hinweise (ausfuumlhrlich zu konzep-tionellen Uumlberlegungen Lau 2011) bull Lehrerwissen bzw die berufsbezogenen Uumlberzeugungen veraumlndern sich nur positiv

wenn im Rahmen der Fortbildung eine Auseinandersetzung mit konkreten Unter-richtssituationen stattgefunden hat (Helmke 2010 S 311)

bull Erweiterung und Staumlrkung vorhandener Kompetenzen (Jaumann-Graumann Mey-er Stengert-Schaumburg amp Pfeiff er 2000 S 96) sowie Fokussierung auf den Unter-richt der einzelnen Teilnehmerinnen nicht (ausschlieszliglich) auf Th eorien und Mo-delle (Feindt 2010 S 88) sind im Planungsprozess zu bedenken

bull Die Refl exion der eigenen berufl ichen Arbeit auf deren Basis eine Veraumlnderung der individuellen Professionalitaumlt stattfi nden kann ist von Bedeutung (Jaumann-Grau-mann amp Koumlhnlein 2000 S 15 Lipowsky 2004 S 465 Lipowsky 2011 S 412)

bull Fuumlr Fortbildungen im Bereich Innerer Diff erenzierung ist zudem die Aussage hoch relevant dass eigene lernwegdiff erenzierte Arbeits- und Lehr-Lern-Prozesse ermoumlg-licht und dabei die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer konzeptionell beruumlcksichtigt werden (Fischer 2007 S 10) Es geht also darum Innere Diff erenzierung in der Fortbildung als Modell fuumlr die Fortbil-dungsveranstaltung an sich anzusehen

bull Nach Bloumlmeke (2010) ist das individuelle Selbstkonzept fuumlr den langfristigen Be-rufserfolg von hoher Relevanz Generell entwickelt sich die Lehrerprofessionalitaumlt durch Kenntnis Einsicht und Refl exion weiter Dazu bedarf es einer Auseinander-

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setzung mit Th eorie sowie das Durcharbeiten bzw Erproben didaktischer Modelle (Jaumann-Graumann amp Koumlhnlein 2000 S 14 f)

bull Zu beachten fuumlr Implementationsbestrebungen sind natuumlrlich Voraussetzungen wie Uumlberzeugungen Motivation und Vorwissen aufseiten der fortzubildenden Personen sowie das Klima im Kollegium (Lipowsky 2010 S 63 f)

bull Kollegialer Austausch waumlhrend (Fussangel Ruumlrup amp Graumlsel 2010 S 331 347) und nach (Lipowsky 2010 S 65) Fortbildungsveranstaltungen tragen dazu bei (neue) Methoden und Konzepte in den Unterricht der einzelnen Lehrpersonen zu integ-rieren

Durchgefuumlhrt wurden angebotsorientierte (Workshops oder Vortraumlge) und nachfrage-orientierte Angebote Beide Formate bargen individuelle Chancen und Risiken (Ter-hart 2000 S 131) die es zu beachten galt Bei den nachgefragten Veranstaltungen handelte es sich ausnahmslos ndash und durchaus auch gegen den Rat der Fortbildne-rinnen ndash um eintaumlgige Veranstaltungen sogenannte schulinterne Fortbildungen was nicht uumlberrascht hat (dazu auch Lipowsky 2011 S 412)5 Insbesondere fuumlr diese Ver-anstaltungen wurde ein umfassendes Modell zur Planung Durchfuumlhrung und Evalua-tion der Fortbildungen konzipiert und angewendet (Abb 1 ndash ausfuumlhrlich beschrieben bei Lau amp Groszlige-Kluszligmann 2012)

Abbildung 1 Konzeption Evaluation und Weiterentwicklung von Fortbildungsveranstaltungen (Lau amp Groszlige-Kluszligmann 2012 S 170)

5 So galt in NRW im hier besprochenen Zeitraum dass lediglich ein paumldagogischer Tag als unterrichtsfreier Tag pro Schuljahr fuumlr Fortbildungsmaszlignahmen die die Weiterentwicklung der gesamten Schule betreff en eingeplant werden konnte (Tresselt 2015) Hierzu gibt es mit einer neuen Allgemeinen Dienstordnung (ADO) seit Juni 2012 uumlber sect 11 (4) eine Erweiterung Zwei paumldagogische Tage (schulinterne Fortbildungen) koumlnnen durch eine Schule gestaltet werden (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen 2013)

Ist Fortbildung uumlberhaupt noumltig

Ja ndash Fortbildung MUSS sein

Fortbildungcharakterisiert durch

Bedarfsanalyse

Arbeitsergebnisse Evaluation(repraumlsentativer Anteil)

Feedbackbogen TeilnehmerInnen

Erhebungsinstrumente

Selbstreflexion Fortbildungsteam

Durchfuumlhrung

Konzept +Inhalten

Evaluation

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Ausgehend von der positiv beantworteten Frage ob Fortbildung zur Inneren Diff eren-zierung uumlberhaupt notwendig ist wurden Fortbildungsmodule konzipiert und durch-gefuumlhrt (siehe oben) Die durchgefuumlhrten Veranstaltungen wurden durch das Fortbil-dungsteam vielfaumlltig evaluiert Zudem boten die Arbeitsergebnisse der fortgebildeten Lehrerinnen und die Selbstrefl exion der Fortbildnerinnen wichtige Anhaltspunkte die zur Weiterentwicklung sowohl des Fortbildungs- als auch des Evaluationskonzepts genutzt wurden Jede nachfrageorientierte Veranstaltung wurde zudem durch eine umfangreiche Bedarfsanalyse die mit verschiedenen Statusgruppen der nachfragen-den Einrichtung durchgefuumlhrt wurde eingeleitet Auch dieses Instrument wurde im-mer wieder auf den Pruumlfstand gestellt

Nach der systematisch vorgenommenen zweijaumlhrigen Transferarbeit konnte die Pro-jektgruppe fuumlr die Durchfuumlhrung eintaumlgiger schulinterner Fortbildungen u a Folgen-des konstatieren bull Obwohl die Konzeption dieser Veranstaltungen nachfrageorientierte und angebots-

orientierte Module beinhaltet hatte umfangreiche Bedarfsanalysen mit verschiede-nen Statusgruppen der schulischen Einrichtung im Vorfeld der Fortbildung durch-gefuumlhrt wurden auf deren Basis die Konzeption der Veranstaltung je angepasst wurde konnte gemaumlszlig Evaluationsergebnissen eine adressatengerechte Durchfuumlh-rung von Fortbildungen fuumlr alle Teilnehmerinnen nicht in Gaumlnze erreicht werden

bull (Off ensiv vertretene) Angebote zur Modularisierung bzw zur Nachbereitung der Fortbildungen wurden in keinem Fall durch die Schulen diskutiert entsprechend nicht in Anspruch genommen

bull Grundsaumltzlich hat die Gruppe die Wirksamkeit dieser eintaumlgigen Fortbildung mit u a Lipowski (2010) sowie Keller (2011) aktuell auch Lipowski amp Rzejak (2015) in Frage gestellt

Fuumlr konzipierte und ausschlieszliglich angebotsorientiert durchgefuumlhrte Workshops zum Th emenfeld Innere Diff erenzierung wurde festgestelltbull Eine bdquoadressatengerechteldquo Durchfuumlhrung von Workshops fuumlr alle Teilnehmerinnen

gelang durchausbull Auch hier muss aber die Wirksamkeit der wenigstuumlndigen Fortbildungen bezuumlglich

der Wirksamkeit der Fortbildungsmaszlignahme kritisch betrachtet werden

2 Praxistransfer Problemstellungen aus der Praxis

In allen Phasen des explizit vorgenommenen internen oder externen Transfers von Praxisforschung zur Inneren Diff erenzierung wurden vielfaumlltige Transferhindernis-se bzw -probleme deutlich Entsprechend kann festgehalten werden Trotz nieder-schwelliger Kommunikation uumlber Buch Zeitschrift enartikel und natuumlrlich insbe-sondere Fortbildungen gelingt Praxistransfer der Forschungsergebnisse zur Inneren Diff erenzierung nur eingeschraumlnkt Dabei koumlnnen fehlender praktischer Bezug der Forschungsergebnisse oder eine abstrakte Ausdrucks- bzw Praumlsentationsform als

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moumlgliche Begruumlndungen fuumlr Transferprobleme (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 S 3) nicht dienen denn das Fortbildungsteam bestand jeweils aus Praktikerin-nen

Wo also liegen die ProblemeBetrachtet man einen weiteren Aspekt der moumlglichen Ursachen fuumlr Transferprobleme naumlmlich die Anschlussfaumlhigkeit der Forschungsergebnisse vor Ort (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 S 3) so lassen sich dazu widerspruumlchliche Tendenzen erkennen Einerseits wurden (und werden aktuell wieder verstaumlrkt) Fortbildungen zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II nachgefragt Also war das Th ema anschlussfauml-hig Anderseits sind speziell fuumlr die gymnasiale Oberstufe Standardisierungs- und Be-schleunigungstendenzen in Kombination mit einem auf Selektion ausgerichteten Bil-dungssystem zu erfassen (Lau Klewin Keuff er amp Rosowski 2016 S 215) Das kann zu dem Trugschluss fuumlhren dass Heterogenitaumlt fuumlr die Ausbildung in der gymnasialen Oberstufe von untergeordneter Relevanz ist Diese Schlussfolgerung koumlnnte durch die Tatsache verstaumlrkt werden dass inklusive Beschulung in der gymnasialen Oberstufe an institutionelle Grenzen stoumlszligt Zieldiff erente Ausbildung ist in Deutschland in die-ser Schulstufe nicht vorgesehen Ist Innere Diff erenzierung also doch kein Th ema fuumlr die Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe II Sozusagen bdquokein echtesldquo Zumin-dest nicht fuumlr alle Lehrpersonen eines Kollegiums Interessant ist in diesem Kontext dass nach Lipowsky (2010 S 64) besonders fuumlr Fortbildungen mit fachdidaktischem Fokus Wirksamkeit erfasst werden kann Fuumlr die Zielgruppe der Sek II ndash besonders Lehrerinnen der gymnasialen Oberstufe ndash gilt dies ableitend von Goumlb (2017 S 14) vermutlich verstaumlrkt Gymnasiallehrerinnen besuchen allgemeindidaktische Fortbil-dungen vergleichsweise seltener Der Praxistransfer zur Inneren Diff erenzierung ent-hielt (und enthaumllt) keinen fachdidaktischen Schwerpunkt Aber die Fortbildungsver-anstaltungen knuumlpfen in jedem Fall an Kognitionen und Konzepte der Lehrpersonen an Refl exionen des eigenen Handelns werden immer wieder in den Mittelpunkt ge-stellt Auch das sind sehr gute Voraussetzungen fuumlr wirksame Lehrerfortbildungen wirksamen Praxistransfer (Lipowsky 2010 S 64) Es geht immer auch um Lehrer-professionalitaumlt Doch diese aumlndert sich nicht ad hoc durch eine besuchte Fortbildung Im Gegenteil Lernprozesse die im Anschluss an eine absolvierte Fortbildung erfol-gen sind haumlufi g ausschlaggebend fuumlr die Wirksamkeit einer Veranstaltung (Goumlb 2017 S 19) Entsprechend sind laumlngerfristige Erhebungen zur Wirksamkeit der Fortbildun-gen (des Praxistransfers) noumltig die die Erfassung von Einstellungsaumlnderungen in den Mittelpunkt ruumlcken

Bereits angeklungen ist dass modularisierte sich uumlber einen laumlngeren Zeitraum er-streckende Fortbildungen durch die abnehmenden Einrichtungen nicht nachgefragt wurden Das fuumlhrt bei Fortbildungen zur Inneren Diff erenzierung in denen es ge-rade nicht darum geht deklaratives Wissen zu vermitteln dazu dass die Wirksam-keit der Transferbemuumlhungen in Frage steht (Lipowsky amp Rzejak 2015 S 18) Zur Be-gruumlndung der Ablehnung der Modularisierung der Fortbildung wurden immer wieder Arbeitsuumlberlastung im Allgemeinen sowie institutionelle Vorgaben (bis 2012 ledig-lich ein Tag zur schulinternen Fortbildung moumlglich ndash siehe oben) angegeben Weiter

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wurde auf die vielen anderen paumldagogischen Herausforderungen verwiesen die es mit Fortbildungen zu bewaumlltigen gilt Tatsaumlchlich erfuumlllen auch aus Sicht der Fortbildne-rinnen die institutionellen Rahmenbedingungen nur sehr eingeschraumlnkt die notwendi-ge Voraussetzung fuumlr gelingenden Praxistransfer zur Inneren Diff erenzierung bzw zur gelingenden Lehrerfortbildung insgesamt

3 Schlussfolgerungen und Perspektiven

Praxistransfer mit der Zielgruppe Lehrerinnen und Lehrer braucht aufseiten dieser Personengruppe Zeit Derartiger Praxistransfer wird in der Hauptsache durch Fort-bildungen verschiedenster Varianten umgesetzt Fuumlr diese braucht es unbedingt deut-lich verbesserte bildungspolitisch gesetzte Rahmenbedingungen damit Professiona-lisierungsbestrebungen greifen koumlnnen (dazu auch Lipowsky amp Rzejak 2015 S 41 Terhart 2016a S 296 Terhart 2016b S 79 ff ) Dies gilt besonders fuumlr unterrichtlich relevante Th emen die die individuelle Lehrerprofessionalitaumlt an sich tangieren wie es fuumlr Innere Diff erenzierung der Fall ist (Lau amp Boller 2010 Wischer amp Trautmann 2010b)

Wichtig ist zudem dass der Praxisbezug bei schulisch relevanten Forschungsvor-haben bestaumlndig gepruumlft wird Wuumlnschenswert waumlre es in diesem Zusammenhang wenn wie am Oberstufen-Kolleg in Bielefeld Lehrende auch als Forscherinnen tauml-tig sein koumlnnen (Hahn et al in diesem Band) So koumlnnen Forschungsergebnisse von Praktikern fuumlr Praktiker erhoben und vermittelt werden Weitere Moumlglichkeiten zum Praxistransfer sind die Bildung von schuluumlbergreifenden Lerngemeinschaft en schul-uumlbergreifende Kooperationen oder die langfristige Begleitung von Schulen zu einem Schulentwicklungsthema durch ein Lehrer-Forscher-Team Selbstverstaumlndlich sollte die Nutzung digitaler Medien immer in die konzeptionellen Uumlberlegungen zum Pra-xistransfer einbezogen werden (Goumlb 2017 S 19) Hierzu gibt es erste Ansaumltze z B auch durch die Autorin

Grundsaumltzlich aber muss Praxistransfer gewollt sein soll er gelingen Das betrifft die Praxisforschenden aber auch die Zielgruppe fuumlr konkrete Praxisforschungsvor-haben Eine Forderung nach Praxisforschung muss entsprechend immer verbunden werden mit einer Forderung nach klaren und zielfuumlhrenden Strukturen zum Transfer Entsprechend sind alle Praxis-Forschungsgruppen dazu aufgerufen zu hinterfragen ob es fuumlr ihre Forschungen uumlberhaupt Moumlglichkeiten gibt in die Praxis uumlbertragen zu werden In diesem Zusammenhang ist auch die Bildungspolitik gefordert Strukturen bereitzustellen damit Ergebnisse von ihr beauft ragter Forschungen nicht nur publi-ziert werden sondern auf die Schulwirklichkeit insgesamt einwirken koumlnnen

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Wischer B amp Trautmann M (2010a) bdquoIch tue es nicht also bin ich ein schlechter Leh-rerldquo Zu Problemen und Fallstricken von innerer Diff erenzierung Paumldagogik (1011) 32ndash34

Wischer B amp Trautmann M (2010b) Innere Diff erenzierung als unterschaumltzte paumldago-gische Herausforderung Zu den Grenzen einer Reformstrategie In S Boller amp R Lau (Hrsg) Innere Diff erenzierung in der Sekundarstufe II Ein Praxishandbuch fuumlr Lehre-rinnen (S 158ndash166) Weinheim [u a] Beltz

Susanne Wolter

Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) ndash eine Kooperation von Wissenschaft Landesinstitut regionaler Fortbildung und Schulpraxis

Das Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) fuumlhrte von 2012 bis 2014 in Kooperation mit dem Institut zur Qualitaumltsentwicklung im Bildungs-wesen (IQB) und der Technischen Universitaumlt (TU) Muumlnchen ein Fortbildungspro-jekt zur Unterrichtsentwicklung an ausgewaumlhlten Schulen in den Laumlndern Berlin und Brandenburg durch Im Zentrum des Interesses standen dabei die Aufgabenkultur an der Schule sowie die Initiierung von Prozessen der Unterrichtsentwicklung im Sinne eines standard- und kompetenzorientierten Unterrichts durch Impulse aus der aktuel-len wissenschaft lichen Forschung

Ziele

Ein Ziel des Projekts war die Erarbeitung eines Fortbildungskonzepts zur Bewertung und Weiterentwicklung von Unterrichtsaufgaben in den Faumlchern Deutsch und Natur-wissenschaft en Dieses Konzept basierte auf einem allgemeindidaktischen Aufgaben-analyseraster welches von Kleinknecht Maier Metz und Bohl (2011) entwickelt wur-de Weitere Ziele bestanden in der Umsetzung des erarbeiteten Fortbildungskonzepts an ausgewaumlhlten Schulen in den Laumlndern Berlin und Brandenburg sowie der Evalua-tion der durchgefuumlhrten Lehrkraumlft efortbildungen

Struktur

Hervorzuheben war in diesem Projekt die besonders enge Zusammenarbeit von Wis-senschaft lerinnen und Wissenschaft lern (IQB TU Muumlnchen) und Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern des Landesinstituts fuumlr Schule und Medien Berlin-Branden-burg in allen Phasen des Projektes Zum wissenschaft lichen Hintergrund sowie zu den entwickelten Fortbildungsmodulen wurden Schulberaterinnen und Schulbe-rater der regionalen Fortbildungssysteme in Berlin und in Brandenburg in mehre-ren Veranstaltungen von den Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern und den

Susanne Wolter 260

LISUM-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern speziell geschult Mit den Beraterin-nen und Beratern wurde anschlieszligend ein gemeinsames detailliertes Script fuumlr die Durchfuumlhrung der Fortbildungsmodule entwickelt um die Vergleichbarkeit der par-allel stattfi ndenden Lehrkraumlft efortbildungen sicherzustellen Anschlieszligend setzten die Schulberaterinnen und Schulberater die Fortbildungsmodule in der Schulpraxis um Da Nachhaltigkeit von Fortbildung am ehesten in kooperativen Strukturen abgesichert werden kann waren schulische Fachteams (Fachgruppen Fachkonferenzen) im Fach Deutsch und in den Naturwissenschaft en die Zielgruppe der Qualifi zierung Die Fort-bildungsveranstaltungen in den Schulen wurden von Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern des IQB und der TU Muumlnchen evaluiert

Inhalte und Umsetzung

Schulen in Berlin und Brandenburg erhielten in Absprache mit den Bildungsverwal-tungen die Moumlglichkeit mit einer Fachgruppe (entweder im Fachbereich Deutsch oder im Fachbereich Naturwissenschaft en) an einer Erprobung der Fortbildungsse-quenz teilzunehmen Die Sequenz umfasste zwei Teile Im ersten Teil (ca 260 Minu-ten) wurde der Fachgruppe ein Aufgabenanalyseraster vorgestellt und an ausgewaumlhlten Aufgaben praktisch erprobt Das Aufgabenanalyseraster bietet Diff erenzierungsmoumlg-lichkeiten z B in Bezug auf Wissensarten und -einheiten Repraumlsentationsformen und Lebensweltbezuumlge Entwickelt wurde es von einem Team um Marc Kleinknecht am Institut fuumlr Schulpaumldagogik in Tuumlbingen

Abbildung 1 Das Projekt LAGOS

Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) 261

Abbildung 2 Dimensionen und Kategorien Aufgabenanalyseraster (nach Kleinknecht u a 2011)

Dimension Kategorien

Wissensart Fakten Prozeduren Konzepte Metakognition

kognitiver Prozess Reproduktion naher Transfer weiter Transfer Problemloumlsen

Wissens-einheiten eine WE bis zu 4 WE mehr als 4 WE

Offenheit definiert konvergent

definiert divergent ungenaudivergent

Lebens-weltbezug kein konstruiert authentisch real

sprachlogische Komplexitaumlt niedrig mittel hoch

Repraumlsentations-formen eine Integration Transformation

Susanne Wolter 262

Im zweiten Teil der Fortbildung (ca 145 Minuten) lernten die Fachgruppen Moumlglich-keiten der Abwandlung und Variierung von Aufgaben kennen wendeten diese prak-tisch an und tauschten sich uumlber die Erfahrungen mit dem Aufgabenanalyseraster in der Unterrichtspraxis aus Im Mittelpunkt stand dabei eine bewusste Refl exion der eingesetzten Aufgaben Fragen wie z B bdquoWelche Aufgaben habe ich bislang noch nicht eingesetztldquo bdquoWelche Aufgaben kann ich fuumlr starke und fuumlr schwache Lerner anbie-tenldquo bdquoWie kann ich Aufgaben zu einem Lernziel gezielt abwandelnldquo und bdquoWelche Art von Aufgaben setzen meine Kolleginnen und Kollegen einldquo wurden in den Ver-anstaltungen von den Fachgruppen diskutiert

Evaluation

Eine begleitende Evaluation die von Dirk Richter vom IQB und Marc Kleinknecht von der TU Muumlnchen durchgefuumlhrt wurde sollte Erkenntnisse uumlber die Funktiona-litaumlt der Fortbildung liefern Untersucht werden sollte inwieweit die Fortbildung ge-eignet ist das fachliche Wissen und Koumlnnen der Lehrkraumlft e zu erweitern und damit potenziell auch den Unterricht zu veraumlndern Als Datengrundlage fuumlr die Auswer-tung dienten Evaluationsboumlgen die von 95 Lehrkraumlft en nach den Veranstaltungen an-onym zuruumlckgesandt wurden Im Rahmen dieser Evaluation wurden die Lehrkraumlft e einmal nach der ersten Fortbildungsveranstaltung und ein zweites Mal nach der Fol-geveranstaltung gebeten allgemeine Angaben zum Hintergrund der befragten Per-son zu machen Positives sowie Verbesserungswuumlrdiges zur gerade absolvierten Fort-bildungsveranstaltung herauszustellen sowie standardisierte Abfragen zur Qualitaumlt der Fortbildungsveranstaltung zu beantworten Nach der zweiten Fortbildungsveranstal-tung wurden die Lehrkraumlft e auszligerdem gebeten vorgegebene Unterrichtsaufgaben aus dem Fach Deutsch bzw aus den naturwissenschaft lichen Faumlchern mithilfe des Aufga-benanalyserasters zu bewerten

LAGOS aus der Sicht des paumldagogischen Landesinstituts

Fuumlr die LISUM-Mitarbeiterinnen war das LAGOS-Projekt eine Gelegenheit Ergeb-nisse aktueller wissenschaft licher Forschung wahrzunehmen intensiv zu diskutieren und gemeinsam mit den Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern sowie Schulbe-raterinnen und Schulberatern fuumlr die Verwendung in der Lehrkraumlft efortbildung fuumlr die Schulpraxis aufzuarbeiten Das LISUM als paumldagogisches Landesinstitut sieht sich selbst in der Rolle eines Vermittlers zwischen Schulpraxis Bildungsverwaltung und Wissenschaft

Im Leitbild des Landesinstituts (LISUM 2012) heiszligt es dazuDas LISUM versteht sich als lernende Organisation in der Vermittlung zwi-schen Schulpraxis Wissenschaft und Bildungsverwaltung Es ist Ansprech-partner fuumlr alle mittel- und unmittelbar am Bildungsprozess Beteiligten

Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) 263

Gelingensbedingungen und Fazit

Der Verlauf und die Ergebnisse des LAGOS-Projekts lieferten erste Hinweise darauf welche Bedingungen ein gelingender Transfer wissenschaft licher Erkenntnisse in die Schulpraxis braucht

Unser Fazit laumlsst sich in vier Th esen zusammenfassen1) Praxistransfer braucht eine aktive Initiierung und engagierte Akteure in der Wis-

senschaft im paumldagogischen Landesinstitut als bdquoMittlerldquo und bdquoUumlbersetzerldquo in den Fortbildungssystemen und in der Schule

2) Praxistransfer braucht engen Kontakt zur Wissenschaft Dabei ist eine intensive Kommunikation erforderlich

3) Praxistransfer braucht Investitionen von Zeit und Ausdauer bei allen Akteuren so-wie eine Begleitung der Schulen

4) Praxistransfer braucht erkennbare Praktikabilitaumlt und Nuumltzlichkeit fuumlr die Lehr-kraumlft e Wissenschaft liche Erkenntnisse gelangen besser in die Schulpraxis wenn sie in kleinen und gut aufb ereiteten bdquoPaketenldquo vermittelt werden

Literatur

Kleinknecht M Maier U Metz K amp Bohl T (2011) Analyse des kognitiven Aufgaben-potentials Entwicklung und Erprobung eines allgemeindidaktischen Auswertungs-manuals Unterrichtswissenschaft 29 (4) 329ndash345

Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) (2012) Leitbild des Landesinstituts fuumlr Schule und Medien Berlin-Brandenburg Verfuumlgbar unter httplisumberlin-brandenburgdefi leadminbbbLISUMLeitbild_LISUMpdf

Veronika Manitius und Nina Bremm

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie Einblicke in ein Schulentwicklungsprojekt zu Schulen in sozial-raumlumlichen benachteiligten Lagen in NRW

1 Hintergrund

Die Relevanz von gelingenden Transfer- und Implementationsprozessen fuumlr die er-folgreiche Umsetzung von Reformen sowohl auf System- als auch Schulebene gilt in der Schulentwicklungsdiskussion als unbestritten (van Holt 2014 Graumlsel 2010 Jaumlger 2004) So betont auch die Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrer juumlngst uumlberarbeite-ten Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring

Die Aufgabe der Landesinstitute und Qualitaumltseinrichtungen der Laumlnder be-steht in diesem Zusammenhang darin Forschungswissen in Kooperation mit wissenschaft lichen Einrichtungen adressatengerecht fuumlr die Schulen die Bil-dungsadministration und die Bildungspolitik aufzubereiten und zu verbrei-ten Um nachhaltig Wirkung in der Flaumlche erzielen zu koumlnnen bedarf es fer-ner besonderer Implementations- und Transferstrategien in den Laumlndern (Kultus ministerkonferenz (KMK) 2015 S 14)

Damit werden Wissenschaft und Landesinstitute als zentrale Kooperationspartner be-nannt die Wissen fuumlr Schulen und Administration aufb ereiten und transferieren sol-len Unklar bleibt jedoch wie solche Kooperationsstrukturen konkret zu denken sind und was bdquobesondereldquo Implementations- und Transferstrategien fuumlr Schulen und Bil-dungsadministration kennzeichnet

Das Forschungs- und Schulentwicklungsprojekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo (im Folgenden bdquoPotenziale-Projektldquo) greift die Empfehlungen der Kultusmi-nisterkonferenz (KMK) auf und fokussiert in seiner konzeptionellen Anlage auf die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft (Universitaumlten Duisburg ndash Essen und Dort-mund) und Landesinstitut (Qualitaumlts- und Unterstuumltzungs-Agentur ndash Landesinstitut fuumlr Schule NRW ndash QUA-LiS) im Wissensmanagement und in der Transferarbeit des Projekts Als weitere Akteure sind die Stift ung Mercator 36 Schulen in herausfordern-den Lagen aus der Metropolregion Ruhr und die Bildungsadministration in das Pro-jekt eingebunden Das Projekt verfolgt von Beginn an das Ziel systemisch zu wirken und nachhaltige Entwicklungen im Regelsystem anzustoszligen

Veronika Manitius und Nina Bremm 266

Das Projekt hat somit das Ziel Wissen und Erkenntnisse wirksame Strategien Interventionen und Verfahren zur Unterstuumltzung von Schulen in herausfordernden Lage aufzubereiten und in Empfehlungen zusammenzutragen (fuumlr die Bildungsadmi-nistration und das Regelsystem) Hiervon sollen weitere Schulen profi tieren (unab-haumlngig von den Projektschulen) z B in Form von Konzepten und Modulen fuumlr schul-bezogene Fortbildungen Schulentwicklungskonzepten fuumlr abgestimmte paumldagogische und organisatorische Interventionselemente fuumlr Schulen in herausfordernder Lage Entwicklungsansaumltzen spezifi scher Schulentwicklungsberatung und -begleitung Ver-netzungskonzepten fuumlr institutionenuumlbergreifende Kooperation und Schulnetzwerke und Dokumentationen Handreichungen und Materialien fuumlr die praktische Arbeit in und mit Schulen Zudem geht es darum dem schulischen Regelsystem Wissen bereits waumlhrend des Projektslaufs ruumlck zu spiegeln und so eine Synchronisation von Zeit-schienen die je nach Bezugssystem (Wissenschaft Schulen Administration Bildungs-politik) durchaus sehr unterschiedlich ausgestaltet sein koumlnnen (Bremm et al 2018) mitzudenken Im Folgenden wird zunaumlchst das Design des Potenziale-Projekts skiz-ziert um dann theoretisch in das Konzept des kooperativen Wissensmanagements das im Rahmen des Projekts realisiert wurde einzufuumlhren Dem schlieszligt sich ein praktischer Einblick in die konkrete Umsetzung des Konzepts im Rahmen des Poten-ziale-Projekts an Schlieszliglich werden im letzten Teil des Beitrags Chancen und Gren-zen des gewaumlhlten Ansatzes fuumlr Wissenstransferprozesse im Bildungssystem refl ektiert

2 Das Projekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo

Das bdquoPotenziale-Projektldquo ist als integriertes Schulforschungs- und datengestuumltztes Schulentwicklungsprojekt konzipiert und stellt in dieser Form einen innovativen An-satz dar der praxisbezogene Forschung und Entwicklung miteinander verzahnt Der Entwicklungsteil ist bewusst off en konzipiert um fl exibel auf die uumlber die Begleitfor-schung empirisch identifi zierten Bedarfe der teilnehmenden Schulen unter Beruumlck-sichtigung und gezielter Einbindung der im Schulsystem vorhandenen Strukturen und Akteure eingehen zu koumlnnen

Das Projektdesign laumlsst sich grob in vier Phasen unterteilen (vgl Abb 1) Die Pha-se der Schulauswahl (1) der Erhebung der Ausgangslage in den Projektschulen (2) der Schulentwicklungsarbeit in Schulnetzwerken und auf Einzelschulebene (3) sowie der Abschlusserhebung oder Evaluation der durchgefuumlhrten Schulentwicklungsmaszlig-nahmen (4)

In der ersten Phase der Projektlaufzeit fi ndet eine quantitative Ausgangserhebung zu Kontext- und Prozessmerkmalen der Schulen satt Schulinterne und schulexterne Bedingungen werden durch quantitative Befragungen der Schulleitungen der gesam-ten Kollegien sowie der Schuumller- und Elternschaft des 6 und 8 Jahrgangs ermittelt Hierzu werden nicht lediglich die Qualitaumlt der Leistungsergebnisse sondern diff e-renzierte Prozessmerkmale der Einzelschulen erfasst Erhoben werden dabei Merk-male die nach aktuellem Forschungsstand die Eff ektivitaumlt von Schulen ndash insbeson-dere in herausfordernder Lage ndash beeinfl ussen koumlnnen bzw die kennzeichnend fuumlr

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 267

Schulen sind die ihre Prozess- und Outputqualitaumlten uumlber eine Zeitspanne verbes-sern konnten1 Zusaumltzlich werden mithilfe eines Sozialindex diff erenzierte Merkmale der schulspezifi schen Kontextbedingungen einbezogen Entwicklungen in den Schu-len werden durch vertieft e qualitative Studien an sechs Fallschulen und eine laumlngs-schnittliche Abschlussbefragung erfasst Alle Daten der Eingangserhebung stehen den Schulen auf Klassen- oder Schulebene aggregiert zur Verfuumlgung Der datenbasiert und entwicklungsoff en konzipierte Ansatz der Netzwerk- und Schulentwicklungsarbeit re-agiert fl exibel auf die im Forschungsteil identifi zierten Bedarfe unter Beruumlcksichtigung und gezielter Einbildung der im Schulsystem vorhandenen Akteure und Strukturen Zentrales Strukturelement im Schulentwicklungsteil des Projekts ist ein schuluumlber-greifender Netzwerkansatz der dem Konzept einer netzwerkbasierten Schulentwick-lung sowie empirischen Erkenntnissen zur Wirksamkeit von Schulnetzwerken ent-spricht (Manitius amp Berkemeyer 2015 Berkemeyer et al 2015) Als Voraussetzung fuumlr das Gelingen der Netzwerkarbeit konnte eine thematische Naumlhe und ein Zielkon-sens der jeweiligen Schulen im Netzwerk herausgearbeitet werden (ebd) Vor diesem Hintergrund wurden die Netzwerke datengestuumltzt und kriteriengeleitet zusammenge-stellt sodass Schulen mit aumlhnlichen Entwicklungsprofi len in einem Netzwerk zusam-men an aumlhnlichen Fragestellungen und Loumlsungsansaumltzen arbeiten koumlnnen Zusaumltzlich zum Netzwerkteil des Projekts wurde eine einzelschulische Begleitung installiert die Schulen in ihrer individuellen Schulentwicklung unterstuumltzt Hier nimmt der Koope-

1 Z B Unterrichtsentwicklung Lernfoumlrderung und Diff erenzierung Klassenfuumlhrung Curricu-lum und Lernorganisation Leadership und Management schulinterne und externe Kooperati-onen Verfahren der Schulentwicklungsarbeit und Einstellungen zur Heterogenitaumlt der Schuumller-schaft

Abbildung 1 Design des Potenziale-Projekts

Veronika Manitius und Nina Bremm 268

rationspartner QUA-LiS NRW eine zentrale Position ein QUA-LiS NRW stellt dem Projekt sechs bdquobegleitende Lehrkraumlft eldquo mit jeweils fuumlnf Entlastungsstunden zur Ver-fuumlgung die sowohl an den quartalsweise stattfi ndenden Netzwerktreff en teilnehmen als auch einzelschulische Entwicklungen im Rahmen von Vor-Ort-Besuchen beglei-ten und schulinterne Entwicklungsarbeit und Maszlignahmen wie z B Fortbildungen anstoszligen Zudem werden Schulen netzwerk- und schuluumlbergreifend zusaumltzliche An-gebote zu relevanten Th emen wie etwa zur Weiterqualifi zierung von Schulleitungen oder Steuergruppen Oumlff entlichkeitsarbeit im Rahmen der bdquoPotenziale-Akademieldquo an-geboten

Die standardisierte Evaluation der Netzwerk- und Schulentwicklungsarbeit und das gemeinsame Wissensmanagement von Landesinstitut und Wissenschaft schaff en systematisierte Informationen uumlber erfolgreiche Entwicklungsstrategien von Schulen in schwieriger Lage Die enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Landesinsti-tut und die konzeptionelle Einbindung von Administration und Schulen seit Projekt-start bildet die Grundlage fuumlr den Transfer (vgl die naumlchsten Abschnitte) Projekte wie das bdquoPotenziale-Projektldquo koumlnnen insofern auch modellbildend fuumlr eine veraumlnderte Forschungsfoumlrderung im Sinne nutzeninspirierter Grundlagenforschung sein Damit wird ein Bedarf aufgegriff en den die Kultusministerkonferenz in juumlngster Zeit formu-liert hat Die Bildungsforschung sollte nicht nur eine deskriptive Diagnose der Qua-litaumlt des Bildungswesens ermoumlglichen sondern Entwicklungen erklaumlren und deutlich konkretere Hinweise geben wie die festgestellten Probleme geloumlst werden koumlnnten Eine nicht ausreichend geloumlste Herausforderung bestehe darin Prozesse des Messens der Entwicklung und des Transfers staumlrker miteinander zu verbinden (Kultusminister-konferenz (KMK) 2015)

3 Kooperatives Wissensmanagement als Transferstrategie im Schulsystem

Nimmt man Wissensmanagement als einen moumlglichen Ansatzpunkt um Schulent-wicklungsarbeit und Transferprozesse zu unterstuumltzen dann stellt sich die Frage wel-ches bdquoWissenldquo koordiniert auf welche Weise wohin transferiert werden soll Gerade im Zusammenhang mit Transferbemuumlhungen wird im bildungsbezogenen Diskurs der-zeit vor allem uumlber Wissensbestaumlnde in Form von Evidenzen verhandelt mit dem Ziel eine staumlrker evidenzorientierte oder evidenzinformierte Strukturierung der Praxis zu erreichen (van Ackeren et al 2013 Th iel 2014) Fuumlr den im Projekt gesetzten the-matischen Fokus der Unterstuumltzung von Schulentwicklung in herausfordernden La-gen ist von Interesse dass bdquorelevanteldquo Wissensbestaumlnde (Forschungswissen schulinter-nes Wissens administrativ ermitteltes Wissen fachliches Wissen sonstige Expertisen etc) generiert und koordiniert wird Dies hat zum Ziel die im Rahmen eines ver-gleichsweise kleinen explorativen Projekts gewonnenen Erkenntnisse systematisch zu sichern um im naumlchsten Schritt zu pruumlfen inwiefern diese Erkenntnisse fuumlr die Wei-terentwicklung des groszligen Schulsystems Nordrhein-Westfalens genutzt werden koumln-nen (Manitius amp Groot-Wilken 2017) Die Bestimmung und Entscheidung uumlber Rele-

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 269

vanz ist dabei Bestandteil eines Sensemaking-Prozesses (Coburn 2005) der wiederum als wichtige Voraussetzung erfolgreicher Transfer-Bemuumlhungen gelten kann Dies meint dass die Transferadressaten Informationen Daten und Wissen letztlich rekon-textualisieren muumlssen damit z B Wissensbestaumlnde zur Unterstuumltzung von Schulent-wicklungsarbeit genutzt werden koumlnnen Voraussetzung dafuumlr ist wiederum dass in dem Projekt zur Organisation des Wissens ein Verstaumlndnis und eine Praxis fuumlr das Wissensmanagement implementiert wurden

Modelle des Wissensmanagements fokussieren zumeist auf die organisationa-le Ebene bzw auf das fuumlr das Wissensmanagement erforderliche Wechselspiel zwi-schen organisationalem Wissensmanagement und individuellem Nutzen von Wis-sen z B durch individuelles Lernen was wiederum der Organisationsentwicklung zutraumlglich ist (z B Nonaka Takeuchi amp Mader 1997) Fuumlr ein Wissensmanagement koordiniert zwischen verschiedenen Akteuren eines Systems erscheint das Muumlnche-ner Modell (Reinmann-Rothmeier 2001) von Interesse weil es besonders die unter-schiedlichen Dimensionen des Wissensmanagements als Prozess in den Blick nimmt und auch danach fragt in welcher Konstellation Wissensmanagement erfolgen kann In diesem Modell wird hinsichtlich des Umgangs mit Wissen in vier zentrale Kate-gorien unterschieden (1) bdquoWissensrepraumlsentationldquo als der Vorgang der Wissen trans-parent verstaumlndlich und bdquogreifb arldquo macht Hier geht es also zum einen um die Be-reitstellung von Wissen und zum anderen um den Einsatz geeigneter Formate um Wissen zu transportieren Fuumlr das Management bedeutet dies zum Beispiel geeigne-te Instrumentarien zu fi nden die Wissen besser zum Vorschein bringen sowie auf or-ganisationale Rahmenbedingungen zu achten welche Wissenstransparenz foumlrdern Unter (2) bdquoWissensnutzungldquo ist der Prozess gemeint mit welchem die Anwendung des Wissens erfolgt was z B die Nutzung von Wissen als Grundlage fuumlr Entscheidungen und Handeln meint Dies ist ein hochgradig anspruchsvoller und von Komplexitaumlt ge-kennzeichneter Schritt des Wissensmanagements da es hierbei darum geht die Traumlg-heit des Systems zu uumlberwinden also zum Beispiel Handlungsroutinen zu veraumlndern und von gewohnten Mustern abzuweichen Der Bereich der (3) bdquoWissenskommuni-kationldquo meint die unmittelbaren Aktivitaumlten des Wissensaustausches der Wissensver-teilung und der Wissensverbreitung Leitend ist dabei die Annahme dass erst durch Kommunikation Wissen uumlber einen einzelnen Wissenstraumlger hinaus Anwendung fi n-den kann Herausfordernd fuumlr das Wissensmanagement ist an dieser Stelle gelingende Kommunikationsprozesse zu gestalten welche eine hohe Interaktionsdichte Vertrauen zwischen den Teilnehmenden und kooperative Handlungen kennzeichnen Schlieszliglich wird im Modell der Bereich der (4) bdquoWissensgenerierungldquo thematisiert der z B die Umwandlung von Informationen zu Wissen z B Handlungswissen umfasst Dies be-deutet auch vorhandenes Wissen zu hinterfragen und zu modifi zieren bzw Infor-mationen und Daten hinzuziehen um neues Wissen zu kreieren Fuumlr diesen Schritt wiederum ist es aus Management-Perspektive bedeutsam die jeweiligen Traumlger von Wissen und Expertise sowie Informationsgeber auch in entsprechende Kommunika-tionssettings zusammenzubringen

Zwar sind die hier beschriebenen vier Prozessbereiche des Wissensmanagements nicht strikt kategorial trennscharf (Wissenskommunikation duumlrft e uumlbergreifend auch

Veronika Manitius und Nina Bremm 270

in den anderen Bereichen zentral fuumlr das Gelingen des jeweiligen Prozesses sein) so ergibt sich doch aus ihnen naumlherungsweise ein Bild dessen was wesentliche Aspek-te des Wissensmanagements sind Im Muumlnchener Modell werden sie als Bestandteil eines regelhaft en organisationalen Kreislaufes gefasst wonach das Wissensmanage-ment insgesamt darauf ausgerichtet ist zum Erreichen des Organisationsziels beizu-tragen und entsprechende Evaluationsschleifen welche wiederum auf das Wissensma-nagement ruumlckwirken mitzudenken

Eingespeist werden hier zudem Uumlberlegungen welche Personenkonstellationen fuumlr ein solches Wissensmanagement guumlnstig sind Gemeint sind so genannten bdquoCommu-nitiesldquo welche aus Personen bestehen die geleitet von aumlhnlichen Interessen und Prob-lemlagen loumlsungsorientiert zusammenarbeiten und dabei eher kooperativ denn kom-petitiv agieren Diese Communities tragen deshalb zu Wissensmanagement-Prozessen bei weil sie Kommunikation auch abseits von hierarchischen oder organisationalen Strukturen ermoumlglichen loumlsungsorientiert zu Austausch und Expertise entlang aumlhn-licher und damit verbindender Problemstellungen verhelfen und fuumlr die Mitglieder einen motivationsfoumlrderlichen vertrauensvollen und identitaumltsstift enden Rahmen auf-bieten der Wissensgenerierungs- und Lernprozesse foumlrdert und somit auch Innovatio-nen vorantreiben kann Auch aus systemischer Perspektive wird vorgeschlagen Wis-sensmanagement weniger top down durchzusetzen sondern eher strategisch geschickt uumlber gut platzierte Pilotprojekte die zentrale Steuerung und dezentrale Bemuumlhungen gleichermaszligen mitberuumlcksichtigen zu gestalten (Willke 2004) Hierzu liegen entspre-chend auch Erfahrungen im internationalen Kontext entsprechender Transferbemuuml-hungen vor beispielsweise rund um die Diskussion zur bdquoknowledge mobilizationsldquo (Ng-A-Fook et al 2015) wonach vor allem vernetze Konstellationen und koopera-tive Strategien der Wissensvermittlung vielversprechend fuumlr gelingenden Transfer er-scheinen

Der Uumlbertrag dieser theoretischen Uumlberlegungen zum Wissensmanagement auf das Schulsystem birgt einige Herausforderungen da beispielsweise das Muumlnchener Modell vor allem Wissensmanagement in organisationaler Perspektive beleuchtet und somit von einem uumlbergeordneten Organisationsziel ausgeht auf das sich auch Bemuuml-hungen des Wissensmanagements hin ausrichten Bezuumlglich des Schulsystems stellt sich dies angesichts der Vielfalt an beteiligten Organisationen und Akteuren anders da hier ist vielmehr von Zielkollisionen und diff erenten Interessenslagen auszugehen die auch entsprechendes Konfl iktpotenzial bergen (Bremm et al 2018) Von daher ist ein Uumlbertrag bezogen auf das Schulsystem in erster Linie thematisch zu denken weil das unterstellt dass von aumlhnlichen Zielen der Beteiligten auszugehen ist Ausgehend von einem Interesse der beteiligten Akteure im Schulsystem daran dass Schulen ndash im Fall des vorliegenden Projekts in herausfordernder sozialraumlumlicher Lage ndash gelingend unterstuumltzt werden ist das uumlbergeordnete systemische Ziel dass Schulentwicklungs-arbeit dieser Schulen sich so verbessert dass sich eine entsprechende Qualitaumltsent-wicklung auch im Output der Schule (wie in schulischen Qualitaumltsmerkmalen oder der Leistung von Schuumllerinnen und Schuumllern) niederschlaumlgt Richtet man das Wis-sensmanagement nun an dieser Leitidee aus kann es in den unmittelbaren Arbeitsbe-ziehungen entsprechend ausgestaltet werden

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 271

Die Vorstellung von Akteurskonstellationen im Sinne einer Community die the-menbezogen auch abseits von hierarchischen Strukturen agiert fi ndet sich im Schul-system vor allem im Bereich einer netzwerkgestuumltzten Schulentwicklung (Manitius amp Berkemeyer 2015 Ruumlrup amp Roumlbken 2015) Diese spezifi sche Schulentwicklungs-strategie erfaumlhrt in Deutschland in den letzten 10 Jahren erhebliche Resonanz wie etwa anhand der Vielfalt von Programmen und Maszlignahmen im Rahmen sogenann-ter Bildungslandschaft en sichtbar Aumlhnlich dem Gedanken der Communities liegt das Potenzial von schulischer Netzwerkarbeit vor allem darin als intermediaumlre Organisa-tionsform die Moumlglichkeit zum Austausch und Lernen aufzubieten und uumlber solche Strukturen auch Innovationen zu erzeugen und letztlich schulische Qualitaumltsentwick-lung zu foumlrdern Im deutschsprachigen Raum verlaumluft der Diskurs hierzu vor allem mit Blick darauf wie die einzelne Schule als Organisation von Vernetzungsaktivitaumlten profi tieren kann (Berkemeyer Bos Jaumlrvinen Manitius amp van Holt 2015)

In systemischer Perspektive erscheint es hilfreich die amerikanischen Arbeiten zu bdquoResearch-Practice-Partnershipsldquo in School-Districts aufzugreifen womit der Gedan-ke der wissensmanagementbetreibenden Community dahingehend ausgeschaumlrft wird dass unterschiedliche Akteure innerhalb solcher Partnerschaft en gerade auch auf-grund ihrer unterschiedlichen Handlungslogiken fuumlr eine erfolgreiche Zielerreichung kooperativ agieren muumlssen Ausgehend von einem Scheitern einfacher linear gedach-ter Uumlbersetzungsleistungen (z B von Forschungsergebnissen) wird der Ansatz der Re-search-Practice Partnerships wie folgt defi niert bdquoLong-term mutualistic collaborati-ons between practioners and researchers that are intentionally organized to investigate problems and solutions for improving district outcomesldquo (Coburn Penuel amp Geil 2013 S 2) Research-Practice Partnerships sind demzufolge eher langfristig angelegt die Beteiligten konzentrieren sich auf die Loumlsung von Praxisproblemen und agieren in Wechselwirkung zueinander ndash alle Seiten der Kooperation profi tieren und lernen von der Zusammenarbeit Hierfuumlr werden gezielt unterschiedlichste Strategien eingesetzt um eine enge Kooperation zu foumlrdern Wichtig fuumlr die unmittelbare Zusammenarbeit ist der Gedanke des bdquojoint workldquo (Penuel Allen Coburn amp Farrell 2015) wonach der Fokus der Arbeit gemeinsam ausgehandelt und die Verantwortung fuumlr die Zusammen-arbeit geteilt wird Dieser Aspekt unterscheidet sich z B von uumlblichen Kooperatio-nen zwischen Forschung und (Bildungsadministrations-)Praxis in welchen etwa For-schung beratend fuumlr Folgeeinschaumltzungen angefragt oder fuumlr Evaluationsstudien zur Erforschung von Praxis beauft ragt wird Ein weiteres Kennzeichnen solcher Partner-schaft en ist es dass gemeinsam Analysen von Daten auch auf der Basis unterschiedli-cher Datenquellen vorgenommen werden Dies erweist sich als anschlussfaumlhig an den Diskurs um die Herstellung von Evidenz uumlber Aushandlung der beteiligten Akteure (Heinrich 2015) sowie einer wissensbasierten partizipativ und diskursiv angelegten Evidenzgenese (Weiland 2013)

Zudem ist es ein Kennzeichen der Research-Practice-Partnership dass den unter-schiedlichen Logiken also auch den Unterschieden der Partner begegnet wird indem Grenzen uumlberschritten (boundary crossing) werden und sich somit der Logik und dem Professionsbereich des Anderen uumlber solche Grenzuumlberschreitungen angenaumlhert wird (Penuel et al 2015) Dies kann z B in Kommunikationssettings die Diskussion

Veronika Manitius und Nina Bremm 272

und Austausch zwischen Vertretungen aus Wissenschaft und Schulpraxis ermoumlglichen erfolgen oder auch in spezifi schen Publikationsformaten die unterschiedliche Sicht-weisen auf einen Gegenstand beruumlcksichtigen (exemplarisch Seidel et al 2016) Sol-che Grenzuumlberschreitungen tragen schlieszliglich zu bdquoboundaries practiceldquo bei wenn sie mit entsprechender Refl exionsarbeit einhergehen und Lernprozesse befoumlrdern und schlieszliglich Veraumlnderung von Routinen bewirken (Penuel et al 2015)

Fuumlr ein Wissensmanagement das in systemischer Perspektive als Transferstrategie fuumlr die Unterstuumltzung von Schulen in herausfordernder Lage genutzt werden soll bie-ten die vorangestellten theoretischen Ausfuumlhrungen wichtige Hinweise Die im Muumln-chener Modell des Wissensmanagements kategorial beschriebenen Prozessdimensio-nen zeigen auf wie sich entsprechend ein Wissensmanagement als Projektaufgabe konzipieren laumlsst Hierzu gehoumlren etwa die Entwicklung und der Einsatz zentraler Instrumente des Wissensmanagements die die Wissensgenese und -nutzung stuumltzen Ferner kommt der Wissenskommunikation eine erhebliche Bedeutung ndash auch in der Transferperspektive ndash zu was fuumlr ein gelingendes Wissensmanagement wiederum be-deutet fuumlr entsprechende Kommunikationsformen und -settings und letztlich auch das Aufeinandertreff en und wenn erforderlich konstante bdquoNaumlheldquo der relevanten Ak-teure zu sorgen

Bei dem mit dem Projekt verfolgten Anspruch zur Unterstuumltzung von Schulent-wicklungsarbeit in herausfordernder Lage evidenzinformiert und unter Einbezug re-levanter Ressourcen der verschiedensten Akteure im System vorgehen zu wollen (Bremm et al 2017) erscheint der Ansatz des Research-Practice-Partnership guumlns-tig da er konzeptionell gelingende Kooperation bei gleichzeitig diff erenten Hand-lungslogiken der Partner vorsieht Dies begruumlndet sich darin dass er konstant gehal-tene Naumlhe regelmaumlszligige Kommunikationssettings und Dialogforen sowie den Raum fuumlr zielorientierte wissensbasierte Verhandlung sowie Schaff ung von Problemloumlsun-gen unter Einbezug relevanter aber in ihrer Handlungslogik houmlchst unterschiedlicher Akteure vorsieht Studien zur Wirkung solcher Partnerschaft en zwischen Forschung und Praxis stuumltzen diese positiven Zuschreibungen Ihr Vorteil liegt vor allem darin auf lange Sicht auch zur Professionalisierung der Beteiligten im Sinne einer Veraumlnde-rung von Routinen und Verhaltensweisen beizutragen und dies vor allem dann wenn diese Partnerschaft en dialogbasiert und langfristig zusammenarbeiten (Coburn amp Pe-nuel 2016 Akkerman amp Bakker 2011) Zudem zeigt sich dass solche Partnerschaft en deutlich transformativer wirken als es klassische linear gedachte Transferstrategien leisten koumlnnen (Penuel et al 2015)

4 Wissensmanagementstrategien im Projekt

Die kooperativ konzipierte Struktur des Projekts bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo in NRW kann aumlhnlich einer Research-Practice-Partnership verstanden wer-den Allerdings wird die Akteurskonstellation Schulpraxis-Wissenschaft deutlich er-weitert um Bildungsadministration die einen aktiven Part in der projektbezogenen Zusammenarbeit einnimmt

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 273

Die auf den Wissensmanagement-Teil bezogene Zielstellung des Projektes bezieht sich auf das Interesse der beteiligten Bildungsadministration aus einem Schulentwick-lungsprojekt fuumlr 36 Schulen Erkenntnisse zu generieren die daraufh in gepruumlft werden koumlnnen inwiefern sie fuumlr die landesweiten Unterstuumltzungsstrukturen in NRW Rele-vanz besitzen und entsprechend transferiert und in Regelstrukturen umgesetzt wer-den Fuumlr ein groszliges Flaumlchenland wie NRW mit uumlber 5500 Schulen ist der Ansatz also sich praktisch an einer Partnerschaft zwischen Stift ung Schulen Wissenschaft und Bildungsadministration (Ministerium Landesinstitut und insbesondere auch das Fort-bildungssystem) zu beteiligen und relevante Ergebnisse des Projektes (Forschungswis-sen Erfahrungen Materialien) zu einer gelingenden Unterstuumltzung fuumlr Schulen in he-rausfordernden Lagen mit Bedarfen im Unterstuumltzungssystem zu koppeln und ggfs so aufzubereiten dass eine Uumlberfuumlhrung in die Unterstuumltzungssysteme wie etwa dem Fortbildungssystem ermoumlglicht wird

Diese Zielsetzung wird mithilfe einer dialogisch angelegten und eng ausgestalte-ten Zusammenarbeit der das Projekt steuernden Partnern aus Wissenschaft (Univer-sitaumlten Duisburg-Essen und Dortmund) Bildungsadministration (Landesinstitut fuumlr Schule NRW) sowie der Stift ung Mercator realisiert Konkret wird die Strategie ver-folgt mithilfe des Einsatzes von Wissensmanagement-Instrumenten durch das Lan-desinstitut aktiv fuumlr eine systematische Ermittlung von potentiell bedeutsamen Wis-sensbestaumlnden und sie Sammlung von Expertisen zu sorgen und parallel dazu bereits einen transferorientierten Dialog von Projektbeginn an mit dem moumlglichen bdquoAdres-satldquo Fortbildungssystem zu initiieren und zu pfl egen um auch die Expertise der im Fortbildungssystem Taumltigen mit einzubeziehen und Transferbemuumlhungen bedarfsge-recht auszurichten Zusaumltzlich werden weitere Wissenssorten wie etwa das durch die Universitaumlten generierte Forschungswissen miteinbezogen

Kooperative ProjektstrukturDie Partnerschaft im Projekt als bdquoPraxis-Wissenschaft -Administration-Partnerschaft ldquo (Manitius amp Bremm 2018) stellt sich vor dem Hintergrund der jeweiligen Rollen und Aufgaben der Akteure wie folgt dar (vgl Abb2) Das Projekt wird operativ durch die beteiligten Universitaumlten umgesetzt die hierfuumlr entsprechende Foumlrdergelder durch die Stift ung Mercator erhalten Die Universitaumlten nehmen im Projekt damit eine Doppel-rolle ein da sie einerseits den Schulentwicklungsteil verantworten und die Projekt-schulen in ihrer Schulentwicklungsarbeit unterstuumltzen indem sie die Ressourcen des Projektes koordinieren die Schulnetzwerke mit moderieren und steuern und anderer-seits sowohl Netzwerkarbeit als auch die Schulentwicklungsarbeit erforschen also z B auch die durchgefuumlhrten Maszlignahmen evaluieren bzw fuumlr deren Evaluation sorgen

Ein Beispiel fuumlr die dialogisch angelegte Evidenzaushandlung auf Grundlage ver-schiedener Wissenssorten (Forschungsergebnisse und schulinternes Wissen) zeig-te sich z B darin dass die im Rahmen einer Eingangserhebung erfassten schulspe-zifi schen Daten zur jeweiligen Schulqualitaumlt der Einzelschulen mit fast jeder Schule in einer gemeinsamen Sitzung zwischen Wissenschaft lerinnen und Mitgliedern aus Schulleitung Steuergruppe und zum Teil auch Kollegien besprochen und die unter-schiedlichen Sichtweisen auf die so ermittelten innerschulischen Entwicklungsbereiche

Veronika Manitius und Nina Bremm 274

abgeglichen wurde Erst nach dieser Aushandlung erfolgte dann die fi nale Zuordnung einer Schule zu einem Netzwerk mit Schulen aumlhnlicher Problemlagen als Ergebnis einer gemeinsamen Verstaumlndigung

Daruumlber hinaus stehen die beteiligten Universitaumlten in einem engen Austausch mit dem Landesinstitut z B im Rahmen regelmaumlszligig stattfi ndender Partnertreff en auf Pro-jektleitungsebene Hier geht es darum bereits bdquoim Prozessldquo in einen inhaltlichen und transferorientierten Diskurs uumlber den Projektstand die einzelschulischen Maszlignahmen und erzeugten wissenschaft lichen Befunde zu gelangen Das Landesinstitut nimmt mit Blick auf die Transferbemuumlhungen im Projekt eine zentrale Rolle ein Zum einen stellt es mit 5 Stunden entlastete Lehrkraumlft e (begleitende LK) den Netzwerken zur Verfuuml-gung Mit diesen Lehrkraumlft en die die Projektschulen begleiten und unterstuumltzen steht das Landesinstitut in einem regelmaumlszligigen Austausch setzt hier auch Instrumente des Wissensmanagements ein nutzt regelmaumlszligige Treff en mit den Lehrkraumlft en allein oder auch gemeinsam mit den Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern fuumlr den Dialog Schlieszliglich sorgt das Landesinstitut fuumlr die Information des Ministeriums fuumlr Schu-le und Bildung und den Bezirksregierungen und koordiniert hier auch regelmaumlszligigen Austausch um Zwischenstaumlnde zum Projekt in den Diskurs mit den Verantwortlichen fuumlr Qualifi zierung und Fortbildung zu bringen Dies bedeutet auch die fuumlr die Pro-jektschulen zustaumlndigen lokal ansaumlssigen Fortbildnerinnen und Fortbildner des staat-lichen Lehrerfortbildungssystems ebenfalls mit einzubeziehen Die von QUA-LiS ab-geordneten begleitenden Lehrkraumlft e fungieren zudem als eine wichtige Schnittstelle in diesem Gefuumlge der unterschiedlichen Projektpartner Sie sind maszliggeblich im Schul-entwicklungsteil des Projektes taumltig und unterstuumltzen die Einzelschulen in ihrer Ent-

Abbildung 2 Akteurskonstellation im Projekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo (Bremm 2016)

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 275

wicklungsarbeit z B indem sie bei dem Finden geeigneter Fortbildungen mit taumltig werden Dokumentationsarbeit leisten und Ruumlckkopplung auch zu der Arbeit in den Netzwerken herstellen Eine weitere wichtige Aufgabe die die diese Lehrkraumlft e erfuumll-len liegt darin zum Wissensmanagement im Projekt beizutragen Fuumlr den Dialog mit dem Landesinstitut werden hierfuumlr Instrumente des Wissensmanagements fuumlr die Do-kumentation und als Grundlage fuumlr vertieft en Austausch genutzt

Instrumente des WissensmanagementsDie im Projekt von Seiten der QUA-LiS eingesetzten Instrumente des Wissensma-nagements2 wurden unter Ruumlckgriff auf relevante Fachliteratur (Probst Raub amp Rom-hardt 2012) zunaumlchst vom Landesinstitut entwickelt erprobt und nach dem ersten Jahr zum Teil in gemeinsamer Abstimmung mit den Wissenschaft lerinnen und Wis-senschaft lern und den begleitenden Lehrkraumlft en im Projekt angepasst und veraumlndert Th eoretisch begruumlndet folgte die Entwicklung der Instrumente entlang einer heuristi-schen Struktur wie folgt (vgl Abb 3)

Abbildung 3 Struktur fuumlr die Entwicklung von Wissensmanagement-Instrumenten (Manitius amp Groot-Wilken 2017)

Es wird angenommen dass es gerade fuumlr die Genese von Wissen uumlber komplexe Pro-zesse ndash wie etwa auch die Schulentwicklungsarbeit an Schulen in herausfordernder Lage ndash bedeutsam ist Datenmaterial mit hohem narrativem Anteil also zum Beispiel erzaumlhlte Fallgeschichten zu erzeugen Geht man zunaumlchst davon aus kurz den Anlass das bdquoProblemldquo das bearbeitet werden soll zu benennen (also zum Beispiel die Not-wendigkeit dass es Probleme mit der Individualisierung von Unterricht gibt) dann ist vor allem die dann zu erzaumlhlende bdquoGeschichteldquo dazu von Interesse in welcher darge-legt wird was genau an Schritten vorgenommen wurde welche Entscheidungen wie und zu was getroff en wurden was spezifi sche Kontextmerkmale waren usw Daran

2 Von Seiten der Wissenschaft wurden weitere Wissenmanagementinstrumente entwickelt die vor allem im Bereich der Schulentwicklungsbegleitung der Einzelschulen und im Rahmen der Netzwerke eingesetzt wurden und den Kooperationspartnern ebenfalls zu Verfuumlgung stehen

Veronika Manitius und Nina Bremm 276

knuumlpft sich die Frage danach an welche Einsichten gewonnen wurden also was zum Beispiel im Rahmen einer Fortbildung zur Individualisierung als nuumltzlich erlebt und genutzt wurde aber auch welche Umsetzungsprobleme sich beispielsweise ergaben und welche Schluumlsse und bdquoFolgerungenldquo aus diesen Einsichten daraus gezogen wur-den Abschlieszligend werden die bdquoAnschlussfragenldquo z B nach den naumlchsten Schritten des Schulentwicklungsprozesses thematisiert

Eingesetzt werden im Projekt drei zentrale Instrumente des Wissensmanagements 1 Dokumentationstabelle uumlber den Entwicklungsverlauf in der Schulentwicklungs-arbeit der Schulen 2 Mikroartikel und 3 Interviews In der Dokumentationstabel-le notieren die begleitenden Lehrkraumlft e in vorgegebenen Kategorien was Ereignisse naumlchste Schritte Planungen und Termine sind Diese Dokumentation erfolgt je Schu-le und dient zum einen der Dokumentation der einzelschulischen Begleitung als auch als Grundlage fuumlr die Interviews in denen vertieft uumlber die jeweilige Schulentwick-lungsarbeit der Projektschulen gesprochen werden kann Die Dokumentationstabellen werden sowohl den wissenschaft lichen Teams als auch Landesinstitut zur Verfuumlgung gestellt Die Universitaumlten koumlnnen diese Daten triangulativ ihren zusaumltzlichen Daten zuspielen das Landesinstitut nutzt diese Dokumentationen um die Interviews die es selbst mit den begleitenden Lehrkraumlft en durchfuumlhrt vorzubereiten und um einen Uumlberblick uumlber die Ereignisse in der Unterstuumltzungsarbeit die die begleitenden Lehr-kraumlft e fuumlr die Schulen leisten zu gewinnen Halbjaumlhrlich verfassen die begleitenden Lehrkraumlft e zudem einen Mikroartikel der inhaltlich der skizzierten Wissensmanage-ment-Struktur (vgl Abb 3) folgt und in welchem entlang dieser Struktur die Lehr-kraumlft e in einem Flieszligtext eine bdquoGeschichteldquo ihrer Wahl aus der Schulbegleitung im Projekt aufschreiben Gerade der Mikroartikel erzeugt deutlich mehr narratives Mate-rial als das etwa uumlber die eher standardisierte Dokumentationstabelle moumlglich ist und ist auch Grundlage um in den ebenfalls halbjaumlhrlichen Interviews der begleitenden Lehrkraumlft e mit dem Landesinstitut auch noch mal vertieft die Fallgeschichten im Pro-jekt nachzuvollziehen und die zentralen Erkenntnisse herauszuarbeiten

Perspektivisch dient das so erzeugte Datenmaterial neben den wissenschaft lich ge-wonnenen Ergebnissen wie Evaluationsauswertungen als Grundlage fuumlr eine sich an-schlieszligende systematische Auswertung deren Essenz schlieszliglich kommunikativ an die zentralen Akteure z B im Fortbildungssystem sowie auch an entsprechende Stellen im Ministerium ruumlckgekoppelt werden Im Zusammenspiel mit den wissenschaft lich ge-wonnenen Ergebnissen ergibt sich hier also eine multiperspektivisch gewonnene und triangulativ ausgewertete Wissensbasis fuumlr die Transferarbeit in die regelhaft en Struk-turen Im Projekt zeigte sich dass die eingesetzten Wissensmanagementinstrumente zudem eine Refl exionsfunktion fuumlr die die Projektschulen begleitenden Lehrkraumlft e er-fuumlllen Indem diese einen Mikroartikel verfassen und in den Interviews vertieft uumlber die Schulentwicklungsarbeit sprechen kann die eigene Unterstuumltzungsleistung refl ek-tiert und zum Teil auch kritisch mit Blick auf eigene (Professionalisierungs-)Bedar-fe beleuchtet werden Diese Refl exionsmoumlglichkeiten werden zudem noch erweitert durch das regelmaumlszligige Aufeinandertreff en aller begleitenden Lehrkraumlft e wo aumlhnlich kollegialer Fallberatungen einzelne Herausforderungen in der Schulentwicklungsbe-gleitung eroumlrtert werden

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 277

Ausgehandeltes Transferkonzept fuumlr den WissenstransferUm die verschiedenen Wissensformen und Daten letztlich systematisch zusammen-zufuumlhren und die verschiedenen Transferinteressen der beteiligten Partner (Wissen-schaft Bildungsadministration und Stift ung) zu bedienen haben diese ein gemeinsa-mes so genanntes bdquoTransferkonzeptldquo ausgehandelt das grundlegend fuumlr die Aktivtaumlten des Wissensmanagements und die Transferarbeit im Projekt ist Ziel in der Aushand-lung eines solchen Konzepts war es die verschiedenen Logiken der Partner zusam-menzufuumlhren Dabei ging es in diesen Aushandlungen nicht darum eine zentrale Lo-gik als die uumlbergeordnete gelten zu lassen (z B die Forschungslogik) sondern die verschiedenen Interessen daraufh in zu pruumlfen wo Schnittmengen liegen und wie sich der Wissenstransfer entlang von inhaltlichen Setzungen unter Einbeziehung der ver-schiedenen Datenquellen und mit der Zielperspektive unterschiedlicher Transferfor-mate fuumlr unterschiedliche Transferadressaten organisieren laumlsst

In der Arbeit am Transferkonzept wurden entlang dem Projektziel naumlmlich zu eruieren was Schulen in herausfordernden Lagen unterstuumltzt Th emencluster defi -niert die die inhaltliche Systematik des Transferkonzepts vorgeben Th eoretisch war dabei der heuristische Bezugsansatz des Projektes des design-based-school-improve-ments leitend Hieraus ergaben sich folgende Cluster fuumlr das Konzept die wiederum noch einmal in Subthemen aufgegliedert wurden (vgl Abb 4)

Abbildung 4 Im Transferkonzept benannte Zielbereiche der Erkenntnisgewinnung

Veronika Manitius und Nina Bremm 278

Je Subthema wurde in einem naumlchsten Schritt geschaut welche Forschungsfragen die beteiligten Universitaumlten bezogen auf diesen thematischen Aspekt verfolgen und wel-che zusaumltzlichen Fragestellungen seitens der Bildungsadministration bestehen Es wur-de zudem gepruumlft welche der verschiedenen Datenquellen fuumlr die Beantwortung der Fragestellungen herangezogen werden konnte und schlieszliglich wurde in dem Transfer-konzept Uumlberlegungen dazu angestellt in welche Wissenstraumlgerformate die gewonne-nen Erkenntnisse uumlberfuumlhrt werden sollen Dies hatte zum Ziel auch Formate neben den wissenschaft lichen Publikationen zu beruumlcksichtigen die verschiedene Adressaten ansprechen (z B das Fortbildungssystem des Landes z B andere Schulen oder aber Stift ung) Nachfolgend zeigt der Auszug zum Subthema bdquoFortbildungenldquo im Cluster bdquoInterventionsstrategienldquo wie sich diese Systematik im Transferkonzept darstellt

ZIELBEREICHE der Erkenntnis-gewinnung

Fragestellungen Quellen Vorgehen Design Produktformat

Zeitliche Planung ampVerantwort-lichkeiten

13

Schul-interne Fortbil-dungen

bull Vor dem Hintergrund welcher schulischen Problemstellung wird Fortbildung in welcher Form geplant und durchgefuumlhrt

bull Welche spezifi schen Rahmenbedingungen und Ressourcen von Schulen werden in der Fortbildungsplanung beruumlcksichtigt

bull Wie werden die schuli-schen Fortbildungsmaszlig-nahmen von den Teil-nehmenden bewertet hinsichtlich des Nutzens fuumlr die weitere Schulent-wicklungsarbeit

bull Inwiefern wird das in den Fortbildungs-maszlignahmen Erlernte tatsaumlchlich aufgegriff en fuumlr die innerschulische Qualitaumltsentwicklung

bull Welche Rolle spielen Netzwerkarbeit und Einzelschulbegleitung in diesem Prozess Wo haben Schulen Unter-stuumltzungsbedarfe in diesem Prozess

bull Ausgangserhebung Datenruumlckmeldung

bull Protokolle der Vor-Ort-Gespraumlche mit BLK

bull Teile des Schulportfo-lios Auftragsklaumlrung Entwicklungspla-nung -verlauf

bull Evaluationsbogen SchiLf

bull Ergebnismaterialien der SchiLf (falls vor-handen) ppt-Praumlsen-tation Ablaufplan Protokoll Materialien

bull Zu 4 Protokoll der Nachbesprechung der BLK mit Schule Entwicklungsbe-richte und Teile des Schulportfolios uumlber den weiteren SE-Pro-zess an der Schule

bull Qualitative Fall-studien

Ca 2 Fall-schulen

Darstellung der Faumllle an-hand der Pro-zesslogik des Design-based School Im-provement (s Kapitel 3)

bull wissenschaftliche Artikel

bull Aufbereitung fuumlr Admi-nistration Dokumen-tation je Fall mit hohen narrativen Anteilen (die ausgewerteten Daten werden entsprechend der verwendeten wissenschaftlichen Methode aufbereitet dargestellt und die jeweils einbezogenen Praxis-Instrumente (zB das Auftragsklaumlrungs-formular) hinterlegt

bull Ergebnisse aus den Netzwerkevaluationen werden aufbereitet (Tabellen Abbildungen etc)

bull Aufstellung von Themen Referenten Fortbildungsangebo-ten aus den erfolgten SchiLfen (Referenten-pool)

bull Kopiervorlagen Auf-tragsklaumlrungsblatt Evaluationsbogen Ent-wicklungsplanung

bull Abgabe Sommer 2019

Abbildung 5 Auszug aus dem Transferkonzept Potenziale entwickeln ndash Schulen staumlrken

Mit Blick auf die bdquoPraxis-Wissenschaft -Administration-Partnerschaft ldquo im Projekt ist dieses Transferkonzept ein Ergebnis einer durchaus ressourcenintensiven Aushand-lung und Verstaumlndigung der beteiligten Partner daruumlber was vor dem Hintergrund unterschiedlicher Interessen und Zielstellungen die die Partner verfolgen leitende Orientierung fuumlr die gemeinsamen Transferaktivtaumlten sein soll Dabei beruumlcksichtigt das Konzept entlang konkreter inhaltlicher Fragestellungen wie verschiedene Daten-quellen sich aufeinander beziehen sollen und was adressatengerechte Transferpro-

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 279

dukte sein werden Dieses im Projektprozess erarbeitete Konzept ist dabei nicht ab-schlieszligend zu verstehen sondern wird in der weiteren Zusammenarbeit bei Bedarf angepasst und vor allem hinsichtlich der Realisierung weiter konkretisiert Somit wird nicht nur Verbindlichkeit bezuumlglich der Transferarbeit gewonnen sondern auch recht-zeitig Bedarfe zur Nachsteuerung erkannt beispielsweise weil Datenluumlcken in Bezug auf zu beantwortenden Fragestellungen bestehen die etwa durch zusaumltzliche Daten-erhebungen behoben werden koumlnnen

5 Fazit

Die Erfahrungen aus dem Potenziale-Projekt zeigen dass die Akteurskonstellation im Projekt als Praxis-Wissenschaft -Administration-Partnerschaft fuumlr den Transfer von Bildungsinnovationen eine guumlnstige Grundlage darstellt Gerade die diskursive und prozessbegleitende Aushandlung von Transferzielen Inhalten Formaten und Ad-ressaten die gemeinsame Entwicklung eines umfassenden Transferkonzepts und die langfristig angelegte Akquise Information und schrittweise Einbindung von Trans-fernehmern stellen Strategien dar die Transferprozesse systematisch vorbereiten be-darfsorientiert Gestaltung ermoumlglichen und einen Transfererfolg wahrscheinlicher machen Aus gelingenden Transferprozessen koumlnnen wiederum konkrete Mehrwer-te bspw in Form von datenbasiert abgeleiteten Handlungs- und Steuerungsstrategien erwachsen So steigt die Chance dass eingesetzte Ressourcen auch in konkrete und nachhaltige Veraumlnderungen und besseren Antworten auf draumlngende gesellschaft liche Probleme muumlnden Andererseits erfordert ein solches Vorgehen neben erheblichen zeitlichen Ressourcen eine intensive Auseinandersetzung der beteiligten Personen mit Transferinhalten und vor allem mit den jeweiligen Systemlogiken der Kooperations-partner Dies ist keineswegs trivial da Entscheidungen in ihren Konsequenzen von systemfremden Akteuren oft mals nicht realistisch eingeschaumltzt werden koumlnnen da systeminterne Logiken und Zusammenhaumlnge nicht auf den ersten und oft mals auch nicht auf den zweiten Blick sichtbar werden

Schulentwicklungsforschungsprojekte unter der Transferperspektive analytisch zweigeteilt zu konzipieren naumlmlich in einem von vornherein mitgedachtem Schul-entwicklungs- und Wissensmanagementteil eroumlff net zum einen neue Erkenntnisraumlu-me zum anderen aber auch zeitlich und personell gewachsene Kooperationsstruktu-ren zwischen unterschiedlichen Stakeholdern die fuumlr den Transfer Projektwissen in systemische Strukturen von groszligem Vorteil wenn nicht gar unabkoumlmmlich schei-nen Zukuumlnft ige Schulentwicklungsprojekte sollten diesen Zusammenhang von Inhalt Struktur und Transfer beruumlcksichtigen und sowohl in Wissensmanagement als auch in fruumlhzeitigen und prozessbegleitenden Austausch investieren Unabdingbar auf Sei-ten von Projekttraumlgern ist dabei die Moumlglichkeit und der Wille eine solche Investition auch mit Ressourcen zu unterfuumlttern Ohne entsprechende personelle und zeitliche Ressourcen kann der dargestellte Prozess der durchaus intensive Abstimmungs- und Beziehungsarbeit erfordert nicht gelingen

Veronika Manitius und Nina Bremm 280

Insgesamt zeigt sich eine kooperativ enge Zusammenarbeit steuernder Projektpart-ner die unterschiedliche Ressourcen Netzwerke und Kenntnisse einbringen welche eben nicht nur die praktische Schulentwicklungsarbeit und die Beforschung dieser im Rahmen eines Schulforschungs- und Entwicklungsprojekts fokussieren sondern ins-besondere auch auf ein Wissensmanagement abzielen als entscheidendes Erfolgskri-terium fuumlr gelingende Transferprozesse Dies basiert zudem auf einem gemeinsamen Verstaumlndnis von Transfer als kooperativen Aushandlungsprozess unterschiedlicher Lo-giken der Anschlussfaumlhigkeit an unterschiedliche Systemlogiken Wissensbestaumlnde und Kommunikationslogiken erst herstellen muss

Wissensmanagement muss hierbei systematisch erfolgen braucht also eine Ver-staumlndigung daruumlber mithilfe welcher Instrumente Wissen generiert und organisiert werden kann und dies muss schlieszliglich eingebettet entlang der inhaltlichen Fragestel-lungen und Logiken (im Rahmen des Projekts Heuristik des design-based school im-provement) erfolgen Dieser inhaltliche Bezug ist wichtig da sonst das Risiko besteht dass unrealistische Fragestellungen und Erwartungen an das Projekt herangetragen werden oder Wissensmanagement eher dem Selbstzweck dient Im Potenziale-Projekt hat es sich als bedeutsam erwiesen diesen inhaltlichen Fokus aumluszligerst stringent in den Aushandlungen und Abstimmungsprozessen der steuernden Projektpartnern einzu-nehmen um hieruumlber die verschiedenen Logiken der beteiligten Institutionen sinn-voll und die unterschiedlichen Interessen beruumlcksichtigend aufeinander zu beziehen

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Autorinnen und Autoren

Herbert Altrichter o Univ-Prof Dr Direktor der Linz School of Education der Jo-hannes Kepler Universitaumlt Linz Forschungsschwerpunkte Bildungsreform und Gover-nance des Bildungswesens Schulentwicklung Evaluation qualitative Forschungsme-thoden neue Lernformen Lehrerbildung

Mag Simone Breit ist Leiterin des Departements fuumlr Elementarpaumldagogik an der PH NOuml und war zwischen 2010 und 2017 am BIFIE u a fuumlr die Standarduumlberpruumlfungen und kompetenzorientierte Messverfahren (mit-)verantwortlich Ihre Arbeitsschwer-punkte sind evidenzbasierte Schul- und Unterrichtsentwicklung paumldagogische Diag-nostik sowie elementare Bildung

Dr Nina Bremm ist wissenschaft liche Mitarbeiterin der AG Bildungsforschung der Universitaumlt Duisburg-Essen wo sie die operative Leitung des Projekts sbquoPotenziale ent-wickelnndashSchulen staumlrkenlsquo innehat In ihrer aktuellen Forschung fokussiert sie Fragen des Umgangs von Bildungsinstitutionen mit herkunft sbedingter Heterogenitaumlt Schul-entwicklungsforschung Netzwerkforschung Implementations- und Transferforschung

Peter Dobbelstein 1 und 2 Staatsexamen Sozialwissenschaft en und Deutsch Lehrer-taumltigkeit am Gymnasium und Berufskolleg wissenschaft licher Mitarbeiter in diversen Schulentwicklungsprojekten Referent im nordrheinwestfaumllischen Landesinstitut fuumlr Schule Leiter des Referats Lehrplanentwicklung der allgemeinen Schulen im Schulmi-nisterium des Landes Nordrhein-Westfalen derzeit Staumlndiger Vertreter des Direktors des nordrheinwestfaumllischen Landesinstituts QUA-LiS NRW und Leiter des Arbeitsbe-reichs 2 (Uumlbergreifende bildungsbezogene Aufgabenfelder ndash Bildungsforschung Eva-luation Schulqualitaumlt Schulentwicklung wissenschaft liche Kooperation Bildungsbe-richterstattung)

Dr Stefan Hahn Mitarbeiter im Institut fuumlr Bildungsmonitoring und Qualitaumltsent-wicklung (IfBQ) Arbeitsschwerpunkte interne Evaluation und datengestuumltzte Schul-entwicklung

Dr Martin Heinrich ist Universitaumltsprofessor fuumlr Schulentwicklung und Schulfor-schung sowie Leiter der Wissenschaft lichen Einrichtung der Versuchsschule Oberstu-fen-Kolleg der Universitaumlt Bielefeld Forschungs-Arbeitsschwerpunkte Schulentwick-

Autorinnen und Autoren 284

lung Inklusion Steuerung und Governance im Bildungswesen Bildungsgerechtigkeit und bildungstheoretische Fragestellungen

Gabriele Klewin Dr stellv Leiterin der Wissenschaft lichen Einrichtung Oberstu-fen-Kolleg der Fakultaumlt fuumlr Erziehungswissenschaft Universitaumlt Bielefeld Arbeits- und Forschungsschwerpunkte Praxisforschung Forschendes Lernen Schulentwicklung

Prof Dr Barbara Koch Leiterin des Fachgebiets Schulpaumldagogik mit dem Schwer-punkt Schul- und Unterrichtsentwicklung an der Universitaumlt Kassel im Institut fuumlr Erziehungswissenschaft ihre Forschungsschwerpunkte sind Transferforschung Leh-rerbildung sowie Schul- und Unterrichtsentwicklung im Kontext von Inklusion For-schendes Lernen

Ulrike Krug ist nach der Taumltigkeit als Ausbilderin im Studienseminar Schulleiterin Schulamtsdirektorin jetzt im hessischen Kultusministerium taumltig Ihre Arbeitsschwer-punkte sind die individuelle Foumlrderung Lesefoumlrderung und computergestuumltzte Lern-verlaufsdiagnostik Sie leitet das Projektbuumlro fuumlr foumlrder- und kompetenzorientierten Unterricht mit dem entsprechenden Fortbildungsangebot fuumlr alle Schulformen Sie fuumlhrt zudem Fortbildungen zur Lesefoumlrderung in Hessen wie auch auf Bundesebene durch

Sebastian U Kuhnen ist wissenschaft licher Mitarbeiter in der Wissenschaft lichen Ein-richtung Oberstufen-Kolleg an der Universitaumlt Bielefeld und arbeitet in der Verlaufs- und Absolventenstudie am Oberstufen-Kolleg (VAmOS) zu Fragen der datengestuumltz-ten Schulentwicklung

Ramona Lau Diplom-Biologin ist Lehrer-Forscherin am Oberstufen-Kolleg Bielefeld Ihre Forschungsschwerpunkte sind Innere Diff erenzierung Inklusion und Nachteils-ausgleich in der Oberstufe

Dr Veronika Manitius ist Referentin fuumlr Wissenschaft s-Praxis-Kooperation der Qua-litaumlts- und UnterstuumltzungsAgentur ndash Landesinstitut fuumlr Schule NRW Ihre Arbeits-schwerpunkte sind Transfer Wissenschaft -Praxis und Schulentwicklung in herausfor-dernder Lage

Rick Mintrop ist Professor in der Graduate School of Education an der University of California Berkeley Seine Forschungsschwerpunkte sind Schulentwicklung Qualitaumlts-managment und Arbeitsmotivation von Lehrkraumlft en Er nimmt aktiv an designorien-tierten Entwicklungsprozessen in Schulen und Schulsystemen teil

Mag Maria Neubacher ist Researcherin im Department Bildungsstandards amp Inter-nationale Assessments am Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Ent-wicklung des oumlsterreichischen Schulwesens (bifi e) in Salzburg und Leiterin des Teams bdquoRuumlckmeldungldquo Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Ergebnisruumlckmeldungen und Be-

Autorinnen und Autoren 285

richtslegung der oumlsterr Bildungsstandarduumlberpruumlfungen und damit einhergehende Schulungs- und Vortragstaumltigkeiten

Monika Palowski Dr phil Wissenschaft liche Mitarbeiterin an der Wissenschaft lichen Einrichtung Oberstufen-Kolleg und im Projekt BiProfessional im Rahmen der Qua-litaumltsoff ensive Lehrerbildung Universitaumlt Bielefeld Schwerpunkte Heterogenitaumlt Bil-dungsungleichheit Diskursanalyse Praxisforschung

Dr Hans-Guumlnter Rolff ist emeritierter Professor fuumlr Schulpaumldagogik und Bildungs-forschung an der TU-Dortmund Er war Mitbegruumlnder und Vorsitzender der Kom-mission Bildungsorganisation Bildungsplanung und Bildungsrecht der DGfE Vorsitzender der Sektion Bildungssoziologie der DGS und stellvertretener Ausschuss-vorsitzender der DFG und dort auch Fachgutachter Arbeitsschwerpunkte Sozialisa-tion Bildungsplanung und Schulentwicklung

Mag Dr Claudia Schreiner Universitaumlt Innsbruck Institut fuumlr LehrerInnenbildung und Schulforschung Arbeitsschwerpunkte paumldagogische Diagnostik und Kompetenz-messung Kompetenzorientierung und Bildungsstandards Chancengerechtigkeit und evidenzorientierte Qualitaumltsentwicklung

Ulrich Steff ens Erziehungswissenschaft ler zuletzt taumltig (bis zu seiner Pensionierung) als Direktor am hessischen Institut fuumlr Qualitaumltsentwicklung Wiesbaden Initiator des bdquoArbeitskreises Qualitaumlt von Schuleldquo (1985) Aktuelle Arbeitsvorhaben Hattie-Studie (bdquoLernen nach Hattie ndash Wie gelingt guter Unterrichtldquo Beltz 2016) Veroumlff entlichungs-reihe bdquoGrundlagen der Qualitaumlt von Schuleldquo aktuell erschienen Band 3 bdquoUnterrichts-qualitaumlt ndash Konzepte und Bilanzen gelingenden Lehrens und Lernensldquo (Waxmann 2019)

Cornelia Stiller Diplom-Biologin Diplom-Psychologin arbeitet als wissenschaft li-che Mitarbeiterin an der Fakultaumlt fuumlr Erziehungswissenschaft en und der Fakultaumlt fuumlr BiologieBiologiedidaktik an der Universitaumlt Bielefeld ihre Arbeits- bzw Forschungs-schwerpunkte sind Forschendes Lernen Experimentieren im Biologieunterricht ge-stuft e Lernhilfen beim Experimentieren schulinterne Evaluation epistemische Uumlber-zeugungen Fragebogenentwicklung

MMag Christian Wiesner BIFIE Arbeitsschwerpunkte Lehr-Lern-Forschung Be-ziehungs- und Praumlsenzpaumldagogik Beratungs- und Th erapietheorien in der Professio-nalisierung Fuumlhrungskultur und Leadership interpersonelle Kommunikation und Coaching Innovationsforschung Kompetenzorientierung und Bildungsstandards evi-denzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung

Susanne Wolter ist Abteilungsleiterin am Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Ber-lin-Brandenburg mit den Arbeitsschwerpunkten Rahmenlehrplanentwicklung Unter-richtsentwicklung Medienbildung und Evaluation

UNSERE BUCHEMPFEHLUNG

Ulrich Steffens Katharina Maag Merki Helmut Fend (Hrsg)

SchulgestaltungAktuelle Befunde und Perspek-tiven der Schulqualitaumlts- und SchulentwicklungsforschungGrundlagen der Qualitaumlt von Schule 2

Beitraumlge zur Schulentwicklung 2017 336 Seiten br 3490 euro ISBN 978-3-8309-3617-6E-Book 3099 euro ISBN 978-3-8309-8617-1

In diesem zweiten Band zu bdquoGrundlagen der Qualitaumlt von Schuleldquo wird zunaumlchst die Grundidee von Schulqualitaumlt nachgezeichnet

und die konzeptionellen Grundlagen werden erlaumlutert Dabei wer-den spezifische Schwerpunkte der Schulqualitaumltsdebatte in den Fokus geruumlckt bedeutsame Forschungsbefunde eroumlrtert und An-saumltze fuumlr die Weiterentwicklung des Verstaumlndnisses von Schulqua-litaumlt diskutiert

Der Band beschaumlftigt sich in seinem zweiten Teil mit aktuellen Forschungsbefunden zur Entwicklung und Gestaltung von Schu-le Dem schlieszligt sich im dritten Teil eine Auseinandersetzung mit dem Anliegen einer Verbindung von Schulqualitaumlt und Schulent-wicklung an Dabei werden Ansaumltze vorgestellt wie dies realisiert werden koumlnnte und welche Potenziale Grenzen und weiterfuumlhren-den Fragestellungen sich durch eine engere Koppelung von Schul-qualitaumltsdiskursen und Schulentwicklungsforschung ergeben

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UNSERE BUCHEMPFEHLUNG

Ulrich Steffens Rudolf Messner (Hrsg)

UnterrichtsqualitaumltKonzepte und Bilanzen gelingenden Lehrens und Lernens Grundlagen der Qualitaumlt von Schule 3

Beitraumlge zur Schulentwicklung 2019 424 Seiten br 3990 euro ISBN 978-3-8309-3937-5E-Book 3599 euro ISBN 978-3-8309-8937-0

Das Arbeitsgebiet der Didaktik befindet sich derzeit in einem Umbruch Das wachsende Autonomiebestreben

der Kinder und Jugendlichen der houmlhere Anspruch an eine individuelle Foumlrderung sowie die zunehmende Digitalisie- rung des (Schul-)Alltags fordern zu einem grundlegenden Umdenken auf Eingeteilt in die vier Abschnitte bdquoEntwicklun-genldquo bdquoEntwuumlrfeldquo bdquoBilanzenldquo und bdquoAntizipationenldquo beschreibt dieser Band die Moumlglichkeiten und Herausforderungen die mit diesem Wandel einhergehen und bietet so eine wahre Fundgrube fuumlr qualitaumltsvolles unterrichtliches Handeln

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UNSERE BUCHEMPFEHLUNG

Susanne Schwab Georg Tafner Silke Luttenberger Hannelore Knauder Christa-Monika Reisinger (Hrsg)

Von der Wissenschaft in die PraxisZum Verhaumlltnis von Forschung und Praxis in der Bildungsforschung

2018 236 Seiten br 2990 euro ISBN 978-3-8309-3841-5E-Book 2699 euro ISBN 978-3-8309-8841-0

Fortwaumlhrend steht die Bildungsforschung vor der Heraus- forderung Moumlglichkeiten und Grenzen des Wissenschaft-

Praxis-Transfers aufzuzeigen Dieser Tagungsband der Sektion Empirische Paumldagogische Forschung der Oumlsterreichischen Ge- sellschaft fuumlr Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (OumlFEB) und des Bundeszentrums fuumlr Professionalisierung in der Bildungsforschung (BZBF) greift diese Thematik auf und praumlsentiert nationale und internationale Beitraumlge die sich diesem Spannungsfeld aus unterschiedlichen Disziplinen und Perspektiven zuwenden Damit soll ein weiterer konkreter Bei- trag der Bildungsforschung an der Schnittstelle von Wissen-schaft und Praxis geleistet werden

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  • Buchtitel
  • Impressum
  • Inhalt
  • Vorwort
  • Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze (Ulrich Steffens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein)
    • Vorbemerkung
    • 1 Kurze Beschreibung der Sach- bzw Problemlage
    • 2 Handlungsperspektiven fuumlr einen Praxistransfer
      • 21 Wissenschafts-Praxis-Dialog
      • 22 Entwicklung und Bereitstellung von bdquoPraxistheorienldquo
      • 23 bdquoPraxisforschungldquo
      • 24 Institutionelle Traumlger und Rollen eines Praxistransfers
        • 3 Problem- und Fragestellungen bei der Initiierung des Praxistransfers
        • Literatur
          • Transfer ist Arbeit und Lernen (Herbert Altrichter)
            • Die Transfer-Hoffnung
            • 1 Wissensverwendung
            • 2 Modelle der Theorie-Praxis-Transformation
              • 21 Unterrichts- und Schulentwicklung durch Datenfeedback
              • 22 Professionelles Lernen
                • Literatur
                  • Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss (Rick Mintrop)
                    • 1 Die Logik der designbasierten Schulentwicklung
                      • 11 Handlungstheorien
                      • 12 Problemloumlsen
                      • 13 Schnelles Denken ndash langsames Denken
                      • 14 Diagnose eines Problems
                      • 15 Treiber oder Triebkraumlfte der Veraumlnderung
                      • 16 Iteratives Vorgehen
                        • 2 Partnerschaften zwischen Praxis und Forschung
                          • 21 Ein Fallbeispiel Das Projekt bdquoVertiefendes Lernenldquo in einem Schulbezirk in sozial schwieriger Lage
                          • 22 Problembewusstsein
                          • 23 Inspiration und konkrete Vision des bdquoVertiefenden Lernensldquo
                          • 24 Unterrichtsexperimente in Teams
                          • 25 Unterrichtspraktiken
                          • 26 Fokus und Kohaumlrenz
                            • 3 Schlussbemerkung
                            • Literatur
                              • Transfer von Innovationen im Schulbereich (Hans-Guumlnter Rolff)
                                • 1 Formen des Transfers
                                • 2 Transfer als Nacherfindung
                                  • 21 Dynamische Prototypen und Werkstaumltten
                                  • 22 Von Prototypen zur Nachhaltigkeit
                                  • 23 Innovation als sozialer Prozess
                                  • 24 Transfer als Transformation
                                    • 3 Change Management als Vehikel
                                    • 4 Transfer durch Personen
                                    • Literatur
                                      • Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo Zum Problem der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierung sowie den Chancen und Grenzen von Praxisforschung als Alternative oder Ergaumlnzung (Martin Heinrich und Gabriele Klewin)
                                        • 1 Praxisforschung als Antwort auf Probleme des bdquoEvidenz-Transfersldquo
                                        • 2 Von den immanenten Widerspruumlchen des Programms der Evidenzbasierten Steuerung und dem Problem des Transfers von Evidenzen
                                        • 3 Zum Begriff der Praxisforschung und ihren Moumlglichkeiten und Grenzen fuumlr Transfer von Forschungswissen
                                        • 4 Ausblick
                                        • Literatur
                                          • Implementation Transfer Progression und Transformation Vom Wandel von Routinen zur Entwicklung von Identitaumlt Von Interventionen zu Innovationen die bewegen Bausteine fuumlr ein Modell zur Schulentwicklung durch Evidenz(en) (Christan Wiesner und Claudia Schreiner)
                                            • Kerngedanke 1 ein Modell der Entwicklung und Verbesserung
                                            • Kerngedanke 2 die Verortung von Daten
                                            • Kerngedanke 3 die Differenzierung von Daten verstehen
                                            • Kerngedanke 4 Professionelle Lerngemeinschaften und Netzwerke foumlrdern
                                            • Kerngedanke 5 eine lernende Schule entwickeln und etablieren
                                            • Kerngedanke 6 ein Rahmen- und Orientierungsmodell
                                            • Kerngedanke 7 Kompetenzverstaumlndnis
                                            • Kerngedanke 8 Implementation Transfer Progression und Transformation
                                            • Fazit
                                            • Literatur
                                              • Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen (Stefan Hahn Gabriele Klewin Barbara Koch Sebastian U Kuhnen Monika Palowski und Cornelia Stiller)
                                                • 1 Innovationen und Transfer
                                                • 2 Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg Bielefeld
                                                  • 21 Die Entwicklung von Fragestellung und methodischem Design in Kooperation von Praxis und Wissenschaft
                                                  • 22 Die Gestaltung von Ergebnisruumlckmeldungen in Prozessen der datengestuumltzten Unterrichtsentwicklung
                                                  • 23 Transfer durch Netzwerkbildung und Ruumlckwirkungen der Rezeption auf den Innovations- und Unterstuumltzungskontext
                                                    • 3 Bedingungen fuumlr die Entwicklung transferfaumlhiger Innovationen
                                                    • Literatur
                                                      • Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben (Josef Thonhauser)
                                                        • 1 Ein allgemeindidaktischer Rahmen
                                                          • 11 Welche Funktionen koumlnnen Aufgaben grundsaumltzlich erfuumlllen
                                                          • 12 Wer entscheidet uumlber die zu stellenden Aufgaben
                                                          • 13 Wer beurteilt die von Schuumllerinnen und Schuumllern vorgelegten Loumlsungen
                                                          • 14 Formale Merkmale von Aufgaben
                                                          • 15 Einschraumlnkende Bedingungen beim Einsatz von Lernaufgaben
                                                            • 2 Nach wie vor ein Desiderat fachdidaktische Differenzierungen
                                                            • 3 Einige illustrative Beispiele fuumlr Lernaufgaben
                                                              • 31 Ein begruumlndetes aumlsthetisches Urteil finden (fuumlr eine gymnasiale Oberstufe)
                                                              • 32 Nicht jede (z B im Schulbuch gestellte) Aufgabe ist auch loumlsbar (Sekundarstufe I)
                                                              • 33 Menschenrechte da und dort ndash gestern und heute (Sekundarstufe II)
                                                                • Literatur
                                                                  • Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung Instrumente paumldagogischer Diagnostik im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen und schulpraktischen Anspruumlchen (Claudia Schreiner und Simone Breit)
                                                                    • 1 Ausgangspunkt Heterogenitaumlt
                                                                    • 2 Paumldagogische Diagnostik als Grundlage zielgerichteten Lernens
                                                                    • 3 Instrumente aus der Wissenschaft und ihre Verwendung in der paumldagogischen Praxis
                                                                      • 31 Informelle Kompetenzmessung (IKM)
                                                                      • 32 USB PluS Sprachstandsfeststellung in der Volksschule
                                                                      • 33 USB DaZ Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache
                                                                        • 4 Diagnoseinstrumente von der Wissenschaft fuumlr die paumldagogische Praxis ein Balanceakt in vielerlei Hinsicht
                                                                        • 5 Zusammenfassung und Ausblick
                                                                        • Literatur
                                                                          • Daten nutzen ndash Schulen entwickeln SANDBIST als interaktives Format der Datenruumlckmeldung (Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher)
                                                                            • 1 Schul- und Unterrichtsentwicklung durch externe Daten ndash Wie Standarduumlberpruumlfungen in Oumlsterreichs Schulen Qualitaumltsentwicklung anstoszligen (sollen)
                                                                            • 2 Die Rolle der Schulaufsicht im Rahmen datenbasierter Schulentwicklung
                                                                              • 21 Die Mitglieder der Schulaufsicht als Bindeglied zwischen Schulen und Bildungsverwaltung
                                                                              • 22 Die Nutzung von Bildungsstandardergebnissen durch die Schulaufsicht
                                                                                • 3 Anforderungen an die Aufbereitung von Daten fuumlr die evidenzorientierte Qualitaumltsentwicklung an Schulen
                                                                                  • 31 Qualitaumltsanforderungen an Ruumlckmeldeberichte
                                                                                  • 32 Moumlglichkeiten und Grenzen der klassischen Datenaufbereitung in Berichtsform
                                                                                    • 4 SANDBIST als innovative Form der Datenbereitstellung fuumlr die Schulaufsicht
                                                                                      • 41 Nutzungsmoumlglichkeiten von SANDBIST
                                                                                      • 42 Beschreibung des Instruments und Begleitmaszlignahmen
                                                                                        • 5 Zusammenfassung und Ausblick
                                                                                        • Literatur
                                                                                          • Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten (Christian Wiesner)
                                                                                            • 1 Ein kurzer Exkurs zum Begriff der Evidenz
                                                                                            • 2 Das Modell der Feldtransformation
                                                                                            • 3 Annaumlherungen aus einer psychotherapeutischen Perspektive der Ursprung des Modells
                                                                                            • 4 Annaumlherungen aus einer lerntheoretischen Perspektive der Prozess des Lernens
                                                                                            • 5 Annaumlherungen aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive der Prozess der zwischenmenschlichen Kommunikation
                                                                                            • 6 Annaumlherungen aus der Perspektive der lernenden Organisation und der Systeme
                                                                                            • 7 Ausblick und Fazit
                                                                                            • Literatur
                                                                                              • bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingen (Ulrike Krug)
                                                                                              • Praxisforschung zur Inneren Differenzierung in der Sekundarstufe II ndash und dann Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer (Ramona Lau)
                                                                                                • 1 Heterogenitaumlt als Normalfall Praxisforschung Innere Differenzierung in der Sekundarstufe II mit Transfer der Ergebnisse in die Praxis
                                                                                                  • 11 Interner Transfer von Forschungsergebnissen das Schulentwicklungsprojekt Innere Differenzierung in der Sekundarstufe II am Oberstufen-Kolleg
                                                                                                  • 12 Das Praxishandbuch bdquoInnere Differenzierung in der Sekundarstufe IIldquo ndash aus der Praxis fuumlr die Praxis
                                                                                                  • 13 Externer Transfer Fortbildungen zur Inneren Differenzierung
                                                                                                    • 2 Praxistransfer Problemstellungen aus der Praxis
                                                                                                    • 3 Schlussfolgerungen und Perspektiven
                                                                                                    • Literatur
                                                                                                      • Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgabengestalten optimieren und steuern) ndash eine Kooperation von Wissenschaft Landesinstitut regionaler Fortbildung und Schulpraxis (Susanne Wolter)
                                                                                                        • Ziele
                                                                                                        • Struktur
                                                                                                        • Inhalte und Umsetzung
                                                                                                        • Evaluation
                                                                                                        • LAGOS aus der Sicht des paumldagogischen Landesinstituts
                                                                                                        • Gelingensbedingungen und Fazit
                                                                                                        • Literatur
                                                                                                          • Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie Einblicke in ein Schulentwicklungsprojekt zu Schulen in sozial-raumlumlichen benachteiligten Lagen in NRW (Veronika Manitius und Nina Bremm)
                                                                                                            • 1 Hintergrund
                                                                                                            • 2 Das Projekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo
                                                                                                            • 3 Kooperatives Wissensmanagement als Transferstrategie im Schulsystem
                                                                                                            • 4 Wissensmanagementstrategien im Projekt
                                                                                                            • 5 Fazit
                                                                                                            • Literatur
                                                                                                              • Autorinnen und Autoren
Page 2: Praxistransfer Schul- und Unterrichtsentwicklung

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsentwicklung

herausgegeben von Claudia Schreiner Christian Wiesner Simone Breit

Peter Dobbelstein Martin Heinrich und Ulrich Steff ens

in Kooperation mit dem Netzwerk fuumlr empiriegestuumltzte Schulentwicklung (EMSE)

und dem Institut fuumlr LehrerInnenbildung und Schulforschung der Universitaumlt Innsbruck

Waxmann 2019Muumlnster New York

ISBN 978-3-8309-3936-8

Creative Commons-Lizenz Namensnennung ndash Nicht-kommerziell ndash Weitergabe unter gleichen Bedingungen CC BY-NC-SA 40

wwwwaxmanncom infowaxmanncom

Umschlaggestaltung Hannes Kaschnig-Loumlbel Anne BreitenbachSatz Stoddart Satz- und Layoutservice MuumlnsterDruck Hubert amp Co Goumlttingen

Bibliografi sche Informationen der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet uumlber httpdnbdnbde abrufb ar

Dieser Band entstand in Kooperation zwischen dem Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens (BIFIE) dem Netzwerk fuumlr empiriegestuumltzte Schulentwicklung (EMSE) und dem Institut fuumlr LehrerInnenbildung und Schulforschung an der Universitaumlt Innsbruck

Inhalt

Vorwort 7

Konzeptionelle Beitraumlge

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 11

Herbert AltrichterTransfer ist Arbeit und Lernen 27

Rick MintropDesignbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 35

Hans-Guumlnter Rolff Transfer von Innovationen im Schulbereich 49

Martin Heinrich und Gabriele KlewinEvidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquoZum Problem der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierung sowie den Chancen und Grenzen von Praxisforschung als Alternative oder Ergaumlnzung 61

Christan Wiesner und Claudia SchreinerImplementation Transfer Progression und Transformation Vom Wandel von Routinen zur Entwicklung von Identitaumlt Von Interventionen zu Innovationen die bewegen Bausteine fuumlr ein Modell zur Schulentwicklung durch Evidenz(en) 79

Stefan Hahn Gabriele Klewin Barbara Koch Sebastian U Kuhnen Monika Palowski und Cornelia StillerUumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 141

Josef Th onhauserDas didaktische Potenzial von Lernaufgaben 153

Claudia Schreiner und Simone BreitPaumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung Instrumente paumldagogischer Diagnostik im Spannungsfeld zwischen wissenschaft lichen und schulpraktischen Anspruumlchen 171

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher Daten nutzen ndash Schulen entwickeln SANDBIST als interaktives Format der Datenruumlckmeldung 189

Christian Wiesner Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 207

Erfahrungsberichte

Ulrike KrugbdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen SchulenldquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingen241

Ramona LauPraxisforschung zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II ndash und dann Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer 247

Susanne WolterFortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) ndash eine Kooperation von Wissenschaft Landesinstitut regionaler Fortbildung und Schulpraxis259

Veronika Manitius und Nina BremmKooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie Einblicke in ein Schulentwicklungsprojekt zu Schulen in sozial-raumlumlichen benachteiligten Lagen in NRW 265

Autorinnen und Autoren 283

Vorwort

Das Netzwerk bdquoEmpiriegestuumltzte Schulentwicklung (EMSE)ldquo besteht seit 2004 um die Diskussion und den Austausch uumlber schulische Qualitaumltssicherung und Qualitaumltsent-wicklung zu ermoumlglichen Das Netzwerk spricht vor allem die in den 16 deutschen Bundeslaumlndern mit empirischen Verfahren der Schulentwicklung und Bildungspla-nung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kultus- bzw Schulministe-rien in den Landesinstituten und den Qualitaumltsagenturen an Im Zentrum stehen die Fachtagungen die sich mit zentralen Th emen der Bildungsplanung und Schulentwick-lung befassen Dabei werden neue Forschungsergebnisse rezipiert und im Hinblick auf ihre praktischen Konsequenzen eroumlrtert Ansaumltze und Verfahren empirisch orientier-ter Schul- und Unterrichtsentwicklung in den Bundeslaumlndern vorgestellt und Erfah-rungen ausgetauscht

Das Netzwerk ist gepraumlgt von der Schnittstelle zwischen und der Zusammenarbeit von Wissenschaft Verwaltung und Praxis Im Juni 2016 fand die erste Auslandsta-gung des EMSE-Netzwerks am BIFIE (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innova-tion amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens) in Salzburg statt Seitdem steht der Th emenkomplex bdquoTransfer ndash PraxisWissenschaft ndash Wissenschaft Praxisldquo im Fo-kus der Tagungen

Ausgehend von dieser 22 EMSE-Tagung in Salzburg sind die Beitraumlge fuumlr den vor-liegenden Band entstanden Sie reichen von konzeptionellen Beitraumlgen uumlber die Auf-arbeitung konkreter Herausforderungen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis bis hin zu Erfahrungsberichten und spiegeln so die Vielfalt der Zugaumlnge im EMSE-Netzwerk wider

Unser Dank gilt allen Autorinnen und Autoren die sich mit ihren Beitraumlgen zur vorliegenden Publikation an Diskussion und Austausch zu diesem zentralen Th e-menkomplex beteiligen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Begleitfor-schung und Medienmanagement des BIFIE fuumlr die tatkraumlft ige Unterstuumltzung in der Umsetzung dieses Buchprojekts

Claudia SchreinerChristian WiesnerSimone BreitPeter DobbelsteinMartin HeinrichUlrich Steff ens

Konzeptionelle Beitraumlge

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze

Vorbemerkung Der nachfolgende Text bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Pro-blemskizzeldquo ist im Zusammenhang des bdquoEMSE-Netzwerkesldquo entstanden EMSE steht fuumlr bdquoEmpiriegestuumltzte Schulentwicklungldquo Das Netzwerk wurde im Jahr 2004 gegruumln-det Ausgangspunkt fuumlr die Netzwerkidee war ein informelles Arbeitstreff en am Rande einer Tagung der PISA-Laumlnderkoordinatoren im Jahr 20041 Daraufh in hatten Dr Rai-ner Peek Peter Dobbelstein und Ulrich Steff ens zu einem ersten Arbeitstreff en aufge-rufen zu dem dann das Landesinstitut fuumlr Schule in Soest fuumlr den 15-16 Dezember 2004 eingeladen hatte Zum damaligen Zeitpunkt war im Zuge der so genannten bdquoem-pirischen Wendeldquo (Lange 2008) in der Bildungsplanung zwar der Bedarf nach ent-sprechenden Austauschmoumlglichkeiten erkennbar zugleich aber nicht abzusehen dass EMSE eine solche Resonanz ausloumlsen wuumlrde die bis heute eine Kontinuitaumlt an Fach-tagungen im halbjaumlhrlichen Abstand zur Folge hat Die erste Tagung war konzipiert als Moumlglichkeit fuumlr einen Erfahrungsaustausch uumlber aktuelle Entwicklungen einer empiriegestuumltzten Schul- und Unterrichtsentwicklung

Zum damaligen Zeitpunkt hatte sich im Zuge der bdquoempirischen Wendeldquo in der Bil-dungspolitik und Bildungsplanung bereits ein breites Spektrum an empirisch orien-tierten Vorhaben zur Qualitaumltssicherung und Qualitaumltsentwicklung in den einzelnen Bundeslaumlndern entfaltet bzw verstetigt1) fachbezogene Schulleistungstests insbesondere standardisierte Lernstandserhebun-

gen unterrichtsfachlicher Leistungen in verschiedenen Jahrgangsstufen2) uumlberfachliche Schulleistungstests zum Beispiel zum sozialen und kooperativen

Lernen zum Problemloumlsen oder zur Selbststaumlndigkeitsfoumlrderung 3) Sekundaumlranalysen zu internationalen und nationalen Datensaumltzen ndash zum Beispiel

PISA-2000-Landesdatensaumltze Verknuumlpfung von Ergebnissen aus internationalen nationalen Vergleichsuntersuchungen Systemmonitoring und Schulevaluation

4) fokussierte Evaluationen zum Beispiel Analyse von Schwachstellen des Schul-systems Auswertungen von Abschlusspruumlfungen oder schulinternen Vergleichs-arbeiten Studien zur Schulzeitverkuumlrzung oder zur Diagnosekompetenz und

1 Die Initiative dazu ging von Dr Christoph Burkard (damals Ministerium fuumlr Schule und Wei-terbildung Duumlsseldorf) Dietmar Kirchhoff (damals Senat fuumlr Schule und Wissenschaft Bre-men) und Ulrich Steff ens (damals Hessisches Landesinstitut fuumlr Paumldagogik ndash HeLP Wiesba-den) aus

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 12

zum foumlrderorientierten Verhalten von Lehrpersonen Arbeiten zur Lehrer- oder Schuumller beurteilung sowie Arbeitsplatzuntersuchungen

5) empirische Analysen von Bildungs- und Schulstatistiken (bdquoSchulberichterstat-tungldquo)

6) Studien zur Schul- und Unterrichtsqualitaumlt ndash zum Beispiel ergaumlnzende empirische Studien zur Klaumlrung von Wirkungszusammenhaumlngen zwischen Lehr- und Lernbe-dingungen sowie erzieherischen und fachlichen Leistungen (bdquoKonfi gurationenldquo von Schul- und Unterrichtsqualitaumlt) Forschungsvorhaben zur Ermittlung von Bewer-tungsmaszligstaumlben der Schul- und Unterrichtsqualitaumlt (Referenzsysteme fuumlr Schul-qualitaumlt bdquoQualitaumltsindikatorenldquo) Identifi kation relevanter Kontextbedingungen fuumlr schulische Lehr- und Lernprozesse (bdquoBelastungsindikatorenldquo)

7) wissenschaft liche Begleitungen von Schulentwicklungsmaszlignahmen zum Beispiel externe Evaluationen von Programmen und Wirksamkeitsanalysen

8) sonstige Vorhaben zur empiriegestuumltzten Schul- und Unterrichtsentwicklung ndash zum Beispiel Transfer- und Folgenforschung Studien zu erfolgversprechenden Strategien der Ergebnisruumlckmeldung an die Schulen Studien zur Schulevaluation (u a Gelingensbedingungen schulinterner Evaluation Analysen zur Schulinspek-tionexternen Evaluation Verzahnung interner mit externer Evaluation) bildungs-oumlkonomische Recherchen (Kosten-Nutzen-Analysen)

Alle diese Vorhaben waren von dem Anliegen getragen neben bdquoSystemwissenldquo im In-teresse einer fundierten rationalen und wirksamen Bildungsplanung auch Handlungs-wissen fuumlr die Schul- und Unterrichtsgestaltung unter Beruumlcksichtigung empirischer Verfahren zu gewinnen

Im Mittelpunkt der ersten EMSE-Tagungen standen Verfahren der Standardset-zung die sich bundesweit in der Formulierung von Bildungsstandards und in den ein-zelnen Bundeslaumlndern in der Formulierung von Kompetenzerwartungen oder ver-bindlichen Anforderungen in (Kern-)Lehrplaumlnen fuumlr die Faumlcher zeigten Unmittelbar daran gekoppelt spielten in den Diskussionen Verfahren der Standarduumlberpruumlfung eine groszlige Rolle In diesem Zusammenhang hatten sich bundesweit in den einzelnen Bundeslaumlndern Lernstandserhebungen (Vergleichsarbeiten bzw Orientierungsarbei-ten) etabliert denen die methodischen Prinzipien aus Schulleistungsstudien bzw large scale assessments sensu PISA zugrunde lagen (standardisierte Testverfahren) die je-doch ndash in Abgrenzung zu PISA amp Co ndash vornehmlich auf Qualitaumltsentwicklung bdquovor Ortldquo zielten

In einer Reihe von Folgetagungen wurden aktuelle zentrale Th emen in den Vor-dergrund geruumlckt und zwar Referenzsysteme und Beobachtungsinstrumente zur Unterrichtsqualitaumlt (Institut fuumlr die Paumldagogik der Naturwissenschaft en IPN Kiel) schulinterne Evaluation (CITO Deutschland Solingen) Wirksamkeit von Lehrerfort-bildung (Senatsverwaltung Berlin) und Uumlbergangsprobleme von der Grundschule in weiterfuumlhrende Schulen (Landesinstitut fuumlr Paumldagogik und Medien DudweilerSaar-land)

Mehrere Tagungen widmeten sich der bdquoKMK-Gesamtstrategie zum Bildungsmo-nitoringldquo Neben einer bilanzierenden Tagung (QUA-LiS Soest) ging es in weite-

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 13

ren Tagungen um einzelne Maszlignahmen und zwar um internationale und nationa-le Schulleistungsstudien (Institut fuumlr Qualitaumltsentwicklung Schwerin) standardisierte Lernstandserhebungen (IEA-DPC Hamburg) Schulinspektionen bzw externe Eva-luationen (IfBQ Hamburg) und um Bildungsstandards (Wiss Einrichtung Oberstu-fen-Kolleg Bielefeld)

Die aktuellen Tagungen des EMSE-Netzwerkes stehen unter dem Leitthema des Wissenstransfers und zwar seit der ersten Auslands-EMSE in Salzburgbull bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingenldquo

(22 Tagung vom 30 Juni bis 1 Juli 2016 in Salzburg Gastgeber Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens ndash BIFIE)

bull bdquoDialog der Systeme und Professionenldquo (23 Tagung vom 15-16 Dezember 2016 in FrankfurtM Gastgeber Deutsches Institut fuumlr Internationale Paumldagogische For-schung ndash DIPF)

bull bdquoDatenbasierte Schulentwicklung durch Wissenschaft -Praxis-Dialogldquo (24 Tagung vom 26-27 Juni 2017 in Landau Gastgeber Zentrum fuumlr Empirische Paumldagogi-sche Forschung ndash zepf)

bull bdquoBildung in der digitalen Welt ndash Welche Forschung haben wir welche Forschung brauchen wirldquo (25 Tagung vom 7-8 Dezember 2017 in Ludwigsfeld Gastgeber Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Berlin-Brandenburg ndash LISUM)

bull bdquoSchul- und Unterrichtsentwicklung bei zunehmend heterogener Schuumllerschaft ldquo (26 Tagung vom 11-12 Juni 2018 in Berlin Gastgeber Institut zur Qualitaumltsent-wicklung im Bildungswesen ndash IQB)

bull bdquoKulturelle Schulentwicklung im Querschnitt von Schule Kultur und Jugend ndash Was koumlnnen Verwaltung Forschung und Praxis voneinander lernenldquo (27 Tagung vom 18-19 Dezember 2018 in Remscheid Gastgeber Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung ndash BKJ)

Die vorstehende Aufl istung zeigt dass sich die Fachtagungen mit zentralen Th emen der Bildungsplanung und Schulentwicklung befassen Dabei werden neue Forschungs-ergebnisse rezipiert und im Hinblick auf ihre praktischen Konsequenzen eroumlrtert An-saumltze und Verfahren empirisch orientierter Schul- und Unterrichtsentwicklung in den Bundeslaumlndern vorgestellt und Erfahrungen ausgetauscht Die empirische Ausrichtung im EMSE-Netzwerk verfolgt das Ziel Erkenntnisse aus der Schul- und Unterrichtsfor-schung auf ihre praktischen Konsequenzen hin zu befragen und ihre Relevanz fuumlr die Bildungsverwaltung und Bildungspraxis aufzuzeigen Bei der empirischen Ausrichtung des Netzwerks sind insbesondere drei Perspektiven von besonderer Bedeutung1) Identifi kation struktureller bdquoGelingensbedingungenldquo der Schul- und Unterrichtsge-

staltung2) Befoumlrderung der Entwicklung bdquoevidenzbasierter Programmeldquo (zu denken waumlre bei-

spielhaft an aktuelle Projekte wie bdquoindividuelle Foumlrderung und adaptive Lern-Gele-genheiten in der Grundschule (IGEL)ldquo oder das Programm bdquoBildung durch Spra-che und Schrift (BiSS)ldquo

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 14

3) Kritische Refl exion und formative Adaption von bdquoImplementationsstrategienldquo die sich auf zielbezogene adressatengerechte und eff ektive Programmmaszlignahmen be-ziehen in denen die jeweiligen Komponenten bzw Instrumente bdquoorchestriertldquo und die unterschiedlichen Handlungsebenen mit ihren jeweiligen institutionellen Ak-teuren synchronisiert sind (Planungsparameter waumlren u a Konsistenz Kontinuitaumlt Koordination)

Bei den im EMSE-Netzwerk Mitwirkenden handelt es sich in erster Linie um die mit empirischen Verfahren der Schulentwicklung und Bildungsplanung befassten Mit-arbeiterinnen in den Kultus- bzw Schulministerien sowie in den Landesinstituten bzw Qualitaumltsagenturen aller 16 Bundeslaumlnder sowie inzwischen auch aus entspre-chenden Einrichtungen in Oumlsterreich und Suumldtirol der Schweiz und der deutschspra-chigen Gemeinschaft in Belgien Daruumlber hinaus wirken in dem Netzwerk auch einige Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft ler mit die in den EMSE-Th emenfeldern ihre Forschungsschwerpunkte haben Regelmaumlszligig nehmen auch Vertreterinnen des Bun-desministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) der Geschaumlft sstelle der Kultus-ministerkonferenz (KMK) und von verschiedenen Stift ungen an den Tagungen teil

Zu den zweimal jaumlhrlich stattfi ndenden zweitaumlgigen Fachtagungen laden im Re-gelfall die bereits erwaumlhnten Landesinstitute ein in Einzelfaumlllen auch wissenschaft -liche Einrichtungen wie das Deutsche Institut fuumlr Internationale Paumldagogische For-schung (DIPF) in FrankfurtM das IEA Data Processing Center (DPC) in Hamburg das Institut fuumlr die Paumldagogik der Naturwissenschaft en (IPN) in Kiel das Institut zur Qualitaumltsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin das Institut fuumlr Schulent-wicklungsforschung (IfS) in Dortmund die Wissenschaft liche Einrichtung des Ober-stufen-Kollegs an der Universitaumlt Bielefeld und das Zentrum fuumlr Empirische Paumldagogi-sche Forschung (zepf) in Landau

Fuumlr eine Dokumentation der bisher durchgefuumlhrten 27 Fachtagungen wird auf die Homepage des EMSE-Netzwerkes verwiesen (Emse-Netzwerk 2018) Dort befi n-den sich auch zwei bdquoPositionspapiereldquo die aus der Befassung mit zentralen Th emen auf den EMSE-Tagungen hervorgegangen sind Das erste Positionspapier zu zentra-len Lernstandserhebungen wurde von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der 5 EMSE-Tagung vom 7-8 Dezember 2006 in Berlin verabschiedet (bdquoZentrale stan-dardisierte Lernstandserhebungen ndash Positionspapier des Netzwerkes bdquoEmpiriege-stuumltzte Schulentwicklungldquo)2 Ein zweites Positionspapier bdquoNutzung und Nutzen von Schulruumlckmeldungen im Rahmen standardisierter LernstandserhebungenVergleichs-arbeitenldquo wurde auf der 9 EMSE-Tagung vom 16ndash18 Dezember 2008 in Nuumlrnberg verabschiedet3 Daruumlber hinaus ist das Papier bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichts-forschung ndash eine Problemskizzeldquo entstanden das zur ersten Auslandstagung des EMSE-Netzwerkes vom 30 Junindash1 Juli 2016 im Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung In-novation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens (BIFIE) in Salzburg von

2 Die Vorlage fuumlr dieses Positionspapier hatten Rainer Peek Ulrich Steff ens und Olaf Koumlller ent-worfen Das Papier ist auch erschienen in Die Deutsche Schule (100) 2008 Heft 3 S 380ndash384

3 Die Vorlage fuumlr dieses Positionspapier hatten Ulrich Steff ens und Rainer Peek entworfen Das Papier ist ebenfalls erschienen in Die Deutsche Schule (101) 2009 Heft 4 S 389ndash396

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 15

Ulrich Steff ens Martin Heinrich und Peter Dobbelstein zur Diskussion gestellt wur-de Nachfolgend wird diese Problemskizze in der damaligen Fassung wiedergegeben

1 Kurze Beschreibung der Sach- bzw Problemlage

[hellip] Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Forschungsbefunde vorliegen die Anregungen fuumlr eine Beruumlcksichtigung in der Praxis auf der System- Schul- und Unterrichtsebene liefern so faumlllt gleichzeitig auf dass sie kaum einen praktischen Niederschlag erfahren haben Die Gruumlnde dafuumlr duumlrft en sicherlich vielschichtig sein Beeindruckend ist dabei allerdings wie wenig die dargebotenen Forschungs-befunde bei den potenziellen Adressaten Beachtung fi nden und wie selten sie in der Bildungsplanung Lehrerbildung sowie Schul- und Unterrichtsentwicklung ausfuumlhrlicher rezipiert werden Off enbar ist nach anfaumlnglicher Euphorie uumlber die erhofft en Moumlglichkeiten uumlber die Dissemination empirischer Forschungsbefunde die paumldagogische Wirklichkeit veraumlndern zu koumlnnen (Heinrich 2011) insbeson-dere im Hinblick auf zentrale Th ematiken wie bdquoBildungsgerechtigkeitldquo (Heinrich 2010) Schulqualitaumlt (Altrichter et al 2014 Dietrich et al 2015 Heinrich 2015a) oder auch uumlbergreifende Th emenfelder wie bdquoInklusionldquo (Dietrich amp Heinrich 2014) oder bdquoBildung fuumlr nachhaltige Entwicklungldquo (Heinrich 2015b) eine zuneh-mende Ernuumlchterung eingetreten Die paumldagogische Praxis scheint sich entweder nachhaltig gegenuumlber diesem Programm der Evidenzbasierung zu sperren (Hein-rich 2015c) oder die Befunde nur halbherzig aufzugreifen (Th iel et al 2013)

Ein Grund fuumlr die geringe Bedeutung der Forschungsbefunde wird in der mangelnden Praxisrelevanz gesehen So ist haumlufi g zu houmlren dass Wissenschaft zu wenig die Praxis kennen und Anliegen und Probleme aus der Praxis kaum beach-ten wuumlrde Daruumlber hinaus wuumlrden die Forschungsergebnisse nur unzureichend fuumlr die Loumlsung von Praxisproblemen beitragen und kaum hilfreich sein (Altrich-ter amp Feindt 2004 S 418)

Ferner wird bemaumlngelt dass den Forschungsergebnissen der praktische Bezug fehle was allein schon an der abstrakten Ausdrucksform abzulesen sei So seien die Forschungsberichte auch nicht fuumlr einen praxisorientierten Leserkreis abge-fasst

Governanceanalytische Studien zeigen immer wieder dass die Forschungsbe-funde in der Praxis nicht aufgegriff en werden da sie vor Ort nicht anschlussfaumlhig sind d h die Handlungslogiken der Akteure vor Ort den Befunden gegenuumlber so fremd sind dass es ganz spezifi scher Formen der Aneignung bedarf um die Be-funde wirksam werden zu lassen

Dabei kommen Ansaumltze unterschiedlicher Provenienz in Frage die verschie-denen Anspruumlchen mit unterschiedlicher Reichweite gerecht werden koumlnnen Die-se Aneignungsformen gilt es zunaumlchst einmal konzeptionell zu durchdringen im Hinblick auf ihre Moumlglichkeiten und Grenzen auszuloten sowie in ihren prakti-schen Perspektiven zu erproben Je nach Reichweite kann dabei zwischen einem Wissenschaft s-Praxis-Dialog (1) einer Entwicklung und Bereitstellung von Praxis-

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 16

theorien (2) sowie einer Begleit- bzw Praxisforschung (3) unterschieden werden Diese Herangehensweisen sollen im Folgenden skizziert werden

2 Handlungsperspektiven fuumlr einen Praxistransfer

21 Wissenschafts-Praxis-Dialog

Eine naheliegende Vorgehensweise ist in einer systematischen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis zu sehen die sich einer dialogischen Vorge-hensweise verpfl ichtet fuumlhlt

Schaut man sich dabei die praktizierten Vermittlungsformen an so faumlllt auf dass der Wissenstransfer nur eine Richtung zu kennen scheint naumlmlich einen In-formationsfl uss von der Wissenschaft s- zur Praxisseite Auch wenn dabei die For-schungsergebnisse auszligerordentlich verstaumlndlich dargestellt sein koumlnnen so aumlndert dies allerdings nichts an dem Sachverhalt dass der Wissenstransfer im Wesentli-chen einseitig bleibt Durch die Art der Verkehrsform werden zugleich auch die Rollen defi niert Auf der einen Seite wird informiert und auf der anderen Seite re-zipiert auf der einen Seite der Expertenstatus auf der anderen Seite der Laien-status Auch in der aktuellen Ergaumlnzung der KMK-Gesamtstrategie vom 11 Juni 2015 bei der Forschung mehr anwendungsbezogenes Wissen fuumlr die Bildungs-politik und Bildungspraxis bereitstellen soll bleibt es bei dieser (einseitigen) Blickrichtung

Dieser Art des Wissenstransfers fehlt eine dialogische Perspektive bei der beide Seiten miteinander ins Gespraumlch kommen koumlnnen Ein Dialog wuumlrde die Moumlglichkeit eroumlff nen Forschungsbefunde aus Praxissicht einzuordnen und zu interpretieren und so zu einer diff erenzierten Problemsicht in der Schul- und Unterrichtsforschung beizutragen Auf diese Weise koumlnnten Forschungsergebnis-se in einem neuen Licht betrachtet werden und auch zu neuen Hypothesen und Erkenntnissen fuumlhren Insofern wuumlrde auch die Forschung durch den Dialog pro-fi tieren Damit haumltte der Dialog einen zweiseitigen Ertrag naumlmlich fuumlr die Praxis und fuumlr die Forschung

Am einfachsten waumlre zunaumlchst einmal Wissenschaft s- und Praxisexperten in dialogischen Workshops zusammenzubringen um einen Austausch zu initiieren Eine solche Vorgehensweise wuumlrde sich vor allem im Zusammenhang jener ein-schlaumlgigen Programme und umfangreichen Maszlignahmen anbieten die in juumlngster Zeit vor dem Hintergrund der empirischen Bildungsforschung und im Zuge der bdquoempirischen Wendeldquo in der Bildungspolitik und Bildungsplanung initiiert wur-den

Zur Initiierung des Dialogs gilt es verschiedene Aspekte zu beachten1) Inhaltsaspekt Welche Forschungsbefunde sind hilfreich fuumlr die Praxis Was

sind relevante Forschungsthemen fuumlr die Praxis Welche Forschung wird ver-

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 17

misst Hier geht es vorrangig um bdquoVerstaumlndigungsarbeitldquo zwischen Wissen-schaft und Praxis Grundlage dafuumlr koumlnnten beispielsweise Erhebungen zum Fortbildungsbedarf oder zu den Alltagsproblemen von Lehrerinnen und Leh-rern sein Fuumlr die Bildungsverwaltung koumlnnten die sieben Th emenfelder der KMK-Gesamtstrategie die als bdquoSchluumlsselfragen der Schul- und Unterrichtsent-wicklungldquo begriff en werden (Kultusministerkonferenz (KMK) 2015 S 17 f) den Ausgangspunkt fuumlr eine Verstaumlndigungsarbeit bilden

2) Formaspekt Hier steht die Art und Weise der Ergebnisdarstellung im Vorder-grund verstaumlndliche Erlaumluterung von Befunden konkrete beispielhaft e Dar-stellung Aufzeigen des moumlglichen praktischen Nutzens Diese wechselseitige bdquoUumlber setzungsarbeitldquo muss in beiderseitiger Off enheit erfolgen sodass auch die Wissen schaft durch die bdquoDignitaumlt der Praxis vor aller Th eorieldquo (Schleier-macher) belehrt werden kann d h die Ergebnisdarstellung off enbart dass Fra-gen ggf falsch gestellt wurden Befunde zwar nicht unwesentlich sind wo-moumlglich aber fuumlr die Praxis eine ganz andere Bedeutung haben als von der Wissenschaft gedacht (bspw eine empirisch nachweisbar erfolgreiche Interven-tion die von der Praxis aber als unzulaumlssige Manipulation der Schuumllerinnen und Schuumller abgelehnt wird)

3) Anwendungsaspekt Wie erfahre ich (als Praktiker insbesondere als Lehrerin bzw Lehrer) welche Konsequenzen ich aus Forschersicht aus den Ergebnissen ziehen kann Welche Folgerungen sind zulaumlssig Wie sieht eine Anwendung (beispielsweise kompetenzorientierte Unterrichtsentwicklung) ganz konkret in meinem Fach aus Wie erfahre ich als Wissenschaft lerin und Wissenschaft ler von der mangelnden oumlkologischen Validitaumlt meiner Ergebnisse An welchen Stellen zeigt sich in meiner Modellbildung fuumlr empirische Untersuchungen meine Naivitaumlt gegenuumlber der Komplexitaumlt paumldagogischer Praxis (gemeinsame bdquoBeratungs- und Fortbildungsarbeitldquo)

Gerade hinsichtlich dieser genannten Aspekte duumlrft e das EMSE-Netzwerk seine zentrale Bedeutung erlangen Es haumltte sich mit dem praxisbezogenen Bedarf und den relevanten Th emen zu befassen Des Weiteren muumlssten geeignete Vermitt-lungs- und Arbeitsformen erprobt und empfohlen sowie Strategien fuumlr entspre-chende Anwendungen im Sinne einer Entwicklungsforschung entworfen und ver-stetigt werden

22 Entwicklung und Bereitstellung von bdquoPraxistheorienldquo

Uumlber den Dialog hinaus bietet sich eine Vorgehensweise an in der der Wissens-transfer als eine eigenstaumlndige und von der Grundlagenforschung abzugrenzende wissen schaft liche Leistung begriff en wird Dabei ginge es darum Ergebnisse der Bildungsforschung in bdquoPraxistheorienldquo mittlerer Reichweite zu bdquotransponierenldquo Das heiszligt nicht spezifi sche Th eoreme oder einzelne Forschungsergebnisse zu aus-

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 18

gewiesenen Th emen waumlren zu beschreiben und zu erlaumlutern vielmehr ginge es darum solche Befunde synoptisch zusammenzufassen und in einem groumlszligeren Handlungszusammenhang zu uumlberfuumlhren der sich einer praxisrelevanten realen Problemstellung widmet Dabei kommt es vor allem darauf an dass mit der zur Verfuumlgung gestellten Forschungssynopse eine Vorstellung daruumlber moumlglich wird wie eine Problemstellung bearbeitet bzw geloumlst werden kann zwar nicht im De-tail in einer konkretistischen Art wohl aber in prinzipieller Weise Praxistheorien in diesem Sinne sind nicht als bdquowissenschaft liche Wahrheitenldquo zu begreifen son-dern als an empirischen Evidenzen orientierte kohaumlrente und praxisbezogene Re-fl exionsangebote die es Lehrkraumlft en erlauben durch kritische Auseinandersetzung mit handlungsrelevanten Maximen ihr eigenes Professionsverstaumlndnis zu refl ek-tieren

Ein gutes Beispiel stellt das Gutachten zur Vorbereitung des Programms bdquoStei-gerung der Effi zienz des mathematisch-naturwissenschaft lichen Unterrichtsldquo dar (Bau mert et al 1998) aus dem das SINUS-Projekt hervorgegangen ist Im Grun-de handelt es sich dabei um eine Art Muster-Leitfaden wie ein entsprechender Unterricht in Mathematik und den naturwissenschaft lichen Faumlchern zu gestalten ist Auch die Veroumlff entlichung bdquoLernen sichtbar machen fuumlr Lehrpersonenldquo von John Hattie (2014) ist als Beispiel einer entsprechenden Praxistheorie zu nen-nen Es handelt sich dabei um eine Art bdquoErziehungslehreldquo die von Hattie vor dem Hintergrund seiner umfassenden Forschungsbilanz uumlber 138 Einfl ussgroumlszligen zum Lernerfolg von Schuumllerinnen und Schuumllern konzipiert wurde Darin geht es um eine Unterrichtsstunde die idealtypisch in fuumlnf Stadien beschrieben wird (bdquoPla-nung der Unterrichtsstundeldquo bdquoBeginn der Unterrichtsstundeldquo bdquoDer Fluss der Unterrichtsstunde Lernenldquo bdquoDer Fluss der Unterrichtsstunde Der Platz des Feed-backsldquo bdquoDer Abschluss der Unterrichtsstundeldquo) Als weitere Beispiele koumlnnten ge-nannt werden das Fortbildungsmodul im Rahmen des Pythagoras-Projekts von Eckhard Klieme und Kurt Reusser (Lipowsky et al 2003) oder das Bilanz-Kapitel zum Forschungsbericht des COACTIV-Projekts zur Lehrerprofessionalitaumlt (Kun-ter et al 2011) Auch aus der Allgemeinen Didaktik lassen sich Beispiele fi nden so sind etwa Hilbert Meyers bdquoWas ist guter Unterrichtldquo (Meyer 2004) und insbe-sondere Hans Aeblis zwoumllf Grundformen des Lehrens (Aebli 2006)4 hier zu er-waumlhnen

Mit diesen Verweisen duumlrft e klar geworden sein dass es bei den bdquoPraxistheo-rienldquo um die Auseinandersetzung mit einer anderen Wissensform geht als die in Forschungsberichten dargestellten Erkenntnisse und Befunde Eckhard Klieme spricht hier von bdquoHandlungswissenldquo (Klieme 2013) und Anand Pant ndash in Abgren-zung zu Klieme ndash von bdquoErklaumlrungswissenldquo (Pant 2015)

Sowohl in der Schul- und Unterrichtspraxis als auch in der Schulverwaltung besteht eine Nachfrage nach der Aufb ereitung von Forschungserkenntnissen in einer fuumlr sie verstaumlndlichen und nachvollziehbaren Weise Die groszlige Nachfrage

4 Fuumlr diesen Hinweis gilt Rudolf Messner ein besonderer Dank

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 19

nach einer solchen Wissensform laumlsst sich am Beispiel der Hattie-Studie (Hattie 2009 2014) aufzeigen Ihre groszlige Resonanz duumlrft e auch darauf zuruumlckzufuumlhren sein dass im undurchdringlichen Informationsdschungel argumentativ die Spreu vom Weizen getrennt und klare Position bezogen wird was wirkt und was nicht Hattie ist zugleich auch ein gutes Beispiel dafuumlr dass mit einem simplifi zierten Handlungswissen auch Gefahren verbunden sind etwa abzulesen an seinem Be-wertungssystem (bdquohinge pointldquo) seinem Ranking der Einfl ussfaktoren und seinen zugespitzten Bilanzierungen (beispielsweise bdquoStrukturfragen sind unbedeutendldquo) die statt zur Aufk laumlrung beizutragen mehr Missverstaumlndnisse und Fehlinterpre-tationen ausloumlsen Populistische Vereinfachungen sind dem in der Praxis nach-gefragten Handlungswissen nicht angemessen Praxistheorien sind demnach not-wendig um empirischen Befunden in der Handlungspraxis Relevanz zu geben gleichzeitig muumlssen sie so praumlsentiert und rezipiert werden dass sie zur Professio-nalisierung der Lehrerinnen und Lehrer beitragen und nicht zu rezepthaft er An-wendung

23 bdquoPraxisforschungldquo

Ausgehend von der erwaumlhnten fehlenden Anschlussfaumlhigkeit des Forschungswis-sens in praktischen Handlungszusammenhaumlngen koumlnnte eine weitere Vorgehens-weise darin liegen das bdquoklassischeldquo Prozedere sozusagen umzudrehen und von den Praxiserfordernissen her den Forschungsbedarf zu bestimmen Dazu waumlre die Praxis staumlrker in die Forschung mit einzubeziehen Auf diese Weise koumlnnten ihre Anliegen und Probleme besser aufgegriff en und zum Gegenstand einer auf Ver-besserung ausgerichteten Bildungsforschung gemacht werden

Das erfordert allerdings andere Forschungszugaumlnge als sie derzeit in der em-pirischen Bildungsforschung uumlblich sind Innerhalb der Transferprozesse duumlrfen diejenigen die die Befunde uumlbernehmen sollen im Forschungsprozess nicht zu Objekten gemacht werden da man dann ihre subjektiven Zugangsweisen nicht angemessen in das Konzept integrieren koumlnnen wird Notwendig werden damit forschende Zugriff e im Sinne einer partizipativen Form von Forschungs- und Ent-wicklungsprojekten wie sie seit Jahrzehnten an den Bielefelder Versuchsschulen etabliert sind (Hahn et al 2014)

Beispielsweise koumlnnte sich eine Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern (even-tuell ein Jahrgangsteam oder eine Fachgruppe) nach dem Interventionskonzept bdquoLesson Studiesldquo bzw bdquoLearning Studiesldquo (Posch 2016) mit der Frage befassen wie sie in ihrem Unterricht Schuumllerinnen und Schuumller wirksamer kognitiv akti-vieren und entsprechende Lehr- und Lernarrangements kontinuierlich versteti-gen koumlnnen Ein solcher Arbeits- bzw Untersuchungsprozess koumlnnte durch eine Begleitforschung supervidiert werden die die Lehrerforscherinnen dabei unter-stuumltzt die Ertraumlge der durchgefuumlhrten bdquoStudienldquo zu beschreiben und zu analysie-ren und zum anderen die Gelingensbedingungen des Vorgehens herauszuarbeiten

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 20

Entsprechende Forschungsvorhaben koumlnnten sich auf Evaluationen von Schu-len und Programmen beziehen auf eine wissenschaft liche Begleitung von Re-formmaszlignahmen oder auch weitergehender auf praxisorientierte Verlaufsanalysen von Reformprozessen Mit solchen Projekten so Klaus-Juumlrgen Tillmann bdquowird zu-gleich auch ein neuer Forschungsbedarf produziert der die praktische Umsetzung von sbquoMaszlignahmenlsquo in den Blick nimmtldquo (Tillmann 2016 S 5) Gerade dafuumlr sind Praxiserfahrungen unverzichtbar bdquoDazu benoumltigt man zunaumlchst einmal paumldago-gisch-praktische Erfahrungen innovative Ideen aber auch Kenntnisse bisheriger Erfolge und Misserfolge Kurz In dieser Entwurfsphase sind vor allem die profes-sionellen Kompetenzen der innovativen Paumldagogen gefragtldquo (aaO S 6) In die-sem Zusammenhang koumlnnte man mit Helmut Fend (2006) von der Notwendigkeit zur bdquoRe-Kontextualisierungldquo sprechen Noch plastischer beschreibt dies Juumlrgen Kussau (2007) als die Notwendigkeit Forschungsbefunde vor Ort bdquonachzuerfi n-denldquo

In einer weiterfuumlhrenden Perspektive waumlre deshalb die vorherrschende empi-risch-analytische Bildungsforschung um eine schulische Begleitforschung oder so-genannte bdquoPraxisforschungldquo zu ergaumlnzen (Altrichter amp Posch 1994 2012 Altrich-ter amp Feindt 2004 oder Tillmann 2016) bdquoJeder der beiden Forschungszugaumlnge hat sowohl seine eigenen Erkenntnismoumlglichkeiten wie seine -grenzen Beide An-saumltze sind wechselseitig nicht austauschbar aber sie ergaumlnzen sich in ihren Er-kenntnissen Empirische Schulforschung sollte deshalb in einer Verknuumlpfung von empirisch-analytischer Forschung und Praxisforschung betrieben werdenldquo (Till-mann 2016 S 4)

24 Institutionelle Traumlger und Rollen eines Praxistransfers

Unbeschadet der Frage welcher Herangehensweise beim Wissenstransfer der Vor-zug zu geben ist bedarf es einer gesonderten Betrachtung wer die Traumlger eines Praxistransfer sind bzw sein sollen und wie sich eine entsprechende Versteti-gung und Institutionalisierung herbeifuumlhren laumlsst Auff allend ist dass es trotz der Bedeutung die dem Wissenstransfer inzwischen beigemessen wird keine Foren und Agenturen gibt die in systematischer Weise sich mit einem Transfer befas-sen Nach wie vor handelt es sich um singulaumlre und thematisch eingegrenzte Ver-anstaltungen

Haumlufi g wurden und werden sie von landesweiten Bildungseinrichtungen (vor-wiegend von Landesinstituten fuumlr Lehrerfortbildung Bildungsplanung oder Qua-litaumltsentwicklung) durchgefuumlhrt Auch verschiedene Stift ungen bemuumlhen sich ndash teilweise schon seit vielen Jahren ndash darum Forschungserkenntnisse zu bildungs-politisch aktuellen Th emen verschiedenen Praxiszusammenhaumlngen naumlher zu brin-gen Aumlhnliches gilt auch fuumlr verschiedene Verbaumlnde Allerdings orientieren sich diese in der Regel interessenbezogen an ihren Verbandsanliegen Auch wissen-schaft liche Einrichtungen wie die Institute fuumlr Schulentwicklungsforschung in

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 21

Dortmund oder in Klagenfurt das IPN oder das DIPF (beispielsweise das Projekt bdquowissenschaft praxis ndash Was ist guter Unterrichtldquo) widmen sich der Transferfrage in juumlngster Zeit auch die KMK und das BMBF So hat die KMK ihre bdquoGesamtstra-tegieldquo um einen Schwerpunkt ergaumlnzt um zu mehr bdquoanwendungsbezogenes Wis-sen fuumlr Bildungspolitik und Bildungspraxisldquo zu gelangen das nicht nur beschrei-ben sondern auch erklaumlren koumlnnen soll (Kultusministerkonferenz (KMK) 2015 S 17 f) Auch die vom BMBF initiierten Forschungsprojekte lassen sich diesem Zielhorizont zurechnen

Einen gesonderten Stellenwert im Bemuumlhen um Wissenstransfer nehmen Ein-richtungen ein die sich teilweise schon seit vielen Jahren mit einem Wissen-schaft s-Praxis-Dialog befassen z B der bereits seit 1985 bestehende bdquoArbeitskreis Qualitaumlt von Schuleldquo die Arbeitsgruppe Schulqualitaumlt in der DGBV das Netzwerk bdquoSchulentwicklungldquo der bdquoNordverbund Begleitforschungldquo oder die wissenschaft -lichen Einrichtungen der Bielefelder Versuchsschulen Auch die GFPF laumlsst sich diesem Kreis zurechnen

Letztendlich sind es viele Einrichtungen die sich mit dem Anliegen Wissens-transfer befassen Allerdings ist fuumlr sie festzustellen dass sie entweder thematisch oder methodisch eingegrenzt ausgerichtet sind oder in ihren Aktivitaumlten den Dia-log Wissenschaft ndash Praxis nicht kontinuierlich oder verbindlich verfolgen Ferner sind sie ihren eigenen Anliegen verpfl ichtet und fokussieren die Arbeit auf ihre je-weiligen Schwerpunkte und Aufgaben

Verkuumlrzt gesagt orientiert sich Bildungsforschung in erster Linie an wissen-schaft lichem Erkenntnisgewinn und an damit verbundenen Entwicklungs- und Karrierenotwendigkeiten Fuumlr eine Ausrichtung auf eine praxisverstaumlndliche Ver-mittlung von Befunden fehlen deshalb im Regelfall die erforderliche Zeit aber auch praxisorientierte Kenntnisse hinsichtlich der Untersuchungsthemen und der Handlungsfelder Vor diesem Hintergrund ist es verstaumlndlich dass dort wo Wis-senstransfer stattfi ndet er in erster Linie auf eine Vermittlung von Forschungs-ergebnissen ausgelegt ist und weniger eine Verstaumlndigung oder gar einen Dialog mit der Praxis intendiert

Bildungsverwaltungen (einschlieszliglich Landesinstitute) sind politisch und ad-ministrativ vorgegebenen Handlungszusammenhaumlngen verpfl ichtet Sie orientie-ren sich vorrangig an bestimmte operative Regelaufgaben (z B Lehrerfortbildung) sowie an aktuelle strategische Zielsetzungen der Bildungsplanung und Schulent-wicklung (z B Umgang mit Heterogenitaumlt Ganztagsbeschulung oder Inklusion) Fuumlr eine systematische Beobachtung der Schul- und Unterrichtsforschung und eine Aufarbeitung des aktuellen Erkenntnisstandes im Hinblick auf praktische Konsequenzen sind solche Einrichtungen im Regelfall nicht ausgelegt Allerdings wurde in den letzten Jahren mit einer bdquosystematischenldquo Erfassung der Problem-konstellationen und des entsprechenden Handlungsbedarfs in den verschiedenen Praxisfeldern des Schulwesens begonnen (siehe v a IQB-Laumlndervergleiche Schul-inspektionen und Vergleichsarbeiten) An dieses Potenzial koumlnnte angeknuumlpft werden um einen systematischen Praxistransfer zu initiieren

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 22

Demgegenuumlber ist Bildungspraxis zunaumlchst einmal wenig auf wissenschaft li-che Erkenntnisse und administrative Regelaufgaben ausgerichtet Sie folgt ihren eigenen Handlungserfordernissen und konzentriert sich auf unterrichtliches Han-deln und auf die Sicherung der Primaumlrprozesse auf der Mesoebene des Schulwe-sens (organisatorische und paumldagogische Maszlignahmen auf der Schulebene) Ihr Erkenntnisbedarf ist auf die Bewaumlltigung des schulischen Alltags ausgerichtet Re-formmaszlignahmen Verbesserungsvorschlaumlge und Handlungsempfehlungen fi n-den im Regelfall nur so weit Beachtung soweit sie Loumlsungen von Alltagsproble-men erkennen lassen oder spuumlrbare Entlastungen versprechen Teilweise ist auch ein Bemuumlhen um Praxisverbesserungen zu beobachten dass von einem berufs-ethischen oder gesellschaft spolitisch-paumldagogischen Anliegen getragen wird Al-lerdings duumlrft en selbst diese Lehrpersonen die von einem solchen Anliegen ge-tragen sind nur im Einzelfall an einem Wissenschaft s-Praxis-Dialog interessiert sein am ehesten noch Lehrpersonen in schulischen Leitungsfunktionen Vielmehr duumlrft e dieser Personenkreis vorrangig an konkrete Praxishilfen durch Lehrerfort-bildung und Schulberatung oder durch Handreichungen in Form von Praxisbei-traumlgen oder Leitfaumlden interessiert sein

Insofern ist davon auszugehen dass sich der Transfer wissenschaft licher Er-kenntnisse weniger auf die Lehrerinnen und Lehrer ndash als bdquoEndabnehmerldquo ndash bezieht vielmehr auf solche Personengruppen die in der Lage sind For-schungsergebnisse aufzunehmen und produktiv zu verarbeiten (sozusagen zu bdquore-kontextualisierenldquo) sowie Handlungsperspektiven im Medium der Praxis aufzu-zeigen und zwar im Sinne der erwaumlhnten bdquoPraxistheorienldquo (vgl Abschnitt 22) Solche bdquoMittlerldquo bzw bdquoUumlbersetzerldquo im Praxistransfer der Schul- und Unterrichts-forschung duumlrft en am ehesten in der Schulpaumldagogik Fach- und Allgemeinen Di-daktik sowie in Landesinstituten anzutreff en sein sei es in der zweiten Phase der Lehrerausbildung in der Lehrerfortbildung in der Schul- und Fachberatung bei Supervision und Coaching oder auch in der Bereitstellung von Praxishilfen in Form von Printmedien (z B Leitfaumlden fuumlr die Arbeit mit Bildungsstandards oder fuumlr den Umgang mit heterogenen Lerngruppen)

Wuumlrden die bdquoMittlerldquo und bdquoUumlbersetzerldquo in den genannten Handlungsfel-dern diese Herausforderung annehmen dann stellt sich die Frage nach geeigne-ten bdquoVerkehrsformenldquo fuumlr den Praxistransfer Auf welche Art und Weise wuumlrden die am Transfer interessierten Personen und Institutionen aus Bildungsforschung Bildungsverwaltung und Bildungspraxis zum Dialog uumlber Forschungserkenntnisse und Praxisbedarf zusammenfi nden Hier besteht noch Klaumlrungsbedarf Ein Einstieg in diese Diskussion koumlnnte auf den naumlchsten EMSE-Tagungen erfolgen auch wenn in dem Netzwerk nicht alle relevanten Gespraumlchspartner bislang ver-treten sind

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 23

3 Problem- und Fragestellungen bei der Initiierung des Praxistransfers

Zunaumlchst waumlre zu klaumlren inwieweit die in Abschnitt 1 skizzierte Problembeschrei-bung zutreff end ist und welche Handlungsperspektiven daraus abzuleiten sind Bei den denkbaren Kontroversen uumlber die geeigneten Herangehensweisen duumlrf-te wohl die in Abschnitt 21 vorgeschlagene bdquoAneignungsformldquo eines Dialogs un-strittig sein Insofern koumlnnte eine entsprechende Verstaumlndigung den Ausgangs-punkt fuumlr das Vorhaben bilden Die entsprechenden Leitfragen muumlssten sich dann auf die angesprochenen Inhalts- Form- und Anwendungsaspekte beziehen Da-bei waumlre die Diskussion daruumlber nicht abstrakt vielmehr anhand verschiedener Gegenstandsbereiche zu fuumlhren Deshalb werden die am Netzwerk beteiligten Landesinstitute und wissenschaft liche Einrichtungen gebeten gelungene Beispie-le fuumlr den Praxistransfer auf den EMSE-Tagungen vorzustellen beginnend bei der Salzburger Tagung

Eine davon unabhaumlngige Auseinandersetzung koumlnnte sich zu einem spaumlteren Zeitpunkt den in Abschnitt 22 angesprochenen bdquoPraxistheorienldquo widmen

Einen gesonderten Stellenwert nimmt die in Abschnitt 23 dargelegte bdquoPraxis-forschungldquo im Sinne einer Ergaumlnzung zur Grundlagenforschung ein Da sie bis-lang nur eine marginale Rolle in der oumlff entlichen Wahrnehmung der Schul- und Unterrichtsforschung spielt ginge es zunaumlchst darum ihre Vorgehensweise trans-parent und sichtbar zu machen und ihren moumlglichen Ertrag anhand von For-schungsbeispielen nachzuvollziehen (beispielsweise praxisorientierte Evaluations-studien oder Vorhaben der Begleitforschung)

Fuumlr die Initiierung der Diskussion zum Praxistransfer duumlrft en sich uumlber die dargestellten grundsaumltzlichen Aspekte hinaus zunaumlchst einmal einige Fragen auf-draumlngen die es bei der Salzburger Tagung zu diskutieren gilt

(1) Zur aktuellen Situation des Wissenstransfers Wie zutreff end wird die in der vorliegenden Problemskizze dargelegte Sach-

standsbeschreibung eingeschaumltzt

(2) Zielsetzungen und Aufgaben des Praxistransfers Wie folgerichtig sind die skizzierten Handlungsperspektiven Fehlen wesentli-

che Perspektiven bzw Aspekte Muumlsste die Netzwerk-Arbeit zum Praxistrans-fer hinsichtlich Zielsetzungen und Th emen eingegrenzt werden Worauf sollte ndash zunaumlchst spaumlter ndash der Fokus gelegt werden

(3) Traumlger und Rollen eines Transfers Sind an dem Vorhaben der EMSE die relevanten Einrichtungen beteiligt

Fehlen wichtige Partner (etwa aus dem Bereich der Grundlagenforschung) Muumlssten weitere Institutionen bzw Bezugsgruppen einbezogen werden Koumln-nen die Landesinstitute fuumlr Bildungsplanung Qualitaumltsentwicklung und Leh-

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 24

rerfortbildung in den Bundeslaumlndern die angesprochene bdquoSchnittstellenfunk-tionldquo fuumlr den Praxistransfer uumlbernehmen Oder ist das unrealistisch Gibt es geeignetere Einrichtungen Wie waumlre die Koordination der Transferarbeit zu gestalten Ist das EMSE-Netzwerk uumlberhaupt die richtige bdquoAgenturldquo fuumlr eine Konzeptualisierung des Praxistransfers Welche Einrichtung(en) waumlre(n) die Alternative

(4) Wissenschaft liche Fundierung des Ansatzes Welche grundlegenden Erkenntnisse zum Wissenstransfer gibt es Welche

theoretischen Arbeiten werden fuumlr eine wissenschaft liche Fundierung benouml-tigt Anhand welcher Merkmalsdimensionen laumlsst sich das Verhaumlltnis von Grundlagenforschung und Anwendungs- bzw Praxisforschung bestimmen z B anhand der Dimensionen bdquoNutzungsartldquo und bdquosozialer Produktionsmo-dusldquo nach dem Modell von Gibbons et al (1994) (Beywl et al 2016)

(5) Relevante Th emen und Inhalte des Praxistransfers Welches Wissen brauchen politische und administrative Entscheidungstrauml-

ger Welches Wissen brauchen Expertinnen und Experten in der Schulauf-sicht praxisorientierten Lehrerausbildung Bildungsplanung Schulentwick-lung Fach- und Schulberatung Coaching und Supervision Welches Wissen brauchen schulisches Leitungspersonal Lehrerinnen und Lehrer Schuumllerinnen und Schuumller

(6) Geeignete Formen und Anwendungsweisen des Transfers Was sind erfolgreiche Strategien fuumlr bdquoanschlussfaumlhigesldquo Wissen Wie sehen er-

tragreiche Vermittlungs- und Beratungskonstellationen aus (z B bei der Poli-tikberatung) Wie werden Forschungsergebnisse in der Praxis verarbeitet und genutzt Welche erfolgreichen Hilfen bei der Umsetzung oder Anwendung von Maszlignahmen gibt es (z B in praxisorientierten Seminaren zum kompetenz-orientierten Unter richt oder fuumlr Lernverlaufsdiagnosen)

(7) Institutionalisierung des Praxistransfers Wie laumlsst sich der Praxistransfer institutionell absichern Welche fi nanziellen

Unter stuumltzungsmoumlglichkeiten gibt es

Diese Fragenliste ist fuumlr die Initiierung einer Diskussion uumlber den Praxistransfer gedacht Sie bedarf sicherlich noch der weiteren Ausarbeitung und Ergaumlnzung

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 25

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Herbert Altrichter

Transfer ist Arbeit und Lernen

Die Transfer-Hoff nung

Anlaumlsslich einer Tagung des Netzwerks bdquoEmpiriegestuumltzte Schulentwicklungldquo zum Th ema bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelin-genldquo haben Steff ens Heinrich und Dobbelstein (2016) eine Analyse vorgelegt die im Wesentlichen besagt Die Erwartungen im Hinblick auf die Nutzung von wissenschaft -lichem Wissen in der Praxis die ein wichtiges Element des Programms bdquoevidenzba-sierter Schulentwicklung und Bildungspolitikldquo1 war haben sich nicht in der erhofft en Weise erfuumlllt Ein Kernelement dieses Programms ist eine Idee der bdquoRationalisierung praktischer Taumltigkeitldquo durch die Verwendung des besten Wissens der empirischen Bil-dungsforschung in der schulischen Praxis Diese Verwendung besten Wissens kann man sich gegenwaumlrtig in zwei idealtypischen Modi vorstellen (1) als bdquoallgemeiner Ruumlckgriff auf wissenschaft liches Wissenldquo Programme und praktisches Handeln von (individuellen und sozialen) Akteuren im Bildungswesen sollten auf der Basis wissen-schaft lichen Wissens entwickelt werden und durch dieses begruumlndet sein (2) als Bin-dung von Entwicklung an die Ergebnisse speziell fuumlr diesen Zweck entwickelter bdquoevi-denzbasierter Steuerungsinstrumenteldquo Entscheidungen uumlber die Weiterentwicklung dieser Programme und Praktiken sollten auf der Basis jener hochqualitativen Ruumlck-meldungen uumlber Systemtaumltigkeit und -leistungen fallen die durch die neuen Monito-ring- und Evaluationsinstrumente erbracht werden die im Zuge evidenzbasierter Re-formen aufgebaut wurden

Die prominentesten dieser bdquoneuen Instrumente evidenzbasierter Bildungspolitik und Schulentwicklungldquo sind in den deutschsprachigen Laumlndern bdquoBildungsstandards und vergleichende Leistungstestsldquo (Altrichter amp Gamsjaumlger 2017) sowie bdquoneue Schul-inspektionenldquo (Altrichter amp Kemethofer 2016) Sie funktionieren nach einer vergleich-baren Logik (Altrichter amp Maag Merki 2016 21 ff ) Prozess- und Leistungsziele fuumlr schulische Taumltigkeit werden (als Bildungsstandards oder Qualitaumltsrahmen von Ins-pektionen) aufgestellt und klar an die Akteure kommuniziert Die bestehende Praxis wird laufend (durch Lernstandserhebungen oder Inspektionsteams) beobachtet und

1 Sowohl bei Kritikerinnen und Kritikern als auch bei Proponentinnen und Proponenten fi ndet sich in letzter Zeit haumlufi g das Argument dass Reformen und Praktiken die unter der Marke der Evidenzbasierung auft reten dem Anspruch der Fundierung in Forschungsevidenz nicht voll genuumlgen und daher anders benannt werden sollten (Bellmann 2016) Dessen ungeachtet wird auf der Ebene der Reformpolitiken auf die sich diese Analyse bezieht weiterhin mit diesem Label gearbeitet

Herbert Altrichter 28

die Erreichung vorgegebener Ziele wird festgestellt Die Ruumlckmeldung dieser Informa-tionen soll die jeweiligen praktischen Akteure (von der Bildungspolitik bis zur Lehr-person im Unterricht und vielleicht sogar die Lernenden in den Klassenzimmern) zu Ist-Soll-Vergleichen anregen die sie fuumlr die Weiterentwicklung ihrer Praxis sowohl motivieren als auch orientieren (d h in die richtige Richtung weisen)

1 Wissensverwendung

Bei der Frage nach dem bdquoTransferldquo handelt es sich um die aktuelle Version eines Pro-blems das die Entwicklung der Wissenschaft schon lange Zeit begleitet Es wurde und wird in der Paumldagogik als Th eorie-Praxis-Problem diskutiert aber auch in anderen Sozialwissenschaft en thematisiert In den 1980er Jahren richtete die DFG ein breit an-gelegtes Forschungsprogramm ein das die gesellschaft liche Verwendung sozialwis-senschaft licher Ergebnisse untersuchen sollte (Beck amp Bonszlig 1989 Altrichter Kan-nonier-Finster amp Ziegler 2005) und letztlich bei folgendem Konzept der Aufnahme wissenschaft lichen Wissens in Praxissystemen anlangte Die Nutzung wissenschaft li-chen Wissens im Praxissystem erfordert eine aktive Veraumlnderung dieses Wissens im Sinne der Logik des Praxissystems durch die dort Handelnden

Das Argument von Beck und Bonszlig (1989) bricht mit dem Bild der bdquoAnwendungldquo wissenschaft lichen Wissens und betont die Eigengesetzlichkeit des Aneignungsprozes-ses im Sinn einer Transformation oder Reinterpretation Das bdquoNebeneinanderldquo von Th eorie und Praxis wird einerseits als ein Verhaumlltnis relativer Autonomie der sozialen Systeme Wissenschaft und Praxis verstanden Und andererseits sind die Beziehungen zwischen diesen Systemen nicht nur als einfache Transaktionen sondern als komple-xe Transformationsprozesse zu beschreiben Der Austausch zwischen diesen Systemen verlaumluft nicht automatisch nicht durch einfache Ab- und Anleitungen oder durch di-rekte Intervention von einem System ins andere sondern er stellt sich als bdquoechterldquo Prozess dar in dem aktiv Uumlbersetzungsarbeit geleistet wird Diese Uumlbersetzungsarbeit erfolgt nicht unproblematisch Transaktionen zwischen den beiden Systemen sind eben bdquoechteldquo Prozesse die erstens Einsatz und gesellschaft liche Arbeit von den Betei-ligten erfordern und in denen zweitens mit dem Ausgetauschten ndash in unserem Fall zu-naumlchst mit der bdquoTh eorieldquo ndash etwas geschieht

2 Modelle der Theorie-Praxis-Transformation

Wie wird Transfer aktuell im Bildungswesen gefoumlrdert Begriff e wie Steuerungswissen haben die Vorstellung nahe gelegt dass man bestimmte Wissensformen suchen muumls-se die praktische Nutzung stimulieren oder nach sich ziehen wuumlrden Natuumlrlich kann man wissenschaft liches Wissen dunkel oderund unzugaumlnglich formulieren Und doch scheint nicht in der Formulierung wissenschaft licher Ergebnisse das Hauptproblem der praktischen Nutzung von Wissen zu liegen Die Ergebnisse der Datenfeedback-forschung zeigen vielmehr dass es in der Zwischenzeit weithin gelungen ist die Er-

Transfer ist Arbeit und Lernen 29

gebnisse von Lernstandserhebungen so zu kommunizieren dass sie von der Mehrzahl der Lehrkraumlft e als verstaumlndlich eingeschaumltzt werden (Altrichter Moosbrugger amp Zu-ber 2016 253 f)

Das Hauptproblem der Datennutzung liegt vielmehr in der Gestaltung dieser kom-plexen Transformationsprozesse im Feld der Praxis Diese Transferprozesse sind Arbeit weil sie Zeit und Energie von den Beteiligten erfordern sie sind Lernen weil sie die Beteiligten und deren Handlungspraxis veraumlndern werden Welche Modelle fuumlr sol-ches berufl iche Lernen das die Rationalitaumlt paumldagogischer Berufstaumltigkeit erhoumlhen soll liegen vor

21 Unterrichts- und Schulentwicklung durch Datenfeedback

In den aktuellen Instrumenten evidenzbasierter Steuerung wird das wesentliche Mo-vens fuumlr Entwicklung in der Ruumlckmeldung von Daten (z B in Lernstandserhebungen oder durch Inspektionsberichte) gesehen Diese sollen bei den Akteuren Ist-Soll-Ver-gleiche bezuumlglich ihrer eigenen Praxis ausloumlsen Dabei auft retende Diskrepanzen zwi-schen den Zielen und dem real Erreichten sollen dann wieder Handlung motivieren und anzeigen in welche Richtung Verbesserungshandlungen gehen

Die Eff ekte von Datenfeedback auf die Unterrichtsentwicklung sind in deutsch-sprachigen Schulsystemen gut erforscht und werden als unbefriedigend angesehen (Maier amp Kuper 2012 Altrichter et al 2016) Lehrpersonen nehmen Datenruumlckmel-dungen seltener als erhofft als Anstoszlig fuumlr Veraumlnderungen in ihrem Unterricht und wenn sie dies tun dann umfasst die Unterrichtsentwicklung eher maszligvolle Anpassun-gen denn grundlegende Veraumlnderungen Warum ist dies der Fall

Interpersonelles Feedback ist relativ gut erforscht Metaanalysen (Kluger amp DeNi-si 1996 Hattie amp Timperley 2007) zeigen dass Feedback einen positiven Eff ekt auf die Leistung haben kann aber nicht unter allen Umstaumlnden Off enbar haumlngt die Wirk-samkeit von Feedback fuumlr nachfolgende Handlungen von bestimmten Merkmalen des Feedbacks sowie der Rezeptions- und Nutzungssituation ab (Altrichter et al 2016 263 ff ) Viele schulische Datenfeedback-Modelle scheinen einige dieser Bedingungen fuumlr die Wirksamkeit von Ruumlckmeldungen nicht zu erfuumlllen (Visscher amp Coe 2002 247 ff ) Sie bieten meist keine spezifi schen Cues die die Aufmerksamkeit auf den wei-teren Entwicklungsprozess und Verbesserungsmoumlglichkeiten lenken sondern haumlufi g Vergleiche mit anderen Schulen oder anderen Vergleichsgruppen die oft bdquoSelbstwertldquo bezogen interpretiert werden Sie stellen ihren Nutzerinnen und Nutzern meist sehr komplexe Aufgaben und koumlnnen eine Selbstwertbedrohung enthalten wenn sie Teil eines konsequenzenreichen Accountability-Systems sind

Die Idee dass Lehrpersonen Feedback uumlber Schuumllerleistungen zur Unterrichtsent-wicklung verwenden basiert auf einem unuumlblichen Verstaumlndnis von Feedback Lehr-personen erhalten Feedback uumlber die Leistungen anderer Personen und sollen daraus Schluumlsse fuumlr ihr eigenes Verhalten ziehen Externe oft als Kontrolle verstandene Me-chanismen sollen interne Operationen ausloumlsen Schuumllerinnen ndash oder (z B bei der Teaminspektion) die Schule ndash werden evaluiert einzelne Lehrerinnen sollen handeln

Herbert Altrichter 30

(OrsquoDay 2004) Tatsaumlchlich zeigte sich bei Schneewind (2007 S 229) und auch Schild-kamp amp Ehren (2012) dass die befragten Lehrpersonen haumlufi g die Sichtweise ver-treten bdquodie Tests haben die Leistung der Kinder getestet und nicht die Leistung der Lehrerinnen Daher bieten ndash in der Wahrnehmung der Lehrerinnen ndash die Ruumlckmel-dungen nur Informationen uumlber die Schuumllerinnen und Schuumller an nicht jedoch uumlber das paumldagogische Handeln der Lehrerinldquo Ihre Konsequenz besteht daher allenfalls in Individualfoumlrderung nicht jedoch in Unterrichtsentwicklung

Die Staumlrke des Feedback-Modells liegt im Bereich der adaptiven Verhaltensan-passung es ist eher fuumlr Faumllle geeignet in denen die Faumlhigkeiten in einer bestimmten Weise zu handeln an sich da sind aber fuumlr spezifi sche Situationen adaptiert werden muumlssen Wenn die durch die Bildungsstandards-Politik nahe gelegte bdquoKompetenz-orientierungldquo aber tatsaumlchlich eine unterrichtspraktische Revolution ist wie von der Bildungspolitik oft behauptet dann ist zu erwarten dass alternative didaktische Prak-tiken im Repertoire von Lehrpersonen in sehr unterschiedlichem Maszlige vorhanden sind um neues Verhalten angesichts von Datenfeedback zu produzieren (Dubs 2006)

Die durch Datenfeedback bereitgestellten Informationen koumlnnen nicht einfach fuumlr die Unterrichtsentwicklung bdquoangewendetldquo werden sondern es bedarf eines aktiven Aneignungs- und Umwandlungsprozesses durch die Rezipientinnen und Rezipienten um Handlungskonsequenzen aus dem Datenfeedback zu erarbeiten Jeder Wissens-transfer erfordert eine bdquoTransformation des Wissensldquo die bdquoauf der Grundlage institu-tionell praumlformierter und im alltagspraktischen Gebrauch stabilisierter Deutungs- und Interpretationsmusterldquo geschieht (Kuper 2005 S 99)

22 Professionelles Lernen

Damit befi nden wir uns aber wieder in einem bdquoeinheimischenldquo Bereich Es geht um berufl iches Lernen von Lehrpersonen In den letzten Jahren hat die Fortbildungsfor-schung deutliche Fortschritte gemacht Wenn es um nachhaltiges Lernen von Lehr-personen geht dann werden meist die folgenden Qualitaumltsmerkmale von Fortbildung genannt (Lipowsky amp Rzejak 2014 Timperley Wilson Barrar amp Fung 2007 Lipow-sky 2004)

Qualitaumlt des Lernprozesses der Lehrpersonen Verbindung von Wissen Handeln und Refl exion Fortbildungssituationen muumlssen Lehrpersonen erlauben sich laumlngerfris-tig und in einer Vielfalt methodischer Settings mit berufl ichen Problemen ausein-anderzusetzen Diese Fortbildungsarrangements ermoumlglichen auch fremdes (wissen-schaft liches) eigenes (subjektives) Wissen und tatsaumlchliches Handeln in Verbindung zu bringen sowie grundlegende Uumlberzeugungen und eingespielte Handlungspraktiken kritisch zu hinterfragen

Bezug zum Unterricht Das Lernen der Schuumllerinnen in den Blick nehmen Solche Fortbildungssituationen haben einen klaren Bezug zur Unterrichtspraxis der Teilneh-merinnen daher oft einen fachdidaktischen Fokus auf ausgewaumlhlte Prozesse des Ler-nens und Lehrens sie erlauben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Feedback zu suchen und die Qualitaumlt und Wirksamkeit eigener Handlungspraxis zu refl ektieren

Transfer ist Arbeit und Lernen 31

Strukturelle Einbettung und Stimulierung koordinativer Beziehungen im System Sol-che Fortbildungen versuchen die (sich veraumlndernde) Taumltigkeit einzelner Lehrpersonen auf verschiedene Weise bdquosystemischldquo zu stuumltzen sie regen Kooperationen und Ver-netzungen an die uumlber die Fortbildungsveranstaltung hinausgehen sie ermutigen die Teilnahme mehrerer Lehrkraumlft e eines Standorts und arbeiten mit Schulleitungen an der Vorbereitung der Back-Home-Situation sie bieten externe Unterstuumltzung bei Um-setzung der Fortbildungsinhalte an der Schule

Wenn wissenschaft liche Ergebnisse fuumlr Unterrichtspraxis bdquonuumltzlichldquo werden sollen dann braucht es solche Settings laumlngerfristigen berufl ichen Lernens in denen Lehrper-sonen Impulse aus der Wissenschaft aufnehmen und zu eigenem Wissen und Hand-lungspraktiken transformieren koumlnnen Wie solche Fortbildungssituationen ausschau-en wissen wir Dafuumlr wie man sie praktisch organisieren kann gibt es durchaus praktische Beispiele (wie zB SINUS PFL oder Lesson Studies Krainer 2007) Dass man sie nicht oumlft er erleben kann haumlngt u a mit anderen Entwicklungen im Bildungs-wesen zusammen die solchen intensiven Lehrerfortbildungskursen entgegenzulaufen scheinen wie dem Versuch der Verminderung des Unterrichtsentfalls durch Lehrer-fortbildung oder dem Ausweichen auf kostenguumlnstige Fortbildungssettings

Ein solches Bild von Lehrerlernen impliziert aber auch dass Lernen nicht nur in distanzierten Fortbildungssettings geschieht sondern auch und nicht zuletzt im Be-ruf und in der professionellen Umgebung der eigenen Schule Die dienstrechtlichen und arbeitsorganisatorischen Bedingungen der Lehrerarbeit muumlssten in diesem Sin-ne auch dafuumlr sorgen dass Unterrichtsentwicklung (im Sinne der Vorbereitung eige-nen Unterrichts und der Refl exion von Unterrichtserfahrung) eben nicht nur indivi-duelle Aufgabe ist sondern ein institutionelles Merkmal der Lehrerarbeit die auch in der schulischen Arbeitsverteilung und Arbeitsorganisation zum Ausdruck kommt Das bedeutet dass im Arbeitsalltag auch Zeit fuumlr Refl exion und gemeinsame Entwick-lung vorgesehen werden muss die dann auch solche Dinge wie gemeinsame Curricu-lum-Entwicklung professionelle Lerngemeinschaft en oder Lesson Studies (Bonsen amp Frey 2014) erlauben wuumlrde

Schlieszliglich geschieht professionelles Lernen nicht nur in Fortbildungskursen und am eigenen Standort sondern fi ndet auch im Medium der Profession statt Eine lern-foumlrderliche Profession betreibt die Entwicklung eines Berufswissens betreibt Profes-sionsentwicklung schaumltzt die Ideen und Entwicklungen ihrer Mitglieder und schafft Foren in denen das Berufswissen kritisch hinterfragt und weiterentwickelt werden kann Es ist fraglich ob diese Aufgaben durch die bestehenden Lehrervereine und -or-ganisationen geleistet werden koumlnnen die oft stark auf die rechtlichen und oumlkono-mischen Bedingungen der Berufstaumltigkeit orientiert sind (was notwendig und wichtig ist) aber dem Berufswissen der Lehrpersonen und dessen Weiterentwicklung zu we-nig Aufmerksamkeit schenken

Herbert Altrichter 32

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Rick Mintrop

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss

Man kann die Schulentwicklung der letzten drei Dekaden unter dem Blickwinkel zweier miteinander in Spannung stehender Dynamiken begreifen Da ist auf der einen Seite eine Dynamik von auszligen nach innen hervorgerufen durch den Druck von Ac-countability-Systemen nationalen Tests Inspektionen und anderen Maszlignahmen der Qualitaumltssicherung Demgegenuumlber steht eine Dynamik von innen nach auszligen in der Schulen sich als autonome Lerngemeinschaft en organisieren sollen die aktiv nach neuen Loumlsungen fuumlr Leistungsschwaumlchen suchen sollen Beide Dynamiken sind in ihrer Implementierung auf Widerstaumlnde gestoszligen

Die Implementierungsmuster weisen nationale Besonderheiten auf aber Gemein-samkeiten sind erkennbar Inspektionsberichte und Datenruumlckmeldung von zentralen diagnostischen Tests oder Leistungstests haben sich als weit weniger durchschlagend fuumlr das Handeln der Lehrkraumlft e erwiesen als urspruumlnglich erwartet (vgl Brauckmann Th iel Kuper amp Tarkian 2015) Hoher Rechenschaft sdruck auf Schulen wie z B in den USA unter dem bdquoNo Child Left Behindldquo-System hatte allerdings groszlige Durch-schlagskraft aber nicht unbedingt so wie erwartet Lokale Schulaufsichten und Schu-len reagierten auf den Leistungsdruck indem sie sich auf die Suche nach den zweck-maumlszligigsten Unterrichtsstrategien begaben um die geforderten Testziele zu erreichen (Booher-Jennings 2005 Jacob 2005 Koretz 2005 Mintrop amp Sunderman 2009) Sie wurden in dieser Hinsicht unterstuumltzt von zahlreichen Non-Profi t-Organisationen die ihnen Programme Organisationsstrukturen und Beratung anboten (Coburn 2005 Honig 2004 Rowan 2002) Schulentwicklung gerierte sich unter diesen Umstaumlnden zu einem Wettlauf um die eff ektivste Kurzschlieszligung zwischen Unterricht und Tests (Achinstein amp Ogawa 2006 Daly 2009) anstatt zur Vertiefung des Schuumllerlernens beizutragen (Au 2007)

Die Umsetzung von autonom handelnden Lehrerlerngemeinschaft en innerhalb der Schulen traf auf andere Hindernisse Dort wo sie gut umgesetzt wurden zeigten sich positive Eff ekte (z B Talbert amp McLaughlin 1994 fuumlr die USA) Aber wie Forschun-gen zeigten sind Lehrerlerngemeinschaft en oft mals instabil (Louis amp Kruse 1995) ar-beiten oberfl aumlchlich (Little 1990) sind nicht wirklich autonom (Hargreaves 1994) und haben wenig Problemloumlsekapazitaumlten (Mintrop amp Charles 2017 Timperley amp Ro-binson 1998) fuumlr draumlngende aber schwierig zu loumlsende Probleme Wenn Schulen sich als autonom agierende Lerngemeinschaft en organisieren kommen ihnen klare inter-ne Strukturen und Leitfaumlden fuumlr Refl exion und Erkundung zugute (Blankstein 2013 Horn amp Little 2010 Schmoker 1999) die aber oft mals fehlen

Rick Mintrop 36

Designbasierte Schulentwicklung koumlnnte ein Weg sein die beschriebenen Maumlngel zu beheben Designbasierte Schulentwicklung beharrt auf authentischen lokalen oder schulspezifi schen Problemlagen gegenuumlber einer uumlberhandnehmenden Dynamik des bdquoVon auszligen nach innenldquo Die Logik des designbasierten Problemloumlsens strukturiert in-terne Denkprozesse sucht nach externen Innovationen von innen heraus und beglei-tet die Suche nach Loumlsungen mit Daten

1 Die Logik der designbasierten Schulentwicklung

Der Begriff Design wird oft mit schoumlnen und funktional bestechenden Objekten asso-ziiert die von Mode Kunst oder Architektur geschaff en werden Aber Veraumlnderungs-prozesse in Organisationen wie auch Unterrichtsstunden oder -einheiten koumlnnen auch als Design betrachtet werden Diese Art von Design besteht aus einer Abfol-ge von Lernschritten oder -moumlglichkeiten die in einem iterativen Versuch-und-Irr-tum-Verfahren entdeckt und kreiert werden Versuch und Irrtum ergeben sich jedoch nicht willkuumlrlich sondern erfolgen aus einer Handlungstheorie (theory of action) die auf der Basis von Bedarfsanalysen und wissenschaft lichen und praktischen Erkennt-nissen gebildet wird

Designbasierte Schulentwicklung gruumlndet sich auf zwei verschiedenen konzeptio-nellen Traditionslinien Eine kommt aus den kognitiven und Unterrichtswissenschaf-ten die andere aus dem Organisationsmanagement In den Unterrichtswissenschaf-ten werden Designexperimente durchgefuumlhrt um herauszufi nden welche Mischung aus Materialien Technologie Aufgaben Methoden Lernklima und Kontextbedingun-gen Lernprozesse in den verschiedensten Wissensgebieten voranbringen (Burkhardt amp Schoenfeld 2003 Cobb Confrey diSessa Lehrer amp Schauble 2003) Dementspre-chend laufen Designexperimente immer auf mehreren Ebenen ab (z B Artefakte pauml-dagogisches Handeln im Klassenraum Organisationskontext) Sie sind angelegt um eingangs gebildete theoriegeleitete Hypothesen oder Annahmen zu testen aber sie ge-winnen auch Einsichten aus unvorhergesehenen Abweichungen und Stoumlrungen (Cobb et al 2003)

Organisationsmanagement die zweite Quelle der designbasierten Schulentwicklung ist aumlhnlich wie die Unterrichtswissenschaft en darauf aus systematisch Innovationen im Produktions- oder Organisationsablauf zu testen und Schritt fuumlr Schritt zu verbes-sern Management-Guru W Edward Deming (1994) entwarf ein Konzept der konti-nuierlichen Qualitaumltsverbesserung In diesem Verfahren werden komplexe Organisa-tionsablaumlufe in Teileinheiten zerlegt sodass bestimmte Praktiken der Mitglieder einer Organisation zum Vorschein kommen und systematisch verbessert werden koumlnnen In einem sogenannten PDSA-Zyklus (Planen Durchspielen Studieren Anwenden) wer-den Ideen fuumlr kleinschrittige Verbesserungen entwickelt und in Versuchen getestet Resultate werden interpretiert Neuerungen werden gegebenenfalls nochmals verfei-nert oder bei guten Resultaten auf weitere Bereiche ausgeweitet Der Zeitrahmen fuumlr

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 37

Veraumlnderungsprozesse muss uumlberschaubar sein und sollte in der Regel nicht uumlber ein Halbjahr hinausgehen

Der Designprozess ist kreativ Er ist geleitet von Th eorie und Forschung auf spezifi -sche Kontexte zugeschnitten auf Endbenutzer konzentriert partnerschaft lich entwi-ckelt und letztlich vorangetrieben durch messbare Resultate Im Designprozess geht es nicht um Druck oder die Uumlberwindung von Widerstaumlnden vonseiten der Endbenut-zer wie so haumlufi g wenn externe Loumlsungen oder Programme internen Akteuren uumlber-gestuumllpt werden sondern es geht um die Befriedigung von Beduumlrfnissen und das We-cken vorhandener oder latenter Motivationen (Brown 2009 Kelley amp Kelley 2013) In der Loumlsung draumlngender komplexer praktischer Probleme spielen Intuitionen Er-fahrungen Spontaneitaumlt und Imagination ebenso eine Rolle wie Analyse Technik und empirische Verifi zierung (Schoumln 1983) Brown (2009) spricht von einem dritten Weg zwischen Rationalitaumlt und Intuition Kelley und Kelley (2013) fordern dass der De-signprozess zu Ideen fuumlr neue Produkte oder Organisationsablaumlufe fuumlhren soll die so-wohl emotional bedeutsam aber auch funktional sind Dies ist nur moumlglich wenn Designerinnen und Designer und Endbenutzerinnen und Endbenutzer eng in einer Ko-Design-Partnerschaft zusammenarbeiten

11 Handlungstheorien

Wie bereits erwaumlhnt geht im Designprozess der Phase des Protoyping die Formulie-rung einer Handlungstheorie voraus In der Handlungstheorie verknuumlpfen Designer ihre Leidenschaft en Werte und Intentionen mit ihrem Verstaumlndnis des Problems und ihrem Wissen uumlber eff ektive Veraumlnderungsprozesse (Argyris amp Schoumln 1996) Eine Handlungstheorie entsteht in folgenden Teilschritten Designerinnen und Designer bull identifi zieren defi nieren und rahmen ein klar umrissenes praktisches Problembull fuumlhren erste Bedarfsanalysen durchbull formulieren ein Ziel und spezifi zieren beobachtbare problematische (Punkt A) und

neue erwuumlnschte Praktiken (Punkt B) bull greifen Aspekte des praktischen Problems heraus uumlber die Schulen Einfl uss habenbull machen ihre intuitive Handlungstheorie d h ihr Verstaumlndnis wie man von A nach

B kommt explizit und hinterfragen es im Hinblick auf Th eorien und professionel-les Wissen

bull vertiefen ihr Verstaumlndnis des Problems indem sie Symptome und Kausalitaumlten er-kennen und off enlegen

bull konzipieren einen Veraumlnderungsprozess der von psychologisch eindringlichen und technisch realisierbaren Triebkraumlft en oder Treibern der Veraumlnderung (change dri-vers) getragen wird

bull planen eine Intervention in den normalen Fluss des Arbeitsalltags d h eine Abfol-ge von Aktivitaumlten durch die hindurch die Treiber der Veraumlnderung wirken koumln-nen

Rick Mintrop 38

12 Problemloumlsen

Der Kern der designbasierten Schulentwicklung ist Problemloumlsen Erfahrene Problem-loumlser koumlnnen sich ein Problem vorstellen das mental durch vier Eckpunkte struktu-riert ist die problematischen Uumlberzeugungen Einstellungen oder Verhaltensweisen zu Beginn des Veraumlnderungsprozesses die erwuumlnschten Praktiken am Ende des Veraumlnde-rungsprozesses der sich im uumlberschaubaren Zeitrahmen abspielen sollte das Zusam-menspiel von einsetzbaren Faktoren oder Variablen die eine Rolle im Hinblick auf die fokussierten Praktiken potenziell einnehmen koumlnnen und die Wirkung von foumlrder-lichen und einschraumlnkenden Faktoren im Kontext der Organisation in der das Ver-aumlnderungsprojekt stattfi ndet (Argyris amp Schoumln 1996 S 3ndash30) Letzteres ist von her-ausragender Bedeutung da Schulprobleme anders als zum Beispiel Probleme in der Produktion von Autos sehr oft von der Gesellschaft als Ganzer ausgehen und es von daher besonders schwierig fuumlr Schulen ist ihre eigenen internen Einfl ussfaktoren auf das Problem zu erkennen

Die meisten Probleme die sich Entscheidungstraumlgern in Schulen und Schulsys-temen darstellen sind unstrukturiert d h sie beinhalten keine klaren Zuweisun-gen zwischen Problemwahrnehmung und einsetzbaren Triebkraumlft en der Veraumlnderung (Brenninkmeyer amp Spillane 2008 Copland 2000 Jonassen 2000 Timperley amp Rob-inson 1998) Deshalb muumlssen Designer das Problem erst klar defi nieren um es einer Loumlsung zufuumlhren zu koumlnnen

Im Defi nieren und Rahmen eines Problems hat sich die Unterscheidung zwischen Problemen fuumlr Praxis und Problemen von Praxis oder zwischen Praxisproblemen und praktischen Problemen als nuumltzlich erwiesen Ein Problem fuumlr Praxis oder ein Praxis-problem ist es zum Beispiel das Schulklima zu verbessern das Leistungsgefaumllle zwi-schen Schuumllergruppen in einer Schule zu vermindern oder Schuumllerinnen fuumlr Lernstoff zu motivieren Was ein Problem fuumlr Praxis in eines von Praxis oder in ein praktisches Problem verwandelt ist die Benennung von diskreten Praktiken oft getragen von be-stimmten Uumlberzeugungen Einstellungen und Verhaltensweisen die veraumlndert werden sollten So koumlnnte man genauer im Hinblick auf Klima fragen was genau in den Prak-tiken auf Lehrerseite kulturell-nichtdominante Schuumllergruppen in ihrem Urteil bekraumlf-tigt dass sie nicht bdquodazugehoumlrenldquo oder im Hinblick auf Leistungsgefaumllle was genau Lehrerinnen tun um zuruumlckgebliebene Schuumllerinnen wieder an den Lernstoff des Klassendurchschnitts heranzufuumlhren oder wie viele Unterrichtsstunden mit einer Mo-tivationsphase beginnen in der sich Lehrerinnen bemuumlhen Interesse bei den Schuumlle-rinnen und Schuumllern fuumlr den Lernstoff zu gewinnen

13 Schnelles Denken ndash langsames Denken

Die menschliche Vorstellungskraft in einer Problemloumlsesituation ist notwendigerwei-se begrenzt (Simon 1997) Intuitionen eilen dort zur Hilfe wo Analyse und Ratio-nalitaumlt an ihre Grenzen stoszligen Der Wirtschaft spsychologe Kahneman (2011) unter-scheidet zwischen zwei Denkweisen einer schnellen in der Spontaneitaumlt Leichtigkeit

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 39

aber auch Bequemlichkeit vorherrschen und einer langsamen in der formale Re-geln Logik und Evidenz primaumlr sind Intuitionen verlassen sich auf unscharfe Asso-ziationen und Heuristiken die quasiautomatischen und unbewussten Charakter ha-ben und den Entscheidungsprozess abkuumlrzen Eine bestimmte Heuristik ist haumlufi g in der Schulentwicklung anzutreff en Wenn im Zweifel kann eine Fortbildung zum Th e-ma nicht schaden In Schulen in denen unzaumlhlige Entscheidungen in schneller Abfol-ge getroff en werden muumlssen (Lunenburg 2010) ist schnelles Denken eine Notwen-digkeit Schnelligkeit hat aber auch Nachteile Heuristisches Denken hat die Tendenz nach Analogien zu gesicherten Erfahrungen oder frischen Erlebnissen zu suchen die mit Leichtigkeit abgerufen werden koumlnnen d h sich darauf zu verlassen bdquowie wir es schon immer gemacht habenldquo oder bdquowie wir es unlaumlngst entschieden hattenldquo (Davis amp Davis 2003)

Designing braucht beides schnelles und langsames Denken Im langsamen Den-ken konfrontieren Designerinnen ihr explizites professionelles Wissen und die Evi-denz von spezifi schen Bedarfen in ihrer Organisation mit ihren Intuitionen und Heu-ristiken (Nieveen McKenney amp van den Akker 2006 Richey amp Klein 2007)

14 Diagnose eines Problems

Um zu verstehen was in die Diagnose eines praktischen Problems eingeht kann eine Analogie zur medizinischen Profession nuumltzlich sein In der Diagnose einer Patien-tin oder eines Patienten beginnt eine Aumlrztin oder ein Arzt mit der Feststellung von Symptomen gefolgt von gezielten Tests Interpretation von Testresultaten in Verbin-dung mit theoretischem Wissen uumlber den menschlichen Koumlrper fuumlhrt zum Verstaumlnd-nis kausaler Funktionszusammenhaumlnge und abschlieszligender Diagnose Managerinnen oder Initiatorinnen und Initiatoren von organisationaler Veraumlnderung gehen aumlhnlich vor Sie sammeln Informationen uumlber Symptome eines Problems mit niedrig-inferen-ten Beobachtungen von Verhaltensweisen oder Erkundungen von Einstellungen und Uumlberzeugungen und analysieren dann mithilfe hoch-inferenter Interpretationen und theoretischer Modelle Kausalbedingungen die diese Symptome hervorrufen (Lotz Gabriel amp Lipowsky 2013 Spillane amp Coldren 2011 Spillane amp Miele 2007)

In der Logik der fortlaufenden Qualitaumltsentwicklung konzentriert sich die Ursa-chenanalyse auf Faktoren in der Organisation die die Managerinnen und Beschaumlft ig-ten innerhalb der Organisation beeinfl ussen koumlnnen wie z B Zeit Personal Wissen und Kompetenz Prozesse Material Ausstattung usw Aber in Bildungsorganisationen spielen natuumlrlich auch gesellschaft liche kulturelle und politische Faktoren eine groszlige Rolle die von Entscheidungstraumlgern auf Schul- oder Schulaufsichtsebene wenig beein-fl ussbar sind In jedem Fall ist eine gute Diagnose davon abhaumlngig inwieweit die De-signerinnen auf solides professionelles Wissen z B uumlber Paumldagogik Organisations-management oder Sozialpsychologie zuruumlckgreifen koumlnnen (Deal amp Peterson 2009 Hallinger amp Heck 1998 Honig 2012 Knapp Honig Plecki Portin amp Copland 2014)

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15 Treiber oder Triebkraumlfte der Veraumlnderung

In den meisten Faumlllen ist die Veraumlnderung von eingewoumlhnten Verhaltensweisen Ein-stellungen oder Uumlberzeugungen mit gezielter Aufmerksamkeit neuem Wissen neu-geweckter Motivation Ressourcen Zielen und Prioritaumlten verbunden die in Veraumln-derungsdesigns eingebaut werden sollten (Burke amp Litwin 1992 Fullan 2007) Nicht minder wichtig sind Erwartungen Normen Werte Rituale und Routinen Diese sind oft mals halbbewusst und helfen Akteuren implizit Gemeinsamkeiten unter sich her-zustellen besonders wenn ndash wie typischerweise in Bildungsorgansationen (Deal amp Pe-terson 2009) ndash widerspruumlchliche Ziele und Methoden vorherrschen Inmitten dieser Vieldeutigkeit entwickeln Schulen Organisationskulturen deren Bestand sehr hart-naumlckig sein kann Ein wichtiges Element von Organisationskulturen ist es dass sie den Beteiligten intern ein positives Selbstwertgefuumlhl vermitteln auch wenn die Organisa-tion von auszligen als Problemfall angesehen wird (Schein 2010)

Change drivers oder Treibkraumlft e der Veraumlnderung sind nicht gleichzusetzen mit Aktivitaumlten die sequentiell in einer geplanten Intervention ablaufen Sie sind die dy-namischen Kraumlft e die in Aktivitaumlten freigesetzt werden Externe Triebkraumlft e koumlnnen z B von der Marktkonkurrenz von neuen Technologien oder von Rechenschaft s- oder Anreizsystemen ausgehen Neue Regeln Organisationsablaumlufe Resourcen Pro-gramme Modelle sowie neues Wissen frische Verpfl ichtungen und kollektive Ab-machungen koumlnnen interne Treiber sein (Burke amp Litwin 1992 Huy 2001) Welche Treiber zum Tagen kommen haumlngt vom praktischen Problem ab das Gegenstand des Designs sein soll

16 Iteratives Vorgehen

Designbasierte Schulentwicklung ist nicht vonnoumlten fuumlr praktische Probleme fuumlr die schon gute Loumlsungen bekannt sind und bereitliegen Aber es gibt eine Vielzahl von draumlngenden schwer zu loumlsenden Problemen fuumlr die Loumlsungen erst entwickelt werden muumlssen Oft mals plagen sich viele Schulen in vergleichbarer Lage mit dieser Art von Problemen ab Unter diesen Umstaumlnden ist designbasierte Schulentwicklung als Betauml-tigungsfeld von Praxis und Forschung angezeigt (Plomp 2010 van den Akker 1999)

Designer folgen einem strukturierten Prozess von Planung Durchfuumlhrung und Evaluation von Interventionen der es erlaubt systematisch Daten zu sammeln Aber sie lassen auch notwendigerweise Raum fuumlr Fehltritte Ad-hoc-Anpassungen und Versuch und Irrtum (Cobb et al 2003 Plomp 2010) Zwei Arten von Daten werden gesammelt Prozess- und Wirkungsdaten Prozessdaten fangen wichtige Eckpunkte des Interventionsverlaufs ein z B wenn entscheidende Lernprozesse oder kritische Wen-depunkte stattfi nden Wirkungsdaten fangen Unterschiede in Verhaltensweisen Ein-stellungen oder Uumlberzeugungen im Vergleich zwischen dem Ausgangs- und Endpunkt einer Intervention ein Daten koumlnnen quantitativ oder qualitativ sein Wichtig ist dass die Datenerhebung praktisch durchfuumlhrbar ist d h in den Fluss der taumlglichen Arbeit eingebettet werden kann

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 41

2 Partnerschaften zwischen Praxis und Forschung

In der Logik von Schulentwicklung als designbasiertem Problemloumlsen werden prak-tische Probleme praumlzisiert Symptome in ihrer Kausalitaumlt verstanden und Veraumlnde-rungsprozesse im Hinblick auf wirkmaumlchtige Triebkraumlft e durchdacht die die Men-schen dazu bewegen sich zu veraumlndern Praktisch erhebbare summative Messgroumlszligen helfen den Designern zu erkennen ob ihre geplante Intervention in einem uumlberschau-baren Zeitrahmen zu befriedigenden Resultaten gefuumlhrt hat Formative Prozessdaten helfen Designern eine Verbindung zwischen Prozess und Ergebnis plausibel zu ma-chen

Man kann sich designbasierte Schulentwicklung in kleinerem oder groumlszligerem Maszlig-stab vorstellen In kleinem Maszligstab koumlnnte sich eine Einzelschule ihrer eigenen fort-laufenden Qualitaumltsentwicklung widmen indem sie im Prinzip von Versuch und Irr-tum aus den Iterationen gemeinsam lernt In groumlszligerem Maszligstab koumlnnten sich viele Schulen in einem Bezirk oder Bundesland zusammenschlieszligen und gemeinsam ein draumlngendes aber schwer zu loumlsendes praktisches Problem angehen Forscherinnen koumlnnten arbeitsteilig ihr Forschungswissen einbringen und Daten erheben Auf der Grundlage einer gemeinsamen Handlungstheorie oder systematisch voneinander ab-weichenden Handlungstheorien koumlnnten verschiedene Interventionen im Ko-De-sign-Verfahren mit Praktikern in den Schulen der Schulaufsicht oder in Schulent-wicklungsinstitutionen durchgefuumlhrt werden Gemeinsame Messgroumlszligen machen die Resultate uumlber viele Iterationen hinweg in den verschiedensten Kontexten vergleich-bar So entsteht ein Repertoire von wirksamen Aktivitaumlten und Designprinzipien wel-ches nicht nur die Frage beantworten kann was wirksam im Hinblick auf ein spezi-fi sches Problem sein kann sondern auch wie man von A nach B kommt unter den verschiedensten organisatorischen Bedingungen Letzteres ist vor allem wichtig fuumlr Schulen oder Schulbezirke die unter sozial und organisatorisch schwierigen Bedin-gungen Schulentwicklung zuwege bringen muumlssen

In den USA ist es vor allem die Carnegie-Stift ung unter deren Aumlgide sogenann-te networked improvement communities als Praxis-Forschungs-Partnerschaft en in grouml-szligerem Maszligstab gebildet worden sind (siehe carnegiefoundationorg) Sie arbeiten in der Regel zu einem groumlszligeren draumlngenden komplexen Problem fuumlr die Praxis das sich auf nationalem Maszligstab in vielen Organisationen gleichzeitig stellt Im Designpro-zess wird dieses groszlige draumlngende Problem in viele praktische Probleme zerlegt die in arbeitsteilig entwickelten Iterationen angegangen werden bis zufriedenstellende Re-sultate erreicht worden sind Ein anderes Designprojekt im groumlszligeren Maszligstab koumlnnte sich mit einem Problem befassen welches viele Schulen in einem Schulbezirk gemein-sam umtreibt und dessen Loumlsung auf mehreren Ebenen des Systems gleichzeitig ange-gangen werden soll Der Autor dieses Beitrags ist an einem solchen Projekt im Staat Kalifornien in den USA maszliggeblich beteiligt

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21 Ein Fallbeispiel Das Projekt bdquoVertiefendes Lernenldquo in einem Schulbezirk in sozial schwieriger Lage

Der Schulbezirk ist fuumlr amerikanische Verhaumlltnisse von mittlerer Groumlszlige 30 Schulen ungefaumlhr 1200 Lehrkraumlft e und 20000 Schuumllerinnen Das soziale Umfeld des Bezirks ist kurz umrissen Fast drei Viertel der Schuumllerinnen sind als bdquobeduumlrft igldquo oder bdquoarmldquo eingestuft die Schuumllerschaft ist fast gaumlnzlich nicht weiszlig ungefaumlhr die Haumllft e ist im Be-griff Englisch als Schulsprache zu erlernen

Das bdquogroszlige Problemldquo fuumlr Praxis draumlngt sich von auszligen und von innen auf Von auszligen wird dem Bezirk durch das staatliche Accountability-System vermittelt dass er fuumlr die groszlige Mehrheit seiner Schuumllerinnen die durchschnittlichen staatlichen Bil-dungsziele nicht erreicht und dass der Anteil der Schuumllerinnen die in der Lage sind nach der High-School ein zumindest zweijaumlhriges College zu besuchen bei Weitem zu gering ist Von innen kommen Lehrerstimmen die durchgaumlngig beklagen dass Schuuml-lerinnen sich passiv oder auch aggressiv verhalten und dass sie wenig Interesse am Unterricht oder Lehrstoff zeigen Das bdquogroszlige Problemldquo ist benannt die mangelnde Be-teiligung vieler Schuumllerinnen am Unterricht vor allem an Lernaufgaben die tieferes Verstaumlndnis und houmlheres Denken auf College-Niveau erfordern Aber die Wahrneh-mung dieses Problems ist auf den verschiedenen Ebenen des Systems unterschiedlich ausgepraumlgt und es ist keineswegs ausgemacht wie das Problem als praktisches Pro-blem angegangen werden kann Denn das Problem existiert als ein aumluszligerst diff user Komplex in den Vorstellungen der Akteure und es werden vor allem aumluszligere Kausal-faktoren gesellschaft licher oder familiaumlrer Art geltend gemacht Im Blick auf die eige-ne Organisation werden vor allem knappe Ressourcen und fehlende Unterstuumltzung angemahnt

Die verantwortliche Schulaufsicht die in den USA engmaschiger auf den Unter-richt Einfl uss nimmt als in deutschsprachigen Laumlndern hatte in der Vergangenheit Schulentwicklungsprobleme so zu loumlsen versucht dass sie fuumlr die Vielzahl erkannter Probleme eine Vielzahl von extern entwickelten Programmen einkauft e und Initia-tiven startete von denen erwartet wurde dass die Schulen sie implementieren wuumlr-den Dies ist ein typisches Vorgehen in amerikanischen Schulbezirken die unter ho-hem Rechenschaft sdruck stehen So ergaben sich Planlosigkeit Fragmentierung und Inkohaumlrenz unter den verschiedensten Ansaumltzen die in einem stetigen Kommen und Gehen begriff en waren (Hatch 2001) Dies gepaart mit dem oumlff entlichen Fai-lure-Diskurs der den Schulbezirk und viele Schulen uumlber fast zwei Jahrzehnte als low-performing auswies hat bei der Lehrerschaft zu einer tiefsitzenden kollektiven De-fensivhaltung gefuumlhrt die professionelles Lernen enorm erschwert Innerhalb der Kol-legien geben sehr haumlufi g nicht die Lehrkraumlft e den Ton an die ihre Schuumllerinnen rela-tiv erfolgreich erreichen sondern die Skeptiker die es vermoumlgen andere Stimmen zu marginalisierten

Im Rahmen dieses Beitrags kann die Konzipierung des Designs lediglich in gro-ben Zuumlgen dargestellt werden Die wichtigsten Triebkraumlft e der Veraumlnderung sind Pro-blembewusstsein Inspiration und konkrete Vision der wuumlnschenswerten Praktiken Fokus und Kohaumlrenz konkrete Unterrichtspraktiken und Unterrichtsexperimente im

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 43

erreichbaren Zielfeld im next level of work von Lehrerteams die in ihrer Faumlhigkeit kollektiv zu lernen sehr stark variieren koumlnnen

22 Problembewusstsein

Mit diesem bdquodriverldquo geht es um die Defi nition von Verhaltensweisen oder Uumlberzeu-gungen und Einstellungen die beobachtbar oder kommunizierbar sind Sie sollen weit verbreitet und in ihrer Kausalitaumlt als intern beeinfl ussbar gesehen werden Dass der Schulbezirk ein Accountability- und Leistungsproblem hatte verdeutlichten Testdaten aber das Problem der sozialen Lage der Schuumllerinnen zuzuschreiben war bis in die Spitzen der Schulaufsicht vorherrschend Die erste Designherausforderung war dem-nach ein Verfahren zu entwickeln welches es Schulaufsicht und Schulleitungen und spaumlter auch Lehrerinnen und Lehrern ermoumlglichte konkretes Unterrichtsverhalten im Klassenraum zu beobachten ohne die ohnehin starke Defensivhaltung im Schulbe-zirk noch zu verstaumlrken Wir organisierten sogenannte learning walks oder Lernrun-den die monatlich in wechselnden Schulen stattfanden In diesen Lernrunden ver-sammelten sich Schulaufsicht Schulleitungen und Unterrichtscoaches und besuchten eine Reihe von Klassenraumlumen im 15-Minuten-Takt Die Beobachter waren ange-halten sich ganz und gar auf die Verhaltensweisen der Schuumllerinnen und nicht der Lehrpersonen zu konzentrieren und sich darin zu schulen konkretes Schuumllerverhalten mit niedriger Inferenz zu beschreiben Ein Analyseinstrument verlangte von den Be-obachterinnenBeobachtern die 15-minuumltigen Segmente aus der Sicht der Schuumllerin-nen zu beurteilen und festzustellen in welchem Grade Schuumllerinnen die Gelegenheit hatten sich mit Ideen vertieft auseinanderzusetzen In nur 10 Prozent aller Segmente konnte vertieft es Lernen beobachtet werden Es wurde zunehmend klarer Schuumllerin-nen im Schulbezirk waren an Unterrichtsstunden gewoumlhnt in denen ihr Interesse am neuen Stoff wenig beruumlcksichtigt wurde in denen neuer Stoff im Lehrermonolog ver-mittelt wurde und dann haumlufi g von den Schuumllern und Schuumllerinnen mechanisch ein-geuumlbt wurde

Forscherinnen beobachteten und analysierten das professionelle Lernen waumlhrend der Lernrunden mithilfe von drei Messgroumlszligen die wachsende Faumlhigkeit der Beteilig-ten sich bei der Beschreibung der Denkaufgaben der Schuumllerinnen auf Beobachtba-res zu beschraumlnken die Tiefe des Denkens zu klassifi zieren und die Beobachtungen in nichtwertender technisch-neutraler Sprache zu kommunizieren Jede neue Iteration verfeinerte die Instrumente und Protokolle Das Designziel der Lernrunden war ein dreifaches Leitungen wuumlrden schulbezirksuumlbergreifend konkrete Unterrichtsverhal-tensweisen als praktisches Problem beschreiben koumlnnen sie wuumlrden diese Praktiken als intern beinfl ussbar wahrnehmen und einen neuen nichtevaluativen Diskurs uumlber Unterricht einuumlben um Defensivhaltungen zu reduzieren

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23 Inspiration und konkrete Vision des bdquoVertiefenden Lernensldquo

Problembewusstsein und Beschreibung der problematischen intern beinfl ussbaren Praktiken war zunaumlchst eine Designherausforderung bezogen auf Leitungsebenen in unserem Fall von der Ebene der Schulraumltinnen und Schulraumlte bis hin zur Ebene der Fachbereichsleiterinnen und Unterrichtscoaches Fuumlr die Lehrerkollegien schien ein positives Beginnen nach so vielen Jahren negativen Beurteilens wirkungsvoller zu sein Wir begannen mit Videoclips die verschiedene Phasen einer Unterrichtsstun-de darstellten z B eine besonders gelungene Motivationsphase Gruppenarbeitspha-se Feedbackphase usw Die Videos wurden rundweg von den Kollegien abgelehnt Sie kamen von auszligerhalb des Schulbezirks und hatten somit keine Aussagekraft fuumlr bdquoour kidsldquo Der Schulbezirk baute ein Netzwerk von sogenannten bdquolab teachersldquo d h expe-rimentierfreudigen Lehrkraumlft en auf die bereit waren ihren Unterricht fuumlr ihre Kolle-gen und Kolleginnen zu oumlff nen und auch Videos zu produzieren Die Akzeptanz der Videos stieg uumlber viele Designiterationen hinweg in dem Maszlige wie die Videos intern produziert wurden realistisch Schuumllerinnen des Schulbezirks zeigten Schuumller- und Schuumllerinnendialoge und Lehrer- und Lehrerinnenimpulse im geteilten Bildschirm ab-bildeten und innerhalb einer Unterrichtsstunde eher gelungene und nicht gelungene Phasen miteinander verglichen Aber eine starke Durchschlagskraft konnten die Vi-deos nicht erreichen Sie wurden bei zentralen Fortbildungen eingesetzt vor allem fuumlr die Leiterinnen der Lehrerteams Die Leiterinnen griff en aber nur in seltenen Faumlllen auf die Videos fuumlr ihre eigene Arbeit mit den Teams zuruumlck Es fehlte der Unterbau der Lehrerlerngemeinschaft en an den Schulen die dazu in der Lage waren die Videos auch produktiv zu besprechen

Im naumlchsten Schritt sollen Videoclips in allen Schulen in kurzen 30-minuumltigen Workshops waumlhrend der Kollegiumskonferenzen eingesetzt werden um eine schulbe-zirksuumlbergreifende Zielsetzung fuumlr Unterrichtsentwicklung zu verstaumlrken Hierzu ste-hen freigestellte Lehrkraumlft e eine fuumlr je drei Schulen bereit Diese freigestellten Lehre -rinnen zusammen mit den Forscherinnen und Forschern von der Universitaumlt bilden das Ruumlckgrat der Ko-Design-Gruppe In regelmaumlszligigen Abstaumlnden werden Mitglieder der Schulaufsicht einige Schuleiterinnen und engagierte Lehrerinnen in einer erwei-terten Ko-Design-Gruppe zurate gezogen wenn neue Produkte oder Initiativen kri-tisch begutachtet werden muumlssen bevor sie zum Einsatz kommen

24 Unterrichtsexperimente in Teams

Lehrerteamarbeit ist die gegenwaumlrtige Designbaustelle Der Entwicklungsstand von Lehrerlerngemeinschaft en im Schulbezirk ist sehr unterschiedlich von Schule zu Schu-le und innerhalb der Schulen zwischen Fachbereichen und Jahrgangsgruppen Ge-naue Zahlen werden derzeitig mit Umfragen erhoben Erfahrungsgemaumlszlig machen viele Teams Unterricht eher nicht zum Th ema Einige Teams sind in der Lage gemeinsam Unterrichtseinheiten oder -stunden zu planen und ihre Durchfuumlhrung zu analysieren Es muumlssen also verschiedene Prototypen fuumlr Teamgespraumlche uumlber Unterricht entwi-

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 45

ckelt werden die den Teams Orientierung und Strukturen auf ihrem jeweiligen Ent-wicklungsstand geben koumlnnen Fuumlr einige Teams ist der bloszlige Austausch von Erfah-rungen im Unterricht ein groszliger Schritt andere koumlnnen den naumlchsten Schritt gehen und sich uumlber selbst gewaumlhlte einfache Experimente mithilfe von Artefakten aus dem Unterricht (z B Schuumllerarbeitsboumlgen ein kurzes Audio oder Video) austauschen Ein weiterer Schritt ist es diese Experimente auf Unterrichtspraktiken anzuwenden die das Schuumllerlernen gezielt vertiefen In jedem Fall muss eine positiv-analysierende Ge-spraumlchskultur kultiviert werden die den Schwerpunkt auf das Studium von Schuumller-verhaltensweisen legt

25 Unterrichtspraktiken

Es stellte sich heraus dass viele Teams einen klaren praktischen Fokus brauchen um ihre Arbeit am Unterricht zu strukturieren Aber der Fokus darf auch die Arbeit nicht zu sehr auf die Implementierung von bestimmten Prozeduren einengen eine Erwar-tung die allzu haumlufi g von den eingekauft en Unterrichtsprogrammen in der Vergan-genheit ausgegangen war Gegenwaumlrtig sind vier Praktiken angepeilt deren Haumlufi gkeit in den Unterrichtsstunden bezirksweit erhoumlht werden soll explizite Motivationspha-sen fuumlr neuen Stoff zu Beginn einer Unterrichtsstunde oder -einheit Erklaumlrungen von neuem Stoff im Schuumllerinnen-Lehrerinnen-Dialog Gruppenarbeitsphasen in denen Schuumllerinnen auch wirklich uumlber Ideen kommunizieren und Lehrerinnen-Feedback das auf den Ideen und Missverstaumlndnissen der Schuumllerinnen aufb aut Diese Kern-praktiken sind in ihrer Simplizitaumlt eingaumlngig und koumlnnen in einer Vielfalt von kon-kreten Unterrichtsprogrammen oder persoumlnlich bevorzugten Formaten verwirklicht werden Fuumlr eine Minderheit der Lehrerschaft sind diese Kernpraktiken keine Heraus-forderung aber wir vermuten gemaumlszlig unserer Handlungstheorie die aber noch empi-risch weiter abgesichert werden muss dass sie fuumlr die Mehrheit im next level of work angesiedelt sind Die Ko-Design-Gruppe koumlnnte aber auch noch andere Kernprakti-ken favorisieren

26 Fokus und Kohaumlrenz

Dieser Komplex ist zum einen eine Designherausforderung und zum anderen eine strategische Herausforderung auf Schulbezirksebene Als Designherausforderung sind die Designerinnen und Designer zurzeit dabei Formate fuumlr regelmaumlszligige informelle Gespraumlche zwischen Schulaufsicht und Schulleitungen zu entwickeln in denen Re-formuumlberlastung fortlaufende Qualitaumltsentwicklung mit klarem Fokus und formati-ve Evaluation zum Th ema werden Um der strategischen Herausforderung gerecht zu werden hat die Praxis-Forschungspartnerschaft eine Steuergruppe mit den fuumlhren-den Entscheidungstraumlgern im Schulbezirk und den Forschern eingerichtet die sich in etwas groumlszligeren Abstaumlnden trifft und versucht das Projekt bdquoVertieft es Lernenldquo in

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den Gesamtzusammenhang des Bezirks einzubetten und dafuumlr zu sorgen dass es eine Prioritaumlt im Treibsand der lokalen Politik bleibt

3 Schlussbemerkung

Designbasierte Schulentwicklung als Partnerschaft zwischen Praxis und Forschung ist in den Kinderschuhen Sie hat das Potenzial Loumlsungen fuumlr draumlngende weitverbreite-te aber vertrackte Probleme zu entwickeln Das Ziel ist kumulatives praktisches De-signwissen zu verstaumlrken welches das Wissen um das bdquoWasldquo mit Wissen um das bdquoWieldquo anreichert Besonders Schulen und Schulbezirke in schwierigen Lagen brauchen dieses Wissen um das bdquoWieldquo welches den Verantwortlichen fuumlr Schulentwicklung hilft unter erschwerten Bedingungen von A nach B zu kommen Das Fallbeispiel zeigt wie ein Designansatz hilfreich sein kann die Komplexitaumlt eines vertrackten Problems zu redu-zieren und handlungsfaumlhig zu machen Da das Problem ein systemisches ist koumlnnen auch nur systemische Loumlsungen zu nachhaltigen Verbesserungen fuumlhren und doch muss das Problem auf Kernpraktiken zuruumlckgefuumlhrt werden um die herum schritt-weise Lernprozesse organisiert werden koumlnnen Diese Lernprozesse zu foumlrdern ist die Aufgabe der Designentwicklung

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Hans-Guumlnter Rolff

Transfer von Innovationen im Schulbereich

Immer mehr Buumlcher und Aufsaumltze beschreiben und analysieren Konzepte und An-saumltze innovativer Schulentwicklung Sie berichten von empirischen Untersuchungen Erfahrungen und Visionen zur Realisierung neuen oder anderen Unterrichts Off en bleibt meistens die Frage wie Innovationen von einer Arbeitseinheit in einer Schu-le auf die ganze Schule ausgedehnt werden koumlnnen und noch weitergehend wie eine Innovation von einer Schule auf eine andere Schule oder gar auf das ganze Schulsys-tem ausgebreitet werden kann was nicht haumlufi g gelingt Es ist dies die Frage nach dem Transfer

Es gibt bisher allerdings keine auch nur annaumlhernd uumlberzeugende Th eorie des Transfers von schulischen Innovationen (Nickolaus amp Graumlsel 2006) und auch kaum Forschung dazu (Jaumlger 2004) Deshalb kann es sich im Folgenden nur um Voruumlber-legungen zu einer forschungsleitenden und praxisbezogenen Th eorie handeln die zu-naumlchst nach einer Begriff sklaumlrung und Begriff sdiff erenzierung verlangt Diese soll auch dazu dienen das bisherige Begriff sverstaumlndnis uumlber das gaumlngige Verstaumlndnis von Wissensmanagement hinaus zu erweitern und einige Hinweise fuumlr eine tiefer- wie weitergehende Praxis zu geben

1 Formen des Transfers

Transfer wird wie schon erwaumlhnt meistens wissensbasiert konzipiert und praktiziert (Willke 2004) Auch wenn es sich dabei um eine verkuumlrzte Sicht handelt worauf noch zuruumlckzukommen ist sollte zunaumlchst an die Vielfalt des wissensbasierten Transfers er-innert und sie dann noch erweitert werden um die Reichweite von Transfer auszulo-ten und auf Anwendbarkeit hin zu pruumlfen

Das Wissen das fuumlr Transfer relevant ist besitzt zumeist eine Duplexstruktur (Rolff 2012) Es existiert Buchwissen und Erfahrungswissen sowie theoretisches und praktisches Wissen Zu unterscheiden ist ferner explizites kognitives aufgeschriebe-nes Wissen und implizites bdquounsichtbaresldquobdquoverborgenesldquo Wissen international auch Tacit Knowledge genannt Das weiterhin zum Transfer anstehende Erfahrungswissen entsteht als implizites Wissen und muss in explizites uumlberfuumlhrt werden (was nicht in allen Faumlllen moumlglich ist) um sich fuumlr Wissenstransfer zu eignen (Porschen 2008)

Es gibt zudem inhaltliches und methodisches Wissen Transfers sind in mancherlei Hinsicht doppelschichtig veranlagt Man unterscheidet z B zwischen internem Trans-fer und externem Transfer sowie zwischen Produkttransfer und Prozesstransfer Er-

Hans-Guumlnter Rolff 50

waumlhnenswert ist noch der Verweis auf intangible Eigenschaft en die fuumlr Transfer von Belang sind Was kann man sich und in Bezug auf Schulen unter Intangiblem Un-greifb arem vorstellen Intangibel sind z B Schulenbull die einen bdquoSpiritldquo habenbull mit Lehrpersonen die an Erfolg glauben und an die Wirksamkeit ihres Tunsbull in denen eine Basis fuumlr Vertrauenskultur entwickelt istbull in denen Lernfreude herrscht bei Schuumllerinnen und Schuumllern wie bei Lehrperso-

nenbull in denen Wertschaumltzung lebtbull in denen Menschen Traumlume haben und sie gemeinsam realisieren wollen

Das Intangible macht im Grunde den Geist einer Schule aus Preistraumlgerschulen unter-scheiden sich in Organisation und Methoden haumlufi g wenig von Nachbarschulen aber sie unterscheiden sich im Geist d h vor allem in den Stimmungen den Visionen und den Beziehungen der Menschen untereinander und ob sie daran glauben dass man Schule grundlegend veraumlndern kann oder bestenfalls nur eine Optimierung fuumlr moumlg-lich halten

Es sind also die Menschen und der Geist die beim Transfer den Unterschied ma-chen

Man kann vier Stufen des Transfers unterscheiden die auch Intensitaumlts- und Schwierig keitsstufen sind (vgl Abb 1)

Abbildung 1 Schwierigkeits- und Intensitaumltsstufen des Transfers

Transfer von Innovationen im Schulbereich 51

Es gibt eine Vielzahl von Formen und Verfahren des Transfers erprobte und nicht er-probte tiefh aumlngende also einfach zu bdquopfl uumlckendeldquo und bdquohochhaumlngendeldquo Einige Ver-fahren des Transfers sind gar nicht so selten wie u abull Informationswaumlndebull Staumlnde zu Schulentwicklungsprojektenbull Forenbull Fachgespraumlchebull Schulpreisebull Organisationsgedaumlchtnis (Protokolle Instrumentenpools Newsletter Intranet u a)

Es gibt Formate die sich gut transferieren lassen wie z B bull Lernmethodenbull Lehrbuumlcherbull Evaluationsmethodenbull Peer Reviewsbull Raumeinrichtungen Lernlandschaft en und Aumlhnliches

Und es gibt aber auch bdquoFormateldquo die sich nur schwer und aufwaumlndig transferieren las-sen wiebull Engagement bull Begeisterungbull Haltungenbull Einstellungenbull Wertebull Wertschaumltzung und Aumlhnliches

Zudem gibt es Formate die sich uumlberhaupt nicht transferieren lassen wie z B Uumlber-zeugungen Gluumlcklicherweise laumlsst sich nur sehr wenig gar nicht transferieren Auch deshalb lohnt es sich uumlber Transfer weiter nachzudenken zu experimentieren und zu forschen

Die Uumlberlegungen zu den Formaten des Wissens und des Transfers sind deshalb von Interesse weil man sie nutzen kann um klar zu machen dass tiefergehende In-novationen aller Art und hier besonders des Unterrichts nicht uumlber Vortraumlge Semina-re Dokumente oder Videos zu implementieren oder zu verbreiten sind weil jede In-novation genauso doppelschichtig ist wie oben beschrieben Beispielsweise kann man Autofahren nicht aus einem Lehrbuch [praktizieren] lernen Es muss auch die tie-ferliegende Schicht des Wissens uumlbertragen oder neu erworben werden also implizi-tes methodisches und Erfahrungs-Wissen Nicht nur Produkte gehoumlren dazu sondern auch Prozesse

Werte und Haltungen lassen sich ohnehin nicht schnurstracks transferieren Wenn man z B schuumlleraktivierendes oder kooperatives Lernen schulintern oder schuluumlber-greifend transferieren will man muss sich andere Formen einfallen lassen als die die eine allzu konventionelle Lehrerfortbildung betreibt

Hans-Guumlnter Rolff 52

Und besonders uumlberlegenswert und experimentierfreudig ist der Transfer groszligfl auml-chiger und komplexer Akteurskonstellationen wie sie beispielsweise Netzwerke und erst recht Bildungslandschaft en darstellen

Das beste Wissen uumlber bessere Schulen oder besseren Unterricht weiterzugeben (Wissenstransfer) ist also nicht der Koumlnigsweg der Schulentwicklung Wissen ist nie vollstaumlndig (deshalb kann man auch nicht vollstaumlndig informieren) sondern es be-zieht sich eher auf die Oberfl aumlche eines Eisbergs um eine bekannte Metapher zu nut-zen Das Wissen oberhalb des Wassers ist explizites das innerhalb des Wassers impli-zites Wissen und in der Eisbergmetapher zudem in einer groszligen Mehrheit

Explizites Wissen ist relativ leicht zu erkennen und auch leicht zu transferieren z B via Veranstaltungen und Workshops via Gebrauchsanweisungen Materialpake-ten WerkzeugenInstrumenten Aufsaumltzen und Buumlchern Implizites Wissen wie Hal-tungen Werte Feedback-Kultur oder Fehlertoleranz ist schwer zu transferieren Im-plizites Wissen ist jedoch fuumlr Transfer bedeutsam vielfach sogar unabdingbar Es gestaltet und steuert Handlungsablaumlufe allerdings ohne dass es immer ins Bewusst-sein kommt Es laumlsst sich deshalb auch nicht einfach kopieren und nur schwer aumln-dern Implizites Wissen kann innovative Inhalte haben impliziert aber haumlufi g auch konservativ-retardierende Implizites Wissen ist also ambivalent Es ist vor allem re-levant Vieles was Schulleiter und Lehrpersonen machen basiert auf implizitem Wis-sen z B wie sie Schuumller begeistern oder disziplinieren Allein durch explizites Wissen laumlsst sich gute Praxis nicht und erst recht nicht innovative Praxis verbreiten oder aus-dehnen wenn ein Teil des Wissens nicht einmal sichtbar ist Zugespitzt bedeutet dies Wir wissen nicht was wir alles wissen und wir wissen nicht explizit welches Wissen wir brauchen wenn wir unsere Handlungen und unser Verhalten veraumlndern wollen

Abbildung 2 Transfer als Eisberg-Metapher

Transfer von Innovationen im Schulbereich 53

2 Transfer als Nacherfi ndung

Die Ausgangsfrage war Wie kann man Innovationen in der eigenen Schule und noch daruumlber hinaus in andere Schulen verbreiten also transferieren Diese Frage stellt sich allerdings erst wenn es auch tatsaumlchlich etwas Nuumltzliches undoder Notwendiges und Bedeutungsvolles zu transferieren gibt wie bei den aufgefuumlhrten Beispielen bei denen es ja nicht um neue Verordnungen oder neue Lehrplaumlne oder houmlhere Anforderungen und schon gar nicht um strengere Vorschrift en ging sondern um die Umsetzung und Verbreitung neuer Praxen Und das ist komplexer und komplizierter als bloszliger Wis-senstransfer

Die Erfahrungen der letzten Jahre (Boumlhle Buumlrgermeister amp Porschen 2012) zeigen Es gibt keinen 11-Transfer Daran zu glauben hieszlige der sogenannten Steuerungsillu-sion zu verfallen der Illusion dass man uumlber Anordnungen von oben die Akteure ge-nau so steuern koumlnnte wie es verordnet wird Innovationen werden von Schulen bzw Lehrkraumlft en nicht einfach uumlbernommen oder imitiert sondern bdquonacherfundenldquo wie Kussau (2007 S 287) formuliert Nacherfi ndungen passieren so gut wie nie eins zu eins Kussau argumentiert dass sich jede

Innovation in dem Zirkel (bewegt) wonach das Zerschlagen von Routi-nen Voraussetzung von Veraumlnderung ist damit umgekehrt aber ein massi-ves Veraumlnderungsproblem entsteht weil die Verpfl ichtung zur Aufgabe von Routinen Widerstand Subversion Abweichung etc provoziert An die Stelle von Routinen tritt zunaumlchst eine Mischung aus den bestehenden und beibe-haltenen Routinen und Deutungsprozessen die die neuen Vorgaben thema-tisieren und fuumlr die Praxis handhabbar machen Dieser Prozess wird hier als Nacherfi ndung bezeichnet (Kussau 2007 S 302)

Fend (2008) spricht in diesem Zusammenhang von Re-Konstituierung gebraumluchlich ist auch der Begriff der Neusituierung

Transfer ist nicht eins zu eins realisierbar weder auf dem Wege von der Behoumlrde zur Schule noch von einer Schule zu einer anderen Die Grenzen des Wissenstrans-fers liegen in der Natur des Wissens Ein Transfer soll innovative Praxis transferie-ren Wie weiter oben gezeigt wurde geht nicht alles was Praxis ist in Wissen auf z B ein Teil der Emotionen nicht und auch die situativen Randbedingungen nicht Zudem hat Wissen die beschriebene Duplexstruktur die aus explizitem Wissen und implizi-tem Wissen besteht Explizites Wissen kann annaumlhernd eins zu eins transferiert wer-den implizites Wissen nicht Implizites Wissen ist in der Defi nition des Soziologen Sennett bdquojenes Wissen welches so sehr zur Selbstverstaumlndlichkeit geworden ist dass es uns vollkommen natuumlrlich erscheintldquo (Sennett 2009 S 246) und deshalb gar nicht erst thematisiert wird

Die Frage bleibt Wie kann unthematisiertes Wissen transferiert und die Verbrei-tung schulischer Innovationen intentionsgetreu implementiert werden Die Transfer-forschung sucht seit Jahrzehnten nach einer Antwort aber Transfer war bisher nicht nennenswert erfolgreich (Jaumlger 2004 oder Willke 2004) Schulen machten aus den Reformvorhaben der Behoumlrden letztlich was sie selbst fuumlr richtig hielten Aus Ziel-

Hans-Guumlnter Rolff 54

vereinbarungen wurden Maszlignahmeverabredungen aus Schuumllerfeedback wurde Unter-richtsevaluation ndash oder auch umgekehrt Reformen veraumlndern Schulen aber Schulen veraumlndern auch Reformen

Jazz ist eine geeignete Metapher fuumlr Loumlsungsmoumlglichkeiten Auch im Jazz gibt es keinen 11-Transfer dennoch wird transferiert und transponiert Transferiert wird al-lerdings nur das Th ema oder die Tonart (also ein Prototyp wie er noch zu erlaumlutern ist) die Ausfuumlhrung in jedem neuen Kontext besteht indes aus Zusammenspiel und Improvisation Jede Solistinjeder Solist orientiert sich an Th ema und Tonart entwi-ckelt aber seine eigene moumlglichst unverwechselbare Version und jeder Musiker houmlrt auf ihn letztlich auf alle Mitspielerinnen und Mitspieler gibt ihnen Anregungen und nimmt Anregungen von ihnen auf Jedes Stuumlck ist anders aber ein erkennbares Th e-ma bleibt Unterrichtsentwicklung ist eher wie Jazz und weniger ein werkgetreues Nachspielen von Noten

Auch noch so praumlzise Bedienungsanleitungen z B Noten ermoumlglichen keine 11-Implementation Sie muumlssten dazu implizites Wissen transportieren koumlnnen was schon allein deshalb unmoumlglich ist weil implizites Wissen nicht bewusst ist Und Un-bewusstes kann man nicht aufschreiben Sennett nennt Bedienungsanleitungen bdquototes Bezeichnenldquo

Das beste Wissen uumlber bessere Schule oder besseren Unterricht weiterzugeben (Wissenstransfer) ist also nicht der Koumlnigsweg der Unterrichtsentwicklung denn Schulen entscheiden zum Teil manchmal zum Groszligteil selbst welches Wissen in wel-chem Format sie aufnehmen was sie mit dem Wissen anstellen das sie manchmal gar nicht verstehen (jedenfalls nicht so wie es die Wissensproduzenten meinen) und das nie vollstaumlndig ist sondern eher die Oberfl aumlche eines Eisbergs repraumlsentiert

Das Aufdecken und Aufarbeiten impliziten Wissens die Umwandlung von impli-zitem in explizites Wissen also Erfahrungstransfer ist Voraussetzung der Verbreitung innovativer Praxis Wie und wo kann das geschehen Es gibt mehrere Realisierungs-moumlglichkeiten Wirksame Transferformate sind datengestuumltzt (Argyris 1997) und werkstattbasiert Vor allem in Werkstaumltten koumlnnen Prototypen entstehen oder bdquoge-brauchsfertige Verfahrenldquo wie Sennett es nennt (Sennett 2009 S 214) Prototypen wandern von einer Werkstatt in andere Werkstaumltten sie sind eff ektiver zu transpor-tieren als werbende Texte Bedienungsanleitungen oder Anordnungen Sie bestehen nicht nur aus explizitem sondern auch aus implizitem Wissen

Als Zwischenfazit ergibt sich dass Unterrichtsentwicklung immer auch Umsetzung von Innovation bedeutet Transfer ist Transaktion oder auch Translation von Innova-tionen Vehikel von Innovationen die der Oberfl aumlchlichkeit von Wissenstransfer ent-gehen wollen sind Prototypen die in Schulen entwickelt und in andere Schulen trans-portiert werden

21 Dynamische Prototypen und Werkstaumltten

Prototypen werden in unterschiedlichen Varianten welche im Kern uumlbereinstimmen einzeln entwickelt und gehen dann in Serie (oder sie werden aufgegeben wenn sie

Transfer von Innovationen im Schulbereich 55

in der Erprobung nicht uumlberzeugt haben) Prototypen werden in Werkstaumltten herge-stellt die Entwicklungs- oder Lernwerkstaumltten sind in denen Experten zusammen-arbeiten Beispielsweise wird ein Konzept der Unterrichtsentwicklung z B SINUS nicht nur uumlber Lehrplaumlne und Schulbuumlcher in den Unterricht zu transportieren ver-sucht sondern durch Angebote fuumlr die Fachschaft Schule Fachberaterinnen Fach-unterricht-Coaches oder Schulbegleiterinnen koumlnnen helfen neue Lernsettings (oder auch neue Aufgabenkulturen) auszuprobieren weiterzuentwickeln und in einer Weise zu dokumentieren die sie serienreif macht

Der Werkstattbegriff vermag die Begriffl ichkeit zuzuspitzen z B dass darin ganz-heitlich gearbeitet wird es nicht nur um Technik geht (sondern auch Kunst im Spiel ist und Haltungen etwas wert sind) und viele Handwerker eine Meisterschaft anstre-ben

Professionelle Lerngemeinschaft en sind die verheiszligungsvollste Form von Werk-staumltten besonders wenn sie uumlber die einzelne Schule hinaus mit anderen verkoppelt sind Ganzheitlich gestalten heiszligt moumlglichst alle Dimensionen Aspekte und Facetten der UE kohaumlrent und bdquolinientreuldquo (alignement) zu integrieren also fachliches Wissen Methodenkompetenzen Uumlberzeugungen Werte und Haltungen in einen systemischen Zusammenhang zu bringen Vieles spricht dafuumlr dass das am ehesten mittels Prototy-pen gelingt

Beispiele fuumlr Prototypen sindbull EMU (Helmke 2009)bull Kompetenzraster (Muumlller 2015)bull Fachunterrichtscoaching (Hirt amp Mattern 2015)

Prototypen zu transferieren heiszligt Prototypen in einen anderen Kontext einzubetten also nachzuerfi nden um den Begriff von Kussau noch einmal aufzunehmen Dabei geht es im Bereich der UE nicht wie in der Automobilindustrie darum Prototypen zur Serienreife zu bringen die in den folgenden Jahren fuumlr keinerlei Veraumlnderung of-fen sind Prototypen muumlssen im Schulentwicklungsbereich indes auf Weiterentwick-lung hin vielleicht in anderen Schulen ausgelegt sein Deshalb sind hier dynamische Prototypen gemeint

22 Von Prototypen zur Nachhaltigkeit

Politik und Behoumlrden neigen im Sinne des klassischen Verwaltungshandelns dazu die Schulen zur Realisierung zentral konzipierter Projekte via Anordnungen zu bewe-gen Sie gehen dabei zumeist den Weg des Transports expliziten Wissens Es ist schon erwaumlhnt worden dass sie dabei an Grenzen stoszligen Fullan (2010) und Mourshed Chijioke und Barber (2011) zaumlhlen deshalb nicht Loumlsungen 1 Ordnung die mehr des-selben in perfekterer Weise anstreben zu den wesentlichen Gelingensbedingungen sondern Loumlsungen 2 Ordnung die das System selbst wandeln bzw weiterentwickeln Systemwandel heiszligt die einzelnen Schulen wie das ganze Schulsystem in die Lage

Hans-Guumlnter Rolff 56

zu versetzen die besten Loumlsungen ihrer Entwicklungsprobleme oder Entwicklungs-absichten selbst auszuwaumlhlen anzupassen und umzusetzen Fullan und Barber nen-nen diese Faumlhigkeit bdquocapacity for changeldquo und sie belegen anhand konkreter Beispiele dass der Koumlnigsweg zur wirksamen Schulentwicklung im Aufb au dieser Kapazitaumlten bzw Faumlhigkeiten zum Wandel in und von Schulen und Behoumlrden liegt Zur Faumlhigkeit zum Wandel gehoumlrt unverzichtbar auch die Faumlhigkeit Daten zu nutzen sowohl fuumlr Be-standsanalyse und -diagnose als auch fuumlr die Evaluation und Steuerung der Entwick-lungsvorhaben Unabdingbar ist fuumlr alle Vorhaben die Verbesserung der Lernbedin-gungen fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller im Auge zu haben und staumlndig zu pruumlfen ob sie den Schuumllerinnen und Schuumllern beim Lernen helfen bdquoKapazitaumlt fuumlr Wandelldquo entsteht wenn Schulen die Schulleitungen erweitern Steuergruppen einrichten und Entwicklungswerkstaumltten schaff en die aus Fach- Jahrgangs- oder Steuergruppen her-vorgehen oder als Th emengruppen eigens eingerichtet werden (s dazu auch Kap 1 dieses Bands) Transfer gelingt desto besser je mehr die Adressaten-Organisationen lernfaumlhig sind Wenn bereits Entwicklungskapazitaumlten vorhanden sind laumlsst sich einfa-cher und zieltreuer nacherfi nden

Staumltten des Capacity for Change sind seit Jahrhunderten solche Werkstaumltten die nicht nur Routinen pfl egen sondern auch Innovationen generieren (Sennett 2009) Werkstaumltten werden in diesem Zusammenhang nicht Workshops genannt sondern Werkstaumltten weil Werkstaumltten Dauereinrichtungen sind die Nachhaltigkeit erzeugen und in denen Handwerker mit Handwerkszeug arbeiten und auch Handwerkszeug entwickeln In der Schweiz spricht man uumlbrigens auch seltener von Workshops und mehr von Ateliers was beachtenswert ist weil das von vornherein die kuumlnstlerische Seite vom Handwerk betont

Prototypen sollten nicht nur als Vorlaumlufer von Serienmodellen verstanden werden sondern als Beispiele guter Praxis

23 Innovation als sozialer Prozess

Prototypen sind innovativ sie werden in Innovationswerkstaumltten entwickelt Hand-werkszeug ist keine rein technische oder gar technokratische Angelegenheit sondern ein sozialer Prozess Handwerk hat auch eine kuumlnstlerische Seite wie z B Pinsel Stif-te oder Meiszligel und Gestaltung von Kunstwerken mit den Haumlnden Handwerkszeug reicht uumlber das Imitierende und Maschinelle eines Tools weit hinaus Vor allem hat das Handwerkliche etwas Personales Es verweist auf die Person des Handwerkers und der wiederum verweist auf das Institutionelle die dauerhaft e Werkstatt Handwerks-zeug ist also menschlich konstituiert ganzheitlich orientiert und nachhaltig Hand-werkszeug ist gleichsam geronnenes Wissen das beides enthaumllt explizites und impli-zites Wissen

Handwerker arbeiten nicht mit Bedienungsanweisungen Routinen und Erfahrun-gen sind ihr Hintergrund und liefern handlungsleitendes Wissen Dieses ist oft nicht so explizit dass man es in Bedienungsanweisungen uumlbersetzen koumlnnte Es ist eher im-plizites Wissen das in die Werkzeuge und Routinen eingelassen aber im Kopf nicht

Transfer von Innovationen im Schulbereich 57

immer bewusst ist und sich deshalb auch nicht vertexten laumlsst Das macht Weitergabe und Transfer von guter Praxis und erst recht von Innovationen so schwierig

Werkstaumltten im Sinne von Entwicklungswerkstaumltten sind also eine wenn nicht sogar die wesentliche Grundlage fuumlr die Ausgestaltung und Verbreitung von UE in Schulen zwischen Schulen und zwischen Unterstuumltzungssystemen und Schulen In et-lichen Schulen gibt es deshalb Lernwerkstaumltten unterschiedlicher Art mit Lehrerinnen und Lehrern und Schulleiterinnen und Schulleitern mit Lehrerinnen und Lehrern der eigenen Schule und mit Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Schulen Auch das Lernen von Schuumllerinnen und Schuumllern kann als Lernwerkstatt organisiert wer-den oft Lernzentrum genannt Der Lernbegriff sollte dabei ein weiter sein Deshalb weist Sennett darauf hin bdquoIn der Th eorie sollte in der gut gefuumlhrten Werkstatt ein Gleichgewicht zwischen impliziten und explizitem Wissen bestehenldquo (Sennett 2009 S 109)

24 Transfer als Transformation

Es existiert eine kaum uumlbersehbare Streubreite von Handwerksberufen Handwer-ker sind Chirurgen und Geigenbauer Zahnaumlrzte und Goldschmiede Uhrmacher und Elektriker Maler und Anstreicher Koumlche und Maurer und auch Musiker Hausmeis-ter und Schulleiter Sie alle sind gute Handwerker wenn sie bdquoihrer Arbeit mit Hin-gabe nachgehen und sie um ihrer selbst willen gut machen wollenldquo (Sennett 2009 S 32) Beim guten Handwerker stehen Handeln und Denken Praxis und Th eorie im staumlndigen Dialog Sennett nennt das urspruumlngliche Identitaumltsmerkmal von Handwer-kern dass sie sich darauf konzentrieren bdquoQualitaumlt zu liefern und gute Arbeit zu leis-tenldquo (Sennett 2009 S 39)

Werkstaumltten im Sinne von Lern- oder Entwicklungswerkstaumltten sind also eine wenn nicht sogar die wesentliche Grundlage fuumlr die Ausgestaltung und Verbreitung von Innovationen in Schulen zwischen Schulen und zwischen Unterstuumltzungssyste-men und Schulen In etlichen Schulen gibt es deshalb Lernwerkstaumltten unterschied-licher Art mit Lehrerinnen und Lehrern und Schulleiterinnen und Schulleitern mit Lehrerinnen und Lehrern der eigenen Schule und mit Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Schulen Wenn Transfer nicht klappt wird es gemaumlszlig einer bdquoklas-sischenldquo Werkstatt off ensichtlich dass eine Reparatur ansteht Eine Reparatur ist ein willkommener Anlass um bei der Fehlersuche uumlber das Ganze nachzudenken was wiederum der Verbesserung der Innovationen dient und vielleicht auch zur Entde-ckung neuer Werkzeuge fuumlhrt

In entwickelten Werkstaumltten gibt es Personalentwicklung Netzwerke und den Auf-bau von Nebenstellen Die konsequenteste Form einer Werkstatt ist das Labor Labor ist eine Abkuumlrzung von Laboratorium Und im Laboratorium wird praktisch gearbei-tet und theoretisch refl ektiert werden Experimente durchgefuumlhrt und die Ergebnisse evaluiert Der Blick aufs Labor macht noch einmal deutlich warum wir uns nicht mit der Beschaumlft igung mit Tools begnuumlgen sondern den Schulleitungen den Dreischritt

Hans-Guumlnter Rolff 58

von Prototypen lernenden Lehrerinnen und Lehrern und Werkstaumltten schmackhaft machen wollen weil es zeigt wie aus Transfer Transformation werden kann

3 Change Management als Vehikel

Change Management beginnt im Idealfall mit dem Entwurf einer Strategie (Ruumlegg-Stuumlrm amp Grant 2014) fuumlr die in erster Linie die Schulleitung zustaumlndig ist Sie traumlgt nicht nur die Letztverantwortung sie hat auch die Entscheidungskompetenz weshalb sie zu den Machtpromotoren gehoumlrt Machtpromotor sind auch die Schul-konferenz und die Behoumlrden Beide koumlnnen der Schule Vorgaben zur Unterrichtsent-wicklung machen z B vorschreiben wie sie mit den jaumlhrlichen Lernstandserhebun-gen umzugehen hat

Die Strategie sollte auf einer Bestandsanalyse basieren damit Prioritaumlten bestimmt und an bereits vorhandene Entwicklungen angeknuumlpft werden koumlnnen Sie muss auch Vorgaben der Behoumlrde undoder des Gesetzgebers beruumlcksichtigen Nicht zuletzt ist zu bedenken wie weit in Strategien auch Visionen eingehen bzw eingehen sollten wie sie z B im Leitbild der Schule enthalten sind oder aus den Diskussionen in den Fauml-chern oder auch (als Erziehungsideale) mit den Eltern entspringen

Wenn die Strategie festliegt z B Unterrichtsfeedback zu etablieren die mit einem Schuumller-Lehrer-Feedback beginnt und durch kollegiale Hospitationen fortgesetzt wird stellt sich die Frage der Konkretisierung und Realisierung

Fuumlr die Ausgestaltung der Strategie und deren projektfoumlrmige Umsetzung hat sich die Einrichtung einer Steuergruppe bewaumlhrt Die Steuergruppe die in diesem Fall als Unterrichtsentwicklungsgruppe arbeitet entwirft ein Konzept fuumlr die Realisierung der Strategie Dabei muumlssen alle Betroff enen und letztlich alle Kollegiumsmitglieder be-teiligt werden Die Schulleitung tut gut daran bei der Strategieentscheidung eng mit einer Steuergruppe zusammenzuarbeiten Sie sollte auch Mitglied der Steuergruppe sein aber nicht deren Vorsitzender (Rolff 2016a 2016b)

Dann muss eine Struktur gefunden bzw geschaff en werden die eine nachhaltige Realisierung ermoumlglicht Bei der Optimierung des bdquoallgemeinen Lernensldquo bieten sich dafuumlr Jahrgangs- oder Stufenkonferenzen an bei fachbezogener UE die Fachkonferen-zen (in Berufsschulen auch die Bildungsgangkonferenzen) Wenn Nachhaltigkeit er-zielt werden soll muumlssen die Sprecher bzw Vorsitzenden dieser Gremien zu bdquoMittle-ren Fuumlhrungskraumlft enldquo werden Neue Gremien einzurichten empfi ehlt sich nicht weil dadurch die bestehenden veroumlden wuumlrden und zudem Doppelstrukturen entstehen koumlnnten Entwicklungsperspektive fuumlr alle der genannten Gremien waumlren Professio-nelle Lerngemeinschaft en in denen Lehrer von Lehrern lernen z B wie Ziele ver-einbart werden welche bewaumlhrte Praxis in der Schule bereits besteht oder wie neue Formen des Unterrichts evaluiert werden koumlnnen Auch Coaching und ein regelmaumlszligi-ger Austausch uumlber die Feedbackpraxis gehoumlrt zur Arbeit von Professionellen Lernge-meinschaft en

Schlieszliglich spielt beim Change Management die kulturelle Komponente eine wich-tige Rolle geht es doch darum eine anspruchsvolle und entspannte Lernkultur zu

Transfer von Innovationen im Schulbereich 59

schaff en Es sollen auch nicht nur die ohnehin aktiven Mitglieder der Steuergruppe oder der genannten Gremien mitwirken sondern letztlich alle im Kollegium beteiligt werden ndash was meistens auch bedeutet mit Widerstand umzugehen Gelingt das z B in Form der Etablierung einer schulweiten Feedback- Hilfe- oder Fehlertoleranzkul-tur so entsteht nach und nach eine neue Lernkultur

Change Management arbeitet mit den genannten vier Komponenten Die Reihen-folge ist nicht vorgegeben Sie haumlngt von der Strategie ab Entscheidend ist dass alle vier Elemente des Change Managements im Spiel sind und bleiben und in einen plau-siblen d h prozesslogischen und ganzheitlichen Zusammenhang gebracht werden

4 Transfer durch Personen

Wenn schon Wissen Methoden und Materialien fuumlr anspruchsvolle Transfers nicht ausreichen dann muumlssen innovationserfahrene Personen welche die im Fokus ste-hende Innovation mitentwickelt haben mit den Innovationen sozusagen mitgehen und zwar im vollen Sinn des Worts Ohne Naumlhe uumlbertraumlgt sich wenig Es sollen ja nicht nur Wissen Konzepte Werkzeuge und Verfahren sondern auch Werte Haltun-gen und Uumlberzeugen transferiert werden Letztere werden von Personen verkoumlrpert Transfer von Prototypen ist auch Transfer von Erfahrungswissen dieses ist an Per-sonen gebunden Deshalb gehoumlrt es zu den intensivsten Formen des Transfers dass Prototypen von weiteren Einrichtungen bdquogeholtldquo werden die sie nicht entwickelt ha-ben Und wenn Personen von denen die Prototypen stammen mit den Prototypen bdquomitwandernldquo dann waumlchst auch die Wahrscheinlichkeit dass die bdquoNacherfi ndungenldquo durch die bdquofremdenldquo Organisationen gelingen

Die Stufen drei und vier des Transfers (Abb 1) beziehen sich auf intensiven Trans-fer mit Tiefgang Sie benoumltigen Personen die an der Entwicklung der Prototypen be-teiligt waren und zwar u a solchebull die innerhalb ihrer Schule in eine andere Fachgruppe oder andere Stufenkonferenz

wechseln oderbull die eine Woche lang mit einem Prototypen in eine andere Schule gehen oderbull die ein halbes Jahr in einer anderen Schule arbeiten oderbull als Schulleiterinnen und Schulleiter eine Schulleitung in einer anderen Schule be-

gleiten sie sozusagen doppeln und ihr Feedback geben (bdquoShadowingldquo)

Es sind weitere Formate denkbar In England wird bdquoTransfer durch Personenldquo bereits seit Laumlngerem praktiziert zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist er auch in Deutschland gang und gaumlbe Auch Schulen die einen Schulpreis gewonnen haben wie die Grundschule bdquoKleine Kielstraszligeldquo in Dortmund praktizieren Transfer durch Personen z B indem Konrektorinnen und Konrektoren dieser Schulen Rekto-ren in anderen Schulen werden und dort versuchen bewaumlhrte Innovationen nachzu-erfi nden In vielen Schulen riecht bdquoTransfer durch Personenldquo noch nach Uumlberforde-rung Das muss nicht zutreff en Transfer wird nicht als Belastung empfunden werden wenn das zu transferierende UE-Konzept bzw der Prototyp nuumltzlich notwendig und

Hans-Guumlnter Rolff 60

bedeutungsvoll ist Dann koumlnnte Transfer vielmehr Begeisterung wecken und Motiva-tion fuumlr Innovation schaff en

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Martin Heinrich und Gabriele Klewin

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquoZum Problem der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierung sowie den Chancen und Grenzen von Praxisforschung als Alternative oder Ergaumlnzung

Th us the evidence-based strategy seems to have come full circle originating from dissatisfaction with teacher-led school improvement it was looking for external instruments to direct and speed up change only to arrive at the insight that it cannot do without teachers who are more then just technicians of an applied technology but who are professionals (Altrichter amp Posch 2014 S 17)

1 Praxisforschung als Antwort auf Probleme des bdquoEvidenz-Transfersldquo

Der eingangs zitierte Passus von Altrichter und Posch dokumentiert unseres Erach-tens sehr klar und pointiert die Entwicklungsgeschichte des bdquoKonzepts der Evidenzba-sierungldquo1 bzw der bdquoevidenzbasierte[n] Politikgestaltungldquo (Bieber Martens Niemann amp Windzio 2014 S 44) also der bdquoEvidenzbasierten Steuerungldquo bzw der so genann-ten bdquoevidence-based-policyldquo (Heinrich 2010) in den letzten Jahren Angefangen von der Frustration uumlber mangelnde Wissenschaft sbasiertheit lokaler Schulentwicklungs-prozesse uumlber die Hoff nungen einer Evidenzbasierung durch das Wissenschaft ssystem bis hin zur erneuten Frustration der mangelnden Adaptivitaumlt des Praxissystems gegen-uumlber den Angeboten aus der Wissenschaft

Die Geschichte des EMSE-Netzwerks laumlsst sich gleichsam als parallele Dokumenta-tion dieser bdquoKurzgeschichteldquo des Programms der Evidenzbasierten Steuerung von Alt-richter und Posch lesen Ausgehend von den Innovationen im Wissenschaft sbereich die durch die Large-Scale-Assessments und die Vergleichsarbeiten die Hoff nung ga-ben empiriegestuumltzte Schulentwicklung nunmehr systematisch betreiben zu koumlnnen gruumlndete sich das Netzwerk um auch in der Bildungsadministration den Landesins-tituten und den sich in den folgenden Jahren ausdiff erenzierenden Referaten fuumlr Qua-litaumltssicherung in den Ministerien bzw den Qualitaumltsagenturen sich selbst zu profes-

1 Beelmann (2014 S 62) defi niert das Konzept der Evidenzbasierung dabei wie folgt bdquoMit die-sem Konzept wird der Anspruch formuliert professionelle Handlungsstrategien und -empfeh-lungen auf gepruumlft es Wissen aus empirischen Untersuchungen zu stuumltzenldquo

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sionalisieren und um diesen Prozess voranzutreiben Diese Professionalisierung im Rahmen des EMSE-Netzwerks war dahingehend erfolgreich dass es uumlber Jahre hinweg bis heute mithilfe von Tagungen und Diskussionen gelang diesen Grundgedanken vo-ranzutreiben Zugleich wurden im Netzwerk indessen die Stimmen lauter die auf die Rezeptionsproblematik der Evidenzen fuumlr eine datengestuumltzte Schulentwicklung ver-wiesen (bereits Positionspapier zu den bdquoZentrale[n] standardisierte[n] Lernstandser-hebungenldquo Dobbelstein Peek amp Steff ens 2008) Auch die aktuelle Problemskizze zum bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschungldquo die auf der 22 EMSE-Tagung 2016 im Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichi-schen Schulwesens (BIFIE) in Salzburg diskutiert und deren Th ematiken in Form von Vortraumlgen ausdiff erenziert behandelt wurden (die Dokumentation der Problemskizze und der Tagungsbeitraumlge im vorliegenden Band) thematisiert die mangelnde Rezep-tion von Forschungsergebnissen der empirischen Bildungsforschung

Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Forschungsbefunde vorliegen die Anregungen fuumlr eine Beruumlcksichtigung in der Praxis auf der System- Schul- und Unterrichtsebene liefern so faumlllt gleichzeitig auf dass sie kaum einen praktischen Niederschlag erfahren haben [hellip] Die paumldagogische Praxis scheint sich entweder nachhaltig gegenuumlber diesem Programm der Evidenz-basierung zu sperren (Heinrich 2015c) oder die Befunde nur halbherzig auf-zugreifen (Th iel et al 2013) (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 S 2)

Folgt man nun Pant (2014 S 80) der sowohl als Zielbestimmung Evidenzbasierte Steuerung formuliert

Im Kern geht es darum ob und wie es gelingt Evidenz hinsichtlich der Wirksamkeit paumldagogischer und bildungspolitischer Maszlignahmen zur Ver-fuumlgung zu stellen um diese in datengestuumltzte Entwicklungskreislaumlufe der Unterrichts- Schul- und Bildungsqualitaumlt einspeisen zu koumlnnen

als auch reklamiertJede evidenzbasierte Entscheidung fuumlr eine bestimmte Maszlignahme muss ih-rerseits auf ihre Eff ekte hin uumlberpruumlft werden und das Evaluationsergebnis in den Entwicklungskreislauf einfl ieszligen (ebda)

so bedarf es einer kritischen Bewertung des Programms der Evidenzbasierung da der avisierte bdquoZusammenhang zwischen evidenzbasierter Bildungspolitik sowie Bildungs-praxis und der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Oumlff entlichkeitldquo (Bromme amp Prenzel 2014 S 2) sich als problematisch erweist

Folgt man hierbei der eingangs zitierten Diagnose von Altrichter und Posch so besteht ein wesentliches Merkmal des Transferproblems in der mangelnden Beruumlck-sichtigung der Konstitutionsbedingungen der Lehrerschaft als Profession und in ihren eigenen Handlungslogiken im Vergleich zur Forschungslogik der Wissenschaft und ihren Vorstellungen von bdquoEvidenzenldquo

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Vor dem Hintergrund dieser Defi zitdiagnose ist es dann nur folgerichtig wenn Altrichter und Posch die Aktionsforschung als moumlgliche Antwort auf dieses Prob-lem der mangelnden Beruumlcksichtigung der Profession anbieten bdquoAction research has something to off er when it comes to supporting active and refl ective teachingldquo (Alt-richter amp Posch 2014 S 23) Und auch in der EMSE-Problemskizze wird neben dem geforderten Wissenschaft s-Praxis-Dialog der Entwicklung und Bereitstellung von Praxistheorien sowie der Option von Begleitforschung explizit auch Praxisforschung (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016im vorliegenden Band) als eine moumlgliche Strategie zur Bewaumlltigung des Problems der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierten Steuerung genannt

Im Folgenden moumlchten wir den im EMSE-Papier nur skizzenhaft dargestellten und damit eher programmatisch reklamierten Anspruch dass Praxisforschung hier eine plausible Alternative bieten koumlnnte bzw eine hochfunktionale Ergaumlnzung des Pro-gramms der Evidenzbasierten Steuerung sein koumlnnte etwas ausdiff erenzierter ent-falten (Kap 3) Bevor dies allerdings geschehen kann sollen zunaumlchst einige Prob-lemlagen beschrieben werden die sich bereits immanent aus dem Programm der Evidenzbasierten Steuerung ergeben (Kap 2) In einem Fazit (Kap 4) versuchen wir dann ein vorlaumlufi ges Resuumlmee zur aus unserer Sicht sehr komplexen Gemengelage vorzunehmen Doch zunaumlchst zum Problemgehalt der sich bereits jenseits der Fra-ge nach der Professionssensibilitaumlt schon durch immanente Spannungen bzw Wider-spruumlchlichkeiten des Programms der Evidenzbasierten Steuerung ergibt

2 Von den immanenten Widerspruumlchen des Programms der Evidenzbasierten Steuerung und dem Problem des Transfers von Evidenzen

Die Chancen fuumlr eine erfolgreiche bzw programmgetreue Implementierung eines Pro-gramms steigen mit der Eindeutigkeit dessen was in dem Programm verwirklicht werden soll Im vorliegenden Fall des Programms der Evidenzbasierten Steuerung bzw der sogenannten Evidence-Based Policy zeigt sich hier schon ganz zu Beginn der Refl exion dass schon der zentrale Begriff des Programms der Evidenzbegriff hoch-gradig problematisch bzw missverstaumlndlich ist Dies haumlngt nicht nur aber sicherlich zum Teil auch mit dem Umstand zusammen dass das Programm einen Import aus dem angloamerikanischen Sprachraum darstellt und hier in der Uumlbersetzung des Pro-gramms im wortwoumlrtlichen Sinn bereits das erste Problem entsteht

Im deutschen Sprachgebrauch sprechen wir von Evidenz wenn etwas augen-scheinlich ist Etwas gilt als evident wenn es nicht erklaumlrt oder begruumlndet werden muss sondern sich von selbst versteht [hellip] Der geaumluszligerte Gedanke ist ohne eine weitere Form der Begruumlndung plausibel und uumlberzeugend So-mit bricht etwas das als evident gilt einen argumentativ gestuumltzten Diskurs ab Es muss nichts weiter gesagt werden die Auseinandersetzung ist an ihr Ende gekommen (Jornitz 2008 S 206 f)

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Paradoxerweise enthaumllt diese Idee von bdquoEvidenzldquo durchaus etwas Dogmatisches bzw Nichtdiskursives indem in dieser Evidenzvorstellung streng genommen kein Ver-handlungsspielraum mehr vorliegt da wissenschaft stheoretisch gesprochen beim Vor-liegen einer Evidenz alle weitere Diskussion sich eruumlbrigt da das Wesen des Evidenten ebengenau darin besteht dass es augenscheinlich so richtig ist dass es kaum noch de-mentiert werden kann ohne dass man hierbei selbst als irrational erscheinen wuumlrde

Dieses Missverstaumlndnis ergibt sich aber nur wenn man ndash wie es dann aber eben fuumlr deutsche Muttersprachlerinnen kaum anders moumlglich ist ndash die deutsche Semantik des Evidenzbegriff s unbewusst immer schon mitdenkt Demgegenuumlber gestaltet sich dieser Zusammenhang im angloamerikanischen Sprachraum einfacher

Das Englische unterscheidet zwischen self-evidence und evidence Als bdquoself-evidenceldquo wird das verstanden was im Deutschen als Evidenz gilt eine Off enbarung ohne weitere Legitimation sich selbst evident sein bdquoEvidenceldquo hingegen [hellip] kann jedes bdquoMittel der Bestaumltigung und Rechtfertigung einer Annahmeldquo sein auch alles bdquowas Grundlage einer Meinungldquo [hellip] ist [hellip] Diese im Deutschen und Englischen uumlber Kreuz gehenden Begriff sverstaumlnd-nisse erschweren die Klaumlrung dessen was mit einer evidenzbasierten Paumlda-gogik gemeint sein koumlnnte (Jornitz 2008 S 207)

Jornitz illustriert diesen Gedanken dann noch am Beispiel amerikanischer Spielfi lme innerhalb derer im Gerichtssaal die Zeugenaussage mit den Worten eingeleitet wird dass der Zeuge aufgefordert wird bdquoto give evidenceldquo damit das Gericht entlang die-ser Evidenzen sein Urteil faumlllen kann Wenn diesem Sprachgebrauch zufolge eviden-ce damit nun bdquojedes sbquoMittel der Bestaumltigung und Rechtfertigung einer Annahme sein kannldquo (s o) dann wird unmittelbar deutlich dass der angloamerikanische Evidenz-begriff sehr viel besser anschlussfaumlhig ist an unsere wissenschaft stheoretischen Vor-stellungen der prinzipiellen Unabgeschlossenheit der Suche nach Wahrheit der damit verbundenen Vorlaumlufi gkeit aller Forschungsergebnisse und der auch in vielen For-schungsdesigns eingelassenen Zuruumlckhaltung So etwa wenn sowohl in quantifi zieren-den Verfahren immer nur von Hypothesenpruumlfung im Popperrsquoschen Falsifi kationssin-ne ausgegangen wird und auch in rekonstruktiv-kasuistischen Verfahren man gerne den Begriff der bdquoFallstrukturhypotheseldquo verwendet d h dem auch sprachlich darin zum Ausdruck kommenden Wissen folgt dass die vorgelegte Untersuchung immer mit dem Problem der Vorlaumlufi gkeit und der Unabgeschlossenheit allen Wissens bzw aller Wahrheitssuche unterliegt Bromme Prenzel amp Jaumlger versuchen diese interkultu-relle Diff erenz wissenschaft shistorisch bzw wissenschaft ssystematisch aufzuheben

Die neueren Diskussionen uumlber Evidenzbasierung im Bildungsbereich wer-den von einem Evidenzbegriff gepraumlgt der dem naturwissenschaft lich-em-pirischen (und nicht dem geisteswissenschaft lich-hermeneutischen) Konzept entspricht (Bromme Prenzel amp Jaumlger 2014 S 6)

Die Konsequenz fuumlr das Begriff sverstaumlndnis ist allerdings aumlhnlich wie bei Jornitz der-zufolge ja evidence dann bdquojedes sbquoMittel der Bestaumltigung und Rechtfertigung einer An-nahmelsquo sein kannldquo (s o) denn Bromme Prenzel amp Jaumlger formulieren bdquoEvidenz im

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naturwissenschaft lichen Sinn dient eher als Beleg denn als Beweis fuumlr Vermutungen oder Th eorienldquo (Bromme et al 2014 S 6)

Legt man diesen Evidenzbegriff zugrunde so wird deutlich dass alle die eine Evi-denzorientierung reklamieren damit erst recht in der Begruumlndungspfl icht stehen ihr abschlieszligendes Urteil zu legitimieren ndash aumlhnlich wie der Richter oder die Richterin im von Jornitz zitierten Beispiel

Die Behauptung der Evidenzorientierung erzeugt damit eine besondere Form der Legitimationsnotwendigkeit ja geradezu einen auf Kohaumlrenz zielenden Rechtferti-gungszwang Denn niemand wuumlrde das Urteil eines Richters oder einer Richterin ak-zeptieren wenn dieser oder diese nicht in irgendeiner Art und Weise plausibilisieren koumlnnte wie er oder sie von den Zeugenaussagen und den damit vorliegenden Eviden-zen zur verkuumlndeten Schlussfolgerung also dem abschlieszligenden Urteil gelangt Mit anderen Worten Evidenzen dieser Art schlieszligen nicht eine Diskussion ab ndash wie dies mit Blick auf den deutschen Evidenzbegriff der Fall waumlre ndash sondern bilden zuallererst den Anfang einer ausfuumlhrlichen Begruumlndungspfl icht

Ein Schluumlsselproblem besteht in der bdquoUumlbersetzungldquo von Befunden in Evi-denz Dies ist ein Prozess der Forschungssynthese der zugleich eine Bewer-tung der Belastbarkeit unterschiedlicher Arten von Forschungsergebnissen umfasst Wir sprechen also von evaluativer Forschungssynthese um hervor-zuheben dass es nicht bloszlig um eine Befundaggregation gehen kann Die Be-wertung von Forschungsergebnissen muss dann je nach bildungspolitischer Fragestellung und je nach Art des erzeugten Wissens unterschiedlich erfol-gen (Bromme et al 2014 S 18)

Allerdings zeigen bildungshistorische Studien dass solche Vorstellungen einer Evi-denzbasierung im oumlff entlichen Diskurs schon seit uumlber hundert Jahren auch im an-gloamerikanischen Sprachraum oft mals nicht diesem Begruumlndungszwang folgten sondern zur Mystifi zierung (Bellmann 2012) bzw bdquoTaylorisierungldquo (Waldow 2012) genutzt wurden und somit von Anfang an auch das amerikanische Programm einer evidence-based policy empirisch nie das hielt was es an Aufk laumlrung versprach (Bies-ta 2007 Heinrich 2018)

Hieraus ergeben sich weitreichende Problematiken fuumlr eine bdquoevidence-based po-licyldquo denn eine Politik die sich auf Evidenzen beruft muumlsste streng genommen die Plausibilitaumlt ihres Ruumlckgriff s auf die Evidenzen selbst leisten Mit anderen Worten Die Bildungspolitik und die Bildungsadministrationen muumlssten streng genommen die empirischen Untersuchungen nicht nur selbst verstehen koumlnnen sondern sie auch dem Volk bzw den Lehrkraumlft en die sie beauft ragen erklaumlren koumlnnen um aumlhnlich wie der Richter oder die Richterin ihre politische Entscheidung zu legitimieren

Das Gegenteil ist leider oft mals der Fall Die Evidenzen werden seitens der Bil-dungspolitik oft mals als Autoritaumltsargument der Wissenschaft genutzt gerade nicht um die Details der Untersuchung darzustellen ihre Grenzen zu refl ektieren und moumlg-liche Handlungskonsequenzen daraus abzuleiten sondern um die Frage nach der Le-gitimitaumlt ihrer politischen Entscheidung mit einem kurzen und buumlndigen Hinweis auf die wissenschaft liche Autoritaumlt zu beenden

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Im Rahmen von bdquodata-driven reformsldquo sind Daten und Verfahren der Mes-sung des Monitorings und der Evaluation zentrale Modi einer hypertech-nokratischen Steuerung durch Information Erziehungswissenschaft und Bil-dungsforschung ruumlcken damit noch naumlher an die Bildungspolitik heran ja sie werden Teil eines sich etablierenden Systems der bdquoEvidenzproduktionldquo dessen eindeutige Zuordnung zur Politik oder zur Wissenschaft Schwierig-keiten bereitet (Bellmann 2015 S 46)

Mit dieser Delegation der Entscheidungsverantwortung der Bildungspolitik an die Bil-dungsforschung die damit zur politischen Wissenschaft wird (Bellmann 2015 Oel-kers 2015 Forster 2015) erzeugt diese Auslegung des Programms einer Evidenzba-sierung wie schon vor nunmehr fast zehn Jahren argumentiert systematisch nicht den zwanglosen Zwang zum besseren Argument im Sinne einer Habermasrsquoschen Dis-kursethik (Habermas 1991) innerhalb derer alle gleichberechtigt im herrschaft sfrei-en Diskurs ihre Position vertreten koumlnnen sondern die Wissenschaft reklamiert ein Praumlrogativ der Deutungshoheit gegenuumlber der Handlungslogik der Praxis und evoziert damit einen bdquoDiskursabbruchldquo

Das haumlngt durchaus mit einem methodologischen Problem zusammen Bil-dungsforschung hat sich in ihren Methoden so weit ausdiff erenziert dass Evidenz als das bdquoAugenscheinlicheldquo kaum noch anzutreff en ist Evidenz er-scheint demgegenuumlber im Medium von Forschungsdesigns immer nur noch als vielfach bdquovermittelteldquo Nicht einmal fuumlr die bdquoLogik des besseren Argu-mentsldquo ist die Urteilskraft des Common Sense noch ausreichend da fuumlr Bil-dungsforscherinnen ein Blick auf das Schaubild einer Pfadanalyse durchaus Dinge als bdquoevident per Augenscheinldquo werden lassen kann was sowohl fuumlr die Bildungspolitik als auch fuumlr Lehrerinnen und Lehrer in Schulen damit noch lange keine Evidenz hat (Heinrich 2010 S 52)

Folgerichtig ndash aber damit allerdings auch die politische Schlagkraft des eigenen Pro-gramms torpedierend ndash formulieren Bromme Prenzel amp Jaumlger bdquoIm Zentrum steht die Frage wie die Rezeption von Befunden der empirischen Bildungsforschung und ihre Uumlbersetzung in Evidenz verbessert werden koumlnnenldquo (Bromme et al 2014 S 5) bdquoEvi-denceldquo ist damit eben nicht mehr bdquoself-evidenceldquo sondern muss erst in diese bdquouumlber-setztldquo werden2

Die Uumlbersetzungsbemuumlhungen bzw Versuche der kommunikativen Vermittlung zeigen sich exemplarisch am Beispiel der Schulinspektion (Heinrich 2015b 2015c 2018) indem aumlltere Begriffl ichkeiten wie bdquodatenbasiertldquo oder bdquodatenorientiertldquo oder gar bdquodatengetriebenldquo ersetzt werden durch Termini wie bdquoDeutungsangebotldquo Diedrich

2 Unberuumlcksichtigt bleibt bei dieser Darstellung zunaumlchst dass Bildungspolitik natuumlrlich oft mals auch sehr selektiv auf empirische Studien zuruumlckgreift je nachdem inwiefern die Befunde dem politischen Kalkuumll folgen Bellmann (2015) hat in diesem Zusammenhang auf die Proble-matik verwiesen dass die Bildungspolitik droht ihre Eigenstaumlndigkeit zu verlieren d h ihrem proprium zu folgen politische Entscheidungen selbst zu treff en wenn sie tatsaumlchlich ihre ei-gene Entscheidungsautonomie an die empirische Wissenschaft abgeben wuumlrde Die empirische Bildungsforschung wuumlrde dann naumlmlich zum Politikersatz (Forster 2015)

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(2015 S 432) spricht von einer bdquoWendung Vom Objektivitaumltsanspruch zum Deutungs-angebotldquo

Uumlbertraumlgt man dieses Ergebnis der Begriff sklaumlrung nunmehr auf den Gedan-ken des Transfers von Evidenzen ergibt sich damit eine bdquoSchnittstellenproblematikldquo (Heinrich 2011) Diese wird allerdings seit der bdquoempirischen Wendeldquo (Lange 2008) in der Bildungsforschung zwar gesehen und als Herausforderung benannt (Heinrich 2016a 2016b Herzog 2012) was aber nicht zu einer grundsaumltzlichen Einsicht in die Fraglichkeit des Programms fuumlhrt (Bromme amp Prenzel 2014) Vielmehr wird dieses ndash auch in seinen Implementierungsproblematiken ndash immer diff erenzierter beschrieben (Bieber et al 2014) zugleich aber nur in den seltensten Faumlllen radikaler infrage ge-stellt (Boumlttcher 2013)

So raumlumt auch Tenorth (2015 S 276) ein dass die derzeitige Misserfolgswahrneh-mung Resultat bdquouumlberzogener Versprechenldquo sei wie bspw der bdquoAmbition Lehrplaumlne oder andere Programme wissenschaft sbasiert defi nitiv ableiten und professionsbasiert vielleicht sogar professionsresistent realisieren zu koumlnnenldquo (Tenorth 2015 S 276) Zu-gleich aber off enbare die Kritik an der Politisierung der Wissenschaft en dass sich ein

Wandel im Bewusstsein von Politik und Wissenschaft ereignet hat und zu-gleich dass das relevante Publikum von Bildungsforschung nicht mehr nur das paumldagogische Milieu und die eigene Profession ist sondern die mit Poli-tik und Administration und einer breiten Oumlff entlichkeit eingeschlossen Wirtschaft und Gewerkschaft en gegebenen Referenzen im Bildungssystem (Tenorth 2015 S 268)

Durch die Dominanz dieser anderen gesellschaft lichen Instanzen wird die bildungs-politische und mediale Aufl adung des Programms so groszlig dass der Druck auf die Profession der Lehrkraumlft e steigt und in der Argumentation die mangelnde Sensibilitaumlt fuumlr die paumldagogische Handlungslogik vor Ort also die fuumlr die Implementierung not-wendige Professionssensibilitaumlt wie sie Altrichter und Posch reklamieren im Kampf um Deutungshoheit der evidenzbasierten Steuerung an Bedeutung verliert In den Zeiten vor der bdquoempirischen Wendeldquo (Lange 2008) d h vor dieser bildungspoliti-schen und medialen Aufl adung des Programms der Evidenzbasierten Steuerung wur-de der Hiatus zwischen Forschungswissen und Professionswissen auch von Tenorth noch viel schaumlrfer betont

[hellip] dass sich Professionswissen und Forschungswissen trotz mancher for-maler Aumlhnlichkeit nicht aufeinander reduzieren und ebenso nur nach ihrer eigenen Logik verbessern lassen [hellip] Die Profession lernt nur aus der pro-fessionellen Praxis die Forschung lernt nur aus Forschungsprozessen bei-de lernen jedenfalls nicht bdquounmittelbarldquo vom anderen und auch nicht da-durch dass sie ihren jeweiligen Funktionsprimat suspendieren (Tenorth 1990 S 93)

Im Sinne Altrichters und Poschs moumlchten wir im Folgenden pruumlfen inwiefern sowohl dem bdquospaumlten Tenorthldquo (2015) als auch dem bdquofruumlhen Tenorthldquo (1990) zu widersprechen sei indem sowohl gilt dass das Programm der Evidenzbasierten Steuerung die paumlda-

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gogischen Normative der Praxis nicht vergessen darf (Heinrich 2015a als Kommen-tierung von Tenorth 2015) d h professionssensibler werden muss als auch infrage steht ob es nicht doch eine Moumlglichkeit gaumlbe dass Profession und Forschung bdquounmit-telbarldquo (s o) voneinander lernen ndash naumlmlich im Modus der Praxisforschung (Kap 3) oder daran angelehnten neuen Formen der bdquoBildungsforschungldquo (Kap 4)

3 Zum Begriff der Praxisforschung und ihren Moumlglichkeiten und Grenzen fuumlr Transfer von Forschungswissen

Bevor die Moumlglichkeiten von Praxisforschung fuumlr Transferprozesse erlaumlutert werden gilt es kurz die Begriffl ichkeiten zu klaumlren Denn bereits in der Einleitung wurden zwei unterschiedliche Begriff e fuumlr die hier im Zentrum stehende Forschung genutzt Aktions- bzw Praxisforschung und es lassen sich weitere wie Handlungsforschung Teacher Research oder Lehrerforschung fi nden Trotz jeweils anderer Akzentuierung koumlnnen dennoch alle Ansaumltze Altrichter und Feindt (2004 S 84) folgend als eine bdquoFa-milieldquo angesehen werden Charakterisiert ist Praxisforschung der in diesem Kontext bevorzugte Begriff dadurch dass die Forschung in den Haumlnden der Praktikerinnen liegt Im vorliegenden Fall in den Haumlnden der Lehrkraumlft e Konkret bedeutet dies die Forschungsfragen sind solche der eigenen schulischen Praxis und das Ziel ist die Ver-aumlnderung besser die Verbesserung derselben (Tillmann 2007 Meyer 2010 Klewin Textor amp Schumacher 2016) Und auch fuumlr die Durchfuumlhrung sind die Lehrkraumlft e ver-antwortlich wobei sie in den meisten Projekten in unterschiedlichem Umfang von Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern unterstuumltzt werden bzw dauerhaft mit ih-nen kooperieren (Fichten amp Meyer 2009 Posch Rauch amp Mayr 2009 Hahn Heinrich amp Klewin 2014) In der Regel sind die Projekte kleinraumlumig angelegt und liefern loka-les Wissen Haumlufi g sind nicht ausschlieszliglich Forschungserkenntnisse das Ziel sondern auch konkrete Materialien fuumlr den Unterricht oder Konzepte fuumlr die jeweilige Einzel-schule

Dass diese systematische Auseinandersetzung mit einem Th ema die ebenfalls in einem gewissen Umfang die theoretische Aufarbeitung des Th emas einschlieszligt zu einer individuellen Professionalisierung der Beteiligten fuumlhrt wie Muumlller Andreitz und Mayr (2010) in ihrer Untersuchung festgestellt haben scheint auf den ersten Blick wenig uumlberraschend Transfer eruumlbrigt sich hier gleichsam dadurch dass der Ort der Wissensproduktion und die Erkenntniserweiterung die gleichen sind der Praxisfor-scher bzw die Praxisforscherin Im Sinne einer solchen Professionalisierung im und durch das eigene forschende Tun waumlre der Transfer dann automatisch immer schon gelungen zugleich aber auch nicht bdquotransferierbarldquo da notwendig gebunden an die jeweiligen Forscherinnen und ihre Erkenntnisgenerierungsprozesse selbst Es gaumlbe dann auf den ersten Blick nur die Alternative entweder alle auf Veraumlnderung des Sys-tems zielende Forschung als Praxisforschung zu konzipieren oder alternativ ande-re Formen des bdquoTransfers der nichttransferierbaren Forschungserfahrungldquo zu denken Gelaumlnge dies koumlnnte Praxisforschung eventuell genau die Aspekte von Professionalitaumlt foumlrdern die auch fuumlr das Gelingen der bisherigen Strategien notwendig waumlren

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Obwohl Praxisforschung eine lange Tradition hat (Rauch Zehetmeier amp Erlacher 2014) liegen leider fuumlr den deutschsprachigen Raum nur wenige Untersuchungen zu den Eff ekten von Praxisforschung vor Die vorliegenden bestaumltigten die Ergebnisse von Muumlller et al bezogen auf die individuelle Ebene der Lehrkraumlft e (Fichten amp Mey-er 2006 Hollenbach amp Klewin 2008 Zehetmeier 2010) Vereinzelte Hinweise gibt es auch dafuumlr dass innerhalb der Schule der Praxisforschungsakteure ein interner Trans-fer stattfi ndet (Fichten 2014)

Da es bislang zu wenig empirisch gesicherte Ergebnisse fuumlr eine generalisierba-re Wirksamkeitsbehauptung im Sinne einer universalisierbaren indikatorengestuumltzten Outputevalution gibt moumlchten wir uns zunaumlchst der konzeptionellen Ebene zuwen-den um im Sinne einer theoretisch-praktischen Inputevaluation zu uumlberlegen welche Konzeption von Praxisforschung und welche Bedingungen dafuumlr existieren muumlssten um eine Wirksamkeit von Praxisforschung wahrscheinlich zu machen

Wie oben bereits beschrieben sind bdquoProdukteldquo von Praxisforschung nicht auf For-schungsergebnisse beschraumlnkt sondern koumlnnen auch Unterrichtsmaterialien Kurs-konzepte schulweite Maszlignahmen u a umfassen die als Innovationen innerhalb der Schulpraxis aufgefasst werden koumlnnen Hinsichtlich des Transfers ist zwischen beiden bdquoProduktenldquo zu unterscheiden Vielleicht liegt hier ein entscheidender Vorteil von Pra-xisforschung gegenuumlber der aktuell-dominanten Form empirischer Bildungsforschung in der Tatsache dass Forschung nicht bei den Forschungsergebnissen stehen bleibt sondern diese in Maszlignahmen umsetzt die bereits die erste Praxispruumlfung im Entste-hen hinter sich haben Demgegenuumlber bleiben Projekte der empirischen Bildungsfor-schung entweder oft mals Formen der Operationalisierung fuumlr die paumldagogische Pra-xis schuldig oder es mangelt ihnen bspw im Falle von Interventionsstudien angesichts der Spezifi k der Treatments und der Laborsituationen an oumlkologischer Validitaumlt

Um dies zu untermauern sollen allgemeine Kriterien fuumlr gelingenden Transfer von Innovationen angelegt werden an Innovationen die im Rahmen von Praxisforschung entstanden sind Wir beziehen uns dabei auf die Erarbeitung und Zusammenstellung von Koch (2011 und 2016) Einschraumlnkend muss gesagt werden dass wir uns hier auf einen Ausschnitt des gesamten Transferprozesses beziehen auf den Entstehungskon-text der Rezeptionskontext wird in weiten Teilen ausgeblendet (ebd) Demnach ist eine Innovation dann transferfaumlhig wenn sie auf einen wirklichen bdquoinnerschulischen Bedarf ldquo trifft und in der Lage ist ein bdquoKonzept zur Bearbeitung eines Problemsldquo zu bieten sowie bdquoan Bestehendes anknuumlpfb arldquo ist und bdquopassgenau mit Blick auf Zielgrup-peldquo konstruiert ist bdquoImplementationshinweiseldquo auff uumlhrt und bdquodokumentiertldquo (Koch 2016 vgl auch Hahn Klewin Koch Kuhnen Palowski amp Stiller in diesem Band)

Fuumlr den internen Transfer innerhalb der Schule in der eine Praxisforschungsgrup-pe arbeitet lassen sich die meisten dieser Kriterien recht gut mit den Merkmalen von Praxisforschung uumlbereinbringen So bedingen die Entstehung der Forschungsfragen aus der Praxis und das Ziel die Praxis zu verbessern dass ein bdquoinnerschulischer Be-darf ldquo gegeben ist und das zugrundeliegende Problem bearbeitet wird Auch die Krite-rien bdquoan Bestehendes anknuumlpfb arldquo und bdquopassgenau mit Blick auf Zielgruppeldquo ergeben sich sehr wahrscheinlich aus der Kenntnis des eigenen schulischen Kontextes der Pra-xisforschungsgruppe Das Kriterium der Dokumentation laumlsst sich aus den Kennzei-

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chen von Praxisforschung ebenso wie das der Implementationshinweise nicht beant-worten Aus der Kenntnis einiger Praxisforschungsprojekte (Fichten amp Meyer 2009 Posch Rauch amp Mayr 2009 Hahn Heinrich amp Klewin 2014) laumlsst sich sagen dass dies Bestandteil der Arbeit ist haumlufi g in Form von Forschungsberichten Inwieweit diese Dokumentation so weit ausgebaut wird dass sie eine Grundlage fuumlr die Uumlber-nahme der Innovationen durch andere Lehrkraumlft e der Schule ist kann derzeit noch nicht beurteilt werden waumlre aber Aufgabe einer Implementationsforschung bzw Transferforschung im Rahmen von Praxisforschung Die Frage der bdquoImplementations-hinweiseldquo stellt sich dann nicht wenn die Praxisforschungsgruppe ihre Innovation selbst in die Schulentwicklung einfuumlhrt waumlre jedoch noumltig wenn auch unabhaumlngig da-von die Innovation genutzt werden soll

Vor der Problematisierung der Frage wie die Kriterien im Hinblick auf externen Transfer zu beurteilen sind soll noch die Transferwuumlrdigkeit betrachtet werden Hier-fuumlr ist die Einbeziehung von aktuellen theoretischen Grundlagen und Forschungs-ergebnissen gefordert (Koch 2016) was zwar nicht im selben breiten Umfang wie in rein universitaumlren Forschungsprojekten gegeben ist aber auch mit Blick auf die Merk-male von Praxisforschung Bestandteil ist

Der Rekurs auf bdquoRegelforschungldquo kann allerdings hierbei nicht als alleiniges Argu-ment fuumlr Transferwuumlrdigkeit gelten da Praxisforschung ja ndash aus den Problemlagen der alltaumlglichen Praxis folgend ndash oft mals bdquoandere Problemeldquo und diese dann zudem noch bdquoandersldquo erforscht und damit eine Dignitaumlt der Praxis vor aller Th eorie (und empiri-schen Bildungsforschung) reklamieren kann Insofern darf bei der Frage der Transfer-wuumlrdigkeit nicht die Gefahr einer Pfadabhaumlngigkeit uumlbersehen werden wenn hierbei die Regelforschung als alleiniger Maszligstab genommen wird Ansonsten ginge das In-novationsmoment der Praxisnaumlhe hierbei gegebenenfalls verloren

Hier erweist sich auch fuumlr die Transferfrage der typischerweise in der Bildungs-forschung formulierte Anspruch die entwickelten Maszlignahmen muumlssten ihre Wirk-samkeit durch Studien belegen die dem bdquoGoldstandardldquo der Wirkungsforschung ge-nuumlgen (kritisch dazu Wolff 2016) als problematisch Denn der hierbei formulierte Anspruch des bdquoGoldstandardsldquo ist selbst eine ideologische Formulierung ndash zumindest dann wenn man davon ausgeht dass das bdquoGoldeneldquo hier als das edelste Metall gilt Denn spaumltestens seit dem paradigmatischen Crash durch die viel zitierte Replikati-onsstudie (Open Science Collaboration 2015) die in der Psychologie weit reichende Konsequenzen hatte (Deutsche Gesellschaft fuumlr Psychologie 2015) muumlsste insbeson-dere im Kontext der empirischen Bildungsforschung deutlich sein dass es kaum Stu-dien geben wird die ndash uumlber den so genannten Goldstandard der Randomized Control Trials hinaus ndash empirisch auch die hohe Reliabilitaumlt von in der Breite implementierten Programmen und damit auch deren oumlkologische Validitaumlt belegen koumlnnten Uns ist zumindest keine Untersuchung bekannt die anhand einer statistisch hinreichend gro-szligen Stichprobe zeigen koumlnnte wie ein unter bdquoGoldstandardsldquo entwickeltes Treatment in der Flaumlche des Schulsystems reliable und oumlkologisch valide Eff ekte haumltte Hier ist allerdings zugutezuhalten dass die Forschungsfoumlrderung bislang auch keine Formate vorsieht solche Untersuchungen zu fi nanzieren sondern sich zumeist mit dem in La-borsituationen gewaumlhrleisteten bdquoGoldstandardldquo zufrieden gibt waumlhrend fuumlr den Trans-

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fer im Sinne eines Programms der Evidenzbasierten Steuerung eigentlich ein bdquoPlatin-standardldquo der auch Reliabilitaumlt und oumlkologische Validitaumlt in der Flaumlche garantieren kann notwendig waumlre

Aus der Sicht von Praxisforschung waumlre dann allerdings selbst am Platinstandard problematisch dass Maszlignahmen die so konzipiert und evaluiert waumlren in der Re-gel eine genaue Befolgung des Programms also Programmtreue erfordern die dem Anspruch der an die Zielgruppe angepassten spezifi schen Loumlsung widerspricht und bei den meisten Lehrkraumlft en auf ebenjenen Widerstand stoszligen wuumlrde den Altrichter und Posch eingangs beschrieben hatten Jenseits der Tatsache also dass die Praxisfor-schung selbst den Platinstandard nicht erreichen koumlnnte waumlre dieser gemaumlszlig der in ihr vertretenen bdquoTransferlogikldquo noch defi zitaumlr da die Notwendigkeit zur lokalen Adaption der Evidenzen noch nicht hinreichend beruumlcksichtigt waumlre

Bislang wurde daher ja argumentiert dass gerade Innovationen die durch Pra-xisforschung entstanden sind gut fuumlr den internen Transfer geeignet sind Die Fra-ge des externen Transfers blieb damit allerdings ausgespart Auch hierfuumlr liegen so gut wie keine Studien vor Werden Konzepte deshalb besser angenommen weil sie praxis-naumlher entwickelt wurden Und sollte das zutreff en werden sie besser angenommen weil die Qualitaumlt fuumlr die Uumlbertragung in andere Schulen besser gegeben ist oder weil sie durch den Entstehungskontext den Stallgeruch bdquoSchuleldquo haben und nicht den der bdquoUniversitaumltldquo

Sollten die Vorteile die Innovationen von Praxisforschung in Bezug auf inter-nen Transfer haben sich nicht auf den externen Transfer uumlbertragen lassen hieszlige das dann bdquoPraxisforschung fuumlr alleldquo Zumindest fuumlr Letzteres lassen sich Alternati-ven fi nden So etwa die fruumlhere Bremer Schulbegleitforschung in der Lehrkraumlft e aus verschiedenen Schulen gemeinsam an einem Praxisforschungsprojekt gearbeitet ha-ben und so eine groumlszligere Breite erreicht werden konnte (Senatorin fuumlr Bildung 2007) Oder auch das oumlsterreichische Projekt bdquoInnovationen machen Schulen TOPldquo (IMST 2018) in dem uumlber Netzwerke eine groumlszligere Beteiligung erreicht wird

4 Ausblick

Wir hoff en dass wir mit den vorangegangenen Ausfuumlhrungen zeigen konnten dass sowohl das Programm der Evidenzbasierten Steuerung bislang die Transferfrage noch nicht befriedigend beantworten konnte und es daher der Suche nach Alternativen be-darf zugleich aber auch das im Zentrum dieses Beitrags stehende Alternativangebot der Praxisforschung immanente Beschraumlnkungen in sich traumlgt

Haumllt man allerdings an der Idee einer wie auch immer gearteten kollaborati-ven Praxis von Forscherinnen und Forschern einerseits und Praktikerinnen und Praktikern andererseits fest stellt sich die Frage inwiefern sich nicht aus den Pro-blembestimmungen der beiden Alternativen d h der klassischen empirischen Bil-dungsforschung mit Goldstandard und der Praxisforschung Hinweise fuumlr eine pro-fessionssensiblere und damit besser auf den Transfer ausgerichtete Bildungsforschung

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 72

ableiten lassen So etwa die Notwendigkeit der lokalen Adaptivitaumlt der ggf durch Netzwerke Professioneller besser Rechnung getragen werden kann

Im Folgenden moumlchten wir andeuten dass wir hier derzeit erste Schritte in die Richtung einer staumlrkeren Verschraumlnkung der beiden Traditionslinien der empiri-schen Bildungsforschung und der Praxisforschung gehen so etwa wenn wir in zwei BMBF-Forschungsprojekten zum Th emenbereich der schulischen Inklusion klassische empirische Bildungsforschung mit Unterstuumltzung von Lehrerforscherinnen und -for-schern durch Praxisadaption kombinieren

So werden in einem BMBF-Verbundprojekt der Universitaumlten Bielefeld Flensburg Frankfurt am Main und Siegen zur bdquoProfessionalisierung durch Fallarbeit fuumlr die in-klusive Schule (ProFiS)ldquo (FKZ 01NV1702A-D) zunaumlchst in Form klassischer rekons-truktiver Bildungsforschung (Heinrich amp Wernet 2018) kasuistische Fallstudien be-trieben die dann in Kooperation mit Lehrerforscherinnen und Lehrerforschern des Oberstufen-Kollegs an der Universitaumlt Bielefeld in ein bdquoFortbildungskonzept zur Rol-lenklaumlrung paumldagogischer Akteure durch Fallarbeit anhand governanceanalytischer Rekonstruktionen zur neuen Akteurskonstellation durch Schulbegleitungldquo uumlberfuumlhrt werden sodass hier die Expertise von Lehrerforscherinnen und Lehrerforschern ge-nutzt werden kann um die Adaption der Befunde der Forschungsprojekte fuumlr Lehrer-fortbildungen (und damit fuumlr den Transfer) sicherzustellen

Vergleichbares gilt fuumlr das BMBF-Verbundvorhaben bdquoRefl exion Leistung amp Inklu-sion (Re-L_ink)ldquo (FKZ 01NV171 OC) in dem zunaumlchst in einem methodentriangula-tiven Design durch Forscherteams an den Universitaumlten Frankfurt am Main und Han-nover Schulfallstudien zu bdquoQualifi zierungserfordernissen fuumlr einen refl exiven Umgang mit Leistung in der inklusiven Sekundarstufeldquo erstellt werden um dann im letzten Drittel der Projektlaufzeit erneut in Kooperation mit Lehrerforscherinnen und Leh-rerforschern des Oberstufen-Kollegs an der Universitaumlt Bielefeld diese Befunde in ein bdquoFortbildungskonzeptldquo zu uumlberfuumlhren das wiederum evaluiert wird sowie in die Kon-zeption einer schulinternen Lehrerfortbildung (SchiLF) Auch hier ist die Hoff nung dass es durch die Integration der Expertise der Lehrerforscherinnen in das For-schungsteam gelingt entgegen dem Tenortrsquoschen Verdikt (s o) Forscherinnen sowie Lehrkraumlft e unmittelbar voneinander lernen zu lassen um vermittelt hieruumlber wieder-um Fortbildungskonzepte zu etablieren die dann weniger widerstaumlndig von der paumlda-gogischen Praxis uumlbernommen werden koumlnnen

Waumlhrend in den beiden vorangegangenen Modellen die Kollaboration von For-schung und Praxis durch spezifi zierte Formen der Zusammenarbeit gelingen soll die besser transferierbare Produkte erzeugt so ereignet sich derzeit in Deutschland ndash in dieser Hinsicht kaum bemerkt ndash ein bundesweiter Sonderfall der Th eorie-Praxis-In-tegration Denn im Kontext der im Rahmen der gemeinsamen Qualitaumltsoff ensive von Bund und Laumlndern aus Mitteln des Bundesministeriums mit uumlber 500 Millionen euro Foumlrderung stattfi ndenden Projekte sind die Hochschulangehoumlrigen in ihrer Doppelrol-le gefragt naumlmlich einerseits Forscherinnen zu sein andererseits aber zugleich auch die Praktikerinnen der Hochschullehre Mit anderen Worten Durch diese Doppel-rolle erforschen sich derzeit in Deutschland Hochschullehrerinnen selbst ndash zumeist ohne diese besondere Form der Th eorie-Praxis-Vermittlung zu refl ektieren Dies geraumlt

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 73

erst langsam ins Bewusstsein (Heinrich Wolfswinkler van Ackeren Bremm amp Stre-blow o J)

In dem Projekt der Qualitaumltsoff ensive Lehrerbildung von Bund und Laumlndern am Universitaumltsstandort Bielefeld bdquoBiprofessional ndash Bielefelder Lehrerbildung praxisorien-tiert ndash forschungsbasiert ndash inklusionssensibelldquo (FKZ 01JA1608) haben wir dement-sprechend konsequent das Forschungs- und Entwicklungsmodell das an der Wissen-schaft lichen Einrichtung fuumlr die Versuchsschule des Landes NRW bdquoOberstufen-Kollegldquo in derzeit 9 Forschungs- und Entwicklungsprojekten (FuE-Projekte) mit 10 wissen-schaft lichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 52 Lehrerforscherinnen und -for-schern realisiert wird auf 24 FuE-Projekte uumlbertragen indem nunmehr in der Zusam-menarbeit von uumlber 70 beteiligten bdquoHochschullehrerforscherinnen und -forschernldquo die Lehrerbildung am Universitaumltsstandort Bielefeld weiter entwickelt werden soll Streng genommen koumlnnte man sagen dass dieses Projekt erstmals empirisch erprobt wie das bdquoLehrerforscherinnenmodellldquo der beiden Bielefelder Versuchsschulen Laborschu-le und Oberstufen-Kolleg nunmehr funktionieren kann wenn es uumlbertragen wird auf das Modell der bdquoHochschullehrerforschungHochschullehrerinnenforschungldquo

In diesem Kontext gilt zumindest dass das gaumlngige Problem der Lehrerforsche-rinnen naumlmlich nicht uumlber genuumlgend forschungsmethodische Expertise zu verfuumlgen nicht gegeben ist Zugleich ergeben sich aber hier vergleichbare Fragen wie in den Lehrerforscherinnen- und Lehrerforschermodellen bei denen der interne Transfer zur Diskussion steht wenn eben bei anderen Hochschullehrenden die eigene Forschungs-erfahrung am Gegenstand fehlt (Kap 3)

Hinzu kommt dass die Gefahr besteht dass die bdquoHochschullehrerforschungHoch-schullehrerinnenforschungldquo in der Praxis zu einer Abspaltung fuumlhrt Denn selbst Bromme Prenzel und Jaumlger raumlumen fuumlr die Forscherinnenperspektive ein

Unstrittig duumlrft e die Vorstellung sein dass die empirische Bildungsforschung auf Erkenntnisse zielt die sich kurz- oder laumlngerfristig als nuumltzlich erweisen Ob sich die Forscherinnen und Forscher jedoch zu groszligen Teilen explizit mit einer Zulieferungsrolle fuumlr evidenzbasierte Entscheidungen identifi zie-ren kann bezweifelt werden Im Vordergrund steht fuumlr viele eine epistemi-sche Orientierung Wenn die Erkenntnisse nuumltzliche Evidenz fuumlr Entschei-dungen beisteuern ist das erfreulich aber nicht das intrinsische Motiv fuumlr die Forschung (Bromme et al 2014 S 15)

Wenn aber das bdquointrinsische Motiv fuumlr die Forschungldquo (s o) nicht in dem Nutzen fuumlr die Praxis liegt dann wird angesichts des bdquobundesweiten Forschungsprogrammsldquo an fast fuumlnfzig Universitaumltsstandorten zur interessanten empirischen Frage welche Moti-ve die Hochschullehrenden mit der Erforschung ihrer eigenen Praxis verfolgen

Dieser Blick auf die Qualitaumltsoff ensive Lehrerbildung waumlre dann insofern sehr lehrreich als er zumindest zeigen sollte dass die typische Abwertung der Praktike-

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 74

rinnen im Kontext der empirischen Bildungsforschung3 wenn diese die Transferan-gebote ablehnen nicht einfach damit argumentiert werden kann dass diese Profes-sionellen eben bdquozu unwissendldquo seien und bdquokein Verstaumlndnis fuumlr Forschung und Evi-denzbasierung und die Dignitaumlt der Befundeldquo haumltten Denn ansonsten muumlssten in den naumlchsten Jahren alle Befunde die im Rahmen der Qualitaumltsoff ensive Lehrerbildung die das Resultat der Beforschung hochschuldidaktischer Maszlignahmen enthalten un-mittelbar im System ihren Niederschlag fi nden ndash da ja die Hochschullehrerinnen als Forscherinnen sich dann doch diesen Evidenzen nicht werden entziehen koumlnnen

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Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 75

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Christan Wiesner und Claudia Schreiner

Implementation Transfer Progression und Transformation Vom Wandel von Routinen zur Entwicklung von Identitaumlt Von Interventionen zu Innovationen die bewegen Bausteine fuumlr ein Modell zur Schulentwicklung durch Evidenz(en)

Der vorliegende Beitrag stellt Kernideen und -gedanken (als bdquochange driversldquo siehe dazu Mintrop S 40 in diesem Band) als Konzeptsammlung fuumlr einen ersten Entwurf eines moumlglichen Modells zur Schulentwicklung durch Evidenz(en) vor Dabei sollen unterschiedliche Konzepte dargestellt und wesentliche Begriffl ichkeiten einer evidenz-orientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung geklaumlrt werden Gleichzeitig moumlchten wir das Zusammenwirken von Denkmodellen und Herangehensweisen aufzeigen

Impulse Innovation Reformen und Interventionen sind Dauerthemen in Bezug auf das Schulsystem die Einzelschule und den Unterricht Aktuell beschreiben und analysieren eine Reihe an fachbezogenen Artikeln Aufsaumltzen und Buumlchern vielfaumllti-ge Konzepte Modelle und Entwuumlrfe von Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Evidenz(en) Datenbasierte Steuerung und evidenzorientierte Entwicklung des Schul-systems der Schule und des Unterrichts stellen Herausforderungen an Politik Schul-aufsicht Schulleitung und Lehrpersonen Qualitaumlt ist ein grundlegendes Zielbild die Etablierung von Qualitaumltssystemen eine zu erfuumlllende Vorgabe die Idee einer lernen-den Schule und ein kooperatives Vorgehen sind Gelingensbedingungen Wichtig er-scheint ein fundierter Umgang mit den Begriff en und dahinterliegenden Denkvorstel-lungen Off en bleibt wie ein Impuls zu einer Innovation wird wie sich Schulen und das Schulsystem entwickeln und wie Entwicklung an einer Einzelschule wirklich an-geregt werden kann Off en ist auch wie eine Intervention in Schulen oder im Unter-richt die Schuumllerinnen und Schuumller nachhaltig lernwirksam bewegt ndash und produktive Lernerfahrungen kreiert Eine geschlossene Th eorie der Schulentwicklung durch Evi-denz(en) liegt bislang zu diesen Herausforderungen nicht vor (von Saldern 2010 De-dering 2007)

Wenn Veraumlnderung Wandel und Entwicklung stattfi nden sollen bdquogenuumlgt es nicht auf der Ebene der Umsetzer etwas anders oder etwas Anderes zu tun es muss vom System her neu gedacht werdenldquo (Scharmer 2009 S 26) Wie Personen in Teams mit Evidenz(en) lernen und professionelle Lerngemeinschaft en gestaltet werden hat grundsaumltzlich damit zu tun wie man mit Daten Informationen und Wissen umgeht (Willke 1998) Angestrebt wird ein Modell der Schulentwicklung durch Evidenz(en)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 80

in dem (meist) Ausschnitte der Wirklichkeit von Schule und Unterricht1 hinsichtlich mehrerer Aspekte2 Kriterien3 und Kontexte4 (siehe Abbildung 1) sowohl optimiert als auch entwickelt werden Wissen und praxisnahes professionelles Handeln sind dabei bdquodie zentrale Ressource fuumlr Innovation und Entwicklung ndash sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebeneldquo (Huber amp Krey 2013 S 89)

Abbildung 1 Das Kohaumlrenz-Dreieck Vielfalt Diff erentes Divergentes als integratives Konzept

(eigene Darstellung)

Wir moumlchten in diesem Beitrag der als kreativer Impuls gedacht ist zunaumlchst unse-re Weiterentwicklung des Modells der Entwicklung und Verbesserung darlegen das analytisch dabei unterstuumltzen soll Prozesse und Maszlignahmen einer evidenzorientier-ten Schul- und Unterrichtsentwicklung einordnen zu koumlnnen Danach werden wir die Arbeit mit Daten und deren Diff erenzierung thematisieren da jegliche Entwicklung auf Handeln baut und Handeln von praxisrelevantem Wissen abhaumlngig ist Mit Wissen und Werten arbeiten Lerngemeinschaft en an einer lernenden Schule um die Qualitaumlt ihres Unterrichts und ihrer Schule zu sichern zu verbessern und zu entwickeln Dafuumlr sind Rahmenmodelle notwendig die einerseits Aspekte und Kriterien vorgeben ande-rerseits Entwicklungen durch zu enge Vorgaben nicht einengen sondern ermoumlglichen Ermoumlglichung braucht ein integratives Verstehen Integration braucht zunaumlchst Diff e-renzierung von Konzepten Im vorliegenden Beitrag moumlchten wir das Verstaumlndnis von Implementation Transfer Progression (noch ungewoumlhnlich fuumlr die Schulentwicklung) und Transformation naumlher beleuchten und ausdiff erenzieren und im Modell der Feld-transformation wieder integrativ zusammenfuumlhren

Ziel dieses Beitrags ist somit mehrere Kerngedanken und Entwuumlrfe fuumlr Gelingens-bedingungen als Prototypen aufzuzeigen und zu argumentieren um weitere Diskus-sionen und Auseinandersetzungen mit Blick auf eine Schul- und Unterrichtsentwick-

1 Jeweils als Systeme gedacht2 Als Blickwinkel und Betrachtungsweisen zur (Re-)Organisation von Beziehungen und Unter-

scheidungen gedacht3 Als Richtmaszlig fuumlr Entscheidungen auf Basis von Unterscheidungsmerkmalen gedacht4 Als Vernetzung miteinander verbundener Teile bzw Elemente gedacht (ein Zusammenweben)

Blickwinkel

Aspekte

Unterschiede

Kriterien

Beziehung

Kontexte

Implementation Transfer Progression und Transformation 81

lung durch Evidenz(en) anzuregen Alle Konzepte und Gedanken fuumlr die vorgestellten (multiplexen) Ideen entspringen dem Konzept von bdquocommon and diff erent conceptsldquo (Petzold 1996 S 72) als Integrationsmodell und Zusammenfassung diff erenzierter oder scheinbar disparater Teile zu einem uumlbergeordneten Ganzen bzw als Loumlsen von Aufgaben auf einer houmlheren Strukturebene (Petzold 2003 S 701) Integration muss bdquoim dialektischen Bezug zum Begriff Diff erenzierung gesehen werden Nur wo Viel-falt Diff erentes Divergentes gegeben ist wird Integration moumlglichldquo (Petzold 2003 S 717) Entwicklung und Integration lassen sich jedoch nur als Prozess verstehen wo-mit begruumlndet werden kann dass es keine endguumlltige Th eorie der Schulentwicklung durch Evidenz(en) geben kann5

Kerngedanke 1 ein Modell der Entwicklung und Verbesserung

Seit einigen Jahren beschaumlft igen wir uns mit der Idee einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung Daraus ist das Beduumlrfnis entstanden eine Diff erenzierung zwischen der Verbesserung von Bestehendem und der Entwicklung des Bestehenden vor-zunehmen um foumlrderliche und produktive Impulse geben zu koumlnnen Interventionen Anregungen und Stimulierungen sind sonst womoumlglich beliebig ergebnislos oder bleiben unerkannt

Um Veraumlnderungen im Schulsystem an Schulen und im Unterricht wirkkraumlft ig ge-stalten zu koumlnnen wird ein angemessenes Verstaumlndnis von Veraumlnderung und dem Gleichgewicht von Stabilitaumlt und Instabilitaumlt benoumltigt (Wheatley 1997) Die Steue-rung von Systemen ndash Schule und Unterricht ndash gelingt vor allem dann nicht wenn bdquoman Kausalitaumlten identifi ziert und eindeutige Ursache-Wirkung-Beziehungen unter-stelltldquo (Bartz 2013 S 159) da dies der Komplexitaumlt der zugrundeliegenden Wirkun-gen nicht gerecht wird Dem kann beim Steuern und Regeln oder (eher) einem sys-temischen Navigieren und Drift en (Simon amp Weber 2009) eher durch ein zyklisches wendelfoumlrmiges und systemisches Denken entsprochen werden Wir moumlchten an die-ser Stelle ein Modell der Entwicklung und Verbesserung generieren und vorstellen (Schreiner Breit Wiesner amp George 2018 Wiesner Schreiner Paasch Gregorzewski amp Schratz 2018) um mit und an einem Verstaumlndnis uumlber Wandlungs- und Veraumlnde-rungsprozesse im Sinne von Entwicklung arbeiten zu koumlnnen (Argyris amp Schoumln 2008 Stacey amp Mowles 2016)

Kruse (2004) Schratz (2009) oder auch Holz (2011) unterscheiden zwischen Funk-tionsoptimierung einerseits und dem Prozessmusterwechsel als Entwicklung anderer-seits im Sinne von Argyris (1999 Argyris amp Schoumln 1999) der das Prinzip des Ein-schleifen-Lernens bzw Verbesserungslernens (Single-Loop-Learning siehe auch Kerngedanke 4) vom Prinzip des Doppelschleifen-Lernens bzw Veraumlnderungslernens (Double-Loop-Learning) abgrenzt Diese Uumlberlegungen entsprechen in weiten Teilen der Idee der Assimilation und Akkommodation von Piaget (1948 1973 1974 Lefran-

5 bdquoTh ere is no end to integration [hellip] there is always something you can assimilate and integrate Th ere is always a chance for growingldquo (Perls 1969 S 276)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 82

cois 1986) oder dem Aumlnderungsgesetz nach Lewin (1947 Cummings Bridgman amp Brown 2016 Illenis 2007)

Das Einschleifen-Lernen zielt auf die Optimierung auf bdquoeine Verbesserung der Handlungsroutinenldquo (Bartz 2013 S 157) den bdquoAbgleich von Ergebnissen und Zielenldquo (ebd) sowie auf eine bdquoeff ektivere und effi zientere Gestaltungldquo (ebd) Um ihre Perfor-manz zu erhoumlhen reagieren Systeme und Personen meist mit dem Versuch Wissen und Koumlnnen bdquoim Rahmen bestehender Funktionalitaumlt zu verbessernldquo (Kruse 2004 S 19) Im Sinne des Nachmachens und bdquoNacherfi ndensldquo (Kussau 2007 S 288) wird uumlber zuruumlckliegende Erfahrungen nachgedacht und diese werden zielorientiert analy-siert Verbesserungslernen aktiviert ein refl exives Denken (als Fragender zuruumlckden-kend Fischer 2007 Fischer-Buck 2004) und basiert auf explizitem bzw explizierba-rem Wissen und bewusstem Erfahrungswissen (Rolff 2015) sowie kontinuierlichem Optimieren (Kruse 2004) Die Funktionsoptimierung bdquoorientiert sich an Best Practi-celdquo (ebd S 20) Good Practice und Best Practice brauchen dabei immer dreierlei ein bestimmbares und kommunizierbares (verbesserungsmoumlgliches) Ziel das es zu errei-chen gilt und im Sinne der Idee der Steuerung durch Implementation und Transfer umsetzbar wird eine Bereitschaft zum Optimieren und Verbessern und die Arbeit am Detail im Sinne eines bdquoDetailmanagementsldquo (Schley 2017 S 2) Das Verbesserungs- und Optimierungslernen fuumlhrt anfangs zu einer starken Steigerung dann tritt jedoch ein so genannter Deckeneff ekt ein (vgl Abbildung 2) und ab einem gewissen Punkt sind weitere Verbesserungen meist nur mehr unter Einsatz von groszligen Reserven Res-sourcen und durch kleinschrittige Optimierungen moumlglich bdquoAm Ende der Phase des Optimierens erleben wir [oft ] dass alle unsere Optimierungsversuche nichts bewir-ken sondern unsere Probleme eher verschaumlrfenldquo (Bauer 2017 S 25) Das Bisheri-ge stoumlszligt an bdquodie Grenzen der in ihm stehenden Moumlglichkeitenldquo (Schratz 2009 S 17 Kruse 2005)

Nach der Optimierung und Verbesserung des Bestehenden ruumlckt nun die Per-spektive der Entwicklung in den Vordergrund des Interesses (Kruse amp Schomburg 2016) Das Doppelschleifen-Lernen ermoumlglicht tatsaumlchliche Neu- und Re-Orientierun-gen (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2016) Beim Doppelschleifen-Lernen geht es dann viel tiefgreifender als bei Optimierungsprozessen um die Transformation dieser Werte und subjektiven Th eorien selbst (Bartz 2013 S 158) Nach Scharmer (2009) ist ein Prozessmusterwechsel als Veraumlnderungslernen fuumlr jede nachhaltige Neuausrich-tung notwendig da fuumlr eine Entwicklung immer die Grundprinzipien Werte Annah-men refl ektiertprofl ektiert gewandelt und veraumlndert werden muumlssen Hentig (1993) nimmt Bezug auf das Veraumlnderungslernen wenn er dafuumlr plaumldiert die Schule neu zu denken d h unsere Annahmen uumlber das wie wir Schule sehen und gestalten neu zu defi nieren (Schratz 2014) Scharmer (2009) spricht von einer Entwicklung der so-zialen Komplexitaumlt6 die sich aus den unterschiedlichen Deutungsmustern bzw Glau-benssaumltzen im Miteinander von Menschen in sozialen Organisationen ergibt Entwick-lung im Sinne von Next Practice fuumlhrt zum Neudenken von Schule und Unterricht

6 Komplexitaumlt als eine unuumlberschaubare Menge an Komponenten die auf vielfaumlltige Weise mitei-nander verknuumlpft und verbunden sowie fuumlr einen Beobachter nicht vollumfassend durchschau-bar sind (Weyer amp Schulz-Schaeff er 2009)

Implementation Transfer Progression und Transformation 83

und benoumltigt immer dreierlei eine werterefl ektierende Bezogenheit Damit Entwick-lung erlebbar wird brauchen Systeme und Personen das Andere und die Anderen um durch einen diff erenzierten Bezug zu dem Anderen ein vertieft es identitaumltskonstituie-rendes Wissen zu gewinnen Dazu ist nach Schratz (2009) eine Bereitschaft notwen-dig sich auf Unsicherheit und Einbruumlche einzulassen und es braucht eine Vision als (inneres) Bild einer wuumlnschenswerten und anzustrebenden Zukunft

Erfolgreiche Entwicklungen sind systemische Prozesse und koumlnnen als Kohaumlrenz (lat cohaerere zusammenhaumlngen) und Konfl ux (lat con und fl uere zusammenfl ieszligen) von vielfaumlltigen Aspekten Kriterien und Kontexten zu einer neuen Gestalt Beschaf-fenheit Identitaumlt Haltung oder auch Kultur verstanden werden Entwicklungen be-noumltigen Emergenz Wandel und Veraumlnderung sowie sinnvolle Prozessmusterwechsel (bzw Skripts Schemata Rollen) um einen Weg von Good Practice und Best Practi-ce zur Next Practice zu fi nden (Schratz 2009) Entwicklung vereint den Wandel durch Transfer- und Transformationsprozesse sowie die emergente Veraumlnderung

Um Entwicklungen im Sinne einer Next Practice zu ermoumlglichen benoumltigen so-wohl Personen als auch Systeme starke Impulse bzw bdquoAumlnderungsimpulseldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 153) In der Fachliteratur werden fuumlr diese Entwicklungsimpulse unterschiedliche Begriffl ichkeiten verwendet und damit (Entwicklungs-)Richtungen bezeichnet wie z B bull bdquoIrritationenldquo (Luhmann 2002 S 196) im Sinne einer noch undefi nierten Uumlberra-

schung im Bereich von System-zu-System-Beziehungenbull bdquoInterventionenldquo (Petzold 2007 S 250 Muumlller 2012 S 277) als mehrperspekti-

visch begruumlndete Einwirkungen auf (personale soziale oumlkologische oumlkonomische politische etc) Systeme mit dem Ziel einer theoriegeleiteten und ethisch legiti-mierbaren Veraumlnderung

bull bdquokreative Stoumlrungenldquo (Schratz 2009 S 17 f) um neue weitere Perspektiven und Alternativen einzunehmen

bull bdquoInkongruenzerfahrungenldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 160) wenn die Identifi zie-rung und die Identifi kation voneinander abweichen und eine Kongruenzerfahrung nicht moumlglich ist

bull bdquoKonfl ikte und Krisenldquo (Steinkellner amp Wiesner 2017 S 296) als ein zeitgleiches Aufeinandertreff en von widerstrebenden Impulsen

bull bdquoStimulierungldquo (Kruse 2009 S 86) um Faumlhigkeiten entwickeln und ausbilden zu koumlnnen oder

bull bdquoWiderfahrnisldquo (Schratz 2017 S 6) ndash im Widerfahrnis wird man mit der Frage des Sinns konfrontiert mit einem irritierenden nicht beeinfl ussbaren Geschehnis und einer unmittelbaren Bedeutung

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 84

Abbildung 2 Next Practice ndash Von Verbesserungen zur Entwicklung und zu Verbesserungen (eigene Darstellung in Anlehnung an Kruse 2004)

Diese Impulse dienen als Motor fuumlr ein bdquovertieft es Lernenldquo (Fullan Quinn amp McEa-chen 2017) und als bdquoVoraussetzung fuumlr gelingende Veraumlnderungldquo (Kruse 2005 S 8) Nur das Bewusstwerden von Unstimmigkeit(en) und Diskrepanz(en) fuumlhrt als Akti-vierung Anregung und Ausgangspunkt zu Veraumlnderungen im Denken und Handeln (Sieland Eckert amp Ebert 2013) Die Impluse bringen als kreative Stoumlrungen Instabi-litaumlt ins System und oumlff nen den Weg fuumlr tiefgreifende Entwicklungen die zu einer er-neuten steilen Lernkurve fuumlhren koumlnnen (vgl Abbildung 2) Veraumlnderungslernen aktiviert dabei ein profl exives Denken (als Gefragter vorausdenkend Fischer 2007 Fi-scher-Buck 2004) bdquodas zu einem Wertewechsel sowohl der handlungsleitenden Th eo-rien als auch der Strategien und Annahmen fuumlhrtldquo (Argyris amp Schoumln 2018 S 36) und sich nach einem verborgenen reichhaltigen Zukunft spotenzial ausrichtet Vielfalt Dif-ferentes Divergentes ermoumlglicht eine sinnorientierte Integration (Petzold 2003) von Konzepten Ideen Entwuumlrfen und Th eorien mit und in der Praxis Navigieren in einer Phase der Instabilitaumlt lebt von Neugier und Faszination vom Querdenken und vom Vernetzen von Kooperation und dem Gestalten von (kreativen) Loumlsungen von Reso-nanzerfahrung und bdquovon der Glaubwuumlrdigkeit der Fuumlhrungldquo (Kruse 2005 S 7) Pro-gression als kreative Entwicklung durch Prozessmusterwechsel speist sich aus der bdquoVi-sionldquo (Kruse 2004 S 69) nicht aus Zielen

Die Abbildung 2 zur Next Practice visualisiert das Entwicklungspotenzial das aus dem Wechsel zwischen Optimierung und Entwicklung zwischen Stabilitaumlt und Insta-bilitaumlt sowie zwischen Arbeiten im und am System entsteht bdquoIm Systemldquo ist es moumlg-lich zu optimieren Ablaumlufe zu verbessern Qualitaumlt zu sichern und auch zu steigern und das Bestehende zu stabilisieren Mit der Situierung bdquoam Systemldquo erweitert sich das Spektrum der Loumlsungsmoumlglichkeiten Situationen koumlnnen neu bewertet werden Allianzen gebildet oder Regeln uumlberdacht bdquoAm Systemldquo passieren die Uumlbergaumlnge dort wird Instabilitaumlt zur Voraussetzung des Wandels bedeutet Loslassen ein Risiko und zugleich eine Chance den notwendigen Freiraum fuumlr Neues zu schaff en (Schley amp Schley 2010 S 28) Nach jeder Entwicklungsphase folgt eine neue Phase der Verbes-serung das Niveau steigt dabei stetig an (siehe Abbildung 3) Die Phasen selbst koumln-

Verbesserungen

Entwicklungendurch Musterwechsel

Exzentrizitaumlt amp Mehrperspektivitaumlt

kreative Stoumlrung(en)

Instabilitaumlt

Stabilitaumlt

Good Practice

Best Practiceneu

e Stab

ilitaumlt

schaff

en

Next Practice

Double-Loop-Lernen

Single-Loop-Lernen

Prozess der NeuorientierungArbeiten am System

Prozess der OptimierungArbeiten im System

Implementation Transfer Progression und Transformation 85

nen zeitlich sehr voneinander abweichen je nachdem wie lange eine Stabilitaumlt auf-rechterhalten wird bzw werden kann7

Ein- und Zweischleifenlernen ist in Bezug auf den Bezugspunkt der Refl exion zwi-schen Vergangenheit und Zukunft zwischen Refl exion und Profl exion (Fischer 2007 Fischer-Buck 2004) zwischen Retrospektion (lat retro ruumlckwaumlrts zuruumlck specere schauen betrachten) und Prospektion (lat prospectare Ausschau halten in die Fer-ne schauen) verankert Verbesserungslernen regt das Zuruumlckdenken und Arbeiten mit Erfahrungen und explizitem Wissen an Veraumlnderungslernen hingegen das Vor-ausdenken8 und die Arbeit mit implizitem Wissen (Werten Haltungen Beliefs usw) wodurch auch intangibles holistisches Wissen (Spirit Empathie) moumlglicherweise ex-plizierbar wird und nach Scharmer (2009) emporkommen kann Loumlsungen werden demnach nicht nur durch das Refl ektieren vergangener Probleme Schwaumlchen und De-fi zite gefunden sondern aktiv durch das Profl ektieren und das Prospektieren von zu-

7 Die Verbesserung ist ein wichtiges Prinzip in der Schulentwicklung um fortwaumlhrend besse-re Qualitaumlt anzustreben und gute Qualitaumlt zu sichern Die Entwicklung ist ein Prinzip in der Schulentwicklung um auch die Defi nition von Qualitaumlt zu hinterfragen und die Bedeutung von Qualitaumlt zu entwickeln

8 Das Vorausdenken erweitert die Perspektiven und ermoumlglicht die Veraumlnderungen und den Wandel von Grundprinzipien Werten und Annahmen (durch die Fragen Wohin Wozu Wie wollen wir sein) Das Zuruumlckdenken stabilisiert oft mals die Grundprinzipien und Werte als Erklaumlrung(en) fuumlr das bereits Geschehene (durch die Fragen Warum Wie haben wir es ge-tan)

good

practice

vergangener

Status quo

neuer

Status quo

Kontinuum

Integration

Transformation

Chaos

Aumlnderungsimpulse

IrritationIntervention

kreative Stoumlrung

Inkongruenzerfahrung

Perf

orm

anz

best

practice

next

practice

Single-Loop-

Lernen

neue Stabilitaumlt schaffen

Instabilitaumlt

Verbesserung

Entwicklung

Entwicklung

Hier und Heute

vergangenheitsbasiert zukunftsorientiert

Verbesserung

Stabilisierung durch

Beziehung Praumlsenz Haltung

Instabilitaumlt

Single-Loop-

Lernen

Double-Loop-

Lernen

Abbildung 3 Das Modell der Entwicklung und Verbesserung (eigene Darstellung in Anlehnung an Glass 2003 und Appelo 2011)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 86

kuumlnft igen Visionen9 Neuorientierungen und Zielbildern10 im Hier und Heute (Gegen-wart)

Bestimmte Herausforderungen lassen sich bdquonicht durch eine Refl exion von Erfah-rung also nicht durch eine Refl exion der Vergangenheitldquo (Schratz 2014 S 19) loumlsen Vertrauen und Intuition Eigendynamiken und Selbstverantwortung werden zu zen-tralen Erfolgsfaktoren und Gelingensbedingungen (Kruse 2005) Sowohl die Funk-tionsoptimierung (Kruse 2004) als auch das Veraumlnderungslernen (Argyris amp Schoumln 1999) werden oft mals als Angriff auf etwas Etabliertes gesehen ihnen wird in der Re-gel mit Misstrauen begegnet und sie werden als Verlust von Sicherheit und Stabilitaumlt erlebt (Schratz 2009) Bei Funktionsoptimierungen kann jedoch auf bereits bestehen-de Muster zur Stabilisierung von Unsicherheit zuruumlckgegriff en werden Dabei kom-men zwar oft mals auch Bedrohungen Widerstaumlnde und Verunsicherungen auf jedoch greifen die vorhandenen Rollen und Skripte und bisherige Erfahrungen eroumlff nen eine Chance auf relativ stoumlrungsfreie Tradierung

Kerngedanke 2 die Verortung von Daten

Bei der Arbeit mit Evidenzen als Basis fuumlr Qualitaumltsentwicklung besteht eine Herausfor-derung darin zwischen den vielfaumlltigen Arten und Moumlglichkeiten von Daten zu unter-scheiden und deren Qualitaumlt zu bestimmen Kerngedanke 2 nimmt sich der Klaumlrung an mit welchen Arten von Daten wir bei einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichts-entwicklung arbeiten Ohne ein tieferes Verstaumlndnis der Herkunft der Daten ist es oft -mals schwer Entwicklungsideen undoder Verbesserungspotenziale zu erkennen Allzu leicht diskutiert man uumlber Unveraumlnderbares und uumlbersieht Moumlglichkeiten Chancen und das Off ensichtliche Maszlignahmen umzusetzen und Prozesse zu veraumlndern benoumltigt die Einsicht in die Grenzen und Moumlglichkeiten verschiedener Arten von Daten

Ein Entwurf eines Modells der Schulentwicklung durch Evidenz(en) benoumltigt neben einem Modell der Entwicklung und Verbesserung einen Ansatz der Diff erenzierung und Verortung von Daten Um die Vielfalt und Mannigfaltigkeit von (potenziellen) Daten als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage fuumlr Fuumlhrungspersonen als auch in sozialen Systemen zu erkennen braucht es Systematiken und Strukturen um das Angebot der zur Verfuumlgung stehenden Daten kategorisieren und katalogisieren zu koumlnnen Dies dient den Bedeutungstraumlgern im System ndash Lehrerinnen und Lehrern Schulleitungen Vertreterinnen und Vertretern der Schulaufsicht und der Bildungsad-

9 Eine Vision ist eine Vorstellung oder auch Idee aber nicht ein exakt fassbarer Sollwert Eine Vision ist kein Ziel (Kruse 2004 S 69)

10 Zielbilder sind gepraumlgt durch Werte Beliefs Lebenserfahrung und Lebenssinn Die aktuelle Umwelt und die Atmosphaumlre an einer lernenden Schule (lernende Organisation) sind ein Kon-fl ux aus Visionen Zielen Strategien Standards Ritualen Kooperationen usw Sie beschreiben den Moumlglichkeitsraum einer Schule und die Orientierung in die Zukunft (Scharmer 2009) Zielbilder sind vielmehr wie eine Zeichnung oder ein Gemaumllde Organigramme und Prozessvi-sualisierung sind keine Zielbilder

Implementation Transfer Progression und Transformation 87

ministration ndash dazu das Angebot erfassen diff erenzieren verstehen und integrieren zu koumlnnen

Das dynamische System (in horizontaler Richtung gedacht) benennt drei grundle-gende Auspraumlgungen von Daten (Input Prozess Output) zur Erfassung und Beurtei-lung von Schulqualitaumlt (vgl Levin 1974a Scheerens 1990 Creemers 1993 Posch amp Altrichter 1997 Dubs 1996 Ditton 2000 Ditton amp Muumlller 2011 Lai amp Schild-kamp 2013 Huber et al 2014) Die Grundlagen der Unterteilung stammen aus dem bdquoconcept of accountability in educationldquo von Levin (1974b 1976) und gehen auf Ent-wuumlrfe von Averch Carroll Donaldson Kiesling und Pincus (1972) zuruumlck um die Eingangsbedingungen (Inputs) die Prozesse und die erzielten Ergebnisse (Outputs Outcomes) von Schule zu betrachten Ikemoto und Marsh (2007 S 110) unterschei-den Daten noch etwas diff erenzierter indem sie dieser Systematik bdquosatisfaction dataldquo hinzufuumlgen sowie nach der Anzahl der Quellen (eine gegenuumlber mehreren Datenquel-len mehrere Personen oder Gruppen usw) deren Art (primaumlre oder sekundaumlre Quel-len) und dem Detaillierungsgrad (aggregierte oder nicht aggregierte Daten) diff eren-zieren11

Input-Daten (Input)Aus der Perspektive einer Einzelschule gehoumlren zu den Inputfaktoren neben den fi -nanziellen materiellen und personellen Ressourcen und Arbeitsbedingungen (Lehr-buumlcher raumlumliche Ausstattung Infrastruktur der Schule Hausordnung Handreichun-gen usw) auch die strukturellen Bedingungen des jeweiligen Schulsystems (Gesetze Verordnungen Weisungen Autonomiegrad usw) Aus der Perspektive der Einzel-schule (Schulebene) zaumlhlen Scheerens (1990) sowie Lai und Schildkamp (2013) zu Input-Daten insbesondere die Charakteristika der Schuumllerschaft (z B soziooumlkono-mischer Status Schulabbruch Erstsprache Fehlzeiten usw) und Daten uumlber die Merk-male der Lehrenden und die paumldagogische Fuumlhrung (z B Alter Geschlecht Pensio-nierung Faumlcherverteilung Qualifi kation und Zusatzausbildung usw)

Prozessdaten (Process)Prozessdaten beziehen sich im Allgemeinen auf Merkmale die veraumlnderbar sind (Scheerens 1990) und beschreiben wie Unterricht am Schulstandort ablaumluft wie Lerngeschehen oder Classroom-Management gestaltet wird wie Arrangements der Beurteilung aussehen welche Verbesserungs- und Entwicklungsszenarien und -strate-gien am Standort verfolgt werden (vgl Lai amp Schildkamp 2013) Auch Merkmale der Unterrichtssituation (die Art und Weise des Unterrichtens die Wissensvernetzung Aktivierung [Lern-]Freude Lernzeit usw) und die Einbeziehung der Schuumllerinnen und Schuumller bdquoin die Entscheidungen uumlber Ziele und Lernaktivitaumltenldquo (Posch amp Alt-richter 1997 S 15 vgl Scheerens 1990) gehoumlren zu dieser Kategorie von Daten Pro-zessdaten entstehen auf Schul- und Unterrichtsebene auch auf der Grundlage von Hospitationen Peer-Reviews und beschreibenden Analysen wie etwa dem School

11 Bei der Diff erenzierung von Daten muss darauf geachtet werden dass die Zuordnung zu ei-ner Datenart jeweils aus einer Perspektive vorgenommen wird da z B die Output-Daten einer Ebene in gewissen Faumlllen Input- oder Prozess-Daten einer anderen Ebene sein koumlnnen

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 88

Walkthrough (Hofb auer amp Westfall-Greiter 2015 vgl Wiggins amp McTighe 2005) oder dem Classroom Walkthrough (Downey Steff y English Frase amp Poston 2004 Kachur Stout amp Edwards 2010 2013 Schwarz 2011)

Ergebnisdaten (Output Outcome)Ergebnisdaten12 (Output Outcome) beziehen sich bdquoauf die Ergebnisse von schulischer Arbeitldquo (Posch amp Altrichter 1997 S 16 vgl Scheerens 1990) und sind damit Daten zur Schulleistung Bewertungsergebnisse schrift liche und muumlndliche Pruumlfungen Port-folios und Zeugnisse Ergebnisdaten koumlnnen auch als erworbenes Selbstkonzept der Lernenden in einem Fach als bdquoLehrerleistungenldquo oder als bdquoErgebnisse der schulischen Betriebsfuumlhrungldquo (Posch amp Altrichter 1997 S 16) vorliegen

Daten zur Zufriedenheit (Satisfaction)Daten zur Zufriedenheit (Satisfaction) beschreiben durch aggregierte Einschaumltzungen z B die Schulkultur und ergeben sich damit aus den Meinungen von Schuumllerinnen und Schuumllern Lehrpersonen Eltern usw zur Atmosphaumlre zum Ethos zur Haltung Praumlsenz Beziehung und zum Schul- und Klassenklima zum Unterricht oder auch zur Disziplin (Ikemoto amp Marsh 2007 vgl Lai amp Schildkamp 2013) Auch Ruumlckmeldun-gen hinsichtlich bestimmter gesetzter Schwerpunkte an einem Schulstandort koumlnnen hier einbezogen werden Daruumlber hinaus koumlnnen die Zufriedenheit nach dem Wer-degang der Absolventinnen und Absolventen nach einem bestimmten zeitlichen Ver-lauf oder das (oumlff entliche) Ansehen einer Schule13 erfragt und herangezogen werden (vgl Posch amp Altrichter 1997) Zufriedenheitsdaten sind gekennzeichnet dadurch dass sie sich aus subjektiven Einschaumltzungen speisen Eine Einbeziehung der Meinung relevanter Personengruppen ist ebenso wichtig wie objektiviert erhobene Input- Pro-zess- oder Outputdaten Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Qualitaumlten von Daten naumlmlich zwischen subjektiven Einschaumltzungen und Bestrebungen zur objek-tivierten Erfassung von Input Prozess Output und Outcome ist fuumlr eine fundierte Qualitaumltsentwicklung und -sicherung unabdingbar

Aus diesen Zugaumlngen lassen sich nun die Verortungen darlegen (vgl Abbildung 4)

12 Ergebnisdaten unterscheiden sich in Output-Daten als direkte unmittelbare Ergebnisse und Outcome-Daten als kuumlnft ige langfristige (Aus-)Wirkungen aufgrund der Output-Daten (vgl Klieme amp Tippelt 2008) Ein Wissenszuwachs (gemessen am Output) kann zu einer Veraumlnde-rung z B der Handlungen Werte und des Engagements (ersichtlich als Outcome) fuumlhren

13 Posch und Altrichter (1997) teilen z B das Ansehen einer Schule und die Zufriedenheit der Schuumllerinnen und Schuumller den Ergebnisdaten zu Lai und Schildkamp (2013) ordnen diese dem Begriff der Kontextdaten zu fuumlr Ikemoto und Marsh (2007) sind es Daten zur Zufrieden-heit Es liegt keine eindeutige Uumlbereinstimmung zwischen den Autorinnen und Autoren vor wodurch bei der Ausschaumlrfung noch einige Fragen off enbleiben wir hier jedoch die vorliegen-de Zuteilung vornehmen

Implementation Transfer Progression und Transformation 89

Abbildung 4 Das dynamische Modell moumlgliche Entscheidungs- und Handlungsbereiche im Schul- und Bildungswesen (eigene Darstellung)

Hinsichtlich der Kategorisierung und Katalogisierung von Daten schreibt Maritzen (2014) mit Blick auf Deutschland Wenn man im Bereich der Schulentwicklung bdquoge-rade die Entwicklungsfunktion datengestuumltzter Ruumlckmeldungen staumlrkenldquo will dann bdquosind die schulbezogenen Ergebnisdaten [hellip] zum einen durch die Ruumlckmeldung von Daten zu innerschulischen Prozessen und durch systematische Bereitstellung von ein-zelschulischen Kontextdaten (Zusammensetzung der Schuumllerschaft Spezifi ka des schu-lischen Umfelds usw) zu ergaumlnzenldquo (S 411) Aus diesem Verstaumlndnis heraus ist eine wesentliche Gelingensbedingung fuumlr eine (evidenzorientierte) Unterrichts- und Schul-entwicklung die vielfaumlltige und mehrperspektivische Zusammenstellung von Daten als Quelle fuumlr Re-Profl exionen Entscheidungen und Handlungen

Eine Diff erenzierung zwischen Datenarten stellt eine wichtige Basis fuumlr Refl exions- und Profl exionsarbeit dar Input-Daten zu Schuumllerschaft und Lehrpersonen sowie Daten zur Zufriedenheit bzw Wohlbefi nden soziale Einbettung Lernfreude usw wer-den in der Fachliteratur jedoch oft mals unter dem Sammelbegriff Kontextdaten zu-sammengefasst Der Begriff Kontexte (lat contexere zusammenweben) diff erenziert die Daten meist wenig und grenzt sie oft mals nur von den kognitiven Output-Daten (Leistung) ab Mit den Kontextdaten werden dann meist kognitive Leistungsunter-schiede zu erklaumlren versucht Die Komplexitaumlt des Zusammenwirkens von Input Pro-zessen Output und Zufriedenheitsdaten wird damit jedoch nicht abgebildet wodurch die Bedeutungsmoumlglichkeiten der Daten wesentlich eingeschraumlnkt werden So hinter-fragen Frohn und Heinrich (2018) inwiefern die Kompetenzorientierung gegenwaumlrtig vor allem eine reine bdquoVerkuumlrzung des Kompetenzbegriff s auf die Leistungsdimension im oumlff entlichen Diskursldquo (S 157) darstellt indem Kontexte meist nur zur Erklaumlrung von (kognitiven) Leistungen beruumlcksichtigt und nicht als integraler Bestandteil eines umfassenden Kompetenzbegriff s gesehen und fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung kaum genutzt werden Allerdings umfasse ein diff erenziertes Lehr-Lern-Geschehen alle bdquoKonnotationen des Kompetenzbegriff sldquo (Frohn amp Hein-rich 2018 S 157) wie z B Kritikfaumlhigkeit Evaluative Judgement Kooperation Parti-zipation Motivation gegenseitige Wertschaumltzung und Beziehungsfaumlhigkeit

Gesetze

Schulform

Infrastruktur

Hausordnung

Lehrmaterialien

hellip

Input Prozess Output

Lerngeschehen

Lernaktivitaumlten

Klassenfuumlhrung

SchoolClassroom

Walkthrough

hellip

Leistung

Kompetenzen

Kritikfaumlhigkeit

hellip

Outcome

Chancen

Wohlbefinden

staatsbuumlrgerliches

Engagement

Kultur

hellip

ZufriedenheitSchul- und Klassenklima Beziehung Atmosphaumlre Ansehen hellip

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 90

Eine weitere Moumlglichkeit der Verortung von Daten ist der Entwurf des Mehrebe-nensystems welches oft mals hierarchisch in einer vertikalen stufenfoumlrmigen Richtung gedacht wird und Daten Informationen und Wissen (Willke 1998) z B von Quali-taumlt von Schule (meist) in vier Ebenen mit verschachtelten Strukturen gliedert (Fend 2001 Fend 2006 und dann Ditton amp Muumlller 2011 von Saldern 2010)

Individualebene oder personale Ebene (Mikroebene)1) Die Schuumllerin und der Schuumller die Lehrerin und der Lehrer usw

System-Subsystemebenen (Meso- Exo- und Makrosystem)2) das Lehr-Lern-Geschehendie Lehr-Lern-Situation (Unterrichts- bzw Klassenebe-

ne) als Setting 3) die Schule an einem Standort (Schulebene) in 4) einem sozial-regionalen Kontext (z B Regionalebene Schulsystem)

Die jeweilige houmlhere Ebene wird als Unterstuumltzungssystem und als Handlungsrah-men betrachtet (Ditton 2000 Fend 2006 Helmke 2012 Scheerens 2016) Die Ebe-nen koumlnnen zusaumltzlich in Dimensionen unterteilt werden wie z B Schule in Schul-form (Ditton amp Muumlller 2011) Das Handeln der Akteurinnen und Akteure auf den Ebenen ist jedenfalls bdquovon den Vorgaben der sbquouumlbergeordnetenlsquo Ebene und den jeweili-gen situativen Gegebenheiten der Handlungsanforderungen der jeweiligen Ebene ab-haumlngigldquo (Fend 2017 S 38) Wie erfolgreich der bildungspolitische und buumlrokratische Input (nach einer Implementierung) umgesetzt wird ist bdquoauf Schulebene die zentra-le Qualitaumltsperspektiveldquo (Steff ens Maag-Merki amp Fend 2017 S 10) Bedeutsam ist je-doch die Tatsache dass auf jeder Ebene wiederum das dynamische Modell vorzufi n-den ist Zu jeder dieser Ebenen koumlnnen Daten Informationen und Wissen (Willke 1998) erhoben oder herangezogen und systematisiert und strukturiert werden um re-liable und valide Aussagen uumlber die Qualitaumlt einer Ebene treff en zu koumlnnen Dabei koumlnnen die Daten jeder Ebene in Input- Prozess- Output- Outcome- und Zufrie-denheitsdaten gegliedert werden Bei der detaillierten Ausschaumlrfung des Mehrebenen-systems sind nach Fend (2017) noch viele Forschungsfragen off en Besonders aus der Perspektive der Schulentwicklung ist die laumlngsschnittliche Wirksamkeit im Mehrebe-nenmodell durch Veraumlnderungsprozesse und Interventionen bislang noch nicht hin-reichend wissenschaft lich erforscht (Klieme amp Steinert 2009)

Diese beiden Modelle das dynamische Modell und das Mehrebenenmodell stellen die wesentlichen Orientierungspunkte fuumlr die Verortung von Daten dar Sie tun dies aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln Waumlhrend das dynamische Modell die Daten anhand eines Prozessmodells strukturiert fokussiert das Mehrebenenmodell die ver-schiedenen Aggregationsebenen des Bildungssystems Um eine klare Ausgangsbasis in der Qualitaumltsverbesserung und -entwicklung zu haben ist die Kombination der bei-den Modelle erforderlich Dies ist insbesondere wichtig da die Output-Daten einer Ebene ggf die Input-Daten einer anderen Ebene darstellen koumlnnen und eine zutref-fende Einordnung von Daten so nur durch die Kombination ermoumlglicht wird

Implementation Transfer Progression und Transformation 91

Kerngedanke 3 die Diff erenzierung von Daten verstehen

Die Qualitaumlt von Daten zu verstehen und zu erkennen ob Daten wissenschaft liche Guumlte-kriterien erfuumlllen oder ob Informationen eine praxisnahe essenzielle Annaumlherung an den Prozess des Unterrichtens erlauben ist eine besondere Gelingensbedingung einer evidenz-orientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung Die Qualitaumlt von Daten bestimmt welche Entscheidungen und Handlungen in und durch Lerngemeinschaft en ableitbar sind Sie bestimmt das zukuumlnft ige praxisnahe Wissen und die Bedeutung von Daten fuumlr das aktive Tun Nach der Verortung der Daten geht es im Besonderen auch um die Vielfaumlltigkeit und Diff erenzierung der Qualitaumlt von Daten Lai und Schildkamp (2013) unterscheidet in unterschiedliche Qualitaumlten von Daten und unterteilt diese in informelle formelle und wissenschaft liche Daten In Anlehnung daran verwenden wir den Begriff der in-formellen Daten dafuumlr wenn diese z B von Lehrpersonen oder der Schulleitung ge-legentlich spontan gesammelt werden beispielsweise waumlhrend des Unterrichts (z B unstrukturierte Unterrichtsbeobachtungen Diskussionen in der Klasse Auff aumllligkei-ten bei einzelnen Schuumllerinnen und Schuumllern) Diese Daten koumlnnen in einem Prozess eingesetzt werden der als situative Beurteilung der Lernaktivitaumlten (Formative Assess-ment) bezeichnet wird (Black amp William 1998 S 140 Kippers Schildkamp amp Poort-man 2016 LaPointe-McEwan et al 2017 Van der Kleij et al 2015) Formelle Daten sind systematisch gesammelte quantitative und qualitative lokale Schul- und Unter-richtsdaten wie beispielsweise Schuumllererhebungen Leistungsmessungen und Unter-richtsbeobachtungen Eine weitere Quelle sind wissenschaft liche Daten die beispiels-weise aus der einschlaumlgigen Fachliteratur stammen und in der Schulpraxis eingesetzt werden koumlnnen (Stoll et al 2016 Brown et al 2017 Schildkamp 2017) jedoch nicht an den Schulen selbst erzeugt werden (koumlnnen) Diese Daten liegen z B auch aus For-schungsprojekten (z B Erhebungen Evaluationen Studien Experimente) vor welche zwar meist nicht lokal als Daten vom Standort selbst verwendet werden koumlnnen je-doch als Impulse fuumlr eine Schul- und Unterrichtsentwicklung am Standort herangezo-gen werden koumlnnen

Zur weiteren Diff erenzierung von Daten fuumlhren wir noch Register- bzw Verwal-tungsdaten sowie in Anlehnung an Specht (2002) wissenschaft liche Referenzdaten (im Sinne von wissenschaft lichen Vergleichsdaten) ein Vergleichs- bzw Referenzdaten sind Daten die bei Messungen (z B Stichproben Vollerhebungen) mit direktem Be-zug fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwicklung fuumlr jede einzelne Schule nach wissen-schaft lichen Guumltekriterien standardisiert erhoben werden (vgl Terhart 2002) und als Referenz dienen (z B Erreichung von Kompetenzstufen Leistungsvergleiche Schul-klima Fairer Vergleich von Schulen usw) Referenzdaten fuumlr schulische Qualitaumlt zei-gen grundsaumltzlich eine bdquoRichtung fuumlr kuumlnft ige Entwicklungen anldquo (Schratz amp West-fall-Greiter 2010 S 27)14 Daruumlber hinaus koumlnnen Register- und Verwaltungsdaten

14 Die an wissenschaft lichen Erhebungen ausgerichteten Entwicklungen schaff en Sicherheit in der Orientierung und tragen dazu bei dass die unterschiedlichen Lehrerinnen in der Schule und in ihrem Unterricht auf ein gemeinsames (Qualitaumlts-)Ziel(bild) hinarbeiten indem sie sich mit

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 92

fuumlr die Schulentwicklung am Standort durch die direkte Verfuumlgbarkeit fuumlr Schulen von Interesse sein wie z B Einzugsgebiet der Schuumllerinnen und Schuumller Teilnahme an Foumlrderkursen Migrationshintergrund usw Im Unterschied zu Referenzdaten wer-den Registerdaten oft mals nur wissenschaft sbasiert (und haumlufi g nicht standardisiert) erhoben und sind in der Qualitaumlt der wissenschaft lichen Guumltekriterien sowohl For-schungsdaten als auch Referenzdaten nicht gleichzusetzen15 Van Ackeren et al (2017 S 251) unterscheiden zusaumltzlich zwischen wissenschaft lich-empirischen Studien und Vergleichsarbeiten sowie Schulinspektionen als bdquoEvidenzen im engeren Sinneldquo einer-seits und kollegialen Hospitationen und Schuumllerfeedbacks als bdquoEvidenzen im weiteren Sinneldquo andererseits ndash auch diese Unterscheidung moumlchten wir fuumlr die Verortung der Daten aufgreifen

Die unterschiedlichen Aspekte Kriterien und Kontexte und die damit verbunde-nen Niveaus Auspraumlgungen ihre Beschaff enheit und die Guumlte von Daten koumlnnen fuumlr Pro-Refl exionsprozesse Entscheidungsfi ndungen und (kuumlnft ige) Handlungen einge-setzt werden (Lai amp Schildkamp 2016 Wiesner Schreiner Breit Kemethofer George amp Angerer 2016 LaPointe-McEwan DeLuca amp Klinger 2017 Van der Kleij et al 2015 Schildkamp 2017) Daraus ergibt sich eine groszlige Vielfalt und Diff erenzierung von Daten fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung (vgl Tabel-le 1)

Eine Herausforderung die in der Fachliteratur als bestehendes Problem (und noch ohne Loumlsung) angesprochen wird ist die Doppel- und Dreifachfunktion bzw Mehr-fachnutzung von Daten z B von Lernstandserhebungen und Kompetenzmessungen unter unterschiedlichen Blickwinkeln etwa sowohl unter der Perspektive der Entwick-lung als auch unter jener der Kontrolle Hiermit wird zumindest die gelebte Dualitaumlt von Daten derselben Quelle angesprochen Van Ackeren (2003) beschreibt die Mehr-fachnutzung als Mischmodell bdquoPressure and Supportldquo (S 276) Waumlhrend Pressure eine Datenquelle als top down im Sinne eines Rechenschaft slegungsinstruments beschreibt kann eine Datenquelle im Support-Modus als buttom up eigenverantwortlich und ent-wicklungsorientiert von Schulen genutzt werden Auch Kompetenzmessungen (z B Standarduumlberpruumlfung in Oumlsterreich IKM ndash Informelle Kompetenzmessung) im Hin-blick auf Verbesserungen und Veraumlnderungen des Unterrichtens (Unterrichtsebene) im zeitlichen Verlauf als Wendelsystem bzw heraklitische Spirale (Petzold 1988) koumln-nen im Sinne einer formativen Ruumlckmeldung (formativ und komplex) die (Weiter-)Entwicklung der Prozesse unterstuumltzen Schul- und Unterrichtsentwicklung benoumltigt jedoch immer eine angemessene Komplexitaumlt d h neben Leistungsdaten jedenfalls Kompetenzstufen und relevante Kontexte um vor Ort ressourcenorientierte Verbes-serungen und Veraumlnderungen zu ermoumlglichen Die Idee der Kontrolle beruht in der Regel auf einfachen Indikatoren was dazu fuumlhrt dass Komplexitaumlt so stark reduziert

qualitaumltsvollen Referenzdaten auseinandersetzen Alle an Schule Beteiligten erhalten dadurch mehr Vertrauen und Transparenz uumlber die Entwicklung von Schule und Unterricht (Schratz amp Westfall-Greiter 2010)

15 Register als Datengrundlage ermoumlglichen eine Vielzahl von Fragestellungen jedoch um moumlg-lichst viele Faktoren zu beruumlcksichtigen und beobachtete Eff ekte moumlglichst einer Intervention wissenschaft lich zuschreiben zu koumlnnen bdquoist ein gutes Studiendesignldquo (Jenkner Muumlller-Rath Miltner amp Niemeyer 2017) unabdingbar

Implementation Transfer Progression und Transformation 93

wird dass die Wirklichkeit nicht mehr angemessen abgebildet wird etwa wenn Leis-tungsdaten in Form von ausschlieszliglich Schulmittelwerten zur Beurteilung der bdquoSchul-qualitaumltldquo herangezogen werden

Zentrale standardbasierte Lernstandserhebungen und wissenschaft liche Ver-gleichsarbeiten als Kernelement von evidenzorientierter Unterrichts- und Schul-entwicklung beziehen sich auf bdquoKompetenzentwicklungenldquo und nicht bdquoauf das un-mittelbar vorangegangene Unterrichtsgeschehenldquo Ihr Schwerpunkt bezieht sich bei Vergleichen und Referenzwerten besonders auf eine bdquokriterielle Orientierungldquo und sie geben wissenschaft lich zuverlaumlssige Informationen zum erreichten Lernstand in Teilbereichen der Faumlcher auf der Ebene von KlassenKursen auf der Ebene von Jahrgangsstufen und auf der Ebene von SchulformenBildungsgaumlngenldquo (EMSE 2006 S 2 Steff ens 2010) Dabei sind Lernstandserhebungen und wissenschaft liche Ver-gleichsstudien bdquokein originaumlres Instrument der Individualdiagnostik Auf Individual-

Daten Informelle Daten

Formelle Daten

Register-daten

Referenz-daten

Forschungs-daten

Strukturiertheit gelegentlich (on-the-fly) spontan ge-sammelt keine Guumltekriterien

systematisch vor Ort gesammelt wissenschaftsbasiert geringe Beachtung der wissenschaftlichen Guumltekriterien

systematisch gesammelt wissen-schaftlich und meist unabhaumlngig erhoben Beachtung wissen-schaftlicher Guumltekriterien (objektiv valide reliabel)

Erhebung intern extern

Evidenz im weiteren Sinne im engeren Sinne

Bezugsnorm individueller sozialer Vergleich individueller sozialer Vergleich

kriterialer individueller sozialer und fairer Vergleich

Beispiele unstrukturierte lokale Unter-richtsbeobach-tungen gefuumlhr-te Gespraumlche Diskussionen in der Klasse in Bezug zur taumlg-lichen Praxis

quantitative und qualitative lokale Schul- und Unter-richtsdaten bzw auch lokal-zentrale Tests

Verwaltungs-daten (z B Abschluumlsse an einem Stand-ort) behoumlrd-liche Daten Kontrolldaten (Ressourcen-anforderung und -verbrauch)

Schul- und klassenbezoge-ne Daten aus wiss Studien Uumlberpruumlfungen fuumlr die Schule undoder den Unterricht an einem Standort (Schulruumlck-meldung Unterrichtsruumlck-meldung)

Daten aus Studien Forschungen Uumlberpruumlfungen und Testungen (randomisiert und kontrolliert doppelblind usw) nicht fuumlr die Schule an einem Standort erhoben (z B Stichproben) Metastudien

Ziel situative Aumlnde-rung und Ver-besserung von Lernaktivitaumlten in der Klasse individuelle Foumlrderung

Entwicklung und Opti-mierung von Unterricht in der Klasse und Un-terrichtspraxis an der Schule individuelle Foumlrderung

Ressourcen-vergabe Kontrolle KonsequenzenSteuerung

Entwicklung und Optimie-rung von Unter-richt und Schule am Standort

Impulse fuumlr Ent-wicklung und Verbesserung von Unterricht und Schule als System Grund-lagenforschung

Tabelle 1 Daten ndash Vielfalt Diff erentes und Divergentes

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 94

ebene sind die skalierten Ergebnisse deutlich messfehlerbehaft et wobei die Messfeh-ler in den Randbereichen des Leistungskontinuums besonders zum Tragen kommenldquo (EMSE 2006 S 3) Die Daten aus diesen Erhebungen sind primaumlr fuumlr eigenverant-wortliche lernende Schulen gedacht und foumlrdern die Professionalisierung der Lehr-personen an den Schulen Eine Doppelfunktion bei der die Daten einerseits der oumlf-fentlichen Rechenschaft slegung und Kontrolle der Leistung der Schulen durch die Verwaltung dienen und andererseits die Entwicklung der Schulen und des Unterrichts am Standort speisen sollen ist i d R nicht zweckdienlich

Abbildung 5 Architektur der Evidenzorientierung (in Anlehnung an Coburn amp Turner 2011 Ikemoto amp Marsh 2007 Mandinach Honey Light amp Brunner 2008 Marsh 2012 North 2016 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018 ausgehend von Willke 1998 2011)

Sollen Daten fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung verwen-det werden ist zunaumlchst eine Systematisierung Priorisierung und Fokussierung er-forderlich Daten legen in einem System fest was gesehen wird und was nicht (blin-de Flecken) Diese Uumlberlegung zeigt dass es qua Beobachtung nur konstruierte Daten d h beobachtungsabhaumlngige Daten geben kann (Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) Erst durch Bedeutungen Kontexte und ihre Relevanz fuumlr den Standort wer-den Daten zu akzeptierbaren und akzeptierten wie auch argumentierbaren Informa-tionen Dabei sind Informationen systemisch relevante Daten und werden wieder-um nur durch Praxisbezug und Erfahrungen zu Wissen (vgl Abbildung 5) bdquoWissen ist das Ergebnis eines Verstehensprozesses der sich durch die Einordnung von Infor-mation in einen Kontext auf Basis individueller Erfahrungen vollziehtldquo (Klein 2001 S 73) Wissen ist demnach nicht gleichzusetzen mit verfuumlgbaren Daten oder Infor-mationen Das Generieren von Wissen ist verbunden mit der Faumlhigkeit selektieren-de strukturierende (re-)organisierte und damit systematisch-geordnete (integrative) Aussagen Erklaumlrungen und Urteile uumlber Daten und Informationen als Beweise bzw

Evidenzorientierung woraus ersehen werden kann

Datenndash Input

ndash Prozess

ndash Ergebnisse (Output-come)

ndash Zufriedenheit

Information

Wissen

Handeln

Wirkung

Realisierung

Feedback

Daten sind der Rohstoff fuumlr alles Wissen

+ Kontext(e)

+ Bedeutung(en)

+ Relevanz

+ Vernetzung

+ Praxisbezug

+ Erfahrung(en)

+ Koumlnnen

+ Anwendungsfeld(er)

+ handlungsrelevantes Verstehen

systematische ampwissenschaftliche

Wahr-nehmung

Beobachtung

System

Region

Schule

Unterricht

Implementation Transfer Progression und Transformation 95

uumlber Beweisketten herstellen zu koumlnnen Der Wert des Wissens wird fuumlr die Schule bzw den Unterricht dann erkennbar wenn Wissen in Koumlnnen transferiert oder trans-formiert wird Entscheidungsmoumlglichkeiten fuumlr ein bewusstes Handeln entstehen und dieses Handeln in Anwendungsfeldern sinnvoll umgesetzt wird Das Rohmaterial fuumlr professionelle Refl exion und Profl exion ist in diesem Sinne die Evidenz als klare Ge-wissheit mit der einer Erkenntnis durch Beweise sowie durch Urteilen und Hinterfra-gen zugestimmt werden kann

Kerngedanke 4 Professionelle Lerngemeinschaften und Netzwerke foumlrdern

Professionelle Lerngemeinschaft en stellen die wesentliche Bedingung fuumlr eine evidenz-orientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung dar Sie sind der Impuls Durch die viel-faumlltigen Herangehensweisen der einzelnen Personen entstehen die Ideen Entwuumlrfe und Prototypen Damit sind Menschen der zentrale Aspekt des Gelingens Gleichzeitig haben wir gelernt dass Situationen und Th emen in Lerngemeinschaft en ebenso eine Variation von Impulsen als Anregung benoumltigen und zwischen einem Verbesserungs- und Veraumlnde-rungslernen diff erenziert werden muss um durch Abwechslung Neugierde und Faszina-tion zu motivieren an langfristigen Prozessen und (muumlhsamen) abstrakten Konzepten dranzubleiben Vieles geht auch durch Humor

Um Daten professionell zu bearbeiten (Refl exions-Profl exionsarbeit) und daraus In-formationen und Wissen zu generieren und Handlungen am Standort abzuleiten be-noumltigen wir eine wirksame eigenverantwortliche und auch begleitbare Professiona-lisierung der Profession in Form von Lerngemeinschaft en und Lernnetzwerken Im Kontext einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung hat sich in den vergangenen Jahren das Arbeiten in Professionellen Lerngemeinschaft en (PLG) und in Lernnetzwerken (PLN) als besonders wirkungsvoll gezeigt (vgl Lieberman 2000 Stoll amp Seashore Louis 2007 Brown amp Poortman 2017)

In dem Vorwort zu bdquoEducators as Leaders Establishing a Professional Learning Community in Your Schoolldquo macht Barth (2000) durch die drei Worte Profession ndash Lernen ndash Gemeinschaft auf die Begriff skonstellation bdquoProfessionelle Lerngemeinschaft ldquo aufmerksam (vgl Schratz amp Westfall-Greiter 2010) Wir moumlchten diese Dreieckskon-stellation aufgreifen (siehe Abbildung 6) und uns bei unseren Entwuumlrfen und Ideen auf die Kernprinzipien von bestehenden Konzepten von Lernkooperationen besinnen Dabei argumentieren wir dass es notwendig ist unterschiedliche Aspekte des Lernens in Kooperationen zu verstehen die Kriterien der jeweils notwendigen Professionalitaumlt fuumlr eine erfolgreiche evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung zu etablie-ren und Gemeinschaft en in Schulen und Netzwerke uumlber Schulen hinweg zu foumlrdern (Brown amp Poortman 2017) Durch Professionelle Lerngemeinschaft en koumlnnen auch bestehende Barrieren in der Schul- und Unterrichtsentwicklung uumlberwunden wer-den (Datnow amp Hubbard 2016 Hoogland et al 2016 Brown et al 2017 Stoll et al 2016) Jede Form von Lerngemeinschaft ist nach der jeweiligen Profession (und deren

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 96

Beduumlrfnisse und Herausforderungen) zu unterscheiden sowie nach der Gestaltung des Lernens d h ob eher eine Funktionsoptimierung oder ein Prozessmusterwechsel16 an-gestrebt wird

Ausgangspunkt unserer Uumlberlegungen sind die Kernprinzipien (bdquobig ideasldquo Du-Four 2004a S 6) bestehender Konzepte von Lernkooperation welche wir zunaumlchst ausdiff erenzieren damit durch ein Besinnen auf die Ziele von Lerngemeinschaft en die jeweiligen Impulse Anregungen und Stimulierungen deutlicher praxisnaumlher und umsetzbarer werden Dies ist vor allem auch wichtig damit es zu keiner infl ationauml-ren Verwendung der Konzepte bzw zu Umsetzungsproblemen durch Beliebigkeit oder zu unzulaumlnglichen Schlussfolgerungen kommt (Blankenship amp Ruona 2007 Scrib-ner Cockrell Cockrell amp Valentine 1999) Professionelle Lerngemeinschaft bezeichnet einerseits einen besonderen Modus fuumlr die professionelle Zusammenarbeit in einer Berufsgruppe und andererseits eine bestimmte ziel- und sinnorientierte Struktur In Lerngemeinschaft en spielt Lernen bdquoeine zentrale Rolle und das Selbstverstaumlndnis der Beteiligten ist dass sie Lernende sindldquo (Schratz amp Westfall-Greiter 2010 S 129) Evi-denzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung ist immer ein ko-kreativer zykli-scher Prozess (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018) in dem nicht eine Person allein sondern bdquodas Zusammenwirken aller Moumlglichkeitenldquo (Petzold 2007 S 242) die Synergie der Gruppe und die Emergenz des Teams schoumlpferisch sind

Die beiden Entwuumlrfe die wir zunaumlchst aufgreifen ndash Communities of Practice (CoP) und Professional Learning Communities (PLC) ndash haben auf den ersten Blick viele Aumlhnlichkeiten jedoch jeweils spezielle Vorzuumlge und Fokussierungen Diesen bei-den Konzepten von Lernkooperationen ist zunaumlchst der Begriff der Gemeinschaft (Communities) und des Lernens (Learning) gemeinsam und dass die in den Gemein-schaft en lernenden Personen gemeinsame Interessen teilen (DuFour amp Eaker 1998) Eine Profession teilt sich ein gemeinsames spezifi sches und theoretisch-abstraktes

16 Prozessmusterwechsel brauchen eine Vision und die Bereitschaft sich auf Leistungseinbruumlche und Verunsicherung einzulassen (Kruse 2004 S 73)

Lernen

Aspekte

Profession

Kriterien

Gemeinschaft

Kontexte

Abbildung 6 Das Dreieck Profession ndash Lernen ndash Gemeinschaft (eigene Darstellung)

Implementation Transfer Progression und Transformation 97

Wissen (Kruse amp Louis 1993)17 jedoch nicht immer gemeinsame Grundprinzipien und Werte An dieser Stelle erhalten die beiden Lerngemeinschaft en eine jeweils spe-zielle Ausrichtung und wir kommen in diesem Kontext nun auch zuruumlck auf das Ein-schleifen- und Zweischleifen-Lernen (Stacey amp Mowles 2016 vgl Kerngedanke 1)

Der Begriff CoP wurde zum ersten Mal von Lave und Wenger (1991 Wenger McDermott amp Snyder 2002) verwendet Nach Wenger (2000) und Wenger et al (2002 S 4) formen sich CoPs aufgrund ihrer Leidenschaft fuumlr ein Th ema und in Bezug auf ihr Fachwissen (im Sinne einer sachorientierten Ausrichtung) um durch regelmaumlszligiges gemeinsames Interagieren Wissen zu schaff en zu lernen sich auszutauschen Wissen zu verbreiten sich zu verbessern und gemeinsam zu refl ektieren um ihre (Fach-)Ex-pertise ihre Materialien (z B Dokumente) zu teilen und ihre Handlungsmoumlglichkeiten in der Praxis zu erweitern bzw zu vertiefen (bdquoDeepen their expertiseldquo Wenger McDer-mott amp Snyder 2002 S 151 bdquodeepen their knowledgeldquo ebd S 4 bdquomanaging know-ledge in organizationsldquo ebd S 151 bdquoable to share knowledgeldquo [Patel 2017 S Modul 5]) Fuumlr Saint-Onge und Wallace (2003 S 50) sowie Cheng (2015) richten sich CoPs deutlich nach den Th eorien des Wissensmanagements (bdquoknowledge managementldquo18 Cheng 2017 S 101) aus und sollen der Verbesserung der individuellen praktischen fachlichen und organisatorischen Leistung dienen Das Wissensmanagement beschaumlf-tigt sich mit dem Erfassen Selektieren Organisieren und Integrieren von Wissen In-formationen und Daten (Mayer 1999 Salifu 2017) wodurch CoPs als reiche Quel-le systematischer Sammlungen von Erfahrungen und Evidenz(en) im Sinne von Good Practice und Best Practice angesehen werden koumlnnen (Th omas Kellogg amp Erickson 2001) Aber die bdquobloszlige Menge und Dauer der Berufserfahrung verbessert jedenfalls nicht automatisch die Handlungs- und Lernqualitaumlt von Lehrkraumlft enldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 133) Die Einschraumlnkung von CoPs liegt darin dass sie als bestehen-de Gemeinschaft oft mals Muster des Wissensmanagements nicht (mehr) veraumlndern in Bestehendem verhaft et bleiben und dann das organisatorische Lernen nicht (mehr) weiter befoumlrdern (Mittendorff Geijsel Hoeve de Laat amp Nieuwenhuis 2006) Diese Aspekte Kriterien und Kontexte stellen ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu den PLCs dar (Blankenship amp Ruona 2007) zeigen jedoch auch die Bedeutsamkeit der Refl exion von Erfahrungen (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018)

Der Begriff PLC wurde von Senge (1990) zum ersten Mal eingefuumlhrt daher richten PLCs sich in ihrer Grundidee auch an der lernenden Organisation (Learning Organi-zation) aus Der Ansatz nimmt direkt Bezug auf die Arbeiten von Argyris (1990) und Schoumln (1991) indem z B die weitreichenden Verallgemeinerungen des eigenen Den-kens (Beliefs19 Werte Annahmen usw) und subtile Denkmuster thematisiert werden welche auch Lerngemeinschaft en und deren Kapazitaumlt im Gegenwaumlrtigen beeinfl ussen (Senge 1990)

17 Spaumltestens an dieser Stelle des Beitrags ist festzuhalten dass die Begriff e Wissen (Brown 2001) und Lernen (Edelmann 1986 Lefrancois 1986) selbstverstaumlndlich Homonyme sind

18 bdquoA CoP can be applied as a knowledge management tool for leverage knowledge to support organization developmentldquo (Cheng 2017 S 101)

19 Beliefs vereinen als subjektive Th eorien sowohl kognitive als auch aff ektiv-motivationale An-teile miteinander und koumlnnen als Bindeglied von didaktischen Th eorien und tatsaumlchlichem unterrichtlichem Handeln und wahrnehmbarer beobachtbarer Haltung verstanden werden (Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner 2018)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 98

Eines der (drei) Kernelemente der PLCs ist zunaumlchst die Kultur der Zusammen-arbeit und der Gemeinschaft (DuFour 2004b) Seashore et al (2003 S 3) verwen-den den Begriff PLC dafuumlr um nicht nur das Interesse am sachorientierten Austausch und das Interagieren zu fokussieren sondern das Ermoumlglichen einer (schulweiten und klassenuumlbergreifenden) gemeinsamen Kultur in den Vordergrund zu ruumlcken um Ko-operation durch Klaumlrung von Werten Visionen und Uumlberzeugungen zu verwirklichen Die kritische Pruumlfung erfolgt erneut im Abgleich mit den Lernergebnissen der Ler-nenden wodurch die beiden anderen Leitmotive festgelegt werden das Lernen (der Lernenden) und der Fokus auf die Ergebnisse der Schuumllerinnen (als breites Verstaumlnd-nis Output Outcome Impact) Der Ansatz macht besonders auf die Bedeutung der Profl exion neben der Refl exion20 aufmerksam Innovation(en) Experimente (Proto-typen) und Leadership (als kongruentes Verhalten und Handeln) sind die unterstuumlt-zende Bedingung fuumlr die Entwicklung und Umsetzung einer gemeinsamen Kultur ge-tragen von Werten und Visionen (DuFour amp Eaker 1998 Hord 2004) Besonders Leadership traumlgt dazu bei sowohl Vertrauen als auch ein gemeinsames Zielbewusst-sein zu foumlrdern (Scribner et al 1999) Diese Herangehensweise unterscheidet wiede-rum die PLCs wesentlich von den CoPs und zeigt gleichzeitig auch ihre Einschraumln-kung(en) (vgl Tabelle 2)

Tabelle 2 Die grundlegenden Konzepte Communities of Practice und Professional Learning Communities

CoPs agieren nach dem Prinzip des Einschleifen-Lernens bzw Verbesserungslernens (bdquoSingle-Loop Learningldquo Argyris 1999 S 68 Scribner et al 1999) welches sich im Wesentlichen auf die Eff ektivitaumlt die Optimierung und das Problemloumlsen bezieht um bestehende Ziele (als Good Practice und Best Practice) sehr gut oder noch bes-ser zu erreichen Das Verbesserungs- und Optimierungslernen beguumlnstigt bdquodie Sta-

20 Durch Refl exion und Profl exion entsteht im Hier und Heute (Presence und Presencing) ein Prefl ectioning (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018)

Konzept Zweck Gemeinschaft Kooperation Fokus

communities of practice

Wenger 2000Wenger McDermott amp Snyder 2002

Wissen schaffen erweitern aus tauschen reflektieren und personale Kompetenzen entwickeln

durch Fach-wissen und Leidenschaft fuumlr ein Thema

durch Lei-denschaft Engagement Verbindlichkeit Identifikation mit der Gruppe und ihrer gemeinsa-men Expertise

Verbesserungs-lernen

professional learning communities

Bolam et al 2005Stoll amp Sea-shore 2007

gemeinsame Werte und Visio-nen reflektieren teilen erweitern entwickeln

durch Fokus-sierung auf das Lernen (personal als in Gruppen) und gegenseiti-ge Vernetzung Unterstuumltzung und Partner-schaft

durch kollektive Verantwortung fuumlr das Lernen der Schuumllerinnen gegen-seitige Offenheit und Vertrauen

Veraumlnderungs-lernen

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bilisierung von gewohnheitsmaumlszligigen Wahrnehmungs- Erklaumlrungs- und Zielschemata bei gleichzeitiger Blindheit fuumlr potenzielle Nebenwirkungen Es ist vermutlich die haumlu-fi gste und problematischste Art lebenslangen Lernensldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 136) PLCs sollen die professionelle Refl exion und Profl exion foumlrdern und zu ge-meinsam entwickelten geteilten bdquoUumlberzeugungen Werthaltungen und Normenldquo (Bon-sen amp Rolff 2006 S 181) fuumlhren PLCs agieren nach dem Prinzip des Doppelschlei-fen-Lernens bzw Veraumlnderungslernens (bdquoDouble-Loop-Learningldquo Argyris 1999 S 68 vgl Scribner et al 1999) Auch nach Scharmer (2009) ist eine Veraumlnderung im-mer verbunden mit einem Hinterfragen der (eigenen bzw organisatorischen) Grund-prinzipien Werte Annahmen Uumlberzeugungen Beliefs und Normen Ohne Veraumln-derungslernen fuumlhrt eine bdquovoumlllige Erfolgslosigkeitldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 136) dennoch zu gewohnten Handlungsmustern und nicht zur Refl exionProfl exion uumlber die Angemessenheit von Handlungen bdquosondern wird aumluszligeren Umstaumlnden oder dem Interaktionspartner als Widerstand zur Last gelegtldquo (ebd)

Das Double-Loop-Lernen bzw Veraumlnderungslernen ist nach Argyris und Schoumln (1999) ungleich schwieriger und das Vorgehen kann grundsaumltzlich durch das Hinter-fragen des Verbesserungslernens als Innovation bezeichnet werden da die Refl exionProfl exion von Werten Haltungen und Sinn als Orientierungsrahmen (Bohnsack 2014) zu einer Veraumlnderung von Verhaltens- und Handlungsmustern als Orientie-rungsschemata im Sinne eines moumlglichen Wertewechsels fuumlhrt Bei einer aktiven For-mung einer Kultur der Zusammenarbeit arbeiten PLCs mit bdquoGlaubenssaumltzenldquo (Schratz 2014 S 19) der Beteiligten da bdquoMenschen daran glauben das Richtige zu tun wo-rin sich der Sinn fuumlr menschliches Tun konstituiertldquo21 Innovation und Entwicklung als Neuerung benoumltigt immer eine Veraumlnderung von bdquotief sitzenden Uumlberzeugungen und sozial ausgehandelten Praktikenldquo (Graumlsel amp Parchmann 2004 S 201) Werte und Haltungen lassen sich nicht bdquoschnurstracksldquo (Rolff 2015 S 56) entwickeln diese muumls-sen refl ektiert profl ektiert und gemeinsam (neu) durch Konsens und Dissens geschaf-fen werden Dabei fuumlhrt ein Konsens uumlber den Dissens meist auch zu einer Akzeptanz und nachhaltigen Veraumlnderung der (Kooperations-)Kultur Veraumlnderungslernen wird erst moumlglich wenn Personen und Lerngemeinschaft en Inkongruenzerfahrungen ma-chen oder durch explizites Feedback sensibilisiert werden wodurch eine Chance zur Akkommodation nach Piaget (1975) ermoumlglicht wird (Sieland Eckert amp Ebert 2013) Double-Loop Learning (jedoch gedacht als wendelfoumlrmige Spirale) ermoumlglicht einen erfolgreichen Aufb au von PLCs22 (Scribner et al 1999) Von PLCs kann erst gespro-chen werden wenn professionell und bewusst Ziele Uumlberzeugungen und Werte hinter-fragt und refl ektiertprofl ektiert werden bdquoohne vorzeitige Bestaumltigungserfahrung zu su-chenldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 137) In diesem Sinne wird die Lerngruppe zu einer kooperativen Gemeinschaft refl ektierender Praktikerinnen (Schoumln 1991)

Vergleichsweise jung ist der Entwurf der Research Learning Communities (RLC) von Brown (2018 2017) fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwicklung RLC versteht sich

21 Das Vermeiden einer kritischen Auseinandersetzung und Analyse der Werte Uumlberzeugun-gen und Normen in Bezug zur gegenwaumlrtigen Praxis fuumlhrt (nur) zu einem Single-Loop-Lernen (Scribner et al 1999)

22 bdquoTh us the principles of double-loop learning can guide us in establishing professional learning communitiesldquo (Scribner et al 1999 S 157)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 100

als Lerngemeinschaft und -netzwerk d h die Beteiligten koumlnnen auch von einer Rei-he von Schulen zusammenkommen um als Gemeinschaft professionell zu lernen Der Ansatz beruht auf dem Prinzip der Research-Informed Teaching Practise und strebt an Daten Informationen und Wissen aus der Wissenschaft und Forschung in die Weiterentwicklung des Unterrichts einzubeziehen (bdquoresearch evidenceldquo Brown 2017 S 393) Dabei basiert der Ansatz der RLCs auf drei Kernideen (bdquocore ideasldquo) 1) Ein besonderes Ziel ist es die Lehrerinnen dabei zu unterstuumltzen ein neues Ver-

staumlndnis fuumlr und Verstehen von speziellen Herausforderungen bzw Problemen auf-zubauen und ihr Handeln vor dem Hintergrund von Forschungsdaten und -ergeb-nissen zu diskutieren und weiterzuentwickeln (Katz amp Dack 2013) Nach diesem Konzept sollen neue Praktiken und Strategien entstehen die in der Praxis ange-wendet werden und wodurch zusaumltzliches (Fach-)Wissen entwickelt werden kann (als eine bdquoknowledge creationldquo Brown 2017 S 389) Diese Idee entspricht grund-saumltzlich den CoPs und dem Verbesserungslernen

2) Veraumlnderungen irritieren meist die bisherige gegenwaumlrtige (Schul- bzw Unter-richts-)Kultur ndash im Sinne des Modells der Entwicklung und Verbesserung ndash und es besteht ein Risiko dass eine veraumlnderte Praxis daher auf Ablehnung stoumlszligt Aus diesem Grund muumlssen sich Personen an den Lerngemeinschaft en beteiligen die durch ihre Haltung und Werte sowie ihr Ansehen und ihre formale Stellung in der Schule tatsaumlchlich Veraumlnderungen inan einer Schule bewirken moumlchten und koumln-nen (als bdquothe right people in the roomldquo Brown 2017 S 390) Eine Schluumlsselrol-le kommt dabei der Schulleitung (bdquoleadershipldquo Brown 2017 S 391) und der Fuumlh-rungskultur (Schratz et al 2016) zu um Vor- und Leitbild zu sein (im Sinne von bdquowalk the talkldquo Brown 2017 S 390 Southworth 2009) Diese Idee greift den Ver-lust von Sicherheit und Stabilitaumlt im Sinne des Modells der Entwicklung und Ver-besserung auf und zeigt wie durch erfahrbare und erlebbare Fuumlhrung im Dialog und im Polylog neue Moumlglichkeitsraumlume fuumlr Entwicklung durch beziehungsorien-tierte Stabilitaumlt (nach Riemann 1975 als Naumlhe bezeichnet siehe dazu Abbildung 3 und 10) geschaff en werden koumlnnen

3) Die Veraumlnderungen und Entwicklungen brauchen die Begleitung von Personen die als Lernbegleiterinnen durch Krisen fuumlhren koumlnnen (als bdquocapacity [hellip] to lead changeldquo Brown 2017 S 391) Dabei spricht Brown (2017) v a die Notwendig-keit an Change Management in der Ausbildung von Schulleiterinnen und Schul-leitern fest zu verankern Grundsaumltzlich ist aber auch denkbar den Prozess durch professionelle Entwicklungsbegleiterinnen unterstuumltzen zu lassen Haumlufi g ist es von Vorteil wenn Universitaumlten und (Paumldagogische) Hochschulen in solche Re-search Learning Communities einbezogen werden um Partnerschaft en von Praxis und Wissenschaft und auch Schulbegleitforschungsprojekte zu entwickeln (Huber 2005 Bryk 2015 Datnow amp Hubbard 2016 Lai amp Schildkamp 2016 Campbell et al 2017) und als wissenschaft sorientierte Lernbegleitung zu agieren Die drit-te Idee bringt Stabilitaumlt in instabile Veraumlnderungsprozesse indem durch Bezie-hung Praumlsenz Haltung Begegnung und Begleitung eine Form von Bestaumlndigkeit geschaff en wird welche nach der Entwicklungsphase erneut Stabilitaumlt ermoumlglicht (siehe Abbildung 3)

Implementation Transfer Progression und Transformation 101

Der RLC-Ansatz erweitert das Konzept der PLCs indem Gruppen von Lehrpersonen aus verschiedenen Schulen in gemeinsamen Workshops auf der Basis von Forschungs-ergebnissen an einem sie interessierenden Th ema arbeiten (Brown 2017 S 390) Der Ansatz birgt durch die drei genannten Kernideen ein hohes Potenzial im Sinne von Gelingensbedingungen durch eine evidenzorientierte professionelle Schulentwick-lungsbegleitung wenn bull die CoPs wie auch die PLCs integrativ verbunden werden ohne die jeweiligen Dif-

ferenzen zu negieren bull die RLC kann dann als Denkfi gur der Begegnung zwischen den beiden Denkwei-

sen der Lerngemeinschaft en in Form einer eigenstaumlndigen Identitaumlt verstanden werden in der die Betrachtungsweisen als Vielfalt und Divergierendes wertschaumlt-zend und refl exivprofl exiv erhalten bleiben und

bull die Vorzuumlge sowohl der CoPs (Wissensmanagement) als auch der PLCs (Werte und Kultur der Zusammenarbeit) als Konfl ux vereint werden wodurch auch Lernab-wehrroutinen sowie Widerstaumlnde und Ablehnung welche in Lerngemeinschaft en entstehen koumlnnen durch Bereitschaft Bezogenheit und Vision(en) aufgeloumlst wer-den koumlnnten

Selbstverstaumlndlich muss in diesem Sinne die RLC als integrativer Ansatz verstanden werden und funktioniert nur als Erweiterung der beiden anderen Entwuumlrfe (CoP PLC) und nicht in bzw als Konkurrenz zu diesen Eine weitere Besonderheit ist das Meta-Lernen welches (verkuumlrzt) die Refl exion und Profl exion des Single- und des Double-Loop Learnings darstellt und im RLC-Ansatz eine zusaumltzliche Bedeutung gewinnen koumlnnte Die Idee des Meta-Lernens ist dass eine Lerngemeinschaft (oder eine lernende Schule) im eigenen Resonanzraum ergruumlndet was wie wann und wes-halb bei den Handlungen (Single-Loop) angepasst oder nicht anpasst wird bzw was wie wann und weshalb die Werte Annahmen Uumlberzeugungen Haltungen und Nor-men (Double-Loop) veraumlndert oder nicht veraumlndert werden (Argyris amp Schoumln 1999) Dabei werden das Wissen die (subjektiven) handlungsleitenden Th eorien und die Auswirkungen des Handelns mit den Wertvorstellungen und subtilen Denkmus-tern verbunden wodurch ein Wertewandel (Transformation) ermoumlglicht wird Die drei Entwuumlrfe (Single-loop- Double-loop- und Meta-Lernen) sind grundsaumltzlich als gleichwertig und als sowohl als auch zu verstehen

Jeder Prozessmusterwechsel ist risikoreich fuumlr eine lernende Organisation da er Abwehrreaktionen bewirken kann und Bestehendes infrage stellt (Kruse 2004) Wenn Schulen als lernende Organisation es schaff en z B ihre Lernabwehrroutinen zu veraumln-dern bzw Widerstaumlnde Ablehnung und Widerspruumlchlichkeiten aufzuloumlsen (vgl Graumlsel amp Parchmann 2004) um Single- undoder Double-Loop-Lernen zu ermoumlglichen und aktiv bewusst zu foumlrdern dann fi ndet in einem Triple-Loop zusaumltzlich Meta-Lernen statt (siehe Abbildung 7) Ein professioneller Umgang mit Widerstaumlnden und struktu-rellen und personalen Hindernissen ist erforderlich um fuumlr das Lernen den notwen-digen Entfaltungsraum in der Schule als lernende Organisation zu schaff en (Schratz 2017) Off ene Refl exionsprozesse benoumltigen fuumlr ihre Entwicklungsdynamik Feedback das sich in einem Resonanzraum durch bdquogut gedachtldquo und bdquospannendldquo konstruktiv

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 102

entwickelt (Schley amp Schratz 2005 S 253 Schratz 2017) Besonders die Einstellun-gen und Haltungen der Beteiligten gegenuumlber Entwicklungen und ihre Uumlberzeugun-gen fuumlr eine aktive Umsetzung von Veraumlnderungen wie auch der Wandel von subjek-tiven Th eorien sind entscheidend (Graumlsel amp Parchmann 2004 Timperley amp Phillips 2003) Beim Meta-Lernen ergruumlndet eine lernende Schule im eigenen Resonanzraum wie wann und weshalb Handlungen angepasst oder nicht anpasst bzw wie wann und weshalb die Werte Annahmen Haltungen usw veraumlndert oder nicht veraumlndert wer-den (vgl Argyris amp Schoumln 1999)

Diese Idee greift die Vielfalt des (Er-)Lernens durch Kooperation auf und die Not-wendigkeit dass (angehende) Lehrerinnen und Lehrer in Kooperationsgemeinschaft en (Vergemeinschaft ung und Gemeinschaft sgefuumlhl) sich als Gruppe foumlrdern entwickeln in Frage stellen und durch Dissens-Konsens-Erfahrungen (persoumlnliche und gemein-same) Transformation als Wandel Bereicherung und (Lebens-)Ressource sehen koumln-nen

Kerngedanke 5 eine lernende Schule entwickeln und etablieren

Kerngedanke 5 speist sich erneut aus dem Modell der Entwicklung und Verbesserung Wir oumlff nen hier eine weitere Tuumlr indem wir den Gedanken einer lernenden Schule als Moumlglichkeitsraum fuumlr eine Kultur des Veraumlnderns und Optimierens etablieren Damit moumlchten wir die professionellen Lerngemeinschaft en als Bedingung fuumlr ein professionelles organisationales Lernen verstehen und ihre Bedeutung nochmals hervorheben

Lernende Schulen verstehen sich als sich stabilisierende optimierende zielorientier-te entwickelnde und wert- bzw sinnorientierte Organisationen (Learning Schools) und sind soziale Systeme die selbst lernfaumlhig sind und lernende Kooperationen (Lern-gemeinschaft en und -netzwerke) gestalten Ausgangspunkt ist dabei dass Organisa-tionen und (soziale) Systeme nur uumlber Menschen lernen koumlnnen (Dalluege amp Franz 2015 Schratz 2017) Es beginnt mit bdquoMenschen die Ideen haben ndash Ideen die verbin-

WerteAnnahmenStrategienHaltungen

HandlungenUumlberpruumlfung der Konsequenzen und Ergebnisse

zufrieden(stellend)

nicht zufrieden(stellend)unerwartetggf gescheitert

Reflexion und Proflexion desLernprozesses

Communities of Practice Single-Loop-Lernen

Professional Learning Communities Double-Loop-Lernen

Research Learning Communities Triple-Loop-Lernen (Meta-Lernen)

Abbildung 7 (Lern-)Gemeinschaften und ihre Moumlglichkeitsraumlume (eigene Darstellung)

Implementation Transfer Progression und Transformation 103

denldquo (Sprenger 2018 S 188) Das Schaff en von Schulqualitaumlt versteht sich in diesem Sinne als eine Aufgabe aller Beteiligten vor Ort die durch ihre Handlungen Taumltig-keiten Praumlsenz Beziehungen und Haltungen entsteht und nicht an einzelne Perso-nen an eine Qualitaumltsabteilung oder ans Management abgegeben werden kann Sys-tem- und Organisationslernen als Entwicklung der Schule ist ein zyklischer sowohl oft mals kreisfoumlrmiger aber auch wendel- und spiralfoumlrmiger Prozess zu einem verbes-serten und kontinuierlich wachsenden Wissen und Verstaumlndnis uumlber die eigene Schu-le und deren (progressive) Entwicklung (vgl Fiol amp Lyles 1985) Organisationen wer-den nur uumlber Menschen taumltig daher stellt das personale Lernen den Kern jeglichen organisationalen Lernens dar (Heimerl-Wagner 1992) Lernen muss jedoch auch an den Strukturen und Prozessen (Ordnung) Strategien und Zielen Visionen und Wer-ten einer Organisation durch professionelle Lerngemeinschaft en erfolgen (siehe Abbil-dung 8) Zwischen dem personalen und dem organisationalen Lernen besteht somit ein Zusammenhang in Form einer Wechselbeziehung Bezogen auf Organisationen ruumlckt fuumlr Lernprozesse dann die Kommunikation und die Gemeinschaft in den Vor-dergrund bdquoWaumlhrend Lernen auf individueller Ebene ein psychischer Vorgang ist han-delt es sich bei ihm auf kollektiver Ebene um ein kommunikatives Phaumlnomenldquo (Kli-mecki Laszligleben amp Th omae 1999 S 7)

Abbildung 8 Das Zusammenwirken von personalem und organisationalem Lernen (eigene Darstellung)

Wir argumentieren mit Brown et al (2017) dass zur Verbesserung einer Schule eine Integration von verschiedenen Ansaumltzen Modellen Th eorien und Daten bedeutsam ist da die Staumlrken eines Ansatzes jeweils die Schwaumlchen eines anderen ausgleichen (koumlnnen) Um ein Struktur- und Prozessmodell zu entwickeln das Schulen als ler-nende Organisationen befaumlhigt sowohl Verbesserungslernen in strukturierter Form zu bewaumlltigen als auch Veraumlnderungslernen zu ermoumlglichen integrieren wir die diversen Ansaumltze aus Kernidee 4 zu einem umfassenden Struktur- und Prozessmodell des Ver-besserungs- und Veraumlnderungslernens

Brown et al (2017) kombinieren den in Kernidee 4 angesprochenen Ansatz der Research Learning Communities (als Weiterentwicklung des Unterrichts auf der Basis vorhandener wissenschaft licher Forschung Brown 2017) mit dem Ansatz der Data-Teams (einem Prozessmodell zur Weiterentwicklung der Qualitaumlt von Schule und Unterricht auf der Basis von schulbezogenen [teils selbst gesammelten] Daten Schild-kamp amp Ehren 2012) Aus der Kombination dieser beiden Ansaumltze entsteht das Mo-dell des bdquoEvidence informed School and Teacher Improvement (ESTI)ldquo (Brown et al 2017) das einen Ablauf der kooperativen Entwicklungsarbeit auf der Basis von schul-bezogenen Daten und wissenschaft lichen Ergebnissen vorschlaumlgt

Personales Lernen

Wandel

der Ziele

Modifikation

der Ordnung

Veraumlnderung

der Vision

Transformation

der Werte

Organisationales Lernen

Wandel

der Ziele

Modifikation

der Ordnung

Veraumlnderung

der Vision

Transformation

der Werte

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 104

Insgesamt ist jedoch eine Integration aller drei Ansaumltze erforderlich um sowohl Einschleifen- als auch Zweischleifen-Lernen und die Einbeziehung von Forschungs-daten zu unterstuumltzen Daraus kann ein Prozess in 10 Schritten abgeleitet werden des-sen erste acht Schritte des Verbesserungslernens in Anlehnung an den Ansatz der ESTI (Brown et al 2017) im Sinne einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichts-entwicklung wie folgt beschrieben werden koumlnnen 1) Zielsetzung und Initialphase Ziel- und Leitbilder sowie messbare und realistische

Ziele werden gesetzt und Evidenzen gesammelt um die aktuelle Situation in Bezug zu diesen Zielen zu beurteilen Diskrepanzen zwischen Ist- und Soll-Zustand die-nen zur Identifi zierung von Problemen Aufgaben oder paumldagogisch-schulischen Herausforderungen Die Bereitschaft sich sachorientiert mit Problemen und Louml-sungen auseinanderzusetzen wird aktiviert

2) Identifi zierung moumlglicher Problemursachen und Ordnen der Daten Lokales Fach-wissen (auch in Form informeller Daten) sowie vorhandene und direkt verfuumlgbare Daten Informationen und (Praxis-)Wissen werden genutzt um die Th emenfelder und Phaumlnomene in Bezug auf die Entstehung die Herausforderungen und moumlgli-che Ursachen der in Schritt 1 vorliegenden und identifi zierten Th emen Probleme und Aufgaben systematisch zu ermitteln

3) Refl ektieren der Datensammlung Referenzdaten als Evidenzen uumlber die Schule und Forschungsdaten als allgemeine wissenschaft liche Informationen zu den identifi -zierten Th emenfeldern werden uumlber die in Schritt 2 identifi zierten Th emen Phauml-nomene Aufgaben und moumlglichen Ursachen umfassend gesammelt gesichtet und refl ektiert Gegebenenfalls koumlnnen die vorhandenen und verfuumlgbaren Evidenzen durch gezielte Datenerhebungen an der Schule ergaumlnzt werden Je nach Problem-stellung kann etwa die Entscheidung fallen eine Zufriedenheitsbefragung unter Schuumllerinnen und Schuumllern oder Eltern durchzufuumlhren oder vorhandene standar-disierte Kompetenztests (Lese-Screening Instrumente fuumlr eine informelle Kompe-tenzmessung ndash IKM oAuml) an der Schule systematisch einzusetzen

4) Qualitaumltsanalyse und erste Integration Die Qualitaumlt der gesammelten Evidenzen wird uumlberpruumlft und die fuumlr die Untersuchung der Phaumlnomene Herausforderungen und moumlglichen Ursachen notwendigen Analysen werden durchgefuumlhrt diskutiert und konsensgegruumlndete Konzepte erstellt Ein wichtiger Aspekt in diesem Schritt ist die Zusammenschau der verschiedenen Datenquellen und die Integration der Erkenntnisse aus schulbezogenen (vorhandenen und gesammelten) Daten sowie Forschungserkenntnissen

5) Schlussfolgerung Basierend auf der Qualitaumltsanalyse und einer ersten Integration enstehen Entwuumlrfe Schluumlsse und Entscheidungen hinsichtlich der Th emen Phauml-nomene Aufgaben und moumlglichen Ursachen indem die gewonnenen Erkenntnisse vor dem Hintergrund des standortbezogenen Wissens auf den Kontext der Schule bezogen und im zeitlichen Zusammenhang verortet werden

6) Suche nach Prozessen und Aktionen Aufb auend auf diesem breiten Buumlndel an Evi-denzen werden (neue oder geaumlnderte) Maszlignahmen Prozesse Prototypen und moumlgliche Loumlsungen entwickelt und geschaff en

Implementation Transfer Progression und Transformation 105

7) Entwicklung einer Strategie Basierend auf den Evidenzen die in den vorherigen Schritten gesammelt diskutiert und kooperativ durchgearbeitet wurden wird eine Strategie entwickelt die sich an Handlungsentwuumlrfen durch Prozessverbesserungen und Maszlignahmen orientiert

8) Erste Evaluierung Die Strategie wird erprobt zyklisch verfeinert ggf in der Schule bzw im Unterricht ausgerollt und fortlaufend evaluiert bzw hinterfragt Hier sollte die Bezugnahme auf die in Schritt 1 defi nierten Ziele erfolgen

Brown et al (2017) sowie Steinkellner und Wiesner (2017) weisen darauf hin dass der bewusste Einsatz eines systematischen und systemischen Fragezyklus wichtig ist Das kann vor uumlbereilten Entscheidungen schuumltzen die ausschlieszliglich auf persoumlnlicher Beurteilung bzw Empfi ndungen basieren welche oft unzuverlaumlssig und fuumlr Vorurtei-le anfaumlllig sind Aus dem Blickwinkel einer lernenden Schule ist Lernen in einer Or-ganisation immer sowohl ein personaler als auch ein kollektiver systemischer Prozess (Geiszligler 1996 S 267)

Nun sind die oben beschriebenen acht Schritte fuumlr sich genommen allerdings vor allem dazu geeignet Verbesserungslernen gezielt auf Daten zu beziehen Forschungs-ergebnisse einzubeziehen und den Prozess der Optimierungsbestrebungen zu struk-turieren Dies birgt mittelfristig allerdings das Risiko der Frustration naumlmlich dann wenn die Moumlglichkeiten des Verbesserungslernens an seine Grenzen stoszligen (sie-he Kernidee 1) In Systemen wie auch bei Personen treten dann bei Veraumlnderungen von Strukturen und einem bloszligen Verbesserungslernen (wie es in den CoPs und in der Grundform der Data Teams bzw des ESTI stattfi ndet) ohne Beachtung der Be-deutung des Veraumlnderungslernens (PLC) meist lernwidrige Abwehrroutinen als syste-matisches und systemisches Reaktions- und Handlungsmuster auf Dadurch koumlnnen nachhaltige Lernblockaden in Systemen und bei Personen auft reten und sich langfris-tig etablieren (Argyris 1996) Eine Vorgehensweise ausschlieszliglich auf der Basis von Veraumlnderungslernen wie es die PLCs unterstuumltzen birgt andersherum das Risiko das System mit neuen kreativen Ideen moumlglicherweise zu uumlberfrachten weil die Struktu-ren des Verbesserungslernens fehlen um die Phase der groszligen Instabilitaumlt die durch den Schritt Richtung Next Practice erzeugt wird zu uumlberwinden und die neuen Her-angehensweisen Sichtweisen und Prozesse zu stabilisieren und zu optimieren ndash und damit sozusagen auf den Boden zu bringen Die Stabilisierung von Entwicklungen ge-schieht maszliggeblich durch die Kernidee des RLC-Ansatzes indem durch die Bezie-hungsorientierung eine Form von Bestaumlndigkeit geschaff en wird (in unserem Beitrag in den Kerngedanken 4 integriert)

Schul- und Unterrichtsentwicklung benoumltigt daher einerseits immer ein breites Buumlndel von Evidenz(en) unterschiedlicher Qualitaumlt und Auspraumlgung (Daten Infor-mationen Wissen) und entsprechende Strukturen um diese in den Qualitaumltsentwick-lungsprozess einzuspeisen Andererseits muumlssen die vorgestellten Schritte des Verbes-serungslernens unbedingt durch ein zweites eher wendelfoumlrmiges Lernen ndash gedacht als Aufwaumlrtsspirale und nicht als Schleife23 ndash ergaumlnzt werden So kann der Ansatz der

23 Wir vertreten die Ansicht dass Lernprozesse weniger in Schleifen zu denken sind als in Auf-waumlrtsspiralen und Begriff e wie wendelfoumlrmiges Lernen sinnvoller erscheinen wuumlrden

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 106

ersten acht Schritte im Sinne des Verbesserungslernens der auf eine Optimierung der Handlungen und Handlungsstrategien fokussiert ergaumlnzt werden um eine Komponen-te des Veraumlnderungslernens Diese Vorgehensweise kann als Kultur- und Wertearbeit (im Sinne der Transformation von und durch Fuumlhrungskultur) verstanden werden in-dem die ersten acht Schritte erweitert werden damit Schule von der Zukunft her ent-wickelt werden kann9) Mehrperspektivitaumlt und Erweiterung des Moumlglichkeitsraums durch Perspektivenwech-

sel Die Schritte 1ndash8 entsprechen der Arbeit im System und verfolgen i d R die Verbesserung und Optimierung vorhandener Prozesse In Schritt 9 versucht die Lerngemeinschaft nun aus dem System herauszutreten und einen externen dis-tanzierten Blick auf das System sowie den Verbesserungsprozess zu werfen Da-durch koumlnnen Aumlnderungsimpulse (siehe Kerngedanke 1 in diesem Beitrag) ent-stehen die die Veraumlnderungsbereitschaft aktivieren und anregen (als Neugier und Faszination) Durch die Veraumlnderung von Perspektiven indem die Sachebene ver-lassen wird und der Prozess auf einer Metaebene mit Bezug auf die Sachorien-tierung und die Beziehungsorientierung (Grundprinzipien und Werte) refl ektiert wird endet das Verteidigen von Standpunkten Es werden Lehren aus den vergan-genen Erfolgen und Misserfolgen aus den gemeinsamen Irrtuumlmern und Erkennt-nissen gezogen jeder der ersten acht Schritte wird nochmals unter der Perspekti-ve der eigenen und gemeinsamen Werte Haltungen Grundprinzipien Strategien Annahmen und als ein Erkunden von Standpunkten als Fragender zuruumlckdenkend refl ektiert (Fischer 2007 Fischer-Buck 2004 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) und diskutiert Mithilfe von imaginativen Prototypen koumlnnen Konsequenzen moumlglicher Veraumlnderungen durchgearbeitet werden Scharmer (2009) nennt diesen Prozess auch bdquovon sich als einem Teil des Ganzen her sprechendldquo Besondere Auf-merksamkeit wird auf die (Selbst-)Refl exionProfl exion und das Feedback gelegt um Wirkungen und Nebenwirkungen sowie Ruumlckfalltendenzen zu thematisieren

10) Transformation durch entstehende Moumlglichkeiten Die Beteiligten als Ort kollekti-ver Kreativitaumlt denken als Gefragte (in die Zukunft ) voraus sie bdquoprofl ektierenldquo (Fi-scher 2007 vgl Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018) um Schule an Evi-denz(en) orientiert aus einer entstehenden Zukunft her zu entwickeln Scharmer (2009) nennt diesen Prozess bdquovon der entstehenden Moumlglichkeit her sprechendldquo als ein schoumlpferisches Handeln welches zu einem Wertewandel durch Integration (als Verinnerlichung) fuumlhren kann In diesem Schritt koumlnnen Aumlnderungen in der Hal-tung den praumlgenden Werten und damit zusammenhaumlngend der Vision der Schu-le erfolgen An dieser Stelle sollen im Besonderen Prozesse des Meta-Lernens an-gestoszligen werden um Veraumlnderungen und Musterwechsel moumlglichst nachhaltig zu integrieren

Nach Schritt 10 erfolgt erneut Schritt 1 (vgl dazu auch Abbildung 10) Im Zentrum der Refl exion und Profl exion in den Schritten 9 und 10 stehen sowohl Visionen als auch Zielbilder aber auch Haltungen und Werte Dadurch wird ein erneuter Durch-gang der Schritte 1 bis 8 auf der Basis von veraumlnderten Visionen Werten und Haltun-gen auf eine naumlchsthoumlhere Ebene gehoben

Implementation Transfer Progression und Transformation 107

Lernende Schulen sind nach Argyris amp Schoumln (1999 S 9) zu verstehen als ein bdquoaus vergangenen Erfolgen und Misserfolgen Lehren ziehen die Irrtuumlmer der Vergangen-heit aufspuumlren und korrigieren bevorstehende Bedrohungen erahnen und darauf re-agieren experimentieren staumlndig innovativ sein und Bilder einer erstrebenswerten Zukunft aufzeigen und realisieren muumlssenldquo Ein erfolgreiches Qualitaumltssystem muss demnach sowohl Ziel Weg und Kultur beruumlcksichtigen (Dalluege amp Franz 2015) sollte aber auch Evidenzorientierung als Moumlglichkeit der Horizonterweiterung entste-hender Zukunft verstehen

Kerngedanke 6 ein Rahmen- und Orientierungsmodell

Jedes Modell ndash auch jeder Entwurf eines Modells ndash benoumltigt einen Rahmen welcher so-wohl die Moumlglichkeiten als auch die Grenzen aufzeigt Modelle sind Entwuumlrfe sie sind nicht auf Dauer stabil bilden jedoch fuumlr eine gewisse Zeit einen Rahmen fuumlr das Denken und Diskutieren Modelle sind gepraumlgt von der Kultur und den Denkmodellen der Zeit Wir stellen in diesem Kerngedanken ein zyklisches wendelfoumlrmiges Modell fuumlr eine evi-denzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung vor ndash als eine Moumlglichkeit Ein Mo-dell das sowohl die Optimierung als auch die Entwicklung beherbergt sollte auch selbst dynamisch bleiben und von einem eindeutigen Ursache-Wirkungs-Prinzip Abstand neh-men Wichtig erscheint jedenfalls dass ein Entwicklungsmodell nicht ohne den Aspekt der Refl exion auskommt und Refl exionsleistungen sowie die Ergebnisrichtung nicht an-weisbar oder steuerbar sind Refl exions- und Profl exionsarbeit ermoumlglichen implizites Wissen in (neue) Konzepte und Konstrukte zu integrieren wodurch Wege zu einer Next Practice eroumlff net werden

Professionelles Handeln mit Bezug auf Verbesserungs- Veraumlnderungs- und Meta-Ler-nen erfordert eine professionelle Qualitaumlt von Feedback und professionelle Refl e-xions-Profl exionsarbeit Professionelles Handeln zeichnet sich dadurch aus dass es bdquobegruumlndet methodisch geleitet fall- und situationsangemessenldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 221) und auch nebenwirkungsbewusst ist Die professionelle Praxis ist wiede-rum bdquokomplex ungewiss mehrdeutig einzigartig und von Wert- und Interessenkon-fl ikten gepraumlgtldquo (Horster amp Rolff 2006 S 68)

Die Idee einer refl exivenprofl exiven Entwicklungsorientierung als Paradigma ent-spricht grundlegend der bdquoFunktion der Schul- bzw Unterrichtsentwicklungldquo (Wurs-ter Richter Schliesing amp Pant 2013 S 24) und grenzt sich maszliggeblich ab von einem bdquoParadigma der Kontrolleldquo (Terhart 2002 S 63) einem verkuumlrzten Verstaumlndnis von Entwicklung als bloszlige bdquoExternalisierung der schulischen Leistungsbeurteilungldquo (Alt-richter amp Kanape-Willingshofer 2012 S 356) und der Strategie bdquobessere Leistungen der Schuumllerinnen durch regelmaumlszligige Rechenschaft slegungldquo (ebd S 357) zu errei-chen Gefordert ist vielmehr systematisch und systemisch betriebene eigenstaumlndige Qualitaumltsentwicklung am Standort durch Heranziehung von externen und internen Evidenz(en) die bdquozu einer zyklischen Bewegungldquo fuumlhren (Schratz Iby amp Radnitzky 2000 S 10) die bdquoso sie erfolgreich ist in Form einer Spirale aufwaumlrts fuumlhrtldquo (ebd)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 108

Entwicklungsorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung fuumlhrt die Qualitaumltsarbeit mit interner und externer Evidenz zusammen und akzeptiert nicht das (immer noch) weit verbreitete Missverstaumlndnis dass extern erhobene Daten und Informationen zu einer Schule oder dem Unterricht vor Ort als reine Fremdevaluation zu begreifen sind (Specht 2002) Besondere Aufmerksamkeit erfahren dabei nun Kontextdaten wie z B die bdquoaff ektiven und sozialen Wirkungenldquo (Ditton 2000 S 75) die bdquoMerkmale des Unterrichtsldquo (ebd) die komplexen Prozesse24 in der Schule und im Unterricht sowie die Orientierung an Kompetenzen (Weinert 2001) und die Ergebnisse von Kompe-tenzmessung (Leutner Fleischer Gruumlnkorn amp Klieme 2017) In den Hintergrund tre-ten bloszlige Leistungsvergleiche oder die Erwartung der reinen Verbesserung von Leis-tungsergebnissen (als Punktwerte) Besonders das Rahmenmodell von Helmke (2004) entspricht der Entwicklungsorientierung durch die zentrale Positionierung der Refl e-xionsarbeit und zeigt den paumldagogischen Nutzen von Daten und Informationen in der Schul- und Unterrichtsentwicklung

Das Modell von Helmke (2004) wird z B als Rahmen im Bereich der paumldagogi-schen Nutzung von Vergleichsarbeiten in Hamburg (Th onke amp Luumlcken 2015) oder als Rahmenmodell zur Beschreibung von Schulinspektion (Wurster et al 2013) herange-zogen Aus diesem Originalmodell von Helmke (2004) entwickelte sich in Oumlsterreich prozesshaft fuumlr das Arbeiten mit Evidenz(en) aus den Bildungsstandarduumlberpruumlfungen in den letzten Jahren ein Entwurf fuumlr ein weiterentwickeltes spezifi sches und erwei-tertes Rahmenmodell (Wiesner Schreiner amp Breit 2015 Schreiner amp Breit 2016) Zur Teilpruumlfung25 der zentralen Dimensionen Rezeption ndash Refl exion ndash Aktion aus diesen beiden Rahmenmodellen wurden von uns im Zuge der oumlsterreichischen Bildungsstan-darduumlberpruumlfung Schulleiterinnen und Lehrerinnen zur Schulentwicklungsarbeit be-fragt (Wiesner et al 2016) Die fuumlr die im Folgenden praumlsentierten Analysen verwen-deten Daten entstammen den Standarduumlberpruumlfungen zu Mathematik aus den Jahren 2017 (M8) und 2018 (M4) bei denen alle Schulleiterinnen und Schulleiter der Se-kundarstufe 1 und der Grundschule (VS) in Oumlsterreich zur Schulentwicklungsarbeit auf Basis von Ruumlckmeldungen aus der Standarduumlberpruumlfung befragt wurden Zusaumltz-lich wurden im Fruumlhjahr 2018 Lehrpersonen befragt Bei den Lehrpersonen handelt es sich um all jene die im Schuljahr 201718 eine vierte Klasse Grundschule unterrichtet haben und damit zur Zielgruppe der Lehrerruumlckmeldung aus der Standarduumlberpruuml-fung zu Mathematik 4 gehoumlrten26

24 Prozesse beinhalten sowohl Entwicklung als auch Optimierung und sollen in Abgrenzung zu Produkten und Maszlignahmen verstanden werden Ein Prozess ist eine Struktur deren Elemente Aufgaben Aufgabentraumlger Sachmittel sowie Daten Informationen und Wissen sind die durch Beziehungen verknuumlpft und verbunden sind und durch Ziele Visionen Werte und Uumlberzeu-gungen bestimmt werden

25 Eine Analyse der Zusammenhaumlnge zwischen den drei Konstrukten Rezeption Refl exion und Aktion erfolgte mittels eines Strukturgleichungsmodells Im vorliegenden Fall wird entspre-chend den theoretischen Annahmen von Helmke (2004) davon ausgegangen dass die Refl e-xion eine intervenierende (mediierende) Rolle zwischen dem Rezeptionsprozess und den kon-kreten Handlungen einnimmt

26 Informationen uumlber das zugrundeliegende Studiendesign und die Stichproben sind den Bun-desergebnisberichten (Schreiner et al 2018) zu entnehmen

Implementation Transfer Progression und Transformation 109

Abbildung 9 Die Bedeutsamkeit der Refl exion in Entwicklungsprozessen Ergebnisse aus der Begleitforschung zu den Bildungsstandards27 (eigene Darstellung)

Die Ergebnisse aus der Begleitforschung (vgl Abbildung 9) unterstreichen die Bedeu-tung von Refl exionsprozessen in der evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsent-wicklung (Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) Die Rezeption von Evidenz(en) wirkt sich bei den Schulleitungen stark auf die Refl exionsarbeit (mit Werten knapp uumlber 08) aus welche in hohem Maszlige Aktion als (bewusste) Handlungen (095) der Schulleitungen initiiert Signifi kante direkte Eff ekte von der Rezeption auf die Ak-tion sind indes nicht zu beobachten Aumlhnliche Eff ekte lassen sich bei den Schullei-tungen in der Grundschule (M4) feststellen Im Unterschied zu den Schulleitungen ist der Zusammenhang zwischen der Rezeption und der Refl exion (023) bei Lehrper-sonen allerdings deutlich geringer was bedeutet dass aktuell weniger Lehrkraumlft e in Oumlsterreich nach dem Rezipieren von Evidenz(en) uumlber diese auch refl ektieren Auch bei den Lehrkraumlft en haumlngt die Refl exion allerdings in starkem Maszlige mit Handlun-gen (076) zusammen d h werden Evidenz(en) refl ektiert dann werden Handlun-gen (Aktion) davon auch stark beeinfl usst (Schreiner Breit Wiesner amp George 2018 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018)

Die vorliegenden Ergebnisse waren unsere Widerfahrnisse woraus Ideen und Pro-totypen fuumlr eine spezifi sche und zyklische Transformation des Modells ermoumlglicht wurden Der Ursprung fuumlr die stetige Veraumlnderung des Ursprungsmodells ist einer-seits in den Ergebnissen der Begleitforschung des BIFIE zu fi nden und andererseits durch die gemeinsame Gestaltung einer Professional Learning Community (PLC) in der Anregungen und Impulse im Bereich der Th eorie-Praxis-Problematik entstanden sind (siehe Abbildung 10)

Nach dem wendelfoumlrmigen Salzburger Entwicklungsmodell gestaltet sich erfolgrei-che und gelungene Schul- und Unterrichtsentwicklung immer als bdquodas Zusammen-wirken aller Moumlglichkeitenldquo (Petzold 2007 S 242) als die Synergie der Gruppe Ein

27 Herzlichen Dank fuumlr die intensive Mitwirkung an diesem Projekt und die statistischen Analy-sen an Dr Ann Cathrice George

Rezeption Reflexion Aktion

Anmerkungen

Lehrpersonen LL M4 Bildungsstandarduumlberpruumlfung in Mathematik 4 SSt n = 2117

p le 005 CFI = 089 TLI = 087 RMSEA = 008 SRMR = 005

Schulleitungen SL M4 Bildungsstandarduumlberpruumlfung in Mathematik 4 SSt n = 2510

p le 005 CFI = 089 TLI = 087 RMSEA = 009 SRMR = 006

Schulleitungen SL M8 Bildungsstandarduumlberpruumlfung in Mathematik 8 SSt n = 1294

p le 005 CFI = 093 RMSEA = 008 SRMR = 006

SL M8 ndash07 SL M4 ndash09

SL M8 83

SL M4 82

SL M8 95

SL M4 88

LL M4 23 LL M4 76

LL M4 ndash01

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 110

Konfl ux aller Kraumlft e Faumlhigkeiten und Fertigkeiten der an der Schul- und Unterrichts-entwicklung beteiligten Personen als fl ieszligendes Zusammenspiel und -wirken im je-weiligen Kontext (je nach Th ema und Situation) und im zeitlichen Verlauf (Konti-nuum Petzold 2007)28 Das Modell beinhaltet sowohl ein Verbesserungslernen im Verstaumlndnis eines Kreislaufs nach der RADAR-Systematik (Result ndash Approach ndash De-ployment ndash Assessment ndash Refi nement) welcher auf dem Plan-Do-Check-Act-Kreis (PDCA-Kreis) basiert (Moll 2012) als auch das Veraumlnderungslernen als wendelfoumlrmi-gen Prozess (Initialphase ndash Refl exions-Profl exionsphase ndash Integrations-Neuorientie-rung-Aktionsphase ndash Evaluationsphase siehe Abbildung 10)

Die Initial- und Rezeptionsphase (Wiesner et al 2016) bzw bdquoInitiierungsphaseldquo (Bartz 2013 S 163) oder schlicht bdquoRezeptionldquo (Helmke 2009 S 312 Helmke 2004 S 101) dient dem bewussten Wahrnehmen der Phaumlnomene Th emen und Situationen in bestimmten innerschulischen Prozessen und einzelschulischen Kontexten in denen mit denen und uumlber die in einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwick-lung ko-respondiert werden kann ndash im Sinne des Miteinanderantwortens unter Be-ruumlcksichtigung der jeweiligen Kontexte und des zeitlichen Verlaufs Diese Phase er-moumlglicht ein vielfaumlltiges Sammeln ein Wahrnehmen Formulieren Artikulieren und Identifi zieren sowie ein erstes exploratives Erkennen von Potenzialen Ideen Defi zi-ten Problemen sowie Loumlsungs- und Moumlglichkeitsraumlumen als vielfaumlltige Wirklichkeit aus unterschiedlichsten Blickwinkeln durch Evidenz(en) (Petzold 2007 Wiesner et al 2016) Durch eine fokussierte Wahrnehmung und das Erkennen von Th emen und Si-tuationen in Verbindung mit innerschulischen Prozessen und einzelschulischen Kon-texten entstehen erste Chancen des Selektierens beim Sammeln und Einbringen von Daten Informationen und Wissen durch alle Beteiligten sowohl auf der Sachebene als auch auf der Haltungs- Werte- und Sinnebene In der Initialphase werden beispiels-weise Vermutungen formuliert die eigene und gemeinsame Aufmerksamkeit auf moumlg-liche Schwaumlchen wie auch Potenziale gelenkt und u a bdquogedachteldquo (aber noch nicht vorhandene) Probleme artikuliert Die Perspektiven werden durch das Sammeln von Daten und Informationen erweitert und Beziehungen zwischen Daten Informationen und Wissen sortiert sowie z B nach Relevanz geordnet

Die Refl exions- amp Profl exionsphase (Wiesner et al 2016 Bartz 2013) bzw bdquoRe-zeptionldquo (Helmke 2004 S 101) kann als fokussiertes Erfassen und Verstehen sowie Weiterwirken der Initialphase verstanden werden wobei eine Th ematisierung durch fokussierte Praumlsenz erfolgt und inspirative Loumlsungen konkurrierende Loumlsungsaspek-te oder neue Perspektiven hinsichtlich Th emen oder Situationen entstehen (Petzold 2003) die noch als Probleme oder Defi zite bezeichnet werden Es handelt sich da-bei um eine professionelle Auseinandersetzung (KonsensDissens) aller Beteiligten mit Evidenzen Eine professionelle vertiefende Refl exion und Profl exion ist als entwick-lungsorientierte (Schul- und Unterrichts-)Kulturarbeit verstanden die entscheidende Phase im gesamten Prozess (Helmke 2004 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018)

28 In der Praxis genuumlgt es oft mals den kontextuellen Rahmen bewusst zu machen um bdquodann das Th ema klarer vor seinem Hintergrund zu sehen Vielfach aber muss KontextKontinuum selbst erst detailliert zum Th ema werden ehe ein Sachthema oder ein situatives Problem adaumlquat an-gegangen werden kann denn auch ein Th ema hat seinen Kontext und steht nicht jenseits der Situationldquo (Petzold 2003 S 118 f)

Implementation Transfer Progression und Transformation 111

und benoumltigt ein ko-respondierendes ko-kreatives und damit ko-operatives Zusam-menwirken durch gelingende Teamarbeit Gemeinschaft und Buumlndnisse Neben einem Diskurs uumlber Fragen des Lehrens und Lernens und der Th ematisierung von Kontex-ten sollen besonders auch (Re-)Visionen und praumlgnante Ziele sowie neue veraumlnder-te Zielbilder durch Veraumlnderungslernen (Double-loop Learning) ermoumlglicht werden Der Diskurs uumlber Fragen des Lernens und Lehrens widmet sich beispielsweise dem kompetenzorientierten Unterricht und den Dimensionen der Kompetenzorientierung (Steinkellner amp Wiesner 2017) wie der kognitiven motivationalen und sozialen Akti-vierung der lebensweltlichen Anwendung und Wissensvernetzung dem professionel-len Feedback der Lernbegleitung der Haltung und Klassenfuumlhrung oder spezifi schen Th emen wie dem Classroom Walkthrough (Schwarz 2013) Verbindungen zwischen Annahmen Vermutungen Informationen und Daten werden aktiv und systematisch hergestellt und Beziehungen geordnet um Zusammenhaumlnge in den Th emen und Situ-ationen zu verstehen

Der Integrations- und Neuorientierungsphase bzw bdquoAktionldquo (Helmke 2009 S 312) kommt bdquodie Aufgabe der kritischen Auswertungldquo (ebd) zu hat sie doch das Ziel Veraumlnderungen oder Verbesserungen praumlgnant fokussiert und praumlsent zu ma-chen also bdquoden Sinn des Geschehens seine Bedeutung hervorzuheben das Erarbeite-

Um

setzen

V

erb

ess

ern

Planen

Uumlberpruumlfen

Qualitaumlts-verbesserung

(Kreislauf)

Qualitaumlts-entwicklung

(Spirale)

Qualitaumlts-transformation

als Prozess

Qualitaumltskontrolle

plan

do

check

act

Initital- und Rezeptionsphase Staumlrken und Schwaumlchen erkennen

Probleme identifizieren und formulieren

Daten Informationen Wissen sammeln

Beziehungen ordnen

erkennen

Reflexions- und Proflexionsphase Auseinandersetzung aller Beteiligten

Erklaumlrungen und Ideen entwickeln

Beziehungen reorganisieren und (neu)

verknuumlpfen

verstehen

Integrations- und Aktionsphase

konsensgegruumlndete Konzepte und Kreation

Entwicklungen und Maszlignahmen arrangieren

Kooperationen und Projekte verbinden

Neuorientierung

gestalten

Evaluationsphase Was hat gewirkt Was wirkt Wie wirkt es Wirkt es nachhaltig Ist es sinnvoll

hinterfragen

Initial- undRezeptionsphase

Integrations- undAktionsphase

Reflexions- undProflexionsphase

Evaluationsphase

2 Zyklus

1 Zyklus

Situation

3 Zyklus

Situation

Situation

Abbildung 10 Das wendelfoumlrmige Salzburger Entwicklungsmodell (eigene Darstellung)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 112

te kritisch zu bewerten und zu Handlungskonsequenzenldquo (Petzold 2003 S 131) uumlber-zuleiten Diese Phase soll als tatsaumlchliche Entwicklung im Sinne von Next Practice (vgl Kruse 2004) als Moumlglichkeit zur Veraumlnderung verstanden werden wie auch als Re-Orientierung bzw Umsetzung von Gestaltungsmoumlglichkeiten aber auch zur Opti-mierung von Prozessen und Maszlignahmen als Good Practice und Best Practice

Die aus der Initial- und Refl exions-Profl exionsphase erarbeiteten zentralen Ge-sichtspunkte Handlungsfelder und Loumlsungen gelten nun einerseits als Konzepte und reproduzierbare Prototypen (auch im Sinne von Produkten Maszlignahmen und Prozes-sen explizites Wissen) als gedachte gefuumlhlte und gehandelte (neue) Erfahrung (neu-es implizites Wissen vgl Abbildung 11) Andererseits schaff en sie im Unterricht oder in der Schule eine neue veraumlnderte oder optimierte Stabilitaumlt und Identitaumlt als Grund-lage fuumlr moumlglicherweise neue Haltungen gespeist aus veraumlnderten Uumlberzeugungen und Zielen In dieser Phase wird die vorhandene Komplexitaumlt maszliggeblich reduziert und zugleich erschlossen sie steckt bdquoeinen Horizont ab und eroumlff net damit neueldquo (Pet-zold 2003 S 131) sie schafft bdquofuumlr eine Zeit fi xierte Konzepte durch die dann wiede-rum ein Mehr an fl ieszligender Wirklichkeit erschlossen werden kannldquo (ebd) Entschei-dend in dieser Phase ist eine bewusst im Handeln realisierte (Ruumlck-)Wirkung durch Refl exion auf innerschulische Prozesse und einzelschulische Kontexte und somit auf

ko-kreative ErfahrungenKonzeptePrototypen generieren

RezeptionReflexionProflexionAktion

Integration

und Hinterfragen

implizites in explizites

Wissenwandeln

explizitesWissen

generieren

implizitesWissen

Reflexion

ko-kreative ErfahrungenKonzeptePrototypen generieren

InitialphaseReflexions-Proflexionsphase

Aktionsphase

Integrationsphase und

Evaluationsphase

implizites in explizites

Wissenwandeln

explizitesWissen

generieren

implizitesWissen

Reflexion

explizites undimplizitesWissen

verknuumlpfen

explizites undimplizitesWissen

verknuumlpfen

Abbildung 11 Zyklen der evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung (eigene Darstellung)

Implementation Transfer Progression und Transformation 113

die Ausgangssituation um nicht nur (leichte) Anpassungen sondern durch Profl exion tatsaumlchliche Chancen der Veraumlnderung der Schule des Unterrichts und des Umfelds durch die Handelnden (Veraumlnderungslernen) zu ermoumlglichen

In der Phase der bdquoEvaluationldquo (Helmke 2009 S 313 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) sind zumindest immer die Fragen zu stellen Wie wirken sich die ge-setzten Handlungen auf meineunsere Schule auf meinenunseren Unterricht auf die Beziehungsqualitaumlt auf das Klassen- und Schulklima auf meineunsere Kompe-tenzen auf meineunsere Grundprinzipien usw aus Was hat gewirkt und wird ver-mutlich wirken Was sollen wir in unserer Schule bzw unserem Unterricht bloszlig tun Die Phase der Evaluation ist damit regelhaft auch eine Initialphase fuumlr einen neuen Zyklus (siehe Abbildung 10) sodass Konzepte und reproduzierbare Prototypen lau-fend praumlzisiert und veraumlndert werden um weitere veraumlnderte abgewandelte Praxis (als Next Practice) oder verbesserte Praxis (als Best Practice) zu ermoumlglichen bdquoVerstehenldquo (Kruse 2004 S 60) erhoumlht dabei die bdquoBereitschaft sich auf Veraumlnderung einzulassenldquo (ebd)

Kerngedanke 7 Kompetenzverstaumlndnis

Weinert hat rund um die Jahrtausendwende den Begriff der Kompetenz in einer Form defi niert die ihn fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwicklung handhabbar machte Da-mit hat sich die Idee der Mehrperspektivitaumlt geoumlff net Lernen wird aus Sicht der Lehr-personen jedoch auch aus Sicht der Schuumllerinnen gesehen wahrgenommen und gespuumlrt (Beziehungs- und Resonanzpaumldagogik) Kompetenzorientierung schafft eine Verbin-dung zwischen den Begegnungen und Beziehungen in einer Schule und im Unterricht und dem sachorientierten Lehrplan dem Stoff und den Uumlbungen Sie verbindet den In-haltsaspekt mit dem Beziehungsaspekt nach Watzlawick Beavin amp Jackson (2011) und foumlrdert (nebenbei) die zwischenmenschliche Kommunikation Wichtig erscheint Modelle kritisch zu pruumlfen und zu hinterfragen welche Botschaft en sie vermitteln

In der bdquoUumlberwindung des sbquoRichtig-falsch-Denkenslsquo und der habituellen Schuldzu-schreibung liegt fuumlr die Beratungsprozesse die das Denken Fuumlhlen und Handeln von Menschen in loumlsungs- und entwicklungsorientierter Weise veraumlndern wollen der ent-scheidende kognitiv-mentale Knoten Da die mentalen Muster per Defi nition nicht bewusst ablaufen gilt es Formen zu fi nden diese der Erkenntnis zugaumlnglich zu ma-chen und annehmen zu koumlnnenldquo (Schley amp Schley 2010 S 25)

Ein Entwurf eines Modells der Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Evi-denz(en) fuumlr die Praxis ist immer facettenreich sowie mehrdimensional und benoumltigt dennoch systematisierende entwicklungsorientierte und zwischenmenschliche Mo-delle Visuell abbildbare Modelle brauchen wiederum systemische Denkansaumltze (Os-simitz 1996 S 281 f 2000 Doumlrner 1989 Merten 1974) um heuristische und pro-gnostische Funktionen organisiert aufzuzeigen sowie Zusammenhaumlnge zu klaumlren Besonders die Faumlhigkeit Dynamiken Ruumlckkopplungen Nebenwirkungen Wendel- und Kreislaumlufe in einem System identifi zieren zu koumlnnen sowie eine vorliegende dyna-

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 114

mische Komplexitaumlt verstehen und beurteilen zu koumlnnen sind nach Ossimitz (2000) wesentliche Aspekte und Kriterien von Modellen Bei aller Komplexitaumlt des For-schungsgegenstands besteht die Aufgabe von Modellen darin dass bdquowissenschaft licher Fortschritt weitgehend auch im Aussprechen von Trivialitaumltenldquo (Maletzke 1998 S 58) stattfi ndet Explizite Modelle sind nicht nur Abstraktionsleistung menschlichen Den-kens sondern zeigen vernetzte systemische (nicht tabellarische) Strukturen auf Dabei werden Argumentationsketten ermoumlglicht die als Teilaspekte in dynamische Zeit- und Raumgestalten gebracht werden koumlnnen wie z B Zeitverlaumlufe und verstaumlndliche ein-fache Aspekte Kriterien und Kontexte mit praktikablem Praxisbezug Dennoch sind die Analyse der Einfl uss und die Wirkung von Modellen als Instrumente der visuel-len Argumentation bisher kaum diskutiert (Elsing amp van Ackeren 2017)

Modelle legen jedoch immer bei detaillierter und genauerer Betrachtung die fuumlr die Bewertung zugrunde liegenden Vorstellungen Ziele Annahmen Werte und Prin-zipien usw off en (Ditton 2007 Ditton amp Muumlller 2011) Selbst der urspruumlnglich wert-neutrale Begriff der Qualitaumlt erhaumllt durch ein (Rahmen-)Modell immer (mindestens) eine Wertung (Huber amp Schneider 2011) Jedes Modell gibt (explizit und implizit) vor welche Bedingungen im Hinblick auf eine Qualitaumltserwartung erfuumlllt werden muumlssen (Schratz amp Westfall-Greiter 2010) Dabei sollen Modelle zur Qualitaumlt zunaumlchst nur bdquodie Wirklichkeit in einer noch uumlberschaubaren aber dennoch genuumlgend diff eren-zierten Formldquo (Ditton 2007 S 83) systematisch und strukturiert abbilden Doch je nach Art Umfang und Anlage eines Modells ergeben sich unterschiedliche Arten von Daten Informationen und Wissen und diese Evidenzen fuumlhren bdquozu unterschiedlichen Steuerungsmoumlglichkeitenldquo (Terhart 2002 S 72) und letztendlich zu ungleichen Er-wartungen und Entscheidungsfi ndungen

Fuumlr einen Entwurf eines Modells der Schul- und Unterrichtsentwicklung sollten wir daher bei Modellen als Ausgangspunkt zunaumlchst keine Verkuumlrzung der Kompe-tenzorientierung auf bloszlige kognitive Leistungsfaumlhigkeit annehmen wie dies z B beim Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) mit der Bezeichnung bdquostandardbezogene Testsldquo (ebd S 60) stattfi ndet Das Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) strebt auch u a nur bdquoverbesserte Ergebnisseldquo (ebd S 60) an die Prozesse (siehe Kerngedan-ke 2) bleiben im Modell zunaumlchst eine Black-Box und beschreiben im Ablauf vorran-gig nur Optimierungen29 (siehe Kerngedanke 1) Die Herangehensweise dieses Mo-dells vernachlaumlssigt zusaumltzlich die besondere Bedeutung der Refl exionProfl exion und ermoumlglicht daher nur eine einseitige Herangehensweise im Sinne eines Einschleifen-

29 Die Kompetenzorientierung wird nicht explizit angefuumlhrt und Bildungsstandards mit Leis-tungstests (Performance Standards) gleichgesetzt (Altrichter amp Gamsjaumlger 2018) Altrichter und Gamsjaumlger (2018) verweisen auf Coburn und Turner (2011) aber z B nicht auf die Ent-wicklungsorientierung nach Helmke (2004) wodurch die Botschaft der Datennutzung nun ausschlieszliglich sachorientiert formal und analytisch formuliert wird bdquoLehrpersonen sollen Bil-dungsstandards wahrnehmen und beachten (noticing) ihre (teilweise neuartigen) Botschaft en interpretieren und verstehen (interpreting) und daraus Konsequenzen insbesondere in Bezug auf ihre Unterrichtsplanung und -durchfuumlhrungldquo (Altrichter amp Gamsjaumlger 2018 S 63 f) (als Implications) ableiten Der Ruumlckgriff auf Coburn und Turner (2011) blendet die Bedeutsam-keit der Refl exions-Profl exionsprozesse aus (siehe dazu Abbildung 9 und 10) und etabliert das Modell mit Bezug auf Kolb (2015) fast ausschlieszliglich im Bereich des assimilierendes Lernens wodurch weder Ideen noch Handlungen entstehen

Implementation Transfer Progression und Transformation 115

lernens (Single-Loop-Learning) und oumlff net damit ausschlieszliglich eine Perspektive der Verbesserung wodurch der Blick auf Entwicklungsprozesse maszliggeblich eingeschraumlnkt und beschraumlnkt wird

Die beiden Zielsetzungen der Bildungsstandards in Oumlsterreich (Educational Stan-dards) waren spaumltestens ab 2008 die an Daten orientierte Unterrichtsentwicklung und die Einfuumlhrung des kompetenzorientierten Unterrichts (Specht amp Lucyshyn 2008 Wiesner amp Schreiner 2017) Das Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) greift weder die tatsaumlchlichen Ziele30 noch die enge Verbindung der Bildungsstandards mit der Kompetenzorientierung auf Gerade durch diese Verknuumlpfung sollte sich der Unterricht weg von einem Angebotsparadigma (Altrichter amp Posch 2007) und dem bdquopassive[n] gelenkte[n] Lernenldquo (Krainer 2004) hin auf eine Kompetenzkultur (Stein-kellner amp Wiesner 2017) entwickeln und bdquoden Fokus des Unterrichts vom durchzu-nehmenden Stoff auf die zu vermittelnden Kompetenzenldquo (Specht amp Lucyshyn 2008 S 2) verlagern In diesem Sinne sind tatsaumlchlich entwicklungsorientierte Modelle ndash wie das Rahmenmodell von Helmke (Helmke 2004) ndash als Zielbild ansprechender zei-gen den paumldagogischen Nutzen von Daten leisten fuumlr einen Entwurf eines Modells der Schul- und Unterrichtsentwicklung einen houmlheren Erklaumlrungsbeitrag und ermoumlg-lichen diff erenziertere und vielfaumlltigere Einblicke unter der Betonung der Refl exions-prozesse Ein anderes entwicklungsorientiertes Modell mit der dezidierten Verbindung zwischen der Kompetenzorientierung und den Bildungsstandards ist das oumlsterrei-chische Rahmenmodell (Wiesner Schreiner amp Breit 2015 Schreiner amp Breit 2016) Schulen benoumltigen jedenfalls praxisbezogenes Wissen uumlber Modelle und Uumlbersetzun-gen von Modellen um vor dem Hintergrund ihrer spezifi schen Bedingungen und Be-duumlrfnisse bestmoumlgliche Entscheidungen treff en zu koumlnnen und um die Qualitaumlt von Schule und Unterricht evidenzorientiert zu entwickeln und zu verbessern

Auch Modelle aus dem Total Quality Management (TQM) ndash wie z B das Modell der European Foundation of Quality Management (EFQM) ndash greifen fuumlr ein Modell der Schulentwicklung zu kurz da sie meist nur formalisierte (Qualitaumlts-)Verbesserung nach der bdquoRADAR-Systematikldquo (Result ndash Approach ndash Deployment ndash Assessment ndash Re-fi nement [RADAR]) auf Basis des Plan-Do-Check-Act-Kreises (PDCA-Kreis Moll 2012 Toumlpfer amp Mehdorn 1994) als bloszlige Kreislaufmodelle (Einschleifenlernen) an-bieten Aumlhnlich dem EFQM-Modell ist z B auch das Rahmenmodell zur Qualitaumlt durch Evaluation und Entwicklung (Q2E) von Landwehr amp Steiner (2003) Diese Mo-delle integrierten weder die Idee einer tatsaumlchlichen Bestimmung bdquoder Guumlte eines Pro-duktsldquo (Klopsch 2009 S 10) noch die Orientierung an Entwicklungsprozessen um eine Entwicklung der Beschaff enheit und Guumlte durch Prozessmusterwechsel (als Next Practice) zu ermoumlglichen (Schratz et al 2016)

30 Bereits Altrichter und Kanape-Willingshofer (2012) berichteten von Zielen der oumlsterreichi-schen Bildungsstandards die in der Genese der Bildungsstandards in dieser Art und Weise zwar vorkommen aber ab spaumltestens 2008 in vielen Bereichen an Bedeutung verloren haben wodurch bis heute in Oumlsterreich kein Weg des bdquoParadigmas der Kontrolleldquo beschritten wurde

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 116

Tabelle 3 Aspekte und Kriterien der Kompetenzorientierung im Unterricht und der Lehrkraumlftebildung

Aspekte und Kriteriennach Weinert (2001)

Dimensionen der Kompeten-zorientierung nach Wiesner et al (2018)

hellip im Unterricht hellip hellip professionelle Lehrkraumlftebildung nach Baumert und Kunter 2006

erlernbar

Lernbegleitung

hellip ermoumlglicht eine hohe Passung und ein gelungenes Zusammenwirken indivi-dueller differenzierter und personalisier-ter Lernbegleitung und -begegnungen durch variable lerntheoretisch fundierte und fachdidaktische Herangehens-weisen und Methoden

paumldagogische und psychologische Kompetenz fachdidaktische Kompetenz Fach-kompetenz Be-ratungskompetenz Uumlberzeugungen Werthaltung und Ziele Organisations-wissen

Klassenfuumlhrung hellip durch eine foumlrderliche Haltung und Praumlsenz (Allgegenwaumlrtigkeit) der Lehrperson um einen kompetenz-orientierten Unterricht und Foumlrderung zu ermoumlglichen eine fehleroffene und stoumlrungspraumlventive Fuumlhrung der Klasse die Foumlrderung einer sinnstiftenden wertschaumltzenden und respektvollen Kommunikation

kognitiv

Aktivierung und Verarbeitungstiefe

hellip durch kognitive motivationale volitionale und soziale Aktivierung Strukturieren Systematisieren Heraus-fordern sowie selbststaumlndiges als auch kooperatives Lernen und Arbeiten Foumlrderung strategischen und kreativen Denkens Foumlrderung von Routinen und Entwicklung Partizipation

motivational volitional und sozial

Probleme loumlsen Foumlrderung der fach lichen und uumlberfach lichen Wis-sensvernetzung um Probleme zu loumlsen

hellip durch eine vielfaumlltige Wissensver-netzung sowohl innerhalb eines Faches als auch zwischen mehreren Faumlchern durch Analysieren Erkunden Erproben Entdecken Erfinden Abwaumlgen Argu-mentieren innerhalb eines Faches als auch uumlber Faumlcher hinweg

Problemloumlsung in variablen Situationen

Foumlrderung lebens-weltlicher Anwendun-gen um Loumlsungen in variablen Situationen und in der Lebens-welt zu ermoumlglichen

hellip durch lebensweltliche Anwendung des zu Lernenden und des bereits Gelernten verankern und variable Situ-ationen kennenlernen durch vielfaumlltige Angebote und Variationen vor allem auch zwischen dem Fach sowie der Lebenswelt und Wirklichkeit der Schuumllerinnen Variabilitaumlt und Viabilitaumlt erhoumlhen

erfolgreich und verantwortungs-voll

(Selbst-)Reflexion hellip durch wiederkehrendes Vorleben und Stimulieren von (Selbst-)Reflexions-prozessen reflektieren der eigenen Zielorientierung Feedback Attribution der eigenen eingesetzten Kompetenzen durch Hinterfragen Kritikfaumlhigkeit

Uumlberzeugungen Werthaltung und Ziele Beratungs-kompetenz

Implementation Transfer Progression und Transformation 117

Grundsaumltzlich ist jedenfalls von einer bdquoverkuumlrzten Gleichsetzungldquo (Frohn amp Heinrich 2018 S 156) von Kompetenzorientierung mit kognitiv-verkuumlrzten Leistungstests wie im Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) abzuraten Sowohl Ziener (2010) Feindt amp Meyer (2010) Steinkellner amp Wiesner (2017) als auch Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner (2018) entwerfen reichhaltige Modelle der Kompetenz-orientierung und plaumldieren gegen eine Verengung auf die kognitive Leistungsfaumlhig-keit Bezugspunkt der oumlsterreichischen Bildungsstandards sind der von Franz E Wein-ert entwickelte Kompetenzbegriff und die Foumlrderung von Kompetenzen im Unterricht Kompetenzen sind bdquodie bei Individuen verfuumlgbaren oder durch sie erlernbaren kogni-tiven Faumlhigkeiten und Fertigkeiten um bestimmte Probleme zu loumlsen sowie die damit verbundenen motivationalen volitionalen und sozialen Bereitschaft en und Faumlhigkeiten um die Problemloumlsung in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nut-zen zu koumlnnenldquo (Weinert 2001 S 27 f Herv d Verf) In diesem Sinne muss es nach Frohn und Heinrich (2018) darum gehen bdquoSchuumllerinnen in allen dieser Defi nition innewohnenden Kompetenzdimensionenldquo nachhaltig zu foumlrdern Demnach ist es fuumlr umfassende und integrative bdquoLehr-Lern-Prozesse unabdingbar alle Konnotationen des Kompetenzbegriff s in der Planung und Durchfuumlhrung von Unterricht zu beruumlcksich-tigen um diff erenzierte Lernangebote zu eroumlff nenldquo (Frohn amp Heinrich 2018 S 157) Ein diff erenziertes Lehr-Lern-Geschehen benoumltigt ein integratives Konzept (siehe Ta-belle 3) mit einem weiten Begriff sverstaumlndnis als Verbindung der Kompetenzdefi ni-tion von Weinert (Weinert 2001) der Dimensionen der Kompetenzorientierung im Unterricht (Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner 2018) und der Lehrkraumlft ebil-dung (Baumert amp Kunter 2006)

Frohn und Heinrich (2018 S 157) argumentieren daher dass kompetenzorien-tierte bdquoStandards nicht im Sinne von Leistungserwartungen an Schuumllerinnenldquo formu-liert werden duumlrfen sondern als bdquoUnterrichtsstandardsldquo im Sinne einer professionel-len Lehrkraumlft ebildung zu defi nieren sind (siehe dazu Tab 3) die bdquoFeedback soziale Lernprozesse gegenseitige Wertschaumltzung Partizipation Kritikfaumlhigkeit und Motiva-tion bis hin zu kreativ-aumlsthetischen Parameternldquo integrieren Risikoreich und entwick-lungshemmend ist jedenfalls eine Verkuumlrzung der Kompetenzorientierung auf blo-szlige kognitive Leistungsfaumlhigkeit wie auch Rahmenmodelle der Schulentwicklung die Kompetenzmessungen verkuumlrzt als bloszlige kognitive Tests darlegen damit sich nicht bdquotradierte Bewertungsmusterldquo (Frohn amp Heinrich 2018 S 157) weiterhin fortsetzen Besonders die Idee der bdquoNeuen Steuerungldquo reproduziert durch solche Verkuumlrzungen moumlglicherweise nur bdquoalte Ungleichheitenldquo (Dietrich Heinrich amp Th ieme 2011)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 118

Kerngedanke 8 Implementation Transfer Progression und Transformation

In den letzten Jahren durft en wir viele Workshops dialogische Vortraumlge und Veranstal-tungen mit und fuumlr Schulleitungen Lehrpersonen und Schulaufsicht aktiv (mit-)gestal-ten Aufb auend auf diesen reichhaltigen Erfahrungen Begegnungen und Beziehungen haben wir versucht ein refl ektierendes Modell fuumlr eine refl ektierende Praxis im Rahmen unserer Begleitforschungen fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung zu generieren Die bisherigen Entwuumlrfe liegen in diesem Beitrag nun vor und ordnen die Herangehensweisen vor allem durch theoretische oft mals (zugegeben) etwas abstrak-te Konzepte Doch die Konzepte konnten in der Praxis wirkkraumlft ig erfolgreich und pra-xisnah eingesetzt werden Wichtig und handlungsleitend fuumlr uns war dabei dass nicht immer alles implementiert werden kann aber auch nicht alles eine Transformation sein muss Das Modell der Feldtransformation (gemeinsam entwickelt mit der wissenschaft -lichen Leitung der oumlsterreichischen Leadership Academy31) hat uns dabei viele Impul-se und Anregungen gegeben Wir moumlchten diese heranziehen um wichtige Begriff e einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung zu klaumlren

Eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Zielbilder als Ver-bindung von Vision und Ziel kann bdquomehr oder weniger nebenwirkungsreich gelin-genldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 154) Entwicklungen sind als Zielbilder sowohl von Visionen als auch von Zielen und einer professionellen Fuumlhrungskultur (Schratz et al 2016) gepraumlgt ohne Vision bdquoverliert die Veraumlnderung ihre Basis bevor sie begonnen hatldquo (Kruse 2004 S 69) Zielbilder benoumltigen Grundlagen Ausgangspunkte um Op-timierungen Entwicklungen oder Transformatives als Erfahrung bewusst beschreiben und aktiv refl ektierenprofl ektieren zu koumlnnen

Die Begriff e Implementierung Transfer und Transformation sind in der Schul- und Unterrichtsentwicklung haumlufi g verwendete Begriff e und (Dauer-)Th emen Sie werden dennoch manchmal leichtfertig verwendet ohne ihre Bedeutung ihre Ver-bindung zueinander und ihre Diff erenz aufzuzeigen Entwicklung kann verstan-den werden als Moumlglichkeiten des Augenblicks als Durchbruch von Vorstellungen und als Zusammenspiel von (planbarem) Wandel und (emergenter) Veraumlnderung In der Schul- und Unterrichtsentwicklung werden seit vielen Jahrzehnten Innovationen durch Reformen als Interventionen gefordert und unterschiedliche Umsetzungsmoumlg-lichkeiten als Paradigmen gewaumlhlt (Schratz et al 2016) Reformen (lat reformare um-gestalten verwandeln) und Intervention (lateinisch intervenire dazwischentreten) die zu Innovationen (lateinisch innovare erneuern) fuumlhren (sollen) determinieren immer auch intangibles implizites oder explizites Wissen und Strukturen und Begrenzen das Moumlgliche (siehe den Beitrag von Rolff in diesem Sammelband)

Wir moumlchten zunaumlchst Bezug nehmen auf den innovativen Entwurf der Feldtrans-formation als alternatives Th eoriegebaumlude fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwick-lung (siehe den Beitrag von Wiesner in diesem Band) sowie zur Entwicklung einer

31 Die Leadership Academy (LEA) existierte in Oumlsterreich von 2004 bis 2018 unter der wissen-schaft lichen Leitung von Wilfried Schley und Michael Schratz

Implementation Transfer Progression und Transformation 119

persoumlnlichen Koumlnnerschaft z B im Bereich Leadership und Management (Schratz et al 2016) Alle Prozesse im Modell der Feldtransformation sind als Gesamtprozesse in einem multidimensional diff erenzierten Kontext und im Kontinuum (Zeitverlaumlu-fe) zu sehen Das Modell folgt dabei zunaumlchst dem Entwurf aus den 1960er Jahren von Riemann (Riemann 2007 S 238 Paschen amp Dihsmaier 2014) und greift ein ana-lytisches psychodynamisches Denken auf Dabei haben Personen und Systeme kei-ne absoluten sondern immer wieder voruumlbergehende strukturelle Zuumlge Das Modell von Riemann (2007) beschreibt vier bdquoFormen des In-der-Welt-Seinsldquo (Riemann 2007 S 243)32 welche als Grundimpulse und potenzielle Antriebe im Hinblick auf Situatio-nen sowie als Moumlglichkeiten und Antworten dienen (ebd S 27 vgl Abbildung 12) 1) Dauer eine Ordnung und eine moumlglichst dauerhaft e Geborgenheit zu schaff en als

Stabilitaumltsorientierung (durch Unsicherheit und als Angst vor Wechsel und Angst vor Vergaumlnglichkeit)

2) Distanz eine erkennende analysierende Distanzierung zur Loumlsung einer bdquoAufgabe und Forderungldquo als Sachorientierung33 (und als Angst vor Abhaumlngigkeit)

3) Naumlhe eine Identifi zierung und Identifi kation und die Gestaltung von bdquoBeziehungldquo (Riemann 2007 S 238) als Beziehungsorientierung (und der Angst vor Isolation) oder

4) Wechsel eine Hingabe als ein Einlassen auf Veraumlnderung und Wandel als Entwick-lungsorientierung (und als Angst vor Bestaumlndigkeit Einengung und Endguumlltig-keit)

Die verfuumlgbaren und kombinierbaren Antwortmoumlglichkeiten als verschiedene Louml-sungsentwuumlrfe sind als ein bdquoZeichen der Lebendigkeitldquo (Riemann 2007 S 238) und Beweglichkeit von Menschen und Systemen zu verstehen Th omann und Schulz von Th un (2003 S 177) verwenden die vier Grundimpulse von Riemann (2007) z B in ihrem kommunikationswissenschaft lichen Wegweiser-Modell um die Intensitaumlt der jeweiligen Aktivierung auf den Achsen zu bestimmen und die fl ieszligenden Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten zu veranschaulichen

In vielen Th eorien fi ndet sich explizit oder implizit wie Personen und Systeme als Einheit zu denken sind jedoch uumlber die Art und Weise wie diese verbunden sind (als Mikro-Makro-Diff erenzierung gedacht) herrscht oft mals rege Uneinigkeit Hier greift das Modell der Feldtransformation auf den systemischen Entwurf des Soziologen Rit-zer (1975 1978 1985) zuruumlck Ritzer (2001 2010) ordnet und diff erenziert wesentli-che soziologische Th eorien und Denkmodelle und fuumlhrt diese einer 4-Felder-Matrix mit vier Dimensionen und deren Wechselbeziehungen zu Die Struktur des Modells

32 Die beschriebenen Strukturdiagnosen fi nden sich indirekt z B als (depressive zwanghaft e schizoide und hysterische) Persoumlnlichkeitsdispositionen von Riemann (2007) in der ICD-10 oder der DSM-IV-TR Die Grundlagen dazu gehen auf die Th eorie der Neurosenstruktur von Schultz-Henke (1951) zuruumlck In der Organisationsforschung spricht Tuumlrk (1976) von Grund-lagen einer Pathologie der Organisation

33 In Fachbuumlchern wird dieser Impuls oft mals auch als bdquoAutonomieorientierungldquo (Paschen amp Dihsmaier 2014 S 41) bezeichnet das Modell der Feldtransformation greift hierbei jedoch auf die Begriff e des bdquoInhaltsaspektsldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 S 53 f) und der bdquoOrien-tierung an der Sachebeneldquo (Schulz von Th un 2002 S 15 Th omann 2004 Muumlri 1993) zuruumlck um Verwirrungen mit dem Begriff der Schulautonomie zu vermeiden

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 120

geht zunaumlchst von einer Mikro-Makro-Achse aus und einer Achse die zusaumltzlich zwi-schen objektiv und subjektiv diff erenziert (vgl Abbildung 13) Sowohl auf der bdquoMik-ro- als auch auf der Makro-Ebene sind soziale wie subjektive Faktoren aktivldquo (Schuuml-lein 2018 S 96) Systeme und Subsysteme sind daher immer bdquomehr oder weniger stabil bzw instabilldquo (Kruse 2004 S 40) sowie mehr oder weniger einfach oder kom-plex aber immer auch entwicklungsoff en

Das Modell der Feldtransformation speist sich aus kommunikationswissenschaft -lich-psychotherapeutischen Ansaumltzen (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 Wiesner 2015) aus psychologisch-kommunikationswissenschaft lichen interpersonellen Ent-wuumlrfen (Th omann amp Schulz von Th un 2003 Th omann 2004 Wiesner 2010) aus lerntheoretisch-kommunikationswissenschaft lichen Ansaumltzen (Kolb 1974 Kolb 2015 Wiesner 2010 2015) aus Modellen zum kritischen und kreativen Denken (Jonas-sen 1996 Astleitner 1998 Csikszentmihalyi 2010 Wiesner 2010 2015) aus Model-len zu dynamischen Systemen (Kruse 2004) aus systemtheoretischen Entwuumlrfen zum Chaos-Management34 (Muumlri 1993) und aus neueren systemisch-orientierten Leader-ship-Ansaumltzen (Weick amp Sutcliff e 2016 Schratz et al 2016) Das Modell greift u a die personenorientierte Herangehensweise aus der klinischen Psychologie und der da-mit verbundenen Th erapieforschung von Riemann (2007) und den metasystemischen

34 Chaos als die bdquonormale Durchgangsstation im Wachstumldquo (Muumlri 1993 S 20)

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanz

Intellekt

Individualitaumlt

Freiheit

Spontanitaumlt

Flexibilitaumlt

Lebendigkeit

Abstand

Autonomie

Alleinsein

Kooperation

Geselligkeit

Gefuumlhle

Entwicklung

Veraumlnderung

Uumlberraschung

Sicherheit

Verantwortung

Zuverlaumlssigkeit

Ordnung

Kontrolle

Detailmanagement

Vertrauen

Harmonie

Solidaritaumlt

Abbildung 12 Grundimpulse und Grundformen der Angst (in Anlehnung an Riemann 2007 Stahl 2012)

Implementation Transfer Progression und Transformation 121

Ansatz von Ritzer (2001) als Grundmodell auf und diff erenziert bei der ersten Ach-se somit zwischen einer sachorientierten bdquoVerstandesweltldquo (von Saldern 2010 S 80) bzw einem bdquoInhaltsaspektldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 S 61) bzw einer bdquoSachebeneldquo (Muumlri 1993 S 58 Th omann 2004) und einer beziehungs- und emo-tionsorientierten bdquoIntuitionsweltldquo (von Saldern 2010 S 80 Holtfort 2013) bzw einer bdquoBeziehungsebeneldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 S 62 Th omann 2004) bzw bdquoBegegnungs- und Gefuumlhlsebeneldquo (Muumlri 1993 S 58) Die Aktivierungen lassen sich im Modell der Feldtransformation so verstehen dass die vier Impulse als Polaritaumlten und die vier Felder als gleichwertige Positionierungen gedacht werden wobei fl ieszligen-de Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten und Positionierungen moumlglich sind Die erste Polaritaumlt ist daher die Zeitachse (Stabilitaumlts- und Entwicklungsorientierung) die zwei-te die Raumachse (Sach- und Beziehungsorientierung) Je staumlrker ein Impuls ist desto weiter vom Nullpunkt entfernt wird er eingeordnet

Systeme ndash wie Schule und Unterricht ndash bestehen immer zwischen Kontinuitaumlt und Veraumlnderung weshalb eine der Leitachsen im Sinne einer bdquoIdentitaumlts-Diff erenzldquo (von Saldern 2010 S 69) geformt wird Eine Annaumlherung an eine Ganzheit im Sin-ne von bdquoBalancingldquo (Kolb 2015 S 143) entsteht wenn Personen und Systeme moumlg-lichst viel bisher Wesensfremdes und Fernliegendes integrieren um sich selbst als Per-son oder als System bdquozu weitenldquo (Riemann 2007 S 239) Der Blick von einem Punkt

Abbildung 13 4-Felder-Matrix der Mikro-Makro-Ebenen (in Anlehnung an bdquoMajor Levels of social analysisldquo (Ritzer 2001 S 93) (1975 1978 1985))

subjektiv

Makro

objektiv

Mikro

Mikro-objektive Ebene Mikro-subjektive Ebene

Makro-objektive Ebene Makro-subjektive Ebene

Muster von

Verhalten Handlung

und Interaktion

Konstruktion von

Wirklichkeit

Gesetze und Buumlrokratie Werte

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 122

einer Leitachse bestimmt die jeweilige Wahrnehmung Beobachtung und Analyse und veraumlndert die Aussagen und Erkenntnisse uumlber ein System (Boos 1991 Sandschnei-der 1995) wodurch die Felder als eine Ganzheit (System) und der Standpunkt bzw die jeweiligen Standpunkte ins Zentrum der Beobachtung ruumlcken Das Konzept der Feldtransformation ist nicht als ein einseitiger linearer Prozess zu betrachten sondern vielmehr als Kreislauf in Spiral- und Wendelbewegungen ndash als Vorstellung einer Pra-xis-Th eorie- und der Th eorie-Praxis-Beziehung Dabei stehen die vier Felder in einer wechselseitigen Beziehung zueinander und wirken gegenseitig aufeinander ein

In der Schul- und Unterrichtsentwicklung lassen sich nun die Konzepte der Im-plementation des Transfers der Progression und der Transformation einordnen und ihre Vorzuumlge und Nachteile naumlher bestimmen (siehe Abbildung 14) Dabei stellen wir uns folgende Fragen Wie positionieren sich Personen (Lehrerinnen Schulleiterin-nen Schulaufsicht usw) und Systeme (Politik Schule Unterricht usw) im Wandel der Zeit und wie fi nden Personen und Systeme ihre Identitaumlt in einer sich veraumlndernden Welt Wie positionieren sich Menschen und Systeme zueinander und gestalten Bezie-hungen und begreifen das Zusammenwirken (Paschen amp Dihsmaier 2014)

Die Idee der Implementation (lateinisch implere anfuumlllen erfuumlllen Abbildung 14 Nr i) stellt die Verbindung zwischen Sach- und Stabilitaumltsorientierung dar Sie verfolgt eine Verbesserung eher nach stabilitaumltsfunktionalistischen Uumlberlegungen und einem Innovationsverstaumlndnis nach dem Muster bdquoknowlegde informs actionldquo (Dewe Ferch-hoff amp Radtke 1992 S 71) indem durch eine Umsetzung Luumlcken geschlossen wer-den und Bestehendes durch Umstrukturierung (voraussichtlich) weiter optimiert wird Wenn Umsetzungen stattfi nden Teilbereiche umgestaltet und Funktions- und Struk-turzusammenhaumlnge verbessert werden um Bestehendes durch Anordnungen Erlaumls-se oder Gesetze zu optimieren dann sprechen Rolff amp Schratz (2015 S 6) von Imple-mentation35 Das Denkmodell der Implementation ist mittlerweile grundlegend mit Lenkungsmodellen der (Neuen) Steuerung verbunden und steht in einem Selbstver-staumlndnis von Taumltigkeiten wie lenken steuern leiten vorgeben vermitteln kontrol-lieren sanktionieren formalisieren Weisungen erteilen um dadurch auch (einfache) Transparenz zu schaff en (von Saldern 2010 Fuchs 2008 Bartz 2013) Die Ideen neh-men Bezug auf makro-objektive Th eorien und in den Begriff en steckt der bdquoGrundte-nor einer linearen Steuerung von Systemenldquo (von Saldern 2010 S 8) oder Personen verbunden mit dem Risiko der Uumlbersteuerung und Uumlberstabilisierung (Tuumlrk 1976) durch Vorgaben Standards (Gesetze Verordnungen usw) Uumlberformalisierung und Anordnungen Nur wenn bdquoein System einfach und stabil istldquo (Kruse 2004 S 42) also wenig komplex und auf wenig miteinander vernetze Elemente reduziert wird dann bdquokann es gesteuert werdenldquo (ebd im Sinne makro-objektiver Th eorien)

Im Sinne des Th eorie-Praxis-Problems moumlchte die Implementation ein theoretisch wissenschaft liches Wissen als handlungspraktisches professionelles Wissen durch moumlglichst rasche Entscheidungsfi ndung (Kolb 2015) etablieren ohne zu beruumlck-

35 bdquoAnordnungen Erlaumlsse oder Projekte die aus den Behoumlrden oder Stift ungen also von oben kommen nennen wir nicht Transfer sondern eher Umsetzung oder Implementationldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 6)

Implementation Transfer Progression und Transformation 123

sichtigen dass theoretisches oder bdquowissenschaft liches Wissen nicht ein besseres Han-deln-Koumlnnen impliziertldquo (Bommes Dewe amp Radtke 1996 S 220) Th eoretisches wis-senschaft liches oder auch politisches Erklaumlrungswissen ist nicht mit Handlungswissen gleichzusetzen Im Mittelpunkt des Interesses steht bei der Implementation die Uumlber-windung von Rezeptions- und Anwendungswiderstaumlnden als Probleme bdquoVerstopfun-gen und Blockadenldquo (Bommes Dewe amp Radtke 1996 S 222) in der und durch die Praxis Meist und vor allem im Kontext von Schul(system)entwicklung kommt hin-zu dass das bdquoGelingen in hohem Maszlige von den Personenldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 4) in der Schule und im Unterricht vor Ort bestimmt wird die die Ziele nicht vor-geben und bdquoim Prozess der Erkenntnisgewinnung nicht beteiligt warenldquo (ebd) Pro-blematisch kann dann zusaumltzlich bdquodie Zusammenarbeit einer buumlrokratischen Orga-nisation mit einem auf einem Fachgebiet ausgewiesenen Spezialistenldquo (von Saldern 2010 S 56 f) erscheinen besonders durch bdquoinhaumlrente Orientierungskonfl ikte zwi-schen organisatorischen und professionellen Normenldquo Bei der Implementation erfolgt eine Neuausrichtung und Verbesserung meist durch die Idee einer stabilitaumltsgebenden bdquoWeisungsmachtldquo (Bartz 2013 S 158)

Das Denkmodell des Transfers (lateinisch transferre hinuumlberbringen uumlbertragen Ab-bildung 14 Nr ii) stellt die Verbindung zwischen Sach- und Entwicklungsorientie-rung dar Es steht in einem Selbstverstaumlndnis von Taumltigkeiten wie agiles Regeln regu-lieren (Situationen) analysieren Ziele vereinbaren auf Abweichen reagieren erklaumlren

Abbildung 14 Feldaktivierungen in der Schul- und Unterrichtsentwicklung (eigene Darstellung)

Beziehungs-orientierung

Stabilitaumltsorientierung

prospektiv ndash proflektiv

Sach-orientierung

Entwicklungsorientierung

retrospektiv ndash reflektiv

kooperativ ndash innovativ ndash

sinnorientiert

optimierend ndashanalytisch ndash

formal

Transfer Progression

Implementation Transformation

uumlbertragen fortschreiten

erfuumlllen umgestalten

i

ii

iv

iii

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 124

ruumlckmelden und ein rationales bdquoArgumentierenldquo (Bartz 2013 S 158 Kruse 2004) um dialogisch produktives Gelingen zu foumlrdern und ein bdquoBrainstormingldquo (von Sal-dern 2010 S 81) als kuumlnstliche Spontanitaumlt anzuregen Die Idee des Transfers meint nunmehr entweder die Herausforderung ein wissenschaft liches theoretisches Wissen in ein praktisch-professionelles Handlungswissen zu uumlberfuumlhren ndash gedacht als Th eo-rie-Praxis-Problem ndash oder indem die Anschlussfaumlhigkeit des wissenschaft lichen Wis-sens an die Wissensbestaumlnde des Alltags (Alltagstheorie) erhoumlht wird im Sinne eines Th eorie-Th eorie-Problems (Bommes Dewe amp Radtke 1996) Die dritte Moumlglichkeit des Transfers ist das praktisch-professionelle Handlungswissen von einer Schuleeinem Unterricht in eine andere Schulein eine andere Unterrichtssituation im Sinne eines Praxis-Praxis-Problems durch die (wissenschaft liche) Analyse der Alltagstheo-rie(n) zu uumlberfuumlhren um ein bdquoNacherfi ndenldquo (Kussau 2007 S 288) zu ermoumlglichen Denkweisen koumlnnen nach dem Entwurf des Transfers nicht durch schlichte Regeln oder Vorgaben vermittelt werden da die Praxis immer selektiv mit Wissensbestaumlnden umgeht diese strategisch adaptiert und oft mals umfunktioniert damit die Stabilitaumlt durch eine etablierte Praxis aufrechterhalten werden kann (Bommes Dewe amp Radt-ke 1996) Vom Transfer betroff en sind bdquonicht neue Verordnungen und anspruchsvol-le Vorschrift en sondern Innovationen in Form von besseren Praxenldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 6) Im Mittelpunkt des Interesses steht beim Transfer nun die produktive und analytische Auseinandersetzung mit Ziele(n) Daten Informationen und Wissensbe-staumlnden und das Entwerfen von (abstrakten) Konzepten (Kolb 2015) Dadurch wer-den bdquopaumldagogische Probleme neu und angemessener wahrgenommen und erklaumlrtldquo (von Engelhardt 1982 S 91) und es lassen sich bdquoso notwendige Veraumlnderungen paumlda-gogischer Zielsetzungen und Handlungsweisen einleitenldquo (ebd) um einen wechselsei-tigen Enrichment-Prozess zu ermoumlglichen (Bommes Dewe amp Radtke 1996) bdquoAllen Transferbemuumlhungen gemeinsam ist dass ein vorhandener bzw erarbeiteter Erkennt-nisgewinn auf einen neuen bzw anderen Kontext uumlbertragen werden sollldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 4) Wenn die Felder Transfer und Transformation verbunden werden kann von einer refl exiven Praxis (Schoumln 1991) auf Grundlage von Werten und Uumlber-zeugungen gesprochen werden

Sowohl der Gedanke der direkten und kontrollierbaren Steuerung (Implementa-tion) als auch der Entwurf des Regelns durch Dialog und ein logisches analytisches Regulieren (Transfer) ist gebunden an die mehr oder weniger groszlige Vorhersagbarkeit von Wandel im Sinne von Um-Ordnung oder gezielter und geplanter Neu-Ordnung (Kruse 2004) Eine groumlszligere Herausforderung entsteht durch nicht planbare emergen-te Veraumlnderungen und Prozessentwicklungen (Progression) oder durch eine Transfor-mation der Werte die jedoch nicht steuerbar sind oder geregelt werden koumlnnen

Die Idee der Progression (lateinisch progredi fortschreiten entwickeln Abbildung 14 Nr iii) stellt die Verbindung zwischen Entwicklungs- und Beziehungsorientierung dar Sie vertritt das Konzept nachhaltiger Entwicklung(en) durch Prozessmusterwechsel im Sinne von (emergenter) Veraumlnderung ein dynamisches Miteinander und den Ent-wurf des Polylogs (Petzold 2010) wodurch auf Basis von Vertrauen ein gemeinsames Formen und Zusammenwirken zu einem Wechselspiel von Prozessen und zu einer

Implementation Transfer Progression und Transformation 125

(neuen) Gestalt fuumlhrt (Bartz 2013) Es bleibt bdquodie Entwicklung von Visionen das Ver-trauen in Intuition die Sensibilisierung fuumlr die Wahrnehmung aktueller Gegebenhei-ten und das bewegliche Sich-Einlassen auf jede noch so kleine Veraumlnderungldquo (Kruse 2004 S 48 f) Progression uumlberschreitet die von der Vergangenheit gepraumlgte Gegen-wartsbindung und bdquobegibt sich in die Vogelperspektiveldquo (Muumlri 1993 S 198) Das Denkmodell der Progression und die Th eorien auf der mikro-subjektiven Ebene sind vorrangig mit der Idee des Navigierens (Malik 2015 Simon amp Weber 2009) verbun-den und stehen in einem Selbstverstaumlndnis des schwer Erfassbaren oft mals Unuumlber-schaubaren Dennoch schafft es neue Perspektiven und Raum fuumlr Impulse Intuition Kreation Spontanitaumlt Vision und Flexibilitaumlt durch Navigieren und Gestalten aber auch Kreieren und Generieren Progression betont Zukunft s- und Vernetzungsfaumlhig-keit Intuition Kooperation Spontanitaumlt und Kreativitaumlt Krisen- und Konfl iktsensibi-litaumlt sowie die zwischenmenschliche (interpersonelle) Kommunikation (Muumlri 1993) und das Sich-etwas-Vorstellen (bdquoImaginingldquo Kolb 2015 S 134) In den Vordergrund ruumlckt ein umfassendes bdquoSensemakingldquo (Weick amp Sutcliff e 2016 S 28 f Coburn 2004 Stacey amp Mowles 2016) Die Uumlberlegungen der Progression gehen nunmehr von kei-nem direkten implementierbaren oder transferierbaren Weg von wissenschaft lichem theoretischem Wissen in die Praxis (Schule Unterricht) aus sondern folgen der Idee einer gemeinsamen emergenten Veraumlnderung in der neue Wissensbestaumlnde erst durch praktische Loumlsungen und gelingende Situationen entstehen (Dewe Ferchhoff amp Radtke 1992)

Wertordnungen manifestieren sich in scheinbar festen und stabilen Uumlberzeugungen Annahmen und Grundprinzipien (Muumlri 1993) Die Idee der Transformation (latei-nisch transformare umgestalten verwandeln Abbildung 14 Nr iv) stellt die Verbin-dung zwischen Beziehungs- und Stabilitaumltsorientierung dar Sie gibt nun die Denk-fi gur der Vermittlung von Th eorie und Praxis auf und formt die Begegnung der Denkweisen und der Wissensbestaumlnde zu einer eigenstaumlndigen Identitaumlt (lat idem derselbe dasselbe) in der die Betrachtungsweisen jedoch als Vielfalt und Divergieren-des ndash auch als Uumlberzeugungen und Haltungen ndash erhalten bleiben und in einer wech-selseitigen Achtsamkeit Resonanz und Refl exivitaumlt stehen (Dewe Ferchhoff amp Radt-ke 1992 Luhmann 1987 Weick amp Sutcliff e 2016) Parsons (1969) defi niert bdquoeinen Wandel in der Struktur eines sozialen Systems als Wandel seiner normativen Kul-turldquo (S 43) im Sinne einer zunehmenden Ritualisierung und Institutionalisierung von Konfl ikt- Krisen- und Risikoregelungen und der Regulation von Interaktionen sozia-len Kontakten Begegnungen und Beziehungen Wenn die Felder Transformation und Transfer verbunden werden kann von einer bdquoKultur des Veraumlndernsldquo (Stadler 2009 S 14) gesprochen werden Ein Veraumlndern Verwandeln und Umgestalten betrifft dem-nach immer das Normen- und Wertesystem Transformation besitzt eine groszlige Ini-tiationskraft (Kolb 2015) und ist durch Werte und Vertrauen eine Quelle moumlglicher Ausgangs- und angestrebter Endpunkte neuer Ideen und Entwuumlrfe um bestehende Erfahrungsrahmen zu uumlberwinden (Muumlri 1993) Die Weg(e) und Ziel(e) der Progres-sion und Transformation gehen oft mals vom Komplexen zum Einfachen und betonen Prozesse in heterarchischen Systemen gegenuumlber Strukturen in hierarchischen Syste-

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 126

men Besonders fuumlr Transformationsprozesse an einem Schulstandort mit einem spe-zifi schen Erfahrungskontext gibt es keine Blaupausen Es geht dabei um Entwicklung als Entstehung durch Wechsel von Prozessmustern als ein Next Practice ein Doppel-schleifen-Lernen (Argyris amp Schoumln 1999 Stacey amp Mowles 2016) und um ein inno-vatives (gemeinsames) Fortschreiten (Progression) in Verbindung mit Transferprozes-sen und Implementationsmaszlignahmen

Risikoreich in Bezug auf Entwicklung ist es fuumlr Personen oder Systeme nach dem Konzept der Feldtransformation jedenfalls wenn diese bdquogleichsam Repraumlsentanten einer der vier Grundeinstellungenldquo (Riemann 2007 S 239) werden bdquozum Exponen-ten eines der vier Grundimpulseldquo (ebd) und das Wesen und Anliegen der jeweils an-deren Moumlglichkeiten nicht mehr erleben den Zusammenhang der bdquovier Formen des In-der-Welt-Seinsldquo (ebd S 243) als Gestaltungschancen nicht wahrnehmen Die vier Strebungen bilden die Grundimpulse und Polaritaumlten des Modells der Feldtransforma-tion (Wiesner 2015) Im Modell der Feldtransformation geht es demnach nicht um eine Bewertung von besser und schlechter sondern um eine Aktivierung durch eine Positionierung (bzw durch vielfaumlltige Positionen) in einem Moumlglichkeitsraum von vier unterschiedlichen Impulsen Ein idealer Prozess fi ndet dann statt wenn alle vier Fel-der aktiviert und verbunden werden

Fazit

Evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung benoumltigt off ene Fragen Fragen die neue Moumlglichkeitsraumlume eroumlff nen aber auch Fragen die Bestehendes bewahren koumlnnen In diesem Sinne koumlnnen die Entwuumlrfe von Fischer (2007 vgl Fischer-Buck 2004) auf evidenzorientierte Schulentwicklung am Standort angewendet werden so-dass folgende Frage auf Basis von Evidenz(en) zentral wird bdquoWas sollen wir in unse-rer Schule (in unserem Unterricht) kuumlnft ig bloszlig tunldquo Mit dem Was wird nach dem realisierbaren Handeln im Hier und Heute gefragt Mit sollen wird nach der kuumlnft ig zu loumlsenden Aufgabe und nach (inneren Ziel-)Bildern gefragt die eine Situation im Kontext und Kontinuum darstellt Mit dem wir in unserer Schule (in unserem Unter-richt) wird einerseits die Verantwortung und andererseits die Verbindlichkeit der Per-sonen und der Schule als lernende Organisation (System) sowie die Bezogenheit klar angesprochen Das kuumlnft ig gibt die Orientierung und Richtung hin zu einem wuumln-schenswerten Morgen an Das bloszlig steht fuumlr die Suche nach konkreten ersten Schrit-ten Maszlignahmen Prozessaumlnderungen und Prototypen die durch Evidenz(en) gelei-tet und begleitet werden Und das tun verlangt einen eigenen praktischen personalen bzw individuellen Ansatz Einsatz sowie Erfahrungen und Widerfahrnisse

Bereits vor mehreren Jahrzenten schrieb Doumlrner (1983) dass die vorherrschenden Denktraditionen der Notwendigkeit in Problemnetzen zu denken nur wenig gerecht werden bdquoDie Tendenz zum monokausalen Denken in Wirkungsketten statt in Wir-kungsnetzen ist nicht vertraumlglich mit der Notwendigkeit vernetzt zu denkenldquo (Doumlr-ner 1983 S 23) In diesem Sinne verstehen sich die Kerngedanken die wir in diesem

Implementation Transfer Progression und Transformation 127

Beitrag als wesentliche Bestimmungsstuumlcke eines Modells der Schulentwicklung durch Evidenz(en) diskutiert und argumentiert haben als Teile eines Ganzen Nur im Zu-sammenspiel und Zusammenwirken der unterschiedlichen gedanklichen Straumlnge kann ein Modell der Schulentwicklung entstehen das der Komplexitaumlt der Realitaumlt in aus-reichendem Maszlige gerecht werden kann

Systeme ndash hier Schulsysteme aber auch Einzelschulen und Unterricht jeweils ge-dacht als System ndash sind defi niert durch einen vielfaumlltigen Umgang mit beteiligten Be-stimmungsstuumlcken deren Vernetztheit Beziehungen Verbindungen und Verknuumlp-fungen zu einem dynamischen Geschehen mit vielen oft auch widerspruumlchlichen Zusammenhaumlngen fuumlhren Zugleich sollten in ein Modell der evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung kuumlnft ig auch Nebenwirkungen des Handelns mit-einbezogen und im Sinne einer achtsamen Balancierung und Ausgewogenheit von Ideen dargestellt werden So verstehen sich die ausgearbeiteten Kerngedanken als Denkanstoumlszlige und Bausteine fuumlr einen ersten Entwurf eines Modells der Schulentwick-lung durch Evidenz(en) Vielleicht kann das eine oder andere als Irritation Interven-tion oder kreative Stoumlrung Inkongruenzerfahrungen oder Widerfahrnisse stimulieren die Veraumlnderungslernen in Bezug auf die Verwendung von Evidenz(en) in der Ent-wicklung von Schule und Unterricht ermoumlglichen

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Stefan Hahn Gabriele Klewin Barbara Koch Sebastian U Kuhnen

Monika Palowski und Cornelia Stiller

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen

Aktuelle Beitraumlge die sich mit der Frage befassen wie Erkenntnisse empirischer Bil-dungsforschung in die Praxis gelangen koumlnnen um dort qualitative Entwicklung her-vorzurufen legen den Schluss nahe dass ein Nutzen fuumlr die Praxis erst dann entste-hen kann wenn Akteure aus der Praxis systematisch am Forschungsprozess beteiligt werden (Beywl Kuumlnzli Messmer amp Streit 2015 Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 Hartmann Deeristan amp Klieme 2016)

Allein die Beteiligung der Praxis an der Forschung bringt aber nicht zwingend fuumlr die Praxis nuumltzliche Innovationen hervor Wie Ergebnisse aus der Transferforschung zeigen haumlngt der Nutzen fuumlr die Praxis u a von spezifi schen Merkmalen der Innova-tionen ab Off en bleibt jedoch wie genau das Zusammenspiel von Forschung und Pra-xis erfolgen sollte um zu transferfaumlhigen und -wuumlrdigen Innovationen zu gelangen In diesem Beitrag geht es um die Gestaltung von Forschungsprozessen in Teams von Praktikerinnen und Praktikern und Forscherinnen und Forschern Vor diesem Hin-tergrund gehen wir der Frage nach ob Praxisforschung in multiprofessionellen Teams unter bestimmten Voraussetzungen ndash naumlmlich den am Oberstufen-Kolleg gegebenen ndash transferfaumlhige Innovationen sowie einen geeigneten Unterstuumltzungskontext fuumlr Im-plementierungsprozesse hervorbringen kann Ziel ist es eine diff erenzierte Perspektive auf Implikationen grundlegender Transferbedingungen zu eroumlff nen und damit einen Beitrag zur methodologischen Weiterentwicklung der Praxisforschung zu leisten

Zunaumlchst werden fuumlr die Fragestellung relevante Begriff e geklaumlrt (Kap 1) und die Rahmenbedingungen fuumlr Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg erlaumlutert (Kap 2) um sodann anhand unterschiedlicher Forschungsprojekte die dort praktizierte spe-zifi sche Form der Zusammenarbeit von Praktikerinnen und Praktikern und For-scherinnen und Forschern im Entwicklungsprozess von Innovationen und in der Unterstuumltzung von Implementationsprozessen zu refl ektieren Kapitel 3 fasst pro-jektuumlbergreifend wesentliche Aspekte zusammen die sich auf methodische Zugaumlnge Merkmale der Zusammenarbeit und die Bedeutung der Adressatenorientierung im Prozess der Praxisforschung beziehen

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1 Innovationen und Transfer

Das Oberstufen-Kolleg wird in diesem Beitrag als spezifi scher Kontext fuumlr Praxisfor-schung betrachtet Bevor die Struktur und anhand ausgewaumlhlter Beispiele die inhaltli-che Ausrichtung dieser Variante von Forschung erlaumlutert werden sollen zunaumlchst zen-trale Begriff e aus dem Diskurs um Innovation und Transfer geklaumlrt werden um einen Rahmen fuumlr die Betrachtung des Transferpotenzials dieser Praxisforschung zu setzen

Als Ausgangspunkt fuumlr Transferprozesse gelten Innovationen die im Bereich schulrelevanter Forschung unterschiedlich aussehen koumlnnen Denkbar sind Innova-tionen als empirische Erkenntnis uumlber Gelingensbedingungen einer wuumlnschenswerten Praxis als theoretisch fundiertes paumldagogisches Konzept als gelungene Entwicklungs-arbeit an einer Einzelschule oder als Instrument zur Steuerung schulischer Entwick-lungsprozesse

Ein Transfer liegt vor wenn Rezipientinnen und Rezipienten ndash hier Schulen ndash eine Innovation aufgreifen und innerhalb von schulischen Entwicklungsprozessen in die bestehende Praxis implementieren um diese qualitativ weiterzuentwickeln Diese Re-zeptionsprozesse koumlnnen zielgerichtet und systematisch herbeigefuumlhrt werden oder zufaumlllig erfolgen Trifft Letzteres zu spricht man allerdings nicht mehr von Transfer sondern von Diff usion Relevant ist auch die Unterscheidung zwischen externem und internem Transfer Ein interner Transfer liegt vor wenn eine Innovation innerhalb einer Schule verbreitet wird die die Innovation entwickelt hat Von externem Transfer wird gesprochen wenn der Transfer einer Innovation in andere Schulen erfolgt

Aus der Innovations- und Transferforschung lassen sich unterschiedliche Ansatz-punkte fuumlr einen verbesserten Transfer benennen Diese sind vor allem ableitbar aus den Merkmalen einer transferfaumlhigen Innovation und einer rezeptionsfoumlrdernden Unterstuumltzung Entscheidend ist dass Merkmale die einen Transfer foumlrdern waumlhrend der Entwicklung der Innovation ndash also waumlhrend des Forschungsprozesses ndash systema-tisch erzeugt werden muumlssen

Eine Innovation ist transferfaumlhig wenn sie fuumlr andere als diejenigen die sie ent-wickelt haben eine Relevanz besitzt (Nickolaus amp Schnurpel 2001 Paumltzold Busian Riemann amp Wingels 2002 Koch 2011 Hasselhorn Koumlller amp Zimmer 2014 Euler 2015) und auf einen von den Akteuren vor Ort identifi zierten innerschulischen Be-darf trifft (vgl Koch 2011) Eine Innovation muss ferner ein Konzept zur Bearbeitung eines Problems bieten an Bestehendes anknuumlpfen und mit Blick auf die Zielgruppe passgenau entwickelt sein Selbstverstaumlndlich muss eine Innovation dokumentiert und mit Hinweisen zur Implementation versehen sein (vgl ebd)

Hinsichtlich der Unterstuumltzung der Rezipientinnen und Rezipienten ist insbe-sondere die Rolle der Unterstuumltzenden wichtig die idealerweise die Entwicklerinnen und Entwickler der Innovation sind (vgl ebd) Aufb auend auf ihrem Wissen um die Schritte der Implementation koumlnnen sie im Prozess der Initiierung und Implementa-tion als Schulentwicklungsberaterinnen agieren oder diese unterstuumltzen (vgl ebd) Wie die Innovation selbst sollte auch das Unterstuumltzungsangebot an den Beduumlrfnissen der Schule ausgerichtet sein

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 143

Gemaumlszlig der o g Fragestellung ist nun zu pruumlfen inwieweit Praxisforschung in der Variante des Oberstufen-Kollegs die Entwicklung transferfaumlhiger Innovationen foumlrdert und den Transfer mit Angeboten fuumlr den Rezeptionsraum unterstuumltzen kann

2 Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg Bielefeld

Bei der Beantwortung der konzeptionellen Frage ob durch Praxisforschung gewonne-ne Ergebnisse oder Innovationen in besonderer Weise fuumlr Transfer geeignet sind soll folgende Defi nition fuumlr das allgemeine Verstaumlndnis von Praxisforschung zugrunde ge-legt werden

Praxisforschung ist ein aus der internationalen Aktionsforschung hergeleite-ter Forschungsansatz mit dessen Hilfe Praktikerinnen und Praktiker wichti-ge Fragen ihres Berufsalltags eigenstaumlndig methodisch kontrolliert und im Rahmen einer professionellen Gemeinschaft mit dem Ziel erforschen1) durch refl exive Distanz zum Unterrichtsalltag die eigene Berufspraxis

kritisch zu durchleuchten2) bdquolokalesldquo wissenschaft lichen Guumltekriterien genuumlgendes Wissen zu produ-

zieren3) und die Untersuchungsergebnisse fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwick-

lung zu nutzen(Meyer 2010 S 3)

Diese Defi nition trifft in ihren grundlegenden Merkmalen auch auf die Praxisfor-schung am Oberstufen-Kolleg zu allerdings erfaumlhrt sie durch die spezifi schen Bedin-gungen und Anforderungen eine Erweiterung die im Folgenden kurz erlaumlutert wird Als Versuchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen hat das Oberstufen-Kolleg einen Versuchsauft rag in dem neben der Entwicklung von neuen Unterrichtskonzepten u a auch die Pruumlfung der Moumlglichkeiten des Transfers entwickelter Innovationen in das Regelsystem verankert ist (Grundordnung der Oberstufen-Kollegs) Die Lehren-den am Oberstufen-Kolleg bekommen zeitliche Ressourcen in Form von Entlastun-gen vom Unterrichtsdeputat fuumlr Praxisforschung zur Verfuumlgung gestellt Sie forschen gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wissenschaft lichen Ein-richtung Oberstufen-Kolleg (WE OS) die zur Fakultaumlt fuumlr Erziehungswissenschaft der Universitaumlt Bielefeld gehoumlrt Diese Rahmenbedingungen sind an anderen Standorten der Praxisforschung in der Regel nicht gegeben Zudem sind das systematische Be-antragungsverfahren fuumlr Projekte die verpfl ichtende Berichtslegung und die kontinu-ierliche Begleitung durch einen wissenschaft lichen Beirat fuumlr die Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg kennzeichnend (Hahn Heinrich amp Klewin 2014)

Im Folgenden werden ausgewaumlhlte Forschungs- und Entwicklungsprojekte aus dem Oberstufen-Kolleg vorgestellt um eine Praxisforschung zu charakterisieren die sowohl transferfaumlhige Innovationen hervorbringen als auch einen geeigneten Unter-stuumltzungskontext fuumlr die Rezeption von Innovationen zur Verfuumlgung stellen soll Hier-zu werden zwei Projekte vorgestellt die die Praxisforschung als Entwicklungskontext

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der Innovation in den Blick nehmen Die Darstellung des dritten Projekts thematisiert den Transfer einer bereits entwickelten Innovation im Modus der Praxisforschung

21 Die Entwicklung von Fragestellung und methodischem Design in Kooperation von Praxis und Wissenschaft

Charakteristisch fuumlr Praxisforschung ist ihre Fundierung in Handlungsproblemen und Fragestellungen die einen innerschulischen Bedarf abbilden dabei aber auch an den (erziehungs-)wissenschaft lichen Diskurs angebunden werden muumlssen Ent-sprechend muss das methodische Design eine Balance zwischen schulpraktischen Moumlglichkeiten und wissenschaft lichen Anforderungen leisten um transferfaumlhige Er-gebnisse und Innovationen erbringen zu koumlnnen Das Forschungs- und Entwicklungs-projekt bdquoBildungsbiografi sche Grenzgaumlnge zwischen Abschluss und Abbruchldquo (Pa-lowski Schumacher Schoumlbel amp Tassler 2014) illustriert eine Variante der praktischen Auseinandersetzung mit dieser doppelten Anforderung an die Gestaltung des Innova-tionsentwicklungskontexts

Bei dem aktuell noch laufenden Projekt handelt es sich um eine Laumlngsschnittstu-die zu Bildungsverlaumlufen Bildungsrisiken und -erfolgen in der Sekundarstufe II die am Oberstufen-Kolleg und sieben weiteren Oberstufen durchgefuumlhrt wurde Das For-schungsteam besteht aus einer Mitarbeiterin der WE OS sowie drei Lehrenden der Versuchsschule darunter zwei Laufb ahnberaterinnen Die anvisierte Innovation be-steht aus einem Konzept zur Beratung bdquoriskanterldquo Bildungsbiografi en in der Sekun-darstufe II

Die grundlegende Fragestellung des Projekts setzt sich zunaumlchst mit einem Deside-rat des erziehungswissenschaft lichen Diskurses auseinander (Palowski Boller amp Muumll-ler 2013) Welche personellen und schulischen Faktoren tragen zu Wiederholungen und Schulabbruumlchen in der Sekundarstufe II bei

Im Zuge der Konstitution eines neuen zweijaumlhrigen Forschungs- und Entwick-lungsplans wurde dieses noch wenig diff erenzierte Erkenntnisinteresse in das Kolle-gium des Oberstufen-Kollegs getragen erwies sich als unmittelbar anschlussfaumlhig an Beobachtungen Fragen und Probleme vieler insbesondere beratend taumltiger Lehren-der und markierte somit deutlich einen innerschulischen Bedarf Mit der Fokussie-rung auf Risiken der Ausbildung am Oberstufen-Kolleg wurde daruumlber hinaus eine Anregung aus dem wissenschaft lichen Beirat der Schule aufgegriff en die mit der Ziel-setzung der beteiligten Lehrenden korrespondierte In der Folge wurde ein spezieller Fokus auf die Untersuchung von riskanten Bildungsverlaumlufen und Abbruumlchen im eige-nen Haus gelegt

Waumlhrend der Findungsphase des Forschungsteams wurden Forschungsfragen und Zielsetzung im Dialog ausdiff erenziert Dies druumlckt sich in den drei weiterfuumlhrenden Fragestellungen Wie gelingt es potenziell gefaumlhrdeten Schuumllerinnen und Schuumllern ihre Schullaufb ahn erfolgreich abzuschlieszligen Wie kann paumldagogisches Handeln dazu beitra-gen Abbruumlchen entgegenzuwirken und Wie sollten schulische Foumlrderung und Beratung in der Sekundarstufe II gestaltet sein um potenziell gefaumlhrdete Schuumllerinnen und Schuumller

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 145

zu unterstuumltzen aus Die forschenden Lehrenden verfolgten mit der Weiterentwick-lung von Foumlrderung und Beratung neben der wissenschaft lichen auch eine praktische Zielsetzung Waumlhrend der Samplebildung erwiesen sich die Forschungsfragen und -ziele als kongruent zu innerschulischen Problemlagen die auch an anderen Oberstu-fen der Region als relevant eingestuft wurden Die sukzessive Ausdiff erenzierung der Fragestellungen ermoumlglichte die schrittweise Entwicklung eines methodischen Designs mit hoher Passung zu den Forschungsfragen aber auch zu Ressourcen und prakti-schen Interessen der verschiedenen Projektbeteiligten

In der Planung der Erhebungen wurden konzeptionelle Entscheidungen groumlszligten-teils gemeinsam getroff en waumlhrend die methodische Detailplanung die Konzeption der Erhebungsinstrumente sowie die Terminierung und Durchfuumlhrung der Erhebun-gen von der Mitarbeiterin der WE OS vorstrukturiert und anschlieszligend im Team dis-kutiert und fi xiert wurden Dabei war die gemeinsame Arbeit an den Instrumenten im Sinne einer kontinuierlichen Validierung der wissenschaft lichen Konstrukte durch die unmittelbare Praxiserfahrung der Lehrenden besonders fruchtbar fuumlr das Projekt Bei den uumlbergreifenden Aufgaben der Berichtslegung Publikationen und Konferenzbeitrauml-ge sowie der Ruumlckmeldung von Zwischenergebnissen waren wiederum zeitliche Kapa-zitaumlten und das Interesse der Lehrenden ausschlaggebend fuumlr die gemeinsame Planung und Durchfuumlhrung

Auch im konkreten methodischen Vorgehen orientierte sich die Kooperation im Projekt vorrangig an Vorkenntnissen und Interessen aber auch an zeitlichen Ressour-cen der Lehrenden Quantitative Methoden wurden im Sinne einer pragmatischen Arbeitsteilung groumlszligtenteils durch die wissenschaft liche Mitarbeiterin abgedeckt Durch die vielfach gruppenfoumlrmige Durchfuumlhrbarkeit qualitativer Verfahren fi el es hingegen leichter diese ndash auch zeitlich ndash in die Arbeit der Forschungsgruppe zu integrieren Hierzu wurden entsprechende projektinterne und uumlbergreifende Fortbildungs- bzw Schulungsmaszlignahmen zu Interviewfuumlhrung und qualitativen Analysemethoden ange-boten Dabei erwiesen sich speziell das gemeinsame Besprechen Kontrastieren und Interpretieren von Einzelfaumlllen sowie typenbildende Verfahren als hoch anschlussfaumlhig an die Interessen der Lehrenden Hierbei handelte es sich um kommunikativ organi-sierte Anlaumlsse bei denen bdquodas eigene professionelle Wissen [hellip] mit dem allgemeinen erziehungswissenschaft lichen Wissen verlinkt werdenldquo konnte (Ponte 2010 S 544 zi-tiert nach Koch-Priewe 2011 S 193) Besonders im Bereich qualitativer Methoden konnte so ein Professionalisierungseff ekt erzielt werden der auf die Beratungstaumltigkeit der forschenden Lehrenden ausstrahlte Laut einer projektinternen Befragung setzen sie inzwischen Fragen und Fragetechniken aus den Interviewleitfaumlden in Beratungs-gespraumlchen ein sehen Alltagsbeobachtungen durch Erkenntnisse aus dem Projekt be-staumltigt bzw korrigiert und fuumlhlen sich besser fuumlr die Beratung bdquoschwieriger Faumllleldquo ge-ruumlstet

Zusammenfassend illustriert das Projekt Relevanz und Potenzial einer dialogischen und gleichberechtigten Kooperation von Praxisforscherinnen und Praxisforschern (Lehrende des OS) und Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern im Innovations-entwicklungskontext zeigt aber auch inwieweit punktuell pragmatische Erfordernis-

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se und unterschiedliche Ressourcen der beiden Gruppen ausbalanciert werden muumls-sen um schulpraktischen und wissenschaft lichen Anforderungen Rechnung zu tragen

22 Die Gestaltung von Ergebnisruumlckmeldungen in Prozessen der datengestuumltzten Unterrichtsentwicklung

In diesem Beispiel ist die Innovation ein Instrument zur Unterstuumltzung von Entwick-lungsprozessen in Form eines am innerschulischen Bedarf orientierten Ruumlckmeldefor-mats das in einem multiprofessionellen Team entwickelt wurde Das Ruumlckmeldefor-mat entstand im Rahmen der Evaluation der Profi le als Bestandteil der Verlaufs- und Absolventenstudie des Oberstufen-Kollegs in den Jahren 2013 und 2014 (Hahn amp Ob-belode 2014 S 141 ff ) Bei den Profi len am Oberstufen-Kolleg handelt es sich um zehn Faumlcherverbuumlnde im Grundkursbereich der Qualifi kationsphase der gymnasia-len Oberstufe Bei ihrer didaktischen Ausgestaltung wurde versucht eine Struktur fuumlr die Umsetzung des wissenschaft spropaumldeutischen Konzepts des Perspektivenwechsels (Kupsch amp Schuumllert 1996) zu schaff en die auch faumlcherkoordiniertes Arbeiten (Huber 1998) ermoumlglicht (Hahn et al 2014a)

Das Erkenntnisinteresse bestand in der Pruumlfung der Tragfaumlhigkeit des allgemeinen didaktischen Konzepts der Profi le (Hahn amp Obbelode 2014) im Sinne einer forma-tiven Evaluation (Bortz amp Doumlring 2006) Zu diesem Zweck wurde als theoretische Grundlage die Figur des Perspektivenwechsels in das Perspektivenschema von Klaf-ki (19852007) integriert und darauf bezogen methodisch vielfaumlltige Erhebungsinst-rumente entwickelt (Hahn amp Obbelode 2014 S 278 ff ) Hierbei sind neben den ge-schlossenen Frageformaten fuumlr Frageboumlgen Gruppendiskussionen Feedbackmethoden und eine ergaumlnzende Befragung der Lehrenden zu nennen Diese Methodenvielfalt diente zur wechselseitigen Validierung der Ergebnisse und dazu die Perspektiven ver-schiedener Akteursgruppen adaumlquat zu beruumlcksichtigen was insbesondere ein Anlie-gen der beteiligten Praktikerinnen und Praktiker war Ihre Mitarbeit bei der Entwick-lung der geschlossenen Frageformate hat zudem stark zur Reliabilitaumlt und (Kontext-)Validitaumlt der konstruierten Skalen beigetragen weil Praktikerinnen und Praktiker eher wissen wie bestimmte Itemformulierungen von ihren Schuumllerinnen und Schuumllern (miss-)verstanden und mit welchen Konstrukten die praxisimmanenten Th eorien der Kolleginnen und Kollegen abgebildet werden koumlnnen (Hahn et al 2014b)

Zentral in Bezug auf die Unterstuumltzung der Entwicklungsarbeit in den einzelnen Profi len waren die profi lspezifi schen Ruumlckmeldeberichte (Hahn amp Obbelode 2014 S 218 ff ) die sich in Duktus und Abstraktionsniveau an Lehrenden als Adressaten orientierten (Altrichter Moosbrugger amp Zuber 2016 S 253 f) Diese Berichte wur-den den jeweiligen Gruppen von Lehrenden eines Profi ls mit der Auff orderung ausge-haumlndigt mit den anderen Gruppen in einen Austausch zu treten um so die Entwick-lungsarbeit zu unterstuumltzen

Durch diese Berichte und weitere schuloumlff entliche Ergebnispraumlsentationen konn-te der kollegiale Austausch uumlber den Unterricht der Profi le und seine Entwicklung im Lichte der Ruumlckmeldungen initiiert und moderiert werden Zwar wurde die Wir-

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 147

kung der schuloumlff entlichen und profi lbezogenen Ruumlckmeldungen nicht systematisch erforscht die schrift lichen Ruumlckmeldeberichte wurden jedoch aktiv als Argumenta-tionsgrundlage bei der Diskussion um die Weiterentwicklung der Profi le auf Schul-entwicklungstagen genutzt um Standpunkte und Eindruumlcke zu untermauern Die Profi lgruppen berichteten zudem dass die Berichte die Refl exion uumlber Staumlrken und Schwaumlchen des Profi ls erleichtert und hilfreiche Impulse fuumlr den kollegialen Austausch und die Dokumentation der Profi lcurricula gegeben haben Dies zeigt u E dass eine nahe Anbindung der Erhebungsinstrumente an die handlungsleitenden Ideen der Lehrenden eine erhoumlhte Akzeptanz fuumlr die Ergebnisse und ihre Produktionsweise er-zeugen Die uumlberwiegend positiven Ruumlckmeldungen zu den Berichten weisen zudem darauf hin dass erstens ein valides lokales Wissen erzeugt wurde das Perspektiven verschiedener Akteursgruppen auf den Gegenstand umfasst und dieses Wissen auf-grund seiner adressatengerechten Aufb ereitung zweitens eine hohe Brauchbarkeit fuumlr Prozesse der Schul- und Unterrichtsentwicklung besitzt

Obwohl Ergebnisse aus der Schulentwicklungsforschung zeigen dass die qualitati-ve Entwicklung von Schule und Unterricht uumlber Datenruumlckmeldungen schwer umzu-setzen ist (Altrichter Moosbrugger amp Zuber 2016) illustriert das vorliegende Beispiel dass im Modus der Praxisforschung Instrumente entwickelt und Ergebnisse erzeugt werden koumlnnen die bei den Adressaten auf Akzeptanz stoszligen und damit auch eher fuumlr Entwicklungsprozesse genutzt werden Die Erfahrungen aus diesem Projekt zeigen ferner dass mit Ergebnissen dieser Art von Praxisforschung nicht nur Schulentwick-lung betrieben sondern auch Beitraumlge zum wissenschaft lichen Diskurs geleitstet wer-den koumlnnen da u a die entwickelten Erhebungsinstrumente (Hahn et al 2014b) so-wie tiefergehende Analysen zum didaktischen Konzept der Profi le (Hahn et al 2014a) publiziert wurden Inwieweit das Instrumentarium und das Ruumlckmeldeformat auch in anderen Schulen auf Akzeptanz stoszligen und zu Entwicklungsprozessen fuumlhren koumlnnen wird in einer spaumlteren Phase des Projekts zu pruumlfen sein wenn Vergleichsdaten in an-deren Profi loberstufen erhoben und ruumlckgemeldet worden sind

23 Transfer durch Netzwerkbildung und Ruumlckwirkungen der Rezeption auf den Innovations- und Unterstuumltzungskontext

Das Praxisforschungsprojekt bdquoBasiskurs Naturwissenschaft enldquo wird getragen von einem multiprofessionellen Team aus Lehrenden aller Naturwissenschaft en und wis-senschaft lichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit schulpaumldagogischer und bio-logiedidaktischer Expertise Es durchlief bereits mehrere Forschungszyklen und hat verschiedene Fragestellungen bearbeitet Zu Beginn lag der Fokus des Projekts auf der Entwicklung eines naturwissenschaft lichen Curriculums fuumlr die Eingangsphase der gymnasialen Oberstufe Das entwickelte Kurscurriculum besteht heute aus einer theoretischen Einfuumlhrung in die ndash in allen Naturwissenschaft en typische ndash hypothe-tisch-deduktive Vorgehensweise und einer Sequenz von acht Unterrichtseinheiten aus den Faumlchern Chemie Physik und Biologie In jeder dieser Einheiten wird in ein ba-sales Konzept der Naturwissenschaft en eingefuumlhrt und ein Experiment durchgefuumlhrt

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Diese Experimente werden in verschiedene Arbeitsschritte untergliedert die zuneh-mend selbstreguliert von den Schuumllerinnen und Schuumllern ausgefuumlhrt werden Die Ent-wicklung des Curriculums erfolgte in gemeinsamer Planung und Refl exion des in pa-rallelen Kursen angebotenen Unterrichts Didaktische Entscheidungen wurden dabei auch im Lichte der Ergebnisse aus formativen Evaluationsprozessen verabredet Die-se Evaluationen waren als Laumlngsschnitte angelegte Fragebogenerhebungen die Ent-wicklungen der Schuumllerinnen und Schuumller in den angestrebten Zielbereichen anzeig-ten (Hahn et al 2014)

Im weiteren Verlauf wurde die Transferfrage in einem juumlngeren Projektzyklus kon-kreter ins Auge gefasst d h die Untersuchung der Bedingungen eines gelingenden Transfers wurde zum Gegenstand eines Praxisforschungsprojekts am Oberstufen-Kol-leg Erste Transfer-Situationen wurden in eintaumlgigen Fortbildungsveranstaltungen von den Lehrenden des Projekts realisiert Befragungen der Teilnehmenden ergaben dass die mit dem Kurskonzept umgesetzte Kompetenzorientierung die Foumlrderung der Selbststaumlndigkeit und der Fokus auf wissenschaft liche Arbeitsweisen auch den Bedar-fen der Rezipientinnen und Rezipienten entsprechen Allerdings fehlen die genaue Passung zu den Kernlehrplaumlnen und bereitgestellte Unterrichtsmaterialien die insbe-sondere auch Hinweise fuumlr innere Diff erenzierung enthalten In der Konsequenz wer-den aktuell die Veroumlff entlichung von fachlichen jeweils lehrplankompatiblen Modulen des Basiskurscurriculums vorbereitet und gestuft e Lernhilfen fuumlr die Durchfuumlhrung der einzelnen Experimente entwickelt

Da die didaktische Idee des Kurses als Innovation gemaumlszlig den ersten Ruumlckmel-dungen aus Fortbildungen auch auf Bedarfe in anderen Schulen zu reagieren ver-mag wurde ein Fortbildungskonzept entwickelt und erprobt in dessen Zentrum das bdquoNacherfi ndenldquo (Kussau 2007) des Kurses unter den lokalen Bedingungen des Re-zeptionsraums steht Die Idee Transfer als Prozess der begleiteten Eigenentwicklung unter Maszliggabe der didaktischen Idee des Basiskurses zu organisieren soll bei Rezi-pientinnen und Rezipienten die Identifi kation mit dem Ergebnis und damit die Chan-ce auf Implementation erhoumlhen und versetzte die Lehrenden aus dem Projekt in die Rolle kollegialer Beraterinnen und Berater

Eine Abfrage der Erwartungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an die Fort-bildung und eine retrospektive Bewertung inwiefern diese Erwartungen erfuumlllt wur-den sollte weitere Hinweise auf Transferbedingungen fuumlr das Kurskonzept geben Es zeigte sich zunaumlchst dass ca die Haumllft e der Befragten eher einer bdquonaivenldquo Transferidee anhaumlngen und groumlszligere Hoff nungen auf die ungebrochene Uumlbernahme einzelner Mo-dule aus einem bestehenden Konzept hatten als auf die Unterstuumltzung bei der konkre-ten Weiterentwicklung eigener Kurse Dass diese Hoff nungen erwartungsgemaumlszlig eher enttaumluscht wurden zeigt dass Transferchancen auch durch Merkmale des Rezeptions-raums ndash insbesondere auch durch die Erwartungen Einstellungen und Ressourcen der Personen vor Ort ndash begrenzt werden Die anderen Befragten sahen eine Chance darin ein erprobtes Konzept adaptieren zu koumlnnen und im kollegialen Austausch Unterstuumlt-zung bei der Weiterentwicklung der eigenen Kurse zu bekommen Da diese Erwar-tungen durch die bdquoNacherfi ndungsldquo-Workshops sogar noch leicht uumlbertroff en wurden scheint dieser Unterstuumltzungskontext zumindest fuumlr einen Teil der Rezipientinnen und

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 149

Rezipienten ein annehmbarer Weg zu sein den Bedarfen der Schulen gerecht zu wer-den

Entsprechend muumlndeten auch diese Ruumlckmeldungen in Konsequenzen fuumlr die weitere Projektarbeit So wird aktuell uumlber ein Netzwerk fuumlr Lehrende verschiedener Schulen nachgedacht dessen Ziel es ist sich gegenseitig bei der Adaption grundlegen-der Elemente des Kurskonzepts zu unterstuumltzen eine Plattform fuumlr den Austausch von Unterrichtsmaterialien zu schaff en und eine wissenschaft liche Begleitung des Trans-ferprozesses zu organisieren die mittelfristig auch eine Evaluation der nacherfunde-nen Curricula mit den Instrumenten der Evaluation des Originals umfasst

3 Bedingungen fuumlr die Entwicklung transferfaumlhiger Innovationen

Die einzelnen Projektdarstellungen des Oberstufen-Kollegs enthalten zentrale Hinwei-se dazu unter welchen Bedingungen transferfaumlhige Innovationen entstehen koumlnnen Diese sollen im Folgenden projektuumlbergreifend in den Blick genommen werden

In allen drei Projekten betreiben multiprofessionelle Teams die Entwicklung oder den Transfer der jeweiligen Innovation Diese setzen sich aus Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern und Praktikerinnen und Praktikern zusammen Die Koopera-tion ist gekennzeichnet durch gemeinsame Zielsetzungen eine bdquoBegegnung auf Au-genhoumlheldquo eine pragmatisch-funktionale Arbeitsteilung und eine dialogisch angelegte Ausdiff erenzierung von Zielen Fragestellungen Erhebungsinstrumenten und Ruumlck-meldeformaten in den unterschiedlichen Phasen des Forschungsprozesses Die Form der Arbeitsteilung ergibt sich aus den jeweiligen Interessen Kompetenzen und Res-sourcen der beteiligten Akteure Fuumlr die Arbeit im Team scheint es hilfreich zu sein wenn Einzelne methodische Vorstrukturierungen vornehmen und diese dann im Team als Vorlage diskutiert werden

Auch der methodische Zugang ist in den Projekten mit spezifi schen Bedingungen verknuumlpft Das methodische Vorgehen ist an den vorhandenen Ressourcen und den praktischen Interessen orientiert Die praktische Relevanz von qualitativen Zugaumlngen wie beispielsweise die Arbeit an Faumlllen scheint gegenuumlber quantitativen Zugaumlngen un-mittelbar gegeben da sie eine gemeinsame Auswertung im ganzen Team eher ermoumlg-lichen Werden quantitative Zugaumlnge gewaumlhlt ist eine Zusammenarbeit haumlufi g nur in der Phase der Instrumentenentwicklung und der Interpretation der Befunde moumlglich Diskussionen im Team bei der Entwicklung geschlossener Frageformate koumlnnen je-doch die Kontextvaliditaumlt deutlich erhoumlhen Fuumlr eine adressatenorientierte Ruumlckmel-dung von Forschungsergebnissen scheint die Kombination quantitativer und qualita-tiver Daten besonders fruchtbar zu sein Eine partizipativ angelegte Dokumentation von Forschungsergebnissen gewaumlhrleistet zudem eher einen Duktus und ein Abstrak-tionsniveau der Darstellung die bei den Adressatinnen und Adressaten Verstaumlndnis und Akzeptanz der Befunde erhoumlhen

Mit Blick auf die drei Projekte wird erkennbar dass die Adressatinnen und Adressa-ten der Innovation in allen Phasen des Forschungs- und Transferprozesses beruumlcksich-tigt werden sollten Dies geschieht wenn das Erkenntnisinteresse mit den Problemla-

Stefan Hahn Gabriele Klewin Barbara Koch Sebastian U Kuhnen Monika Palowski und Cornelia Stiller 150

gen der Adressatinnen und Adressaten zu verknuumlpfen ist Von Bedeutung ist es dabei diese Verknuumlpfung kommunikativ herzustellen Die Beispiele zeigen dass es einerseits sinnvoll ist die Sichtweise der Adressatinnen und Adressaten als Rezipientinnen und Rezipienten einer Innovation schon vor deren Entwicklung durch Befragungen einzu-holen Waumlhrend des Transferprozesses kann ihre Sichtweise andererseits auch Ruumlck-wirkungen auf die Weiterentwicklung der Innovation haben Diese kann jedoch nur gewaumlhrleistet werden wenn Projekte weitergefuumlhrt werden und sich aneinander an-schlieszligenden Fragestellungen widmen koumlnnen

Das Transferprojekt verweist noch auf eine weitere zentrale Transferbedingung die Erprobung und Refl exion der entwickelten Innovation in der schulischen Praxis Gewon-nene formative Evaluationsergebnisse bilden so die Grundlage fuumlr eine teamorientier-te Weiterentwicklung der Innovation und geben auch externen Akteuren Hinweise auf die Transferwuumlrdigkeit einer Innovation (Nickolaus 2014 Koch 2016) d h die Qua-litaumltspruumlfung der Innovation anhand wissenschaft licher Kriterien

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Josef Thonhauser

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben

Aufgaben haben eine zentrale Bedeutung fuumlr die schulische Bildungsarbeit Die Mar-burger Erziehungswissenschaft lerin Renate Girmes behauptet sogar ndash allerdings in einem sehr abstrakt bleibenden bdquotheorie-lastigen Textldquo ndash bdquoalles Wissen und Koumlnnen der Welt nimmt Bezug auf Aufgabenldquo (Girmes 2014 S 12) Dagegen ist Hermann Astleitner bescheidener dafuumlr aber praumlziser Er versteht (schulisches) Lernen bdquoals eine Form von Wissenserwerb in Interaktion mit Aufgabenldquo (Astleitner 2006 S 20)

Der vorliegende Beitrag ist in drei unterschiedlich umfangreiche Abschnitte ge-gliedert In einem ersten (1 Ein allgemeindidaktischer Rahmen) werden zunaumlchst moumlgliche Funktionen von Aufgaben im Rahmen schulisch organisierten Lernens be-schrieben (11) dann wird der Frage nachgegangen wer jeweils uumlber die Aufgaben entscheidet (12) anschlieszligend wer jeweils die Aufgabenloumlsungen der Schuumllerinnen beurteilt (13) Damit hoff e ich fuumlr meine Ausfuumlhrungen einen ausreichenden allge-meindidaktischen Rahmen geliefert zu haben In einem weiteren Kapitel wird disku-tiert welche formalen Merkmale insbesondere Lernaufgaben haben sollen (14) bevor einschraumlnkende Bedingungen schulischen Lernens beim Einsatz von Lernaufgaben er-oumlrtert werden (15) In einem zweiten Abschnitt wende ich mich fachdidaktischen Dif-ferenzierungen zu (2) um letztlich beispielhaft einige mir als repraumlsentativ erschei-nende Beispiele anzufuumlhren mit denen die Ebene konkreter Praktischer Paumldagogik erreicht werden will (3)

1 Ein allgemeindidaktischer Rahmen

11 Welche Funktionen koumlnnen Aufgaben grundsaumltzlich erfuumlllen

Schon lange bevor diverse top down verordnete Standardisierungsmaszlignahmen (z B Zentralmatura Bildungsstandards Begabungschecks) das Th ema dem tagespolitischen und damit medialen Interesse aussetzten waren bdquoAufgabenldquo ein wichtiges Element schulischen Lehrens und Lernens Dabei erfuumlllten sie vielfaumlltige Funktionen die im Folgenden eroumlrtert werden

Aufgaben dienen der Lernzieldefi nition indem sie bespielhaft konkretisieren was Lernende mithilfe von Unterricht am Ende eines Lernprozesses koumlnnen sollen Da (eine Sammlung von) Aufgaben Ziele nie vollstaumlndig abbilden wurde zwischen Per-formanz (konkrete Handlungen einer Aufgabenloumlsung) und Kompetenz (die jenen zu-

Josef Thonhauser 154

grunde liegenden ndash jeweils erschlossenen nicht unmittelbar beobachtbaren ndash Disposi-tionen) unterschieden1

Aufgaben dienen der Erhebung von Eingangsvoraussetzungen am Beginn eines Lehr-Lernprozesses um die Lernenden (womoumlglich individuell) dort abzuholen wo sie stehen und sowohl vor Uumlberforderungen als auch unnoumltigen Redundanzen zu be-wahren

Aufgaben dienen als Lernaufgaben der Lernanregung indem sie den Lernenden konkrete Situationen vor Augen fuumlhren die sie aktuell noch nicht (sicher) bewaumllti-gen koumlnnen sondern wofuumlr sie noch Lernprozesse erfolgreich durchlaufen muumlssen (Grell amp Grell 199912 Kap 8) Eine (am gemaumlszligigten Konstruktivismus orientierte2) paumldagogische Praxis die Lernaufgaben als zentrale Elemente vorsieht stellt hohe An-spruumlche an den Unterricht weil sie eine black box zwischen dem Reiz bdquoAufgabeldquo und der Reaktion bdquoLoumlsungldquo wie es die behavioristische Tradition sehen mag nicht akzep-tiert Sie interessiert sich aus dem bevorzugten Anlass von Aufgaben einer bestimm-ten Qualitaumlt3 in starkem Maszlige fuumlr Lern- und Loumlsungshandlungen mitsamt ihren Irr-wegen4 Dieter Doumlrner hat seinerzeit in einer vielbeachteten Arbeit vorgeschlagen zwischen Aufgaben und Problemen zu unterscheiden wobei er die Bekanntheit bzw Unbekanntheit der fuumlr die erfolgreiche Loumlsung noumltigen Transformationsprozesse als konkretes Unterscheidungskriterium angegeben hat (Doumlrner 1976 S 10) Er hat sich damit nicht durchgesetzt weil in der Zunft mehrheitlich die Vorstellung eines Kon-tinuums bdquoRoutineaufgaben ndash Problemeldquo bevorzugt wurde (Th onhauser 2008 S 14)

Aufgaben dienen als Uumlbungsaufgaben im Rahmen der Entwicklung von Routinen d h von Faumlhigkeiten die es moumlglich machen die in den Aufgaben repraumlsentierten Si-tuationen (z B Alltagssituationen im fremdsprachlichen Ausland) rasch und sicher zu bewaumlltigen

Aufgaben dienen der Evaluation (d h der Uumlberpruumlfung des Erfolgs von Lehre und Studium) zum Zwecke kuumlnft iger (womoumlglich individuell) diff erenzierter Planung von Lehr-Lernprozessen Dabei duumlrft en allerdings einige Fallstricke nicht uumlbersehen wer-den Wenn sich die Ziele schulischen Lernens nicht auf Wissen beschraumlnken sondern

1 Wenn man dieses Begriff spaar in diesem theoretischen Kontext betrachtet (Weinert 2001 21) ist die in den letzten Jahren haumlufi g vorgebrachte Polemik gegen diese Unterscheidung schwer nachvollziehbar Dafuumlr hier nur ein sehr populaumlr gewordenes Beispiel bdquoWo Kompetenzen ver-mittelt hellip wird [sic] ndash dort ist die Praxis der Unbildung am effi zientestenldquo (Liessmann 2014 Klappentext vgl auch insbesondere Kapitel 3 bdquoKompetenter Ungeistldquo S 45 ff ) Dazu passt auch Lutz Koch (2013) der in polemischer Manier wiederholt was er bereits in Beitraumlgen fruuml-herer Jahre geaumluszligert hat Als letzten Trumpf spielt er aus dass Kompetenz zwar wichtig sei aber erst nach der Schule die der Oumlff nung der wichtigsten Raumlume des Wissens zu gelten habe erworben werden koumlnne (S 163)

2 Diesenberger 20123 Dazu gehoumlren die Merkmale lebensweltliche Bezuumlge hohes kognitives Aktivierungspotenzi-

al Anregung zu sozialem Lernen (z B Austausch der Schuumllerinnen im Gruppenunterricht) und Innere Diff erenzierung (ggf bis zur Individualisierung) (Muumlller Gartmeier amp Prenzel 2013 134 f)

4 Felix Winter hat sehr anschaulich beschrieben wie der geniale Carl Friedrich Gauszlig seiner-zeit aus der trivialen Uumlbungsaufgabe (die Zahlen 1 bis 100 addieren) selbststaumlndig fuumlr sich eine Lernaufgabe gemacht hat indem er nach einer Analyse des Materials uumlber die Anwendbarkeit eines eleganteren alternativen Verfahrens nachgedacht hat (Winter 2008 S 120) Im Lichte ei-ner reduzierten behavioristischen Didaktik waumlre das dem Lehrer entgangen

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 155

Koumlnnen miteinschlieszligen muss eine Evaluation daruumlber Auskunft geben inwieweit Schuumllerinnen anwenden bzw umsetzen koumlnnen was sie wissen oder (vornehmlich in praktischen Situationen) begruumlnden koumlnnen was sie tun Wir wissen jedoch bdquodass Koumlnnerinnen in komplexen Domaumlnen (z B einen fi ktionalen Text verfassen oder mittels eines Experiments eine physikalische Annahme pruumlfen) in hohem Maszlige in-tuitiv-improvisierend handeln Deshalb besteht die Gefahr dass Schuumllerinnen oder Schuumllern aufgrund ihres verbal nachgewiesenen Wissens faumllschlicherweise Koumlnnen zu-geschrieben wird uumlber das sie nicht verfuumlgen Oder aber umgekehrt bei manifesten sprachlichen Defi ziten vorschnell ein Koumlnnen abgesprochen wirdldquo (Neuweg 2008 S 86 f)

Aufgaben dienen der Selektion (d h der Unterscheidung von Lernenden mit aus-reichenden bzw [vorlaumlufi g] nicht ausreichenden Kompetenzen) mit der Konsequenz gegebenenfalls Letztere von besonderen Bildungsprozessen (vorlaumlufi g) auszuschlie-szligen5

Aufgaben dienen (wenn auch nicht unbedingt in der Absicht der Lehrerinnen so doch de facto) der Disziplinierung im Sinne einer Veranlassung zu (zeitlich begrenz-ten) Taumltigkeiten (z B bdquoHausaufgabenldquo) die andere Taumltigkeiten (z B mehr oder min-der angemessene Freizeitaktivitaumlten) einschraumlnken

Diese der Begriff sanalyse dienende Aufzaumlhlung entspricht einer diff erenzierten Beschreibung die nicht fuumlr sich bereits normative Implikationen aufweisen will Ins-besondere die letzten beiden Funktionen duumlrft en bei vielen Leserinnen und Lesern (durchaus verstaumlndlicherweise) Widerspruch provozieren der allerdings nicht aus-reicht sie (z B im Rahmen wenig Sinn vermittelnder [Haus-]Uumlbungen6) aus dem schulischen Alltag zu verbannen

12 Wer entscheidet uumlber die zu stellenden Aufgaben

Lange Zeit schien die Antwort auf diese Frage unbezweifelbar die zustaumlndigen (Klas-sen- bzw Fach-)Lehrerinnen Wer unterrichtet traumlgt auch die Verantwortung fuumlr

5 Schon Frank Wedekind lieszlig in seinem Drama bdquoFruumlhlingserwachenldquo einen der kulturpubertie-renden Jugendlichen sagen bdquoWozu gehen wir in die Schule hellip damit man uns examinieren kann Und wozu examiniert man uns ndash Damit wir durchfallen Sieben muumlssen ja durchfallen schon weil das Klassenzimmer oben nur sechzig fasst (Wedekind 1977 S 11)

6 Bei einem Aufenthalt in Kolumbien besuchte ich eine Volksschule in der viele von einer Vul-kankatastrophe betroff ene Kinder vorgeblich nach dem Konzept von Maria Montessori un-terrichtet wurden Im Rechenunterricht ging es um Zehneruumlber- bzw -unterschreitungen an-hand einer Liste von 100 einschlaumlgigen Aufgaben Da fi el mir ein kleines Maumldchen ins Auge das dabei war die Angaben dieser Aufgaben fein saumluberlich in sein Heft zu uumlbertragen ohne auch nur mit der Loumlsung einer einzigen Aufgabe zu beginnen Ich setze mich zu ihm und wir begannen gemeinsam mit dem Versuch aus den fuumlr es unloumlsbar scheinenden Problemen (im Sinne Doumlrners) loumlsbare Aufgaben zu machen und damit der Uumlbung einen Sinn zu geben Es war begluumlckend zu erleben wie sich das Kind uumlber die neu erworbene Kompetenz freute und mich aus Dankbarkeit auf dem Nachhauseweg spontan bei der Hand nahm Vgl Standop 2014 insb S 107

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(alle) bdquoevaluativen Pruumlfungenldquo7 war die geltende Maxime Es bedurft e der unuumlber-sehbaren Ergebnisse empirischer Untersuchungen dass die Chancen auf den Bil-dungserfolg der Schuumllerinnen auch mit den jeweils gestellten Aufgaben einhergehen Das regte nachhaltige Uumlberlegungen an wie eine mangelhaft e Beruumlcksichtigung des Schwierigkeitsgrades und der Fairness von Aufgaben bzw die mangelhaft e Objektivi-taumlt und Validitaumlt der Beurteilung ihrer Loumlsungen seitens der Lehrerinnen einzudaumlm-men seien (Bruneforth amp Lassnigg 2015 S 112 ff Eder et al 2015 S 80 ff ) und for-cierte bildungspolitische Alternativen Delegierung der Aufgabenkonstruktionen und auch der Beurteilung der von Schuumllerinnen und Schuumllern vorgelegten Loumlsungen bei bestimmte Bildungschancen besonders maszliggeblich beeinfl ussenden Situationen (Auf-nahmepruumlfungen Abschlusspruumlfungen beispielsweise die Matura oder Bildungsstan-dards) an externe Instanzen (Bildungsministerium Bildungsinstitut fuumlr Forschung und Entwicklung im Bildungswesen ndash BIFIE) zu uumlbertragen was nachhaltige haumlufi g kont-rovers gefuumlhrte Diskussionen ausgeloumlst hat (Altrichter amp Kanape-Willingshofer 2012 Neuweg 2004)

Obwohl die Beweislage im Hinblick auf die Maumlngel der Tradition dass die jeweils unterrichtenden Lehrerinnen auch bei selektiven Pruumlfungen die Haupt- wo nicht Al-leinverantwortung tragen zunehmend erdruumlckender geworden war wurde die Tradi-tion sowohl von der Bildungspolitik als auch von der Lehrergewerkschaft bis in die juumlngste Zeit mit auff allender Vehemenz verteidigt (Mandl 2008) Die Ambivalenz des haumlufi g vorgebrachten Arguments die unterrichtenden Lehrerinnen wuumlssten am besten uumlber die Staumlrken und Schwaumlchen ihrer Schuumllerinnen Bescheid und koumlnnten darauf bereits bei der Aufgabenstellung Ruumlcksicht nehmen wurde mehr oder weni-ger ignoriert Denn gerade dadurch koumlnnen auch dem Einfl uss diverser zweifelhaft er Komponenten (z B SympathieAntipathie manipulative Steuerung individueller oder kollektiver Pruumlfungsergebnisse8) zahlreiche Moumlglichkeiten eroumlff net werden

Aber daraus die Konsequenz zu ziehen Lehrerinnen von jeder Mitverantwortung an selektiven Pruumlfungen zu befreien wuumlrde hinwiederum die Gefahr ihrer bereichs-spezifi schen Deprofessionalisierung in sich bergen wie wir sie seinerzeit im Rahmen der Schulversuche der Zehn- bis Vierzehnjaumlhrigen in Oumlsterreich kennengelernt ha-ben9 Damals hatte das Zentrum fuumlr Schulversuche diese Arbeit zur Gaumlnze uumlbernom-men Heute ist man sich im zustaumlndigen Ressort der erwaumlhnten Gefahr bewusst und neigt daher im Rahmen von bdquoTeilzentralisierungenldquo dazu den Lehrerinnen und Leh-rern Moumlglichkeiten einer Mitgestaltung einzuraumlumen Unterstuumltzt wuumlrde diese Maszlig-nahme mit der Th ese dass auch Lehrerinnen selbst ein zu vermittelndes Wissensge-biet erst dann in seiner Bedeutung richtig verstanden haben wenn es ihnen gelingt anspruchsvolle Aufgaben zu formulieren und ihre Loumlsbarkeit zu demonstrieren (Ja-cobs 2008 S 111)

7 Dass der Fokus von Evaluation dabei so gut wie ausschlieszliglich auf die Lernenden gerichtet blieb und nicht auch die Qualitaumlt des Unterrichts und damit auch die Lehrerinnen betreff en sollte steht allerdings auf einem anderen Blatt

8 Z B um die Gefahr einer fuumlr Lehrerinnen aufwaumlndigen Pruumlfungswiederholung abzuwenden9 Gottfried Petri ist seinerzeit in seiner detailreichen Evaluation auf diesen Aspekt allerdings

nicht eingegangen (Petri 1984)

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 157

Einen Ausweg aus diesem Dilemma (Vermeidung von Maumlngeln bei Pruumlfungen um den Preis der Deprofessionalisierung der Lehrerinnen) boumlte die Einladung an die Lehrerinnen bestimmter Schulstufen und Unterrichtsfaumlcher lehrplankonforme Auf-gaben die begruumlndeten Qualitaumltskriterien genuumlgen in einen Pool einzuspeisen aus dem sodann die konkreten Aufgaben fuumlr individuelle Schuumllerinnen bzw Schulklassen zu ziehen waumlren Damit koumlnnten sowohl die Maumlngel der Aufgaben als auch die Ent-woumlhnung von wichtigen professionellen Taumltigkeiten hintangehalten werden Nach bis-herigen Erfahrungen stuumlnde allerdings ein Einspruch der Lehrergewerkschaft zu be-fuumlrchten der es immer darum zu tun ist ihre Klientel gegen zusaumltzliche nicht eigens entlohnte Arbeit abzuschirmen In dem konkreten Fall waumlre es allerdings nicht schwer zu argumentieren dass es sich nicht um zusaumltzliche sondern lediglich um anders or-ganisierte Arbeit zum Zwecke einer Qualitaumltsverbesserung im Bildungswesen handeln wuumlrde Denn an Aufgaben lernen nicht nur diejenigen die sie loumlsen sondern insbe-sondere auch jene die sie konstruieren (Glowalla amp Glowalla 2004)

Schlieszliglich verdient auch noch die Frage beachtet zu werden inwieweit Schuumlle-rinnen an der Stellung von Aufgaben beteiligt werden koumlnnten Es empfi ehlt sich bei der Antwort darauf den Rahmen nicht auf selektive Situationen (Aufnahmepruumlfungen die Zugaumlnge ermoumlglichen oder Abschlusspruumlfungen die uumlber Berechtigungen ent-scheiden) zu beschraumlnken sondern auch Aufgaben die in nicht (unmittelbar) selekti-ven Situationen gestellt werden (z B Uumlbungsaufgaben oder Lernaufgaben) zu denken Hans-Joumlrg Herber hatte in seinem theoretisch gut begruumlndeten und praktisch noch immer sehr anregenden Konzept der bdquoInneren Diff erenzierungldquo vorgesehen dass den Schuumllerinnen und Schuumllern zum Beispiel im Mathematikunterricht zu gegebener Zeit eine Sammlung von Aufgaben verschiedener nicht aufsteigender Schwierigkeit ange-boten wird unter denen sie ndash selbstbestimmt ob in individueller Partner- oder Grup-penarbeit ndash frei waumlhlen koumlnnen (Herber 1983) Die Schuumllerinnen uumlbernehmen da-mit eine Mitverantwortung fuumlr ihr Lernen indem sie sich bewusst machen was sie in der Situation leisten wollen und eigener Einschaumltzung zufolge leisten koumlnnen (Herber 1998 S 60 f)

13 Wer beurteilt die von Schuumllerinnen und Schuumllern vorgelegten Loumlsungen

Die Antworten auf diese Fragestellung fallen zu einem Gutteil aumlhnlich aus wie im vo-rigen Kapitel Auch hinsichtlich der Beurteilung galt lange Zeit quasi als selbstver-staumlndlich dass die Lehrerinnen die Ergebnisse der von ihnen gestellten Aufgaben auch beurteilen (und damit in der Regel benoten) In seltenen Faumlllen (z B bei der Reifepruumlfung) wurde mit Landesschulinspektorinnen und Landeschulinspektoren bzw anderen Beamten der Landesschulratsbehoumlrden eine Instanz aufgeboten die ein zurei-chendes Maszlig an Objektivitaumlt und Validitaumlt sowie eine interregionale Vergleichbarkeit der Beurteilungen sicherstellen sollte Aber erst in juumlngster Zeit wurde (z B mit der Leadership Academy) einerseits dafuumlr Sorge getragen dass auch die dafuumlr vorgesehe-nen Personen einschlaumlgig geschult werden und sich nicht auf die aus autoritaumlren Sys-

Josef Thonhauser 158

temen uumlbernommene Regel mit dem Amt kaumlme auch der (Sach-)Verstand verlassen durft en Andererseits wurden unter dem Druck demokratiepolitischer Argumente die Einspruchsrechte der Betroff enen (wenn auch zaghaft 10) erweitert

Wenn die Beurteilung extern erfolgt wird die Erfuumlllung der Qualitaumltskriterien in der Regel mit dem Einsatz mehrerer (unabhaumlngiger) Beurteilerinnen die einen aus-reichenden Uumlbereinstimmungsgrad aufweisen muumlssen gewaumlhrleistet Die Gefahr kras-ser Fehlurteile erscheint damit als gebannt

Auf das auch in diesem Zusammenhang gegebene Problem einer Deprofessionali-sierung der Lehrerinnen gehe ich hier nicht nochmals ein Es gelten mutatis mutan-dis die oben (unter 12) angefuumlhrten Bedenken

14 Formale Merkmale von Aufgaben

Konkrete Aufgaben koumlnnen in praktischen Zusammenhaumlngen mehrere Funktionen erfuumlllen auch wenn die paumldagogische Absicht nur auf eine bestimmte gerichtet sein mag So erweisen sich Pruumlfungsaufgaben oft mals ndash insbesondere bei Defi ziterfahrun-gen der gepruumlft en Schuumllerinnen ndash als nachtraumlglicher Beitrag zur Lernzieldefi nition der ihnen klar macht woraufh in sie haumltten lernen sollen Lernaufgaben dienen fall-weise auch Hinweisen auf (u U fehlende) EingangsvoraussetzungenDie Qualitaumlt konkreter Aufgaben entscheidet sich in praktischen Zusammenhaumlngen danach in welchem Grad sie bestimmte formale Merkmale aufweisen Sie werden im Folgenden eroumlrtert

bull VerstaumlndlichkeitDamit sind Klarheit und formale Eindeutigkeit gemeint worin die Loumlsung einer Auf-gabe besteht Die Schuumllerinnen muumlssen die Moumlglichkeit haben zu erkennen ob ihre Loumlsung richtig sein kann indem sie pruumlfen ob diese der gestellten Aufgabe formal (z B eine oder mehrere moumlgliche Loumlsungen) entspricht

Fuumlr Schuumllerinnen die eine Aufgabe bearbeiten sollen ist entscheidend ob die Aufgabe fuumlr sie (individuell) verstaumlndlich ist An dieser Frage haben sich (z B in Oumlsterreich) in letzter Zeit (u a aus Anlass der schrift lichen Zentralmatura) heft i-ge bildungspolitische Diskussionen entzuumlndet die bis ins Parlament hineingetragen wurden Dabei standen nicht nur Faumlcher im Vordergrund in denen groumlszligere Inter-pretationsspielraumlume Tradition haben (Deutsch Fremdsprachen) sondern insbeson-dere auch Mathematik Uumlberpruumlfungen ergaben dass fallweise Schuumllerinnen deren mathematische Faumlhigkeiten im Vorfeld durchaus Maturaniveau aufgewiesen hatten

10 Z B damit dass Einspruch nur im Fall einer negativen Beurteilung moumlglich ist obwohl es bei diversen Uumlbergaumlngen innerhalb des Bildungssystems (z B bei beschraumlnkten Zugangsmoumlglich-keiten oder nachfolgenden Berufschancen) eine Rolle spielen kann welche (positiven) Kalkuumlle Schuumllerinnen vorweisen koumlnnen

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 159

an der Kompliziertheit der Aufgabenformulierung also an einer mangelnden Sprach-kompetenz gescheitert sind (Neuhauser 2018)11

bull Prinzipielle LoumlsbarkeitEs mag auf den ersten Blick trivial erscheinen dieses Merkmal eigens zu nennen Es ist jedoch bei Pruumlfungsaufgaben unverzichtbar und ein Verstoszlig zieht u U schwer-wiegende Konsequenzen nach sich12 Bei Lernaufgaben gilt dieses Merkmal u U nur bedingt naumlmlich dann wenn eine der beiden folgenden Fragen (die ein erhebliches katalysatorisches Potenzial aufweisen) die Loumlsbarkeit auf eine andere Ebene (metako-gnitives Wissen) hebta) Reichen die vorliegenden Angaben aus um die Aufgabe loumlsen zu koumlnnenb) Welche zusaumltzlichen Informationen muumlsste die Aufgabenstellung enthalten um

eine Loumlsbarkeit zu gewaumlhrleisten13

bull (Objektive) Sinnhaft igkeit ndash (Subjektive) BedeutsamkeitDieses Merkmal wird in der einschlaumlgigen Literatur vergleichsweise weniger beachtet wiewohl es die Anstrengungsbereitschaft bei der Bearbeitung von Aufgaben bzw die Lernbereitschaft entscheidend beeinfl usst An einem konkreten (allerdings ambivalen-ten) Beispiel soll das exemplifi ziert werden

Ein junger Mann spart euro 5000- fuumlr eine Reise in den fernen Osten Dort reist er mehrere Wochen von Land zu Land In jedem wechselt er euro 300- in die landesuumlbliche Waumlhrung Bevor er das Land wieder verlaumlsst tauscht er den jeweils verbliebenen Rest in die Eurowaumlhrung zuruumlck wobei er einen Verlust von 10 in Kauf nehmen muss In einer Tabelle sind die bereis-ten Laumlnder die jeweiligen Wechselkurse und der jeweils verbliebene Rest der zuruumlckgetauscht wurde aufgelistet Wie viel Euro bringt der junge Mann letztlich von der Reise zuruumlck wenn er euro 900- fuumlr den Flug bezah-len muss14

In dieser Aufgabe werden mehr oder minder aufwaumlndige Rechenoperationen in einen exotischen aller Wahrscheinlichkeit nach fuumlr die Schuumllerinnen fremden (motivieren-den) Kontext verpackt Die unter Zeitbegrenzung vorgegebene Aufgabe wuumlrde es je-doch nicht erlauben einem allenfalls erwachenden Interesse an einem der bereisten

11 Eine engagierte Mathematiklehrerin in einer Neuen Mittelschule (NMS) mit hohem Anteil von Kindern nicht deutscher Muttersprache hat es sich aus diagnostischen Uumlberlegungen zur Re-gel gemacht bei Schularbeiten zur Haumllft e reine Zahlenbeispiele (ohne Texteinkleidung) vorzu-legen um eine Benachteiligung dieser Kinder hintanzuhalten Im geringeren Maszlige profi tierten davon auch Kinder mit deutscher Muttersprache aber geringerer Sprachkompetenz

12 Vor einigen Jahren sorgte ein Zwischenfall bei einer schrift lichen AHS-Matura fuumlr Aufregung Ein Schuumller mit guten Leistungen in Mathematik machte die Lehrerin darauf aufmerksam dass eines der vorgelegten Beispiele nicht loumlsbar sei Die Lehrerin wies den Einwand vehement zuruumlck ndash hatten die Aufgaben ja eine kritische Begutachtung im Landesschulrat hinter sich In weiterer Folge stellte sich heraus dass der Schuumller Recht hatte Fuumlr einige Schuumllerinnen erwies sich dieser Fehler jedoch als entscheidende Beeintraumlchtigung der Chancen positiv zu bestehen Die Panne musste bis zum Herbst mit groszligem Aufwand repariert werden

13 Vgl das unten (Seite 14 f) zitierte komplexe Beispiel14 Aus dem Gedaumlchtnis zitiert

Josef Thonhauser 160

Laumlnder oder den Gruumlnden fuumlr die z T infl ationsbedingt extremen Kurse nachzuge-hen Die Aufgabe ist letztlich auf die (allerdings vielfach anzuwendenden) Grundrech-nungsarten und einfaches Prozentrechnen beschraumlnkt Die Einkleidung lenkt eher von der konzentrierten Bearbeitung der Aufgabe ab als dass sie Bedeutsamkeit vermittelt

bull Zeitlich begrenzte (bdquospeedldquo) oder zeitlich unbegrenzte Aufgabenbearbeitung (bdquopowerldquo)Oft schon hat eine Evaluation von Pruumlfungen ergeben dass die gewaumlhrten zeitli-chen Rahmenbedingungen einen entscheidenden Einfl uss auf die Erfolgsquoten ha-ben Bei Pruumlfungsaufgaben die in der Regel unter mehr oder minder streng kont-rollierten Bedingungen zu bearbeiten sind ist die Zeit in der Regel begrenzt obwohl man weiszlig dass damit die Entfaltung von kreativen Ansaumltzen oder die Origina-litaumlt von Texten behindert wird Lange Zeit hatte jedoch der organisatorische Rah-men schulischen Lernens kaum eine andere Moumlglichkeit geboten In den letzten Jah-ren sind mit komplexen Aufgaben wie z B den Fachbereichs-15 oder Diplomarbeiten Moumlglichkeiten geschaff en worden Sie erlauben Schuumllerinnen und Schuumllern sich selbst Rahmenbedingungen zu organisieren und damit jene aus dem erweiterten Bereich von Pruumlfungsaufgaben in Richtung Lernaufgaben zu veraumlndern bei denen bereits die Interpretation der Th emen mehr Anteile individueller Mitentscheidungen hat

Einer allgemeinen Verschiebung von bdquospeedldquo in Richtung bdquopowerldquo steht allerdings der Groszliggruppen-Unterricht in Schulklassen entgegen in dem die Lernenden mit ihrer mehr oder minder ausgepraumlgten oft mals unterschaumltzten Heterogenitaumlt letztlich aus vordergruumlndigen zeitoumlkonomischen Gruumlnden immer wieder zu einem gemeinsa-men Vorgehen zusammengefuumlhrt werden muumlssen

bull Komplexitaumlt und transferfoumlrdernde KontexteLernaufgaben erreichen kaum die wuumlnschenswerte Qualitaumlt wenn sie nicht eine ent-sprechende Komplexitaumlt aufweisen die sie individuell herausfordernd bzw in Grup-pen kooperativ bearbeitet fuumlr das Von-einander-Lernen ergiebig machen

Generierendes Lernen (d h die Konstruktion von Wissen durch die Lernenden) fi ndet mit Vorteil in Verbindung mit (zumindest gedanklich praumlsenten) Nutzanwen-dungssituationen statt Dadurch wird verhindert dass isolierte Fakten mit geringem Transferpotenzial gelernt werden (Neber 1993)

bull FormAufgaben koumlnnen in unterschiedlicher Form gestellt werden Als Fragen deren Beant-wortung die Loumlsung darstellt oder als Auff orderungen eine bestimmte Handlung aus-zufuumlhren (Zeichnen Uumlbersetzen einen fi ktionalen Text verfassen oder einen Sachver-halt muumlndlich darstellen eine gymnastische Uumlbung vorfuumlhren oder ein Musikstuumlck darbieten etc) Insbesondere die von Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht haumlufi g gestellten Fragen sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen in der paumldagogischen bzw erziehungswissenschaft lichen Literatur16 Das Th ema Lehrerinnen-Fragen ist in-

15 Heute Vorwissenschaft liche Arbeiten16 Die Hinweise auf die Namen Hans Aebli Otto Friedrich Bollnow G Dahms Hugo Gaudig

Heinz Neber und Berthold Otto moumlgen hier als Belege genuumlgen

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 161

dessen so komplex dass es nicht als Nebensache eines Beitrags behandelt werden darf Allein die haumlufi g an Benjamin S Blooms Taxonomie orientierte Klassifi kation der Fra-gen nach ihrem kognitiven Niveau bzw Anspruch und Versuche ihrer Vermittlung in Trainings (King 1997 Klinzing amp Klinzing-Eurich 1982) haben eine umfangreiche Forschungsgeschichte (Levin 2005) Hier begnuumlge ich mich mit wenigen gut beleg-ten Bemerkungenbull Faktenfragen (wer wann wo z B in historischen Zusammenhaumlngen) dienen

kaum als Lernaufgaben weil sie keine Verbindung zu Anwendungssituationen dar-stellen also fuumlr sich allein genommen lediglich totes Wissen anhaumlufen helfen

bull Die sogenannten Lehrerfragen (oft als sokratische Fragen verbraumlmt) moumlgen im Klas-senunterricht ndash sparsam eingesetzt ndash geeignet sein bei Schuumllerinnen und Schuumllern (vielleicht jedoch auch nur bei manchen) einschlaumlgige Konzepte zu aktivieren und damit eine Denkbewegung in Richtung des jeweiligen Th emas auszuloumlsen Sie ver-fuumlhren die Lehrerinnen jedoch dazu von einzelnen Antwortstimmen auf allgemei-ne Beteiligung und allgemeines Verstaumlndnis zu schlieszligen17

15 Einschraumlnkende Bedingungen beim Einsatz von Lernaufgaben

Es entspricht der Logik wenn unter dem fuumlr diesen Beitrag gewaumlhlten Titel ein Plauml-doyer fuumlr den vermehrten Einsatz von Lernaufgaben folgt um damit einer einseitigen Assoziation von Aufgaben mit Pruumlfungssituationen ndash sei es in evaluativer oder selekti-ver Funktion ndash gegenzusteuern Unter den Bedingungen wie sie fuumlr den uumlberwiegen-den Teil des gegenwaumlrtigen Schulunterrichts naumlmlich den Unterricht in Schulklassen gelten stehen dem jedoch betraumlchtliche Hindernisse entgegen Zuallererst die Hetero-genitaumlt der Schuumllerinnen welche ihrer Veranlassung zu gleichzeitigem Lernen Gren-zen setzt

Jochen Grell der in seinem Ende des vorigen Jahrhunderts unter dem ebenso pro-vokanten wie missverstaumlndlichen bzw missverstandenen Titel bdquoUnterrichtsrezepteldquo zum Bestseller gewordenen Buch acht Phasen fuumlr einen qualitativ akzeptablen Stan-dardunterricht empfi ehlt sieht darin nicht zufaumlllig die selbststaumlndige Bearbeitung von Lernaufgaben als zeitlich mit Abstand ausgedehnteste Phase vor um den unterschied-lichen Voraussetzungen der Schuumllerinnen wenigstens mit entsprechenden zeitlichen Rahmenbedingungen (Puff erzonen fuumlr fakultative individuelle Zusaumltze) gerecht zu werden18

Seit auch bei Large-Scale-Assessments (z B PISA) neben Kenntnissen worauf sich die einschlaumlgigen Unternehmungen anfangs beschraumlnkten auch andere Domauml-

17 Reinhard Tausch Klaus Holzkamp oder Jochen Grell haben daher mit nachvollziehbaren Ar-gumenten mehr oder minder radikal fuumlr didaktische Alternativen plaumldiert Ob sie damit auf breiter Ebene praktisch erfolgreich waren bleibt allerdings dahingestellt Vgl S 163 den Hin-weis auf Alexander Renkl

18 In einem Brief anlaumlsslich des Entstehens des Buches bdquoAufgaben als Katalysatoren von Lernpro-zessenldquo (Th onhauser 2008) schrieb Jochen Grell er bedaure dem Th ema Lernaufgaben nicht weitere Aufmerksamkeit gewidmet zu haben weil er nach wie vor von deren didaktischem Po-tenzial uumlberzeugt sei

Josef Thonhauser 162

nen (z B Interesse Nachhaltigkeit) erhoben werden sind die Qualitaumlt von Lernaufga-ben und Bedingungen fuumlr ihren Einsatz auch in der Bildungsforschung bedeutsam(er) geworden (Prenzel19 et al 2013) Denn so meint Lucien Criblez vollmundig bdquogute Schulleistungen entstehen durch guten Unterricht und guter Unterricht entsteht durch gute Lernaufgabenldquo (Criblez 2016 S 28 mit Bezug auf Keller amp Bender 2012)

Der Optimismus damit moumlglicherweise einen Hebel fuumlr eine Steigerungen der Unterrichtsqualitaumlt in Haumlnden zu halten muumlsste allerdings noch auf die Lehrerinnen uumlberspringen

2 Nach wie vor ein Desiderat fachdidaktische Diff erenzierungen

In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts hat in den deutschsprachigen Laumlndern die Bedeutung der Fachdidaktiken in der Aus- und Fortbildung der Leh-rerinnen merkbar zugenommen Allenthalben wurden fachdidaktische Gesellschaf-ten oder Arbeitsgemeinschaft en gegruumlndet einschlaumlgige Tagungen veranstaltet und fuumlr Studierende Moumlglichkeiten geschaff en sich mit fachdidaktischen Arbeiten in Di-plom- und Doktoratsstudien zu qualifi zieren Die Entwicklung der Paumldagogischen Hochschulen in Richtung vollguumlltiger tertiaumlrer Einrichtungen neben den Universitaumlten erwies sich insbesondere in der Schweiz aber auch in Deutschland (Vollmer 2007) z B an der Gesamthochschule Kassel oder der Universitaumlt Dortmund ndash um zwei Bei-spiele zu nennen ndash ebenfalls als foumlrderlich

In Oumlsterreich hat Klagenfurt urspruumlnglich als Universitaumlt fuumlr Bildungswissenschaf-ten konzipiert eine Vorreiterrolle Diese wurde u a dadurch beguumlnstigt dass dort ers-tens das Lehramtsstudium von Anfang an (1975) nach den neuen Studiengesetzen (AHStG 1966 Gesetz uumlber die geistes- und naturwissenschaft lichen Studienrichtun-gen 1971) organisiert wurde die den Fachdidaktiken einen bedeutsamen Platz ein-raumlumten und zweitens alle berufenen Fachprofessoren auch fuumlr die (Entwicklung der) Fachdidaktiken zustaumlndig waren20 Was anfangs als Wiederaufl eben des Glaubens mit dem Amt (und seiner Bezeichnung) komme auch der (Sach-)Verstand belaumlchelt wur-de erwies sich im Verlauf der Jahre als wichtiger Impuls dem mehrere nachhaltige Initiativen zu verdanken waren Beispielhaft sei auf einschlaumlgige Tagungen hingewie-sen die sich fuumlr andere Universitaumlten (z B Salzburg und Innsbruck) als Initialzuumln-dungen erwiesen (Tietze et al 1988) oder das Fortbildungsprogramm Paumldagogik und Fachdidaktik fuumlr Lehrerinnen (PFL) ein international beachtetes vom Bildungsmi-nisterium uumlber Jahrzehnte bis heute unterstuumltztes interdisziplinaumlres Kooperationspro-jekt (Krainer amp Posch 1996 Messner 2018 S 285 ff ) Nicht zu vergessen die erstmals gelungene Integration von schulpraktischen Elementen in die universitaumlre Lehrerbil-dung

19 Manfred Prenzel hat erst unlaumlngst (25062018) in einem Vortrag an der Universitaumlt Salzburg die Wichtigkeit der Erweiterung der evaluierten Merkmale wieder hervorgehoben

20 Laut Ernennungsdekreten waren die Professorinnen und Professoren jeweils fuumlr ein Lehramts-fach und seine Fachdidaktik zustaumlndig

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 163

Der Weg des Fortschritts in den Fachdidaktiken erweist sich jedoch ndash jedenfalls im Bereich der Lernaufgaben ndash nach wie vor als muumlhsam Das liegt einmal an der Er-ziehungswissenschaft als Bezugswissenschaft Denn sie hat ihre Chancen weit mehr darin gesehen einen Beitrag zur evidenzbasierten Evaluierbarkeit von (Fach-)Unter-richt zu leisten als zur Weiterentwicklung des Lernaufgabenkonzepts Das schlaumlgt sich bereits in der Unklarheit dieses Begriff s nieder welche die fachdidaktische Forschung belastet21 Noch vor wenigen Jahren baute ein fachdidaktisches Projekt auf die mehr als kuumlhne defi nitorische Aussage von Alexander Renkl aus dem Jahre 1996 auf bdquodie kleinste Lernaufgabe (sei) eine Frage oder Aufgabenstellung der Lehrkraft und die Louml-sung eine Schuumllerantwortldquo (Manzel amp Sowinski 2014 S 73) Damit stuumltzt man (unge-wollt) den nach wie vor weitverbreiteten Erarbeitungsunterricht der nur in negativer Hinsicht als evidenzbasiert bezeichnet werden koumlnnte (vgl oben S 162)

Zahlreiche Berichte uumlber fachdidaktische Forschungen beklagen die geringe Zahl an (empirischen) Validierungen von fachdidaktischen Empfehlungen fuumlr die paumlda-gogische Praxis (z B Schweitzer 2014 S 29 Schmaltz 2017 S 411) Philipp Mitt-nik weist in einer aufwaumlndigen Studie uumlber Reifepruumlfungsaufgaben nach bdquodass der Grundgedanke der Kompetenzorientierung in der oumlsterreichischen Lehrerschaft [zumindest im Fach GeschichteSozialkunde J T] noch nicht im ausreichenden Maszlige angekommen sein duumlrft eldquo Es uumlberwiegen nach wie vor Aufgaben im Anforderungs-bereich I (Reproduktion) fuumlr die es bdquolaut Rechtsvorschrift keine Beurteilung mit sbquosehr gutlsquo geben duumlrft eldquo (Mittnik 2014 S 34)

Positiv hervorgehoben zu werden verdienen hingegen zwei umfangreiche publi-zierte Dissertationen die nach jeweils eingehender Beschaumlft igung mit Merkmalen gu-ten Unterrichts im Allgemeinen fachlichen Aspekten von Lernaufgaben nachgehen ndash im Kontext der Berufsschullehrerbildung die eine (Schaff enrath 2008) des Franzouml-sischunterrichts die andere (Tesch 2010) Auch an der Universitaumlt Dortmund entstan-den in den letzten Jahren uumlber ein Dutzend Dissertationen in mehreren Fachdidak-tiken die sich mit dem Potenzial von Lernaufgaben auseinandersetzen (Hinz et al 2014 S 259 f)Trotzdem beklagt Bernd Ralle dass das Th ema Lernaufgaben in vielen Fachdidaktiken nicht seiner Bedeutung gemaumlszlig behandelt werde obwohl es ein bdquowichtiger Schluumlssel fuumlr die Umsetzung [hellip] didaktischer Ziele im Unterrichtldquo sei (siehe Ralle et al 2014 S 9 vgl auch Becher amp Glaumlser 2014 S 159 Helbig et al 200022)

Ein kraumlft iger Impuls koumlnnte in naher Zukunft von den Learning Studies ausgehen wenn sich diese auch in den deutschsprachigen Laumlndern durchsetzen (Posch 2018)

21 Vgl z B Zadelhoff ampWember 2013 S 121 welche die individuelle Anpassung von Aufgaben-schwierigkeiten ihrem Lernaufgaben-Konzept integrieren

22 In der umfangreichen Festschrift fuumlr den Romanisten K-R Bausch fi ndet sich auf 600 Seiten unter drei Dutzend Beitraumlgen keiner zum Th ema Aufgaben (Helbig et al 2000)

Josef Thonhauser 164

3 Einige illustrative Beispiele fuumlr Lernaufgaben23

Die wenigen hier vorgestellten aus der Literatur uumlbernommenen und adaptierten Bei-spiele koumlnnen als typisch fuumlr Lernaufgaben gelten indem sie bull Lernende vor neue Herausforderungen stellenbull komplex und off en sind (d h mehrere Loumlsungsmoumlglichkeiten zulassen) undbull hervorragende Anlaumlsse zu sozialem Lernen bieten (voneinander lernen in Gruppen

mit unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen insbesondere Interessen und Louml-sungskompetenzen)

In der vorliegenden Form sind sie keinesfalls als Evaluations- Pruumlfungs- oder Uumlbungs aufgaben geeignet

31 Ein begruumlndetes aumlsthetisches Urteil fi nden (fuumlr eine gymnasiale Oberstufe)

Ein zeitgenoumlssischer Literat (1958) hat das folgende Gedicht veroumlff entlicht24

Der Tag erwacht

01 Morgens wenn die Daumlmmerung gruumlszligt 09 Wolken jagen um die WetteUnd der Mond die Laumlden schlieszligt Jede will die erste seinHuumlpft die Sonne durch die Fenster Auch der Fluss in seinem BetteUnd vertreibt die Nachtgespenster Laumlsst sich auf den Wettlauf ein

05 Kirchturm laumlsst die Glocken klingen 13 Nur die groszligen weisen BergeBlumen fangen an zu singen Bleiben still am Platze stehnSelbst vorm Haus der Apfelbaum Koumlnnen immer von ganz obenGruumlszligt ganz leis man houmlrt ihn kaum All das bunte Treiben sehn

Die Schuumllerinnen sollen uumlberlegen inwieweit sie sich ein aumlsthetisches Urteil uumlber das Gedicht zutrauen Auf dem Weg dorthin sollen sie im Sinne des gelenkten Entdeckens (nach moumlglicherweise mehrfacher Lektuumlre)bull uumlberlegen wie das Gedicht insgesamt auf sie wirkt ndash auch wenn sie nicht jedes De-

tail verstehenbull eine Passage auswaumlhlen die ein fuumlr sie verstaumlndliches ansprechendes Bild be-

schreibt

23 Auf sie passt Norbert Seels Defi nition Lernaufgaben sind bdquonach didaktischen Uumlberlegungen ausgewaumlhlte und speziell praumlparierte Lernobjekte die einen bestimmten Lernvorgang ausloumlsen und organisieren sollenldquo (Seel 2003 S 383)

24 Hoppe amp Metz 2013 S 55 ff

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 165

bull erkunden welche Passagen in der Klasse (moumlglicherweise mehrfach) ausgewaumlhlt wurden welche hingegen kein einziges Mal und uumlberlegen was die Gruumlnde dafuumlr sein koumlnnten

bull pruumlfen welchen der einzelnen Verse oder Strophen sie einen Sinn entnehmen koumln-nen welchen nicht

bull sich nach der Lektuumlre selbst klar machen welche im Gedicht enthaltenen Aussagen ihnen vertraut sind (= welche sie u U bei der Beschreibung des erwachenden Tages selbst verwenden wuumlrden) welche nicht

bull sich den Zusammenhang zwischen ihrer subjektiven Sinnentnahme und der Nei-gung zu aumlsthetischen Urteilen bewusst machen

bull nach Begruumlndungen fuumlr ihre Urteile suchenbull sich off enhalten fuumlr Diskussionen uumlber die voranstehenden Punkte mit ihren Mit-

schuumllern-innen (ggf auch mit der Lehrperson)

Eine Voraussetzung fuumlr den Erfolg dieser Lernaufgabe besteht darin dass sich die Schuumllerinnen auf sie einlassen obwohl ein unmittelbarer Lebensweltbezug nicht als gegeben erscheint und ebenso vermittelt werden muss wie auch die Bedeutung des Lernprojekts

32 Nicht jede (z B im Schulbuch gestellte) Aufgabe ist auch loumlsbar

(Sekundarstufe I)

Die mittlerweile haumlufi g zitierte Aufgabe bdquoTankenldquo (Linneweber-Lammerskitten 2012 S 28)

Herr Stein wohnt in Trier 20 km von der Grenze zu Luxemburg entfernt Er faumlhrt mit seinem VW Golf zum Tanken nach Luxemburg wo sich di-rekt hinter der Grenze eine Tankstelle befi ndet Dort kostet der Liter Benzin nur 105 euro im Gegensatz zu 130 euro in Trier Lohnt sich die Fahrt fuumlr Herrn Stein Begruumlnde deine Antwort

Die Aufgabe in der vorliegenden Fassung waumlre nur dann loumlsbar wenn die Schuumllerin-nen stillschweigend bull einige zusaumltzliche Annahmen traumlfen die im Text gar nicht enthalten sind z B Fas-

sungsvermoumlgen des Tanks Benzinverbrauch des Autos Distanz zur naumlchsten Tank-stelle in Trier

bull groumlszligerer Zeitaufwand erhoumlhter Verschleiszlig und erhoumlhtes (Unfall-)Risiko sowie oumlko-logische Bedenken wegen der zusaumltzlichen Kilometer ignoriert werden

Josef Thonhauser 166

Um aus dieser unvollstaumlndigen und genau genommen unloumlsbaren Aufgabe eine Lern-aufgabe zu machen gaumlbe es zwei Moumlglichkeitena) Vordergruumlndig Ergaumlnzungen im Sinne der aufgezaumlhlten Maumlngelb) Nachhaltig Aumlnderung der Aufgabenstellung z B mit einer oder beiden der fol-

genden Ergaumlnzungen ndash Was muumlsstest Du noch wissen um berechnen zu koumlnnen ob sich die Fahrt

uumlber die Grenze fuumlr Herrn Stein unmittelbar fi nanziell lohnt ndash Welche Aspekte muumlssten noch beruumlcksichtigt werden um entscheiden zu koumln-

nen ob ein fi nanzieller Gewinn gesellschaft spolitisch zu rechtfertigen waumlre

Die Aumlnderung der Aufgabenstellung waumlre auch eine Antwort auf zahlreiche Untersu-chungsergebnisse die feststellen dass mit Mathematikaufgaben Politik gemacht wird ndash nicht nur im Sinne einer totalitaumlren Ideologie (z B Mertens 1986 Menzler-Trott 2001) sondern auch aktueller wirtschaft spolitischer oder oumlkologischer Doktrinen (Ullmann 2008)

33 Menschenrechte da und dort ndash gestern und heute (Sekundarstufe II25)

Dieses Beispiel steht fuumlr Politische Bildung deren Aufwertung in Oumlsterreich in letz-ter Zeit mehrfach gefordert wurde (z B im Zusammenhang mit den Feiern zur Gruumln-dung der Republik im November 1918)

Informationena) Martin Luther King (MLK) war im vorigen Jahrhundert in den USA ein Buumlrger-

rechtskaumlmpfer Als Schwarzamerikaner und Baptistenpfarrer setzte er sich fuumlr ge-waltlosen Widerstand ein weshalb er stark bekaumlmpft wurde

b) Bei einem Marsch auf Washington hielt er unter dem Titel bdquoIch habe einen Traumldquo eine vielbeachtete Rede (28 August 1963) Darin hieszlig es u a bdquoIch habe einen Traum dass eines Tages die Soumlhne von fruumlheren Sklaven und die Soumlhne von fruuml-heren Sklavenhaltern miteinander am Tisch der Bruumlderlichkeit sitzen koumlnnen [hellip] dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden Erst wenn dies wahr ist wird Amerika eine groszlige Nation seinldquo

c) Ermutigt wurde MLK u a durch die Amerikanische Unabhaumlngigkeitserklaumlrung von 1776 in der die individuellen Rechte auf Leben Freiheit und das Streben nach Gluumlck sowie eine demokratische Verfassung allen Buumlrgerinnen und Buumlrgern zuge-sichert werden

d) Anlaumlsse fuumlr seine Rede waren die taumlglichen Buumlrgerrechtsverletzungen (Rassendis-kriminierung extreme soziale Benachteiligungen Chancenungleichheit)

e) MLK hat nicht erlebt dass sein Traum wahr geworden waumlre Er wurde nach meh-reren fehlgeschlagenen Anschlaumlgen 1968 ermordet

25 Waldis 2013

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 167

Lernaufgabea) Organisiert euch in Gruppen und besorgt euch einen Zugang zum Internet ggf

um weitere Informationen zu erhaltenb) Welche einfl ussreichen Personen oder Organisationen arbeiten seit MLK an der

Verwirklichung seines Traums ndash welche (eher) dagegen c) Inwiefern haumltte heute (ein neuer) MLK Anlass uumlber einen Traum zu sprechend) Vergleicht die Situation in Europa und den USAe) Inwieweit ihr zu Einigungen gekommen seid inwieweit nicht

Mit den im Text eingestreuten und den abschlieszligenden Beispielen sollte gezeigt wer-den welches Potenzial in Lernaufgaben im Unterricht quer durch alle Altersstufen und Schultypen steckt aber auch welche Herausforderungen sie fuumlr die Lehrerschaft und die Bildungspolitik enthalten

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Claudia Schreiner und Simone Breit

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung Instrumente paumldagogischer Diagnostik im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen und schulpraktischen Anspruumlchen

Der Einsatz paumldagogischer Diagnostik durch Lehrkraumlft e verfolgt in der Regel das Ziel den Unterricht auf die jeweils aktuellen Kompetenzen der Schuumllerinnen moumlglichst treff sicher abstimmen zu koumlnnen Daraus erwachsen unterschiedliche praktische He-rausforderungen die zum einen mit den Instrumenten und Methoden der paumldagogi-schen Diagnostik zu tun haben weiters mit der Verarbeitung des Feedbacks daraus und zum anderen mit der Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse im Unterricht Auf einer anderen Ebene koumlnnen allerdings noch andere Arten von Herausforde-rungen festgemacht werden Diese entstehen vorrangig aus der Verschraumlnkung und Abgrenzung der Rollen der verschiedenen Akteure und betreff en insbesondere die Schnittstellen Wissenschaft ndash Lehrende sowie Lehrende ndash Lernende

Es erscheint grundsaumltzlich sinnvoll eff ektiv und effi zient dass Instrumente fuumlr eine eher formale Form der paumldagogischen Diagnostik von der Wissenschaft entwickelt werden und Lehrenden im Feld zur Verfuumlgung stehen Dadurch entsteht (uumlber die Einbeziehung von Praktikerinnen und Praktikern in die Entwicklung und Erprobung hinaus) eine explizite Schnittstelle zwischen der Wissenschaft und der Praxis und es bedarf bestimmter Transferprozesse um zwischen diesen beiden Welten zu vermit-teln Wo hier jeweils die Grenzen gezogen werden und bei welcher dieser beiden Ak-teursgruppen die professionelle Verantwortung fuumlr welche Teilprozesse verankert wird hat Auswirkungen auf die Handlungsmoumlglichkeiten und das Rollenverstaumlndnis der verschiedenen Beteiligten und beeinfl usst diesen Transferprozess Die Gratwande-rung zwischen der Unterstuumltzung der Praxis durch Instrumente aus der Wissenschaft auf der einen Seite und der Selbstbestimmtheit des Handelns und damit verbundener Verantwortungsuumlbernahme fuumlr das eigene Handeln durch die Lehrkraumlft e auf der ande-ren Seite wird im vorliegenden Beitrag anhand einiger Instrumente aus dem Bereich der paumldagogischen Diagnostik diskutiert

Claudia Schreiner und Simone Breit 172

1 Ausgangspunkt Heterogenitaumlt

Wie sich die Sicht auf Vielfalt im Klassenzimmer im Lauf der Zeit gewandelt hat be-schreibt z B Sliwka (2010) So ging die Diskussion im deutschsprachigen Raum lan-ge von der Annahme aus durch verschiedene Maszlignahmen der Struktur und Organi-sation von Schule homogene Lerngruppen schaff en zu muumlssen und zu koumlnnen (z B Reh 2005) Moumlglichst homogene Gruppen zu schaff en entspricht der bdquotradierte[n] Sicht auf Vielfalt im dt Schulsystemldquo (Fischer Rott amp Veber 2014 S 22) Dies wur-de durch das Paradigma der Heterogenitaumlt (Sliwka 2010) abgeloumlst in dem die Unter-schiedlichkeit von Schuumllerinnen und Schuumllern innerhalb von Schulen und Klassen erkannt und anerkannt wird Praumlgend ist die Wahrnehmung der Heterogenitaumlt als He-rausforderung an Schule und Unterricht Stellvertretend sei Burkhard Jungkamps Be-schreibung im Vorwort zu Vock und Gronostaj (2017) angefuumlhrt bdquoHeterogenitaumlt ist beides Realitaumlt in Schulen und Klassenzimmern sowie Herausforderung fuumlr das schu-lische Lernen die Unterrichtsgestaltung und die Organisationsform von Lerngruppenldquo (S 5) Nun postuliert Sliwka als naumlchste ndash anzustrebende ndash Stufe die Wahrnehmung von Vielfalt als Chance und Bereicherung (Sliwka 2010 S 213 f) in der Diversitaumlt ge-nutzt wird um voneinander und miteinander zu lernen und damit eine positive Sicht auf die Unterschiedlichkeit von Schuumllerinnen und Schuumllern vorherrscht So liest man im Vorwort von Ute Erdsiek-Rave zu Fischer (2014) von einer bdquoSchule die Unter-schiedlichkeit und Heterogenitaumlt als Chance begreift die unter Bildungsgerechtigkeit auch die Verantwortung versteht jedem einzelnen Kind gerecht zu werdenldquo (S 5)

Unterschiedlichkeit ist daruumlber hinaus nicht nur zwischen Schuumllerinnen und Schuuml-lern innerhalb von Klassen oder Lerngruppen zu beobachten auch jedes individu-elle Kind besitzt bdquoeine Vielzahl praumlgender Diversitaumltsdimensionenldquo (Fischer 2014 S 11) Diese beeinfl ussen auch die individuelle Wahrnehmung und damit das Lernen So formuliert Reusser (2006) als eine der Leitfragen im Rahmen konstruktivistischen Stoff verstaumlndnisses bdquoBleibt die Perspektivitaumlt von Wissen gewahrt bzw das Bewusst-sein erhalten dass Erkennen nie voumlllig voraussetzungsfrei ist und keine zwei Schuumller je eine voumlllig identische Sicht auf eine scheinbar gleiche Unterrichtssituation habenldquo (S 162)

In Bezug auf den Blick auf Diversitaumlt innerhalb von Lerngruppen liegen aus den oumlsterreichischen Standarduumlberpruumlfungen fuumlr Mathematik (Schreiner amp Breit 2012 2014a Schreiner Breit Pointinger Pacher Neubacher amp Wiesner 2018) sowie ver-schiedene Kompetenzbereiche aus dem Fach Deutsch fuumlr die 4 und 8 Schulstu-fe (Breit Bruneforth amp Schreiner 2016 2017) sowie fuumlr Englisch fuumlr das Ende der 8 Schulstufe (Schreiner amp Breit 2014b) Daten vor mit denen zum einen bdquodas viel-leicht auff aumllligste Merkmal von Heterogenitaumlt im Klassenzimmerldquo (Scharenberg 2012 S 246) die Leistungsheterogenitaumlt beschrieben werden kann Sie sind jeweils eine Momentaufnahme zu einem spezifi schen Zeitpunkt und somit beispielhaft fuumlr die Situation in einer Klasse fuumlr Lehrerin und Schuumllerinnen Daruumlber hinaus kann das Konzept der Heterogenitaumlt zum anderen aber auch in Bezug auf Kontextmerk-male der Schuumllerinnen und Schuumller operationalisiert werden zum Beispiel nach Erst-sprache Migrationshintergrund Herkunft sland Sozialstatus oder Bildung der Eltern

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 173

Eine dritte Ebene Vielfalt im Klassenzimmer zu fassen sind grundsaumltzlich nicht nur kognitive sondern im Besonderen auch motivationale emotionale und volitionale Merkmale Erste Analysen zeigen eine immense Vielfalt nach allen drei angesproche-nen Merkmalsgruppen innerhalb von Klassen bzw Unterrichtsgruppen (Schreiner amp Wiesner 2019) So erstrecken sich die Kompetenzen von Schuumllerinnen und Schuumllern innerhalb einer Klasse bzw Unterrichtsgruppe in Mathematik i d R uumlber mehre-re Lernjahre Fuumlr die mittleren 75 einer Klasse betraumlgt die mittlere Leistungsspan-ne 184 Punkte (wobei zumindest in der Mitte der Skala ein Lernjahr mit 35ndash45 Punk-ten zu beziff ern ist) Bei dieser Leistungsspanne uumlber mehr als 4 Lernjahre sind die leistungsschwaumlchsten und die leistungsstaumlrksten Schuumllerinnen nicht inbegriff en Je-weils 125 der Leistungen innerhalb der Klasse liegen uumlber und unter diesem Wer-tebereich Diverse Zusammensetzungen sind auszligerdem in Bezug auf emotionale und motivationale Merkmale wie Freude am Fach fachbezogenes Selbstkonzept Wohlbe-fi nden in der Schule und Klasse sowie Herkunft smerkmale etwa den Migrationshin-tergrund den sozialen Status der Familie oder den Bildungshintergrund der Eltern der Normalfall innerhalb von oumlsterreichischen Schulklassen ndash sowohl in der Volks-schule als auch in der Sekundarstufe I (Schreiner amp Wiesner 2019)

Eine positive Sicht auf die Unterschiedlichkeit von Menschen eroumlff net diverse Moumlglichkeiten und Chancen und kann eine wesentliche Grundlage fuumlr unterrichtli-che Konzepte und Herangehensweisen an Lehren und Lernen darstellen Nichtsdes-totrotz darf dabei nicht uumlbersehen werden dass der Umgang mit Heterogenitaumlt mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen Lernverlaumlufen Lerngeschwindigkeiten hohe Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer stellt So meint dazu zum Beispiel Reus-ser (2015) vor dem Hintergrund empirischer Daten zu Leistungsheterogenitaumlt einiger Klassen bdquo[es] duumlrft e intuitiv klar sein vor welche gewaltigen Probleme die Leistungs-heterogenitaumlt die Lehrkraumlft e in leistungsmaumlszligig ungeteilten Klassen stellteldquo (S 12) Der Wissenschaft kommt dabei eine wichtige unterstuumltzende Rolle zu um die An-forderungen an Lehrpersonen bewaumlltigbar(er) zu machen ndash zum Beispiel in der Er-forschung gelingender Arrangements und Settings fuumlr ein die Unterschiedlichkeit der Lernenden beruumlcksichtigendes selbstbestimmtes Lernen oder in der Entwicklung von Instrumenten

2 Paumldagogische Diagnostik als Grundlage zielgerichteten Lernens

In der Schule spielt der Umgang mit Heterogenitaumlt in Lernvoraussetzungen und Lern-entwicklung eine zentrale Rolle (z B Juumlrgens amp Lissmann 2015 S 17) Die paumldago-gische Diagnostik dient zur laufenden Erhebung des Lernstands von Lernfortschrit-ten der Lernentwicklung der individuellen Lernenden um auf diesen Informationen und Erkenntnissen aufb auend die jeweils naumlchsten kuumlnft igen Lernschritte planen zu koumlnnen

Informationen zu sammeln die im Sinne von Feedback einen Lernprozess unter-stuumltzen koumlnnen ist integraler Bestandteil zielgerichteten Lehrens und Lernens im Sin-ne paumldagogischer Diagnostik Dies umfasst mehr und weniger formelle mehr und we-

Claudia Schreiner und Simone Breit 174

niger geplante mehr und weniger bewusste Prozesse aufseiten der Lehrenden aber auch der Lernenden

Ingenkamp und Lissmann (2008) nennen als Hauptaufgabe der paumldagogischen Diagnostik bdquofuumlr den Lernenden richtige Entscheidungen zu treff enldquo (S 14) welche sich auf bdquoFoumlrderungs- Platzierungs- und Selektionsmaszlignahmenldquo beziehen Sie folgt dem Optimierungsgrundsatz und verwendet wissenschaft liche Methoden (ebd) Im deutschen Sprachraum wird haumlufi g auf die von Ingenkamp (1985) grundgelegte Defi -nition paumldagogischer Diagnostik Bezug genommen Sie lautet in der letzten Fassung

Paumldagogische Diagnostik umfasst alle diagnostischen Taumltigkeiten durch die bei einzelnen Lernenden und den in einer Gruppe Lernenden Voraussetzun-gen und Bedingungen planmaumlszligiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt Lern-prozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden um individuel-les Lernen zu optimieren Zur Paumldagogischen Diagnostik gehoumlren ferner die diagnostischen Taumltigkeiten die die Zuweisung zu Lerngruppen oder zu indi-viduellen Foumlrderungsprogrammen ermoumlglichen sowie die mehr gesellschaft -lich verankerten Aufgaben der Steuerung des Bildungsnachwuchses oder der Erteilung von Qualifi kationen zum Ziel haben (Ingenkamp amp Lissmann 2008 S 13)

Die aus dem englischsprachigen Raum kommenden Konzepte der bdquoformative evaluationldquo (Scriven 1967) sowie des bdquoclassroom assessmentldquo (Bloom 1969) das neben der Dokumentation des Lernfortschritts im Kontext seiner Th eorie des zieler-reichenden Lernens (bdquomastery learningldquo) vor allem dazu beitragen soll den Prozess zu foumlrdern und das Lernen zu verbessern sind relevante Grundlagen Black amp Wil-liam (1998) versuchten in der Metastudie bdquoInside the Black Boxldquo die positiven Aus-wirkungen von bdquoformative assessmentldquo zu belegen welchem sie folgende Defi nition zugrunde legen

We use the general term assessment to refer to all those activities undertak-en by teachers ndash and by their students in assessing themselves ndash that provide information to be used as feedback to modify teaching and learning activ-ities Such assessment becomes formative assessment when the evidence is actually used to adapt the teaching to meet student needs (S 140)

Durch bdquoformative assessmentldquo soll ermoumlglicht werden dass Schuumllerinnen ihre Lern-prozesse so selbststaumlndig wie moumlglich steuern koumlnnen Fuumlr die positive Wirkung von Feedback spielt in diesem Kontext eine wichtige Rolle dass dadurch Informatio-nen entstehen die den aktuellen Lernstand mit dem Lernziel in Verbindung bringen und damit nicht nur Ruumlckmeldung uumlber den vergangenen Lernprozess geben son-dern auch eine vorwaumlrtsgerichtete Komponente aufweisen (z B Hattie amp Timper-ley 2007 S 90) Der von Broadfoot Daugherty Gardner Harlen James und Stobart (2002) verwendete Begriff des bdquoassessment for learningldquo hebt den Zweck paumldagogi-scher Diagnostik im Sinne einer Entwicklungsorientierung besonders deutlich her-vor Im Zentrum des Interesses steht hier paumldagogische Diagnostik mit dem Zweck der Optimierung des Lernens aus der Defi nition von Ingenkamp amp Lissmann (2008)

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 175

und nicht die gesellschaft lich verankerten Aufgaben paumldagogischer Diagnostik als Ba-sis fuumlr Selektion und Allokation Diese Perspektive praumlgt auch die weiteren Uumlberle-gungen und war leitend fuumlr die Entwicklung und Bearbeitung der in Folge vorgestell-ten Instrumente

3 Instrumente aus der Wissenschaft und ihre Verwendung in der paumldagogischen Praxis

Im Folgenden stellen wir einige Instrumente aus der paumldagogischen Praxis vor mit deren Entwicklung oder Weiterentwicklung das BIFIE (Bundesinstitut fuumlr Bildungs-forschung Innovation und Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens) als wis-senschaft liche Einrichtung befasst war bzw ist Diese dienen vor allem dazu exem-plarisch einige kritische Punkte herauszuarbeiten und zu diskutieren die sich an der Schnittstelle Wissenschaft ndash Praxis ergeben Dazu stellen wir das Instrument jeweils kurz vor beschreiben seinen Aufb au die intendierte Nutzung und beleuchten die ent-stehende Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Schulpraxis

31 Informelle Kompetenzmessung (IKM)

Grundkonzeption und ZweckDie Informelle Kompetenzmessung (IKM) basiert auf den Kompetenzmodellen und Deskriptoren der Bildungsstandards und ist ein Instrument zur Selbstevaluierung fuumlr Lehrerinnen und Lehrer IKM bietet Lehrpersonen die Moumlglichkeit den Lernstand ihrer Klasse und einzelner Schuumllerinnen festzustellen Die automatisch generierten Ruumlckmeldungen koumlnnen zur Evaluierung und Weiterentwicklung des eigenen Unter-richts sowie als Grundlage der Foumlrderung von Schuumllerinnen und Schuumllern verwendet werden Vorrangiger Zweck der IKM ist zur erfolgreichen Planung und Gestaltung eines kompetenzorientierten Unterrichts beizutragen Die daruumlber hinaus verfuumlgbaren Individualruumlckmeldungen geben Aufschluss uumlber bereits erworbene Kompetenzen je-der einzelnen Schuumllerinjedes einzelnen Schuumllers und unterstuumltzen Lehrpersonen auf diese Weise bei der Ermittlung individuellen Foumlrderbedarfs (Schreiner et al 2018) Im Sinne der Grundkonzeption der IKM als Selbstevaluierungsinstrument ist es aus-schlieszliglich der durchfuumlhrenden Lehrperson moumlglich die Ergebnisse der IKM einzel-nen Schuumllerinnen und Schuumllern zuzuordnen (Wiesner Pacher George Breit amp Schrei-ner 2017)

Die IKM wird fuumlr verschiedene Kompetenzbereiche bzw Faumlcher in der Volksschu-le Sekundarstufe 1 und Sekundarstufe 2 angeboten Konkret gibt es Aufgabenpakete fuumlr die 3 Schulstufe fuumlr Mathematik sowie Deutsch (Lesen Sprachbetrachtung Ver-fassen von Texten) fuumlr den Beginn der 5 Schulstufe (Mathematik) fuumlr die 6 und 7 Schulstufe fuumlr Mathematik Englisch (Reading und Listening) sowie Deutsch (Lesen Sprachbetrachtung) fuumlr die 8 Schulstufe fuumlr Naturwissenschaft (Physik Chemie Bio-logie) und den Beginn der 9 Schulstufe (Mathematik Englisch Deutsch) Waumlhrend

Claudia Schreiner und Simone Breit 176

den Schuumllerinnen und Schuumllern in der Volksschule Aufgabenheft e in gedruckter Form vorgelegt werden erfolgt die Bearbeitung der Aufgaben in der Sekundarstufe im Rah-men einer Online-Plattform uumlber die die Lehrerinnen ndash in der Volksschule wie im Sekundarbereich ndash nach Abschluss der Messung automationsgestuumltzt auch Ergebnisse und Feedback zu den von ihnen betreuten Gruppen und SchuumllerinnenSchuumllern abru-fen koumlnnen (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumls-terreichischen Schulwesens 2018a)

Intendierte NutzungDie Ergebnisse der IKM koumlnnen auf drei Ebenen betrachtet analysiert und refl ektiert werden Dabei ist eine genaue Identifi zierung von Staumlrken und Schwaumlchen Ressour-cen und Potenzialen wesentliche Voraussetzung fuumlr eine zielgerichtete Unterrichts-entwicklung und die Ableitung erfolgversprechender Maszlignahmen (Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner 2018)bull Makro-Ebene ndash Fokussierung auf Kompetenzfelder und Teilkompetenzen Das Grup-

penfeedback bietet Ruumlckmeldung uumlber alle Aufgaben und Schuumllerinnen hinweg und dient der Refl exion von Schwerpunktsetzungen im Unterricht und der damit einhergehenden Struktur des Unterrichts

bull Meso-Ebene ndash Fokussierung auf Aufgaben Das IKM-Feedback beinhaltet geloumls-tenicht geloumlste Aufgaben sowie deren Schwierigkeit und Komplexitaumlt je Kompe-tenzfeld Das Gruppenfeedback dient einerseits der Refl exion des eigenen unter-richtlichen Handelns und ermoumlglicht andererseits eine fachdidaktische Analyse der Aufgaben uumlber die Klasse bzw Unterrichtsgruppe hinweg Auszligerdem beinhaltet das IKM-Feedback Aufgabenloumlsungen fuumlr jede einzelne Schuumllerinjeden einzelnen Schuumller im Hinblick auf eine personalisierte paumldagogische Diagnose

bull Mikro-Ebene ndash Fokussierung auf Ebene der Schuumllerinnen Auf dieser Ebene werden erworbene Kompetenzen in bestimmten Feldern und geloumlstenicht geloumlste Aufga-ben auf Schuumllerebene als Individualfeedback zur Foumlrderung von Lernenden und zur Professionalisierung im Bereich der paumldagogischen Diagnostik beleuchtet

Ziel ist bei der Auseinandersetzung Analyse und Interpretation der Ergebnisse auf Makro- und Meso-Ebene nicht auf den Foumlrderbedarf von einzelnen Schuumllerinnen und Schuumllern zu fokussieren sondern dem Zyklus der evidenzorientierten Unterrichts-entwicklung entsprechend systemisch integrativ und systematisch den Blick auf den Stand der erworbenen Kompetenzfelder der Klasse bzw Lerngruppe und der geloumls-tennicht geloumlsten Aufgaben zu richten Erst in einem dritten Schritt sollte das Augen-merk auf die Analyse des Foumlrderbedarfs einzelner Schuumllerinnen gelegt werden (Wies-ner et al 2018)

Schnittstelle zur SchulpraxisAus der schulischen Praxis ergeben sich drei groszlige Diskussionsfelder was den Ein-satz der IKM im Unterricht betrifft Das sind zum einen sehr pragmatische Aspek-te des Aufwands oder der erforderlichen technischen Ausstattung Weiters sind die Nutzungsmoumlglichkeiten der IKM mannigfaltig und kommen in dieser Vielfalt der in-

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 177

tendierten Nutzung manchmal naumlher und manchmal weniger nah Zum anderen er-gibt sich aus der Interpretation der Ergebnisse und Ableitungen daraus eine brisante Schnittstelle zur Praxis

Grundsaumltzlich wurde bei der Entwicklung der IKM versucht den Zeit- und Or-ganisationsaufwand aufseiten der Schulen und Lehrkraumlft e moumlglichst gering zu halten Allerdings ergibt sich auf der einen Seite durch die Anforderungen die mithilfe von oumlff entlichen Geldern erstellten Instrumente fuumlr den schulischen Gebrauch zu schuumlt-zen die Notwendigkeit der Einbeziehung der Schulleiterinnen in die Verwaltung der Nutzerinnen Zum anderen wurde bei der Laumlnge der einzelnen Pakete sehr auf den schulischen Ablauf geachtet und eine Schulstunde als absolutes Maximum fuumlr die Be-arbeitungsdauer eines Pakets (inkl Anleitung etc) festgelegt Daraus ergeben sich na-tuumlrlich Konsequenzen fuumlr die erreichbare Praumlzision der Messung (siehe unten) Der mit der Vorbereitung und Durchfuumlhrung von IKM verbundene Aufwand fuumlr Schu-len und Lehrerinnen ist in der Volksschule etwas houmlher als in der Sekundarstufe Da in der Volksschule gedruckte Testheft e zum Einsatz kommen ist eine Bestellung der Pakete vorweg erforderlich und die Schuumllerantworten bzw deren Bewertung muss von der Lehrerin oder dem Lehrer in die Plattform eingegeben werden damit in die-ser entsprechend systematisch aufb ereitete Ruumlckmeldungen generiert werden koumlnnen In der Sekundarstufe wo IKM als Onlineinstrument angeboten wird entfaumlllt Bestel-lung und Uumlbertragung der Schuumllerantworten allerdings stellen die Anforderungen an Computerausstattung und Internetanbindung sowie die Organisation und Vorberei-tung der Durchfuumlhrung im Computerraum fuumlr manche Schulen bzw Lehrkraumlft e eine gewisse Herausforderung dar

Zur Art der Nutzung der IKM zeigen Ergebnisse aus der Begleitforschung zum Einsatz der IKM (Kemethofer Gugerell Hafner Breit amp Pacher 2018 S 500 ff ) dass in vielen Faumlllen intendierte und tatsaumlchliche Nutzung groszlige Uumlberschneidung auf-weisen So wird als Motivation die IKM einzusetzen vorrangig die Feststellung des Lernstands der Klasse genannt (uumlber 80 ) Bei der Nutzung des Feedbacks messen Lehrerinnen v a der Selbstrefl exion uumlber das Gelingen von Lehr- und Lernprozes-sen der Einschaumltzung des Lernstands der Klasse und der Verwendung als Kompe-tenzdiagnostik zur Unterstuumltzung bei der Planung und Gestaltung des Unterrichts hohe Bedeutung bei Konsequenzen in Bezug auf den Unterricht berichten Lehrerin-nen vor allem in Bezug auf eine staumlrkere Konzentration auf die Kompetenzen die in den Bildungsstandards beschrieben sind sowie auf uumlbergreifende Kompetenzen Da-bei kommt einem selbstbestimmten Einsatz der IKM eine wichtige Rolle zu Insbe-sondere werden IKM-Ergebnisse deutlich haumlufi ger als Basis fuumlr Selbstrefl exionsprozes-se und die Einschaumltzung des Lernstands genutzt wenn IKM auf eigenen Wunsch der Lehrkraft eingesetzt wurde

Die IKM wird aber auch fuumlr Zwecke verwendet die nicht der unmittelbaren Inten-tion der Entwicklerinnen entspricht etwa als Orientierungshilfe fuumlr zukuumlnft ige Uumlber-pruumlfungen z B in Bezug auf Formate und Testerfahrung oder um die Leistungsbe-urteilung gerechter zu machen Die ebenso weniger intentionsnahen Verwendungen als Unterrichtsaufgaben oder Hausuumlbung werden in der Befragung nur selten genannt (Kemethofer et al 2018 S 501)

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Als drittes Diskussionsfeld ergibt sich das Spannungsverhaumlltnis zwischen dem was die IKM ndash auch unter den durch die Rahmenbedingungen von Schule und Unterricht bestimmten Bedingungen ndash leisten kann und dem was sich Lehrerinnen wuumlnschen aus den Ergebnissen ableiten zu koumlnnen So ergibt etwa die Anforderung an die IKM die Dauer einer typischen Unterrichtseinheit nicht zu uumlberschreiten eine entsprechen-de Restriktion in Bezug auf die moumlgliche Anzahl an Aufgaben eines Pakets Je besser die Ergebnisse aber diff erenziert werden koumlnnen ndash etwa nach Handlungs- und Inhalts-bereichen in Mathematik oder spezifi schen Strategien des Leseverstaumlndnisses ndash des-to besser nutzbar sind diese fuumlr die Weiterarbeit Insbesondere in Bezug auf den Lern-stand einzelner Schuumllerinnen ist die Praumlzision der Messung insgesamt und verstaumlrkt fuumlr Subbereiche des jeweiligen Tests aufgrund der eingeschraumlnkten Testzeit allerdings relativ gering Bei unrefl ektiertem Einsatz besteht demnach die Gefahr der Uumlberinter-pretation von Ergebnissen

Gleichzeitig sind die Testerstellerinnen bemuumlht die IKM moumlglichst gut nutzbar zu machen Nachdem eine Erhoumlhung der Messpraumlzision unter den derzeit akzeptierten Rahmenbedingungen nur sehr eingeschraumlnkt moumlglich ist wird versucht die Interpre-tation der Ergebnisse insbesondere durch fachdidaktische Hinweise und Anregungen und eine Fokussierung auf die Aufgaben zu unterstuumltzen

32 USB PluS Sprachstandsfeststellung in der Volksschule

Grundkonzeption und ZweckUSB PluS (Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung Profi lanalysen und Sprachfoumlrderung) ist ein systematisches Verfahren zur Feststellung der muumlndlichen Sprachkompetenz von Schuumllerinnen und Schuumllern der Grundstufe 1 Ergebnis ist je-weils ein (computergestuumltzt erstelltes) Kompetenzprofi l hinsichtlich pragmatischer morphosyntaktischer und lexikalischer Indikatoren das sowohl fuumlr jedes Kind sowie fuumlr die KlasseGruppe generiert wird Das Sprachstandsfeststellungsinstrument wird ergaumlnzt durch konkrete Anregungen und Materialien zur Sprachbildung und -foumlrde-rung die auf die Sprachprofi le Bezug nehmen

USB PluS ist als Profi lanalyse konzipiert und wurde fuumlr den Einsatz in der Mitte des ersten Schuljahrs und gegen Ende des zweiten Schuljahrs entwickelt USB PluS ist universell einsetzbar sowohl fuumlr ein- als auch fuumlr mehrsprachige Kinder die als or-dentliche1 Schuumllerinnen gefuumlhrt werden

Die gesprochene Sprache des Kindes wird mithilfe einer Fingerpuppe in Form eines Dachses und von eigens entwickelten Bilderbuumlchern die Th emen aus der Erleb-niswelt von Kindern umfassen elizitiert und auf Tonband aufgezeichnet Die Auswer-tung erfolgt auf der Basis einer Transkription Dazu fuumlhrt das USB-PluS-Tool Schritt fuumlr Schritt durch die Analyse der erhobenen sprachlichen Aumluszligerungen und generiert Kompetenzprofi le fuumlr einzelne Schuumllerinnen Unterrichtsgruppen oder Klassen Da-

1 Das Instrument ist nicht fuumlr Kinder mit Deutsch als Zweitsprache die wie es im Gesetz heiszligt aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse dem Unterricht nicht folgen koumlnnen (sect 4 Abs 2 und 3 SchUG) und damit als auszligerordentliche Schuumllerinnen gefuumlhrt werden konzipiert

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 179

ruumlber hinaus kann ein Verlaufsprofi l erstellt werden das Aufschluss uumlber die Entwick-lung der muumlndlichen Sprachkompetenz zwischen den beiden Erhebungen gibt Das Instrument ist ausdruumlcklich als foumlrderdiagnostisches Instrument konzipiert Die Kom-petenzprofi le bilden gleichzeitig die Schnittstelle zu Empfehlungen und Materialien zur Sprachbildung und -foumlrderung die auf Basis der Ergebnisse bereitgestellt werden (Grammel amp Freunberger 2017)

Intendierte NutzungUSB PluS ist als foumlrderdiagnostisches Instrument entwickelt worden und wurde im August 2017 allen Volksschulen als Materialkoff er zur Verfuumlgung gestellt Es ist fuumlr die Anwendung durch die jeweiligen Klassenlehrerinnen mit Schuumllerinnen und Schuumllern der Vorschulstufe sowie der ersten und zweiten Schulstufe konzipiert und soll einen Einblick in die muumlndliche Deutschkompetenz aller Schuumllerinnen einer Klasse unab-haumlngig von deren sprachlichem Hintergrund ermoumlglichen Der Anwendungszeitraum in den ersten beiden Schulbesuchsjahren richtet den Fokus auf den Erwerb der Bil-dungssprache Diagnostik von Sprachentwicklungsstoumlrungen ist mit USB PluS grund-saumltzlich nicht intendiert (Grammel amp Freunberger 2017 Zauner 2016)

Die Validierung zeigt dass USB PluS sowohl lexikalische als auch strukturel-le Veraumlnderungen im Sprachgebrauch von Kindern der Grundstufe I abbilden kann da sich die Schuumllerinnen der untersuchten Schulstufen in allen Bereichen hinsicht-lich ihrer Kompetenzen unterscheiden (Freunberger amp Breit 2018) Zur Interpreta-tion der Ergebnisse aus USB PluS stehen den Nutzerinnen und Nutzern Referenzpro-fi le zur Verfuumlgung die auf Basis von Pilotierungsergebnissen ermittelt wurden und eine Einteilung in jeweils fuumlnf Entwicklungsbereiche je Indikator auf Basis der Popu-lationsverteilung vornehmen (Freunberger 2018) Mit den Kompetenzprofi len werden Foumlrderanregungen und Materialempfehlungen verbunden

Schnittstelle zur SchulpraxisVon der wissenschaft lichen Entwicklungsgruppe wird sowohl das Erhebungsmate-rial ein kindgerechtes praxistaugliches Erhebungssetting als auch ein Tool zur com-putergestuumltzten Schritt-fuumlr-Schritt-Auswertung der sprachlichen Aumluszligerungen des Kin-des bereitgestellt Daruumlber hinaus werden auch die Interpretation der Ergebnisse und konkrete Schlussfolgerungen in Bezug auf naumlchste Foumlrderschritte in den Blick genom-men und Anregungen fuumlr Foumlrderung sowie Empfehlungen fuumlr Materialien aufb auend auf dem jeweiligen Kompetenzprofi l bereitgestellt Bei USB PluS ist deutlich das Be-streben der Entwicklerinnen zu spuumlren Lehrkraumlft e moumlglichst gut in ihrer Arbeit zu unterstuumltzen Neben der linguistischen Fundierung des Instruments spielte die Pra-xistauglichkeit bei der Entwicklung eine groszlige Rolle Mit der Entwicklung von Foumlr-derempfehlungen die in direktem Bezug zu den Kompetenzprofi len als Ergebnis des diagnostischen Instruments stehen geht das Projekt weiter als viele andere aumlhnlich ge-lagerte Arbeiten (vgl auch Zauner 2016)

Trotzdem ergab sich eine Notwendigkeit fuumlr Schulungsangebote (Grammel amp Freunberger 2017) Vom AutorinnenteamAutorenteam wurden MultiplikatorinnenMultiplikatoren an den Paumldagogischen Hochschulen ausgebildet die wiederum Schu-

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lungen fuumlr Lehrerinnen anbieten Diese werden vorbereitend durch einen Onlinekurs zu linguistischen Grundlagen und den drei Teilen des Instrumenteneinsatzes ndash Vor-bereitung und Durchfuumlhrung Transkription und Auswertung Informationen zu den Profi len ndash unterstuumltzt (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwick-lung des oumlsterreichischen Schulwesens 2017) Eine besondere Herausforderung liegt bei USB PluS im Anspruch ein Instrument fuumlr Volksschullehrerinnen und nicht fuumlr speziell geschulte Sprachfoumlrderlehrpersonen anzubieten Um die erforderlichen lin-guistischen Grundlagen auch eigenverantwortlich auff rischen zu koumlnnen wurde der USB-PluS-Vorkurs (Freunberger 2017) zur Verfuumlgung gestellt

Dennoch bleiben groumlszligere Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit ndash in Bezug auf linguistische und foumlrderdiagnostische Kompetenz der Lehrkraumlft e ndash be-stehen Auszligerdem stellen organisatorisch-zeitliche Komponenten viele Klassenlehre-rinnen vor eine Herausforderung Die Erhebung dauert pro Kind zwar nur etwa 10 Minuten waumlhrend der Durchfuumlhrung bedarf es allerdings einer zweiten Lehrperson die die Klasse fuumlhrt und beaufsichtigt Auch die computergestuumltzte Auswertung die aufgrund der Teilautomatisierung entlasten sollte beansprucht je nach Routine bis zu 30 Minuten sodass Aufwand und Nutzen ndash vor allem bei einem etwaigen verpfl ich-tenden fl aumlchendeckenden Einsatz ndash kritisch beleuchtet werden

33 USB DaZ Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache

Grundkonzeption und ZweckIm Auft rag des Bildungsministeriums wurde von der Universitaumlt Wien das Instru-ment Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung ndash Deutsch als Zweitsprache (kurz USB DaZ) entwickelt und 2014 veroumlff entlicht Es handelt sich dabei um ein Diagnose-instrument zur Feststellung sprachlicher Faumlhigkeiten von Schuumllerinnen und Schuumllern mit Deutsch als Zweitsprache mit dem die Aneignung des Deutschen als Zweitspra-che von Kindern uumlber mehrere Jahre hinweg individualdiagnostisch begleitet wer-den kann Der Einsatz von USB DaZ ist sowohl fuumlr den Regelunterricht als auch fuumlr DaZ-Foumlrdermaszlignahmen vorgesehen (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innova-tion amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens 2018b Bundesministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft und Forschung 2018)

USB DaZ ist als in den Unterricht zu integrierendes Beobachtungsverfahren ange-legt Im Zentrum steht damit die Beobachtung des freien Sprechens und Schreibens Der Beobachtung und Dokumentation liegen ein Beobachtungsbogen (Froumlhlich Doumlll amp Dirim 2014a) in Bezug auf verschiedene Dimensionen und ein zugehoumlriger Ergeb-nisdokumentationsbogen (Froumlhlich Doumlll amp Dirim 2014b) zugrunde

USB DaZ steht seit 2014 Lehrerinnen und Lehrern in Oumlsterreich zur struktu-rierten Beobachtung der Sprachaneignung von Zweitsprachlernerinnen und Zweit-sprachlernern zur Verfuumlgung 2016 wurde der Einsatz von standardisierten foumlrderdia-gnostischen Verfahren im Rahmen der Sprachfoumlrderkurse bzw Sprachstartgruppen

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 181

gesetzlich verbindlich und der Einsatz von USB DaZ dafuumlr vom Bildungsministerium empfohlen (Fast-Hertlein 2018a)

Intendierte NutzungDer Einsatz von USB DaZ wurde im Rahmen der urspruumlnglichen Entwicklung er-probt (Doumlll amp Heller 2014) und es hat sich gezeigt dass es sich um ein valides und konsistentes Diagnoseinstrument handelt (Doumlll Froumlhlich amp Dirim 2014) USB DaZ ist fuumlr den Einsatz in der 1 bis 7 Schulstufe empfohlen Der Einsatz des Instruments soll der systematischen Beobachtung der Aneignung der deutschen Sprache von Kin-dern in der Primarstufe ndash und daruumlber hinaus ndash dienen um in Kooperation zwischen Klassenlehrerin und Sprachfoumlrderlehrerin Foumlrdermaszlignahmen ableiten zu koumlnnen Es kann als seit 2016 verbindlich einzusetzendes Diagnoseinstrument im Rahmen der Deutschfoumlrderung auszligerordentlicher Schuumllerinnen verwendet werden (wofuumlr es durch das BMBWF auch empfohlen wurde Fast-Hertlein 2018a)

Obwohl Sprachkompetenzdiagnose durch Beobachtung also verlaumlsslich moumlglich ist bringen Umgang mit linguistischer Terminologie und der korrekten Analyse sprachli-cher Strukturen spezifi sche Herausforderungen fuumlr die Anwenderinnen welchen nur durch fundierte Ausbildung und regelmaumlszligige Weiterbildung begegnet werden kann (Doumlll Froumlhlich amp Dirim 2014) Fuumlr solche Lehrzwecke wuumlrde es auch authentisches Audio- und Videomaterial benoumltigen um Sprechperformanzen von L2-Lernenden mit ihren Spezifi ka analysieren zu koumlnnen Schnittstelle zur SchulpraxisBereits in den ersten Praxiserprobungsphasen wurde durch die Autorinnen des Inst-ruments ein hoher Fortbildungsbedarf bei den angesprochenen Lehrpersonen festge-stellt insbesondere in Bezug auf die zugrundliegenden linguistischen Grundbegriff e (Doumlll amp Heller 2014 S 26) Die Verbreitung von USB DaZ war sehr unterschiedlich und stark abhaumlngig von entsprechenden dazugehoumlrigen umfangreichen Schulungsan-geboten (und deren Nutzung) Die Verwendung des Instruments wurde von vielen Lehrkraumlft en als groszlige Herausforderung wahrgenommen und die Schwelle zur gut in-tegrierbaren Nutzung teils als zu hoch bewertet Auf Basis dieser ndash mehr oder we-niger systematischen ndash Beobachtungen wurde das BIFIE durch das Bildungsministe-rium Ende 2016 mit der Erstellung von Begleitmaterialien zu USB DaZ beauft ragt Ziel dieses Auft rags war es die praktische Handhabung des Instruments zu erleichtern und auf Basis der entstehenden Diagnose des jeweiligen Sprachstands konkrete Foumlr-derempfehlungen anzubieten

Eine umfangreiche Analyse von Gelingensbedingungen und Hemmnissen bei der Nutzung von USB Daz identifi zierte insbesondere das gleichzeitige Unterrichten und Beobachten als groszlige Herausforderung aber auch entsprechende Sprechanlaumlsse zu schaff en das Beobachtungsinstrumentarium in das Unterrichtsgeschehen zu integ-rieren Orientierung im komplexen Instrument zu fi nden und sich in den linguisti-schen Fachbegriff en zurechtzufi nden Um Lehrerinnen bei diesen Herausforderungen zu unterstuumltzen wurde ein Leitfaden zur Nutzung von USB DaZ erstellt (Fast-Hert-lein 2018a) der neben Anregungen zum Einstieg in die Anwendung des Beobach-

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tungsverfahrens Hilfestellungen zur Integration in die unterrichtliche Praxis bietet einfache Anleitungen fuumlr die einzelnen sprachlichen Phaumlnomene Beispiele und ihre Umsetzung im Dokumentationsbogen Hilfestellungen zur Ergebnisinterpretation und Foumlrderung sowie eine umfangreiche Literatursammlung fuumlr Foumlrder- bzw Unterrichts-material umfasst Handzettel sollen einen schnellen Uumlberblick bieten sowie die Do-kumentation erster Beobachtungen unterstuumltzen unterschiedliche Formen des Doku-mentationsbogens erleichtern die Handhabung fuumlr jeweils unterschiedliche Anlaumlsse (z B fokussierte Beobachtung eines sprachlichen Phaumlnomens) und ein DaZ-Foumlrder-plan steht als Beispiel zur Verfuumlgung (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innova-tion amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens 2018b)

Daruumlber hinaus wurden konkrete Foumlrderempfehlungen entwickelt die direkt auf die sprachlichen Phaumlnomene und Aneignungsstufen die mit USB DaZ erfasst werden Bezug nehmen (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens 2018b) Ein Handbuch erklaumlrt die Foumlrderanregungen und unterstuumltzt die Umsetzung der Foumlrderempfehlungen im Kontext von Ergebnissen aus USB DaZ im Unterricht mit praktischen Tipps und Informationen zur Sprachfoumlr-derung (Fast-Hertlein 2018b)

Uumlber die Entwicklung eines systematischen Beobachtungsinstruments durch die Wissenschaft und Zurverfuumlgungstellung des Instruments durch die Bildungsadmi-nistration hinaus schien es in Bezug auf USB DaZ noumltig weitere Hilfestellungen zur Uumlberwindung der Kluft zwischen wissenschaft lichem Instrument und paumldagogischer Praxis zu erarbeiten Dies geschah aus wissenschaft licher Perspektive allerdings be-sonders stark verzahnt mit der paumldagogischen Praxis und damit der Perspektive der Anwenderinnen

4 Diagnoseinstrumente von der Wissenschaft fuumlr die paumldagogische Praxis ein Balanceakt in vielerlei Hinsicht

Wissenschaft liche (Praumlzisions-)Anspruumlche vs notwendige Pragmatik in der praktischen AnwendungInstrumente der paumldagogischen Diagnostik sind haumlufi g Produkte der Wissenschaft Vertreterinnen der Wissenschaft sdisziplinen beziehen waumlhrend der Entwicklung zwar vielfach Praktikerinnen ein um eine moumlglichst hohe Passung zwischen Beduumlrfnissen der Praxis und dem Produkt zu erreichen aber dennoch folgen die Instrumente einer wissenschaft lichen Logik Der Anspruch der inhaltlichen wie methodischen Exaktheit konkurriert letzten Endes mit der praktischen Umsetzung Die Implementierung er-folgt stets durch die Praxis mit den ihr eigenen Gesetzmaumlszligigkeiten So unterziehen sich Instrumente der Wissenschaft im Prozess der Nutzung einem Transformations-prozess und die Instrumente werden nicht oder anders genutzt als intendiert

Bei den oben skizzierten Beispielen USB PluS und USB DaZ sind es beispielsweise fachlich-inhaltliche Huumlrden in Form des linguistischen Vokabulars die es zu uumlberwin-den gilt Instrumente muumlssen stets an das Denken und Handeln der Lehrpersonen an-knuumlpfen und dazu braucht es Refl exivitaumlt auf beiden Seiten Wissenschaft liche Praumlzi-

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sionsanspruumlche koumlnnen auch organisatorisch-administrativen Huumlrden entgegenstehen Beispielsweise muss beruumlcksichtigt werden wie viel Zeit Durchfuumlhrung und Auswer-tung in Anspruch nehmen und ob sich die Erhebung im Rahmen des schulorganisa-torisch vorgefertigten Korsetts umsetzen laumlsst (vgl die Probleme bei USB PluS oder die Beschraumlnkung der Testzeit bei IKM) Ein Beispiel dafuumlr wissenschaft lich bewaumlhrte Verfahren unter Mitwirkung von Praktikerinnen und Praktikern im Hinblick auf den Bedarf und die Nutzungsbedingungen zu verbessern wie dies Kammermeyer amp King (2018) vorschlagen stellt die Entwicklung der Begleitmaterialien zu USB DaZ dar

Gretchenfrage der Instrumentenentwicklung Objektiv Reliabel ValideEine Sonderform des Spannungsfelds zwischen wissenschaft lichem Anspruch und notwendiger Pragmatik in der Anwendung betrifft die Guumltekriterien Sie etablieren sich bei der Entwicklung von Instrumenten fuumlr die paumldagogische Diagnostik als Gret-chenfrage Waumlhrend Praktikerinnen vorwiegend die Machbarkeit in den Mittelpunkt des Interesses ruumlcken stehen fuumlr Wissenschaft erinnen die Guumltekriterien an oberster Stelle Es geht um die Fragen ob das Instrument unabhaumlngig vom Anwenderder An-wenderin ist wie groszlig der Messfehler und wie genau damit das Ergebnis ist und ob das Instrumentarium uumlberhaupt das misst was es zu messen vorgibt Kammermeyer und King (2018) schlagen beispielweise vor in der Praxis akzeptierte Verfahren hin-sichtlich der Erfuumlllung der Guumltekriterien weiterzuentwickeln Uumlber die Frage welcher Messfehler toleriert werden kann und was als schlicht inakzeptabel gelten muss sollten Wissenschaft lerinnen und Praktikerinnen gemeinschaft lich beraten

Insgesamt braucht es wechselseitig ein Bewusstsein fuumlr die Rahmenbedingungen und Anforderungen der Wissenschaft und der Praxis So muumlssen Lehrerinnen im Sinne des Guumltekriteriums Objektivitaumlt dafuumlr sensibilisiert werden dass standardisier-te Instruktionen und Prozesse Teil der Durchfuumlhrung sind ohne die eine gewinnbrin-gende Interpretation nicht moumlglich ist auf der anderen Seite braucht es entsprechen-des Bewusstsein der Wissenschaft erinnen fuumlr die Notwendigkeit die Verwendung solcher Instrumente in den Unterricht integrieren zu koumlnnen In Bezug auf die Re-liabilitaumlt ist es erforderlich dass Forscherinnen den Anspruch auf praumlzises Messen an die praktischen Gegebenheiten anpassen Insbesondere bei Messungen auf Indi-vidualebene stellen sich hier groszlige Herausforderungen Hochrechnungen auf Ba-sis der Daten der oumlsterreichischen Standarduumlberpruumlfungen zeigen zum Beispiel dass uumlber 800 Minuten Testzeit erforderlich waumlren um auf Individualebene eine Messge-nauigkeit von ca plusminus 17 Punkten erreichen zu koumlnnen2 (das entspricht bei einer Populationsstandardabweichung von 100 Punkten etwa einem halben Lernjahr Schreiner amp Wiesner 2018) Im Kontext der IKM (aber natuumlrlich auch im Rahmen der Standarduumlberpruumlfungen) ist eine Belastung der Schuumllerinnen aber auch eine Ver-wendung von Unterrichtszeit in diesem Ausmaszlig weder denkbar noch zielfuumlhrend Da-raus entsteht ein technisch unloumlsbares Dilemma Es wird jedoch jedenfalls klar dass

2 Beim Einsatz von 700 Items des Typs wie er derzeit in der Standarduumlberpruumlfung M4 verwen-det wird ergibt sich fuumlr einen einzelnen Schuumllereine einzelne Schuumllerin ein Konfi denzinter-vall von +- 166 Punkten bei 90iger Sicherheit (Quelle internes Arbeitsdokument des Teams Methoden amp Statistik im Arbeitsbereich Bildungsstandards ndash Uumlberpruumlfung und Qualitaumltsent-wicklung des BIFIE 2018)

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so ein Praumlzisionsanspruch nicht mit praktischen Rahmenbedingungen vereinbar ist Gleichzeitig ist es allerdings unerlaumlsslich Lehrerinnen uumlberhaupt fuumlr das Problem der Messgenauigkeit zu sensibilisieren damit diese ihre Interpretationskompetenz weiter-entwickeln koumlnnen Der professionellen Verwendung der Werkzeuge durch die Leh-rerinnen sowie der Anerkennung und Wertschaumltzung dieser Professionalitaumlt durch die Wissenschaft lerinnen kommt eine groszlige Bedeutung zu Anforderungen an die Validitaumlt sind gemeinsam im Kontext der intendierten Anwendung eines Instruments abzustimmen und aufseiten der Praktikerinnen braucht es eine Bereitschaft zur Mit-wirkung an der Validierung von Instrumenten Das Austarieren zwischen dem Nut-zen (z B den Interpretationsmoumlglichkeiten aufgrund der Guumltekriterien) und den Kos-ten (z B dem Aufwand zur Integration in den Unterricht und fuumlr die Durchfuumlhrung) ist im Grunde als laufende Optimierungsaufgabe zu sehen die nur im Dialog zu be-waumlltigen ist

Zentral entwickelte Instrumente fuumlr lokale BedarfeDer Vorteil von zentral entwickelten Instrumenten besteht darin dass der Entwick-lungsaufwand zentral geballt anfaumlllt und dort das notwendige Know-how und die er-forderliche Infrastruktur fuumlr die Instrumentenkonstruktion vorhanden sind Dies er-scheint insofern effi zient da nicht jeder Lehrerjede Lehrerin alles neu erfi nden muss

Gleichzeitig stellt sich aber die Frage ob dieses Vorgehen nicht eine mechanis-tisch-vereinfachende Sicht auf Lehren und Lernen mit sich bringt Denn kann man sich an vielen Orten und in verschiedenen Kontexten stellende Probleme einmal zent-ral loumlsen Es muss jedenfalls gewaumlhrleistet sein dass die Individualitaumlt der Lehrenden Lernenden des Lernens und die damit entstehenden Herausforderungen und Proble-me beruumlcksichtigt werden

Fuumlr die Entwicklerinnen der IKM sowie fuumlr die Anwenderinnen bedeutet dies beispielsweise eine Einschraumlnkung indem eine Uumlbersetzungsleistung zwischen Er-gebnis und unterrichtlichem Handeln stattfi nden muss Auf standortspezifi sche Ge-gebenheiten kann insofern immer nur bei der Entscheidung uumlber den Einsatz der Ins-trumente und der Interpretation der Ergebnisse Bedacht genommen werden Hier kommt den Anwenderinnen und Anwendern und ihren Refl exionskompetenzen eine groszlige Verantwortung zu

Unterstuumltzung versus BevormundungPersonen und Institutionen die Instrumente zur paumldagogischen Diagnostik bereit-stellen sehen sich auf der Seite der Praktikerinnen Sie wollen durch hilfreiche Ins-trumente die schulische Praxis das Handeln der Lehrpersonen und das Lernen der Schuumllerinnen unterstuumltzen Die Aufgabe der Bildungsforschung ist daher zunaumlchst entsprechende Grundlagen bereitzustellen um Instrumente nach fachwissenschaft li-chen und methodischen Kriterien entwickeln zu koumlnnen Grundlagenforschung dient der angewandten Bildungsforschung als Naumlhrboden Die Anwenderinnen der Instru-mente sollten sich entlastet fuumlhlen und einen Nutzen aus der Nutzung ziehen

Aus der Perspektive moumlglichst groszliger Unterstuumltzung der unterrichtlichen Praxis werden Instrumente besonders zielsicher einfach handhabbar mit genauen Anleitun-

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gen zur Interpretation der Ergebnisse und Hilfestellungen in der Umsetzung der Er-gebnisse in Foumlrdermaszlignahmen entwickelt So wurde zum Beispiel bei der Entwick-lung von USB PluS groszliges Augenmerk auf einen moumlglichst umfangreichen Service fuumlr die Anwenderinnen gelegt Dennoch nimmt das Instrument oder etwa die Bereitstel-lung der Uumlbungskartei mit Anregungen zur Sprachfoumlrderung Lehrende und Lernende nicht aus ihrer Verantwortung fuumlr den Lernprozess Gefragt ist groszlige Professionalitaumlt mit der Instrumente und Materialien in das Lehr-Lern-Geschehen integriert werden Insgesamt ist aber festzuhalten dass mit steigendem Service-Charakter der Instru-mente auch das Risiko einer Entmuumlndigung der Lehrerinnen und der Unterminie-rung ihrer paumldagogischen Expertise und Professionalitaumlt steigt ndash oder anders betrach-tet der Anspruch an die Refl exionskompetenz der Lehrerinnen bei der Nutzung der Instrumente Lehrerinnen muumlssen daher kundige und kritische Nutzerinnen dieser Werkzeuge sein und trotz der Bereitstellung von Instrumenten durch die Wissenschaft die Verantwortung fuumlr die Lehr- und Lernprozesse tragen Wer Lernen als Entwick-lungsprozess betrachtet ist sich der Tatsache bewusst dass diesen Prozess das Sub-jekt selbst vollbringen muss und dieser nicht von auszligen gemacht werden kann Das gilt fuumlr das Lernen der Lernenden genauso wie fuumlr die professionelle Weiterentwick-lung der Lehrenden Deshalb besteht eine groszlige Herausforderung ndash insbesondere bei der Nutzung von Instrumenten der paumldagogischen Diagnostik ndash darin die Lernenden selbst mit ins Boot zu holen und den Aspekt der Selbstbestimmung und Selbstverant-wortung im Lernprozess ernst zu nehmen Denn bdquoMethoden und (kognitive kulturel-le mediale) Werkzeuge sind immer nur so gut wie die Intelligenz ihrer Handhabung durch Lehrende und Lernendeldquo (Reusser 2006 S 164)

5 Zusammenfassung und Ausblick

Der vorliegende Beitrag diskutiert die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und paumlda-gogischer Praxis die bei der Anwendung von wissenschaft lich entwickelten Verfahren der paumldagogischen Diagnostik durch Lehrerinnen und Lehrer entsteht Anhand eini-ger konkreter Beispiele zeigt sich dass sich in diesem Feld Moumlglichkeiten fuumlr die For-schung ergeben die paumldagogische Praxis zu unterstuumltzen und dass die zentrale Ent-wicklung von Verfahren sowohl in Bezug auf den Ressourceneinsatz effi zient als auch im Hinblick auf das notwendige oft sehr spezifi sche Know-how qualitaumltssichernd ist Zentral fuumlr eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und paumldagogi-scher Praxis erweist sich ein wechselseitiges Bewusstsein fuumlr die Anspruumlche und Be-duumlrfnisse der jeweils anderen Akteursgruppe um die entstehenden Spannungsfelder bearbeiten zu koumlnnen Es gilt die Gratwanderung zwischen wissenschaft lichen Guuml-tekriterien und pragmatischen Notwendigkeiten Unterstuumltzung und Bevormundung der Lehrerinnen durch die Wissenschaft und zentral gebuumlndeltem Ressourcen- und Know-how-Einsatz auf der einen Seite und je individuellen lokalen Problemstellun-gen auf der anderen Seite im staumlndigen Dialog gemeinsam zu meistern

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Zauner M (2016) Destination Bildungssprache Startposition und Ziel Erziehung amp Un-terricht 9ndash10 835ndash839

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher

Daten nutzen ndash Schulen entwickelnSANDBIST als interaktives Format der Datenruumlckmeldung

Die externe Uumlberpruumlfung fachlicher Kompetenzen hat fuumlr Qualitaumltsentwicklungs- und Qualitaumltssicherungsprozesse in einem Schulsystem zentrale Bedeutung Bei den Stan-darduumlberpruumlfungen an allgemeinbildenden Pfl ichtschulen in Oumlsterreich (am Ende der Volksschule bzw der Sekundarstufe 1) und allgemeinbildenden houmlheren Schulen (am Ende der Sekundarstufe 1) liegt der Schwerpunkt darauf Schulleitungen sowie Leh-rerinnen und Lehrern konkrete Ruumlckmeldung uumlber die von ihren Schuumllerinnen und Schuumllern erzielten Ergebnisse (Schule Klasse) zu geben Die Ergebnisruumlckmeldungen bilden in Oumlsterreich eine Grundlage fuumlr die standortbezogene Schul- und Unterrichts-entwicklung (Kemethofer Wiesner George Schreiner amp Breit 2018) Dabei kommt einer professionellen kooperativen Refl exionsarbeit am Schulstandort eine Schluumlssel-funktion zu (Wiesner Schreiner Breit Kemethofer George amp Angerer 2016) Zudem werden die aggregierten Schulergebnisse der zustaumlndigen Schulaufsicht zur Verfuumlgung gestellt der als Aufsichtsorgan zentrale Bedeutung im Qualitaumltsentwicklungsprozess zukommt

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Rolle der Schulaufsicht im Prozess der Datennutzung fuumlr Schulentwicklungszwecke in ihrer Mittlerrolle zwischen Bildungs-administration und den Akteuren an den Schulstandorten Einen besonderen Impuls fuumlr die aktive Auseinandersetzung mit den Daten liefert die innovative Datenbereitstel-lung in Form eines interaktiven Tools (SANDBIST) das in Folge naumlher beleuchtet wird

1 Schul- und Unterrichtsentwicklung durch externe Daten ndash Wie Standarduumlberpruumlfungen in Oumlsterreichs Schulen Qualitaumltsentwicklung anstoszligen (sollen)

Schulentwicklung im Sinne Fullans (2000 S 9) beschreibt bdquoVeraumlnderungen und Lern-prozesse an Schulen die durch kollektive Kapazitaumlten an einer Schule bewirkt wer-denldquo Dubs (2000 S 61 f) betont dabei das zielorientierte und langfristige Vorgehen der Schulleitung und Lehrerschaft zur Steigerung der Wirksamkeit der Schule Sys-tematische und systemische Schulentwicklung erfordert Entwicklungs- und Transfor-mationsprozesse und ein diff erenziertes Verstaumlndnis der Anforderungen und Hand-lungsfelder (Schratz Wiesner Kemethofer George Rauscher Krenn amp Huber 2016)

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Langfristig angelegte und immer wiederkehrend bereitgestellte Daten und Informatio-nen aus den nationalen fl aumlchendeckenden Standarduumlberpruumlfungen bieten die Moumlg-lichkeit auch anhand von externen Daten die Prozesse am Schulstandort zu analysie-ren und zu hinterfragen womit Entwicklungen angestoszligen werden koumlnnen Altrichter Moosbrugger und Zuber (2016 S 235) betonen dass bdquodurch die Erhebung besserer Informationen uumlber die Ergebnisse [hellip] der schulischen Taumltigkeit und durch sbquoDaten-ruumlckmeldunglsquo an relevante Akteure eine zielgerichtete und effi ziente Entwicklung in Richtung erhoumlhter Qualitaumlt erreicht werden kannldquo

Evidenzbasierte Ruumlckmeldungen vermitteln einen objektivierten Blick von auszligen auf die fachlichen Kompetenzen der Schuumllerinnen und Schuumller z B auch im fairen Vergleich zu anderen Schulen mit aumlhnlichen Strukturen und Bedingungen In Verbin-dung mit Kompetenzorientierung konstituieren die Bildungsstandards und deren re-gelmaumlszligige Uumlberpruumlfung den Ausgangspunkt eines Qualitaumltszyklus Dabei koumlnnen die Ruumlckmeldungen aus den Bildungsstandarduumlberpruumlfungen an den Schulstandorten als Basis fuumlr Entscheidungen sowie zur Steuerung von Maszlignahmen und Prozessen ge-nutzt werden Daruumlber hinaus entsteht eine umfassende Datenbasis uumlber das oumlsterrei-chische Schulsystem die fuumlr Systemverantwortliche eine Grundlage zur Beurteilung von Entwicklungen und Reformen darstellt Das Ziel der evidenzorientierten Quali-taumltssicherung betrifft somit alle Ebenen des Schulsystems

Helmke (2004) hat ein grundlegendes Rahmenmodell vorgeschlagen das einen idealtypischen Prozess fuumlr den Umgang mit Ruumlckmeldungen zum Lernstand der Schuumllerinnen einer Klasse (oder Schule) veranschaulicht und dafuumlr maszliggebliche Ge-lingensbedingungen Wirkfaktoren und Unterstuumltzungsstrukturen aufzeigt Fuumlr Oumlster-reich liegt seit einiger Zeit eine Weiterentwicklung davon vor (siehe Abbildung 1) In diesem weiterentwickelten Rahmenmodell wird die Kompetenzorientierung als Leit-idee sichtbar die mit der Einfuumlhrung von Bildungsstandards als verbindliche Lern-ziele und der Uumlberpruumlfung dieser einhergeht Im Mittelpunkt steht dabei die einzelne Schule als systemische Einheit Die Kompetenzorientierung und die Bildungsstan-dards erfordern einen Muster- und Perspektivenwechsel weil sie die Aufmerksam-keit des Unterrichts nicht vorrangig auf den durchzunehmenden Stoff sondern auf die Kompetenzen der Schuumllerinnen richten Im Vordergrund stehen Handlungskom-petenzen der Lernenden zur Bewaumlltigung von Problemen in variablen Situationen und die damit verbundenen motivationalen und sozialen Faumlhigkeiten und Bereitschaft en um die Kompetenzen verantwortungsvoll und erfolgreich zu nutzen (Weinert 2001) Einen zweiten Perspektivenwechsel stoumlszligt die Einfuumlhrung von Bildungsstandards und verbindlichen fl aumlchendeckenden Standarduumlberpruumlfungen an indem Qualitaumltsentwick-lung am Standort als verbindlicher Prozess und (auch) auf der Basis der Evidenzen aus diesen Uumlberpruumlfungen etabliert wird Die Ruumlckmeldung von Lernergebnissen und Kontextdaten aus den Bildungsstandarduumlberpruumlfungen durchlaufen die Phasen der Rezeption Refl exion Aktion (Handlungen) und schulinternen Evaluation Die profes-sionelle Refl exion hat sich empirisch als die entscheidende Phase im gesamten Quali-taumltsentwicklungs- und Qualitaumltssicherungsprozess herauskristallisiert (Wiesner et al 2016) Es geht darum die Ruumlckmeldeinformationen durch eine gemeinsame Diskus-sion verschiedener Erklaumlrungsansaumltze und Perspektiven im Fachkollegium zu verdich-

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ten Handlungsfelder zu identifi zieren und Gestaltungsspielraumlume zu eroumlff nen Dar-an schlieszligt die systematische Umsetzung dieser Maszlignahmen bzw die Veraumlnderung von Ablaumlufen oder Methoden an Die Evaluation der gesetzten Handlungen und Ent-wicklungen bildet den Abschluss eines Bearbeitungszyklus und gleichzeitig den An-stoszlig fuumlr einen neuen Qualitaumltskreislauf Insbesondere die Ergebnisse aus einer naumlchs-ten Standarduumlberpruumlfung weisen diese Doppelfunktion auf ndash Basis der Evaluation von Maszlignahmen die durch die vergangene Standarduumlberpruumlfung angestoszligen wurden und Grundlage einer erneuten zukunft sgerichteten Ergebnisrezeption und -refl exion (Wiesner Schreiner Breit amp Kemethofer 2017b)

Dabei sind sowohl die fachlichen Kompetenzen wie auch die Kontextdaten (Schul-klima Klassenklima Selbstkonzept usw) fuumlr eine evidenzbasierte Schulentwicklung sowie fuumlr einen standortbezogenen Qualitaumltssicherungs- und -entwicklungsprozess von maszliggeblicher Bedeutung um Kompetenzorientierung an den Schulstandorten nachhaltig zu etablieren

Die wichtigsten Akteure in diesem Prozess sind die handelnden Personen am Schulstandort in Form von Lehrpersonen und Schulleitung aber auch die Personen aus der Schulaufsicht In ihrem Zusammenspiel entstehen Atmosphaumlren des Vertrau-ens der Kooperation und Entwicklung oder eben des Misstrauens und der Kontrolle Insbesondere in Bezug auf die Einbettung der Ruumlckmelde- und Qualitaumltsentwicklungs-prozesse in einen verbindlichen Rahmen spielt die Schulaufsicht eine entscheidende Rolle ndash sie ist der Angelpunkt zwischen den Schulstandorten und den daruumlber liegen-den Ebenen der Regionen In ihren Abstimmungsprozessen mit den Ebenen des Bun-deslands sowie in letzter Konsequenz mit der Zentralstelle bildet sie die Bruumlcke zwi-schen Einzelschule und Schulverwaltung Schlieszliglich schafft die Lehreraus- -fort- und -weiterbildung wesentliche Voraussetzungen fuumlr das Gelingen einer evidenzorientier-ten Schul- und Unterrichtsentwicklung indem die dafuumlr notwendigen Kompetenzen angebahnt und ausgebaut werden Die wissenschaft lichen Erkenntnisse und Entwick-lungen bilden einen groumlszligeren Kontext in dem Schul- und Unterrichtsentwicklung vonstattengeht

Das integrative Rahmenmodell fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichts-entwicklung (Wiesner Schreiner amp Breit 2015 Wiesner Schreiner Breit amp Kemetho-fer 2017b) verdeutlicht den zyklischen Charakter der Qualitaumltsarbeit (vgl den Beitrag von Wiesner amp Schreiner in diesem Band) Nach einer ersten Rezeptionsphase der Er-gebnisruumlckmeldungen muumlssen Erkenntnisse zusammengetragen und in Beziehung zu-einander gesetzt werden Auf dieser Grundlage sollen in einer naumlchsten Phase Maszlig-nahmen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung geplant und umgesetzt werden Ein gezieltes Hinterfragen der gesetzten Maszlignahmen und Prozessaumlnderungen im Sinne interner Evaluation bildet den Abschluss des Zyklus ndash und ggf den Beginn eines neu-en Der spiralfoumlrmige Ablauf veranschaulicht einen kontinuierlichen Prozess der zwar in bestimmten wiederkehrenden Prozessschritten und -phasen ablaumluft jedoch grund-saumltzlich nicht endet Dabei ist ein Hin- und Herspringen zwischen den Prozessschrit-ten in der Praxis oft erforderlich etwa wenn sich bei der Diskussion der Maszlignahmen (Integrations- und Aktionsphase) zeigt dass doch noch einmal ein genauerer Blick in die Datengrundlage (Rezeptionsphase) erforderlich oder zweckdienlich sein koumlnnte

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2 Die Rolle der Schulaufsicht im Rahmen datenbasierter Schulentwicklung

Die Wissenschaft spricht vor allem der Schulleitung und den Lehrpersonen fuumlr Schul-entwicklungsprozesse groszlige Bedeutung zu wobei die Schulleitung insbesondere in ihrer Leadershipfunktion gefordert ist (z B Dubs 2000 Schratz et al 2016) Schullei-tungen haben im Sinne eines Drei-Wege-Modells (Kempfert amp Rolff 2000) einen Sys-temzusammenhang zwischen Unterrichts- Personal- und Organisationsentwicklung herzustellen Moumlglichkeiten und Grenzen der Autonomie der Schule schaff en hierfuumlr einen klaren Handlungsrahmen (Dubs 2000) Auf Basis der Bildungsreform 2017 sol-len die Schulen erweiterte Autonomie und Verantwortung im Bereich der Organisati-ons- Unterrichts- und Personalentwicklung erhalten bdquoDie Schulaufsicht hingegen er-faumlhrt gleichsam eine Neuausrichtung ihrer Kernaufgaben im Sinne einer strategisch beratenden Funktion der Schulen mit Blick auf die Qualitaumltsentwicklungldquo (Brauck-mann et al 2019) Als bdquoGrenzgaumlnger zwischen Schulen und Bildungsadministra-tionldquo (Lange 2003 S 148) sind die Mitglieder der Schulaufsicht deshalb nicht nur

Abbildung 1 Oumlsterreichisches Rahmenmodell zur Nutzung von Ruumlckmeldungen aus Standard-uumlberpruumlfungen fuumlr evidenzorientierte Schulentwicklung (Wiesner Schreiner amp Breit 2015) als Weiterentwicklung des Modells von Helmke (2004)

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Bindeglied zwischen den Ebenen Schule und Bildungsbehoumlrde sondern auch aktiv an Schulentwicklungsprozessen beteiligt

21 Die Mitglieder der Schulaufsicht als Bindeglied zwischen Schulen und Bildungsverwaltung

Der Schulaufsicht ist gemaumlszlig Bundes-Schulaufsichtsgesetz unter anderem die Aufgabe uumlbertragen das umfassende Qualitaumltsmanagement im Kontext des Nationalen Quali-taumltsrahmens einzurichten und zu betreuen (sect 18 (1) Bundes-Schulaufsichtsgesetz in der Fassung vom 13820181) Demnach hat die Schulaufsicht den Auft rag einen meh-rere Ebenen uumlberspannenden Qualitaumltsmanagementprozess aufzusetzen was hohe An-spruumlche an die Schulaufsicht im Sinne von Fuumlhrungsaufgaben stellt

In Zusammenarbeit mit den Schulen werden von der Schulaufsicht vor allem zwei Kernbereiche abgedeckt (Radnitzky 2015) Einerseits soll die Arbeit der Schulaufsicht in Hinblick auf regionale Bildungsplanung systematisch erfolgen Vor diesem Hinter-grund fordert die Schulaufsicht im Rahmen der Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprauml-che von den Schulleitungen eine grundlegende Auseinandersetzung mit den Ruumlckmel-dungen sowie eine evidenzorientierte Ist-Stands-Analyse ein und begleitet die darauf aufb auenden Maszlignahmen und deren Umsetzung in Form von Schulentwicklungspro-zessen

Andererseits kommt der Schulaufsicht in Hinblick auf die Erweiterung der Schul-autonomie die Aufgabe zu die Schulstandorte in der Nutzung ihrer Gestaltungsspiel-raumlume zu unterstuumltzen Schulentwicklung und Qualitaumltsmanagement sind dabei im Auge zu behalten Ein Th ematisieren von Problemen und das Einfordern eines Aus-gleichs von Defi ziten sind in diesem Kontext genauso wichtig wie die Wahrnehmung von eigenen Staumlrken zu foumlrdern und deren Ausbau anzuregen Entwicklungsbedar-fe zu erkennen und anzuerkennen und Qualitaumltsentwicklung anzustoszligen gelingt in der Regel nur gemeinsam mit den Betroff enen und nicht gegen deren Willen (Lange 2003 S 149 f) Zusammenfassend betont auch Radnitzky (2015 S 14) die Notwen-digkeit von bdquoFuumlhrung als Garant fuumlr Orientierung Ermutigung und Unterstuumltzung in einem immer komplexer werdenden System sowie ownership bei den beteiligten Ak-teurInnen sei es in der Schule in der Schulaufsicht oder im Bildungsministeriumldquo (Hervorhebung im Original)

Dieser Aufgabenbereich der Schulaufsicht fuumlhrt oft mals dazu sich in widerspruumlch-lichen Positionen zu fi nden Muslic Ramsteck und Kuper (2013) sowie Kemethofer und Wiesner (2018) verweisen explizit auf die komplementaumlre Position zwischen Be-ratungs- und Kontrollfunktion der Schulaufsicht da sie zwischen Bildungspolitik und Einzelschule als intermediaumlre Instanz agiert Widerspruumlchliches Agieren wird wahrge-nommen wenn im Rahmen von Schulentwicklung Schulen zwar ermutigt und unter-stuumltzt werden sollten andererseits aber Verbindlichkeiten einzufordern sind (Posch Rauch amp Seidl 2012 S 50) Auch in der Verwendung von externen Evaluationsdaten

1 Abrufb ar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGe setzesnummer=10009264ampShowPrintPreview=True

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werden Ergebnisse bewertet und sollen nicht folgenlos bleiben Die Arbeit an Maszlig-nahmen muss einerseits eingefordert werden andererseits erfordert dies aber die Unterstuumltzung und Hilfestellung der Schulaufsicht Kemethofer und Wiesner (2016 2018) verweisen darauf dass ein konstruktives Arbeiten miteinander vor allem dann moumlglich erscheint wenn mit den erhaltenen Daten im Kontext der Schule unter Ein-beziehung umfassenderer Informationen ein Gesamtbild gezeichnet wird

22 Die Nutzung von Bildungsstandardergebnissen durch die Schulaufsicht

Aus Perspektive der Schulaufsicht fuumlhrt die Einfuumlhrung einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung (Schratz Wiesner Roumlszligler Schildkamp George Hofb auer amp Pant 2019) durch Bildungsstandarduumlberpruumlfungen zu weitreichenden Veraumlnderungen schulischer Arbeit (Kemethofer amp Wiesner 2016) der nunmehr durch eine bdquoAbkehr vom Bauchgefuumlhl Richtung Feedbackkulturldquo (Kemethofer amp Wiesner 2018 S 235) erklaumlrt wird Die Einbindung der Ergebnisse aus Standarduumlberpruumlfungen in die Arbeit der Schulaufsicht ist auf Basis ihrer gesetzlich defi nierten Rolle nunmehr verbindlich Die auf Schulebene aggregierten Ergebnisse aus Standarduumlberpruumlfungen des jeweiligen Aufsichtsbereichs werden der Schulaufsicht in Form von Schulberich-ten und zusammenfassenden Uumlbersichtstabellen zur Verfuumlgung gestellt2 Somit erhaumllt die Schulaufsicht fuumlr jede Schule des Aufsichtsbereichs den Schulbericht wie die jewei-lige Schule selbst

Bisherige Forschung zur Nutzung von Daten aus Standarduumlberpruumlfungen durch die Schulaufsicht weist grundsaumltzlich auf eine aktive Nutzung hin Zudem ist die Ak-zeptanz der Standarduumlberpruumlfungen durch die Schulaufsicht sehr hoch weil die erhal-tenen Ergebnisruumlckmeldungen als nuumltzliches Werkzeug fuumlr ihre Arbeit gesehen wer-den (Kemethofer amp Wiesner 2016 S 117) Fuumlr das Th ematisieren der Daten zwischen Schulaufsicht und Schulleitung wird ein dialogischer und wertschaumltzender Umgang miteinander als wesentliche Voraussetzung genannt um Akzeptanz und Verbindlich-keit zu foumlrdern Abgeleitete Maszlignahmen betreff en vor allem Empfehlungen in Hin-blick auf schulinterne und uumlbergreifende Fortbildungen Der gemeinsame Dialog wird insbesondere als Ausloumlser von Refl exions- und Einsichtsprozessen gesehen (Kemet-hofer amp Wiesner 2016 S 119 Steinkellner amp Wiesner 2017) Vorrangig werden die Daten gezielt als objektive und transparente Informationen zur Arbeit mit den einzel-nen Schulstandorten herangezogen Die Schulaufsicht betont die Grundlage zur ver-bindlichen Entwicklungsarbeit bis hin zu Kontrollmoumlglichkeiten die durch die objek-tive und transparente Datenbasis gegeben sind Dabei spielt auch der Vergleich mit den anderen Ergebnissen aus dem Aufsichtsbereich eine Rolle ndash wobei von Seiten der Schulaufsicht festgehalten wird dass es nicht um ein Ranking zwischen den Schu-len gehen soll sondern um die Einordnung und Strukturierung der Ergebnisse sowie einen daraus gewonnenen Erkenntnisgewinn (Wiesner Kemethofer Neubacher amp An-gerer 2017)

2 wwwbifi eatmusterrueckmeldungen

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Zusammenfassend kann festgehalten werden dass die Schulaufsicht in Oumlster-reich den Ergebnisruumlckmeldungen aus Standarduumlberpruumlfungen fuumlr die Arbeit mit den Schulen und fuumlr Fortbildungsempfehlungen groszlige Bedeutung beimisst und die Daten dementsprechend auch genutzt werden Dennoch gibt es fuumlr die Schulaufsicht gewis-se Herausforderungen und Hemmnisse fuumlr die Verwendung der Daten Je mehr Schu-len zu einem Aufsichtsbereich zusammengefasst sind desto umfangreicher faumlllt die Berichtslegung an ein einzelnes Mitglied der Schulaufsicht aus Hinzu kommt dass mit jeder Standarduumlberpruumlfung neue Daten entstehen die ebenfalls in die Arbeit mit dem Schulstandort einzubinden sind Aufgrund dieser Fuumllle an Berichten ist es fuumlr die Schulaufsicht besonders wichtig die Informationen in uumlbersichtlicher Form zu erhal-ten um Zusammenhaumlnge und Entwicklungen besser herausarbeiten zu koumlnnen (Ke-methofer et al 2018)

3 Anforderungen an die Aufbereitung von Daten fuumlr die evidenzorientierte Qualitaumltsentwicklung an Schulen

Die Nutzung externer Leistungsdaten muss [hellip] als Prozess an den Schulen betrachtet werden (Mayer 2010)

31 Qualitaumltsanforderungen an Ruumlckmeldeberichte

Um die Nutzung externer Daten im Praxisfeld zu foumlrdern ist eine benutzerfreundliche Datenaufb ereitung durch die wissenschaft lichen Einheiten von zentraler Bedeutung In der einschlaumlgigen Forschung (z B Helmke 2004 van Ackeren 2007 Schildkamp amp Ehren 2012 Groszlig Ophoff 2013 Hattie 2009 Koch 2011) werden diesbezuumlglich ver-schiedene Aspekte benannt bull Verstaumlndlichkeit Die Berichte sollten nicht zu umfangreich sowie gut strukturiert

sein Der Text sollte gut lesbar Darstellungen uumlbersichtlich und verstaumlndlich sein indem sie moumlglichst geringe statistische Kenntnisse erfordern (Groszlig Ophoff 2013 Hattie 2009)

bull Einbeziehung von Kontextinformationen Neben Leistungsdaten auf unterschied-lichen Aggregationsniveaus werden Kontextinformationen uumlber die Schuumllerschaft ndash auch in Form von fairen Vergleichen ndash als aumluszligerst hilfreich eingeschaumltzt (Altrichter Moosbrugger amp Zuber 2016)

bull Foumlrderung der Akzeptanz Dazu ist es wichtig die praktische Relevanz und Bedeu-tung sowie Grenzen der Ruumlckmeldungen darzulegen (Hattie 2009)

bull Kriteriumsbezug Kriteriale Bezugsnormen werden von Lehrkraumlft en eher bevor-zugt als soziale Bezugsnormen (Schneewind 2007 Harks Rakoczy Klieme Hattie amp Besser 2014) weil bspw durch die Zuordnung der Leistungen zu inhaltlich de-fi nierten Kompetenzstufen diesen eine praktisch relevante Bedeutsamkeit zugewie-sen wird (Wiesner Schreiner George Breit amp Luger-Bazinger 2017)

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bull Vielfaumlltigkeit der Darstellung Koch (2011) spricht sich fuumlr verschiedene Formen der Aufb ereitung aus um mit einem breiten Angebot der Darstellungen moumlg-lichst viele Nutzerbeduumlrfnisse abzudecken Je umfassender die Informationen des-to wichtiger sind kompakte strukturierte Zusammenfassungen um eine Uumlbersicht uumlber die Daten zu gewaumlhrleisten (siehe dazu auch den ersten Aufzaumlhlungspunkt)

Diesen verschiedenen Beduumlrfnissen Rechnung zu tragen stellt eine Herausforderung in der Konzeption von Ergebnisruumlckmeldungen dar Neben diesen Qualitaumltsmerkma-len sollten Ruumlckmeldungen als Feedback bestimmte Fragestellungen unterstuumltzen um Refl exions- und Entwicklungsprozesse anzuregen (Wiesner Schreiner Breit amp Kemet-hofer 2017b) Lehrpersonen sind in diesem Prozess nicht nur Lehrende sondern in erster Linie selbst Lernende bdquoIt is critical that teachers learn about success or other-wise of their interventions those teachers who are students of their own eff ects are the teachers who are the most infl uential in raising studentsrsquo achievementldquo (Hattie 2009 S 24) So werden die Ruumlckmeldungen uumlber den Kompetenzstand der Schuumllerinnen aber etwa auch ihre motivationalen Einstellungen zum Feedback an die Lehrperson das die Weiterentwicklung der Unterrichtsprozesse anregt Evaluative Orientierungen beim Lehren und Lernen haben also einen zentralen Stellenwert (Hattie 2009) Wies-ner et al (2017 S 3) entwickelten diesen Ansatz weiter da bdquoFeedback im Kontext der Lehr-Lern-Forschung [hellip] seit vielen Jahrzehnten als besonders eff ektiv [gilt] um Lern- und Veraumlnderungsprozesse zu unterstuumltzenldquo

Die Ruumlckmeldungen der Bildungsstandarduumlberpruumlfungen in Oumlsterreich wurden insbesondere als Feedback fuumlr Lehrpersonen Schulleitungen die Schulaufsicht sowie als Monitoring fuumlr das gesamte Schulsystem konzipiert Um eine professionelle Refl e-xionsarbeit auf all diesen Ebenen anzuregen sollten sich die einzelnen Akteure ver-schiedene Fragestellungen zu den Inhalten der Ruumlckmeldung stellen Dazu zaumlhlen so-wohl Fragen nach den eigentlichen Zielen und Visionen (Where am I going) aber auch Fragestellungen die die eigenen Maszlignahmen und Aktivitaumlten zur Zielerreichung hinterfragen (What am I doing here and now) bzw darauf achten wie man dabei vorgeht (How am I going) Bei all diesen Fragen sollten im Rahmen der Refl exions-arbeit Haltungen und Grundprinzipien bewusst wahrgenommen (How do I recogni-ze what I am experiencing) und neue Impulse und Prozesse uumlber die Zielerreichung hinaus (Where to next) uumlberlegt werden was in der professionellen Refl exionsarbeit zu einem Double-Loop-Lernen fuumlhren kann (Wiesner et al 2017a Steinkellner amp Wiesner 2017 vgl auch Wiesner amp Schreiner in diesem Band) Double-Loop-Ler-nen meint in diesem Kontext dass in einem ersten bdquoLoopldquo des Lernens eine Weiter-entwicklung des Unterrichts und des fachlichen Lernens stattfi ndet in einem zweiten bdquoLoopldquo aber auch der Prozess refl ektiert wird wie auf Basis der Evidenzen Entwick-lungsprozesse stattfi nden und welche Haltungen und Werte diesen Prozess praumlgen Dadurch nehmen die Akteure eine Meta-Perspektive ein und gestalten den Qualitaumlts-entwicklungsprozess bzw Aspekte davon weiter

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32 Moumlglichkeiten und Grenzen der klassischen Datenaufbereitung in Berichtsform

Grundlage des Qualitaumltsentwicklungsprozesses auf Basis der Ergebnisruumlckmeldun-gen aus Standarduumlberpruumlfungen sind die einzelnen Schulberichte Dabei folgt die Be-richtstruktur studienuumlbergreifend der gleichen Logik indem zuerst Informationen zur Schuumllerschaft der Schule sowie Informationen zu Kontexten des Lehrens und Lernens (wie Wohlbefi nden in der Schule und Klasse sowie motivationale Merkmale) in ta-bellarischer Form aufb ereitet sind Den Kern der Ruumlckmeldung bilden die fachlichen Kompetenzen der Schuumllerinnen einer Schule in Form verschiedener Kennzahlen (z B prozentuelle Verteilungen auf Kompetenzstufen Mittelwerte Streuungsinforma-tionen) Diese werden auch fuumlr verschiedene Schuumllergruppen (z B nach Geschlecht Migrationshintergrund) dargestellt Waumlhrend die Ergebnisdarstellungen im Schulbe-richt durchwegs in grafi scher Form ein intuitives Erfassen erleichtern sollen geben ta-bellarische Zusammenfassungen zum Abschluss einen kompakten Uumlberblick uumlber die Daten einer Schule Die Berichtsstruktur wird je nach fachlichem Konzept entspre-chend angepasst und wurde auf Basis von Evaluationsaktivitaumlten unter Einbindung von Akteuren an Schulen uumlber die Jahre hinweg optimiert

Vorteile dieser Ruumlckmeldeform liegen in der Vertrautheit der Zielgruppen (Schul-leiterinnen Lehrerinnen Schulaufsicht) mit dem Format der Berichte Die Schulbe-richte werden in Form von PDF-Files zur Verfuumlgung gestellt koumlnnen gespeichert und ausgedruckt werden Die kontinuierlich gleiche Grundstruktur (mit entsprechenden Anpassungen je nach uumlberpruumlft em Fach) dieser Berichte unterstuumltzt den Aufb au von Vertrautheit und Strategien der Archivierung Gleichzeitig handelt es sich dabei um statische Berichte die von auszligen zusammengestellt und aufb ereitet sind Insbesondere bei der Zielgruppe Schulaufsicht werden die Grenzen dieses Berichtsformats und eine gewisse Schwerfaumllligkeit sichtbar Die zustaumlndigen Personen der Schulaufsicht erhalten jeweils die einzelnen Schulberichte der Schulen ihres Aufsichtsbereichs wodurch in vereinzelten Faumlllen ein Konvolut von Einzeldokumenten im dreistelligen Bereich ent-steht Uumlbersichtsdarstellungen gingen bis dato uumlber eine tabellarische Aufl istung der wichtigsten Kennwerte der Schulen nicht hinaus Daruumlber hinaus werden Schulen im Schnitt etwa alle zwei Jahre uumlberpruumlft wodurch die Anzahl vorliegender Berichte je Schule (und je Aufsichtsbereich) kontinuierlich anwaumlchst

4 SANDBIST als innovative Form der Datenbereitstellung fuumlr die Schulaufsicht

Die klassische Form der Berichtslegung stellte die Mitlieder der Schulaufsicht mit der zunehmenden Anzahl von Standarduumlberpruumlfungen und Ergebnisruumlckmeldungen vor die Herausforderung mit tausenden Seiten von elektronischen oder gedruckten Do-kumenten agieren zu muumlssen Im Laufe der Zeit entstand daher der Wunsch die den Berichten zugrundeliegenden Daten auch in bearbeitbarer Form zur Verfuumlgung ge-stellt zu bekommen um diese fl exibler und variantenreicher nutzen zu koumlnnen und

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das Potenzial das in den Daten steckt besser nutzen zu koumlnnen Im Mittelpunkt der Diskussion stand dabei die Uumlberlegung dass eine Moumlglichkeit des fl exiblen Umgangs mit den Informationen in Form von Analyse- Strukturierungs- und Visualisierungs-strategien geschaff en werden sollte die jedoch moumlglichst geringe technische Anfor-derungen an die Nutzerinnen stellen bdquoDas BIFIE griff den in den Studien geaumluszliger-ten Wunsch nach uumlberblicksmaumlszligigen jedoch moumlglichst ganzheitlichen Darstellungenldquo (Kemethofer amp Wiesner 2018) auf

Basierend auf einer Kooperation mit und Impulsen von LSI K Maier wurden von-seiten des BIFIE verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr eine Umsetzung ausgelotet Entstan-den ist nunmehr eine vielschichtige Desktop-Anwendung (App) zur systematischen und effi zienten Daten- und Informationsaufb ereitung die das Akronym SANDBIST traumlgt und fuumlr bdquoSchulentwicklung durch Analyse und Nutzung von Datenldquo3 steht Die Entwicklung der Anwendung war getragen von diversen Uumlberlegungen und Diskus-sionen im damaligen BIFIE-Leitungsteam und entstand auf Basis einer Idee von C Wiesner4

Bei der Konzeption des Soft ware-Tools SANDBIST waren folgende Anforderungen leitendbull Das Tool sollte dieselben Daten beinhalten wie die klassische Berichtsformbull In Bezug auf die Handhabung durch die User sollte das Tool niedrige Anforderun-

gen stellen Spezielle Programmierkenntnisse sollten nicht erforderlich sein son-dern eine intuitive Benutzeroberfl aumlche sollte einen niederschwelligen Einstieg in die Arbeit mit dem Tool gewaumlhrleisten

bull Das Tool sollte eine fl exible Nutzung der Daten aus Standarduumlberpruumlfungen er-moumlglichen die die traditionelle Art der Datenaufb ereitung in Form von Berichten ergaumlnzt und die Bearbeitung eigener Fragestellungen unterstuumltzt

bull Bei der Erstellung des Tools spielte die Moumlglichkeit von Kombinationen eine gro-szlige Rolle Es sollten sowohl Daten zwischen Schulen als auch innerhalb von Schulen verknuumlpft werden koumlnnen Demnach sollte eine gemeinsame Analyse ausgewaumlhl-ter Schulen des Aufsichtsbereichs genauso moumlglich sein wie Analysen uumlber mehre-re Erhebungszeitpunkte hinweg

bull Schulentwicklung bedeutet Informationen Erkenntnisse und Ziele zu dokumen-tieren ndash dementsprechend sollte das Tool die Moumlglichkeit bieten die Dokumenta-tion von Visualisierungen und zugehoumlrigen Ergebnisinterpretationen zu speichern

Trotz einer neuen Form der Datenaufb ereitung war es wichtig die Wiedererkennung von Ergebnisdarstellungen wie die grafi sche Abbildung von Kennwerten und Kons-trukten (z B Darstellung des fairen Vergleichs Mittelwerte Prozentverteilungen) durch Verwendung gleicher Symbole oder Farben und aumlhnlicher Darstellungsformen zu gewaumlhrleisten

3 Das Tool wurde zunaumlchst bdquoSchulaufsicht analysiert und nutzt Datenldquo (Kemethofer amp Wiesner 2018 S 60) genannt Der weitere Entwicklungsverlauf machte eine Anpassung des Akronyms notwendig (siehe Abschnitt 5)

4 Der erste Prototyp von SANDBIST geht auf das damalige Leitungsteam (Wiesner Schreiner Breit und Bruneforth) der erste Release auf die Personengruppe Wiesner Schreiner Breit und Neubacher als Urheberinnen zuruumlck

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41 Nutzungsmoumlglichkeiten von SANDBIST

SANDBIST enthaumllt alle Daten und Informationen die auch in traditionellen Berichten aufb ereitet waren und sind Durch die intuitive Benutzeroberfl aumlche und die individu-ellen Datenabfragen ermoumlglicht diese Applikation jedoch viel weitreichendere Analy-sen hinsichtlich der einzelnen Schulstandorte und uumlber Schulstandorte hinweg1) Durch die gleichzeitige Verfuumlgbarkeit der Daten aller Schulstandorte des Zustaumln-

digkeitsbereichs kann eine Schulaufsichtsperson die in ihrer Verantwortung liegen-den Standorte gemeinsam und schuluumlbergreifend analysieren Im Sinne der regio-nalen Bildungsplanung sind dadurch vertiefende Analysen moumlglich

2) Je nach Fragestellung koumlnnen die Daten nach verschiedensten Kriterien variabel zusammengestellt werden Vor allem die Kombinationsmoumlglichkeiten von Kon-textinformationen und fachlichen Kompetenzen die in der traditionellen Bericht-erstattung vergleichsweise aufwaumlndig sind sind neuartig

3) Schulentwicklung ist ein langfristig angelegter Prozess der uumlber einzelne Erhe-bungen hinausgeht und zyklisch zu denken ist Durch die Einbindung aller Daten einer Schule koumlnnen alle bisherigen Erhebungen auf einer Schulstufe gemeinsam analysiert werden und studienuumlbergreifende Fragestellungen bearbeitet werden Dies ist sowohl faumlcheruumlbergreifend (M8 in Kombination mit Informationen aus E8 oder D8) als auch die verschiedenen Erhebungen des gleichen Fachs aufgreifend (M8-2012 mit M8-2017) moumlglich

4) Durch die interaktive Verwendung koumlnnen verschiedenste Referenzwerte ein- und ausgeblendet Daten nach bestimmten Merkmalen sortiert oder gefi ltert und Ab-fragen gespeichert oder verworfen werden Diese vielfaumlltigen Umsetzungsmoumlglich-keiten erlauben es tiefer in das Datenmaterial einzutauchen und neue Perspekti-ven aufzuzeigen

Zusammengefasst laumlsst sich festhalten dass mithilfe dieser innovativen Desktop-An-wendung die Schulaufsicht bei der Nutzung von Ergebnissen aus Standarduumlberpruuml-fungen unterstuumltzt wird Durch das eigenstaumlndige Formulieren von Fragestellungen und die Eigenaktivitaumlt beim Abrufen Strukturieren und Visualisieren der Daten sind die Anwenderinnen inhaltlich in hohem Maszlige gefordert Auch aufgrund der neuen Moumlglichkeiten die sich durch das Verknuumlpfen von Daten ergeben muumlssen Beziehun-gen geordnet neue Verbindungen hergestellt Zusammenhaumlnge verstanden und Inter-pretationen nachvollziehbar dokumentiert werden Eigene Annahmen und Hypothe-sen koumlnnen uumlberpruumlft und bestaumltigt oder widerlegt werden Nicht zu unterschaumltzen sind auch die Moumlglichkeiten die sich durch die Visualisierung von Zusammenhaumln-gen ergeben ndash fuumlr den Nutzer oder die Nutzerin selbst aber auch fuumlr Kommunika-tionszwecke

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42 Beschreibung des Instruments und Begleitmaszlignahmen

Veraumlnderungen und Innovationen im etablierten Prozess der Berichterstattung rund um die Standarduumlberpruumlfungen wie die Bereitstellung von SANDBIST benoumltigen Un-terstuumltzungs- und Begleitmaszlignahmen Die oberhalb genannten Anforderungen an die Anwenderinnen des Tools machen zudem eine Schulung in der Nutzung des Tools unabdingbar Die Distribution des Tools SANDBIST an die Schulaufsicht ist deshalb be-wusst mit einem zweitaumlgigen Workshop verknuumlpft Da der Einstieg aus technischer Perspektive nicht sehr schwierig ist und ohnehin durch das SANDBIST-Benutzerhand-buch unterstuumltzt wird dient dieser Workshop nicht primaumlr der Erklaumlrung der einzel-nen Features im Tool sondern vor allem der praktischen Durchfuumlhrung von Daten-analyse und Refl exion mithilfe des Instruments ndash im Sinne einer prototypischen Initial- und Rezeptionsphase

Der Workshop selbst ist in vier Phasen gegliedert in welchen unterschiedliche analytische Ansaumltze ndash von der Einzelschulperspektive bis zur systemischen Perspekti-ve ndash erarbeitet werden

In Phase 1 sollen Staumlrken und Schwaumlchen sowie Besonderheiten eines einzelnen Schulstandorts herausgearbeitet werden wobei nicht nur fachliche Kompetenzen ana-lysiert sondern auch verschiedene Kontexte (Informationen zur Zusammensetzung der Schuumllerschaft genauso wie Merkmale wie Wohlbefi nden Lernfreude Anstren-gungsbereitschaft ) der einzelnen Standorte in den Analysen beruumlcksichtigt werden sollen Die Verwendung von SANDBIST im Vergleich zum klassisch aufb ereiteten Be-richt bietet nicht nur die Moumlglichkeit Informationen die im Bericht auf verschiede-nen Seiten zu fi nden sind gemeinsam darzustellen sondern vor allem auch die Op-tion Informationen aus mehreren Erhebungen miteinander zu vergleichen ohne alte Berichte aus dem Archiv holen zu muumlssen Abbildung 2 veranschaulicht das Ergebnis eines solchen Analyseschrittes Die Kompetenzstufenverteilung in Lesen aus dem Jahr 2016 sowie das Wohlbefi nden an der Schule und in der Klasse werden zeitgleich be-trachtet mit der Kompetenzstufenverteilung in Mathematik aus dem Jahr 2017 sowie dem schulischen Wohlbefi nden aus diesem Erhebungsjahr Dem Diagrammbaum auf der rechten Seite sind die ausgewaumlhlten Merkmale sowie deren Labels zu entnehmen waumlhrend auf der linken Seite die interessierenden Merkmale grafi sch dargestellt sind

In Phase 2 des Workshops wurden die Daten dieses Schulstandorts mit einem zweiten Standort des Zustaumlndigkeitsbereichs ergaumlnzt (z B der naumlchstgelegenen Schu-le oder einer Schule die aus Sicht der Anwenderindes Anwenders uumlber aumlhnliche Rah-menbedingungen verfuumlgt)

In der dritten Phase des Workshops wurden schlieszliglich mehrere Standorte ge-meinsam analysiert und ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet Diese Herangehensweise gestattet es Schulen einer geografi schen Region oder Schu-len aumlhnlicher Groumlszlige oder mit denselben Schwerpunkten zu betrachten Basierend auf dieser Auswahl koumlnnen Besonderheiten einzelner Schulstandorte identifi ziert Moumlg-lichkeiten der Ergebnisinterpretationen erweitert oder gemeinsame Th emen schul-uumlbergreifende Potenziale oder Herausforderungen erkannt werden Gerade in diesen Phasen darf nicht verabsaumlumt werden auch Kontextfaktoren naumlher zu beleuchten und

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 201

miteinander zu vergleichen bzw diese in Erklaumlrungsversuche einzubeziehen Aus Ab-bildung 3 geht hervor dass im Tool mehrere Datenabfragen fuumlr mehrere Schulen zeit-gleich getaumltigt werden koumlnnen Es handelt sich um fuumlnf Schulen die sich hinsichtlich des Index der sozialen Benachteiligung deutlich voneinander unterscheiden (unterer Teil der Abbildung) Dargestellt ist auszligerdem die Verteilung der Schuumllerinnen auf die Kompetenzstufen in Mathematik sowie das Selbstkonzept der Schuumllerinnen im Gegenstand Mathematik (im oberen Teil der Abbildung) Dem Diagrammbaum auf der rechten Seite sind die Merkmale sowie Labels zu entnehmen

In der vierten und letzten Phase des Workshops wird schlieszliglich ein Perspekti-venwechsel eingefordert Waumlhrend in den ersten drei Phasen die Analyse einzelner Schulen oder einer Gruppe von Schulen im Fokus stand wird in der vierten Phase eine systemische Perspektive auf den gesamten Aufsichtsbereich bzw die Bildungs-region eingenommen In dieser Analysephase gilt es besondere Th emen aber auch besondere Schulen im Aufsichtsbereich zu identifi zieren und dabei den ganzheitli-

Ab bildung 2 Aufbereitung von Informationen uumlber eine Schule mit SANDBIST

Anmerkungen Dargestellt sind (von links nach rechts) zuerst die Verteilung der Schuumllerinnen auf die Kompetenzstufen das Wohlbefi nden in der Schule sowie das Klassenklima ndash zuerst fuumlr Lesen im Fach Deutsch aus der Uumlberpruumlfung von 2016 und danach fuumlr Mathematik aus der Uumlberpruumlfung von 2017 (eigene Darstellung)

S

chuumll

erin

nen

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 202

chen Blick anzuwenden So koumlnnen uumlbergreifende Schluumlsselthemen herausgearbeitet werden Zudem koumlnnen mithilfe des Instruments Darstellungen relevanter Aspekte zu Dokumentstations- und Kommunikationszwecken zusammengefasst und verdichtet werden

Abbildung 4 stellt die vier Workshop-Phasen uumlberblicksartig dar welche die An-wenderinnen in die Nutzung und Moumlglichkeiten von SANDBIST einfuumlhrt und ihnen Refl exionsraumlume aufzeigt

Die vier Workshop-Phasen stellen das Kernelement des Schulungskonzepts dar (Wiesner Schreiner Breit amp Kemethofer 2017a) Die Erlaumluterung der einzelnen Fea-tures wird dabei in die einzelnen Workshop-Phasen eingebettet Somit wird die Ein-arbeitung in das Tool mit der inhaltlichen Analyse- und Refl exionsarbeit verknuumlpft Den Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern wird von Beginn des Workshops an eine Version des SANDBIST-Tools mit den jeweils eigenen Daten zur Verfuumlgung ge-stellt um die Aktivitaumlten im Workshop sofort zur Analyse der eigenen Daten verwen-den zu koumlnnen und keine Uumlbungsphasen mit hypothetischen Daten durchfuumlhren zu muumlssen Dies gewaumlhrleistet dass die im Rahmen des Workshops erarbeiteten Analy-sen Interpretationen und Refl exionen fuumlr den eigenen Zustaumlndigkeitsbereich erstellt vor dem Hintergrund bekannter Rahmenbedingungen durchgefuumlhrt und in der Fol-ge weiterverwendet werden koumlnnen Die konkrete Arbeit mit dem SANDBIST-Tool wird durch eine Refl exionsphase zu Bildungsstandards Uumlberpruumlfungen Kompetenzorien-tierung und der Rolle der Schulaufsicht eingeleitet und damit in den relevanten Kon-text eingebettet Alle Workshop-Phasen werden von diversen Austauschmoumlglichkei-ten zu Analyseergebnissen und -strategien sowie Moumlglichkeiten der Ergebnisnutzung

Abbildung 3 Aufbereitung von Informationen uumlber mehrere Schulen mit SANDBIST

Anmerkungen Dargestellt sind (von links nach rechts) im oberen Teil der Abbildung zuerst die Verteilung der Kompetenzstufen und dann die Verteilung hinsichtlich des fachbezogenen Selbstkonzepts Mathematik aus der Uumlberpruumlfung von 2017 Im unteren Teil der Abbildung wird fuumlr die gleichen Schulen die jeweilige Schuumllerzusammensetzung anhand eines Index der sozialen Benachteiligung (Belastungsindex) dargestellt (eigene Darstellung)

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 203

begleitet Dabei wurde in der Planung der einzelnen Workshops wo irgendwie moumlg-lich darauf geachtet auch einen Austausch zwischen verschiedenen Aufsichtsberei-chen und insbesondere verschiedenen Bundeslaumlndern zu ermoumlglichen und anzuregen

5 Zusammenfassung und Ausblick

Mit der Erweiterung der klassischen Ergebnisruumlckmeldung in Berichtsform durch eine Desktop-Anwendung die Ergebnisanalysen aus Standarduumlberpruumlfungen in umfangrei-cher und dynamischer Form ermoumlglicht wurden fuumlr die oumlsterreichische Schulaufsicht neue Nutzungsmoumlglichkeiten dieser Evidenzen geschaff en Die Verteilung des Tools SANDBIST erfolgte im Laufe der Schuljahre 201718 bereits an rund 80 der Mitglie-der der Schulaufsicht Dabei zeigte sich bereits in den Workshops dass durch die er-weiterten Moumlglichkeiten die das Instrument bietet die Interpretationskompetenz der Anwenderinnen noch staumlrker gefordert ist Denn das eigene Erkunden der Daten bie-tet vielfaumlltige Moumlglichkeiten um Verbindungen Verknuumlpfungen und Gemeinsamkei-ten aber auch Unterschiede (vermeintliche) Widerspruumlche oder Besonderheiten zwi-schen Faumlchern Merkmalen Zeitpunkten oder verschiedenen Schulen zu entdecken Im Rahmen der einzelnen Workshop-Phasen wurden die Teilnehmerinnen deshalb immer wieder hinsichtlich der Interpretationsanforderungen sensibilisiert und ein Nachdenken sowie kollegialer Austausch uumlber Analysestrategien und Interpretationen angeregt und unterstuumltzt

Analyse einer

Schule Beruumlcksichtigung

innerschulischer Prozesse und

einzelschulischer Kontexte

Analyse einer Schule

im Kontext einer zweiten

Analyse einer kleinen

Gruppe von Schulen

Identifikation von

besonderen Schulen

Identifikation von

besonderen Themen Fokussierung der Aufmerksamkeit fuumlr den gesamten Aufsichtsbereich

relevant

Workshop-Phase 1 Workshop-Phase 2 Workshop-Phase 3 Workshop-Phase 4a Workshop-Phase 4b

Perspektive EinzelschuleGruppen von Schulen Von der Einzelschule bzw aumlhnlichen Gruppierungen zu tieferen Strukturen Zusammenhaumlngen und Beziehungen

Systemische Perspektive Aufsichtsbereich Von der Gesamtheit zu besonderen Themen und Kriterien des Systems bzw

eines Subsystems (Gruppe)

Auffinden von

KriterienThemen

Schluumlsselthemen im

Aufsichtsbereich

wenige Risikoschuumllerinnen

Schulen unter dem

Erwartungswert

z B positives Schulklima

Eher positives Klassenklima

aber nur moderates Schulklima

positives Klassenklima aber

weniger positives Schulklima

ne = ne

Erkennen und Verstehen von

Staumlrken Schwaumlchen und

Kontexten an einer Schule

Besonderheiten und Kontexte

an einer Schule

Erkennen und Verstehen durch

Vergleich von zwei Befunden

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

zweier Schulen mit aumlhnlichem

Kontext

Erkennen und Verstehen durch

Vergleich von mehreren Befunden

Potenzialen Staumlrken und Schwaumlchen

Probleme in Gruppen (Gruppierungen)

Erkennen und Verstehen durch

Identifizieren von ThemenKriterien

Besondere ThemenKriterien

bestimmter Gruppen

Erkennen und Verstehen durch

Identifizieren von uumlbergreifenden

Schluumlsselthemen

Uumlbergreifende Schluumlsselthemen

im Aufsichtsbereich

Auffinden von unterschiedlichen

Gruppierungen und KriterienThemen

Auffinden von Unterschieden

und Gemeinsamkeiten im

direkten Vergleich

Auffinden von Besonderheiten

Staumlrken und Schwaumlchen

einer Schule

Lesen unter dem Erwartungswert

Lesen uumlber dem Erwartungswert

Unterschiede

Gemeinsamkeiten=

ne Schwaumlchen

Staumlrken

Kontexte amp Prozesse

Abbi ldung 4 Herangehensweisen der Refl exionsarbeit mit SANDBIST (Wiesner Schreiner Breit amp Kemethofer 2017a)

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 204

Inwiefern das Tool nachhaltig Einzug in die Arbeit der Mitglieder der Schulauf-sicht fi ndet soll in regelmaumlszligigen Abstaumlnden erfasst werden Das Instrument kann durch seine benutzerfreundliche Handhabung und durch innovative Nutzungsmoumlg-lichkeiten zur Verwendung animieren eine regelmaumlszligige Nutzungsfrequenz erscheint aber erforderlich um das Tool effi zient und zeitsparend in den Arbeitsalltag integrie-ren zu koumlnnen

Letztendlich ist es das Ziel mit dieser neuen Form der Datenaufb ereitung einen Impuls zu geben sich staumlrker mit evidenzbasiertem Feedback auseinanderzusetzen Im Rahmen der Workshops haben sich die Teilnehmerinnen in vielen Faumlllen sehr in-tensiv mit den Daten beschaumlft igt und es schienen auch Personen Zugang zur evidenz-orientierten Arbeit gefunden zu haben die mit teils groszliger Skepsis zum Workshop angereist waren Dies liegt vermutlich nicht nur an der veraumlnderten Ergebnisdarstel-lung sondern vor allem an den erweiterten Moumlglichkeiten der Auseinandersetzung mit den Daten und den Potenzialen die sich aus der Kombination von Kompetenzen und Kontexten ergeben Gleichzeitig wird eine veraumlnderte Datenbereitstellung nicht ausreichen ein generelles Fehlen an Bereitschaft zur Nutzung empirischer Daten zu aumlndern

Trotz dieser Limitationen sollen mit dieser alternativen Form der Datenbereitstel-lung im Rahmen von Schulentwicklung unterschiedliche Zugaumlnge zu Analyse- und Refl exionsmoumlglichkeiten geschaff en werden Zudem ist es unabdingbar den Refl e-xionsprozess um Informationen aus anderen Wissensbestaumlnden zu ergaumlnzen um moumlgliche Wirkfaktoren auffi nden zu koumlnnen Die Intention von SANDBIST ist jene diesen Prozess der kooperativen aber auch kollaborativen Arbeit von Schulaufsicht und Schulen im Entwicklungsprozess zu unterstuumltzen und dabei die Wuumlnsche nach Innovationen in der Datenbereitstellung zu integrieren

Damit auch Schulen von den Potenzialen einer interaktiven Nutzung eines sol-chen Instruments profi tieren koumlnnen stellt das BIFIE seit dem Schuljahr 201819 auch Schulleiterinnen und Schulleitern eine SANDBIST-App bereit Dadurch bekommen auch Schulleitungen die Moumlglichkeit von den Vorteilen einer Desktop-Anwendung zu profi tieren und die Daten ihrer Schule uumlber das Tool zu rezipieren und analysieren Auch ihnen steht nun eine benutzerfreundliche Oberfl aumlche zur Verfuumlgung die stu-dienuumlbergreifende Analysen fuumlr den Standort sowie neue Kombinationen ermoumlglicht So werden Schulleiterinnen dabei unterstuumltzt evidenzbasiertes Feedback im Rahmen von Schul- und Unterrichtsentwicklung zu nutzen Diskussionen anzustoszligen und Re-fl exionen und Interpretationsmoumlglichkeiten aufzuspuumlren

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Christian Wiesner

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten

Die Problemskizze zum bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschungldquo die auf der 22 EMSE-Tagung 2016 im BIFIE in Salzburg erstmals ausfuumlhrlich in Oumlsterreich dis-kutiert wurde ist der Bezugspunkt fuumlr die Uumlberlegungen und Entwuumlrfe dieses Bei-trags Die mangelnde Beruumlcksichtigung von Forschungsergebnissen der empirischen Bildungsforschung und die (noch) nicht befriedigende Integration von reichhaltigen Forschungsbefunden in die Praxis fuumlhrt augenblicklich zu zweierlei einerseits ent-wickelt sich durch die (noch) mangelnde Rezeption Refl exion und Integration eine (oft mals sehr) unsachliche Kritik an der Evidenzbasierung (zu bevorzugen ist m A n das Orientierungskonzept also der Begriff der Evidenzorientierung) Andererseits waumlre es notwendig Evidenzen in bdquoEntwicklungskreislaumlufe der Unterrichts- Schul- und Bildungsqualitaumltldquo (Pant 2014 S 80) tatsaumlchlich einzuspeisen um Gelingens-phaumlnomene systematisch zu beobachten und um daraus wiederum ndash evidenz- erfah-rungs- und entwicklungsorientiert ndash zu lernen im Sinne einer refl ektierenden Praxis (Schoumln 1983 Schoumln 1991)

1 Ein kurzer Exkurs zum Begriff der Evidenz

Die erste Herausforderung betrifft zunaumlchst den unsachlichen Umgang mit dem Be-griff der evidenzorientierten bzw -basierten Forschung Diese Problematik ist nicht das weite Th ema dieses Beitrags soll jedoch an dieser Stelle kurz aufgegriff en werden Jornitz (2008) bezeichnet den Terminus der bdquoevidenzbasierten Bildungsforschungldquo als bdquoWortungetuumlmldquo (ebd S 207) und als bdquounsinnigen Begriff ldquo (Jornitz 2009 S 69) wel-cher als bdquoWort-fuumlr-Wort-Uumlbersetzung aus dem Englischenldquo (ebd S 69) bdquoseine Adap-tion aus einer Fremdsprache nur schwerlich verbergen kannldquo (Jornitz 2008 S 207) Urspruumlnglich wurde das Substantiv evidentia jedoch von Cicero (ca 106 bis 43 v Chr) als Wortschoumlpfung kreiert Cicero verwendete es erstmalig in seiner akademi-schen Abhandlung im bdquoDialog Lucullusldquo (Cic Ac Pr 217) im Sinne von klarer Dar-stellung Quintilian (ca 30 bis 96 n Chr) benutzte den Begriff Evidenz unter direk-ter Bezugnahme auf Cicero als Qualitaumltsmerkmal von Aussagen und Darstellungen im Sinne von Beweisfuumlhrung (Ueding 1996) Etwa ab dem 13 Jahrhundert fi ndet der Be-griff Evidenz Eingang in die europaumlischen Landessprachen (Ritter 1972 S 830) Um ca 1500 ersetzt der englische Begriff evidence in der englischen Rechtssprache den

Christian Wiesner 208

Begriff witness und stimmt begriffl ich ab diesem Zeitpunkt in der Rechtssprache mit dem deutschen Wort Beweis1 uumlberein der Nachweis einer Tatsache wird hingegen als proof of fact bezeichnet (Curti 1928 Ueding 1996) In diesem Sinne ist Evidenz zu-naumlchst kein unsinniger Begriff sondern weist auf eine klare nachvollziehbare Darstel-lung von einem oder mehreren Beweisen hin ndash Evidenz benoumltigt Daten Informatio-nen und Wissen (Schratz Wiesner Roumlszligler Schildkamp George Hofb auer amp Pant in Druck)

Sollte das Programm der Evidenzbasierung in der Unterrichts- und Schulentwick-lung auch auf der Idee der evidenzbasierten Medizin (EBM) beruhen dann geht es nach Sur amp Dahm (2011) oder Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson (1996) um die systematische Suche nach den besten verfuumlgbaren Beweisen durch fundier-te Daten Informationen Expertenwissen Erfahrung und scharfsinniger Intuition als bdquobest available evidenceldquo (ebd S 72) fuumlr die Praxis2

Th e practice of evidence based medicine means integrating individual cli-nical expertise with the best available external clinical evidence from sys-tematic research By individual clinical expertise we mean the profi ciency and judgment that individual clinicians acquire through clinical experience and clinical practice (Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson 1996 S 71)

Daher ist von einer verkuumlrzten Gleichsetzung von Evidenz mit der Interpretation vom Augenschein durch Jornitz (2008) grundsaumltzlich abzuraten Evidenz ist im Kontext des Beweises und einer klaren Darstellung zu verstehen als eine bdquosorgfaumlltige Beobachtung der empirischen Sachverhalteldquo die einen bdquoBestandteil eines Argumentsldquo bilden (Baumlch-li amp Graeser 1995 S 230) Demnach ist fuumlr eine umfassende und integrative Unter-richts- Schul- und Bildungsqualitaumltsentwicklung unabdingbar alle Konnotationen des Begriff s der Evidenz zu beruumlcksichtigen um diff erenzierte Ideen Entwuumlrfe und Mo-delle zu eroumlff nen Wichtig ist die Balance zwischen theoretischen Konzepten prakti-schen Expertenwissen und Erfahrungen

Good doctors use both individual clinical expertise and the best available external evidence and neither alone is enough (Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson 1996 S 72)

Evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung funktioniert nicht mit koch-buchartigen Rezepten Um eine empiriegestuumltzte Unterrichts- und Schulentwicklung zu foumlrdern und zu unterstuumltzen sind reichhaltige vielfaumlltige und integrative Entwuumlr-

1 bdquoInformation given in a legal inquiry tending to establish factldquo (Curti 1928 S 52) Der Inbe-griff des rechtlichen Beweises ist der Augenschein welcher als bdquoreal evidenceldquo (Ueding 1996 S 38) bezeichnet wird

2 bdquoEvidence based medicine is not bdquocookbookldquo medicine Because it requires a bottom up ap-proach that integrates the best external evidence with individual clinical expertise and patientslsquo choice it cannot result in slavish cookbook approaches to individual patient care External cli-nical evidence can inform but can never replace individual clinical expertise and it is this ex-pertise that decides whether the external evidence applies to the individual patient at all and if so how it should be integrated into a clinical decisionldquo (Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson 1996 S 72)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 209

fe Schnittmengen und Ansaumltze im Sinne von bdquocommon and diff erent conceptsldquo (Pet-zold 1996 S 72) bzw bdquocommon and divergent factorsldquo (Petzold Scheiblich amp Th o-mas 2006 S 76) zu denken

Hilfreich fuumlr ein tieferes Verstaumlndnis ist zunaumlchst ein Blick auf das Makro-Mik-ro-Makro-Modell3 (Coleman 1991) als Heuristik um vielfaumlltige und verschiedene evi-denzorientierte Unterrichts- und Schulentwicklungsentwuumlrfe in der Praxis systema-tisch wahrzunehmen und strukturiert zu beobachten (im Sinne von Praxisforschung) Dieses bdquoBadewannenldquo-Modell (Grewe Schnabel amp Schuumltzeichel 2008) soll das Wirken von Systemen (Schule Netzwerke Schulsystem) auf Subsysteme (Unterricht Klasse) und auf handelnde Personen aufzeigen und auch deren Wirken als aggregierte kollek-tive Eff ekte auf das System klaumlren (siehe Abbildung 1)

Abbildung 1 Das Makro-Mikro-Makro-Modell in Anlehnung an Coleman 1991 und Grewe Schnabel amp Schuumltzeichel 2008 (eigene Darstellung)

Eine dialogische (oder besser polylogische) Vorgehensweise als ein Zusammenwirken von Personen aus der Th eorie und Praxis braucht Relationen und Expertise zwischen Konzepten und Erfahrung zwischen sachorientierten Daten und beziehungsorientier-ter Erfahrung Aus Forschungsdaten kann vermutlich nur dann praxisrelevantes Han-deln entstehen wenn auch praxisbezogenes Wissen (gemeinsam) generiert und kre-iert wurde (im Sinne der Gestaltung von Praxistheorien) Eine einseitige Aufb ereitung von Forschungsbefunden (als Daten und Informationen bereitgestellt) oder ein koch-buchartiges Auswerten von Befunden z B fuumlr die Professionalisierung wird im Sin-ne der in diesem Beitrag vorgestellten Entwuumlrfe und Ansaumltze (auch) nicht ausreichend sein Es besteht nicht nur die Notwendigkeit Forschungsbefunde vor Ort nachzuerfi n-den sondern Erfahrungen und Kontexte vor Ort in die Gestaltungsprozesse aktiv mit-aufzunehmen Dazu werden Modelle benoumltigt die einen weiten Blick erlauben sowohl auf die Mikro- als auch auf die Meso- und Makro-Ebene und gleichzeitig zwischen sachorientierten Forschungsbefunden und erfahrungsorientierten Praxisbefunden dif-ferenzieren und diese jedoch auch jeweils integrieren

3 In diesem Fall verwende ich ein Makro-Meso-Mikro-Meso-Makro-Modell Selbstverstaumlndlich koumlnnen allein durch ein Modell (wie bei allen Modellen) nicht alle Fragen geklaumlrt oder umfas-send beantwortet werden

Makro-Ebene

Mikro-Ebene

Schulsystem

Schule Netzwerke kollektive Effekte

Meso-Ebene

Handelnde amp

Kommunizierende

Handlungen amp

Kommunikationen

Unterricht Klasse

Lehr-Lerngeschehenkollektive Effekte

Christian Wiesner 210

2 Das Modell der Feldtransformation

bdquoWie kommt das Neue ins Systemldquo ist dabei die vorrangige Frage um sowohl an Maszlignahmen als auch an Prozessen zu arbeiten Ein auf der Frage aufb auender Ansatz ist das sogenannte Modell der Feldtransformation (siehe Abbildung 2) das eine Ver-bindung von vier Konzepten anstrebt und u a auch aus diff erenziertem Erfahrungs-wissen fuumlr die Schulleitungsqualifi zierung entwickelt wurde Der Ansatz deckt ein wei-tes Spektrum ab und zeigt moumlgliche Wege fuumlr eine zukuumlnft ige Weiterentwicklung auf (Wiesner George Kemethofer amp Schratz 2015) Die horizontale Achse des Modells zeigt das Kontinuum zwischen der Sachorientierung und der Beziehungsorientierung Die vertikale Achse zeigt sowohl die Stabilitaumltsorientierung als auch die Entwicklungs-orientierung von Strukturen und Prozessen Der erste Quadrant (links unten dann im Uhrzeigersinn) steht fuumlr bdquoVernunft ldquo der zweite fuumlr bdquoStrategieldquo der dritte fuumlr bdquoGestal-tungldquo und der vierte fuumlr bdquoIdentitaumltldquo Die Arbeit mit dem Modell eroumlff net eine Einord-nung in das dynamische Gefuumlge zwischen Stabilitaumlt (Dauer) und Entwicklung (Wech-sel) sowie Naumlhe und Distanz welches den jeweiligen Moumlglichkeitsraum bestimmt Aufgrund der Einbettung in systemische Kontexte oder in jeweilige Arbeitskontexte ergeben sich hierbei ganz unterschiedliche Konstellationen die eine Flexibilitaumlt Re-sponsivitaumlt und Ausgewogenheit der Felder erfordern Ein Verstaumlndnis fuumlr das Modell und ein Verstehen des Modells soll nun durch die weiteren Ausfuumlhrungen zu anderen Ansaumltzen im Blick auf bdquocommon and diff erent conceptsldquo (Petzold 1996 S 72) ermoumlg-licht werden

Wechsel

Dauer

NaumlheBeziehungs-orientierung

Sach-orientierung

Entwicklungsorientierung

Stabilitaumltsorientierung

Distanz

Strategie

Vernunft

Gestaltung

Identitaumlt

WandlungZielbild

AgilitaumltWirkkraft

IntuitionEmergenz

ResonanzKooperation

TransparenzOptimierung

EvidenzStandards

WerteKongruenz

VertrauenRituale

Abbildung 2 Das Grundmodell der Feldtransformation (eigene Darstellung)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 211

Aktivierungen von Feldern (Quadranten) lassen sich im Modell der Feldtransforma-tion so verstehen dass die Polaritaumlten und die daraus entstehenden vier Felder als gleichwertig gedacht werden wobei fl ieszligende Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten und Positionierungen moumlglich sind Die erste Polaritaumlt ist eine Zeitachse (Stabilitaumlts- und Entwicklungsorientierung) die zweite eine Raumachse (Sach- und Beziehungs-orientierung) Der Beitrag versucht nun die vielfaumlltigen und reichhaltigen Ansaumltze Th eorien und Modelle aus unterschiedlichen Fachdisziplinen aufzuzeigen die mit der Feldtransformation verbunden sind um das Modell der Feldtransformation so in Mi-kro- Meso- und Makro-Ebenen im Sinne von z B Fuumlhrungshandeln Lehr-Lern-Ge-schehen im Unterricht und Schulentwicklung am Standort zu verorten

3 Annaumlherungen aus einer psychotherapeutischen Perspektive der Ursprung des Modells

Ein Ursprung des Modells der Feldtransformation und die Idee der Achsen-Bezeich-nung geht auf den Th eorieentwurf von Riemann4 (Riemann 1975 Schratz Hart-mann amp Schley 2010 Paschen amp Dihsmaier 2014) aus den 1960er Jahren zuruumlck und greift dabei ein integrativ-analytisches psychodynamisches Denken auf Das Modell kann sowohl zur Anregung und Stimulierung von Entwicklungsprozessen als auch fuumlr bdquoGrundformen der Angstldquo (Riemann 1975) herangezogen werden Personen (und Systeme) haben in diesem Ansatz keine absoluten sondern immer wieder voruumlber-gehende strukturelle Zuumlge und vier bdquoFormen des In-der-Welt-Seinsldquo (Riemann 1975 S 207) Diese vier Impulse durchziehen in bdquowechselnder Gestalt unser ganzes Leben und wollen in immer neuer Weiseldquo (Riemann 1975 S 13) beantwortet werden Die-se vier Impulse dienen als Aktivierungen in Hinblick auf Situationen als Moumlglichkei-ten und Antworten (Riemann 1975) und werden explizit u a in (neuere) theoretische Ansaumltze (Th omann amp Schulz von Th un 2003 Th omann 2004 Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 Wiesner 2015 Wiesner 2010) integriert Die Loumlsungsentwuumlrfe sind als ein bdquoZeichen der Lebendigkeitldquo (Riemann 1975 S 203) und Beweglichkeit sowohl von Menschen als auch von Systemen zu verstehen Die beschriebenen Strukturdiag-nosen von Riemann (1975) fi nden sich indirekt z B als (depressive zwanghaft e schi-zoide und hysterische) Persoumlnlichkeitsdispositionen in der ICD-10 oder der DSM-IV-TR (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 187) Die Grundpfeiler dazu gehen wiederum auf die Th eorie der Neurosenstruktur aus dem Beginn der 1950er Jahre von Schultz-Henke5 (1951) zuruumlck (Th omauml 1963a Th omauml 1963b)

4 Der Psychoanalytiker und Psychologe Franz Riemann (1902ndash1979) entwarf seinen theoreti-schen Ansatz fuumlr Personen die Ideen und Grundlagen sind jedoch auch im systemischen Den-ken schluumlssig In der systemisch orientierten Organisationsforschung spricht (Tuumlrk 1976) u a von der Pathologie der Organisation

5 Der Mediziner Philosoph und Psychoanalytiker Harald Schultz-Hencke (1892ndash1953) praumlgte in der psychodynamischen Th eorie die sogenannte Neurosenstruktur wobei in seinem An-satz eine Neurosenstruktur keine Erkrankung sondern eine Struktur (gedacht eher als Mus-ter Skript Rolle) und Grundlage fuumlr manifeste Neurosen (als Krankheit) darstellt Unter den neo-psychoanalytischen Th eorien gelten die Ansaumltze von Schultz-Henke der sich bdquodem logi-schen Empirismus und des sbquoWiener Kreiseslsquo verbundenldquo (Naatz 2006 S 286) fuumlhlte als die

Christian Wiesner 212

Das Modell von Riemann (1975) beschreibt die vier bdquoFormen des In-der-Welt-Seinsldquo (Riemann 1975 S 207) als Grundimpulse bdquoStrebungenldquo (ebd S 12) und potenzielle bdquoAntriebeldquo (ebd S 47) im Hinblick und als Moumlglichkeiten und Antworten auf Situationen Kontexte und die Umwelt (ebd S 15 siehe Abbildung 3) 1) Naumlhe Kooperation Hingabe Geselligkeit Solidaritaumlt und die Gestaltung von

menschlicher bdquoBeziehungldquo (Riemann 1975 S 203) als Beziehungsorientierung (und der Angst vor Isolation Abkapslung und Alleinsein als Extremfall die de-pressive Person)

2) Wechsel Erneuerung Spontanitaumlt Flexibilitaumlt Zielorientierung und Kreativitaumlt und ein Einlassen auf Veraumlnderung und Wandel als Entwicklungsorientierung (und als Angst vor Bestaumlndigkeit Einengung Erstarrung Stillstand Unbeweglichkeit und Endguumlltigkeit als Extremfall die hysterische Person)

3) Distanz Individualitaumlt Einzelerfolg Unabhaumlngigkeit Intellekt und eine erken-nende analysierende Sachlichkeit und Distanzierung als Sachorientierung6 (und als Angst vor Abhaumlngigkeit Selbstaufgabe und Vereinnahmung als Extremfall die schizoide Person)

4) Dauer Sicherheit Zuverlaumlssigkeit Kontrolle Ordnung und eine moumlglichst dauer-haft e Geborgenheit als Stabilitaumltsorientierung (durch Unsicherheit und als Angst vor Wandel Chaos Vergaumlnglichkeit und Kontrollverlust als Extremfall die zwang-haft e Person)7

Das Modell fuumlhrt zwei Achsen ein die sowohl Erfahrungen als auch Analysen von Bestaumlndigkeit und Entwicklung in der Zeit ermoumlglichen und (System-)Probleme und Herausforderungen sowie Loumlsungen und Gelingensbedingungen sach- und bezie-hungsorientiert aufzeigen Je staumlrker ein Impuls ist desto weiter vom Nullpunkt ent-fernt wird der Impuls eingeordnet

4 Annaumlherungen aus einer lerntheoretischen Perspektive der Prozess des Lernens

Eine weitere bedeutsame Annaumlherung an das Modell der Feldtransformation und einen direkten Bezug zum Unterricht und zur Entwicklung von Fuumlhrungskraumlft en in der Schule stammt aus dem (historisch aumllteren) Ansatz des erfahrungsorientierten Lernens von Kolb (1974) und aus einem (juumlngeren) Ansatz der didaktischen Design-

empirisch am besten abgesicherten KlientinnenKlienten und PatientinnenPatienten soll-ten lernen sich der Welt zuzuwenden und die Aufmerksamkeit sollte auf die Zukunft und ein planvolleres Leben hingelenkt werden (Schultz-Henke 1951 Rudolf amp Ruumlger 1988)

6 In Fachbuumlchern wird dieser Impuls oft mals auch als bdquoAutonomieorientierungldquo (Paschen amp Dihsmaier 2014 S 41) bezeichnet Das Modell der Feldtransformation greift hierbei jedoch auf die Begriff e des bdquoInhaltsaspektsldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 S 53 f) und der bdquoOrientierung an der Sachebeneldquo (Schulz von Th un 2002 S 15 Th omann 2004 Muumlri 1993) zuruumlck um Verwirrungen mit dem Begriff der Schulautonomie zu vermeiden

7 bdquoAm Rande sei bemerkt dass die offi ziellen Werte die vor allem in der Berufswelt unserer Gesellschaft hochgehaltenlsquo werden uumlberwiegend aus dem schizoid-zwanghaft en Gebiet (Dau-er-Distanz-Tendenz) kommenldquo (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 188)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 213

theorie von Schulmeister (2004) Beide Ansaumltze moumlchten aus der Perspektive von Ler-nenden moumlglichst produktive und foumlrderliche Lerngeschehen erschaff en

Nach Schulmeister (2004) variieren Lerngeschehen betraumlchtlich und bieten Ansaumlt-ze von bdquoUmgebungen die ein individuelles Selbststudium ermoumlglichen bis hin zu ko-operativen Lern- und Wissensgemeinschaft enldquo (Schulmeister 2004 S 24 2005) Eine Form von Lerngeschehen richtet sich an Lernende die sich an einem (stabil erschei-nenden) festen (Fakten-)Wissen und standardisierten Grundwissen orientieren um auf eine Frage moumlglichst eine richtige Antwort zu fi nden Eine andere Form hingegen verfolgt die Moumlglichkeiten von Lerngemeinschaft en dadurch verfuumlgen diese Lernen-den eher uumlber ein (vielfaumlltiges) Set off ener Fragen Herausforderungen und Probleme Mit diesem Blick werden an den beiden Enden des Kontinuums auch unterschiedliche Fragen fuumlr die Didaktik in und mit Bezug auf Lerntheorien aufgeworfen Fuumlr Lern-gemeinschaft en spielt die zwischenmenschliche Kommunikation die Kooperation die Beziehungsebene oder die Resonanz das interpersonelle Feedback und gemein-same Visionen Werte und ein Vertrauen in- und untereinander eine wesentliche Rol-le Beim individuellen Lernen tauchen traditionelle Formen der Wissensvermittlung und -aneignung auf (Schulmeister 2004) Bei dem Modell von Schulmeister (2004 2005) bildet die senkrechte Achse ab mit welcher Orientierung das Lernen jeweils am besten von Lernenden verstanden wird (z B regelgeleitete und off ene Lernformen) Auf der waagrechten Achse befi nden sich wiederum als Pole das bdquoindividuelle Lernenldquo (Schulmeister 2004 S 25) und die bdquoLerngemeinschaft ldquo (ebd) wodurch vier Felder des Lernens entstehen (siehe Abbildung 3)

Abbildung 3 Vier Formen des In-der-Welt-Seins Lehren und Lernen ndash die Verbindung von Riemann 1975 und Schulmeister 2004 (eigene Darstellung)

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanzindividuelles Lernen Lernkooperationen

kein

fest

er In

halt

Sta

ndar

d-I

nhal

t

Individualitaumlt

Einzelerfolg

Intellekt

Veraumlnderung

Spontanitaumlt

Lebendigkeit

Sachlichkeit

Abstand

Autonomie

Kooperation

Geselligkeit

Gefuumlhle

Wandel

Flexibilitaumlt

Zielorientierung

Sicherheit

Verantwortung

Zuverlaumlssigkeit

Ordnung

Kontrolle

Detailmanagement

Menschlichkeit

Solidaritaumlt

Vertrauen

Christian Wiesner 214

Die Th eorie des erfahrungsorientierten Lernens von Kolb (1973 1974 2015)8 wur-de uumlber Jahrzehnte sehr ausdiff erenziert entwickelt und greift im Grunde wie Schul-meister (2004 2005) auf die Idee von zwei Achsen und vier Feldern zuruumlck In der Fachliteratur wird die Th eorie als besonders geeignet zur Analyse der Hochschulpra-xis fuumlr das unternehmerische Lernen und zur Professionalisierung von Fuumlhrungskraumlf-te beschrieben (Gemmell Boland amp Kolb 2012 Blom 2000) Nach Kolb (1974 2015) ist ein Lernprozess immer ein zyklisches Geschehen und mit konkreten Erfahrungen und Konzepten verbunden9 bdquoDer Lernende macht Erfahrungen die von ihm bewertet werden sodass die neugewonnenen Einsichten probeweise angewendet werden koumln-nenldquo10 (Blom 2000 S 33) Das Lernen ist nach Kolb (1974) immer mehr oder weni-ger aktiv oder beobachtend und mehr oder weniger abstrakt oder konkret11 Lernen wird vor allem durch Denken und Konzepte (bei Kolb 2015 S 98 bdquothinking orien-tationldquo) und durch sinnliche Wahrnehmung und Empfi ndung als Erfahrung12 (mit-telhochdeutsch ervarunge meinte Erforschung Durchwanderung Khittl 2007 S 147 bei Kolb 2015 S 98 bdquofeeling orientationldquo) bestimmt Der Lernprozess vollzieht sich durch das Zusammenwirken von Erfahrungen und Konzepten und in Umdrehungen im Sinne eines konzentrischen Lernens Es handelt sich um ein bdquoLearning by doingldquo (Blom 2000 S 33) Erfahrungen werden wahrgenommen und refl ektiert wodurch neue Konzepte und (subjektive) Th eorien gebildet und abgeleitet werden die in und an der Praxis gepruumlft werden wodurch neue Erfahrungen entstehen und sich neue Lernspiralen eroumlff nen Die Konzepte und Th eorien werden dabei bestaumltigt oder wi-derlegt Die Abfolge legt damit eine Richtung fuumlr die Lernspirale fest (siehe Abbildung 4)13

Lernen und sich Wissen14 anzueignen ist fuumlr Kolb amp Kolb (2005) am besten als ein fortlaufender Prozess zu verstehen und nicht von Ergebnissen her zu denken Lernen ist dabei von vielen Faktoren abhaumlngig (Kolb 1974) der eigenen Lernbiographie der Motivation dem persoumlnlichen Interesse den eigenen Zielen und Lernstrategien der

8 Die Th eorie des erfahrungsorientierten Lernens ist empirisch bereits sehr gut abgesichert (Kolb Boyatzis amp Mainemelis 2001 Kolb amp Kolb 2005 Mainemelis Boyatzis amp Kolb 2002 Gemmell Boland amp Kolb 2012)

9 bdquoKnowledge results from the combination of grasping and transforming experienceldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 194)

10 Es handelt sich nicht um ein Trial-and-Error-Prinzip da das Erfahrungslernen nach Kolb (1974) nicht auf Zufallsprinzipien beruht (Blom 2000)

11 Die Th eorie Kolbs wird seit ihrer Veroumlff entlichung in den 70er Jahren von anderen Autoren adaptiert weiterentwickelt und fuumlr Studien- und Forschungsvorhaben genutzt Gleichzeitig entstehen bei den Erweiterungen Diff erenzen in den Begriffl ichkeiten und eine diff erenzierte Auseinandersetzung ist notwendig um die Gemeinsamkeiten erneut herzustellen (Gerlach amp Squarr 2004)

12 Erfahrung verweist hier bdquoauf die wahrnehmend herstellende Aktivitaumlt eines sich in seiner Leib-lichkeit empfi ndenden Subjektsldquo (Khittl 2007 S 145) Erfahrungen die bdquoaus dem Handeln gewonnen werden sind die Grundlage weiteren Handelns veraumlndern das weitere Wahrneh-mungs- und Empfi ndungsvermoumlgen ebenso wie die Vorgehensweisen beim Tun und Herstel-lenldquo (ebd)

13 bdquoTh is process is portrayed as an idealized learning cycle or spiral where the learner bdquotouches all the basesldquo ndash experiencing refl ecting thinking and acting ndash in a recursive process that is re-sponsive to the learning situation and what is being learnedldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 194)

14 bdquoTh e process of changing data into knowing is what Kolb calls bdquotransformation of experienceldquo (Zull 2002 S 33)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 215

direkten Auseinandersetzung mit einem authentischen Lerngegenstand dem Ausbau personalen Wissens durch abstrakte Begriff sbildung Entscheidungen die wir treff en Situationen die wir durchleben usw (Katzlinger 2008) Dauerhaft e und stabile Muster des Lernens entstehen durch Kolb (2015) durch das Zusammenwirken zwischen Men-schen Situationen und der Umwelt von einer Szene und Atmosphaumlre zu einer naumlchs-ten Szene und Atmosphaumlre15 (Petzold 1991 S 853) in der Lebenswelt16 Szenen sind immer bdquoerlebte Kontexteldquo (Petzold 1982 S 167) also Erfahrungen (Kolb 1973) Ler-nen durchschreitet in dem Modell der Lernspirale zyklisch und rekursiv vier unter-schiedliche Phasen (Felder Muster)17 die schlieszliglich bei Personen bestimmte (oft mals relativ stabile) Verhaltens- und Handlungsmuster herausbilden Lernende tendieren nach Kolb (1974) naumlmlich dazu bestimmte Lernfelder18 (uumlber die Zeit hinweg) zu fa-vorisieren und zeigen durch diese Bevorzugung auch verschiedene Potenziale und De-fi zite Fuumlr Kolb (1974 2015 Kolb amp Kolb 2005) gibt es vier Felder des Lernens 1) Konvergierendes Lernen ermoumlglicht grundsaumltzlich vernuumlnft ige rasche Entschei-

dungsfi ndungen und das Umsetzen von praktischen Loumlsungen und Anwendun-gen (Kolb amp Kolb 2005) Die Staumlrke (und Schwaumlche) des konvergierenden Lernens liegt im Loumlsen von Problemen durch das aktive Erproben Einuumlben und Anwenden von Konzepten19 und Regeln wodurch eine Entscheidungsfi ndung auch rasch er-folgen kann Loumlsungen beruhen dabei auf gleichen oder sehr aumlhnlichen Bedingun-gen (z B Regeln objektive Gesetze Normierungen) und erfordern gleiche oder aumlhnliche Entscheidungen (Kolb 2015) Fuumlr eine Situation oder ein spezifi sches

15 Alles was wahrgenommen und handelnd erreicht wird gehoumlrt zu einer Szene wie bdquoBeziehun-gen Begegnungen und Handlungenldquo (Petzold 1982 S 167 f) in Situationen und ihrer bdquoAtmo-sphaumlreldquo (Petzold 1991 S 852) Eine Szene ist in Bewegung niemals statisch und eine bdquoleben-dige Struktur in mir um mich herum durchmischtldquo (Petzold 1982 S 168)

16 bdquoTo elaborate further the complex dynamic nature of learning style and its formation through transactions between the person and environment we introduce the concept of learning space Th e concept of learning space builds on Kurt Lewinrsquos fi eld theory and his concept of life space [hellip] It embraces needs goals unconscious infl uences memories beliefs events of a politi-cal economic and social nature and anything else that might have direct eff ect on behaviorldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 199)

17 Zull versuchte das Modell auch neurobiologische fundiert zu erklaumlren bdquoPut into words the fi -gure illustrates that concrete experiences come through the sensory cortex refl ective observa-tion involves the in- tegrative cortex at the back creating new abstract concepts occurs in the frontal integrative cortex and active testing involves the motor brain In other words the lear-ning cycle arises from the structure of the brainldquo (Zull 2002 S 18 f)

18 Kolb (2015) benennt vier Lernstile beschreibt diese aber als Prozess und nicht als manifeste (Persoumlnlichkeits-)Stile In diesem Beitrag wurden die Arbeiten von Kolb von 1973 bis 2015 im Sinne von bdquocommon factorsldquo (Petzold Scheiblich amp Th omas 2006 S 76) seiner Arbeiten zu-sammengefasst (siehe Abbildung 4)

19 Kolb (1973 2015) versteht im bdquoconvergent learning styleldquo (Kolb 2015 S 114 f) die Verwen-dung von bdquoactive experimentationldquo nicht als ein aktives wissenschaft liches Experimentieren (bdquoassimilative learning styleldquo) als keine sozial-intuitiv-kreativen Versuche (bdquodivergent learning styleldquo) oder als ein sinnorientiertes Durcharbeiten von Th emen (bdquoaccommodative learning styleldquo) sondern vielmehr das produktive Ausprobieren Erproben und Einuumlben von Konzep-ten und Regeln v a fuumlr Probleme oder Situationen die nur eine einzige richtige Antwort er-moumlglichen bdquoWe have called this learning style the converger because a person with this style seems to do best in situations like conventional intelligence tests where there is a single cor-rect answer or solution to a question or problemldquo (Kolb 2015 S 114) Kolb (1973) formuliert diese Perspektive Anfang der 70er Jahre noch als bdquoformation of abstract concepts and general-izationsldquo (ebd S 2)

Christian Wiesner 216

Problem gibt es als Loumlsung meist nur eine einzige richtige Antwort (Kolb 1974) Personen die dieses Lernen bevorzugen sind nach Kolb amp Kolb (2005) sehr inte-ressiert an einem angeleiteten Refl ektieren neuen Ideen und an technologischen Faumlchern

2) Assimilierendes Lernen ist nach Kolb amp Kolb (2005) das Verstehen von einer Viel-zahl von Informationen die in eine praumlgnante logische Form gebracht werden Die Staumlrke (und Schwaumlche) des assimilierenden Lernens liegt somit in dem Ent-werfen von abstrakten Konzepten und theoretischen Modellen was durch induk-tives Denken und das Verbinden von Erklaumlrungen und Schlussfolgerungen erfolgt (Kolb 2015) Wie das konvergierende Lernen ist das assimilierende Lernen wenig auf zwischenmenschliches ko-operatives Lernen oder auch auf einen praktischen Wert fokussiert sondern auf abstrakte Konzepte Th eorien und Ideen Wichtig ist die Logik von Konzepten die Defi nition von Problemen und das praumlzise aktive (wissenschaft liche) Experimentieren z B mit quantitativen Daten (Kolb 2015) Nach Kolb amp Kolb (2005) sind Personen die dieses Lernen bevorzugen besonders geeignet fuumlr analytisches forschendes und abstraktes (wissenschaft liches) Denken in Konzepten und Th eorien

Abbildung 4 Das erfahrungsorientierte Lernen die Theorie von David A Kolb von 1973ndash2015 (eigene Darstellung)

3) Divergentes Lernen ist nach Gemmell Boland amp Kolb (2012) vor allem stark mit kreativem Denken verbunden Die Staumlrke (und Schwaumlche) des divergenten Ler-nens ist die konkrete Erfahrung die intuitive und einfallsreiche Vorstellungskraft eine besondere Faumlhigkeit Situationen und Probleme aus vielen Perspektiven zu er-kennen die Kompetenz mehrere Alternativen generieren und Beziehungen (zwi-schen Menschen und auch Inhalten) sinnvoll gestalten zu koumlnnen (Kolb 2015)

convergent

learningselecting information

making decisions

choosing the best option

assimilative

learningorganizing information

testing theories and models

analyzing quantitative data

divergent

learninggathering information

listening with an open mind

being sensetive to people`s

feelings

accommodative

learningbeing personally involved

dealing with people

influencing and leading

others

ImaginingAnalyzing

DecidingInitiating

Reflecting

Acting

ExperiencingThinking

abstract-active

opening

alternatives and

perspectives

closing on

the single best

option for action

active learning in

context and getting

involved in new

experiences

reflective

conceptual

learning

imagine

possibilities by

reflecting and

experiencing

to use models to

decide on

problem

solutions

the ability to

systematize

ideas through

reflection

the ability to initiate

and to deal

with experiences

and situations

abstract-reflective concrete-reflective

concrete-activeextraverted thinking extraverted sensing

introverted analyzing introverted feeling

action skills

leadership

initiative

valuing skills

relationship

helping-others

thinking skills

information-analysis

theory-building

decision skills

goal-setting

use of technology

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 217

Diese Lernenden sind intuitiv damit in der Lage in einem Lerngeschehen beson-ders reichhaltige und vielfaumlltige Ideen zu generieren zusaumltzlich die Ideen aus ver-schiedenen Blickwinkeln zu betrachten (Kolb amp Kolb 2005) und sich durch ihr Interesse an Menschen in Lerngemeinschaft en aktiv und produktiv einzubringen Nach Kolb und Kolb (2005) koumlnnen Personen die dieses Lernen bevorzugen off en und aufgeschlossen zuhoumlren und erhalten gerne persoumlnliches Feedback

4) Akkomodatives Lernen ist nach Kolb amp Kolb (2005) vor allem dadurch gepraumlgt durch (praktische) Erfahrungen integrativ zu lernen Die Staumlrke (und Schwaumlche) des akkomodativen Lernens greift im Gegensatz zum assimilierenden Lernen so-mit auf die konkrete Erfahrung eine ausgepraumlgte Initiationskraft und auf die Ent-faltung von transformierenden Wirkungen zu um das (aktive) Handeln mit Chan-cen und Erfahrungen zusammenzufuumlhren (Kolb 2015) Diese Lernenden neigen dazu Herausforderungen und Probleme auf eine sinnorientierte Art und Weise zu loumlsen wo andere Lernende Konzepte Th eorien oder Plaumlne auf Grundlage eines abstrakt-analytischen Zugangs bereits als Moumlglichkeiten und Innovationen verwer-fen (Kolb 2015) Personen die dieses Lernen bevorzugen lassen sich nach Kolb amp Kolb (2005) gerne auf neue Erfahrungen ein stellen sich neuen und herausfor-dernden Erfahrungen und bewerten gerne verschiedene Ansaumltze und Alternativen

Weitere empirische Arbeiten und Studien zum erfahrungsorientierten Lernen identifi -zierten vier weitere Muster die von Abbey Hunt und Weiser (1985) und Hunt (1987) als Nord- Ost- Suumld- und Westvariante20 bezeichnet wurden Personen die eher dem Experiencing-Pol als bdquofeelingldquo (Hunt 1987 S 155 Kolb amp Kolb 2005 S 197)21 zu-zurechnen sind koumlnnen sich besonders in die Innenwelt des Refl ektierens einlassen und danach handeln jedoch haben sie Schwierigkeiten dabei Erfahrungen zu kon-zeptualisieren Personen die dem Aspekt des bdquorefl ectingldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) zuordenbar sind tendieren zu der Faumlhigkeit des sowohl gefuumlhlsorientierten als auch konzeptuellen vertiefenden Nachdenkens und In-Gedanken-Seins haben jedoch ein Problem damit Plaumlne umzusetzen Personen die den Aspekt von bdquothinkingldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) betonen haben hohe konzeptionelle und analytische Faumlhigkei-ten jedoch kaum einen Kontakt zu den eigenen Empfi ndungen Gefuumlhlen und Emo-tionen ndash ihre Refl exionsleistungen sind sehr sachorientiert (Hunt 1987 S 155) Per-sonen die vom Aspekt bdquoactingldquo profi tieren greifen auf eine gute Handlungsfaumlhigkeit zuruumlck jedoch ist der konzeptuelle Rahmen oft mals unklar und mit geringen Moumlg-lichkeiten versehen den Rahmen durch Refl exionsleistungen zu korrigieren (Kolb amp

20 In Abbildung 4 wurden die Felder gemaumlszlig der Feldtransformation angeordnet wodurch die Ausrichtung an den Himmelsrichtungen nun nicht mehr dem Modell des erfahrungsorientier-ten Lernens entspricht

21 Kolb amp Kolb (2005) bauen hier auf dem Ansatz von Myers (1998) auf bei diesem Ansatz wird zwischen bdquojudgingldquo (ebd S 6) sowohl als bdquothinkingldquo (bei Kolb 2015 S 143 begriffl ich bdquode-cidingldquo und bdquodeciding skillsldquo ebd S 136) als auch bdquofeelingldquo (bei Kolb 2015 S 104 begriff -lich bdquoimaginingldquo und bdquovaluing skillsldquo ebd S 136) unterschieden Gleichzeitig kann nach My-ers (1998) bdquoperceivingldquo (ebd S 6) unterteilt werden in ein emotionsorientiertes bdquosensingldquo (bei Kolb 2015 S 143 begriffl ich bdquoinitiatingldquo und bdquoacting skillsldquo ebd S 136) und in eine ratio-nal-kognitiv gemeinte bdquointuitionldquo (bei Kolb 2015 S 104 begriffl ich bdquoanalyzingldquo und bdquothinking skills ebd S 136)

Christian Wiesner 218

Kolb 2005) Mainemelis Boyatzis und Kolb (2002) legten zusaumltzlich ein Muster von einem relativ ausgewogenen Lernen fest welches nun unter dem Begriff bdquobalanced learningldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) bekannt ist

Ein idealer Prozess des Lernens fi ndet nach Kolb (2015 S 51) dann statt wenn die grundlegenden vier Felder des Ursprungsmodells in einer zyklischen Spirale und einem rekursiven Prozess aktiviert werden (vgl Abbildung 4) ndash Erfahrung (bdquoexpe-riencingldquo) refl ektierendes Nachdenken (bdquorefl ectingldquo) Denken (bdquothinkingldquo) und Han-deln (bdquoactingldquo) Lehrpersonen und Paumldagogen sollten nach Kolb (2015) die Flexibi-litaumlt der Rollen und Stile durch fundierte Professionalisierung verstehen und gezielt entwickeln22 um selbst aus einem reichhaltigen Repertoire schoumlpfen zu koumlnnen und um Lernende moumlglichst vielfaumlltig zu erreichen Im Sinne des bdquoBalancingldquo (Kolb D A 2015 S 143) sollten alle vier Felder produktiv nutzbar sein um einen idealen Lern-prozess fuumlr sich selbst und andere zu ermoumlglichen (Corbett 2005) Die Erkenntnis-se des erfahrungsorientierten Lernens sind sowohl fuumlr die Professionalisierung und Qualifi zierung von Lehrpersonen und Fuumlhrungskraumlft en wichtig und sollten fuumlr neue innovative Herangehensweisen an Schul- und Unterrichtsentwicklung (z B Lernge-meinschaft en) und Systementwicklung (z B Balancing von Schwerpunkten und Re-formen) beruumlcksichtigt werden

5 Annaumlherungen aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive der Prozess der zwischenmenschlichen Kommunikation

Th omann amp Schulz von Th un (2003)23 verwenden die vier Grundimpulse von Rie-mann (1975) in ihrem kommunikationswissenschaft lich orientierten bdquoWegweiserldquo (ebd S 176 ff ) fuumlr Fuumlhrungspersonen und Gruppen aus einem systemischen bdquoBlick-winkelldquo (Th omann 2004 S 225) um die Intensitaumlt der jeweiligen Aktivierung auf den Achsen zu bestimmen und die fl ieszligenden Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten zu ver-anschaulichen Auch Stahl (2012) zieht das Modell von Riemann (1975) fuumlr seinen bdquoGruppenkompassldquo (ebd S 250) heran um ein bdquoFeld der Gruppeldquo24 (ebd S 253) darstellen zu koumlnnen Das Modell der Feldtransformation speist sich auch aus dem psychotherapeutischen Ansatz der zwischenmenschlichen Kommunikation von Watz-lawick Beavin amp Jackson (2000 Wiesner 2015) aus psychologisch-kommunika-tionswissenschaft lichen Entwuumlrfen mit Bezug zu Leadership (Th omann amp Schulz

22 bdquoIndividuals however tend to have a defi nite preference for one or two roles over the others because of their educational philosophy their personal teaching style and the requirements of their particular educational setting including administrative mandates and learner needsldquo (Kolb 2015 S 306)

23 Der Psychologe und Kommunikationswissenschaft ler Friedemann Schulz von Th un entwickel-te das Kommunikationsquadrat (Schulz von Th un 2002) Das Modell geht von der Annahme aus dass jede Nachricht bzw Aumluszligerung nach vier Aspekten (Seiten) interpretiert werden kann

24 Ein Feld einer Gruppe stellt fuumlr Stahl (2012) z B in einer Organisation die Naumlhe oder Distanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar Oder auch wie viel Dauer oder Wechsel man einer Gruppe zumuten oder von einer Gruppe einfordern darf ohne dass Konfl ikte entstehen und die Gruppe als Ganzes gefaumlhrdet wird

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 219

von Th un 2003 Th omann 2004 Wiesner 2015) und aus Modellen zum inhaltsbe-zogenen kritischen und kreativen Denken und der Komplexitaumltsforschung (Jonas-sen 1996 Astleitner 1998 Csikszentmihalyi 2010 Wiesner 2010 Stacey amp Mowles 2016)

Die Perspektive der zwischenmenschlichen Kommunikation von Th omann (2004) und Th omann amp Schulz von Th un (2003) greift auf die Unterscheidung von bdquoInhalts-aspektldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 S 56) und bdquoBeziehungsebeneldquo (Mer-ten 1977 S 133) zuruumlck25 Uumlber den Inhaltsaspekt werden die bdquoSachinformationenldquo (Roumlhner amp Schuumltz 2012 S 26) und die bdquoTatsachendarstellungenldquo (Reichwald amp Hen-sel 2007 S 651) kommuniziert uumlber den Beziehungsaspekt die Beziehung und de-ren Bedeutung zu sich zu den anderen zur Situation und der Umwelt Der inhalt-liche Aspekt ist in Fuumlhrungsmodellen bdquozur Foumlrderung der Aufgabenerfuumlllung und Zielerreichungldquo (Reichwald amp Hensel 2007 S 652) zentral Gerade die Unterschei-dung zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt ist fuumlr Roumlhner und Schuumltz (2012) bdquobe-sonders wichtig wenn Kommunikationsstoumlrungen vorliegenldquo (ebd S 27) da die bdquoFoumlrderung der sozialen Integration des Zusammenhalts und der Beziehung zwi-schen Menschenldquo (Reichwald amp Hensel 2007 S 652) durch die Beziehungsorientie-rung bestimmt wird Th omann und Schulz von Th un (2003) verwenden die Th eorie von Riemann (1975) um Fuumlhrungspersonen in die vier Felder des Modells26 einzutei-len Die horizontale Achse entspricht erneut den Polen der Inhalts- und Sachorientie-rung (Distanz und Naumlhe) Diese beiden Aspekte koumlnnen in einer weiteren Diff eren-zierung auch als Unterscheidung von der bdquoVerstandesweltldquo (von Saldern 2010 S 80) bzw dem bdquothinkingldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) und der beziehungs- und emotions-orientierten bdquoIntuitionsweltldquo (von Saldern 2010 S 80 Holtfort 2013) dem bdquofeelingldquo (Hunt 1987 S 155 Kolb amp Kolb 2005 S 197) bzw der bdquoBegegnungs- und Gefuumlhls-ebeneldquo (Muumlri 1993 S 58) verstanden werden Die vertikale Achse wird zwischen den Polen der Dauer und des Wechsels aufgespannt (Schratz Hartmann amp Schley 2010) und verbindet das Streben nach Verlaumlsslichkeit Bestaumlndigkeit sowie das Streben nach Entwicklung als die Bereitschaft bdquoTraditionen und Gewohntesldquo (ebd S 26) zu veraumln-dern Wechsel und Chaos sind als eine bdquonormale Durchgangsstation im Wachstumldquo (Muumlri 1993 S 20) zu verstehen

Die Gestaltung der Fuumlhrungsrolle und ihre Anforderungen und Herausforde-rungen an eine Fuumlhrungsperson kann in Anlehnung an Th omann (2004) und Ul-rich Zenger und Smallwood (2000) durch die vier Grundtendenzen dargestellt wer-den (siehe Abbildung 5) wodurch die bdquoDenkrichtung Denkart und Weltanschauungldquo (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 184) von Fuumlhrungskraumlft en als bevorzugte Muster durch die Grundimpulse (und Felder) bestimmt werden

25 bdquoJede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt derart dass Letzterer den Ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation istldquo (Watzlawick Beavin amp Jack-son 2000 S 56)

26 Einseitige bdquoFuumlhrungsstile und Managementtheorien koumlnnen ndash mit anderen Worten ndash nie ab-solut richtig sein sie brauchen immer mindestens das Korrektiv der Gegenseiteldquo (Th omann 2004 S 255)

Christian Wiesner 220

Abbildung 5 Ein Leadership- amp Management-Modell Vier Formen des Mit-der-Welt-Kommuni-zierens und In-die-Welt-Houmlrens als Verbindung von Riemann 1975 Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 Thomann amp Schulz von Thun 2003 Thomann 2004 Pool 2007 Schratz Hartmann amp Schley 2010 Schley amp Schley 2010 Wiesner 2010 2015 (eigene Darstellung)

Auch in der Leadership Academy (LEA)27 in Oumlsterreich wurden die vier Grundten-denzen als bdquovier Schluumlsselelemente von Fuumlhrungseigenschaft enldquo (Pool 2007 S 45) verwendet 1) die Innovationsorientierung (bzw Zukunft ) fuumlr den Wechsel 2) die Kontinuitaumltsorientierung fuumlr die Dauer 3) die Ergebnisorientierung fuumlr die Distanz und 4) die Kommunikationsorientierung fuumlr die Naumlhe (Pool 2007) Dabei wurde die Th eorie von Riemann (1975) mit dem Entwurf der ergebnisorientierten Unterneh-mensfuumlhrung von Ulrich Zenger amp Smallwood (2000) in Beziehung gesetzt (Schley

27 Das Modell wurde als Feldtransformation (Gregorzewski Schratz amp Wiesner 2016) bezeich-net und als Weiterentwicklung der ergebnisorientierten Unternehmensfuumlhrung (Ulrich Zen-ger amp Smallwood 2000) sowie dem Riemann-Schley-Modell der Systemqualitaumlten (Schley amp Schley 2010) mit der 13 Generation der LEA eingefuumlhrt (Wiesner Schreiner Paasch Gregor-zewski amp Schratz 2018) Das Modell bdquodeckt ein weites Spektrum eines Kompetenzgefuumlges von sozialen und situativen Handlungen ab fuumlgt bisherige Aufgaben und Anforderungen an eine Schulleitung konfl uent zusammenldquo (Schratz et al 2016 S 232 Wiesner George Kemethofer amp Schratz 2015)

Vertrauen ist besser (als Kontrolle)

Walking around

Wir-Gefuumlhl

Strategie

Begeisterungsmotivation

Wachstumsunterstuumltzung

Kreatives Chaos

Hineinwachsen lassen

Beziehungs-

orientierungAufeinander zugehen

Stabilitaumltsorientierung

Innovationsorientierung

Sach-

orientierung

Richtung vorgeben

Kooperation

Engagement

Konzepte

Kontrolle ist besser (als Vertrauen)

Maszlignahmen

Hierarchie

Weisung

Rituale

Partizipation

Vision

Entwicklungsorientierung

Kontinuitaumltsorientierung

Kommunikations-

orientierung

Ergebnis-

orientierung

Ziele

Ergebnisse analysieren

Werte leben

Entscheidungen treffen

Kultur foumlrdern

Zukunft fokussieren

kritisches Denken

kreatives Denken

Qualitaumlt verbessern

Effizienz

Sicherheit

Szenarien definieren

inhaltsbezogenes Denken

Initiationskraft

fuumlr Prototypen

verschiedene Ideen und

Moumlglichkeiten von Prototypen

neue Moumlglichkeiten fuumlr

Produkte herausarbeiten

Instrumentalisierung

von Produkten

PlaumlneMeta-Fuumlhrung

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanz

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 221

amp Schratz 2007) Die Staumlrke des Modells liegt nach Pool (2007) in bdquodem Hinweis auf die Wichtigkeit sowohl der Ziel- als auch der Visionsorientierung im Bereich Innova-tion und Entwicklungldquo (ebd S 45) von Schulen (als lernende Organisationen Argy-ris amp Schoumln 2008) Leadership im Sinne von (paumldagogischer) Fuumlhrung orientiert sich an der Innovation und der Kontinuitaumlt und bdquostrebt sowohl Ziele als auch Ergebnisse an die nur mit den Menschen und Mitarbeitenden der Organisation im Dialog zu er-reichen sindldquo (ebd S 45) Fuumlhrungspersonen sollten ganzheitliche Kompetenzen im Sinne eines bdquoBalancingldquo (Kolb 2015 S 143) erwerben um sich sowohl gedanklich lernend als auch strategisch in den vier Quadranten (Feldern) bewegen zu koumlnnen um Entwicklungs- und Stabilisierungsprozesse zu ermoumlglichen (siehe Abbildung 5)

Menschenfuumlhrung und (Meta-)Kommunikation beginnt fuumlr Th omann (2004) bei jeder Fuumlhrungskraft selbst vor allem durch eine Ausgewogenheit der vier Grundim-pulse um nicht eine bdquoEigenart zum Maszligstabldquo (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 186) zu erheben und zum bdquoNullpunktldquo (ebd) zu machen bdquoZu starke Gewichtun-gen eines Eigenschaft sbereichs wirken sich nachteilig auf die Auspraumlgungen anderer Eigenschaft sbereiche aus und mindern entsprechend die Qualitaumlt der zu erreichenden Zieleldquo (Pool 2007 S 45 f) Wiesner (2010) zeigt auf Grundlage von vier Feldern die Beziehung zwischen unterschiedlichen Kommunikationstheorien (Modelle der Kom-munikation) der Forschung zum kritischen und kreativen Denken (Jonassen 1996 Astleitner 1998 Csikszentmihalyi 2010 Wiesner 2010 Stacey amp Mowles 2016) und der Didaktik (Baumgartner amp Payr 1999) in seinem Ansatz der analytischen Betrach-tung der zwischenmenschlichen Kommunikation in der Aus- Fort- und Weiterbil-dung auf (siehe Abbildung 6) 1) Instruktionalistisch-behavioristische Modelle des ersten Quadranten (i) stel-

len Kommunikation als eine Uumlbertragung zwischen Sender und Empfaumlnger dar Im Vordergrund steht der Gedanke von Kommunikation als Zeichenuumlbertragung unter bestimmten Regeln die Annahme der Ver- und Uumlbermittlung von etwas bdquoIdentischemldquo (die sogenannte bdquoContainerideeldquo) und bdquovon der Moumlglichkeit einer eindeutigen Rekonstruktionldquo (Wiesner 2010 S 5) der Mitteilung bzw Botschaft (Burkart 1998) Das zentrale Element jedes kommunikativen Prozesses ist tun-lichst die Geraumlusch- oder Stoumlrquellen zu reduzieren bzw zu minimieren (Shan-non 1948 Shannon amp Weaver 1972) um stoumlrungsfreie Kommunikationsprozes-se zu etablieren (Wiesner 2010) Auch nach dem Entwurf von Kolb (1974 2015) ist diese Form der Kommunikation mit Blick auf die Distanz-Dauer-Tendenz vor allem auf rasche moumlglichst ableitbare und damit vernuumlnft ige Entscheidungen ohne (zu viele) Stoumlrquellen und moumlglichst bloszlig einer richtigen Antwort ausgerich-tet Die zwischenmenschliche Kommunikation ist eher unpersoumlnlich jedoch eben entscheidungsorientiert und ist von einer objektiven Kritik gepraumlgt (bdquoextraverted thinkerldquo28 Kolb 2015 S 122) Das Lehren wird als linearer Prozess und Anlei-

28 Kolb (2015) greift hier auf die systematische Ordnung von Einzelbeobachtungen als Denkty-pen von Carl Gustav Jung (1875ndash1961) und die Ausformulierungen von Myers (1995 1998) zuruumlck Kolb (2015) schreibt zum bdquoextraverted thinkerldquo (ebd S 122) bdquoHe organizes facts si-tuations and operations well in advance and makes a systematic eff ort to reach his careful-ly planned objectives on schedule He believes everybodyrsquos conduct should be governed by lo-gic and governs his own that way so far as he can He lives his life according to a defi nite set

Christian Wiesner 222

tung gesehen wobei Lernende in didaktischen Schleifen die Inhalte (den Stoff das Fakten- und Grundwissen) anwenden uumlben identifi zieren auswaumlhlen und wie-derholen bis der erwartete Erfolg eintritt (Kron amp Sofos 2003) Das instruktio-nalistische Lehren ist eine bdquoprominente und einfl ussreiche akademische Richtungldquo (Holzinger 2001 S 112) innerhalb der Lernpsychologie vor allem fuumlr kleinschrit-tige Problemloumlsungen und Wiederholungsuumlbungen mit anschlieszligender Ruumlckmel-dung (Wiesner 2010)

2) Kognitivistische Modelle des zweiten Quadranten (ii) betonen die Prozesse des (analytischen) Denkens und Kommunizierens und versuchen die bdquoverschiede-nen Prozesse zu unterscheiden zu untersuchen und miteinander in ihrer jewei-ligen Funktion in Beziehung zu setzenldquo (Baumgartner amp Payr 1999 S 133) Die-se Modelle suchen nach einer (analytisch) idealen Kommunikation und beinhalten neben einem Kommunikatoreiner Kommunikatorin immer eine aktive Rezipien-tineinen aktiven Rezipienten (als Produzentin)29 Im Vordergrund stehen meist der gemeinsame Zeichenvorrat (ZV) als bdquoshared codeldquo (Faulstich 2002 S 35) die Denkprozesse das Vorwissen und die En- und Decodierungsprozesse der zwi-schenmenschlichen Kommunikation (Wiesner 2010) Mit (kognitivem) Lehren werden die Analyse und das Zerlegen Klassifi zieren Ordnen von Daten Informa-tionen und Wissen die Foumlrderung des Konzeptlernens und die Anwendung von Wissen auf Situationen im Sinne von Transfer verbunden (Lefrancois 1986 Seel 2000 Holzinger 2001) Anderson (2001) geht davon aus wenn wir in der kogniti-vistischen Lehre im Sinne eines introverted analyzing30 hinreichend verstehen wol-len bdquowie Menschen ihr Wissen und ihre intellektuellen Faumlhigkeiten erwerben und auf welche Weise sie ihre geistigen Groszligtaten vollbringen dann koumlnnten wir die Schulung ihres Denkens und ihre intellektuellen Leistungen entsprechend verbes-sernldquo (ebd S 4) Im Gegenzug fi ndet fuumlr Baumgartner und Payr (1999 S 105) beim Kognitivismus im Sinne einer Distanz-Wechsel-Tendenz dennoch eine bdquozu starke Konzentration auf geistige Verarbeitungsprozesse stattldquo

3) Bei konstruktivistischen Modellen im dritten Quadranten (iii) geht es um die Grundfrage wie menschliche Erkenntnis und Erfahrung zustande kommen und sich fortlaufend entwickeln (Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 Kron amp Sofos

of rules that embody his basic judgments about the world Any change in his ways requires a conscious change in the rules [hellip] He likes to decide what ought to be done and to give the requisite ordersldquo

29 Im Sinne von Lippmann (2013) und Rauen (2014) kann das Kommunikationshandeln des Mentorings erster Ordnung als Form der karriereorientierten Beratung genannt werden

30 Bei Kolb (2015 S 122) wird die Form als bdquointroverted intuitive typeldquo nach Jung (1921) und Myers (1998) bezeichnet obwohl das Feld von einer Distanz-Wechsel-Tendenz bestimmt wird Auch fuumlr Kolb (2015) entspricht die Benennung nach Jung und Myers nicht umfassend dem Konzept des erfahrungsorientierten Lernens und schreibt dazu bdquoMyersrsquos description of this type is similar to the description of the assimilative conceptual orientation but suggests a slightly more practical orientation than we indicateldquo (Kolb D A 2015 S 122) Kolb (2015) schreibt dazu bdquoIn assimilation the dominant learning abilities are abstract conceptualizati-on and refl ective observation [hellip] Th is orientation is less focused on people and more con-cerned with ideas and abstract concepts Ideas however are judged less in this orientation by their practical value Here it is more important that the theory be logically sound and preciseldquo (ebd S 115)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 223

2003) Diese Modelle foumlrdern im Sinne einer Wechsel-Naumlhe-Tendenz durch zwi-schenmenschliche Kommunikationsprozesse die Wahrnehmung die Selbstver-antwortung die Kooperationsfaumlhigkeit und im Besonderen die (Selbst-)Refl exion (Wiesner 2010 2015 bei Kolb 2015 S 121 als bdquointroverted feelingldquo31) Die Foumlr-derung von Intuition Kreativitaumlt Spontanitaumlt bdquoImaginingldquo (Kolb 2015 S 104) erweitert und entwickelt damit auch die Handlungsfaumlhigkeiten (bdquoActingldquo Kolb 2015 S 143) der Lernenden In dieser Orientierung werden durch Kommunika-tionsprozesse Erfahrungen aus vergleichbaren Situationen verbunden und (emo-tionale) Handlungsfaumlhigkeiten generiert (Stacey amp Mowles 2016) bdquoDa zwischen zwei konkurrierenden Zielen kein quantitativer Vergleich und somit keine rationa-le Entscheidung moumlglich ist lernen wir intuitive Entscheidungen durch emotiona-

31 bdquoHe has too a great faithfulness to duty and obligations He chooses his fi nal values without reference to the judgment of outsiders and sticks to them with passionate conviction He fi nds these inner loyalties and ideals hard to talk about but they govern his life [hellip] He is twice as good when working at a job he believes in since his feeling for it puts added energy behind his eff ortsldquo (Kolb 2015 S 121)

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanzindividuelles Lernen Lernkooperationen

kein

fes

ter

Inha

ltS

tand

ard

-Inh

alt

ZV

Kommunikatorin Produzentin

kognitivistisches

Lehren amp Lernen

konstruktivistisches

Lehren amp Lernen

instruktionales

Lehren amp Lernen

Meta-Lehren amp

Meta-Lernen

M

IA IA

BA BA

zirkulaumlresSystem

zirkulaumlresSystem

kritisches Denken

Entwicklungsorientierung

Sach-orientierung

Beziehungs-orientierung

Stabilitaumltsorientierung

kreatives Denken

inhaltsbezogenes Denken komplexes sinnorientiertes Denken

IPK20 IPK30

IPK10 IPK40

Stoumlrungen

Sender Empfaumlnger

BeziehungUnterschiede

Blickwinkel

ML

MLML

iiii

ii

Integration

i

ii

iv

iii

Abbildung 6 Vier Formen des Lehrens und Lernens und ihre Kommunikations- und Denkmodelle als Verbindung von Riemann 1975 Schulmeister 2004 und Wiesner 2010 2015 (eigene Darstellung)

Christian Wiesner 224

le Erfahrung zu treff enldquo (Wiesner 2015 S 18) Im Vordergrund steht nach Baum-gartner und Payr (1999 S 108) somit nicht mehr das autoritaumlre Lehrmodell des Instruktionalismus auch nicht mehr der beobachtende analysierende und behilf-liche Berater des kognitivistischen Modells sondern immer die Refl exion der eige-nen persoumlnlichen Erfahrung des Lernenden sowohl durch Inhalts- (IA) als auch Beziehungsaspekte (BA) im Sinne von Watzlawick Beavin amp Jackson (2000) und der Distanz-Naumlhe-Achse

4) Beim vierten Quadranten (iv) geht es gegenuumlber den ersten drei Quadranten um ein bdquovertieft es Lernenldquo (Fullan Quinn amp McEachen 2017) zweiter Ordnung (Vis-ser 2007) um die bdquoVoraussetzung fuumlr gelingende Veraumlnderungldquo (Kruse 2005 S 8) durch einerseits ein bdquoDoppelschleifen-Lernenldquo (Argyris amp Schoumln 2008 S 36 Sta-cey amp Mowles 2016) bdquodas zu einem Wertewechsel sowohl der handlungsleitenden Th eorien als auch der Strategien und Annahmen fuumlhrtldquo (Argyris amp Schoumln 2008 S 36) und andererseits einem spiral- und wendelfoumlrmigen Meta-Lernen32 (bei Ar-gyris amp Schoumln 2018 begriffl ich das Deutero-Lernen33) ndash in Beziehung durch die Unterschiede und Blickwinkel zu den anderen drei Feldern Das Meta-Lernen greift die Kommunikations- und Lernabwehrroutinen auf um Widerstaumlnde An-lehnungen und Widerspruumlchlichkeiten aufzuzeigen Loumlsungen zu generieren und gewandelte Werte und Strukturen zu ermoumlglichen Beim Meta-Lernen ergruumln-det eine lernende Organisation (Schule) im eigenen Resonanzraum wie wann und weshalb Handlungen angepasst oder nicht anpasst bzw wie wann und wes-halb Werte Annahmen Haltungen usw veraumlndert oder nicht veraumlndert werden (Argyris amp Schoumln 2008) Kommunikationsprozesse ermoumlglichen in diesem Feld (iv) nach Rauscher (2012) sinnorientierte Durchblicke damit Lernende entschei-den lernen (i) Einblicke damit Lernende analysieren lernen (ii) und Weitblicke auf dass Lernende veraumlndern lernen (iii) Die Initiationskraft wirkt in diesem Feld im Sinne eines Lernens zweiter Ordnung34 transformierend und ermoumlglicht Chan-cen und neue Erfahrungen (Kolb 2015) durch Veraumlnderung der Blickwinkel Er-kennen und Verstehen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten sowie dem Ver-

32 bdquoMeta-learning implies that persons refl ect on and inquire into the process in which sing-le-loop and double-loop learning take place Refl ecting on the process of single-loop learning involves thinking about ways to improve error detection and correction and thus to improve the eff ectiveness of action strategies Refl ecting on the process of double-loop learning involves thinking about ways to improve discussion about norms and values underlying action strate-giesldquo (Visser 2007 S 663)

33 Der Begriff Deutero-Learning geht urspruumlnglich auf Gregory Bateson (1904ndash1980) zuruumlck und meint das Lernen 2 Ordnung (Visser 2003) Es ist Visser (Visser 2007) zuzustimmen dass das Konzept in der Fachliteratur immer wieder sehr unklar ausgefuumlhrt wird und Deutero-Ler-nen eher die Lernpathologien in Bezug auf Angst und Stress in Organisationen meint Damit ist der Begriff des Meta-Lernens zu bevorzugen um die Meta-Refl exionProfl exion des Ein-schleifen- und Zweischleifen-Lernens hervorzuheben

34 Im Sinne von Lippmann (2013) und Rauen (2014) kann hier das Kommunikationshandeln des Mentorings zweiter Ordnung als Patenschaft mit einem (hierarchischen) Beziehungsgefaumllle be-schrieben werden Eine erfahrene Fuumlhrungsperson fuumlhrt durch die Betonung der Beziehungs-ebene in die Riten und Werte einer lernenden Profession oder Organisation ein (dient auch der Strukturerhaltung)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 225

binden und Verknuumlpfen von Beziehungen (im Sinne eines bdquoextraverted sensingldquo (Kolb 2015 S 120 Kolb Boyatzis amp Mainemelis 2001)35

6 Annaumlherungen aus der Perspektive der lernenden Organisation und der Systeme

Aus der Idee der Menschenfuumlhrung und (Meta-)Kommunikation heraus soll nach Th omann und Schulz von Th un (2003) aus dem Persoumlnlichkeitsmodell von Riemann (1975) eher ein Beziehungsmodell bzw Relationsmodell fuumlr (lernende) Organisa-tionen und Systeme entstehen Ulrich Zenger und Smallwood (2000) schreiben zu ihrem Ansatz der ergebnisorientierten Unternehmensfuumlhrung dass (lernende) Orga-nisationen (Schulen) als Systeme darauf achten dass ihre Ergebnisse immer bdquoausge-wogenldquo (ebd S 52) sind Organisationen bdquoschaff en keine Erfolge in einer Dimension indem sie eine andere ignorierenldquo (ebd 2000 S 52) Als Dimensionen und Felder defi nieren Ulrich Zenger und Smallwood (2000) die vier Quadranten von Riemann (1975) Gute Ergebnisse entstehen fuumlr die Autoren in und durch eine Organisation wenn die Strebungen und Impulse gleichmaumlszligig und ausgewogen uumlber die vier Quad-ranten verteilt sind diese stark mit der Strategie der Organisation verbunden werden dadurch entsprechend sowohl kurz- als langfristige d h dauerhaft e Ziele unterstuumltzen und die Ergebnisse einer Organisation als Ganzes nutzen also nicht nur einige Grup-pen oder Bereiche in einer Organisation (Ulrich Zenger amp Smallwood 2000) Ergeb-nisorientierte Fuumlhrungspersonen koumlnnen zwar von Zeit zu Zeit eine Dimension den anderen vorziehen jedoch sollten alle vier Felder ausbalanciert werden um sowohl qualitaumltsvolle Produkte als auch innovative Prototypen zu ermoumlglichen Haumltte man als Fuumlhrungsperson nach Ulrich Zenger und Smallwood (2000) 100 Aufmerksamkeits-punkte uumlber die vier Quadranten der Organisation zu verteilen sollte keine Dimen-sion bdquomehr als 60 oder weniger als 10 Punkte erhaltenldquo (ebd S 55)36

Um das Konzept der Feldtransformation nun als Ansatz fuumlr lernende Organisa-tionen und Systeme37 naumlher zu beleuchten sollten das Konzept und die Ideen auch

35 Diese Kombination formt eine anpassungsfaumlhige Kommunikation Tatsachen werden von die-sen Personen sachlich zwischenmenschlich und kommunikativ akzeptiert bdquoHe knows what they are since he notices and remembers more than any other type He knows what goes on who wants what who doesnrsquot and usually why And he does not fi ght those facts (hellip) Oft en he can get other people to adapt too Being a perceptive type he looks for the satisfying so-lution instead of trying to impose any sbquoshouldlsquo or sbquomustlsquo of his own and people generally like him well enough to consider any compromise that he thinks bdquomight workldquo He is unprejudiced open-minded and usually patient easygoing and tolerant of everyone (including himself) He enjoys lifeldquo (Kolb 2015 S 121)

36 Einen sehr aumlhnlichen Ansatz waumlhlt das Instrument der Feldtransformation360 um die Ausge-wogenheit und das Balancing der vier Quadranten bei paumldagogischen Fuumlhrungspersonen zu beurteilen (Gregorzewsk Schratz amp Wiesner 2018)

37 Nach Stahl (2012) hat zu Beginn (Gruumlndung) jede Gruppe oder Organisation noch kein Orga-nisationsfeld welches sich uumlber die vier Quadranten formt Zu Beginn haben lernende Orga-nisationen meist durch die Gruppeneff ekte eine Tendenz zur Mitte jedoch damit eine Organi-sation optimal arbeits- und entwicklungsfaumlhig ist muss sie sich in den Quadranten erweitern und ihre Impulse ausdiff erenzieren Es entstehen nun spezielle Organisationsfelder uumlber die vier Quadranten hinweg Die Analyse ist besonders fuumlr ein Meta-Lernen produktiv

Christian Wiesner 226

mit der Th eorie von Parsons in Beziehung gesetzt werden bdquoNiemand unter den Zeit-genossen hat eine Gesellschaft stheorie von vergleichbarer Komplexitaumlt entwickeltldquo schrieb Habermas (1981) und verweist darauf dass das Gesamtwerk uumlber eine Dau-er von mehr als 50 Jahren bdquokonkurrenzlos im Hinblick auf Abstraktionshoumlhe und Dif-ferenziertheit gesellschaft stheoretische Spannweite und Systematik bei gleichzeitigem Anschluss an die Literatur einzelner Forschungsgebieteldquo (ebd S 297) blieb38 Parsons interpretierte aus seiner Handlungstheorie heraus das Modell off ener grenzerhalten-der Systeme und ermoumlglichte mit seinen Werken zwei unterschiedliche inhaltliche He-rangehensweisen Einerseits das Verhaumlltnis von Kultur Gesellschaft und Person und der Institutionalisierung sowie Internalisierung als die bedeutenden systemverschraumln-kenden Elemente aufzuzeigen und andererseits intersystemische Austauschbeziehun-gen als Schluumlsselfunktion zu betrachten (Habermas 2016) Fuumlr Parsons (1977) selbst gab es immer das Primat der Handlungstheorie mit der Begruumlndung bdquothat the subject of social interaction is in a fundamental sense logically prior to that of social systemldquo (ebd S 145) Parsons (1977) versuchte bdquosystemisch stabilisierende Handlungszusam-menhaumlnge sozial interagierender Gruppenldquo (Habermas 2016 S 301) zu erkennen und zu verstehen39

Parsons (1976) nennt vier grundlegende Funktionen bdquoderen Erfuumlllung notwendige Bedingung der Existenzfaumlhigkeit von Handlungssystemenldquo (Willke 1991 S 57) sind und stuumltzt sich dabei auf seine Arbeiten zur Kleingruppenforschung der Gruppendy-namik und auf das Phasenmodell des Kleingruppenprozesses (Parsons Bales amp Shils 1953) Parsons (1976) wendet die aus den analytischen Verallgemeinerungen ent-standenen vier Impulse und Ideen auf Systeme an Seine bdquodynamische Analyseldquo (Par-sons 1976 S 169) umfasst Gruppen Organisationen und auch die Gesellschaft Par-sons (1961) verwendet ebenfalls zwei Achsen um ein Vier-Funktionen-Schema zu erstellen Auf der ersten Achse bdquosoll die Funktion der Erhaltung latenter Strukturen die Basis der Besonderheit des Bezugssystems zum Ausdruck bringen Die Struktur bestimmt naumlmlich die Besonderheit des Systems gegenuumlber seinen Umwelten Auf der anderen Achse ist sie der Fokus fuumlr die Erhaltung der Kontinuitaumlt uumlber die Zeit ndash ein-schlieszliglich der Kontinuitaumlt von Entwicklungsmusternldquo (Opielka 2006 S 273 Parsons 1961) Systeme ndash wie Schule und auch Unterricht ndash bestehen immer zwischen Konti-nuitaumlt und Entwicklung weshalb eine der Leitachsen im Sinne einer bdquoIdentitaumlts-Diff e-renzldquo (von Saldern 2010 S 69) zu verstehen ist Die erste Achse ist daher gepraumlgt von einer zeitlichen Dimension des Handelns als Prozess und die zweite Achse von Hand-lungsordnungen die sowohl innere Relationen des Systems als auch Beziehungen zur Umwelt organisieren Daraus formen sich vier Felder jedes davon stellt Subsysteme des ganzen Systems dar und alle Felder lassen sich in der Th eorie jeweils wiederum in

38 Der Soziologe Talcott Parsons (1902ndash1979) entwickelte zunaumlchst eine Handlungstheorie die er anschlieszligend zu einer soziologischen Systemtheorie ausbaute Fuumlr Habermas (2016) kann bdquoheute keine Gesellschaft stheorie ernst genommen werden die sich nicht zu der von Parsons wenigstens in Beziehung setzt Wer sich uumlber diesen Umstand taumluscht laumlszligt sich von Aktualitauml-ten statt ihnen gegenuumlber sensibel zu sein gefangennehmenldquo (ebd S 297)

39 Das Konzept der Feldtransformation versucht in diesem Sinne und systemisch betrachtet sta-bilisierende und entwickelnde Handlungszusammenhaumlnge sozial interagierender Gruppen in lernenden Organisationen und in Systemen zu begreifen und Aktivierungsstrategien von Fel-dern darzustellen

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 227

die vier Funktionen unterteilen (Junge 2002 S 197 f) Diese vier fuumlr ein Handlungs-system unverzichtbaren Funktionen werden im sogenannten AGIL-Schema40 als Meta-theorie von Parsons (1976) zusammengefasst (siehe Abbildung 7)1) Adaption Die Adaptionsfunktion wird von Parsons (1976) als (auch wechselseiti-

ge) Bereitstellung von Ressourcen und verfuumlgbaren Mitteln defi niert41 unabhaumln-gig von der Relevanz von Zielen Dieselben knappen Ressourcen koumlnnen inner-halb einer Vielzahl an Zielen bdquoalternative Verwendungldquo (Parsons 1976 S 175) fi nden Alle Mittel dienen der Erreichung von Zielen auch wenn die Bereitstel-lung von Mitteln selbst auch ein Ziel sein kann Auf lernende Organisationen an-gewandt umfasst die Adaption bdquoeine Mannigfaltigkeit von Faumlhigkeitenldquo (Parsons amp Platt 1990 S 27) die es gestatten mit der Umwelt durch Regeln zu agieren und in der Umwelt bdquoauffi ndbare Ressourcen fuumlr das Funktionieren des Systems einzuset-zenldquo (ebd S 27)

2) Zielorientierung und -verwirklichung42 Die Zielorientierung schafft veraumlnderte Prozessbildungen im und am System und eroumlff net in Systemen jedoch auch das Problem die Traumlgheit der Kultur- und Wertemuster zu stoumlren Ziele werden bei Parsons (1976) bdquodurch den Begriff des Gleichgewichtsldquo (ebd S 174) defi niert naumlmlich als eine an spezifi sche Situationen gebundene Richtungsaumlnderung Syste-me haben viele (komplexe) Ziele43 die meist durch bdquorelative Dringlichkeit geord-netldquo (Parsons 1976 S 174) werden wobei die (Ab-)Folge in (lernenden) Systemen bdquohinreichend fl exibelldquo (ebd S 174) und agil sein muss Die Funktion ist nach Par-sons (1976) die Anregung und Aufrechterhaltung von Motivation und bdquodas Ver-moumlgen zur Spezifi kation und zur Generalisierung von Faumlhigkeitenldquo (Opielka 2006 S 272)

3) Integration Die Integration traumlgt nach Parsons (1976) zum Funktionieren des Sys-tems als Ganzes bei indem hier bdquodie Aufgabe der internen Koordination der ver-schiedenen Systemfunktionenldquo (Opielka 2006 S 273) uumlbernommen wird und Be-ziehungen zwischen Strukturerhaltung Zielorientierung und Adaption ermoumlglicht werden Dabei muumlssen Aufgaben erledigt werden die Ressourcen verteilt werden und alle Taumltigkeiten und Kompetenzen muumlssen miteinander und zueinander ab-gestimmt werden um zu einer Einheit (z B Gruppe Organisation) zu gelangen Die Integration konzentriert sich auch bdquoauf die aff ektive Dimension des Handelnsldquo (Opielka 2006 S 281) Die Funktion der Integration ist das fortlaufende Zusam-menwirken der Systemelemente zu gewaumlhrleisten

40 bdquoSysteme und Subsysteme sind in Parsonslsquo Th eorieaufb au keine ontologischen Entitaumlten son-dern analytisch konstruierte Gesetzmaumlszligigkeiten die nur durch Handeln in reales Geschehen umgesetzt werdenldquo (Muumlnch 2007 S 46)

41 Nach Jensen (1976) sollte man beachten dass es sich bei Adaptation um bdquoein wechselseitiges Arrangieren zwischen Umwelt und Systemldquo (ebd S 64) handelt und sie nicht als eine einseiti-ge Anpassung betrachtet werden soll

42 bdquoGoalattainmentldquo wird von Jensen (1976 S 64) als bdquoZielorientierungldquo und von Opielka (2006 S 228) als bdquoZielverwirklichungldquo uumlbersetzt

43 Bei einem System spricht man eher bdquovon einem System von Zielen statt von einem einzigen Einheitszielldquo (Parsons 1975 S 174)

Christian Wiesner 228

4) Strukturerhaltung44 Menschen schaff en im Leben bdquoeigene Sinnsystemeldquo (Jensen 1976 S 64) und diese bdquoWerte haben eine primaumlre Funktion fuumlr die Aufrechterhal-tung der Strukturen eines Sozialsystemsldquo (Parsons 1975 S 35) Die Funktion ist dabei die Strukturerhaltung um die Stabilitaumlt der Kulturmuster der Werte und Ri-tuale (Parsons 1961) zu bewahren45 als bdquoVerinnerlichung in der Persoumlnlichkeits-strukturldquo (Parsons 1976 S 173) von Menschen46 Fuumlr Parson (1976) sind bdquoWerte dem Wandel unterworfenldquo (ebd S 173) Das kulturelle System (Werte Grund-prinzipien Annahmen Uumlberzeugungen usw) beeinfl usst als bdquoSteuerungssys-temldquo (Parsons 1976 S 171) maszliggeblich das ganze soziale System Der Struktur-erhaltung schreibt Parsons systemtheoretisch eine hohe bdquoTraumlgheitldquo (Parsons 1976 S 174) zu47 Wertordnungen manifestieren sich in (scheinbar) festen und stabi-len Grundprinzipien (Muumlri 1993) Die Strukturerhaltung (Grundprinzipien Wer-te Kultur) geht damit den anderen Systemelementen bdquovoraus und wird sie uumlber-

44 bdquoLatent Pattern-Maintenanceldquo wird von Jensen (1976 S 64) als bdquoStrukturerhaltungldquo und von Opielka (2006 S 228) als bdquoErhaltung latenter Strukturenldquo uumlbersetzt Die Strukturerhaltung richtet sich nach Parsons (Parsons 1976 S 173) bdquoauf die Strukturkategorie der Werteldquo

45 Fuumlr Parsons (1975) hat Stabilitaumlt nicht gegenuumlber Wandel Vorrang jedoch verweist er auf un-terschiedliche Problemtypen bei der Analyse von Gleichgewichtsprozessen und von einem Strukturwandel

46 Das Kultursystem hat demnach auch bdquokeinen Handlungscharakterldquo (Wenzel 1991 S 383)47 Parsons (1976) spricht dennoch davon dass bdquoStabilitaumlt eher als temporale Kontinuitaumltldquo (ebd

S 178) betrachtet werden solle

Wechsel

Zielorientierung Integration

Adaption Strukturerhaltung

Richtungsaumlnderungen

und Motivation

interne Koordination

und Zusammenwirken

Anpassung und

Ressourcen

Aufrechterhaltung

und Erneuerung

von Wertmustern

Dauer

NaumlheDistanz

Abbildung 7 Das AGIL-Schema von Parsons 1976 in Verbindung mit Riemann 1975 (eigene Darstellung)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 229

dauernldquo (Parsons amp Platt 1990 S 27) dennoch unterliegen bdquoSystemwerteldquo (Jensen 1980 S 105) einem bdquoTransformationsprozessldquo (ebd)

Als besonders wichtig fuumlr den Entwurf des Modells gilt dass bdquoParsons mit der Ent-wicklung des AGIL-Schemas konsequent seine Vorstellung vertieft wonach Hand-lungssysteme in Handlungseinheiten dekomponierbar sindldquo (Opielka 2006 S 274) Im Vier-Felder-Modell48 koumlnnen nun Systemprobleme und Herausforderungen auft re-ten wie von Parsons (1976) u a im bdquoGleichgewichtsansatzldquo (ebd S 169) vorgestellt Diese Probleme betreff en die Prozesse in einem System die unter die Aufrechterhal-tung der Kulturmuster fallen Die Herausforderung besteht darin das Gleichgewicht zwischen der Bewahrung von (kulturellen) Werten und Mustern sowie einem bdquoUn-gleichgewichtldquo (Parsons 1976 S 170) durch Entwicklungsprozesse zu erhalten Ein Ungleichgewicht kann zu einem strukturellen Wandel fuumlhren der bdquounter normativen Gesichtspunkten houmlherer Ordnung wuumlnschenswert sein kannldquo (ebd S 170) Die wei-tere Herausforderung umfasst selbstverstaumlndlich die Entwicklungsprozesse selbst ndash mit der immerwaumlhrenden Orientierungsfrage bdquoWie kommt das Neue ins Systemldquo

7 Ausblick und Fazit

Die vorangegangenen Ausfuumlhrungen plaumldieren fuumlr ein Modell welches die verschie-denen Bestrebungen und auch Welt- und Denkbilder zusammenfuumlhrt Ein Ein-Blick in die Befunde der Komplexitaumltsforschung erscheint daher kurz vor einem abschlie-szligenden Fazit angebracht Der Zugang zu einem Verstaumlndnis von Komplexitaumlt von Stacey (2000) zeigt als Komplexitaumltsmodell (siehe Abbildung 8) auf der horizonta-len Achse das Kontinuum zwischen bdquoEinfachldquo und bdquoKompliziertldquo die vertikale Ach-se zeigt das Kontinuum zwischen bdquovorhersagbarldquo und bdquokreativ-chaotischldquo (Appelo 2011 S 41 Stacey 2000 Stacey amp Mowles 2016)49 Empirische Forschungsbefunde entstehen (meist) auf komplexe Art und Weise dennoch ist die Darstellung von Er-gebnissen (meist Daten) von einer beachtlichen Einfachheit gegenuumlber der (taumlglichen Multi-)Komplexitaumlt der Praxis gepraumlgt Die Praxis ist bdquokomplex ungewiss mehrdeu-tig einzigartig und von Wert- und Interessenkonfl ikten gepraumlgtldquo (Horster amp Rolff 2006 S 68) Diese Wert- und Interessenskonfl ikte muumlssen bei Schul- und Unterrichts-entwicklungen beziehungsorientiert mitbedacht werden ndash bestehende Schulkulturen Grundprinzipien Wertordnungen bestimmen alle Ideen Entwuumlrfe und Ansaumltze von empiriegestuumltzen Entwicklungen wir haben diese zu beachten

48 Das Vier-Felder-Modell fuumlhrt in Verbindung mit der Feldtransformation zu folgender Ausge-staltung Vernunft als Adaption Strategie als Zielorientierung Gestaltung als Integration und Identitaumlt als Strukturerhaltung

49 bdquoIt can scarcely be denied that the supreme goal of all theory is to make the irreducible basic elements as simple and as few as possible without having to surrender the adequate representa-tion of a single datum of experienceldquo (Albert Einstein 1879ndash1955)

Christian Wiesner 230

Abbildung 8 Das Komplexitaumltsmodell von Stacey 2000 und Appelo 2011 in Verbindung mit dem Modell der Feldtransformation (eigene Darstellung)

Das Modell der Feldtransformation50 integriert daher die kommunikationswissen-schaft lich gepraumlgte Unterscheidung von Watzlawick et al (2011) dabei wird zwi-schen einem Inhalts-Sachaspekt und einem Beziehungsaspekt diff erenziert Gerade fuumlr Watzlawick et al (2011) wirkt die Beziehungsorientierung wesentlich auf Prozes-se und Strukturen ein (Houmllker 2014) Der Beziehungsaspekt defi niert die Werte Hal-tungen und Grundprinzipien und wirkt auf den sozialen Kontakt die soziale Begeg-nung und Beziehung sowie z B auf Lerngemeinschaft en (Kooperation Resonanz) und gestaltet die Bedeutungen und Nebenbedeutungen auch im Sinne eines holistischen Hintergrundwissens (Wiesner 2010) Das Modell der Feldtransformation integriert

50 Die Subsysteme und Teilaspekte des Modells der Feldtransformation und des dazugehoumlrigen Kompetenzfeststellungsinstruments (als Feldtransformation360) entstanden in gemeinsamen Denkwerkstaumltten zwischen Wilfried Schley Michael Schratz Christian Wiesner David Keme-thofer und Johannes Schley fuumlr die Qualifi zierungsarbeit und eine Ausgewogenheit der Kom-petenzorientierung in der Leadership Academy (Schratz et al 2016) Auf die Teilaspekte der Feldtransformation wird in diesem Artikel nicht ausfuumlhrlich eingegangen eine detaillierte Dar-stellung des Instruments und der Subsysteme ist in Gregorzewski Schratz amp Wiesner (2018) nachzulesen Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel die theoretischen Urspruumlnge und wis-senschaft lichen Einfl uumlsse auf das Modell darzulegen

Entwicklungsorientierung

Stabilitaumltsorientierung

Beziehungs-

orientierung

Sach-

orientierung

COMPLEX

CHAOTIC

COMPLICATED

SIMPLE

CLOSE TOCERTAINTY

FAR FROMCERTAINTY

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 231

auch die systemtheoretisch gepraumlgte Unterscheidung zwischen der Funktion der Er-haltung latenter Strukturen und der Funktion der Entwicklung

Eine Annaumlherung an eine Ganzheit im Sinne von bdquoBalancingldquo (Kolb 2015 S 143) entsteht wenn Personen und Systeme moumlglichst viel bisher Wesensfremdes und Fern-liegendes in die vorgestellten Modelle integrieren um sich selbst als Person oder als System bdquozu weitenldquo (Riemann 1975 S 204) Der Blick von einem Punkt einer Leit-achse bestimmt die jeweilige Wahrnehmung Beobachtung das Denkmodell und so-mit die Analyse und veraumlndert die Aussagen und Erkenntnisse uumlber ein System (Boos 1991 Sandschneider 1995) Daher ist es notwendig sowohl die Felder als eine Ganz-heit (System) als auch einen Standpunkt (bzw die jeweiligen Standpunkte) in den Vordergrund der Beobachtung zu ruumlcken und zu klaumlren Das Konzept der Feldtrans-formation ist nicht als ein einseitiger linearer Prozess zu betrachten sondern vielmehr als Kreislauf in Spiral- und Wendelbewegungen ndash als Vorstellung einer Praxis-Th eorie- und Th eorie-Praxis-Beziehung zwischen Konzepten und Erfahrungen Dabei stehen die vier Felder in einer wechselseitigen Beziehung zueinander und wirken gegenseitig aufeinander ein Reformen Entwuumlrfe und Ideen zur Schul- und Unterrichtsentwick-lung durch Evidenz(en) sollten die Ausgewogenheit der Felder aktiv mitdenken und foumlrderlich unterstuumltzen In einem Meta-Lernen sollten die Denkmodelle und Grund-prinzipien von Reformen Entwuumlrfen und Ideen hinterfragt werden um zukuumlnft ig Antworten zu fi nden auf die Frage bdquoWie kommt Neues ins Systemldquo

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Erfahrungsberichte

Ulrike Krug

bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen SchulenldquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingen

Die Lesekompetenz der 15-Jaumlhrigen hat sich seit PISA 2000 stetig verbessert insbe-sondere in den unteren Kompetenzniveaus (Reiss Saumllzer Schiepe-Tiska Kleine amp Koumlller 2016) allerdings ist der Hintergrund fuumlr die Verbesserung zum Groszligteil auf Veraumlnderungen der Schuumllerzusammensetzungen zuruumlckzufuumlhren ndash und nicht auf unterrichtliche Maszlignahmen und Angebote zur Lesefoumlrderung

Etwa ein Viertel der Schuumllerinnen und Schuumller der Sekundarstufe verfuumlgt nur uumlber unzureichende basale sprachliche Faumlhigkeiten die sich insgesamt negativ auf die schulischen Lehr-Lern-Prozesse auswirken Das zeigt sich konkret vor allem beim Lesen und Schreiben Selbst relativ einfache und kurze Texte koumlnnen nicht sinnverstehend gelesen werden weil entweder zu langsam und zu ungenau gelesen wird (Mangel an Lesefl uumlssigkeit) um die Textbedeutung zu erfassen oder aber es fehlt an Lesestrategien um Lerntex-te zu erschlieszligen (Schneider et al 2012 S 121)

Diesen Ergebnissen im Bereich Lesekompetenz steht das Engagement der Lehrkraumlf-te diametral gegenuumlber und wirft die Frage nach der Wirksamkeit der schulischen Lese-foumlrderung auf Im Primarbereich wie auch in der Sekundarstufe werden viele und viel-faumlltige Lesefoumlrdermaszlignahmen angeboten was sich in den schulischen Lesekonzepten bzw in Schulprogrammen niederschlaumlgt Darin werden die meist zahlreichen Aktivi-taumlten und lesefoumlrderlichen Angebote dokumentiert die fuumlr die Lehrkraumlft e mit viel Ein-satz und zusaumltzlicher Muumlhe verbunden sind

Bei genauer Betrachtung lassen sich jedoch meist Angebote zur Leseanimation fi nden die die Lesemotivation der Schuumllerinnen wecken sollen Waumlhrend fuumlr viele Schuumllerinnen und Schuumller leseanimierende Angebote anregend und weiterfuumlhrend sind koumlnnen gerade schwache Leserinnen und Leser davon nur selten profi tieren weil sie Defi zite im Bereich des Lesens aufweisen die andere ndash spezifi schere ndash Foumlrdermaszlig-nahmen erfordern

Daher ist es erforderlich die an den Schulen geleistete Arbeit und die Angebote wertschaumltzend aufzunehmen und in eine systematische Lesefoumlrderung zu uumlberfuumlhren die vor dem Hintergrund eines diff erenzierten fachdidaktischen Modells von Lese-kompetenz ndash hier des Mehrebenenmodells von Rosebrock und Nix (2008) die ent-

Ulrike Krug 242

scheidenden Foumlrderschwerpunkte ausweist und eff ektive Foumlrderangebote fuumlr die ein-zelnen Dimensionen von Lesekompetenz bereithaumllt

Ein weiteres Problem der schulischen Lesefoumlrderung besteht in dem uumlberwiegend punktuellen Charakter der Foumlrdermaszlignahmen Viele der Foumlrderangebote sind zwar im Schulkonzept verankert werden aber nur vereinzelt oder nur punktuell waumlhrend des Schuljahrs durchgefuumlhrt Waumlhrend manche Lehrkraumlft e die festgeschriebenen Maszlignah-men gewissenhaft durchfuumlhren verwenden andere nur wenig Unterrichtszeit fuumlr lese-foumlrdernde Maszlignahmen Entsprechend ist es wichtig nicht nur eine systematische Le-sefoumlrderung zu betreiben sondern auch die Umsetzung uumlber die Schulleitung so zu steuern dass verbindliche Vereinbarungen zur Lesefoumlrderung im ganzen Kollegium getroff en im Jahresarbeitsplan festgeschrieben und eingehalten werden

Eine wesentliche Huumlrde bzw Gelingensbedingung fuumlr erfolgreiche Lesefoumlrderung in allen Schulformen liegt im Wissenstransfer von Forschungsbefunden ndash hier zur Le-sekompetenz ndash in die schulische Praxis Lehrkraumlft e aller Schulformen sind in der Re-gel bereit und willens die Lesekompetenz ihrer Schuumllerinnen und Schuumller zu foumlrdern Was fehlt sind Fortbildungs- und Unterstuumltzungsangebote mit wissenschaft sbasierter systematischer Anleitung aber zugleich praxistauglichen Konzepten zur Foumlrderung der Lesekompetenz der Schuumllerinnen und Schuumller in allen Schulformen

In der bdquoGesamtstrategie der Kultusministerkonferenzldquo von 2015 wird erstmals der Wissenstransfer aus der Forschung in die schulische Praxis als verbesserungswuumlrdig angesehen und als Aufgabe postuliert damit zukuumlnft ig in groumlszligerem Maszlige bdquoErklauml-rungs- und Handlungswissenldquo fuumlr die Lehrkraumlft e und die Bildungsverwaltung zur Ver-fuumlgung gestellt wird (Sekretariat der Staumlndigen Konferenz der Kultusminister der Laumln-der in der Bundesrepublik Deutschland 2015)

Mit der 2012 vorgelegten BiSS-Expertise bdquoBildung durch Sprache und Schrift ldquo als Grundlage der Bund-Laumlnder-Initiative gibt es erstmals eine bundeseinheitliche un-abhaumlngige wissenschaft liche Stellungnahme bdquodie beschreibt wie Sprachfoumlrderung Sprachdiagnostik und Lesefoumlrderung in Deutschland systematisch weiterentwickelt werden koumlnnenldquo (Schneider et al 2012 S 15) und zwar uumlber alle Bildungsetappen hinweg Die Zielsetzung besteht dabei darin bdquoeine sprachwissenschaft lich und di-daktisch bzw paumldagogisch fundierte kontinuierliche Sprach- und Lesefoumlrderung so-wie eine darauf abgestimmte Diagnostik (formativ und summativ) und Qualifi zierung des paumldagogischen Personals zu gewaumlhrleistenldquo (Schneider et al 2012 S 15) Damit ist fuumlr Lehrkraumlft e und paumldagogische Fachkraumlft e ein Orientierungsrahmen zur Sprach- und Lesefoumlrderung gegeben und die in der Expertise dargelegten Bewertungen moumlgli-cher Maszlignahmen und Instrumente unterstuumltzen eine praktische Umsetzung

Diesem Standard sollten Konzepte zur Lesefoumlrderung und zu Fortbildungen entspre-chen

Das Konzept bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo erfuumlllt diese Stan-dards ist ausgerichtet auf die BISS-Expertise und hierbei orientiert an den BISS-Mo-dulen Lesekompetenz so wie sie im Kompetenzmodell der Bildungsstandards be-schrieben und in den Lehrplaumlnen in allen Bundeslaumlndern konkretisiert ist entsteht nicht bdquoeinfach soldquo durch Textarbeit im Unterricht Aufb au von Lesekompetenz erfordert

bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo 243

einen kleinschrittigen systematischen und kontinuierlichen Aufb au von Teilkompeten-zen bei dem wesentliche Grundlagen das fachdidaktische Wissen der Lehrkraumlft e so-wie deren Verstaumlndnis eines foumlrder- und kompetenzorientierten Unterrichts sind

Im vorliegenden Praxisleitfaden geht es genau darum Lehrkraumlft en in allen Schul-formen wird ein kohaumlrenter wissenschaft lich gesicherter Orientierungsrahmen fuumlr eine systematische fachdidaktische Weiterentwicklung der Lesefoumlrderung in einem foumlrder- und kompetenzorientierten Unterricht und fuumlr eine systemische Ausrichtung der Lesefoumlrde-rung in der ganzen Schule gegeben

Grundlage dafuumlr sind wissenschaft lich anerkannte und beeinfl ussbare Elemente der Lesekompetenz sodass Lehrkraumlft e bezuumlglich der Wirksamkeit ihrer Investitionen und Bemuumlhungen um die Lesefoumlrderung versichert sein koumlnnen Diese Elemente sind der zentrale Bestandteil des Konzepts bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schu-lenldquo

Als wissenschaft lich gesicherte und beeinfl ussbare Elemente der Lesekompetenz sind hier zugrunde gelegt bull Einsatz von Leselernstandsermittlungen (formative Lernstandsermittlung)bull Sicherung der DekodierfaumlhigkeitLesefl uumlssigkeitbull Einuumlben von Lesestrategienbull Lesen in allen Faumlchernbull LeseanimationSelbstkonzeptbull Lesefoumlrderung fuumlr Jungen

Die Setzung wissenschaft sbasierter Elemente der Lesekompetenz defi niert zugleich einen Mindeststandard in der Lesefoumlrderung und dient somit den Lehrkraumlft en als Orientierungsrahmen fuumlr die schulischen Angebote zur Lesefoumlrderung Diese werden je nach Schulform und Altersgruppe der Schuumllerinnen unterschiedlich priorisiert So wird z B die Lesefl uumlssigkeit in den Grund- Haupt- und Realschulen sehr viel intensi-ver trainiert werden muumlssen als in den Gymnasien in denen hingegen die Einuumlbung der Lernstrategien ganz vorrangig in den Blick geruumlckt werden muss

Alle Elemente sind jedoch gleichermaszligen bedeutungsvoll fuumlr die Lesefoumlrderung in allen Schulformen und uumlber alle Bildungsetappen hinweg Keines der Elemente soll-te in der schulischen Lesefoumlrderung vernachlaumlssigt oder nicht beachtet werden Wir-kungsvolle effi ziente Lesefoumlrderung kann nur in der jeweils spezifi schen Umsetzung aller Elemente der Lesefoumlrderung erzielt werden

Lesefoumlrderung wird in diesem Rahmen nachdruumlcklich nicht auf die Arbeit mit lite-rarischen Texten innerhalb des Literaturunterrichts beschraumlnkt sondern als ein uumlber-fachliches Anliegen verstanden als eine Schluumlsselkompetenz die fuumlr erfolgreiches Lernen in allen textbasierten Faumlchern von Bedeutung ist und in allen Faumlchern ndash ange-messen ndash bedacht sein muss

Lesen als uumlberfachliche Kompetenz wird im Praxisleitfaden auch nicht als alleini-ge Aufgabe der Grundschule verstanden Selbstverstaumlndlich ist das Lesenlernen eine zentrale Aufgabe in den beiden ersten Schuljahren der Grundschule Dennoch ist die Entwicklung der Lesekompetenz ndash wie bereits dargelegt ndash auch nach einem gelunge-

Ulrike Krug 244

nen Schrift spracherwerb am Ende der Grundschulzeit keineswegs abgeschlossen Viel-mehr muss das fl uumlssige Lesen und das Erlernen und Einuumlben von Lesestrategien ver-staumlrkt im Verlauf der weiteren Schulzeit und danach erfolgen insbesondere mit Blick auf die zunehmend laumlngeren und komplexeren Texte die als Grundlage fuumlr das Ler-nen in allen Faumlchern dienen Das Verstaumlndnis dass die Lesekompetenz auch nach der Grundschule ndash systematisch und in allen Faumlchern ndash weiter gefoumlrdert werden muss setzt sich in den weiterfuumlhrenden Schulen jedoch erst allmaumlhlich durch

Vor Beginn der eigentlichen Fortbildungen wird als erster Schritt mit dem jewei-ligen ganzen Kollegium eine Bilanzierung der bisherigen unterrichtlichen und schuli-schen Angebote und Maszlignahmen zur Lesefoumlrderung durchgefuumlhrt damit diese Arbeit gewuumlrdigt und festgeschrieben werden kann Die Bilanzierung erfolgt mithilfe der Checkliste die die bedeutsamen Elemente der Lesekompetenz (Standards) beinhaltet Ebenso wird durch eine Bilanzierung deutlich welcher schulische Entwicklungsbedarf bezuumlglich der Lesefoumlrderung besteht sodass dieser als Entwicklungszielfestgeschrieben werden kann Diese Entwicklungsziele stellen gleichzeitig Schulentwicklungsvorhaben dar die mithilfe der vorliegenden Fortbildungsmodule des Konzepts bdquoVerstaumlrkte Lese-foumlrderung an hessischen Schulenldquo mit theoretischer Fundierung und praktischer An-leitung angegangen werden koumlnnen

Die Struktur der Module ist immer gleich An erster Stelle stehen Ausfuumlhrungen allgemein zum foumlrder- und kompetenzorientierten Unterricht es folgt die theoreti-sche Fundierung des jeweiligen Elements der Lesekompetenz (Lesefl uumlssigkeit Text-verstaumlndnis Lesemotivation) sodass auf dieser Grundlage Diagnoseinstrumente und Foumlrdermaszlignahmen zur Umsetzung in der Unterrichtspraxis vorgestellt und umgesetzt werden koumlnnen

Im Modul 1 geht es um die Diagnose und die Foumlrderung der basalen Lesefertigkei-ten die ein fl uumlssiges Lesen auf der Wort- und Satzebene ermoumlglichen und auch in den Schulen der Sekundarstufe im Uumlbergang noch in den Blick genommen werden muumlssen In diesem Modul werden nach einer theoretischen Einfuumlhrung leicht hand-habbare Instrumente (bdquoToolsldquo) zur Diagnose wie auch Moumlglichkeiten der Foumlrderung vorgestellt Weiterhin wird mit der Methode bdquoLautlese-Tandemsldquo ein Foumlrderverfahren vorgestellt und praktisch eingeuumlbt Dieses Modul richtet sich speziell an die Deutsch-lehrkraumlft e

Im Modul 2 steht das Leseverstaumlndnis im Mittelpunkt Schwerpunkt ist hier der Einsatz von Lesestrategien sowie von metakognitiven Strategien Auch hier geht es eingangs um die grundsaumltzliche Bedeutung von Lernstrategien fuumlr den individuellen und eigenaktiven Kompetenzerwerb Oft mals sind den Lehrkraumlft en zwar Lernstrate-gien bekannt die Bedeutung der Lehrperson als Modell bei der Einuumlbung von Lern-strategien jedoch noch nicht genuumlgend praumlsent Lesestrategien werden haumlufi g im Fach Deutsch selten aber in allen Faumlchern genutzt Daher sollte dieses Modul von allen Lehrkraumlft en einer Schule erarbeitet werden

Im Modul 3 steht die Diagnose und Foumlrderung der Lesemotivationdes Selbst-konzepts im Fokus Hierbei geht es darum wie Schuumllerinnen und Schuumller zum Le-sen motiviert werden koumlnnen die zwar in kognitiver Hinsicht zur Textverarbeitung in der Lage sind aber laumlngere Texte und Buumlcher nicht lesen z B weil sie keinen per-

bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo 245

soumlnlichen Gewinn aus der Lektuumlre ziehen koumlnnen oder Anstrengung beim Lesen ver-meiden wollen Die Bedeutung des Selbstkonzepts fuumlr erfolgreiches Lernen ndash in allen Faumlchern ndash steht hier im Vordergrund Zur Diagnose werden Frage- und Selbstein-schaumltzungsboumlgen vorgestellt Verfahren der Leseanimation wie z B Leseprojekte Klas-senbibliotheken Lesenaumlchte usw sowie Vielleseverfahren werden als Moumlglichkeiten der Lesefoumlrderung in diesem Modul vorgestellt und erprobt Dieses Modul richtet sich an die Deutschlehrkraumlft e in den weiterfuumlhrenden Schulen aber auch an die Fachleiterinnen damit diese die grundlegenden Informationen weitergeben koumlnnen

Die Bilanzierung der Angebote zur Lesefoumlrderung ist wie bereits ausgefuumlhrt fuumlr alle Lehrkraumlft e einer Schule vorgesehen und der erste und grundlegende Schritt zur systemischen Verankerung des Ist-Stands sowie der Entwicklungsziele in der schuli-schen Lesefoumlrderung Die folgende Erarbeitung der drei Fortbildungsmodule zur Le-sefoumlrderung kann von einzelnen Lehrkraumlft en individuell fuumlr ihren eigenen Unterricht genutzt werden Wie oben bereits dargestellt besteht die Zielsetzung des Konzepts bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo jedoch immer auch darin ein gan-zes Kollegium eine ganze Schule zu erreichen Aus diesem Grund sind neben den fachlichen Angeboten zur Foumlrderung der Lesekompetenz jeweils auch Angebote zu verbindlichen Vereinbarungen zur Lesefoumlrderung in der ganzen Schule vorgehalten Da-bei geht es immer zunaumlchst um die Erprobung und Evaluation der eingesetzten Maszlig-nahmen mit der Frage nach der Wirkung bei den Lernenden und der Praktikabilitaumlt der bdquoAlltagstauglichkeitldquo fuumlr die Lehrkraft Der naumlchste Schritt ist die Abstimmung im Kollegium uumlber verbindliche Vereinbarungen zur Lesefoumlrderung z B zum Einsatz von Lautlesetandems ndash auch hierzu gibt es entsprechende Vorlagen fuumlr die Hand der Schulleiterinnen Damit ist eine systematische und gemeinsam vereinbarte Weiterent-wicklung der Lesefoumlrderung im ganzen System Schule moumlglich und somit auch hof-fentlich eine Nachhaltigkeit in der Lesefoumlrderung gewaumlhrleistet

Hierzu benoumltigen Lehrkraumlft e aller Schulformen Anleitung durch wissenschaft lich gesicherte und praxistaugliche Konzepte Grundlage muss darin vor allem die Prauml-zisierung und Konkretisierung von Lesekompetenz in Form beinfl ussbarer Elemen-te sein die systematisch und leicht handhabbar im Unterricht umgesetzt werden koumlnnen So erhalten Lehrkraumlft e einen fundierten und uumlberschaubaren Orientierungs-rahmen fuumlr die Lesefoumlrderung Das Konzept bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo hat genau diese Anleitung zum Ziel

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Ulrike Krug 246

Sekretariat der Staumlndigen Konferenz der Kultusminister der Laumlnder in der Bundesrepub-lik Deutschland (2015) Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Bildungs-monitoring Beschluss der 350 Kultusministerkonferenz vom 11062015

Ramona Lau

Praxisforschung zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II ndash und dann Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer1

Innere Diff erenzierung ist das Th ema der Unterrichtsgestaltung ndash so koumlnnte man den-ken Denn Innere Diff erenzierung als Unterrichtsprinzip (Heymann 2010 S 8) wird von vielen Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern und Praktikerinnen und Prak-tikern als ein wichtiger Aspekt der individuellen Foumlrderung von Schuumllerinnen und Schuumllern in heterogenen Lerngruppen gesehen (z B Klafk i amp Stoumlcker 1976 Hey-mann 2010 Boller amp Lau 2010 Boumlnsch 2016 in kritischer Betrachtung auch Wi-scher amp Trautmann 2010a) die z B im Bundesland Nordrhein-Westfalen im Schulge-setz verankert ist2 Weiter verstaumlrkt wurde die Forderung nach Umsetzung von Innerer Diff erenzierung im Unterricht im Zuge der Einfuumlhrung inklusiver Bildung in das Schulsystem Deutschlands (Kultusministerkonferenz 2011 S 9)3 Dabei werden Zu-sammenhaumlnge zur Inneren Diff erenzierung zumeist lediglich fuumlr die Sekundarstufe I bedacht (Bathe Boller amp Kemper 2010) Dass Innere Diff erenzierung auch ein Th ema fuumlr die Ausbildung in der Sekundarstufe II ist haben Boller und Lau (2010) mit ihrem Praxishandbuch zum Th ema gezeigt

Diese Schlaglichter verdeutlichen dass am Oberstufen-Kolleg Bielefeld einer Ver-suchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen ein im Jahr 2006 begonnener For-schungsprozess zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II von pers-pektivisch hoher Relevanz war ndash mehr noch Sie lassen die Hypothese zu dass Forschungsergebnisse zur Inneren Diff erenzierung die aus der Praxis und fuumlr die Pra-xis gewonnen wurden in hohem Maszlige transferwuumlrdig waren bzw sind und nachge-fragt werden4

1 Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag bdquoPraxisforschung im Bereich Heterogenitaumlt und Inklusion ndash Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransferldquo vom 01072016 in Salzburg im Rahmen der 22 EMSE-Fachtagung

2 Erstmalig im Schulgesetz formuliert wurde das Recht auf individuelle Foumlrderung im Jahr 2006 (Ministerium fuumlr Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2006)

3 Im Schulgesetz NRW ist seit 2014 formuliert dass Schuumllerinnen und Schuumller mit und ohne Behinderung bzw sonderpaumldagogischem Foumlrderbedarf gemeinsam unterrichtet und erzogen werden sollen (Ministerium fuumlr Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2014)

4 Zur naumlheren Beschreibung von Forschungsprozessen an der Versuchsschule Oberstufen-Kolleg sowie dem spezifi schen Verstaumlndnis von Praxisforschung siehe Hahn et al in diesem Band Hahn et al defi nieren in ihrem Aufsatz zudem Transferprozesse bzw -forschung Die von den

Ramona Lau 248

Aufb auend auf diesen Aussagen bzw Annahmen werden in diesem Beitrag For-schungs- und Transferaktivitaumlten zur Inneren Diff erenzierung nachgezeichnet und diskutiert Dabei wird ein Blick auf sechs Jahre Praxisforschung gerichtet die immer eng verbunden mit Praxistransfer gestaltet wurde Zunaumlchst werden in Kapitel 1 drei aufeinander aufb auende Praxisforschungsprojekte kurz vorgestellt die im Folgenden (Kapitel 2) bezuumlglich ihrer Moumlglichkeiten zum Praxistransfer kritisch betrachtet wer-den Abschlieszligend wird in Kapitel 3 eine Schlussfolgerung versucht in die auch Pers-pektiven fuumlr kuumlnft igen Praxistransfer einbezogen sind

1 Heterogenitaumlt als Normalfall Praxisforschung Innere Diff erenzierung in der Sekundarstufe II mit Transfer der Ergebnisse in die Praxis

Ausgangspunkt fuumlr die hier vorgestellte Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur In-neren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II war ein Schulentwicklungsprozess des Oberstufen-Kollegs der 2005 initiiert wurde Dessen zentrale Leitlinie war die Be-trachtung von Heterogenitaumlt als Normalfall In diesem Zusammenhang hat sich im Jahr 2006 die Forschungs- und Entwicklungsgruppe bdquoInnere Diff erenzierung in der Sekundarstufe IIldquo konstituiert Deren Mitarbeiterinnen (Lehrkraumlft e der Versuchsschu-le und Mitarbeiterinnen der Wissenschaft lichen Einrichtung Oberstufen-Kolleg) ha-ben sich bis ins Jahr 2012 mit verschiedenen Fragestellungen und Zielperspektiven des Th emas angenommen Von ihnen wurden Fragestellungen zur Inneren Diff eren-zierung immer praxisbezogen formuliert das betrifft auch die Transferprozesse die durch die Gruppe initiiert und durchgefuumlhrt wurden Drei Schwerpunkte wurden uumlber sechs Jahre hinweg betrachtet Im Folgenden werden diese drei Projekte skizziert

11 Interner Transfer von Forschungsergebnissen das Schulentwicklungsprojekt Innere Diff erenzierung in der Sekundarstufe II am Oberstufen-Kolleg

Zentrales Anliegen der Forschungs- und Entwicklungsarbeit zum Schulentwicklungs-projekt Innere Diff erenzierung in den Jahren 2006ndash2008 war die Professionalisierung der Lehrenden des Oberstufen-Kollegs im Umgang mit heterogenen Lerngruppen Dabei ruumlckte die Weiterentwicklung der Moumlglichkeiten zur individuellen Foumlrderung aller Lernenden (nicht nur spezieller Gruppen oder einzelner Schuumllerinnen) in den Fokus Zusammenfassend koumlnnen fuumlr die zwei Jahre folgende Th emenschwerpunkte bzw Taumltigkeiten nachgezeichnet werden bull Erhebung des Ist-Stands zur Inneren Diff erenzierung am Oberstufen-Kolleg zur

Durchfuumlhrung adressatengerechter interner Fortbildungsprozesse

Autorinnen und Autoren vorgenommenen Begriff sbestimmungen sind auch fuumlr diesen Beitrag leitend

Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer 249

bull Analyse und Adaptionen (im Sinne von bdquoNacherfi ndenldquo Kussau 2007) von Metho-den Innerer Diff erenzierung unter dem Fokus der Bedingungen der Sek II konkret der gymnasialen Oberstufe

bull Rezeption von Forschungsergebnissen zur Inneren Diff erenzierung und zu Fortbil-dungskonzepten

bull Fokus Lehrerprofessionalitaumlt Was brauche ich als Lehrperson um erfolgreich Bin-nendiff erenzierung durchzufuumlhren

bull Interner Transfer der Forschungsergebnisse mit modularisiertem Setting

Nach einem Jahr theoretischer Vorarbeiten begann im Sommer 2007 die praktische Umsetzung der Schulentwicklungsarbeit im und mit dem Kollegium Im Fokus des in-ternen Transfers standen neben einer Auseinandersetzung mit konkreten Methoden der Inneren Diff erenzierung umfaumlngliche refl exive Anteile Die Lehrerprofessionalitaumlt wurde mit ihren Facetten professionelle Handlungskompetenz und paumldagogische Hal-tung (Bernard Lau amp Waumlcken 2010 Lau amp Boller 2010) als bedeutsames Moment zur Umsetzung des Prinzips Innere Diff erenzierung in den Mittelpunkt gestellt Inne-re Diff erenzierung war uumlber ein ganzes Ausbildungsjahr hinweg der Schwerpunkt der hausinternen Fortbildungsarbeit Damit konnte eine wichtige Voraussetzung fuumlr wirk-same Lehrerfortbildung das Erstrecken uumlber einen laumlngeren Zeitraum erfuumlllt werden (Lipowsky 2004 S 473) Foren ermoumlglichten neben mehreren paumldagogischen Tagen zum Th ema eine kollegiale Auseinandersetzung mit verschiedenen Dimensionen In-nerer Diff erenzierung Zur notwendigen kontinuierlichen Einbeziehung der Lernen-den des Oberstufen-Kollegs in die Konzeption konkreter Entwicklungsprozesse (Kem-per amp Kroumlger 2008 S 237) wurden Analysen vor und Evaluationen nach zentralen Veranstaltungen vorgenommen So wurde der Schulentwicklungsprozess so gut wie moumlglich adressatengerecht gestaltet (eine ausfuumlhrliche Darstellung zu dieser Schulent-wicklungsarbeit fi ndet sich bei Bathe Kemper Lau Rosowski amp Waumlcken 2008)

Im Verlauf dieser Transferarbeit nach innen ergaben sich wichtige Hinweise zu Gelingensbedingungen von Schulentwicklungsprozessen Diese lassen sich als Voraus-setzungen und Aufgaben fuumlr eine den Prozess gestaltende Schulentwicklungsgruppe fuumlr das Kollegium und fuumlr die Schulleitung bzw eine die Schulentwicklungsprozes-se einer Einrichtung insgesamt koordinierende Gruppe beschreiben (ausfuumlhrlich sie-he Lau 2012 S 249 f)

12 Das Praxishandbuch bdquoInnere Diff erenzierung in der Sekundarstufe IIldquo ndash aus der Praxis fuumlr die Praxis

Mit der Konzeption und Veroumlff entlichung des Herausgeberbands bdquoInnere Diff erenzie-rung in der Sekundarstufe II Ein Praxishandbuch fuumlr Lehrerinnenldquo (Boller amp Lau 2010) wurden die Forschungsergebnisse der Projektgruppe aus den Vorjahren im For-schungszeitraum 2008 bis 2010 fuumlr den externen Transfer aufb ereitet Bedeutsam ist dass sich die Projektgruppe Innere Diff erenzierung nie als bloszliges Methodenrepertoire verstanden hat sondern umfaumlnglich Voraussetzungen und Diskussionen zur Inneren

Ramona Lau 250

Diff erenzierung rezipiert erforscht und formuliert hat (zur Buchkonzeption ausfuumlhr-licher siehe Lau 2012 S 250 f) Im Mittelpunkt standen fuumlr die Gruppe in diesem Sinne einerseits Chancen und Grenzen von Methoden Innerer Diff erenzierung dazu wurden Ergebnisse empirischer Forschungen einbezogen Andererseits wurde auch eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Lehrerprofessionalitaumlt durch das Buch betont Hervorzuheben ist dass dieses Handbuch die Luumlcke schloss die fuumlr Pu-blikationen zur Inneren Diff erenzierung vorlag Ein Praxisband nur fuumlr die Sekundar-stufe II war (und ist) etwas Besonderes

Mit diesen hier nur angedeuteten Erfahrungen und Forschungsergebnissen aus vier Jahren Praxisforschung konnte der letzte Schwerpunkt der Arbeit in den Blick genommen werden der externe Transfer von Praxisforschungsergebnissen zu Innerer Diff erenzierung uumlber Fortbildungskonzepte

13 Externer Transfer Fortbildungen zur Inneren Diff erenzierung

Die Projektgruppe war gewarnt Forschungsergebnisse zur Inneren Diff erenzierung so aufzubereiten dass sie auf Unterrichtspraxis der fortgebildeten Lehrpersonen einwir-ken und diesen Transfer auch zu beforschen ndash das ist eine Herausforderung (Lipow-sky 2010 S 51)

Entsprechend wurden die Fortbildungen die durch die Projektgruppe in den Jah-ren 2010 bis 2012 angeboten wurden sehr sorgfaumlltig geplant Leitend waren neben eigenen Praxiserfahrungen (siehe 11) u a folgende Hinweise (ausfuumlhrlich zu konzep-tionellen Uumlberlegungen Lau 2011) bull Lehrerwissen bzw die berufsbezogenen Uumlberzeugungen veraumlndern sich nur positiv

wenn im Rahmen der Fortbildung eine Auseinandersetzung mit konkreten Unter-richtssituationen stattgefunden hat (Helmke 2010 S 311)

bull Erweiterung und Staumlrkung vorhandener Kompetenzen (Jaumann-Graumann Mey-er Stengert-Schaumburg amp Pfeiff er 2000 S 96) sowie Fokussierung auf den Unter-richt der einzelnen Teilnehmerinnen nicht (ausschlieszliglich) auf Th eorien und Mo-delle (Feindt 2010 S 88) sind im Planungsprozess zu bedenken

bull Die Refl exion der eigenen berufl ichen Arbeit auf deren Basis eine Veraumlnderung der individuellen Professionalitaumlt stattfi nden kann ist von Bedeutung (Jaumann-Grau-mann amp Koumlhnlein 2000 S 15 Lipowsky 2004 S 465 Lipowsky 2011 S 412)

bull Fuumlr Fortbildungen im Bereich Innerer Diff erenzierung ist zudem die Aussage hoch relevant dass eigene lernwegdiff erenzierte Arbeits- und Lehr-Lern-Prozesse ermoumlg-licht und dabei die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer konzeptionell beruumlcksichtigt werden (Fischer 2007 S 10) Es geht also darum Innere Diff erenzierung in der Fortbildung als Modell fuumlr die Fortbil-dungsveranstaltung an sich anzusehen

bull Nach Bloumlmeke (2010) ist das individuelle Selbstkonzept fuumlr den langfristigen Be-rufserfolg von hoher Relevanz Generell entwickelt sich die Lehrerprofessionalitaumlt durch Kenntnis Einsicht und Refl exion weiter Dazu bedarf es einer Auseinander-

Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer 251

setzung mit Th eorie sowie das Durcharbeiten bzw Erproben didaktischer Modelle (Jaumann-Graumann amp Koumlhnlein 2000 S 14 f)

bull Zu beachten fuumlr Implementationsbestrebungen sind natuumlrlich Voraussetzungen wie Uumlberzeugungen Motivation und Vorwissen aufseiten der fortzubildenden Personen sowie das Klima im Kollegium (Lipowsky 2010 S 63 f)

bull Kollegialer Austausch waumlhrend (Fussangel Ruumlrup amp Graumlsel 2010 S 331 347) und nach (Lipowsky 2010 S 65) Fortbildungsveranstaltungen tragen dazu bei (neue) Methoden und Konzepte in den Unterricht der einzelnen Lehrpersonen zu integ-rieren

Durchgefuumlhrt wurden angebotsorientierte (Workshops oder Vortraumlge) und nachfrage-orientierte Angebote Beide Formate bargen individuelle Chancen und Risiken (Ter-hart 2000 S 131) die es zu beachten galt Bei den nachgefragten Veranstaltungen handelte es sich ausnahmslos ndash und durchaus auch gegen den Rat der Fortbildne-rinnen ndash um eintaumlgige Veranstaltungen sogenannte schulinterne Fortbildungen was nicht uumlberrascht hat (dazu auch Lipowsky 2011 S 412)5 Insbesondere fuumlr diese Ver-anstaltungen wurde ein umfassendes Modell zur Planung Durchfuumlhrung und Evalua-tion der Fortbildungen konzipiert und angewendet (Abb 1 ndash ausfuumlhrlich beschrieben bei Lau amp Groszlige-Kluszligmann 2012)

Abbildung 1 Konzeption Evaluation und Weiterentwicklung von Fortbildungsveranstaltungen (Lau amp Groszlige-Kluszligmann 2012 S 170)

5 So galt in NRW im hier besprochenen Zeitraum dass lediglich ein paumldagogischer Tag als unterrichtsfreier Tag pro Schuljahr fuumlr Fortbildungsmaszlignahmen die die Weiterentwicklung der gesamten Schule betreff en eingeplant werden konnte (Tresselt 2015) Hierzu gibt es mit einer neuen Allgemeinen Dienstordnung (ADO) seit Juni 2012 uumlber sect 11 (4) eine Erweiterung Zwei paumldagogische Tage (schulinterne Fortbildungen) koumlnnen durch eine Schule gestaltet werden (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen 2013)

Ist Fortbildung uumlberhaupt noumltig

Ja ndash Fortbildung MUSS sein

Fortbildungcharakterisiert durch

Bedarfsanalyse

Arbeitsergebnisse Evaluation(repraumlsentativer Anteil)

Feedbackbogen TeilnehmerInnen

Erhebungsinstrumente

Selbstreflexion Fortbildungsteam

Durchfuumlhrung

Konzept +Inhalten

Evaluation

Ramona Lau 252

Ausgehend von der positiv beantworteten Frage ob Fortbildung zur Inneren Diff eren-zierung uumlberhaupt notwendig ist wurden Fortbildungsmodule konzipiert und durch-gefuumlhrt (siehe oben) Die durchgefuumlhrten Veranstaltungen wurden durch das Fortbil-dungsteam vielfaumlltig evaluiert Zudem boten die Arbeitsergebnisse der fortgebildeten Lehrerinnen und die Selbstrefl exion der Fortbildnerinnen wichtige Anhaltspunkte die zur Weiterentwicklung sowohl des Fortbildungs- als auch des Evaluationskonzepts genutzt wurden Jede nachfrageorientierte Veranstaltung wurde zudem durch eine umfangreiche Bedarfsanalyse die mit verschiedenen Statusgruppen der nachfragen-den Einrichtung durchgefuumlhrt wurde eingeleitet Auch dieses Instrument wurde im-mer wieder auf den Pruumlfstand gestellt

Nach der systematisch vorgenommenen zweijaumlhrigen Transferarbeit konnte die Pro-jektgruppe fuumlr die Durchfuumlhrung eintaumlgiger schulinterner Fortbildungen u a Folgen-des konstatieren bull Obwohl die Konzeption dieser Veranstaltungen nachfrageorientierte und angebots-

orientierte Module beinhaltet hatte umfangreiche Bedarfsanalysen mit verschiede-nen Statusgruppen der schulischen Einrichtung im Vorfeld der Fortbildung durch-gefuumlhrt wurden auf deren Basis die Konzeption der Veranstaltung je angepasst wurde konnte gemaumlszlig Evaluationsergebnissen eine adressatengerechte Durchfuumlh-rung von Fortbildungen fuumlr alle Teilnehmerinnen nicht in Gaumlnze erreicht werden

bull (Off ensiv vertretene) Angebote zur Modularisierung bzw zur Nachbereitung der Fortbildungen wurden in keinem Fall durch die Schulen diskutiert entsprechend nicht in Anspruch genommen

bull Grundsaumltzlich hat die Gruppe die Wirksamkeit dieser eintaumlgigen Fortbildung mit u a Lipowski (2010) sowie Keller (2011) aktuell auch Lipowski amp Rzejak (2015) in Frage gestellt

Fuumlr konzipierte und ausschlieszliglich angebotsorientiert durchgefuumlhrte Workshops zum Th emenfeld Innere Diff erenzierung wurde festgestelltbull Eine bdquoadressatengerechteldquo Durchfuumlhrung von Workshops fuumlr alle Teilnehmerinnen

gelang durchausbull Auch hier muss aber die Wirksamkeit der wenigstuumlndigen Fortbildungen bezuumlglich

der Wirksamkeit der Fortbildungsmaszlignahme kritisch betrachtet werden

2 Praxistransfer Problemstellungen aus der Praxis

In allen Phasen des explizit vorgenommenen internen oder externen Transfers von Praxisforschung zur Inneren Diff erenzierung wurden vielfaumlltige Transferhindernis-se bzw -probleme deutlich Entsprechend kann festgehalten werden Trotz nieder-schwelliger Kommunikation uumlber Buch Zeitschrift enartikel und natuumlrlich insbe-sondere Fortbildungen gelingt Praxistransfer der Forschungsergebnisse zur Inneren Diff erenzierung nur eingeschraumlnkt Dabei koumlnnen fehlender praktischer Bezug der Forschungsergebnisse oder eine abstrakte Ausdrucks- bzw Praumlsentationsform als

Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer 253

moumlgliche Begruumlndungen fuumlr Transferprobleme (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 S 3) nicht dienen denn das Fortbildungsteam bestand jeweils aus Praktikerin-nen

Wo also liegen die ProblemeBetrachtet man einen weiteren Aspekt der moumlglichen Ursachen fuumlr Transferprobleme naumlmlich die Anschlussfaumlhigkeit der Forschungsergebnisse vor Ort (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 S 3) so lassen sich dazu widerspruumlchliche Tendenzen erkennen Einerseits wurden (und werden aktuell wieder verstaumlrkt) Fortbildungen zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II nachgefragt Also war das Th ema anschlussfauml-hig Anderseits sind speziell fuumlr die gymnasiale Oberstufe Standardisierungs- und Be-schleunigungstendenzen in Kombination mit einem auf Selektion ausgerichteten Bil-dungssystem zu erfassen (Lau Klewin Keuff er amp Rosowski 2016 S 215) Das kann zu dem Trugschluss fuumlhren dass Heterogenitaumlt fuumlr die Ausbildung in der gymnasialen Oberstufe von untergeordneter Relevanz ist Diese Schlussfolgerung koumlnnte durch die Tatsache verstaumlrkt werden dass inklusive Beschulung in der gymnasialen Oberstufe an institutionelle Grenzen stoumlszligt Zieldiff erente Ausbildung ist in Deutschland in die-ser Schulstufe nicht vorgesehen Ist Innere Diff erenzierung also doch kein Th ema fuumlr die Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe II Sozusagen bdquokein echtesldquo Zumin-dest nicht fuumlr alle Lehrpersonen eines Kollegiums Interessant ist in diesem Kontext dass nach Lipowsky (2010 S 64) besonders fuumlr Fortbildungen mit fachdidaktischem Fokus Wirksamkeit erfasst werden kann Fuumlr die Zielgruppe der Sek II ndash besonders Lehrerinnen der gymnasialen Oberstufe ndash gilt dies ableitend von Goumlb (2017 S 14) vermutlich verstaumlrkt Gymnasiallehrerinnen besuchen allgemeindidaktische Fortbil-dungen vergleichsweise seltener Der Praxistransfer zur Inneren Diff erenzierung ent-hielt (und enthaumllt) keinen fachdidaktischen Schwerpunkt Aber die Fortbildungsver-anstaltungen knuumlpfen in jedem Fall an Kognitionen und Konzepte der Lehrpersonen an Refl exionen des eigenen Handelns werden immer wieder in den Mittelpunkt ge-stellt Auch das sind sehr gute Voraussetzungen fuumlr wirksame Lehrerfortbildungen wirksamen Praxistransfer (Lipowsky 2010 S 64) Es geht immer auch um Lehrer-professionalitaumlt Doch diese aumlndert sich nicht ad hoc durch eine besuchte Fortbildung Im Gegenteil Lernprozesse die im Anschluss an eine absolvierte Fortbildung erfol-gen sind haumlufi g ausschlaggebend fuumlr die Wirksamkeit einer Veranstaltung (Goumlb 2017 S 19) Entsprechend sind laumlngerfristige Erhebungen zur Wirksamkeit der Fortbildun-gen (des Praxistransfers) noumltig die die Erfassung von Einstellungsaumlnderungen in den Mittelpunkt ruumlcken

Bereits angeklungen ist dass modularisierte sich uumlber einen laumlngeren Zeitraum er-streckende Fortbildungen durch die abnehmenden Einrichtungen nicht nachgefragt wurden Das fuumlhrt bei Fortbildungen zur Inneren Diff erenzierung in denen es ge-rade nicht darum geht deklaratives Wissen zu vermitteln dazu dass die Wirksam-keit der Transferbemuumlhungen in Frage steht (Lipowsky amp Rzejak 2015 S 18) Zur Be-gruumlndung der Ablehnung der Modularisierung der Fortbildung wurden immer wieder Arbeitsuumlberlastung im Allgemeinen sowie institutionelle Vorgaben (bis 2012 ledig-lich ein Tag zur schulinternen Fortbildung moumlglich ndash siehe oben) angegeben Weiter

Ramona Lau 254

wurde auf die vielen anderen paumldagogischen Herausforderungen verwiesen die es mit Fortbildungen zu bewaumlltigen gilt Tatsaumlchlich erfuumlllen auch aus Sicht der Fortbildne-rinnen die institutionellen Rahmenbedingungen nur sehr eingeschraumlnkt die notwendi-ge Voraussetzung fuumlr gelingenden Praxistransfer zur Inneren Diff erenzierung bzw zur gelingenden Lehrerfortbildung insgesamt

3 Schlussfolgerungen und Perspektiven

Praxistransfer mit der Zielgruppe Lehrerinnen und Lehrer braucht aufseiten dieser Personengruppe Zeit Derartiger Praxistransfer wird in der Hauptsache durch Fort-bildungen verschiedenster Varianten umgesetzt Fuumlr diese braucht es unbedingt deut-lich verbesserte bildungspolitisch gesetzte Rahmenbedingungen damit Professiona-lisierungsbestrebungen greifen koumlnnen (dazu auch Lipowsky amp Rzejak 2015 S 41 Terhart 2016a S 296 Terhart 2016b S 79 ff ) Dies gilt besonders fuumlr unterrichtlich relevante Th emen die die individuelle Lehrerprofessionalitaumlt an sich tangieren wie es fuumlr Innere Diff erenzierung der Fall ist (Lau amp Boller 2010 Wischer amp Trautmann 2010b)

Wichtig ist zudem dass der Praxisbezug bei schulisch relevanten Forschungsvor-haben bestaumlndig gepruumlft wird Wuumlnschenswert waumlre es in diesem Zusammenhang wenn wie am Oberstufen-Kolleg in Bielefeld Lehrende auch als Forscherinnen tauml-tig sein koumlnnen (Hahn et al in diesem Band) So koumlnnen Forschungsergebnisse von Praktikern fuumlr Praktiker erhoben und vermittelt werden Weitere Moumlglichkeiten zum Praxistransfer sind die Bildung von schuluumlbergreifenden Lerngemeinschaft en schul-uumlbergreifende Kooperationen oder die langfristige Begleitung von Schulen zu einem Schulentwicklungsthema durch ein Lehrer-Forscher-Team Selbstverstaumlndlich sollte die Nutzung digitaler Medien immer in die konzeptionellen Uumlberlegungen zum Pra-xistransfer einbezogen werden (Goumlb 2017 S 19) Hierzu gibt es erste Ansaumltze z B auch durch die Autorin

Grundsaumltzlich aber muss Praxistransfer gewollt sein soll er gelingen Das betrifft die Praxisforschenden aber auch die Zielgruppe fuumlr konkrete Praxisforschungsvor-haben Eine Forderung nach Praxisforschung muss entsprechend immer verbunden werden mit einer Forderung nach klaren und zielfuumlhrenden Strukturen zum Transfer Entsprechend sind alle Praxis-Forschungsgruppen dazu aufgerufen zu hinterfragen ob es fuumlr ihre Forschungen uumlberhaupt Moumlglichkeiten gibt in die Praxis uumlbertragen zu werden In diesem Zusammenhang ist auch die Bildungspolitik gefordert Strukturen bereitzustellen damit Ergebnisse von ihr beauft ragter Forschungen nicht nur publi-ziert werden sondern auf die Schulwirklichkeit insgesamt einwirken koumlnnen

Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer 255

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Susanne Wolter

Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) ndash eine Kooperation von Wissenschaft Landesinstitut regionaler Fortbildung und Schulpraxis

Das Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) fuumlhrte von 2012 bis 2014 in Kooperation mit dem Institut zur Qualitaumltsentwicklung im Bildungs-wesen (IQB) und der Technischen Universitaumlt (TU) Muumlnchen ein Fortbildungspro-jekt zur Unterrichtsentwicklung an ausgewaumlhlten Schulen in den Laumlndern Berlin und Brandenburg durch Im Zentrum des Interesses standen dabei die Aufgabenkultur an der Schule sowie die Initiierung von Prozessen der Unterrichtsentwicklung im Sinne eines standard- und kompetenzorientierten Unterrichts durch Impulse aus der aktuel-len wissenschaft lichen Forschung

Ziele

Ein Ziel des Projekts war die Erarbeitung eines Fortbildungskonzepts zur Bewertung und Weiterentwicklung von Unterrichtsaufgaben in den Faumlchern Deutsch und Natur-wissenschaft en Dieses Konzept basierte auf einem allgemeindidaktischen Aufgaben-analyseraster welches von Kleinknecht Maier Metz und Bohl (2011) entwickelt wur-de Weitere Ziele bestanden in der Umsetzung des erarbeiteten Fortbildungskonzepts an ausgewaumlhlten Schulen in den Laumlndern Berlin und Brandenburg sowie der Evalua-tion der durchgefuumlhrten Lehrkraumlft efortbildungen

Struktur

Hervorzuheben war in diesem Projekt die besonders enge Zusammenarbeit von Wis-senschaft lerinnen und Wissenschaft lern (IQB TU Muumlnchen) und Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern des Landesinstituts fuumlr Schule und Medien Berlin-Branden-burg in allen Phasen des Projektes Zum wissenschaft lichen Hintergrund sowie zu den entwickelten Fortbildungsmodulen wurden Schulberaterinnen und Schulbe-rater der regionalen Fortbildungssysteme in Berlin und in Brandenburg in mehre-ren Veranstaltungen von den Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern und den

Susanne Wolter 260

LISUM-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern speziell geschult Mit den Beraterin-nen und Beratern wurde anschlieszligend ein gemeinsames detailliertes Script fuumlr die Durchfuumlhrung der Fortbildungsmodule entwickelt um die Vergleichbarkeit der par-allel stattfi ndenden Lehrkraumlft efortbildungen sicherzustellen Anschlieszligend setzten die Schulberaterinnen und Schulberater die Fortbildungsmodule in der Schulpraxis um Da Nachhaltigkeit von Fortbildung am ehesten in kooperativen Strukturen abgesichert werden kann waren schulische Fachteams (Fachgruppen Fachkonferenzen) im Fach Deutsch und in den Naturwissenschaft en die Zielgruppe der Qualifi zierung Die Fort-bildungsveranstaltungen in den Schulen wurden von Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern des IQB und der TU Muumlnchen evaluiert

Inhalte und Umsetzung

Schulen in Berlin und Brandenburg erhielten in Absprache mit den Bildungsverwal-tungen die Moumlglichkeit mit einer Fachgruppe (entweder im Fachbereich Deutsch oder im Fachbereich Naturwissenschaft en) an einer Erprobung der Fortbildungsse-quenz teilzunehmen Die Sequenz umfasste zwei Teile Im ersten Teil (ca 260 Minu-ten) wurde der Fachgruppe ein Aufgabenanalyseraster vorgestellt und an ausgewaumlhlten Aufgaben praktisch erprobt Das Aufgabenanalyseraster bietet Diff erenzierungsmoumlg-lichkeiten z B in Bezug auf Wissensarten und -einheiten Repraumlsentationsformen und Lebensweltbezuumlge Entwickelt wurde es von einem Team um Marc Kleinknecht am Institut fuumlr Schulpaumldagogik in Tuumlbingen

Abbildung 1 Das Projekt LAGOS

Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) 261

Abbildung 2 Dimensionen und Kategorien Aufgabenanalyseraster (nach Kleinknecht u a 2011)

Dimension Kategorien

Wissensart Fakten Prozeduren Konzepte Metakognition

kognitiver Prozess Reproduktion naher Transfer weiter Transfer Problemloumlsen

Wissens-einheiten eine WE bis zu 4 WE mehr als 4 WE

Offenheit definiert konvergent

definiert divergent ungenaudivergent

Lebens-weltbezug kein konstruiert authentisch real

sprachlogische Komplexitaumlt niedrig mittel hoch

Repraumlsentations-formen eine Integration Transformation

Susanne Wolter 262

Im zweiten Teil der Fortbildung (ca 145 Minuten) lernten die Fachgruppen Moumlglich-keiten der Abwandlung und Variierung von Aufgaben kennen wendeten diese prak-tisch an und tauschten sich uumlber die Erfahrungen mit dem Aufgabenanalyseraster in der Unterrichtspraxis aus Im Mittelpunkt stand dabei eine bewusste Refl exion der eingesetzten Aufgaben Fragen wie z B bdquoWelche Aufgaben habe ich bislang noch nicht eingesetztldquo bdquoWelche Aufgaben kann ich fuumlr starke und fuumlr schwache Lerner anbie-tenldquo bdquoWie kann ich Aufgaben zu einem Lernziel gezielt abwandelnldquo und bdquoWelche Art von Aufgaben setzen meine Kolleginnen und Kollegen einldquo wurden in den Ver-anstaltungen von den Fachgruppen diskutiert

Evaluation

Eine begleitende Evaluation die von Dirk Richter vom IQB und Marc Kleinknecht von der TU Muumlnchen durchgefuumlhrt wurde sollte Erkenntnisse uumlber die Funktiona-litaumlt der Fortbildung liefern Untersucht werden sollte inwieweit die Fortbildung ge-eignet ist das fachliche Wissen und Koumlnnen der Lehrkraumlft e zu erweitern und damit potenziell auch den Unterricht zu veraumlndern Als Datengrundlage fuumlr die Auswer-tung dienten Evaluationsboumlgen die von 95 Lehrkraumlft en nach den Veranstaltungen an-onym zuruumlckgesandt wurden Im Rahmen dieser Evaluation wurden die Lehrkraumlft e einmal nach der ersten Fortbildungsveranstaltung und ein zweites Mal nach der Fol-geveranstaltung gebeten allgemeine Angaben zum Hintergrund der befragten Per-son zu machen Positives sowie Verbesserungswuumlrdiges zur gerade absolvierten Fort-bildungsveranstaltung herauszustellen sowie standardisierte Abfragen zur Qualitaumlt der Fortbildungsveranstaltung zu beantworten Nach der zweiten Fortbildungsveranstal-tung wurden die Lehrkraumlft e auszligerdem gebeten vorgegebene Unterrichtsaufgaben aus dem Fach Deutsch bzw aus den naturwissenschaft lichen Faumlchern mithilfe des Aufga-benanalyserasters zu bewerten

LAGOS aus der Sicht des paumldagogischen Landesinstituts

Fuumlr die LISUM-Mitarbeiterinnen war das LAGOS-Projekt eine Gelegenheit Ergeb-nisse aktueller wissenschaft licher Forschung wahrzunehmen intensiv zu diskutieren und gemeinsam mit den Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern sowie Schulbe-raterinnen und Schulberatern fuumlr die Verwendung in der Lehrkraumlft efortbildung fuumlr die Schulpraxis aufzuarbeiten Das LISUM als paumldagogisches Landesinstitut sieht sich selbst in der Rolle eines Vermittlers zwischen Schulpraxis Bildungsverwaltung und Wissenschaft

Im Leitbild des Landesinstituts (LISUM 2012) heiszligt es dazuDas LISUM versteht sich als lernende Organisation in der Vermittlung zwi-schen Schulpraxis Wissenschaft und Bildungsverwaltung Es ist Ansprech-partner fuumlr alle mittel- und unmittelbar am Bildungsprozess Beteiligten

Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) 263

Gelingensbedingungen und Fazit

Der Verlauf und die Ergebnisse des LAGOS-Projekts lieferten erste Hinweise darauf welche Bedingungen ein gelingender Transfer wissenschaft licher Erkenntnisse in die Schulpraxis braucht

Unser Fazit laumlsst sich in vier Th esen zusammenfassen1) Praxistransfer braucht eine aktive Initiierung und engagierte Akteure in der Wis-

senschaft im paumldagogischen Landesinstitut als bdquoMittlerldquo und bdquoUumlbersetzerldquo in den Fortbildungssystemen und in der Schule

2) Praxistransfer braucht engen Kontakt zur Wissenschaft Dabei ist eine intensive Kommunikation erforderlich

3) Praxistransfer braucht Investitionen von Zeit und Ausdauer bei allen Akteuren so-wie eine Begleitung der Schulen

4) Praxistransfer braucht erkennbare Praktikabilitaumlt und Nuumltzlichkeit fuumlr die Lehr-kraumlft e Wissenschaft liche Erkenntnisse gelangen besser in die Schulpraxis wenn sie in kleinen und gut aufb ereiteten bdquoPaketenldquo vermittelt werden

Literatur

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Veronika Manitius und Nina Bremm

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie Einblicke in ein Schulentwicklungsprojekt zu Schulen in sozial-raumlumlichen benachteiligten Lagen in NRW

1 Hintergrund

Die Relevanz von gelingenden Transfer- und Implementationsprozessen fuumlr die er-folgreiche Umsetzung von Reformen sowohl auf System- als auch Schulebene gilt in der Schulentwicklungsdiskussion als unbestritten (van Holt 2014 Graumlsel 2010 Jaumlger 2004) So betont auch die Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrer juumlngst uumlberarbeite-ten Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring

Die Aufgabe der Landesinstitute und Qualitaumltseinrichtungen der Laumlnder be-steht in diesem Zusammenhang darin Forschungswissen in Kooperation mit wissenschaft lichen Einrichtungen adressatengerecht fuumlr die Schulen die Bil-dungsadministration und die Bildungspolitik aufzubereiten und zu verbrei-ten Um nachhaltig Wirkung in der Flaumlche erzielen zu koumlnnen bedarf es fer-ner besonderer Implementations- und Transferstrategien in den Laumlndern (Kultus ministerkonferenz (KMK) 2015 S 14)

Damit werden Wissenschaft und Landesinstitute als zentrale Kooperationspartner be-nannt die Wissen fuumlr Schulen und Administration aufb ereiten und transferieren sol-len Unklar bleibt jedoch wie solche Kooperationsstrukturen konkret zu denken sind und was bdquobesondereldquo Implementations- und Transferstrategien fuumlr Schulen und Bil-dungsadministration kennzeichnet

Das Forschungs- und Schulentwicklungsprojekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo (im Folgenden bdquoPotenziale-Projektldquo) greift die Empfehlungen der Kultusmi-nisterkonferenz (KMK) auf und fokussiert in seiner konzeptionellen Anlage auf die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft (Universitaumlten Duisburg ndash Essen und Dort-mund) und Landesinstitut (Qualitaumlts- und Unterstuumltzungs-Agentur ndash Landesinstitut fuumlr Schule NRW ndash QUA-LiS) im Wissensmanagement und in der Transferarbeit des Projekts Als weitere Akteure sind die Stift ung Mercator 36 Schulen in herausfordern-den Lagen aus der Metropolregion Ruhr und die Bildungsadministration in das Pro-jekt eingebunden Das Projekt verfolgt von Beginn an das Ziel systemisch zu wirken und nachhaltige Entwicklungen im Regelsystem anzustoszligen

Veronika Manitius und Nina Bremm 266

Das Projekt hat somit das Ziel Wissen und Erkenntnisse wirksame Strategien Interventionen und Verfahren zur Unterstuumltzung von Schulen in herausfordernden Lage aufzubereiten und in Empfehlungen zusammenzutragen (fuumlr die Bildungsadmi-nistration und das Regelsystem) Hiervon sollen weitere Schulen profi tieren (unab-haumlngig von den Projektschulen) z B in Form von Konzepten und Modulen fuumlr schul-bezogene Fortbildungen Schulentwicklungskonzepten fuumlr abgestimmte paumldagogische und organisatorische Interventionselemente fuumlr Schulen in herausfordernder Lage Entwicklungsansaumltzen spezifi scher Schulentwicklungsberatung und -begleitung Ver-netzungskonzepten fuumlr institutionenuumlbergreifende Kooperation und Schulnetzwerke und Dokumentationen Handreichungen und Materialien fuumlr die praktische Arbeit in und mit Schulen Zudem geht es darum dem schulischen Regelsystem Wissen bereits waumlhrend des Projektslaufs ruumlck zu spiegeln und so eine Synchronisation von Zeit-schienen die je nach Bezugssystem (Wissenschaft Schulen Administration Bildungs-politik) durchaus sehr unterschiedlich ausgestaltet sein koumlnnen (Bremm et al 2018) mitzudenken Im Folgenden wird zunaumlchst das Design des Potenziale-Projekts skiz-ziert um dann theoretisch in das Konzept des kooperativen Wissensmanagements das im Rahmen des Projekts realisiert wurde einzufuumlhren Dem schlieszligt sich ein praktischer Einblick in die konkrete Umsetzung des Konzepts im Rahmen des Poten-ziale-Projekts an Schlieszliglich werden im letzten Teil des Beitrags Chancen und Gren-zen des gewaumlhlten Ansatzes fuumlr Wissenstransferprozesse im Bildungssystem refl ektiert

2 Das Projekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo

Das bdquoPotenziale-Projektldquo ist als integriertes Schulforschungs- und datengestuumltztes Schulentwicklungsprojekt konzipiert und stellt in dieser Form einen innovativen An-satz dar der praxisbezogene Forschung und Entwicklung miteinander verzahnt Der Entwicklungsteil ist bewusst off en konzipiert um fl exibel auf die uumlber die Begleitfor-schung empirisch identifi zierten Bedarfe der teilnehmenden Schulen unter Beruumlck-sichtigung und gezielter Einbindung der im Schulsystem vorhandenen Strukturen und Akteure eingehen zu koumlnnen

Das Projektdesign laumlsst sich grob in vier Phasen unterteilen (vgl Abb 1) Die Pha-se der Schulauswahl (1) der Erhebung der Ausgangslage in den Projektschulen (2) der Schulentwicklungsarbeit in Schulnetzwerken und auf Einzelschulebene (3) sowie der Abschlusserhebung oder Evaluation der durchgefuumlhrten Schulentwicklungsmaszlig-nahmen (4)

In der ersten Phase der Projektlaufzeit fi ndet eine quantitative Ausgangserhebung zu Kontext- und Prozessmerkmalen der Schulen satt Schulinterne und schulexterne Bedingungen werden durch quantitative Befragungen der Schulleitungen der gesam-ten Kollegien sowie der Schuumller- und Elternschaft des 6 und 8 Jahrgangs ermittelt Hierzu werden nicht lediglich die Qualitaumlt der Leistungsergebnisse sondern diff e-renzierte Prozessmerkmale der Einzelschulen erfasst Erhoben werden dabei Merk-male die nach aktuellem Forschungsstand die Eff ektivitaumlt von Schulen ndash insbeson-dere in herausfordernder Lage ndash beeinfl ussen koumlnnen bzw die kennzeichnend fuumlr

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 267

Schulen sind die ihre Prozess- und Outputqualitaumlten uumlber eine Zeitspanne verbes-sern konnten1 Zusaumltzlich werden mithilfe eines Sozialindex diff erenzierte Merkmale der schulspezifi schen Kontextbedingungen einbezogen Entwicklungen in den Schu-len werden durch vertieft e qualitative Studien an sechs Fallschulen und eine laumlngs-schnittliche Abschlussbefragung erfasst Alle Daten der Eingangserhebung stehen den Schulen auf Klassen- oder Schulebene aggregiert zur Verfuumlgung Der datenbasiert und entwicklungsoff en konzipierte Ansatz der Netzwerk- und Schulentwicklungsarbeit re-agiert fl exibel auf die im Forschungsteil identifi zierten Bedarfe unter Beruumlcksichtigung und gezielter Einbildung der im Schulsystem vorhandenen Akteure und Strukturen Zentrales Strukturelement im Schulentwicklungsteil des Projekts ist ein schuluumlber-greifender Netzwerkansatz der dem Konzept einer netzwerkbasierten Schulentwick-lung sowie empirischen Erkenntnissen zur Wirksamkeit von Schulnetzwerken ent-spricht (Manitius amp Berkemeyer 2015 Berkemeyer et al 2015) Als Voraussetzung fuumlr das Gelingen der Netzwerkarbeit konnte eine thematische Naumlhe und ein Zielkon-sens der jeweiligen Schulen im Netzwerk herausgearbeitet werden (ebd) Vor diesem Hintergrund wurden die Netzwerke datengestuumltzt und kriteriengeleitet zusammenge-stellt sodass Schulen mit aumlhnlichen Entwicklungsprofi len in einem Netzwerk zusam-men an aumlhnlichen Fragestellungen und Loumlsungsansaumltzen arbeiten koumlnnen Zusaumltzlich zum Netzwerkteil des Projekts wurde eine einzelschulische Begleitung installiert die Schulen in ihrer individuellen Schulentwicklung unterstuumltzt Hier nimmt der Koope-

1 Z B Unterrichtsentwicklung Lernfoumlrderung und Diff erenzierung Klassenfuumlhrung Curricu-lum und Lernorganisation Leadership und Management schulinterne und externe Kooperati-onen Verfahren der Schulentwicklungsarbeit und Einstellungen zur Heterogenitaumlt der Schuumller-schaft

Abbildung 1 Design des Potenziale-Projekts

Veronika Manitius und Nina Bremm 268

rationspartner QUA-LiS NRW eine zentrale Position ein QUA-LiS NRW stellt dem Projekt sechs bdquobegleitende Lehrkraumlft eldquo mit jeweils fuumlnf Entlastungsstunden zur Ver-fuumlgung die sowohl an den quartalsweise stattfi ndenden Netzwerktreff en teilnehmen als auch einzelschulische Entwicklungen im Rahmen von Vor-Ort-Besuchen beglei-ten und schulinterne Entwicklungsarbeit und Maszlignahmen wie z B Fortbildungen anstoszligen Zudem werden Schulen netzwerk- und schuluumlbergreifend zusaumltzliche An-gebote zu relevanten Th emen wie etwa zur Weiterqualifi zierung von Schulleitungen oder Steuergruppen Oumlff entlichkeitsarbeit im Rahmen der bdquoPotenziale-Akademieldquo an-geboten

Die standardisierte Evaluation der Netzwerk- und Schulentwicklungsarbeit und das gemeinsame Wissensmanagement von Landesinstitut und Wissenschaft schaff en systematisierte Informationen uumlber erfolgreiche Entwicklungsstrategien von Schulen in schwieriger Lage Die enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Landesinsti-tut und die konzeptionelle Einbindung von Administration und Schulen seit Projekt-start bildet die Grundlage fuumlr den Transfer (vgl die naumlchsten Abschnitte) Projekte wie das bdquoPotenziale-Projektldquo koumlnnen insofern auch modellbildend fuumlr eine veraumlnderte Forschungsfoumlrderung im Sinne nutzeninspirierter Grundlagenforschung sein Damit wird ein Bedarf aufgegriff en den die Kultusministerkonferenz in juumlngster Zeit formu-liert hat Die Bildungsforschung sollte nicht nur eine deskriptive Diagnose der Qua-litaumlt des Bildungswesens ermoumlglichen sondern Entwicklungen erklaumlren und deutlich konkretere Hinweise geben wie die festgestellten Probleme geloumlst werden koumlnnten Eine nicht ausreichend geloumlste Herausforderung bestehe darin Prozesse des Messens der Entwicklung und des Transfers staumlrker miteinander zu verbinden (Kultusminister-konferenz (KMK) 2015)

3 Kooperatives Wissensmanagement als Transferstrategie im Schulsystem

Nimmt man Wissensmanagement als einen moumlglichen Ansatzpunkt um Schulent-wicklungsarbeit und Transferprozesse zu unterstuumltzen dann stellt sich die Frage wel-ches bdquoWissenldquo koordiniert auf welche Weise wohin transferiert werden soll Gerade im Zusammenhang mit Transferbemuumlhungen wird im bildungsbezogenen Diskurs der-zeit vor allem uumlber Wissensbestaumlnde in Form von Evidenzen verhandelt mit dem Ziel eine staumlrker evidenzorientierte oder evidenzinformierte Strukturierung der Praxis zu erreichen (van Ackeren et al 2013 Th iel 2014) Fuumlr den im Projekt gesetzten the-matischen Fokus der Unterstuumltzung von Schulentwicklung in herausfordernden La-gen ist von Interesse dass bdquorelevanteldquo Wissensbestaumlnde (Forschungswissen schulinter-nes Wissens administrativ ermitteltes Wissen fachliches Wissen sonstige Expertisen etc) generiert und koordiniert wird Dies hat zum Ziel die im Rahmen eines ver-gleichsweise kleinen explorativen Projekts gewonnenen Erkenntnisse systematisch zu sichern um im naumlchsten Schritt zu pruumlfen inwiefern diese Erkenntnisse fuumlr die Wei-terentwicklung des groszligen Schulsystems Nordrhein-Westfalens genutzt werden koumln-nen (Manitius amp Groot-Wilken 2017) Die Bestimmung und Entscheidung uumlber Rele-

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 269

vanz ist dabei Bestandteil eines Sensemaking-Prozesses (Coburn 2005) der wiederum als wichtige Voraussetzung erfolgreicher Transfer-Bemuumlhungen gelten kann Dies meint dass die Transferadressaten Informationen Daten und Wissen letztlich rekon-textualisieren muumlssen damit z B Wissensbestaumlnde zur Unterstuumltzung von Schulent-wicklungsarbeit genutzt werden koumlnnen Voraussetzung dafuumlr ist wiederum dass in dem Projekt zur Organisation des Wissens ein Verstaumlndnis und eine Praxis fuumlr das Wissensmanagement implementiert wurden

Modelle des Wissensmanagements fokussieren zumeist auf die organisationa-le Ebene bzw auf das fuumlr das Wissensmanagement erforderliche Wechselspiel zwi-schen organisationalem Wissensmanagement und individuellem Nutzen von Wis-sen z B durch individuelles Lernen was wiederum der Organisationsentwicklung zutraumlglich ist (z B Nonaka Takeuchi amp Mader 1997) Fuumlr ein Wissensmanagement koordiniert zwischen verschiedenen Akteuren eines Systems erscheint das Muumlnche-ner Modell (Reinmann-Rothmeier 2001) von Interesse weil es besonders die unter-schiedlichen Dimensionen des Wissensmanagements als Prozess in den Blick nimmt und auch danach fragt in welcher Konstellation Wissensmanagement erfolgen kann In diesem Modell wird hinsichtlich des Umgangs mit Wissen in vier zentrale Kate-gorien unterschieden (1) bdquoWissensrepraumlsentationldquo als der Vorgang der Wissen trans-parent verstaumlndlich und bdquogreifb arldquo macht Hier geht es also zum einen um die Be-reitstellung von Wissen und zum anderen um den Einsatz geeigneter Formate um Wissen zu transportieren Fuumlr das Management bedeutet dies zum Beispiel geeigne-te Instrumentarien zu fi nden die Wissen besser zum Vorschein bringen sowie auf or-ganisationale Rahmenbedingungen zu achten welche Wissenstransparenz foumlrdern Unter (2) bdquoWissensnutzungldquo ist der Prozess gemeint mit welchem die Anwendung des Wissens erfolgt was z B die Nutzung von Wissen als Grundlage fuumlr Entscheidungen und Handeln meint Dies ist ein hochgradig anspruchsvoller und von Komplexitaumlt ge-kennzeichneter Schritt des Wissensmanagements da es hierbei darum geht die Traumlg-heit des Systems zu uumlberwinden also zum Beispiel Handlungsroutinen zu veraumlndern und von gewohnten Mustern abzuweichen Der Bereich der (3) bdquoWissenskommuni-kationldquo meint die unmittelbaren Aktivitaumlten des Wissensaustausches der Wissensver-teilung und der Wissensverbreitung Leitend ist dabei die Annahme dass erst durch Kommunikation Wissen uumlber einen einzelnen Wissenstraumlger hinaus Anwendung fi n-den kann Herausfordernd fuumlr das Wissensmanagement ist an dieser Stelle gelingende Kommunikationsprozesse zu gestalten welche eine hohe Interaktionsdichte Vertrauen zwischen den Teilnehmenden und kooperative Handlungen kennzeichnen Schlieszliglich wird im Modell der Bereich der (4) bdquoWissensgenerierungldquo thematisiert der z B die Umwandlung von Informationen zu Wissen z B Handlungswissen umfasst Dies be-deutet auch vorhandenes Wissen zu hinterfragen und zu modifi zieren bzw Infor-mationen und Daten hinzuziehen um neues Wissen zu kreieren Fuumlr diesen Schritt wiederum ist es aus Management-Perspektive bedeutsam die jeweiligen Traumlger von Wissen und Expertise sowie Informationsgeber auch in entsprechende Kommunika-tionssettings zusammenzubringen

Zwar sind die hier beschriebenen vier Prozessbereiche des Wissensmanagements nicht strikt kategorial trennscharf (Wissenskommunikation duumlrft e uumlbergreifend auch

Veronika Manitius und Nina Bremm 270

in den anderen Bereichen zentral fuumlr das Gelingen des jeweiligen Prozesses sein) so ergibt sich doch aus ihnen naumlherungsweise ein Bild dessen was wesentliche Aspek-te des Wissensmanagements sind Im Muumlnchener Modell werden sie als Bestandteil eines regelhaft en organisationalen Kreislaufes gefasst wonach das Wissensmanage-ment insgesamt darauf ausgerichtet ist zum Erreichen des Organisationsziels beizu-tragen und entsprechende Evaluationsschleifen welche wiederum auf das Wissensma-nagement ruumlckwirken mitzudenken

Eingespeist werden hier zudem Uumlberlegungen welche Personenkonstellationen fuumlr ein solches Wissensmanagement guumlnstig sind Gemeint sind so genannten bdquoCommu-nitiesldquo welche aus Personen bestehen die geleitet von aumlhnlichen Interessen und Prob-lemlagen loumlsungsorientiert zusammenarbeiten und dabei eher kooperativ denn kom-petitiv agieren Diese Communities tragen deshalb zu Wissensmanagement-Prozessen bei weil sie Kommunikation auch abseits von hierarchischen oder organisationalen Strukturen ermoumlglichen loumlsungsorientiert zu Austausch und Expertise entlang aumlhn-licher und damit verbindender Problemstellungen verhelfen und fuumlr die Mitglieder einen motivationsfoumlrderlichen vertrauensvollen und identitaumltsstift enden Rahmen auf-bieten der Wissensgenerierungs- und Lernprozesse foumlrdert und somit auch Innovatio-nen vorantreiben kann Auch aus systemischer Perspektive wird vorgeschlagen Wis-sensmanagement weniger top down durchzusetzen sondern eher strategisch geschickt uumlber gut platzierte Pilotprojekte die zentrale Steuerung und dezentrale Bemuumlhungen gleichermaszligen mitberuumlcksichtigen zu gestalten (Willke 2004) Hierzu liegen entspre-chend auch Erfahrungen im internationalen Kontext entsprechender Transferbemuuml-hungen vor beispielsweise rund um die Diskussion zur bdquoknowledge mobilizationsldquo (Ng-A-Fook et al 2015) wonach vor allem vernetze Konstellationen und koopera-tive Strategien der Wissensvermittlung vielversprechend fuumlr gelingenden Transfer er-scheinen

Der Uumlbertrag dieser theoretischen Uumlberlegungen zum Wissensmanagement auf das Schulsystem birgt einige Herausforderungen da beispielsweise das Muumlnchener Modell vor allem Wissensmanagement in organisationaler Perspektive beleuchtet und somit von einem uumlbergeordneten Organisationsziel ausgeht auf das sich auch Bemuuml-hungen des Wissensmanagements hin ausrichten Bezuumlglich des Schulsystems stellt sich dies angesichts der Vielfalt an beteiligten Organisationen und Akteuren anders da hier ist vielmehr von Zielkollisionen und diff erenten Interessenslagen auszugehen die auch entsprechendes Konfl iktpotenzial bergen (Bremm et al 2018) Von daher ist ein Uumlbertrag bezogen auf das Schulsystem in erster Linie thematisch zu denken weil das unterstellt dass von aumlhnlichen Zielen der Beteiligten auszugehen ist Ausgehend von einem Interesse der beteiligten Akteure im Schulsystem daran dass Schulen ndash im Fall des vorliegenden Projekts in herausfordernder sozialraumlumlicher Lage ndash gelingend unterstuumltzt werden ist das uumlbergeordnete systemische Ziel dass Schulentwicklungs-arbeit dieser Schulen sich so verbessert dass sich eine entsprechende Qualitaumltsent-wicklung auch im Output der Schule (wie in schulischen Qualitaumltsmerkmalen oder der Leistung von Schuumllerinnen und Schuumllern) niederschlaumlgt Richtet man das Wis-sensmanagement nun an dieser Leitidee aus kann es in den unmittelbaren Arbeitsbe-ziehungen entsprechend ausgestaltet werden

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 271

Die Vorstellung von Akteurskonstellationen im Sinne einer Community die the-menbezogen auch abseits von hierarchischen Strukturen agiert fi ndet sich im Schul-system vor allem im Bereich einer netzwerkgestuumltzten Schulentwicklung (Manitius amp Berkemeyer 2015 Ruumlrup amp Roumlbken 2015) Diese spezifi sche Schulentwicklungs-strategie erfaumlhrt in Deutschland in den letzten 10 Jahren erhebliche Resonanz wie etwa anhand der Vielfalt von Programmen und Maszlignahmen im Rahmen sogenann-ter Bildungslandschaft en sichtbar Aumlhnlich dem Gedanken der Communities liegt das Potenzial von schulischer Netzwerkarbeit vor allem darin als intermediaumlre Organisa-tionsform die Moumlglichkeit zum Austausch und Lernen aufzubieten und uumlber solche Strukturen auch Innovationen zu erzeugen und letztlich schulische Qualitaumltsentwick-lung zu foumlrdern Im deutschsprachigen Raum verlaumluft der Diskurs hierzu vor allem mit Blick darauf wie die einzelne Schule als Organisation von Vernetzungsaktivitaumlten profi tieren kann (Berkemeyer Bos Jaumlrvinen Manitius amp van Holt 2015)

In systemischer Perspektive erscheint es hilfreich die amerikanischen Arbeiten zu bdquoResearch-Practice-Partnershipsldquo in School-Districts aufzugreifen womit der Gedan-ke der wissensmanagementbetreibenden Community dahingehend ausgeschaumlrft wird dass unterschiedliche Akteure innerhalb solcher Partnerschaft en gerade auch auf-grund ihrer unterschiedlichen Handlungslogiken fuumlr eine erfolgreiche Zielerreichung kooperativ agieren muumlssen Ausgehend von einem Scheitern einfacher linear gedach-ter Uumlbersetzungsleistungen (z B von Forschungsergebnissen) wird der Ansatz der Re-search-Practice Partnerships wie folgt defi niert bdquoLong-term mutualistic collaborati-ons between practioners and researchers that are intentionally organized to investigate problems and solutions for improving district outcomesldquo (Coburn Penuel amp Geil 2013 S 2) Research-Practice Partnerships sind demzufolge eher langfristig angelegt die Beteiligten konzentrieren sich auf die Loumlsung von Praxisproblemen und agieren in Wechselwirkung zueinander ndash alle Seiten der Kooperation profi tieren und lernen von der Zusammenarbeit Hierfuumlr werden gezielt unterschiedlichste Strategien eingesetzt um eine enge Kooperation zu foumlrdern Wichtig fuumlr die unmittelbare Zusammenarbeit ist der Gedanke des bdquojoint workldquo (Penuel Allen Coburn amp Farrell 2015) wonach der Fokus der Arbeit gemeinsam ausgehandelt und die Verantwortung fuumlr die Zusammen-arbeit geteilt wird Dieser Aspekt unterscheidet sich z B von uumlblichen Kooperatio-nen zwischen Forschung und (Bildungsadministrations-)Praxis in welchen etwa For-schung beratend fuumlr Folgeeinschaumltzungen angefragt oder fuumlr Evaluationsstudien zur Erforschung von Praxis beauft ragt wird Ein weiteres Kennzeichnen solcher Partner-schaft en ist es dass gemeinsam Analysen von Daten auch auf der Basis unterschiedli-cher Datenquellen vorgenommen werden Dies erweist sich als anschlussfaumlhig an den Diskurs um die Herstellung von Evidenz uumlber Aushandlung der beteiligten Akteure (Heinrich 2015) sowie einer wissensbasierten partizipativ und diskursiv angelegten Evidenzgenese (Weiland 2013)

Zudem ist es ein Kennzeichen der Research-Practice-Partnership dass den unter-schiedlichen Logiken also auch den Unterschieden der Partner begegnet wird indem Grenzen uumlberschritten (boundary crossing) werden und sich somit der Logik und dem Professionsbereich des Anderen uumlber solche Grenzuumlberschreitungen angenaumlhert wird (Penuel et al 2015) Dies kann z B in Kommunikationssettings die Diskussion

Veronika Manitius und Nina Bremm 272

und Austausch zwischen Vertretungen aus Wissenschaft und Schulpraxis ermoumlglichen erfolgen oder auch in spezifi schen Publikationsformaten die unterschiedliche Sicht-weisen auf einen Gegenstand beruumlcksichtigen (exemplarisch Seidel et al 2016) Sol-che Grenzuumlberschreitungen tragen schlieszliglich zu bdquoboundaries practiceldquo bei wenn sie mit entsprechender Refl exionsarbeit einhergehen und Lernprozesse befoumlrdern und schlieszliglich Veraumlnderung von Routinen bewirken (Penuel et al 2015)

Fuumlr ein Wissensmanagement das in systemischer Perspektive als Transferstrategie fuumlr die Unterstuumltzung von Schulen in herausfordernder Lage genutzt werden soll bie-ten die vorangestellten theoretischen Ausfuumlhrungen wichtige Hinweise Die im Muumln-chener Modell des Wissensmanagements kategorial beschriebenen Prozessdimensio-nen zeigen auf wie sich entsprechend ein Wissensmanagement als Projektaufgabe konzipieren laumlsst Hierzu gehoumlren etwa die Entwicklung und der Einsatz zentraler Instrumente des Wissensmanagements die die Wissensgenese und -nutzung stuumltzen Ferner kommt der Wissenskommunikation eine erhebliche Bedeutung ndash auch in der Transferperspektive ndash zu was fuumlr ein gelingendes Wissensmanagement wiederum be-deutet fuumlr entsprechende Kommunikationsformen und -settings und letztlich auch das Aufeinandertreff en und wenn erforderlich konstante bdquoNaumlheldquo der relevanten Ak-teure zu sorgen

Bei dem mit dem Projekt verfolgten Anspruch zur Unterstuumltzung von Schulent-wicklungsarbeit in herausfordernder Lage evidenzinformiert und unter Einbezug re-levanter Ressourcen der verschiedensten Akteure im System vorgehen zu wollen (Bremm et al 2017) erscheint der Ansatz des Research-Practice-Partnership guumlns-tig da er konzeptionell gelingende Kooperation bei gleichzeitig diff erenten Hand-lungslogiken der Partner vorsieht Dies begruumlndet sich darin dass er konstant gehal-tene Naumlhe regelmaumlszligige Kommunikationssettings und Dialogforen sowie den Raum fuumlr zielorientierte wissensbasierte Verhandlung sowie Schaff ung von Problemloumlsun-gen unter Einbezug relevanter aber in ihrer Handlungslogik houmlchst unterschiedlicher Akteure vorsieht Studien zur Wirkung solcher Partnerschaft en zwischen Forschung und Praxis stuumltzen diese positiven Zuschreibungen Ihr Vorteil liegt vor allem darin auf lange Sicht auch zur Professionalisierung der Beteiligten im Sinne einer Veraumlnde-rung von Routinen und Verhaltensweisen beizutragen und dies vor allem dann wenn diese Partnerschaft en dialogbasiert und langfristig zusammenarbeiten (Coburn amp Pe-nuel 2016 Akkerman amp Bakker 2011) Zudem zeigt sich dass solche Partnerschaft en deutlich transformativer wirken als es klassische linear gedachte Transferstrategien leisten koumlnnen (Penuel et al 2015)

4 Wissensmanagementstrategien im Projekt

Die kooperativ konzipierte Struktur des Projekts bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo in NRW kann aumlhnlich einer Research-Practice-Partnership verstanden wer-den Allerdings wird die Akteurskonstellation Schulpraxis-Wissenschaft deutlich er-weitert um Bildungsadministration die einen aktiven Part in der projektbezogenen Zusammenarbeit einnimmt

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 273

Die auf den Wissensmanagement-Teil bezogene Zielstellung des Projektes bezieht sich auf das Interesse der beteiligten Bildungsadministration aus einem Schulentwick-lungsprojekt fuumlr 36 Schulen Erkenntnisse zu generieren die daraufh in gepruumlft werden koumlnnen inwiefern sie fuumlr die landesweiten Unterstuumltzungsstrukturen in NRW Rele-vanz besitzen und entsprechend transferiert und in Regelstrukturen umgesetzt wer-den Fuumlr ein groszliges Flaumlchenland wie NRW mit uumlber 5500 Schulen ist der Ansatz also sich praktisch an einer Partnerschaft zwischen Stift ung Schulen Wissenschaft und Bildungsadministration (Ministerium Landesinstitut und insbesondere auch das Fort-bildungssystem) zu beteiligen und relevante Ergebnisse des Projektes (Forschungswis-sen Erfahrungen Materialien) zu einer gelingenden Unterstuumltzung fuumlr Schulen in he-rausfordernden Lagen mit Bedarfen im Unterstuumltzungssystem zu koppeln und ggfs so aufzubereiten dass eine Uumlberfuumlhrung in die Unterstuumltzungssysteme wie etwa dem Fortbildungssystem ermoumlglicht wird

Diese Zielsetzung wird mithilfe einer dialogisch angelegten und eng ausgestalte-ten Zusammenarbeit der das Projekt steuernden Partnern aus Wissenschaft (Univer-sitaumlten Duisburg-Essen und Dortmund) Bildungsadministration (Landesinstitut fuumlr Schule NRW) sowie der Stift ung Mercator realisiert Konkret wird die Strategie ver-folgt mithilfe des Einsatzes von Wissensmanagement-Instrumenten durch das Lan-desinstitut aktiv fuumlr eine systematische Ermittlung von potentiell bedeutsamen Wis-sensbestaumlnden und sie Sammlung von Expertisen zu sorgen und parallel dazu bereits einen transferorientierten Dialog von Projektbeginn an mit dem moumlglichen bdquoAdres-satldquo Fortbildungssystem zu initiieren und zu pfl egen um auch die Expertise der im Fortbildungssystem Taumltigen mit einzubeziehen und Transferbemuumlhungen bedarfsge-recht auszurichten Zusaumltzlich werden weitere Wissenssorten wie etwa das durch die Universitaumlten generierte Forschungswissen miteinbezogen

Kooperative ProjektstrukturDie Partnerschaft im Projekt als bdquoPraxis-Wissenschaft -Administration-Partnerschaft ldquo (Manitius amp Bremm 2018) stellt sich vor dem Hintergrund der jeweiligen Rollen und Aufgaben der Akteure wie folgt dar (vgl Abb2) Das Projekt wird operativ durch die beteiligten Universitaumlten umgesetzt die hierfuumlr entsprechende Foumlrdergelder durch die Stift ung Mercator erhalten Die Universitaumlten nehmen im Projekt damit eine Doppel-rolle ein da sie einerseits den Schulentwicklungsteil verantworten und die Projekt-schulen in ihrer Schulentwicklungsarbeit unterstuumltzen indem sie die Ressourcen des Projektes koordinieren die Schulnetzwerke mit moderieren und steuern und anderer-seits sowohl Netzwerkarbeit als auch die Schulentwicklungsarbeit erforschen also z B auch die durchgefuumlhrten Maszlignahmen evaluieren bzw fuumlr deren Evaluation sorgen

Ein Beispiel fuumlr die dialogisch angelegte Evidenzaushandlung auf Grundlage ver-schiedener Wissenssorten (Forschungsergebnisse und schulinternes Wissen) zeig-te sich z B darin dass die im Rahmen einer Eingangserhebung erfassten schulspe-zifi schen Daten zur jeweiligen Schulqualitaumlt der Einzelschulen mit fast jeder Schule in einer gemeinsamen Sitzung zwischen Wissenschaft lerinnen und Mitgliedern aus Schulleitung Steuergruppe und zum Teil auch Kollegien besprochen und die unter-schiedlichen Sichtweisen auf die so ermittelten innerschulischen Entwicklungsbereiche

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abgeglichen wurde Erst nach dieser Aushandlung erfolgte dann die fi nale Zuordnung einer Schule zu einem Netzwerk mit Schulen aumlhnlicher Problemlagen als Ergebnis einer gemeinsamen Verstaumlndigung

Daruumlber hinaus stehen die beteiligten Universitaumlten in einem engen Austausch mit dem Landesinstitut z B im Rahmen regelmaumlszligig stattfi ndender Partnertreff en auf Pro-jektleitungsebene Hier geht es darum bereits bdquoim Prozessldquo in einen inhaltlichen und transferorientierten Diskurs uumlber den Projektstand die einzelschulischen Maszlignahmen und erzeugten wissenschaft lichen Befunde zu gelangen Das Landesinstitut nimmt mit Blick auf die Transferbemuumlhungen im Projekt eine zentrale Rolle ein Zum einen stellt es mit 5 Stunden entlastete Lehrkraumlft e (begleitende LK) den Netzwerken zur Verfuuml-gung Mit diesen Lehrkraumlft en die die Projektschulen begleiten und unterstuumltzen steht das Landesinstitut in einem regelmaumlszligigen Austausch setzt hier auch Instrumente des Wissensmanagements ein nutzt regelmaumlszligige Treff en mit den Lehrkraumlft en allein oder auch gemeinsam mit den Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern fuumlr den Dialog Schlieszliglich sorgt das Landesinstitut fuumlr die Information des Ministeriums fuumlr Schu-le und Bildung und den Bezirksregierungen und koordiniert hier auch regelmaumlszligigen Austausch um Zwischenstaumlnde zum Projekt in den Diskurs mit den Verantwortlichen fuumlr Qualifi zierung und Fortbildung zu bringen Dies bedeutet auch die fuumlr die Pro-jektschulen zustaumlndigen lokal ansaumlssigen Fortbildnerinnen und Fortbildner des staat-lichen Lehrerfortbildungssystems ebenfalls mit einzubeziehen Die von QUA-LiS ab-geordneten begleitenden Lehrkraumlft e fungieren zudem als eine wichtige Schnittstelle in diesem Gefuumlge der unterschiedlichen Projektpartner Sie sind maszliggeblich im Schul-entwicklungsteil des Projektes taumltig und unterstuumltzen die Einzelschulen in ihrer Ent-

Abbildung 2 Akteurskonstellation im Projekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo (Bremm 2016)

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 275

wicklungsarbeit z B indem sie bei dem Finden geeigneter Fortbildungen mit taumltig werden Dokumentationsarbeit leisten und Ruumlckkopplung auch zu der Arbeit in den Netzwerken herstellen Eine weitere wichtige Aufgabe die die diese Lehrkraumlft e erfuumll-len liegt darin zum Wissensmanagement im Projekt beizutragen Fuumlr den Dialog mit dem Landesinstitut werden hierfuumlr Instrumente des Wissensmanagements fuumlr die Do-kumentation und als Grundlage fuumlr vertieft en Austausch genutzt

Instrumente des WissensmanagementsDie im Projekt von Seiten der QUA-LiS eingesetzten Instrumente des Wissensma-nagements2 wurden unter Ruumlckgriff auf relevante Fachliteratur (Probst Raub amp Rom-hardt 2012) zunaumlchst vom Landesinstitut entwickelt erprobt und nach dem ersten Jahr zum Teil in gemeinsamer Abstimmung mit den Wissenschaft lerinnen und Wis-senschaft lern und den begleitenden Lehrkraumlft en im Projekt angepasst und veraumlndert Th eoretisch begruumlndet folgte die Entwicklung der Instrumente entlang einer heuristi-schen Struktur wie folgt (vgl Abb 3)

Abbildung 3 Struktur fuumlr die Entwicklung von Wissensmanagement-Instrumenten (Manitius amp Groot-Wilken 2017)

Es wird angenommen dass es gerade fuumlr die Genese von Wissen uumlber komplexe Pro-zesse ndash wie etwa auch die Schulentwicklungsarbeit an Schulen in herausfordernder Lage ndash bedeutsam ist Datenmaterial mit hohem narrativem Anteil also zum Beispiel erzaumlhlte Fallgeschichten zu erzeugen Geht man zunaumlchst davon aus kurz den Anlass das bdquoProblemldquo das bearbeitet werden soll zu benennen (also zum Beispiel die Not-wendigkeit dass es Probleme mit der Individualisierung von Unterricht gibt) dann ist vor allem die dann zu erzaumlhlende bdquoGeschichteldquo dazu von Interesse in welcher darge-legt wird was genau an Schritten vorgenommen wurde welche Entscheidungen wie und zu was getroff en wurden was spezifi sche Kontextmerkmale waren usw Daran

2 Von Seiten der Wissenschaft wurden weitere Wissenmanagementinstrumente entwickelt die vor allem im Bereich der Schulentwicklungsbegleitung der Einzelschulen und im Rahmen der Netzwerke eingesetzt wurden und den Kooperationspartnern ebenfalls zu Verfuumlgung stehen

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knuumlpft sich die Frage danach an welche Einsichten gewonnen wurden also was zum Beispiel im Rahmen einer Fortbildung zur Individualisierung als nuumltzlich erlebt und genutzt wurde aber auch welche Umsetzungsprobleme sich beispielsweise ergaben und welche Schluumlsse und bdquoFolgerungenldquo aus diesen Einsichten daraus gezogen wur-den Abschlieszligend werden die bdquoAnschlussfragenldquo z B nach den naumlchsten Schritten des Schulentwicklungsprozesses thematisiert

Eingesetzt werden im Projekt drei zentrale Instrumente des Wissensmanagements 1 Dokumentationstabelle uumlber den Entwicklungsverlauf in der Schulentwicklungs-arbeit der Schulen 2 Mikroartikel und 3 Interviews In der Dokumentationstabel-le notieren die begleitenden Lehrkraumlft e in vorgegebenen Kategorien was Ereignisse naumlchste Schritte Planungen und Termine sind Diese Dokumentation erfolgt je Schu-le und dient zum einen der Dokumentation der einzelschulischen Begleitung als auch als Grundlage fuumlr die Interviews in denen vertieft uumlber die jeweilige Schulentwick-lungsarbeit der Projektschulen gesprochen werden kann Die Dokumentationstabellen werden sowohl den wissenschaft lichen Teams als auch Landesinstitut zur Verfuumlgung gestellt Die Universitaumlten koumlnnen diese Daten triangulativ ihren zusaumltzlichen Daten zuspielen das Landesinstitut nutzt diese Dokumentationen um die Interviews die es selbst mit den begleitenden Lehrkraumlft en durchfuumlhrt vorzubereiten und um einen Uumlberblick uumlber die Ereignisse in der Unterstuumltzungsarbeit die die begleitenden Lehr-kraumlft e fuumlr die Schulen leisten zu gewinnen Halbjaumlhrlich verfassen die begleitenden Lehrkraumlft e zudem einen Mikroartikel der inhaltlich der skizzierten Wissensmanage-ment-Struktur (vgl Abb 3) folgt und in welchem entlang dieser Struktur die Lehr-kraumlft e in einem Flieszligtext eine bdquoGeschichteldquo ihrer Wahl aus der Schulbegleitung im Projekt aufschreiben Gerade der Mikroartikel erzeugt deutlich mehr narratives Mate-rial als das etwa uumlber die eher standardisierte Dokumentationstabelle moumlglich ist und ist auch Grundlage um in den ebenfalls halbjaumlhrlichen Interviews der begleitenden Lehrkraumlft e mit dem Landesinstitut auch noch mal vertieft die Fallgeschichten im Pro-jekt nachzuvollziehen und die zentralen Erkenntnisse herauszuarbeiten

Perspektivisch dient das so erzeugte Datenmaterial neben den wissenschaft lich ge-wonnenen Ergebnissen wie Evaluationsauswertungen als Grundlage fuumlr eine sich an-schlieszligende systematische Auswertung deren Essenz schlieszliglich kommunikativ an die zentralen Akteure z B im Fortbildungssystem sowie auch an entsprechende Stellen im Ministerium ruumlckgekoppelt werden Im Zusammenspiel mit den wissenschaft lich ge-wonnenen Ergebnissen ergibt sich hier also eine multiperspektivisch gewonnene und triangulativ ausgewertete Wissensbasis fuumlr die Transferarbeit in die regelhaft en Struk-turen Im Projekt zeigte sich dass die eingesetzten Wissensmanagementinstrumente zudem eine Refl exionsfunktion fuumlr die die Projektschulen begleitenden Lehrkraumlft e er-fuumlllen Indem diese einen Mikroartikel verfassen und in den Interviews vertieft uumlber die Schulentwicklungsarbeit sprechen kann die eigene Unterstuumltzungsleistung refl ek-tiert und zum Teil auch kritisch mit Blick auf eigene (Professionalisierungs-)Bedar-fe beleuchtet werden Diese Refl exionsmoumlglichkeiten werden zudem noch erweitert durch das regelmaumlszligige Aufeinandertreff en aller begleitenden Lehrkraumlft e wo aumlhnlich kollegialer Fallberatungen einzelne Herausforderungen in der Schulentwicklungsbe-gleitung eroumlrtert werden

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 277

Ausgehandeltes Transferkonzept fuumlr den WissenstransferUm die verschiedenen Wissensformen und Daten letztlich systematisch zusammen-zufuumlhren und die verschiedenen Transferinteressen der beteiligten Partner (Wissen-schaft Bildungsadministration und Stift ung) zu bedienen haben diese ein gemeinsa-mes so genanntes bdquoTransferkonzeptldquo ausgehandelt das grundlegend fuumlr die Aktivtaumlten des Wissensmanagements und die Transferarbeit im Projekt ist Ziel in der Aushand-lung eines solchen Konzepts war es die verschiedenen Logiken der Partner zusam-menzufuumlhren Dabei ging es in diesen Aushandlungen nicht darum eine zentrale Lo-gik als die uumlbergeordnete gelten zu lassen (z B die Forschungslogik) sondern die verschiedenen Interessen daraufh in zu pruumlfen wo Schnittmengen liegen und wie sich der Wissenstransfer entlang von inhaltlichen Setzungen unter Einbeziehung der ver-schiedenen Datenquellen und mit der Zielperspektive unterschiedlicher Transferfor-mate fuumlr unterschiedliche Transferadressaten organisieren laumlsst

In der Arbeit am Transferkonzept wurden entlang dem Projektziel naumlmlich zu eruieren was Schulen in herausfordernden Lagen unterstuumltzt Th emencluster defi -niert die die inhaltliche Systematik des Transferkonzepts vorgeben Th eoretisch war dabei der heuristische Bezugsansatz des Projektes des design-based-school-improve-ments leitend Hieraus ergaben sich folgende Cluster fuumlr das Konzept die wiederum noch einmal in Subthemen aufgegliedert wurden (vgl Abb 4)

Abbildung 4 Im Transferkonzept benannte Zielbereiche der Erkenntnisgewinnung

Veronika Manitius und Nina Bremm 278

Je Subthema wurde in einem naumlchsten Schritt geschaut welche Forschungsfragen die beteiligten Universitaumlten bezogen auf diesen thematischen Aspekt verfolgen und wel-che zusaumltzlichen Fragestellungen seitens der Bildungsadministration bestehen Es wur-de zudem gepruumlft welche der verschiedenen Datenquellen fuumlr die Beantwortung der Fragestellungen herangezogen werden konnte und schlieszliglich wurde in dem Transfer-konzept Uumlberlegungen dazu angestellt in welche Wissenstraumlgerformate die gewonne-nen Erkenntnisse uumlberfuumlhrt werden sollen Dies hatte zum Ziel auch Formate neben den wissenschaft lichen Publikationen zu beruumlcksichtigen die verschiedene Adressaten ansprechen (z B das Fortbildungssystem des Landes z B andere Schulen oder aber Stift ung) Nachfolgend zeigt der Auszug zum Subthema bdquoFortbildungenldquo im Cluster bdquoInterventionsstrategienldquo wie sich diese Systematik im Transferkonzept darstellt

ZIELBEREICHE der Erkenntnis-gewinnung

Fragestellungen Quellen Vorgehen Design Produktformat

Zeitliche Planung ampVerantwort-lichkeiten

13

Schul-interne Fortbil-dungen

bull Vor dem Hintergrund welcher schulischen Problemstellung wird Fortbildung in welcher Form geplant und durchgefuumlhrt

bull Welche spezifi schen Rahmenbedingungen und Ressourcen von Schulen werden in der Fortbildungsplanung beruumlcksichtigt

bull Wie werden die schuli-schen Fortbildungsmaszlig-nahmen von den Teil-nehmenden bewertet hinsichtlich des Nutzens fuumlr die weitere Schulent-wicklungsarbeit

bull Inwiefern wird das in den Fortbildungs-maszlignahmen Erlernte tatsaumlchlich aufgegriff en fuumlr die innerschulische Qualitaumltsentwicklung

bull Welche Rolle spielen Netzwerkarbeit und Einzelschulbegleitung in diesem Prozess Wo haben Schulen Unter-stuumltzungsbedarfe in diesem Prozess

bull Ausgangserhebung Datenruumlckmeldung

bull Protokolle der Vor-Ort-Gespraumlche mit BLK

bull Teile des Schulportfo-lios Auftragsklaumlrung Entwicklungspla-nung -verlauf

bull Evaluationsbogen SchiLf

bull Ergebnismaterialien der SchiLf (falls vor-handen) ppt-Praumlsen-tation Ablaufplan Protokoll Materialien

bull Zu 4 Protokoll der Nachbesprechung der BLK mit Schule Entwicklungsbe-richte und Teile des Schulportfolios uumlber den weiteren SE-Pro-zess an der Schule

bull Qualitative Fall-studien

Ca 2 Fall-schulen

Darstellung der Faumllle an-hand der Pro-zesslogik des Design-based School Im-provement (s Kapitel 3)

bull wissenschaftliche Artikel

bull Aufbereitung fuumlr Admi-nistration Dokumen-tation je Fall mit hohen narrativen Anteilen (die ausgewerteten Daten werden entsprechend der verwendeten wissenschaftlichen Methode aufbereitet dargestellt und die jeweils einbezogenen Praxis-Instrumente (zB das Auftragsklaumlrungs-formular) hinterlegt

bull Ergebnisse aus den Netzwerkevaluationen werden aufbereitet (Tabellen Abbildungen etc)

bull Aufstellung von Themen Referenten Fortbildungsangebo-ten aus den erfolgten SchiLfen (Referenten-pool)

bull Kopiervorlagen Auf-tragsklaumlrungsblatt Evaluationsbogen Ent-wicklungsplanung

bull Abgabe Sommer 2019

Abbildung 5 Auszug aus dem Transferkonzept Potenziale entwickeln ndash Schulen staumlrken

Mit Blick auf die bdquoPraxis-Wissenschaft -Administration-Partnerschaft ldquo im Projekt ist dieses Transferkonzept ein Ergebnis einer durchaus ressourcenintensiven Aushand-lung und Verstaumlndigung der beteiligten Partner daruumlber was vor dem Hintergrund unterschiedlicher Interessen und Zielstellungen die die Partner verfolgen leitende Orientierung fuumlr die gemeinsamen Transferaktivtaumlten sein soll Dabei beruumlcksichtigt das Konzept entlang konkreter inhaltlicher Fragestellungen wie verschiedene Daten-quellen sich aufeinander beziehen sollen und was adressatengerechte Transferpro-

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 279

dukte sein werden Dieses im Projektprozess erarbeitete Konzept ist dabei nicht ab-schlieszligend zu verstehen sondern wird in der weiteren Zusammenarbeit bei Bedarf angepasst und vor allem hinsichtlich der Realisierung weiter konkretisiert Somit wird nicht nur Verbindlichkeit bezuumlglich der Transferarbeit gewonnen sondern auch recht-zeitig Bedarfe zur Nachsteuerung erkannt beispielsweise weil Datenluumlcken in Bezug auf zu beantwortenden Fragestellungen bestehen die etwa durch zusaumltzliche Daten-erhebungen behoben werden koumlnnen

5 Fazit

Die Erfahrungen aus dem Potenziale-Projekt zeigen dass die Akteurskonstellation im Projekt als Praxis-Wissenschaft -Administration-Partnerschaft fuumlr den Transfer von Bildungsinnovationen eine guumlnstige Grundlage darstellt Gerade die diskursive und prozessbegleitende Aushandlung von Transferzielen Inhalten Formaten und Ad-ressaten die gemeinsame Entwicklung eines umfassenden Transferkonzepts und die langfristig angelegte Akquise Information und schrittweise Einbindung von Trans-fernehmern stellen Strategien dar die Transferprozesse systematisch vorbereiten be-darfsorientiert Gestaltung ermoumlglichen und einen Transfererfolg wahrscheinlicher machen Aus gelingenden Transferprozessen koumlnnen wiederum konkrete Mehrwer-te bspw in Form von datenbasiert abgeleiteten Handlungs- und Steuerungsstrategien erwachsen So steigt die Chance dass eingesetzte Ressourcen auch in konkrete und nachhaltige Veraumlnderungen und besseren Antworten auf draumlngende gesellschaft liche Probleme muumlnden Andererseits erfordert ein solches Vorgehen neben erheblichen zeitlichen Ressourcen eine intensive Auseinandersetzung der beteiligten Personen mit Transferinhalten und vor allem mit den jeweiligen Systemlogiken der Kooperations-partner Dies ist keineswegs trivial da Entscheidungen in ihren Konsequenzen von systemfremden Akteuren oft mals nicht realistisch eingeschaumltzt werden koumlnnen da systeminterne Logiken und Zusammenhaumlnge nicht auf den ersten und oft mals auch nicht auf den zweiten Blick sichtbar werden

Schulentwicklungsforschungsprojekte unter der Transferperspektive analytisch zweigeteilt zu konzipieren naumlmlich in einem von vornherein mitgedachtem Schul-entwicklungs- und Wissensmanagementteil eroumlff net zum einen neue Erkenntnisraumlu-me zum anderen aber auch zeitlich und personell gewachsene Kooperationsstruktu-ren zwischen unterschiedlichen Stakeholdern die fuumlr den Transfer Projektwissen in systemische Strukturen von groszligem Vorteil wenn nicht gar unabkoumlmmlich schei-nen Zukuumlnft ige Schulentwicklungsprojekte sollten diesen Zusammenhang von Inhalt Struktur und Transfer beruumlcksichtigen und sowohl in Wissensmanagement als auch in fruumlhzeitigen und prozessbegleitenden Austausch investieren Unabdingbar auf Sei-ten von Projekttraumlgern ist dabei die Moumlglichkeit und der Wille eine solche Investition auch mit Ressourcen zu unterfuumlttern Ohne entsprechende personelle und zeitliche Ressourcen kann der dargestellte Prozess der durchaus intensive Abstimmungs- und Beziehungsarbeit erfordert nicht gelingen

Veronika Manitius und Nina Bremm 280

Insgesamt zeigt sich eine kooperativ enge Zusammenarbeit steuernder Projektpart-ner die unterschiedliche Ressourcen Netzwerke und Kenntnisse einbringen welche eben nicht nur die praktische Schulentwicklungsarbeit und die Beforschung dieser im Rahmen eines Schulforschungs- und Entwicklungsprojekts fokussieren sondern ins-besondere auch auf ein Wissensmanagement abzielen als entscheidendes Erfolgskri-terium fuumlr gelingende Transferprozesse Dies basiert zudem auf einem gemeinsamen Verstaumlndnis von Transfer als kooperativen Aushandlungsprozess unterschiedlicher Lo-giken der Anschlussfaumlhigkeit an unterschiedliche Systemlogiken Wissensbestaumlnde und Kommunikationslogiken erst herstellen muss

Wissensmanagement muss hierbei systematisch erfolgen braucht also eine Ver-staumlndigung daruumlber mithilfe welcher Instrumente Wissen generiert und organisiert werden kann und dies muss schlieszliglich eingebettet entlang der inhaltlichen Fragestel-lungen und Logiken (im Rahmen des Projekts Heuristik des design-based school im-provement) erfolgen Dieser inhaltliche Bezug ist wichtig da sonst das Risiko besteht dass unrealistische Fragestellungen und Erwartungen an das Projekt herangetragen werden oder Wissensmanagement eher dem Selbstzweck dient Im Potenziale-Projekt hat es sich als bedeutsam erwiesen diesen inhaltlichen Fokus aumluszligerst stringent in den Aushandlungen und Abstimmungsprozessen der steuernden Projektpartnern einzu-nehmen um hieruumlber die verschiedenen Logiken der beteiligten Institutionen sinn-voll und die unterschiedlichen Interessen beruumlcksichtigend aufeinander zu beziehen

Literatur

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Willke H (2004) Einfuumlhrung in das systemische Wissensmanagement Heidelberg Carl-Auer-Systeme Verlag

Autorinnen und Autoren

Herbert Altrichter o Univ-Prof Dr Direktor der Linz School of Education der Jo-hannes Kepler Universitaumlt Linz Forschungsschwerpunkte Bildungsreform und Gover-nance des Bildungswesens Schulentwicklung Evaluation qualitative Forschungsme-thoden neue Lernformen Lehrerbildung

Mag Simone Breit ist Leiterin des Departements fuumlr Elementarpaumldagogik an der PH NOuml und war zwischen 2010 und 2017 am BIFIE u a fuumlr die Standarduumlberpruumlfungen und kompetenzorientierte Messverfahren (mit-)verantwortlich Ihre Arbeitsschwer-punkte sind evidenzbasierte Schul- und Unterrichtsentwicklung paumldagogische Diag-nostik sowie elementare Bildung

Dr Nina Bremm ist wissenschaft liche Mitarbeiterin der AG Bildungsforschung der Universitaumlt Duisburg-Essen wo sie die operative Leitung des Projekts sbquoPotenziale ent-wickelnndashSchulen staumlrkenlsquo innehat In ihrer aktuellen Forschung fokussiert sie Fragen des Umgangs von Bildungsinstitutionen mit herkunft sbedingter Heterogenitaumlt Schul-entwicklungsforschung Netzwerkforschung Implementations- und Transferforschung

Peter Dobbelstein 1 und 2 Staatsexamen Sozialwissenschaft en und Deutsch Lehrer-taumltigkeit am Gymnasium und Berufskolleg wissenschaft licher Mitarbeiter in diversen Schulentwicklungsprojekten Referent im nordrheinwestfaumllischen Landesinstitut fuumlr Schule Leiter des Referats Lehrplanentwicklung der allgemeinen Schulen im Schulmi-nisterium des Landes Nordrhein-Westfalen derzeit Staumlndiger Vertreter des Direktors des nordrheinwestfaumllischen Landesinstituts QUA-LiS NRW und Leiter des Arbeitsbe-reichs 2 (Uumlbergreifende bildungsbezogene Aufgabenfelder ndash Bildungsforschung Eva-luation Schulqualitaumlt Schulentwicklung wissenschaft liche Kooperation Bildungsbe-richterstattung)

Dr Stefan Hahn Mitarbeiter im Institut fuumlr Bildungsmonitoring und Qualitaumltsent-wicklung (IfBQ) Arbeitsschwerpunkte interne Evaluation und datengestuumltzte Schul-entwicklung

Dr Martin Heinrich ist Universitaumltsprofessor fuumlr Schulentwicklung und Schulfor-schung sowie Leiter der Wissenschaft lichen Einrichtung der Versuchsschule Oberstu-fen-Kolleg der Universitaumlt Bielefeld Forschungs-Arbeitsschwerpunkte Schulentwick-

Autorinnen und Autoren 284

lung Inklusion Steuerung und Governance im Bildungswesen Bildungsgerechtigkeit und bildungstheoretische Fragestellungen

Gabriele Klewin Dr stellv Leiterin der Wissenschaft lichen Einrichtung Oberstu-fen-Kolleg der Fakultaumlt fuumlr Erziehungswissenschaft Universitaumlt Bielefeld Arbeits- und Forschungsschwerpunkte Praxisforschung Forschendes Lernen Schulentwicklung

Prof Dr Barbara Koch Leiterin des Fachgebiets Schulpaumldagogik mit dem Schwer-punkt Schul- und Unterrichtsentwicklung an der Universitaumlt Kassel im Institut fuumlr Erziehungswissenschaft ihre Forschungsschwerpunkte sind Transferforschung Leh-rerbildung sowie Schul- und Unterrichtsentwicklung im Kontext von Inklusion For-schendes Lernen

Ulrike Krug ist nach der Taumltigkeit als Ausbilderin im Studienseminar Schulleiterin Schulamtsdirektorin jetzt im hessischen Kultusministerium taumltig Ihre Arbeitsschwer-punkte sind die individuelle Foumlrderung Lesefoumlrderung und computergestuumltzte Lern-verlaufsdiagnostik Sie leitet das Projektbuumlro fuumlr foumlrder- und kompetenzorientierten Unterricht mit dem entsprechenden Fortbildungsangebot fuumlr alle Schulformen Sie fuumlhrt zudem Fortbildungen zur Lesefoumlrderung in Hessen wie auch auf Bundesebene durch

Sebastian U Kuhnen ist wissenschaft licher Mitarbeiter in der Wissenschaft lichen Ein-richtung Oberstufen-Kolleg an der Universitaumlt Bielefeld und arbeitet in der Verlaufs- und Absolventenstudie am Oberstufen-Kolleg (VAmOS) zu Fragen der datengestuumltz-ten Schulentwicklung

Ramona Lau Diplom-Biologin ist Lehrer-Forscherin am Oberstufen-Kolleg Bielefeld Ihre Forschungsschwerpunkte sind Innere Diff erenzierung Inklusion und Nachteils-ausgleich in der Oberstufe

Dr Veronika Manitius ist Referentin fuumlr Wissenschaft s-Praxis-Kooperation der Qua-litaumlts- und UnterstuumltzungsAgentur ndash Landesinstitut fuumlr Schule NRW Ihre Arbeits-schwerpunkte sind Transfer Wissenschaft -Praxis und Schulentwicklung in herausfor-dernder Lage

Rick Mintrop ist Professor in der Graduate School of Education an der University of California Berkeley Seine Forschungsschwerpunkte sind Schulentwicklung Qualitaumlts-managment und Arbeitsmotivation von Lehrkraumlft en Er nimmt aktiv an designorien-tierten Entwicklungsprozessen in Schulen und Schulsystemen teil

Mag Maria Neubacher ist Researcherin im Department Bildungsstandards amp Inter-nationale Assessments am Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Ent-wicklung des oumlsterreichischen Schulwesens (bifi e) in Salzburg und Leiterin des Teams bdquoRuumlckmeldungldquo Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Ergebnisruumlckmeldungen und Be-

Autorinnen und Autoren 285

richtslegung der oumlsterr Bildungsstandarduumlberpruumlfungen und damit einhergehende Schulungs- und Vortragstaumltigkeiten

Monika Palowski Dr phil Wissenschaft liche Mitarbeiterin an der Wissenschaft lichen Einrichtung Oberstufen-Kolleg und im Projekt BiProfessional im Rahmen der Qua-litaumltsoff ensive Lehrerbildung Universitaumlt Bielefeld Schwerpunkte Heterogenitaumlt Bil-dungsungleichheit Diskursanalyse Praxisforschung

Dr Hans-Guumlnter Rolff ist emeritierter Professor fuumlr Schulpaumldagogik und Bildungs-forschung an der TU-Dortmund Er war Mitbegruumlnder und Vorsitzender der Kom-mission Bildungsorganisation Bildungsplanung und Bildungsrecht der DGfE Vorsitzender der Sektion Bildungssoziologie der DGS und stellvertretener Ausschuss-vorsitzender der DFG und dort auch Fachgutachter Arbeitsschwerpunkte Sozialisa-tion Bildungsplanung und Schulentwicklung

Mag Dr Claudia Schreiner Universitaumlt Innsbruck Institut fuumlr LehrerInnenbildung und Schulforschung Arbeitsschwerpunkte paumldagogische Diagnostik und Kompetenz-messung Kompetenzorientierung und Bildungsstandards Chancengerechtigkeit und evidenzorientierte Qualitaumltsentwicklung

Ulrich Steff ens Erziehungswissenschaft ler zuletzt taumltig (bis zu seiner Pensionierung) als Direktor am hessischen Institut fuumlr Qualitaumltsentwicklung Wiesbaden Initiator des bdquoArbeitskreises Qualitaumlt von Schuleldquo (1985) Aktuelle Arbeitsvorhaben Hattie-Studie (bdquoLernen nach Hattie ndash Wie gelingt guter Unterrichtldquo Beltz 2016) Veroumlff entlichungs-reihe bdquoGrundlagen der Qualitaumlt von Schuleldquo aktuell erschienen Band 3 bdquoUnterrichts-qualitaumlt ndash Konzepte und Bilanzen gelingenden Lehrens und Lernensldquo (Waxmann 2019)

Cornelia Stiller Diplom-Biologin Diplom-Psychologin arbeitet als wissenschaft li-che Mitarbeiterin an der Fakultaumlt fuumlr Erziehungswissenschaft en und der Fakultaumlt fuumlr BiologieBiologiedidaktik an der Universitaumlt Bielefeld ihre Arbeits- bzw Forschungs-schwerpunkte sind Forschendes Lernen Experimentieren im Biologieunterricht ge-stuft e Lernhilfen beim Experimentieren schulinterne Evaluation epistemische Uumlber-zeugungen Fragebogenentwicklung

MMag Christian Wiesner BIFIE Arbeitsschwerpunkte Lehr-Lern-Forschung Be-ziehungs- und Praumlsenzpaumldagogik Beratungs- und Th erapietheorien in der Professio-nalisierung Fuumlhrungskultur und Leadership interpersonelle Kommunikation und Coaching Innovationsforschung Kompetenzorientierung und Bildungsstandards evi-denzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung

Susanne Wolter ist Abteilungsleiterin am Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Ber-lin-Brandenburg mit den Arbeitsschwerpunkten Rahmenlehrplanentwicklung Unter-richtsentwicklung Medienbildung und Evaluation

UNSERE BUCHEMPFEHLUNG

Ulrich Steffens Katharina Maag Merki Helmut Fend (Hrsg)

SchulgestaltungAktuelle Befunde und Perspek-tiven der Schulqualitaumlts- und SchulentwicklungsforschungGrundlagen der Qualitaumlt von Schule 2

Beitraumlge zur Schulentwicklung 2017 336 Seiten br 3490 euro ISBN 978-3-8309-3617-6E-Book 3099 euro ISBN 978-3-8309-8617-1

In diesem zweiten Band zu bdquoGrundlagen der Qualitaumlt von Schuleldquo wird zunaumlchst die Grundidee von Schulqualitaumlt nachgezeichnet

und die konzeptionellen Grundlagen werden erlaumlutert Dabei wer-den spezifische Schwerpunkte der Schulqualitaumltsdebatte in den Fokus geruumlckt bedeutsame Forschungsbefunde eroumlrtert und An-saumltze fuumlr die Weiterentwicklung des Verstaumlndnisses von Schulqua-litaumlt diskutiert

Der Band beschaumlftigt sich in seinem zweiten Teil mit aktuellen Forschungsbefunden zur Entwicklung und Gestaltung von Schu-le Dem schlieszligt sich im dritten Teil eine Auseinandersetzung mit dem Anliegen einer Verbindung von Schulqualitaumlt und Schulent-wicklung an Dabei werden Ansaumltze vorgestellt wie dies realisiert werden koumlnnte und welche Potenziale Grenzen und weiterfuumlhren-den Fragestellungen sich durch eine engere Koppelung von Schul-qualitaumltsdiskursen und Schulentwicklungsforschung ergeben

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UNSERE BUCHEMPFEHLUNG

Ulrich Steffens Rudolf Messner (Hrsg)

UnterrichtsqualitaumltKonzepte und Bilanzen gelingenden Lehrens und Lernens Grundlagen der Qualitaumlt von Schule 3

Beitraumlge zur Schulentwicklung 2019 424 Seiten br 3990 euro ISBN 978-3-8309-3937-5E-Book 3599 euro ISBN 978-3-8309-8937-0

Das Arbeitsgebiet der Didaktik befindet sich derzeit in einem Umbruch Das wachsende Autonomiebestreben

der Kinder und Jugendlichen der houmlhere Anspruch an eine individuelle Foumlrderung sowie die zunehmende Digitalisie- rung des (Schul-)Alltags fordern zu einem grundlegenden Umdenken auf Eingeteilt in die vier Abschnitte bdquoEntwicklun-genldquo bdquoEntwuumlrfeldquo bdquoBilanzenldquo und bdquoAntizipationenldquo beschreibt dieser Band die Moumlglichkeiten und Herausforderungen die mit diesem Wandel einhergehen und bietet so eine wahre Fundgrube fuumlr qualitaumltsvolles unterrichtliches Handeln

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UNSERE BUCHEMPFEHLUNG

Susanne Schwab Georg Tafner Silke Luttenberger Hannelore Knauder Christa-Monika Reisinger (Hrsg)

Von der Wissenschaft in die PraxisZum Verhaumlltnis von Forschung und Praxis in der Bildungsforschung

2018 236 Seiten br 2990 euro ISBN 978-3-8309-3841-5E-Book 2699 euro ISBN 978-3-8309-8841-0

Fortwaumlhrend steht die Bildungsforschung vor der Heraus- forderung Moumlglichkeiten und Grenzen des Wissenschaft-

Praxis-Transfers aufzuzeigen Dieser Tagungsband der Sektion Empirische Paumldagogische Forschung der Oumlsterreichischen Ge- sellschaft fuumlr Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (OumlFEB) und des Bundeszentrums fuumlr Professionalisierung in der Bildungsforschung (BZBF) greift diese Thematik auf und praumlsentiert nationale und internationale Beitraumlge die sich diesem Spannungsfeld aus unterschiedlichen Disziplinen und Perspektiven zuwenden Damit soll ein weiterer konkreter Bei- trag der Bildungsforschung an der Schnittstelle von Wissen-schaft und Praxis geleistet werden

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  • Buchtitel
  • Impressum
  • Inhalt
  • Vorwort
  • Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze (Ulrich Steffens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein)
    • Vorbemerkung
    • 1 Kurze Beschreibung der Sach- bzw Problemlage
    • 2 Handlungsperspektiven fuumlr einen Praxistransfer
      • 21 Wissenschafts-Praxis-Dialog
      • 22 Entwicklung und Bereitstellung von bdquoPraxistheorienldquo
      • 23 bdquoPraxisforschungldquo
      • 24 Institutionelle Traumlger und Rollen eines Praxistransfers
        • 3 Problem- und Fragestellungen bei der Initiierung des Praxistransfers
        • Literatur
          • Transfer ist Arbeit und Lernen (Herbert Altrichter)
            • Die Transfer-Hoffnung
            • 1 Wissensverwendung
            • 2 Modelle der Theorie-Praxis-Transformation
              • 21 Unterrichts- und Schulentwicklung durch Datenfeedback
              • 22 Professionelles Lernen
                • Literatur
                  • Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss (Rick Mintrop)
                    • 1 Die Logik der designbasierten Schulentwicklung
                      • 11 Handlungstheorien
                      • 12 Problemloumlsen
                      • 13 Schnelles Denken ndash langsames Denken
                      • 14 Diagnose eines Problems
                      • 15 Treiber oder Triebkraumlfte der Veraumlnderung
                      • 16 Iteratives Vorgehen
                        • 2 Partnerschaften zwischen Praxis und Forschung
                          • 21 Ein Fallbeispiel Das Projekt bdquoVertiefendes Lernenldquo in einem Schulbezirk in sozial schwieriger Lage
                          • 22 Problembewusstsein
                          • 23 Inspiration und konkrete Vision des bdquoVertiefenden Lernensldquo
                          • 24 Unterrichtsexperimente in Teams
                          • 25 Unterrichtspraktiken
                          • 26 Fokus und Kohaumlrenz
                            • 3 Schlussbemerkung
                            • Literatur
                              • Transfer von Innovationen im Schulbereich (Hans-Guumlnter Rolff)
                                • 1 Formen des Transfers
                                • 2 Transfer als Nacherfindung
                                  • 21 Dynamische Prototypen und Werkstaumltten
                                  • 22 Von Prototypen zur Nachhaltigkeit
                                  • 23 Innovation als sozialer Prozess
                                  • 24 Transfer als Transformation
                                    • 3 Change Management als Vehikel
                                    • 4 Transfer durch Personen
                                    • Literatur
                                      • Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo Zum Problem der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierung sowie den Chancen und Grenzen von Praxisforschung als Alternative oder Ergaumlnzung (Martin Heinrich und Gabriele Klewin)
                                        • 1 Praxisforschung als Antwort auf Probleme des bdquoEvidenz-Transfersldquo
                                        • 2 Von den immanenten Widerspruumlchen des Programms der Evidenzbasierten Steuerung und dem Problem des Transfers von Evidenzen
                                        • 3 Zum Begriff der Praxisforschung und ihren Moumlglichkeiten und Grenzen fuumlr Transfer von Forschungswissen
                                        • 4 Ausblick
                                        • Literatur
                                          • Implementation Transfer Progression und Transformation Vom Wandel von Routinen zur Entwicklung von Identitaumlt Von Interventionen zu Innovationen die bewegen Bausteine fuumlr ein Modell zur Schulentwicklung durch Evidenz(en) (Christan Wiesner und Claudia Schreiner)
                                            • Kerngedanke 1 ein Modell der Entwicklung und Verbesserung
                                            • Kerngedanke 2 die Verortung von Daten
                                            • Kerngedanke 3 die Differenzierung von Daten verstehen
                                            • Kerngedanke 4 Professionelle Lerngemeinschaften und Netzwerke foumlrdern
                                            • Kerngedanke 5 eine lernende Schule entwickeln und etablieren
                                            • Kerngedanke 6 ein Rahmen- und Orientierungsmodell
                                            • Kerngedanke 7 Kompetenzverstaumlndnis
                                            • Kerngedanke 8 Implementation Transfer Progression und Transformation
                                            • Fazit
                                            • Literatur
                                              • Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen (Stefan Hahn Gabriele Klewin Barbara Koch Sebastian U Kuhnen Monika Palowski und Cornelia Stiller)
                                                • 1 Innovationen und Transfer
                                                • 2 Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg Bielefeld
                                                  • 21 Die Entwicklung von Fragestellung und methodischem Design in Kooperation von Praxis und Wissenschaft
                                                  • 22 Die Gestaltung von Ergebnisruumlckmeldungen in Prozessen der datengestuumltzten Unterrichtsentwicklung
                                                  • 23 Transfer durch Netzwerkbildung und Ruumlckwirkungen der Rezeption auf den Innovations- und Unterstuumltzungskontext
                                                    • 3 Bedingungen fuumlr die Entwicklung transferfaumlhiger Innovationen
                                                    • Literatur
                                                      • Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben (Josef Thonhauser)
                                                        • 1 Ein allgemeindidaktischer Rahmen
                                                          • 11 Welche Funktionen koumlnnen Aufgaben grundsaumltzlich erfuumlllen
                                                          • 12 Wer entscheidet uumlber die zu stellenden Aufgaben
                                                          • 13 Wer beurteilt die von Schuumllerinnen und Schuumllern vorgelegten Loumlsungen
                                                          • 14 Formale Merkmale von Aufgaben
                                                          • 15 Einschraumlnkende Bedingungen beim Einsatz von Lernaufgaben
                                                            • 2 Nach wie vor ein Desiderat fachdidaktische Differenzierungen
                                                            • 3 Einige illustrative Beispiele fuumlr Lernaufgaben
                                                              • 31 Ein begruumlndetes aumlsthetisches Urteil finden (fuumlr eine gymnasiale Oberstufe)
                                                              • 32 Nicht jede (z B im Schulbuch gestellte) Aufgabe ist auch loumlsbar (Sekundarstufe I)
                                                              • 33 Menschenrechte da und dort ndash gestern und heute (Sekundarstufe II)
                                                                • Literatur
                                                                  • Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung Instrumente paumldagogischer Diagnostik im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen und schulpraktischen Anspruumlchen (Claudia Schreiner und Simone Breit)
                                                                    • 1 Ausgangspunkt Heterogenitaumlt
                                                                    • 2 Paumldagogische Diagnostik als Grundlage zielgerichteten Lernens
                                                                    • 3 Instrumente aus der Wissenschaft und ihre Verwendung in der paumldagogischen Praxis
                                                                      • 31 Informelle Kompetenzmessung (IKM)
                                                                      • 32 USB PluS Sprachstandsfeststellung in der Volksschule
                                                                      • 33 USB DaZ Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache
                                                                        • 4 Diagnoseinstrumente von der Wissenschaft fuumlr die paumldagogische Praxis ein Balanceakt in vielerlei Hinsicht
                                                                        • 5 Zusammenfassung und Ausblick
                                                                        • Literatur
                                                                          • Daten nutzen ndash Schulen entwickeln SANDBIST als interaktives Format der Datenruumlckmeldung (Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher)
                                                                            • 1 Schul- und Unterrichtsentwicklung durch externe Daten ndash Wie Standarduumlberpruumlfungen in Oumlsterreichs Schulen Qualitaumltsentwicklung anstoszligen (sollen)
                                                                            • 2 Die Rolle der Schulaufsicht im Rahmen datenbasierter Schulentwicklung
                                                                              • 21 Die Mitglieder der Schulaufsicht als Bindeglied zwischen Schulen und Bildungsverwaltung
                                                                              • 22 Die Nutzung von Bildungsstandardergebnissen durch die Schulaufsicht
                                                                                • 3 Anforderungen an die Aufbereitung von Daten fuumlr die evidenzorientierte Qualitaumltsentwicklung an Schulen
                                                                                  • 31 Qualitaumltsanforderungen an Ruumlckmeldeberichte
                                                                                  • 32 Moumlglichkeiten und Grenzen der klassischen Datenaufbereitung in Berichtsform
                                                                                    • 4 SANDBIST als innovative Form der Datenbereitstellung fuumlr die Schulaufsicht
                                                                                      • 41 Nutzungsmoumlglichkeiten von SANDBIST
                                                                                      • 42 Beschreibung des Instruments und Begleitmaszlignahmen
                                                                                        • 5 Zusammenfassung und Ausblick
                                                                                        • Literatur
                                                                                          • Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten (Christian Wiesner)
                                                                                            • 1 Ein kurzer Exkurs zum Begriff der Evidenz
                                                                                            • 2 Das Modell der Feldtransformation
                                                                                            • 3 Annaumlherungen aus einer psychotherapeutischen Perspektive der Ursprung des Modells
                                                                                            • 4 Annaumlherungen aus einer lerntheoretischen Perspektive der Prozess des Lernens
                                                                                            • 5 Annaumlherungen aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive der Prozess der zwischenmenschlichen Kommunikation
                                                                                            • 6 Annaumlherungen aus der Perspektive der lernenden Organisation und der Systeme
                                                                                            • 7 Ausblick und Fazit
                                                                                            • Literatur
                                                                                              • bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingen (Ulrike Krug)
                                                                                              • Praxisforschung zur Inneren Differenzierung in der Sekundarstufe II ndash und dann Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer (Ramona Lau)
                                                                                                • 1 Heterogenitaumlt als Normalfall Praxisforschung Innere Differenzierung in der Sekundarstufe II mit Transfer der Ergebnisse in die Praxis
                                                                                                  • 11 Interner Transfer von Forschungsergebnissen das Schulentwicklungsprojekt Innere Differenzierung in der Sekundarstufe II am Oberstufen-Kolleg
                                                                                                  • 12 Das Praxishandbuch bdquoInnere Differenzierung in der Sekundarstufe IIldquo ndash aus der Praxis fuumlr die Praxis
                                                                                                  • 13 Externer Transfer Fortbildungen zur Inneren Differenzierung
                                                                                                    • 2 Praxistransfer Problemstellungen aus der Praxis
                                                                                                    • 3 Schlussfolgerungen und Perspektiven
                                                                                                    • Literatur
                                                                                                      • Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgabengestalten optimieren und steuern) ndash eine Kooperation von Wissenschaft Landesinstitut regionaler Fortbildung und Schulpraxis (Susanne Wolter)
                                                                                                        • Ziele
                                                                                                        • Struktur
                                                                                                        • Inhalte und Umsetzung
                                                                                                        • Evaluation
                                                                                                        • LAGOS aus der Sicht des paumldagogischen Landesinstituts
                                                                                                        • Gelingensbedingungen und Fazit
                                                                                                        • Literatur
                                                                                                          • Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie Einblicke in ein Schulentwicklungsprojekt zu Schulen in sozial-raumlumlichen benachteiligten Lagen in NRW (Veronika Manitius und Nina Bremm)
                                                                                                            • 1 Hintergrund
                                                                                                            • 2 Das Projekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo
                                                                                                            • 3 Kooperatives Wissensmanagement als Transferstrategie im Schulsystem
                                                                                                            • 4 Wissensmanagementstrategien im Projekt
                                                                                                            • 5 Fazit
                                                                                                            • Literatur
                                                                                                              • Autorinnen und Autoren
Page 3: Praxistransfer Schul- und Unterrichtsentwicklung

ISBN 978-3-8309-3936-8

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Umschlaggestaltung Hannes Kaschnig-Loumlbel Anne BreitenbachSatz Stoddart Satz- und Layoutservice MuumlnsterDruck Hubert amp Co Goumlttingen

Bibliografi sche Informationen der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet uumlber httpdnbdnbde abrufb ar

Dieser Band entstand in Kooperation zwischen dem Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens (BIFIE) dem Netzwerk fuumlr empiriegestuumltzte Schulentwicklung (EMSE) und dem Institut fuumlr LehrerInnenbildung und Schulforschung an der Universitaumlt Innsbruck

Inhalt

Vorwort 7

Konzeptionelle Beitraumlge

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 11

Herbert AltrichterTransfer ist Arbeit und Lernen 27

Rick MintropDesignbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 35

Hans-Guumlnter Rolff Transfer von Innovationen im Schulbereich 49

Martin Heinrich und Gabriele KlewinEvidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquoZum Problem der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierung sowie den Chancen und Grenzen von Praxisforschung als Alternative oder Ergaumlnzung 61

Christan Wiesner und Claudia SchreinerImplementation Transfer Progression und Transformation Vom Wandel von Routinen zur Entwicklung von Identitaumlt Von Interventionen zu Innovationen die bewegen Bausteine fuumlr ein Modell zur Schulentwicklung durch Evidenz(en) 79

Stefan Hahn Gabriele Klewin Barbara Koch Sebastian U Kuhnen Monika Palowski und Cornelia StillerUumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 141

Josef Th onhauserDas didaktische Potenzial von Lernaufgaben 153

Claudia Schreiner und Simone BreitPaumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung Instrumente paumldagogischer Diagnostik im Spannungsfeld zwischen wissenschaft lichen und schulpraktischen Anspruumlchen 171

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher Daten nutzen ndash Schulen entwickeln SANDBIST als interaktives Format der Datenruumlckmeldung 189

Christian Wiesner Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 207

Erfahrungsberichte

Ulrike KrugbdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen SchulenldquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingen241

Ramona LauPraxisforschung zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II ndash und dann Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer 247

Susanne WolterFortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) ndash eine Kooperation von Wissenschaft Landesinstitut regionaler Fortbildung und Schulpraxis259

Veronika Manitius und Nina BremmKooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie Einblicke in ein Schulentwicklungsprojekt zu Schulen in sozial-raumlumlichen benachteiligten Lagen in NRW 265

Autorinnen und Autoren 283

Vorwort

Das Netzwerk bdquoEmpiriegestuumltzte Schulentwicklung (EMSE)ldquo besteht seit 2004 um die Diskussion und den Austausch uumlber schulische Qualitaumltssicherung und Qualitaumltsent-wicklung zu ermoumlglichen Das Netzwerk spricht vor allem die in den 16 deutschen Bundeslaumlndern mit empirischen Verfahren der Schulentwicklung und Bildungspla-nung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kultus- bzw Schulministe-rien in den Landesinstituten und den Qualitaumltsagenturen an Im Zentrum stehen die Fachtagungen die sich mit zentralen Th emen der Bildungsplanung und Schulentwick-lung befassen Dabei werden neue Forschungsergebnisse rezipiert und im Hinblick auf ihre praktischen Konsequenzen eroumlrtert Ansaumltze und Verfahren empirisch orientier-ter Schul- und Unterrichtsentwicklung in den Bundeslaumlndern vorgestellt und Erfah-rungen ausgetauscht

Das Netzwerk ist gepraumlgt von der Schnittstelle zwischen und der Zusammenarbeit von Wissenschaft Verwaltung und Praxis Im Juni 2016 fand die erste Auslandsta-gung des EMSE-Netzwerks am BIFIE (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innova-tion amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens) in Salzburg statt Seitdem steht der Th emenkomplex bdquoTransfer ndash PraxisWissenschaft ndash Wissenschaft Praxisldquo im Fo-kus der Tagungen

Ausgehend von dieser 22 EMSE-Tagung in Salzburg sind die Beitraumlge fuumlr den vor-liegenden Band entstanden Sie reichen von konzeptionellen Beitraumlgen uumlber die Auf-arbeitung konkreter Herausforderungen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis bis hin zu Erfahrungsberichten und spiegeln so die Vielfalt der Zugaumlnge im EMSE-Netzwerk wider

Unser Dank gilt allen Autorinnen und Autoren die sich mit ihren Beitraumlgen zur vorliegenden Publikation an Diskussion und Austausch zu diesem zentralen Th e-menkomplex beteiligen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Begleitfor-schung und Medienmanagement des BIFIE fuumlr die tatkraumlft ige Unterstuumltzung in der Umsetzung dieses Buchprojekts

Claudia SchreinerChristian WiesnerSimone BreitPeter DobbelsteinMartin HeinrichUlrich Steff ens

Konzeptionelle Beitraumlge

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze

Vorbemerkung Der nachfolgende Text bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Pro-blemskizzeldquo ist im Zusammenhang des bdquoEMSE-Netzwerkesldquo entstanden EMSE steht fuumlr bdquoEmpiriegestuumltzte Schulentwicklungldquo Das Netzwerk wurde im Jahr 2004 gegruumln-det Ausgangspunkt fuumlr die Netzwerkidee war ein informelles Arbeitstreff en am Rande einer Tagung der PISA-Laumlnderkoordinatoren im Jahr 20041 Daraufh in hatten Dr Rai-ner Peek Peter Dobbelstein und Ulrich Steff ens zu einem ersten Arbeitstreff en aufge-rufen zu dem dann das Landesinstitut fuumlr Schule in Soest fuumlr den 15-16 Dezember 2004 eingeladen hatte Zum damaligen Zeitpunkt war im Zuge der so genannten bdquoem-pirischen Wendeldquo (Lange 2008) in der Bildungsplanung zwar der Bedarf nach ent-sprechenden Austauschmoumlglichkeiten erkennbar zugleich aber nicht abzusehen dass EMSE eine solche Resonanz ausloumlsen wuumlrde die bis heute eine Kontinuitaumlt an Fach-tagungen im halbjaumlhrlichen Abstand zur Folge hat Die erste Tagung war konzipiert als Moumlglichkeit fuumlr einen Erfahrungsaustausch uumlber aktuelle Entwicklungen einer empiriegestuumltzten Schul- und Unterrichtsentwicklung

Zum damaligen Zeitpunkt hatte sich im Zuge der bdquoempirischen Wendeldquo in der Bil-dungspolitik und Bildungsplanung bereits ein breites Spektrum an empirisch orien-tierten Vorhaben zur Qualitaumltssicherung und Qualitaumltsentwicklung in den einzelnen Bundeslaumlndern entfaltet bzw verstetigt1) fachbezogene Schulleistungstests insbesondere standardisierte Lernstandserhebun-

gen unterrichtsfachlicher Leistungen in verschiedenen Jahrgangsstufen2) uumlberfachliche Schulleistungstests zum Beispiel zum sozialen und kooperativen

Lernen zum Problemloumlsen oder zur Selbststaumlndigkeitsfoumlrderung 3) Sekundaumlranalysen zu internationalen und nationalen Datensaumltzen ndash zum Beispiel

PISA-2000-Landesdatensaumltze Verknuumlpfung von Ergebnissen aus internationalen nationalen Vergleichsuntersuchungen Systemmonitoring und Schulevaluation

4) fokussierte Evaluationen zum Beispiel Analyse von Schwachstellen des Schul-systems Auswertungen von Abschlusspruumlfungen oder schulinternen Vergleichs-arbeiten Studien zur Schulzeitverkuumlrzung oder zur Diagnosekompetenz und

1 Die Initiative dazu ging von Dr Christoph Burkard (damals Ministerium fuumlr Schule und Wei-terbildung Duumlsseldorf) Dietmar Kirchhoff (damals Senat fuumlr Schule und Wissenschaft Bre-men) und Ulrich Steff ens (damals Hessisches Landesinstitut fuumlr Paumldagogik ndash HeLP Wiesba-den) aus

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 12

zum foumlrderorientierten Verhalten von Lehrpersonen Arbeiten zur Lehrer- oder Schuumller beurteilung sowie Arbeitsplatzuntersuchungen

5) empirische Analysen von Bildungs- und Schulstatistiken (bdquoSchulberichterstat-tungldquo)

6) Studien zur Schul- und Unterrichtsqualitaumlt ndash zum Beispiel ergaumlnzende empirische Studien zur Klaumlrung von Wirkungszusammenhaumlngen zwischen Lehr- und Lernbe-dingungen sowie erzieherischen und fachlichen Leistungen (bdquoKonfi gurationenldquo von Schul- und Unterrichtsqualitaumlt) Forschungsvorhaben zur Ermittlung von Bewer-tungsmaszligstaumlben der Schul- und Unterrichtsqualitaumlt (Referenzsysteme fuumlr Schul-qualitaumlt bdquoQualitaumltsindikatorenldquo) Identifi kation relevanter Kontextbedingungen fuumlr schulische Lehr- und Lernprozesse (bdquoBelastungsindikatorenldquo)

7) wissenschaft liche Begleitungen von Schulentwicklungsmaszlignahmen zum Beispiel externe Evaluationen von Programmen und Wirksamkeitsanalysen

8) sonstige Vorhaben zur empiriegestuumltzten Schul- und Unterrichtsentwicklung ndash zum Beispiel Transfer- und Folgenforschung Studien zu erfolgversprechenden Strategien der Ergebnisruumlckmeldung an die Schulen Studien zur Schulevaluation (u a Gelingensbedingungen schulinterner Evaluation Analysen zur Schulinspek-tionexternen Evaluation Verzahnung interner mit externer Evaluation) bildungs-oumlkonomische Recherchen (Kosten-Nutzen-Analysen)

Alle diese Vorhaben waren von dem Anliegen getragen neben bdquoSystemwissenldquo im In-teresse einer fundierten rationalen und wirksamen Bildungsplanung auch Handlungs-wissen fuumlr die Schul- und Unterrichtsgestaltung unter Beruumlcksichtigung empirischer Verfahren zu gewinnen

Im Mittelpunkt der ersten EMSE-Tagungen standen Verfahren der Standardset-zung die sich bundesweit in der Formulierung von Bildungsstandards und in den ein-zelnen Bundeslaumlndern in der Formulierung von Kompetenzerwartungen oder ver-bindlichen Anforderungen in (Kern-)Lehrplaumlnen fuumlr die Faumlcher zeigten Unmittelbar daran gekoppelt spielten in den Diskussionen Verfahren der Standarduumlberpruumlfung eine groszlige Rolle In diesem Zusammenhang hatten sich bundesweit in den einzelnen Bundeslaumlndern Lernstandserhebungen (Vergleichsarbeiten bzw Orientierungsarbei-ten) etabliert denen die methodischen Prinzipien aus Schulleistungsstudien bzw large scale assessments sensu PISA zugrunde lagen (standardisierte Testverfahren) die je-doch ndash in Abgrenzung zu PISA amp Co ndash vornehmlich auf Qualitaumltsentwicklung bdquovor Ortldquo zielten

In einer Reihe von Folgetagungen wurden aktuelle zentrale Th emen in den Vor-dergrund geruumlckt und zwar Referenzsysteme und Beobachtungsinstrumente zur Unterrichtsqualitaumlt (Institut fuumlr die Paumldagogik der Naturwissenschaft en IPN Kiel) schulinterne Evaluation (CITO Deutschland Solingen) Wirksamkeit von Lehrerfort-bildung (Senatsverwaltung Berlin) und Uumlbergangsprobleme von der Grundschule in weiterfuumlhrende Schulen (Landesinstitut fuumlr Paumldagogik und Medien DudweilerSaar-land)

Mehrere Tagungen widmeten sich der bdquoKMK-Gesamtstrategie zum Bildungsmo-nitoringldquo Neben einer bilanzierenden Tagung (QUA-LiS Soest) ging es in weite-

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 13

ren Tagungen um einzelne Maszlignahmen und zwar um internationale und nationa-le Schulleistungsstudien (Institut fuumlr Qualitaumltsentwicklung Schwerin) standardisierte Lernstandserhebungen (IEA-DPC Hamburg) Schulinspektionen bzw externe Eva-luationen (IfBQ Hamburg) und um Bildungsstandards (Wiss Einrichtung Oberstu-fen-Kolleg Bielefeld)

Die aktuellen Tagungen des EMSE-Netzwerkes stehen unter dem Leitthema des Wissenstransfers und zwar seit der ersten Auslands-EMSE in Salzburgbull bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingenldquo

(22 Tagung vom 30 Juni bis 1 Juli 2016 in Salzburg Gastgeber Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens ndash BIFIE)

bull bdquoDialog der Systeme und Professionenldquo (23 Tagung vom 15-16 Dezember 2016 in FrankfurtM Gastgeber Deutsches Institut fuumlr Internationale Paumldagogische For-schung ndash DIPF)

bull bdquoDatenbasierte Schulentwicklung durch Wissenschaft -Praxis-Dialogldquo (24 Tagung vom 26-27 Juni 2017 in Landau Gastgeber Zentrum fuumlr Empirische Paumldagogi-sche Forschung ndash zepf)

bull bdquoBildung in der digitalen Welt ndash Welche Forschung haben wir welche Forschung brauchen wirldquo (25 Tagung vom 7-8 Dezember 2017 in Ludwigsfeld Gastgeber Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Berlin-Brandenburg ndash LISUM)

bull bdquoSchul- und Unterrichtsentwicklung bei zunehmend heterogener Schuumllerschaft ldquo (26 Tagung vom 11-12 Juni 2018 in Berlin Gastgeber Institut zur Qualitaumltsent-wicklung im Bildungswesen ndash IQB)

bull bdquoKulturelle Schulentwicklung im Querschnitt von Schule Kultur und Jugend ndash Was koumlnnen Verwaltung Forschung und Praxis voneinander lernenldquo (27 Tagung vom 18-19 Dezember 2018 in Remscheid Gastgeber Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung ndash BKJ)

Die vorstehende Aufl istung zeigt dass sich die Fachtagungen mit zentralen Th emen der Bildungsplanung und Schulentwicklung befassen Dabei werden neue Forschungs-ergebnisse rezipiert und im Hinblick auf ihre praktischen Konsequenzen eroumlrtert An-saumltze und Verfahren empirisch orientierter Schul- und Unterrichtsentwicklung in den Bundeslaumlndern vorgestellt und Erfahrungen ausgetauscht Die empirische Ausrichtung im EMSE-Netzwerk verfolgt das Ziel Erkenntnisse aus der Schul- und Unterrichtsfor-schung auf ihre praktischen Konsequenzen hin zu befragen und ihre Relevanz fuumlr die Bildungsverwaltung und Bildungspraxis aufzuzeigen Bei der empirischen Ausrichtung des Netzwerks sind insbesondere drei Perspektiven von besonderer Bedeutung1) Identifi kation struktureller bdquoGelingensbedingungenldquo der Schul- und Unterrichtsge-

staltung2) Befoumlrderung der Entwicklung bdquoevidenzbasierter Programmeldquo (zu denken waumlre bei-

spielhaft an aktuelle Projekte wie bdquoindividuelle Foumlrderung und adaptive Lern-Gele-genheiten in der Grundschule (IGEL)ldquo oder das Programm bdquoBildung durch Spra-che und Schrift (BiSS)ldquo

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 14

3) Kritische Refl exion und formative Adaption von bdquoImplementationsstrategienldquo die sich auf zielbezogene adressatengerechte und eff ektive Programmmaszlignahmen be-ziehen in denen die jeweiligen Komponenten bzw Instrumente bdquoorchestriertldquo und die unterschiedlichen Handlungsebenen mit ihren jeweiligen institutionellen Ak-teuren synchronisiert sind (Planungsparameter waumlren u a Konsistenz Kontinuitaumlt Koordination)

Bei den im EMSE-Netzwerk Mitwirkenden handelt es sich in erster Linie um die mit empirischen Verfahren der Schulentwicklung und Bildungsplanung befassten Mit-arbeiterinnen in den Kultus- bzw Schulministerien sowie in den Landesinstituten bzw Qualitaumltsagenturen aller 16 Bundeslaumlnder sowie inzwischen auch aus entspre-chenden Einrichtungen in Oumlsterreich und Suumldtirol der Schweiz und der deutschspra-chigen Gemeinschaft in Belgien Daruumlber hinaus wirken in dem Netzwerk auch einige Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft ler mit die in den EMSE-Th emenfeldern ihre Forschungsschwerpunkte haben Regelmaumlszligig nehmen auch Vertreterinnen des Bun-desministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) der Geschaumlft sstelle der Kultus-ministerkonferenz (KMK) und von verschiedenen Stift ungen an den Tagungen teil

Zu den zweimal jaumlhrlich stattfi ndenden zweitaumlgigen Fachtagungen laden im Re-gelfall die bereits erwaumlhnten Landesinstitute ein in Einzelfaumlllen auch wissenschaft -liche Einrichtungen wie das Deutsche Institut fuumlr Internationale Paumldagogische For-schung (DIPF) in FrankfurtM das IEA Data Processing Center (DPC) in Hamburg das Institut fuumlr die Paumldagogik der Naturwissenschaft en (IPN) in Kiel das Institut zur Qualitaumltsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin das Institut fuumlr Schulent-wicklungsforschung (IfS) in Dortmund die Wissenschaft liche Einrichtung des Ober-stufen-Kollegs an der Universitaumlt Bielefeld und das Zentrum fuumlr Empirische Paumldagogi-sche Forschung (zepf) in Landau

Fuumlr eine Dokumentation der bisher durchgefuumlhrten 27 Fachtagungen wird auf die Homepage des EMSE-Netzwerkes verwiesen (Emse-Netzwerk 2018) Dort befi n-den sich auch zwei bdquoPositionspapiereldquo die aus der Befassung mit zentralen Th emen auf den EMSE-Tagungen hervorgegangen sind Das erste Positionspapier zu zentra-len Lernstandserhebungen wurde von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der 5 EMSE-Tagung vom 7-8 Dezember 2006 in Berlin verabschiedet (bdquoZentrale stan-dardisierte Lernstandserhebungen ndash Positionspapier des Netzwerkes bdquoEmpiriege-stuumltzte Schulentwicklungldquo)2 Ein zweites Positionspapier bdquoNutzung und Nutzen von Schulruumlckmeldungen im Rahmen standardisierter LernstandserhebungenVergleichs-arbeitenldquo wurde auf der 9 EMSE-Tagung vom 16ndash18 Dezember 2008 in Nuumlrnberg verabschiedet3 Daruumlber hinaus ist das Papier bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichts-forschung ndash eine Problemskizzeldquo entstanden das zur ersten Auslandstagung des EMSE-Netzwerkes vom 30 Junindash1 Juli 2016 im Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung In-novation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens (BIFIE) in Salzburg von

2 Die Vorlage fuumlr dieses Positionspapier hatten Rainer Peek Ulrich Steff ens und Olaf Koumlller ent-worfen Das Papier ist auch erschienen in Die Deutsche Schule (100) 2008 Heft 3 S 380ndash384

3 Die Vorlage fuumlr dieses Positionspapier hatten Ulrich Steff ens und Rainer Peek entworfen Das Papier ist ebenfalls erschienen in Die Deutsche Schule (101) 2009 Heft 4 S 389ndash396

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 15

Ulrich Steff ens Martin Heinrich und Peter Dobbelstein zur Diskussion gestellt wur-de Nachfolgend wird diese Problemskizze in der damaligen Fassung wiedergegeben

1 Kurze Beschreibung der Sach- bzw Problemlage

[hellip] Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Forschungsbefunde vorliegen die Anregungen fuumlr eine Beruumlcksichtigung in der Praxis auf der System- Schul- und Unterrichtsebene liefern so faumlllt gleichzeitig auf dass sie kaum einen praktischen Niederschlag erfahren haben Die Gruumlnde dafuumlr duumlrft en sicherlich vielschichtig sein Beeindruckend ist dabei allerdings wie wenig die dargebotenen Forschungs-befunde bei den potenziellen Adressaten Beachtung fi nden und wie selten sie in der Bildungsplanung Lehrerbildung sowie Schul- und Unterrichtsentwicklung ausfuumlhrlicher rezipiert werden Off enbar ist nach anfaumlnglicher Euphorie uumlber die erhofft en Moumlglichkeiten uumlber die Dissemination empirischer Forschungsbefunde die paumldagogische Wirklichkeit veraumlndern zu koumlnnen (Heinrich 2011) insbeson-dere im Hinblick auf zentrale Th ematiken wie bdquoBildungsgerechtigkeitldquo (Heinrich 2010) Schulqualitaumlt (Altrichter et al 2014 Dietrich et al 2015 Heinrich 2015a) oder auch uumlbergreifende Th emenfelder wie bdquoInklusionldquo (Dietrich amp Heinrich 2014) oder bdquoBildung fuumlr nachhaltige Entwicklungldquo (Heinrich 2015b) eine zuneh-mende Ernuumlchterung eingetreten Die paumldagogische Praxis scheint sich entweder nachhaltig gegenuumlber diesem Programm der Evidenzbasierung zu sperren (Hein-rich 2015c) oder die Befunde nur halbherzig aufzugreifen (Th iel et al 2013)

Ein Grund fuumlr die geringe Bedeutung der Forschungsbefunde wird in der mangelnden Praxisrelevanz gesehen So ist haumlufi g zu houmlren dass Wissenschaft zu wenig die Praxis kennen und Anliegen und Probleme aus der Praxis kaum beach-ten wuumlrde Daruumlber hinaus wuumlrden die Forschungsergebnisse nur unzureichend fuumlr die Loumlsung von Praxisproblemen beitragen und kaum hilfreich sein (Altrich-ter amp Feindt 2004 S 418)

Ferner wird bemaumlngelt dass den Forschungsergebnissen der praktische Bezug fehle was allein schon an der abstrakten Ausdrucksform abzulesen sei So seien die Forschungsberichte auch nicht fuumlr einen praxisorientierten Leserkreis abge-fasst

Governanceanalytische Studien zeigen immer wieder dass die Forschungsbe-funde in der Praxis nicht aufgegriff en werden da sie vor Ort nicht anschlussfaumlhig sind d h die Handlungslogiken der Akteure vor Ort den Befunden gegenuumlber so fremd sind dass es ganz spezifi scher Formen der Aneignung bedarf um die Be-funde wirksam werden zu lassen

Dabei kommen Ansaumltze unterschiedlicher Provenienz in Frage die verschie-denen Anspruumlchen mit unterschiedlicher Reichweite gerecht werden koumlnnen Die-se Aneignungsformen gilt es zunaumlchst einmal konzeptionell zu durchdringen im Hinblick auf ihre Moumlglichkeiten und Grenzen auszuloten sowie in ihren prakti-schen Perspektiven zu erproben Je nach Reichweite kann dabei zwischen einem Wissenschaft s-Praxis-Dialog (1) einer Entwicklung und Bereitstellung von Praxis-

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 16

theorien (2) sowie einer Begleit- bzw Praxisforschung (3) unterschieden werden Diese Herangehensweisen sollen im Folgenden skizziert werden

2 Handlungsperspektiven fuumlr einen Praxistransfer

21 Wissenschafts-Praxis-Dialog

Eine naheliegende Vorgehensweise ist in einer systematischen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis zu sehen die sich einer dialogischen Vorge-hensweise verpfl ichtet fuumlhlt

Schaut man sich dabei die praktizierten Vermittlungsformen an so faumlllt auf dass der Wissenstransfer nur eine Richtung zu kennen scheint naumlmlich einen In-formationsfl uss von der Wissenschaft s- zur Praxisseite Auch wenn dabei die For-schungsergebnisse auszligerordentlich verstaumlndlich dargestellt sein koumlnnen so aumlndert dies allerdings nichts an dem Sachverhalt dass der Wissenstransfer im Wesentli-chen einseitig bleibt Durch die Art der Verkehrsform werden zugleich auch die Rollen defi niert Auf der einen Seite wird informiert und auf der anderen Seite re-zipiert auf der einen Seite der Expertenstatus auf der anderen Seite der Laien-status Auch in der aktuellen Ergaumlnzung der KMK-Gesamtstrategie vom 11 Juni 2015 bei der Forschung mehr anwendungsbezogenes Wissen fuumlr die Bildungs-politik und Bildungspraxis bereitstellen soll bleibt es bei dieser (einseitigen) Blickrichtung

Dieser Art des Wissenstransfers fehlt eine dialogische Perspektive bei der beide Seiten miteinander ins Gespraumlch kommen koumlnnen Ein Dialog wuumlrde die Moumlglichkeit eroumlff nen Forschungsbefunde aus Praxissicht einzuordnen und zu interpretieren und so zu einer diff erenzierten Problemsicht in der Schul- und Unterrichtsforschung beizutragen Auf diese Weise koumlnnten Forschungsergebnis-se in einem neuen Licht betrachtet werden und auch zu neuen Hypothesen und Erkenntnissen fuumlhren Insofern wuumlrde auch die Forschung durch den Dialog pro-fi tieren Damit haumltte der Dialog einen zweiseitigen Ertrag naumlmlich fuumlr die Praxis und fuumlr die Forschung

Am einfachsten waumlre zunaumlchst einmal Wissenschaft s- und Praxisexperten in dialogischen Workshops zusammenzubringen um einen Austausch zu initiieren Eine solche Vorgehensweise wuumlrde sich vor allem im Zusammenhang jener ein-schlaumlgigen Programme und umfangreichen Maszlignahmen anbieten die in juumlngster Zeit vor dem Hintergrund der empirischen Bildungsforschung und im Zuge der bdquoempirischen Wendeldquo in der Bildungspolitik und Bildungsplanung initiiert wur-den

Zur Initiierung des Dialogs gilt es verschiedene Aspekte zu beachten1) Inhaltsaspekt Welche Forschungsbefunde sind hilfreich fuumlr die Praxis Was

sind relevante Forschungsthemen fuumlr die Praxis Welche Forschung wird ver-

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 17

misst Hier geht es vorrangig um bdquoVerstaumlndigungsarbeitldquo zwischen Wissen-schaft und Praxis Grundlage dafuumlr koumlnnten beispielsweise Erhebungen zum Fortbildungsbedarf oder zu den Alltagsproblemen von Lehrerinnen und Leh-rern sein Fuumlr die Bildungsverwaltung koumlnnten die sieben Th emenfelder der KMK-Gesamtstrategie die als bdquoSchluumlsselfragen der Schul- und Unterrichtsent-wicklungldquo begriff en werden (Kultusministerkonferenz (KMK) 2015 S 17 f) den Ausgangspunkt fuumlr eine Verstaumlndigungsarbeit bilden

2) Formaspekt Hier steht die Art und Weise der Ergebnisdarstellung im Vorder-grund verstaumlndliche Erlaumluterung von Befunden konkrete beispielhaft e Dar-stellung Aufzeigen des moumlglichen praktischen Nutzens Diese wechselseitige bdquoUumlber setzungsarbeitldquo muss in beiderseitiger Off enheit erfolgen sodass auch die Wissen schaft durch die bdquoDignitaumlt der Praxis vor aller Th eorieldquo (Schleier-macher) belehrt werden kann d h die Ergebnisdarstellung off enbart dass Fra-gen ggf falsch gestellt wurden Befunde zwar nicht unwesentlich sind wo-moumlglich aber fuumlr die Praxis eine ganz andere Bedeutung haben als von der Wissenschaft gedacht (bspw eine empirisch nachweisbar erfolgreiche Interven-tion die von der Praxis aber als unzulaumlssige Manipulation der Schuumllerinnen und Schuumller abgelehnt wird)

3) Anwendungsaspekt Wie erfahre ich (als Praktiker insbesondere als Lehrerin bzw Lehrer) welche Konsequenzen ich aus Forschersicht aus den Ergebnissen ziehen kann Welche Folgerungen sind zulaumlssig Wie sieht eine Anwendung (beispielsweise kompetenzorientierte Unterrichtsentwicklung) ganz konkret in meinem Fach aus Wie erfahre ich als Wissenschaft lerin und Wissenschaft ler von der mangelnden oumlkologischen Validitaumlt meiner Ergebnisse An welchen Stellen zeigt sich in meiner Modellbildung fuumlr empirische Untersuchungen meine Naivitaumlt gegenuumlber der Komplexitaumlt paumldagogischer Praxis (gemeinsame bdquoBeratungs- und Fortbildungsarbeitldquo)

Gerade hinsichtlich dieser genannten Aspekte duumlrft e das EMSE-Netzwerk seine zentrale Bedeutung erlangen Es haumltte sich mit dem praxisbezogenen Bedarf und den relevanten Th emen zu befassen Des Weiteren muumlssten geeignete Vermitt-lungs- und Arbeitsformen erprobt und empfohlen sowie Strategien fuumlr entspre-chende Anwendungen im Sinne einer Entwicklungsforschung entworfen und ver-stetigt werden

22 Entwicklung und Bereitstellung von bdquoPraxistheorienldquo

Uumlber den Dialog hinaus bietet sich eine Vorgehensweise an in der der Wissens-transfer als eine eigenstaumlndige und von der Grundlagenforschung abzugrenzende wissen schaft liche Leistung begriff en wird Dabei ginge es darum Ergebnisse der Bildungsforschung in bdquoPraxistheorienldquo mittlerer Reichweite zu bdquotransponierenldquo Das heiszligt nicht spezifi sche Th eoreme oder einzelne Forschungsergebnisse zu aus-

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 18

gewiesenen Th emen waumlren zu beschreiben und zu erlaumlutern vielmehr ginge es darum solche Befunde synoptisch zusammenzufassen und in einem groumlszligeren Handlungszusammenhang zu uumlberfuumlhren der sich einer praxisrelevanten realen Problemstellung widmet Dabei kommt es vor allem darauf an dass mit der zur Verfuumlgung gestellten Forschungssynopse eine Vorstellung daruumlber moumlglich wird wie eine Problemstellung bearbeitet bzw geloumlst werden kann zwar nicht im De-tail in einer konkretistischen Art wohl aber in prinzipieller Weise Praxistheorien in diesem Sinne sind nicht als bdquowissenschaft liche Wahrheitenldquo zu begreifen son-dern als an empirischen Evidenzen orientierte kohaumlrente und praxisbezogene Re-fl exionsangebote die es Lehrkraumlft en erlauben durch kritische Auseinandersetzung mit handlungsrelevanten Maximen ihr eigenes Professionsverstaumlndnis zu refl ek-tieren

Ein gutes Beispiel stellt das Gutachten zur Vorbereitung des Programms bdquoStei-gerung der Effi zienz des mathematisch-naturwissenschaft lichen Unterrichtsldquo dar (Bau mert et al 1998) aus dem das SINUS-Projekt hervorgegangen ist Im Grun-de handelt es sich dabei um eine Art Muster-Leitfaden wie ein entsprechender Unterricht in Mathematik und den naturwissenschaft lichen Faumlchern zu gestalten ist Auch die Veroumlff entlichung bdquoLernen sichtbar machen fuumlr Lehrpersonenldquo von John Hattie (2014) ist als Beispiel einer entsprechenden Praxistheorie zu nen-nen Es handelt sich dabei um eine Art bdquoErziehungslehreldquo die von Hattie vor dem Hintergrund seiner umfassenden Forschungsbilanz uumlber 138 Einfl ussgroumlszligen zum Lernerfolg von Schuumllerinnen und Schuumllern konzipiert wurde Darin geht es um eine Unterrichtsstunde die idealtypisch in fuumlnf Stadien beschrieben wird (bdquoPla-nung der Unterrichtsstundeldquo bdquoBeginn der Unterrichtsstundeldquo bdquoDer Fluss der Unterrichtsstunde Lernenldquo bdquoDer Fluss der Unterrichtsstunde Der Platz des Feed-backsldquo bdquoDer Abschluss der Unterrichtsstundeldquo) Als weitere Beispiele koumlnnten ge-nannt werden das Fortbildungsmodul im Rahmen des Pythagoras-Projekts von Eckhard Klieme und Kurt Reusser (Lipowsky et al 2003) oder das Bilanz-Kapitel zum Forschungsbericht des COACTIV-Projekts zur Lehrerprofessionalitaumlt (Kun-ter et al 2011) Auch aus der Allgemeinen Didaktik lassen sich Beispiele fi nden so sind etwa Hilbert Meyers bdquoWas ist guter Unterrichtldquo (Meyer 2004) und insbe-sondere Hans Aeblis zwoumllf Grundformen des Lehrens (Aebli 2006)4 hier zu er-waumlhnen

Mit diesen Verweisen duumlrft e klar geworden sein dass es bei den bdquoPraxistheo-rienldquo um die Auseinandersetzung mit einer anderen Wissensform geht als die in Forschungsberichten dargestellten Erkenntnisse und Befunde Eckhard Klieme spricht hier von bdquoHandlungswissenldquo (Klieme 2013) und Anand Pant ndash in Abgren-zung zu Klieme ndash von bdquoErklaumlrungswissenldquo (Pant 2015)

Sowohl in der Schul- und Unterrichtspraxis als auch in der Schulverwaltung besteht eine Nachfrage nach der Aufb ereitung von Forschungserkenntnissen in einer fuumlr sie verstaumlndlichen und nachvollziehbaren Weise Die groszlige Nachfrage

4 Fuumlr diesen Hinweis gilt Rudolf Messner ein besonderer Dank

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 19

nach einer solchen Wissensform laumlsst sich am Beispiel der Hattie-Studie (Hattie 2009 2014) aufzeigen Ihre groszlige Resonanz duumlrft e auch darauf zuruumlckzufuumlhren sein dass im undurchdringlichen Informationsdschungel argumentativ die Spreu vom Weizen getrennt und klare Position bezogen wird was wirkt und was nicht Hattie ist zugleich auch ein gutes Beispiel dafuumlr dass mit einem simplifi zierten Handlungswissen auch Gefahren verbunden sind etwa abzulesen an seinem Be-wertungssystem (bdquohinge pointldquo) seinem Ranking der Einfl ussfaktoren und seinen zugespitzten Bilanzierungen (beispielsweise bdquoStrukturfragen sind unbedeutendldquo) die statt zur Aufk laumlrung beizutragen mehr Missverstaumlndnisse und Fehlinterpre-tationen ausloumlsen Populistische Vereinfachungen sind dem in der Praxis nach-gefragten Handlungswissen nicht angemessen Praxistheorien sind demnach not-wendig um empirischen Befunden in der Handlungspraxis Relevanz zu geben gleichzeitig muumlssen sie so praumlsentiert und rezipiert werden dass sie zur Professio-nalisierung der Lehrerinnen und Lehrer beitragen und nicht zu rezepthaft er An-wendung

23 bdquoPraxisforschungldquo

Ausgehend von der erwaumlhnten fehlenden Anschlussfaumlhigkeit des Forschungswis-sens in praktischen Handlungszusammenhaumlngen koumlnnte eine weitere Vorgehens-weise darin liegen das bdquoklassischeldquo Prozedere sozusagen umzudrehen und von den Praxiserfordernissen her den Forschungsbedarf zu bestimmen Dazu waumlre die Praxis staumlrker in die Forschung mit einzubeziehen Auf diese Weise koumlnnten ihre Anliegen und Probleme besser aufgegriff en und zum Gegenstand einer auf Ver-besserung ausgerichteten Bildungsforschung gemacht werden

Das erfordert allerdings andere Forschungszugaumlnge als sie derzeit in der em-pirischen Bildungsforschung uumlblich sind Innerhalb der Transferprozesse duumlrfen diejenigen die die Befunde uumlbernehmen sollen im Forschungsprozess nicht zu Objekten gemacht werden da man dann ihre subjektiven Zugangsweisen nicht angemessen in das Konzept integrieren koumlnnen wird Notwendig werden damit forschende Zugriff e im Sinne einer partizipativen Form von Forschungs- und Ent-wicklungsprojekten wie sie seit Jahrzehnten an den Bielefelder Versuchsschulen etabliert sind (Hahn et al 2014)

Beispielsweise koumlnnte sich eine Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern (even-tuell ein Jahrgangsteam oder eine Fachgruppe) nach dem Interventionskonzept bdquoLesson Studiesldquo bzw bdquoLearning Studiesldquo (Posch 2016) mit der Frage befassen wie sie in ihrem Unterricht Schuumllerinnen und Schuumller wirksamer kognitiv akti-vieren und entsprechende Lehr- und Lernarrangements kontinuierlich versteti-gen koumlnnen Ein solcher Arbeits- bzw Untersuchungsprozess koumlnnte durch eine Begleitforschung supervidiert werden die die Lehrerforscherinnen dabei unter-stuumltzt die Ertraumlge der durchgefuumlhrten bdquoStudienldquo zu beschreiben und zu analysie-ren und zum anderen die Gelingensbedingungen des Vorgehens herauszuarbeiten

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 20

Entsprechende Forschungsvorhaben koumlnnten sich auf Evaluationen von Schu-len und Programmen beziehen auf eine wissenschaft liche Begleitung von Re-formmaszlignahmen oder auch weitergehender auf praxisorientierte Verlaufsanalysen von Reformprozessen Mit solchen Projekten so Klaus-Juumlrgen Tillmann bdquowird zu-gleich auch ein neuer Forschungsbedarf produziert der die praktische Umsetzung von sbquoMaszlignahmenlsquo in den Blick nimmtldquo (Tillmann 2016 S 5) Gerade dafuumlr sind Praxiserfahrungen unverzichtbar bdquoDazu benoumltigt man zunaumlchst einmal paumldago-gisch-praktische Erfahrungen innovative Ideen aber auch Kenntnisse bisheriger Erfolge und Misserfolge Kurz In dieser Entwurfsphase sind vor allem die profes-sionellen Kompetenzen der innovativen Paumldagogen gefragtldquo (aaO S 6) In die-sem Zusammenhang koumlnnte man mit Helmut Fend (2006) von der Notwendigkeit zur bdquoRe-Kontextualisierungldquo sprechen Noch plastischer beschreibt dies Juumlrgen Kussau (2007) als die Notwendigkeit Forschungsbefunde vor Ort bdquonachzuerfi n-denldquo

In einer weiterfuumlhrenden Perspektive waumlre deshalb die vorherrschende empi-risch-analytische Bildungsforschung um eine schulische Begleitforschung oder so-genannte bdquoPraxisforschungldquo zu ergaumlnzen (Altrichter amp Posch 1994 2012 Altrich-ter amp Feindt 2004 oder Tillmann 2016) bdquoJeder der beiden Forschungszugaumlnge hat sowohl seine eigenen Erkenntnismoumlglichkeiten wie seine -grenzen Beide An-saumltze sind wechselseitig nicht austauschbar aber sie ergaumlnzen sich in ihren Er-kenntnissen Empirische Schulforschung sollte deshalb in einer Verknuumlpfung von empirisch-analytischer Forschung und Praxisforschung betrieben werdenldquo (Till-mann 2016 S 4)

24 Institutionelle Traumlger und Rollen eines Praxistransfers

Unbeschadet der Frage welcher Herangehensweise beim Wissenstransfer der Vor-zug zu geben ist bedarf es einer gesonderten Betrachtung wer die Traumlger eines Praxistransfer sind bzw sein sollen und wie sich eine entsprechende Versteti-gung und Institutionalisierung herbeifuumlhren laumlsst Auff allend ist dass es trotz der Bedeutung die dem Wissenstransfer inzwischen beigemessen wird keine Foren und Agenturen gibt die in systematischer Weise sich mit einem Transfer befas-sen Nach wie vor handelt es sich um singulaumlre und thematisch eingegrenzte Ver-anstaltungen

Haumlufi g wurden und werden sie von landesweiten Bildungseinrichtungen (vor-wiegend von Landesinstituten fuumlr Lehrerfortbildung Bildungsplanung oder Qua-litaumltsentwicklung) durchgefuumlhrt Auch verschiedene Stift ungen bemuumlhen sich ndash teilweise schon seit vielen Jahren ndash darum Forschungserkenntnisse zu bildungs-politisch aktuellen Th emen verschiedenen Praxiszusammenhaumlngen naumlher zu brin-gen Aumlhnliches gilt auch fuumlr verschiedene Verbaumlnde Allerdings orientieren sich diese in der Regel interessenbezogen an ihren Verbandsanliegen Auch wissen-schaft liche Einrichtungen wie die Institute fuumlr Schulentwicklungsforschung in

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 21

Dortmund oder in Klagenfurt das IPN oder das DIPF (beispielsweise das Projekt bdquowissenschaft praxis ndash Was ist guter Unterrichtldquo) widmen sich der Transferfrage in juumlngster Zeit auch die KMK und das BMBF So hat die KMK ihre bdquoGesamtstra-tegieldquo um einen Schwerpunkt ergaumlnzt um zu mehr bdquoanwendungsbezogenes Wis-sen fuumlr Bildungspolitik und Bildungspraxisldquo zu gelangen das nicht nur beschrei-ben sondern auch erklaumlren koumlnnen soll (Kultusministerkonferenz (KMK) 2015 S 17 f) Auch die vom BMBF initiierten Forschungsprojekte lassen sich diesem Zielhorizont zurechnen

Einen gesonderten Stellenwert im Bemuumlhen um Wissenstransfer nehmen Ein-richtungen ein die sich teilweise schon seit vielen Jahren mit einem Wissen-schaft s-Praxis-Dialog befassen z B der bereits seit 1985 bestehende bdquoArbeitskreis Qualitaumlt von Schuleldquo die Arbeitsgruppe Schulqualitaumlt in der DGBV das Netzwerk bdquoSchulentwicklungldquo der bdquoNordverbund Begleitforschungldquo oder die wissenschaft -lichen Einrichtungen der Bielefelder Versuchsschulen Auch die GFPF laumlsst sich diesem Kreis zurechnen

Letztendlich sind es viele Einrichtungen die sich mit dem Anliegen Wissens-transfer befassen Allerdings ist fuumlr sie festzustellen dass sie entweder thematisch oder methodisch eingegrenzt ausgerichtet sind oder in ihren Aktivitaumlten den Dia-log Wissenschaft ndash Praxis nicht kontinuierlich oder verbindlich verfolgen Ferner sind sie ihren eigenen Anliegen verpfl ichtet und fokussieren die Arbeit auf ihre je-weiligen Schwerpunkte und Aufgaben

Verkuumlrzt gesagt orientiert sich Bildungsforschung in erster Linie an wissen-schaft lichem Erkenntnisgewinn und an damit verbundenen Entwicklungs- und Karrierenotwendigkeiten Fuumlr eine Ausrichtung auf eine praxisverstaumlndliche Ver-mittlung von Befunden fehlen deshalb im Regelfall die erforderliche Zeit aber auch praxisorientierte Kenntnisse hinsichtlich der Untersuchungsthemen und der Handlungsfelder Vor diesem Hintergrund ist es verstaumlndlich dass dort wo Wis-senstransfer stattfi ndet er in erster Linie auf eine Vermittlung von Forschungs-ergebnissen ausgelegt ist und weniger eine Verstaumlndigung oder gar einen Dialog mit der Praxis intendiert

Bildungsverwaltungen (einschlieszliglich Landesinstitute) sind politisch und ad-ministrativ vorgegebenen Handlungszusammenhaumlngen verpfl ichtet Sie orientie-ren sich vorrangig an bestimmte operative Regelaufgaben (z B Lehrerfortbildung) sowie an aktuelle strategische Zielsetzungen der Bildungsplanung und Schulent-wicklung (z B Umgang mit Heterogenitaumlt Ganztagsbeschulung oder Inklusion) Fuumlr eine systematische Beobachtung der Schul- und Unterrichtsforschung und eine Aufarbeitung des aktuellen Erkenntnisstandes im Hinblick auf praktische Konsequenzen sind solche Einrichtungen im Regelfall nicht ausgelegt Allerdings wurde in den letzten Jahren mit einer bdquosystematischenldquo Erfassung der Problem-konstellationen und des entsprechenden Handlungsbedarfs in den verschiedenen Praxisfeldern des Schulwesens begonnen (siehe v a IQB-Laumlndervergleiche Schul-inspektionen und Vergleichsarbeiten) An dieses Potenzial koumlnnte angeknuumlpft werden um einen systematischen Praxistransfer zu initiieren

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 22

Demgegenuumlber ist Bildungspraxis zunaumlchst einmal wenig auf wissenschaft li-che Erkenntnisse und administrative Regelaufgaben ausgerichtet Sie folgt ihren eigenen Handlungserfordernissen und konzentriert sich auf unterrichtliches Han-deln und auf die Sicherung der Primaumlrprozesse auf der Mesoebene des Schulwe-sens (organisatorische und paumldagogische Maszlignahmen auf der Schulebene) Ihr Erkenntnisbedarf ist auf die Bewaumlltigung des schulischen Alltags ausgerichtet Re-formmaszlignahmen Verbesserungsvorschlaumlge und Handlungsempfehlungen fi n-den im Regelfall nur so weit Beachtung soweit sie Loumlsungen von Alltagsproble-men erkennen lassen oder spuumlrbare Entlastungen versprechen Teilweise ist auch ein Bemuumlhen um Praxisverbesserungen zu beobachten dass von einem berufs-ethischen oder gesellschaft spolitisch-paumldagogischen Anliegen getragen wird Al-lerdings duumlrft en selbst diese Lehrpersonen die von einem solchen Anliegen ge-tragen sind nur im Einzelfall an einem Wissenschaft s-Praxis-Dialog interessiert sein am ehesten noch Lehrpersonen in schulischen Leitungsfunktionen Vielmehr duumlrft e dieser Personenkreis vorrangig an konkrete Praxishilfen durch Lehrerfort-bildung und Schulberatung oder durch Handreichungen in Form von Praxisbei-traumlgen oder Leitfaumlden interessiert sein

Insofern ist davon auszugehen dass sich der Transfer wissenschaft licher Er-kenntnisse weniger auf die Lehrerinnen und Lehrer ndash als bdquoEndabnehmerldquo ndash bezieht vielmehr auf solche Personengruppen die in der Lage sind For-schungsergebnisse aufzunehmen und produktiv zu verarbeiten (sozusagen zu bdquore-kontextualisierenldquo) sowie Handlungsperspektiven im Medium der Praxis aufzu-zeigen und zwar im Sinne der erwaumlhnten bdquoPraxistheorienldquo (vgl Abschnitt 22) Solche bdquoMittlerldquo bzw bdquoUumlbersetzerldquo im Praxistransfer der Schul- und Unterrichts-forschung duumlrft en am ehesten in der Schulpaumldagogik Fach- und Allgemeinen Di-daktik sowie in Landesinstituten anzutreff en sein sei es in der zweiten Phase der Lehrerausbildung in der Lehrerfortbildung in der Schul- und Fachberatung bei Supervision und Coaching oder auch in der Bereitstellung von Praxishilfen in Form von Printmedien (z B Leitfaumlden fuumlr die Arbeit mit Bildungsstandards oder fuumlr den Umgang mit heterogenen Lerngruppen)

Wuumlrden die bdquoMittlerldquo und bdquoUumlbersetzerldquo in den genannten Handlungsfel-dern diese Herausforderung annehmen dann stellt sich die Frage nach geeigne-ten bdquoVerkehrsformenldquo fuumlr den Praxistransfer Auf welche Art und Weise wuumlrden die am Transfer interessierten Personen und Institutionen aus Bildungsforschung Bildungsverwaltung und Bildungspraxis zum Dialog uumlber Forschungserkenntnisse und Praxisbedarf zusammenfi nden Hier besteht noch Klaumlrungsbedarf Ein Einstieg in diese Diskussion koumlnnte auf den naumlchsten EMSE-Tagungen erfolgen auch wenn in dem Netzwerk nicht alle relevanten Gespraumlchspartner bislang ver-treten sind

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 23

3 Problem- und Fragestellungen bei der Initiierung des Praxistransfers

Zunaumlchst waumlre zu klaumlren inwieweit die in Abschnitt 1 skizzierte Problembeschrei-bung zutreff end ist und welche Handlungsperspektiven daraus abzuleiten sind Bei den denkbaren Kontroversen uumlber die geeigneten Herangehensweisen duumlrf-te wohl die in Abschnitt 21 vorgeschlagene bdquoAneignungsformldquo eines Dialogs un-strittig sein Insofern koumlnnte eine entsprechende Verstaumlndigung den Ausgangs-punkt fuumlr das Vorhaben bilden Die entsprechenden Leitfragen muumlssten sich dann auf die angesprochenen Inhalts- Form- und Anwendungsaspekte beziehen Da-bei waumlre die Diskussion daruumlber nicht abstrakt vielmehr anhand verschiedener Gegenstandsbereiche zu fuumlhren Deshalb werden die am Netzwerk beteiligten Landesinstitute und wissenschaft liche Einrichtungen gebeten gelungene Beispie-le fuumlr den Praxistransfer auf den EMSE-Tagungen vorzustellen beginnend bei der Salzburger Tagung

Eine davon unabhaumlngige Auseinandersetzung koumlnnte sich zu einem spaumlteren Zeitpunkt den in Abschnitt 22 angesprochenen bdquoPraxistheorienldquo widmen

Einen gesonderten Stellenwert nimmt die in Abschnitt 23 dargelegte bdquoPraxis-forschungldquo im Sinne einer Ergaumlnzung zur Grundlagenforschung ein Da sie bis-lang nur eine marginale Rolle in der oumlff entlichen Wahrnehmung der Schul- und Unterrichtsforschung spielt ginge es zunaumlchst darum ihre Vorgehensweise trans-parent und sichtbar zu machen und ihren moumlglichen Ertrag anhand von For-schungsbeispielen nachzuvollziehen (beispielsweise praxisorientierte Evaluations-studien oder Vorhaben der Begleitforschung)

Fuumlr die Initiierung der Diskussion zum Praxistransfer duumlrft en sich uumlber die dargestellten grundsaumltzlichen Aspekte hinaus zunaumlchst einmal einige Fragen auf-draumlngen die es bei der Salzburger Tagung zu diskutieren gilt

(1) Zur aktuellen Situation des Wissenstransfers Wie zutreff end wird die in der vorliegenden Problemskizze dargelegte Sach-

standsbeschreibung eingeschaumltzt

(2) Zielsetzungen und Aufgaben des Praxistransfers Wie folgerichtig sind die skizzierten Handlungsperspektiven Fehlen wesentli-

che Perspektiven bzw Aspekte Muumlsste die Netzwerk-Arbeit zum Praxistrans-fer hinsichtlich Zielsetzungen und Th emen eingegrenzt werden Worauf sollte ndash zunaumlchst spaumlter ndash der Fokus gelegt werden

(3) Traumlger und Rollen eines Transfers Sind an dem Vorhaben der EMSE die relevanten Einrichtungen beteiligt

Fehlen wichtige Partner (etwa aus dem Bereich der Grundlagenforschung) Muumlssten weitere Institutionen bzw Bezugsgruppen einbezogen werden Koumln-nen die Landesinstitute fuumlr Bildungsplanung Qualitaumltsentwicklung und Leh-

Ulrich Steff ens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein 24

rerfortbildung in den Bundeslaumlndern die angesprochene bdquoSchnittstellenfunk-tionldquo fuumlr den Praxistransfer uumlbernehmen Oder ist das unrealistisch Gibt es geeignetere Einrichtungen Wie waumlre die Koordination der Transferarbeit zu gestalten Ist das EMSE-Netzwerk uumlberhaupt die richtige bdquoAgenturldquo fuumlr eine Konzeptualisierung des Praxistransfers Welche Einrichtung(en) waumlre(n) die Alternative

(4) Wissenschaft liche Fundierung des Ansatzes Welche grundlegenden Erkenntnisse zum Wissenstransfer gibt es Welche

theoretischen Arbeiten werden fuumlr eine wissenschaft liche Fundierung benouml-tigt Anhand welcher Merkmalsdimensionen laumlsst sich das Verhaumlltnis von Grundlagenforschung und Anwendungs- bzw Praxisforschung bestimmen z B anhand der Dimensionen bdquoNutzungsartldquo und bdquosozialer Produktionsmo-dusldquo nach dem Modell von Gibbons et al (1994) (Beywl et al 2016)

(5) Relevante Th emen und Inhalte des Praxistransfers Welches Wissen brauchen politische und administrative Entscheidungstrauml-

ger Welches Wissen brauchen Expertinnen und Experten in der Schulauf-sicht praxisorientierten Lehrerausbildung Bildungsplanung Schulentwick-lung Fach- und Schulberatung Coaching und Supervision Welches Wissen brauchen schulisches Leitungspersonal Lehrerinnen und Lehrer Schuumllerinnen und Schuumller

(6) Geeignete Formen und Anwendungsweisen des Transfers Was sind erfolgreiche Strategien fuumlr bdquoanschlussfaumlhigesldquo Wissen Wie sehen er-

tragreiche Vermittlungs- und Beratungskonstellationen aus (z B bei der Poli-tikberatung) Wie werden Forschungsergebnisse in der Praxis verarbeitet und genutzt Welche erfolgreichen Hilfen bei der Umsetzung oder Anwendung von Maszlignahmen gibt es (z B in praxisorientierten Seminaren zum kompetenz-orientierten Unter richt oder fuumlr Lernverlaufsdiagnosen)

(7) Institutionalisierung des Praxistransfers Wie laumlsst sich der Praxistransfer institutionell absichern Welche fi nanziellen

Unter stuumltzungsmoumlglichkeiten gibt es

Diese Fragenliste ist fuumlr die Initiierung einer Diskussion uumlber den Praxistransfer gedacht Sie bedarf sicherlich noch der weiteren Ausarbeitung und Ergaumlnzung

Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze 25

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Herbert Altrichter

Transfer ist Arbeit und Lernen

Die Transfer-Hoff nung

Anlaumlsslich einer Tagung des Netzwerks bdquoEmpiriegestuumltzte Schulentwicklungldquo zum Th ema bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelin-genldquo haben Steff ens Heinrich und Dobbelstein (2016) eine Analyse vorgelegt die im Wesentlichen besagt Die Erwartungen im Hinblick auf die Nutzung von wissenschaft -lichem Wissen in der Praxis die ein wichtiges Element des Programms bdquoevidenzba-sierter Schulentwicklung und Bildungspolitikldquo1 war haben sich nicht in der erhofft en Weise erfuumlllt Ein Kernelement dieses Programms ist eine Idee der bdquoRationalisierung praktischer Taumltigkeitldquo durch die Verwendung des besten Wissens der empirischen Bil-dungsforschung in der schulischen Praxis Diese Verwendung besten Wissens kann man sich gegenwaumlrtig in zwei idealtypischen Modi vorstellen (1) als bdquoallgemeiner Ruumlckgriff auf wissenschaft liches Wissenldquo Programme und praktisches Handeln von (individuellen und sozialen) Akteuren im Bildungswesen sollten auf der Basis wissen-schaft lichen Wissens entwickelt werden und durch dieses begruumlndet sein (2) als Bin-dung von Entwicklung an die Ergebnisse speziell fuumlr diesen Zweck entwickelter bdquoevi-denzbasierter Steuerungsinstrumenteldquo Entscheidungen uumlber die Weiterentwicklung dieser Programme und Praktiken sollten auf der Basis jener hochqualitativen Ruumlck-meldungen uumlber Systemtaumltigkeit und -leistungen fallen die durch die neuen Monito-ring- und Evaluationsinstrumente erbracht werden die im Zuge evidenzbasierter Re-formen aufgebaut wurden

Die prominentesten dieser bdquoneuen Instrumente evidenzbasierter Bildungspolitik und Schulentwicklungldquo sind in den deutschsprachigen Laumlndern bdquoBildungsstandards und vergleichende Leistungstestsldquo (Altrichter amp Gamsjaumlger 2017) sowie bdquoneue Schul-inspektionenldquo (Altrichter amp Kemethofer 2016) Sie funktionieren nach einer vergleich-baren Logik (Altrichter amp Maag Merki 2016 21 ff ) Prozess- und Leistungsziele fuumlr schulische Taumltigkeit werden (als Bildungsstandards oder Qualitaumltsrahmen von Ins-pektionen) aufgestellt und klar an die Akteure kommuniziert Die bestehende Praxis wird laufend (durch Lernstandserhebungen oder Inspektionsteams) beobachtet und

1 Sowohl bei Kritikerinnen und Kritikern als auch bei Proponentinnen und Proponenten fi ndet sich in letzter Zeit haumlufi g das Argument dass Reformen und Praktiken die unter der Marke der Evidenzbasierung auft reten dem Anspruch der Fundierung in Forschungsevidenz nicht voll genuumlgen und daher anders benannt werden sollten (Bellmann 2016) Dessen ungeachtet wird auf der Ebene der Reformpolitiken auf die sich diese Analyse bezieht weiterhin mit diesem Label gearbeitet

Herbert Altrichter 28

die Erreichung vorgegebener Ziele wird festgestellt Die Ruumlckmeldung dieser Informa-tionen soll die jeweiligen praktischen Akteure (von der Bildungspolitik bis zur Lehr-person im Unterricht und vielleicht sogar die Lernenden in den Klassenzimmern) zu Ist-Soll-Vergleichen anregen die sie fuumlr die Weiterentwicklung ihrer Praxis sowohl motivieren als auch orientieren (d h in die richtige Richtung weisen)

1 Wissensverwendung

Bei der Frage nach dem bdquoTransferldquo handelt es sich um die aktuelle Version eines Pro-blems das die Entwicklung der Wissenschaft schon lange Zeit begleitet Es wurde und wird in der Paumldagogik als Th eorie-Praxis-Problem diskutiert aber auch in anderen Sozialwissenschaft en thematisiert In den 1980er Jahren richtete die DFG ein breit an-gelegtes Forschungsprogramm ein das die gesellschaft liche Verwendung sozialwis-senschaft licher Ergebnisse untersuchen sollte (Beck amp Bonszlig 1989 Altrichter Kan-nonier-Finster amp Ziegler 2005) und letztlich bei folgendem Konzept der Aufnahme wissenschaft lichen Wissens in Praxissystemen anlangte Die Nutzung wissenschaft li-chen Wissens im Praxissystem erfordert eine aktive Veraumlnderung dieses Wissens im Sinne der Logik des Praxissystems durch die dort Handelnden

Das Argument von Beck und Bonszlig (1989) bricht mit dem Bild der bdquoAnwendungldquo wissenschaft lichen Wissens und betont die Eigengesetzlichkeit des Aneignungsprozes-ses im Sinn einer Transformation oder Reinterpretation Das bdquoNebeneinanderldquo von Th eorie und Praxis wird einerseits als ein Verhaumlltnis relativer Autonomie der sozialen Systeme Wissenschaft und Praxis verstanden Und andererseits sind die Beziehungen zwischen diesen Systemen nicht nur als einfache Transaktionen sondern als komple-xe Transformationsprozesse zu beschreiben Der Austausch zwischen diesen Systemen verlaumluft nicht automatisch nicht durch einfache Ab- und Anleitungen oder durch di-rekte Intervention von einem System ins andere sondern er stellt sich als bdquoechterldquo Prozess dar in dem aktiv Uumlbersetzungsarbeit geleistet wird Diese Uumlbersetzungsarbeit erfolgt nicht unproblematisch Transaktionen zwischen den beiden Systemen sind eben bdquoechteldquo Prozesse die erstens Einsatz und gesellschaft liche Arbeit von den Betei-ligten erfordern und in denen zweitens mit dem Ausgetauschten ndash in unserem Fall zu-naumlchst mit der bdquoTh eorieldquo ndash etwas geschieht

2 Modelle der Theorie-Praxis-Transformation

Wie wird Transfer aktuell im Bildungswesen gefoumlrdert Begriff e wie Steuerungswissen haben die Vorstellung nahe gelegt dass man bestimmte Wissensformen suchen muumls-se die praktische Nutzung stimulieren oder nach sich ziehen wuumlrden Natuumlrlich kann man wissenschaft liches Wissen dunkel oderund unzugaumlnglich formulieren Und doch scheint nicht in der Formulierung wissenschaft licher Ergebnisse das Hauptproblem der praktischen Nutzung von Wissen zu liegen Die Ergebnisse der Datenfeedback-forschung zeigen vielmehr dass es in der Zwischenzeit weithin gelungen ist die Er-

Transfer ist Arbeit und Lernen 29

gebnisse von Lernstandserhebungen so zu kommunizieren dass sie von der Mehrzahl der Lehrkraumlft e als verstaumlndlich eingeschaumltzt werden (Altrichter Moosbrugger amp Zu-ber 2016 253 f)

Das Hauptproblem der Datennutzung liegt vielmehr in der Gestaltung dieser kom-plexen Transformationsprozesse im Feld der Praxis Diese Transferprozesse sind Arbeit weil sie Zeit und Energie von den Beteiligten erfordern sie sind Lernen weil sie die Beteiligten und deren Handlungspraxis veraumlndern werden Welche Modelle fuumlr sol-ches berufl iche Lernen das die Rationalitaumlt paumldagogischer Berufstaumltigkeit erhoumlhen soll liegen vor

21 Unterrichts- und Schulentwicklung durch Datenfeedback

In den aktuellen Instrumenten evidenzbasierter Steuerung wird das wesentliche Mo-vens fuumlr Entwicklung in der Ruumlckmeldung von Daten (z B in Lernstandserhebungen oder durch Inspektionsberichte) gesehen Diese sollen bei den Akteuren Ist-Soll-Ver-gleiche bezuumlglich ihrer eigenen Praxis ausloumlsen Dabei auft retende Diskrepanzen zwi-schen den Zielen und dem real Erreichten sollen dann wieder Handlung motivieren und anzeigen in welche Richtung Verbesserungshandlungen gehen

Die Eff ekte von Datenfeedback auf die Unterrichtsentwicklung sind in deutsch-sprachigen Schulsystemen gut erforscht und werden als unbefriedigend angesehen (Maier amp Kuper 2012 Altrichter et al 2016) Lehrpersonen nehmen Datenruumlckmel-dungen seltener als erhofft als Anstoszlig fuumlr Veraumlnderungen in ihrem Unterricht und wenn sie dies tun dann umfasst die Unterrichtsentwicklung eher maszligvolle Anpassun-gen denn grundlegende Veraumlnderungen Warum ist dies der Fall

Interpersonelles Feedback ist relativ gut erforscht Metaanalysen (Kluger amp DeNi-si 1996 Hattie amp Timperley 2007) zeigen dass Feedback einen positiven Eff ekt auf die Leistung haben kann aber nicht unter allen Umstaumlnden Off enbar haumlngt die Wirk-samkeit von Feedback fuumlr nachfolgende Handlungen von bestimmten Merkmalen des Feedbacks sowie der Rezeptions- und Nutzungssituation ab (Altrichter et al 2016 263 ff ) Viele schulische Datenfeedback-Modelle scheinen einige dieser Bedingungen fuumlr die Wirksamkeit von Ruumlckmeldungen nicht zu erfuumlllen (Visscher amp Coe 2002 247 ff ) Sie bieten meist keine spezifi schen Cues die die Aufmerksamkeit auf den wei-teren Entwicklungsprozess und Verbesserungsmoumlglichkeiten lenken sondern haumlufi g Vergleiche mit anderen Schulen oder anderen Vergleichsgruppen die oft bdquoSelbstwertldquo bezogen interpretiert werden Sie stellen ihren Nutzerinnen und Nutzern meist sehr komplexe Aufgaben und koumlnnen eine Selbstwertbedrohung enthalten wenn sie Teil eines konsequenzenreichen Accountability-Systems sind

Die Idee dass Lehrpersonen Feedback uumlber Schuumllerleistungen zur Unterrichtsent-wicklung verwenden basiert auf einem unuumlblichen Verstaumlndnis von Feedback Lehr-personen erhalten Feedback uumlber die Leistungen anderer Personen und sollen daraus Schluumlsse fuumlr ihr eigenes Verhalten ziehen Externe oft als Kontrolle verstandene Me-chanismen sollen interne Operationen ausloumlsen Schuumllerinnen ndash oder (z B bei der Teaminspektion) die Schule ndash werden evaluiert einzelne Lehrerinnen sollen handeln

Herbert Altrichter 30

(OrsquoDay 2004) Tatsaumlchlich zeigte sich bei Schneewind (2007 S 229) und auch Schild-kamp amp Ehren (2012) dass die befragten Lehrpersonen haumlufi g die Sichtweise ver-treten bdquodie Tests haben die Leistung der Kinder getestet und nicht die Leistung der Lehrerinnen Daher bieten ndash in der Wahrnehmung der Lehrerinnen ndash die Ruumlckmel-dungen nur Informationen uumlber die Schuumllerinnen und Schuumller an nicht jedoch uumlber das paumldagogische Handeln der Lehrerinldquo Ihre Konsequenz besteht daher allenfalls in Individualfoumlrderung nicht jedoch in Unterrichtsentwicklung

Die Staumlrke des Feedback-Modells liegt im Bereich der adaptiven Verhaltensan-passung es ist eher fuumlr Faumllle geeignet in denen die Faumlhigkeiten in einer bestimmten Weise zu handeln an sich da sind aber fuumlr spezifi sche Situationen adaptiert werden muumlssen Wenn die durch die Bildungsstandards-Politik nahe gelegte bdquoKompetenz-orientierungldquo aber tatsaumlchlich eine unterrichtspraktische Revolution ist wie von der Bildungspolitik oft behauptet dann ist zu erwarten dass alternative didaktische Prak-tiken im Repertoire von Lehrpersonen in sehr unterschiedlichem Maszlige vorhanden sind um neues Verhalten angesichts von Datenfeedback zu produzieren (Dubs 2006)

Die durch Datenfeedback bereitgestellten Informationen koumlnnen nicht einfach fuumlr die Unterrichtsentwicklung bdquoangewendetldquo werden sondern es bedarf eines aktiven Aneignungs- und Umwandlungsprozesses durch die Rezipientinnen und Rezipienten um Handlungskonsequenzen aus dem Datenfeedback zu erarbeiten Jeder Wissens-transfer erfordert eine bdquoTransformation des Wissensldquo die bdquoauf der Grundlage institu-tionell praumlformierter und im alltagspraktischen Gebrauch stabilisierter Deutungs- und Interpretationsmusterldquo geschieht (Kuper 2005 S 99)

22 Professionelles Lernen

Damit befi nden wir uns aber wieder in einem bdquoeinheimischenldquo Bereich Es geht um berufl iches Lernen von Lehrpersonen In den letzten Jahren hat die Fortbildungsfor-schung deutliche Fortschritte gemacht Wenn es um nachhaltiges Lernen von Lehr-personen geht dann werden meist die folgenden Qualitaumltsmerkmale von Fortbildung genannt (Lipowsky amp Rzejak 2014 Timperley Wilson Barrar amp Fung 2007 Lipow-sky 2004)

Qualitaumlt des Lernprozesses der Lehrpersonen Verbindung von Wissen Handeln und Refl exion Fortbildungssituationen muumlssen Lehrpersonen erlauben sich laumlngerfris-tig und in einer Vielfalt methodischer Settings mit berufl ichen Problemen ausein-anderzusetzen Diese Fortbildungsarrangements ermoumlglichen auch fremdes (wissen-schaft liches) eigenes (subjektives) Wissen und tatsaumlchliches Handeln in Verbindung zu bringen sowie grundlegende Uumlberzeugungen und eingespielte Handlungspraktiken kritisch zu hinterfragen

Bezug zum Unterricht Das Lernen der Schuumllerinnen in den Blick nehmen Solche Fortbildungssituationen haben einen klaren Bezug zur Unterrichtspraxis der Teilneh-merinnen daher oft einen fachdidaktischen Fokus auf ausgewaumlhlte Prozesse des Ler-nens und Lehrens sie erlauben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Feedback zu suchen und die Qualitaumlt und Wirksamkeit eigener Handlungspraxis zu refl ektieren

Transfer ist Arbeit und Lernen 31

Strukturelle Einbettung und Stimulierung koordinativer Beziehungen im System Sol-che Fortbildungen versuchen die (sich veraumlndernde) Taumltigkeit einzelner Lehrpersonen auf verschiedene Weise bdquosystemischldquo zu stuumltzen sie regen Kooperationen und Ver-netzungen an die uumlber die Fortbildungsveranstaltung hinausgehen sie ermutigen die Teilnahme mehrerer Lehrkraumlft e eines Standorts und arbeiten mit Schulleitungen an der Vorbereitung der Back-Home-Situation sie bieten externe Unterstuumltzung bei Um-setzung der Fortbildungsinhalte an der Schule

Wenn wissenschaft liche Ergebnisse fuumlr Unterrichtspraxis bdquonuumltzlichldquo werden sollen dann braucht es solche Settings laumlngerfristigen berufl ichen Lernens in denen Lehrper-sonen Impulse aus der Wissenschaft aufnehmen und zu eigenem Wissen und Hand-lungspraktiken transformieren koumlnnen Wie solche Fortbildungssituationen ausschau-en wissen wir Dafuumlr wie man sie praktisch organisieren kann gibt es durchaus praktische Beispiele (wie zB SINUS PFL oder Lesson Studies Krainer 2007) Dass man sie nicht oumlft er erleben kann haumlngt u a mit anderen Entwicklungen im Bildungs-wesen zusammen die solchen intensiven Lehrerfortbildungskursen entgegenzulaufen scheinen wie dem Versuch der Verminderung des Unterrichtsentfalls durch Lehrer-fortbildung oder dem Ausweichen auf kostenguumlnstige Fortbildungssettings

Ein solches Bild von Lehrerlernen impliziert aber auch dass Lernen nicht nur in distanzierten Fortbildungssettings geschieht sondern auch und nicht zuletzt im Be-ruf und in der professionellen Umgebung der eigenen Schule Die dienstrechtlichen und arbeitsorganisatorischen Bedingungen der Lehrerarbeit muumlssten in diesem Sin-ne auch dafuumlr sorgen dass Unterrichtsentwicklung (im Sinne der Vorbereitung eige-nen Unterrichts und der Refl exion von Unterrichtserfahrung) eben nicht nur indivi-duelle Aufgabe ist sondern ein institutionelles Merkmal der Lehrerarbeit die auch in der schulischen Arbeitsverteilung und Arbeitsorganisation zum Ausdruck kommt Das bedeutet dass im Arbeitsalltag auch Zeit fuumlr Refl exion und gemeinsame Entwick-lung vorgesehen werden muss die dann auch solche Dinge wie gemeinsame Curricu-lum-Entwicklung professionelle Lerngemeinschaft en oder Lesson Studies (Bonsen amp Frey 2014) erlauben wuumlrde

Schlieszliglich geschieht professionelles Lernen nicht nur in Fortbildungskursen und am eigenen Standort sondern fi ndet auch im Medium der Profession statt Eine lern-foumlrderliche Profession betreibt die Entwicklung eines Berufswissens betreibt Profes-sionsentwicklung schaumltzt die Ideen und Entwicklungen ihrer Mitglieder und schafft Foren in denen das Berufswissen kritisch hinterfragt und weiterentwickelt werden kann Es ist fraglich ob diese Aufgaben durch die bestehenden Lehrervereine und -or-ganisationen geleistet werden koumlnnen die oft stark auf die rechtlichen und oumlkono-mischen Bedingungen der Berufstaumltigkeit orientiert sind (was notwendig und wichtig ist) aber dem Berufswissen der Lehrpersonen und dessen Weiterentwicklung zu we-nig Aufmerksamkeit schenken

Herbert Altrichter 32

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Rick Mintrop

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss

Man kann die Schulentwicklung der letzten drei Dekaden unter dem Blickwinkel zweier miteinander in Spannung stehender Dynamiken begreifen Da ist auf der einen Seite eine Dynamik von auszligen nach innen hervorgerufen durch den Druck von Ac-countability-Systemen nationalen Tests Inspektionen und anderen Maszlignahmen der Qualitaumltssicherung Demgegenuumlber steht eine Dynamik von innen nach auszligen in der Schulen sich als autonome Lerngemeinschaft en organisieren sollen die aktiv nach neuen Loumlsungen fuumlr Leistungsschwaumlchen suchen sollen Beide Dynamiken sind in ihrer Implementierung auf Widerstaumlnde gestoszligen

Die Implementierungsmuster weisen nationale Besonderheiten auf aber Gemein-samkeiten sind erkennbar Inspektionsberichte und Datenruumlckmeldung von zentralen diagnostischen Tests oder Leistungstests haben sich als weit weniger durchschlagend fuumlr das Handeln der Lehrkraumlft e erwiesen als urspruumlnglich erwartet (vgl Brauckmann Th iel Kuper amp Tarkian 2015) Hoher Rechenschaft sdruck auf Schulen wie z B in den USA unter dem bdquoNo Child Left Behindldquo-System hatte allerdings groszlige Durch-schlagskraft aber nicht unbedingt so wie erwartet Lokale Schulaufsichten und Schu-len reagierten auf den Leistungsdruck indem sie sich auf die Suche nach den zweck-maumlszligigsten Unterrichtsstrategien begaben um die geforderten Testziele zu erreichen (Booher-Jennings 2005 Jacob 2005 Koretz 2005 Mintrop amp Sunderman 2009) Sie wurden in dieser Hinsicht unterstuumltzt von zahlreichen Non-Profi t-Organisationen die ihnen Programme Organisationsstrukturen und Beratung anboten (Coburn 2005 Honig 2004 Rowan 2002) Schulentwicklung gerierte sich unter diesen Umstaumlnden zu einem Wettlauf um die eff ektivste Kurzschlieszligung zwischen Unterricht und Tests (Achinstein amp Ogawa 2006 Daly 2009) anstatt zur Vertiefung des Schuumllerlernens beizutragen (Au 2007)

Die Umsetzung von autonom handelnden Lehrerlerngemeinschaft en innerhalb der Schulen traf auf andere Hindernisse Dort wo sie gut umgesetzt wurden zeigten sich positive Eff ekte (z B Talbert amp McLaughlin 1994 fuumlr die USA) Aber wie Forschun-gen zeigten sind Lehrerlerngemeinschaft en oft mals instabil (Louis amp Kruse 1995) ar-beiten oberfl aumlchlich (Little 1990) sind nicht wirklich autonom (Hargreaves 1994) und haben wenig Problemloumlsekapazitaumlten (Mintrop amp Charles 2017 Timperley amp Ro-binson 1998) fuumlr draumlngende aber schwierig zu loumlsende Probleme Wenn Schulen sich als autonom agierende Lerngemeinschaft en organisieren kommen ihnen klare inter-ne Strukturen und Leitfaumlden fuumlr Refl exion und Erkundung zugute (Blankstein 2013 Horn amp Little 2010 Schmoker 1999) die aber oft mals fehlen

Rick Mintrop 36

Designbasierte Schulentwicklung koumlnnte ein Weg sein die beschriebenen Maumlngel zu beheben Designbasierte Schulentwicklung beharrt auf authentischen lokalen oder schulspezifi schen Problemlagen gegenuumlber einer uumlberhandnehmenden Dynamik des bdquoVon auszligen nach innenldquo Die Logik des designbasierten Problemloumlsens strukturiert in-terne Denkprozesse sucht nach externen Innovationen von innen heraus und beglei-tet die Suche nach Loumlsungen mit Daten

1 Die Logik der designbasierten Schulentwicklung

Der Begriff Design wird oft mit schoumlnen und funktional bestechenden Objekten asso-ziiert die von Mode Kunst oder Architektur geschaff en werden Aber Veraumlnderungs-prozesse in Organisationen wie auch Unterrichtsstunden oder -einheiten koumlnnen auch als Design betrachtet werden Diese Art von Design besteht aus einer Abfol-ge von Lernschritten oder -moumlglichkeiten die in einem iterativen Versuch-und-Irr-tum-Verfahren entdeckt und kreiert werden Versuch und Irrtum ergeben sich jedoch nicht willkuumlrlich sondern erfolgen aus einer Handlungstheorie (theory of action) die auf der Basis von Bedarfsanalysen und wissenschaft lichen und praktischen Erkennt-nissen gebildet wird

Designbasierte Schulentwicklung gruumlndet sich auf zwei verschiedenen konzeptio-nellen Traditionslinien Eine kommt aus den kognitiven und Unterrichtswissenschaf-ten die andere aus dem Organisationsmanagement In den Unterrichtswissenschaf-ten werden Designexperimente durchgefuumlhrt um herauszufi nden welche Mischung aus Materialien Technologie Aufgaben Methoden Lernklima und Kontextbedingun-gen Lernprozesse in den verschiedensten Wissensgebieten voranbringen (Burkhardt amp Schoenfeld 2003 Cobb Confrey diSessa Lehrer amp Schauble 2003) Dementspre-chend laufen Designexperimente immer auf mehreren Ebenen ab (z B Artefakte pauml-dagogisches Handeln im Klassenraum Organisationskontext) Sie sind angelegt um eingangs gebildete theoriegeleitete Hypothesen oder Annahmen zu testen aber sie ge-winnen auch Einsichten aus unvorhergesehenen Abweichungen und Stoumlrungen (Cobb et al 2003)

Organisationsmanagement die zweite Quelle der designbasierten Schulentwicklung ist aumlhnlich wie die Unterrichtswissenschaft en darauf aus systematisch Innovationen im Produktions- oder Organisationsablauf zu testen und Schritt fuumlr Schritt zu verbes-sern Management-Guru W Edward Deming (1994) entwarf ein Konzept der konti-nuierlichen Qualitaumltsverbesserung In diesem Verfahren werden komplexe Organisa-tionsablaumlufe in Teileinheiten zerlegt sodass bestimmte Praktiken der Mitglieder einer Organisation zum Vorschein kommen und systematisch verbessert werden koumlnnen In einem sogenannten PDSA-Zyklus (Planen Durchspielen Studieren Anwenden) wer-den Ideen fuumlr kleinschrittige Verbesserungen entwickelt und in Versuchen getestet Resultate werden interpretiert Neuerungen werden gegebenenfalls nochmals verfei-nert oder bei guten Resultaten auf weitere Bereiche ausgeweitet Der Zeitrahmen fuumlr

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 37

Veraumlnderungsprozesse muss uumlberschaubar sein und sollte in der Regel nicht uumlber ein Halbjahr hinausgehen

Der Designprozess ist kreativ Er ist geleitet von Th eorie und Forschung auf spezifi -sche Kontexte zugeschnitten auf Endbenutzer konzentriert partnerschaft lich entwi-ckelt und letztlich vorangetrieben durch messbare Resultate Im Designprozess geht es nicht um Druck oder die Uumlberwindung von Widerstaumlnden vonseiten der Endbenut-zer wie so haumlufi g wenn externe Loumlsungen oder Programme internen Akteuren uumlber-gestuumllpt werden sondern es geht um die Befriedigung von Beduumlrfnissen und das We-cken vorhandener oder latenter Motivationen (Brown 2009 Kelley amp Kelley 2013) In der Loumlsung draumlngender komplexer praktischer Probleme spielen Intuitionen Er-fahrungen Spontaneitaumlt und Imagination ebenso eine Rolle wie Analyse Technik und empirische Verifi zierung (Schoumln 1983) Brown (2009) spricht von einem dritten Weg zwischen Rationalitaumlt und Intuition Kelley und Kelley (2013) fordern dass der De-signprozess zu Ideen fuumlr neue Produkte oder Organisationsablaumlufe fuumlhren soll die so-wohl emotional bedeutsam aber auch funktional sind Dies ist nur moumlglich wenn Designerinnen und Designer und Endbenutzerinnen und Endbenutzer eng in einer Ko-Design-Partnerschaft zusammenarbeiten

11 Handlungstheorien

Wie bereits erwaumlhnt geht im Designprozess der Phase des Protoyping die Formulie-rung einer Handlungstheorie voraus In der Handlungstheorie verknuumlpfen Designer ihre Leidenschaft en Werte und Intentionen mit ihrem Verstaumlndnis des Problems und ihrem Wissen uumlber eff ektive Veraumlnderungsprozesse (Argyris amp Schoumln 1996) Eine Handlungstheorie entsteht in folgenden Teilschritten Designerinnen und Designer bull identifi zieren defi nieren und rahmen ein klar umrissenes praktisches Problembull fuumlhren erste Bedarfsanalysen durchbull formulieren ein Ziel und spezifi zieren beobachtbare problematische (Punkt A) und

neue erwuumlnschte Praktiken (Punkt B) bull greifen Aspekte des praktischen Problems heraus uumlber die Schulen Einfl uss habenbull machen ihre intuitive Handlungstheorie d h ihr Verstaumlndnis wie man von A nach

B kommt explizit und hinterfragen es im Hinblick auf Th eorien und professionel-les Wissen

bull vertiefen ihr Verstaumlndnis des Problems indem sie Symptome und Kausalitaumlten er-kennen und off enlegen

bull konzipieren einen Veraumlnderungsprozess der von psychologisch eindringlichen und technisch realisierbaren Triebkraumlft en oder Treibern der Veraumlnderung (change dri-vers) getragen wird

bull planen eine Intervention in den normalen Fluss des Arbeitsalltags d h eine Abfol-ge von Aktivitaumlten durch die hindurch die Treiber der Veraumlnderung wirken koumln-nen

Rick Mintrop 38

12 Problemloumlsen

Der Kern der designbasierten Schulentwicklung ist Problemloumlsen Erfahrene Problem-loumlser koumlnnen sich ein Problem vorstellen das mental durch vier Eckpunkte struktu-riert ist die problematischen Uumlberzeugungen Einstellungen oder Verhaltensweisen zu Beginn des Veraumlnderungsprozesses die erwuumlnschten Praktiken am Ende des Veraumlnde-rungsprozesses der sich im uumlberschaubaren Zeitrahmen abspielen sollte das Zusam-menspiel von einsetzbaren Faktoren oder Variablen die eine Rolle im Hinblick auf die fokussierten Praktiken potenziell einnehmen koumlnnen und die Wirkung von foumlrder-lichen und einschraumlnkenden Faktoren im Kontext der Organisation in der das Ver-aumlnderungsprojekt stattfi ndet (Argyris amp Schoumln 1996 S 3ndash30) Letzteres ist von her-ausragender Bedeutung da Schulprobleme anders als zum Beispiel Probleme in der Produktion von Autos sehr oft von der Gesellschaft als Ganzer ausgehen und es von daher besonders schwierig fuumlr Schulen ist ihre eigenen internen Einfl ussfaktoren auf das Problem zu erkennen

Die meisten Probleme die sich Entscheidungstraumlgern in Schulen und Schulsys-temen darstellen sind unstrukturiert d h sie beinhalten keine klaren Zuweisun-gen zwischen Problemwahrnehmung und einsetzbaren Triebkraumlft en der Veraumlnderung (Brenninkmeyer amp Spillane 2008 Copland 2000 Jonassen 2000 Timperley amp Rob-inson 1998) Deshalb muumlssen Designer das Problem erst klar defi nieren um es einer Loumlsung zufuumlhren zu koumlnnen

Im Defi nieren und Rahmen eines Problems hat sich die Unterscheidung zwischen Problemen fuumlr Praxis und Problemen von Praxis oder zwischen Praxisproblemen und praktischen Problemen als nuumltzlich erwiesen Ein Problem fuumlr Praxis oder ein Praxis-problem ist es zum Beispiel das Schulklima zu verbessern das Leistungsgefaumllle zwi-schen Schuumllergruppen in einer Schule zu vermindern oder Schuumllerinnen fuumlr Lernstoff zu motivieren Was ein Problem fuumlr Praxis in eines von Praxis oder in ein praktisches Problem verwandelt ist die Benennung von diskreten Praktiken oft getragen von be-stimmten Uumlberzeugungen Einstellungen und Verhaltensweisen die veraumlndert werden sollten So koumlnnte man genauer im Hinblick auf Klima fragen was genau in den Prak-tiken auf Lehrerseite kulturell-nichtdominante Schuumllergruppen in ihrem Urteil bekraumlf-tigt dass sie nicht bdquodazugehoumlrenldquo oder im Hinblick auf Leistungsgefaumllle was genau Lehrerinnen tun um zuruumlckgebliebene Schuumllerinnen wieder an den Lernstoff des Klassendurchschnitts heranzufuumlhren oder wie viele Unterrichtsstunden mit einer Mo-tivationsphase beginnen in der sich Lehrerinnen bemuumlhen Interesse bei den Schuumlle-rinnen und Schuumllern fuumlr den Lernstoff zu gewinnen

13 Schnelles Denken ndash langsames Denken

Die menschliche Vorstellungskraft in einer Problemloumlsesituation ist notwendigerwei-se begrenzt (Simon 1997) Intuitionen eilen dort zur Hilfe wo Analyse und Ratio-nalitaumlt an ihre Grenzen stoszligen Der Wirtschaft spsychologe Kahneman (2011) unter-scheidet zwischen zwei Denkweisen einer schnellen in der Spontaneitaumlt Leichtigkeit

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 39

aber auch Bequemlichkeit vorherrschen und einer langsamen in der formale Re-geln Logik und Evidenz primaumlr sind Intuitionen verlassen sich auf unscharfe Asso-ziationen und Heuristiken die quasiautomatischen und unbewussten Charakter ha-ben und den Entscheidungsprozess abkuumlrzen Eine bestimmte Heuristik ist haumlufi g in der Schulentwicklung anzutreff en Wenn im Zweifel kann eine Fortbildung zum Th e-ma nicht schaden In Schulen in denen unzaumlhlige Entscheidungen in schneller Abfol-ge getroff en werden muumlssen (Lunenburg 2010) ist schnelles Denken eine Notwen-digkeit Schnelligkeit hat aber auch Nachteile Heuristisches Denken hat die Tendenz nach Analogien zu gesicherten Erfahrungen oder frischen Erlebnissen zu suchen die mit Leichtigkeit abgerufen werden koumlnnen d h sich darauf zu verlassen bdquowie wir es schon immer gemacht habenldquo oder bdquowie wir es unlaumlngst entschieden hattenldquo (Davis amp Davis 2003)

Designing braucht beides schnelles und langsames Denken Im langsamen Den-ken konfrontieren Designerinnen ihr explizites professionelles Wissen und die Evi-denz von spezifi schen Bedarfen in ihrer Organisation mit ihren Intuitionen und Heu-ristiken (Nieveen McKenney amp van den Akker 2006 Richey amp Klein 2007)

14 Diagnose eines Problems

Um zu verstehen was in die Diagnose eines praktischen Problems eingeht kann eine Analogie zur medizinischen Profession nuumltzlich sein In der Diagnose einer Patien-tin oder eines Patienten beginnt eine Aumlrztin oder ein Arzt mit der Feststellung von Symptomen gefolgt von gezielten Tests Interpretation von Testresultaten in Verbin-dung mit theoretischem Wissen uumlber den menschlichen Koumlrper fuumlhrt zum Verstaumlnd-nis kausaler Funktionszusammenhaumlnge und abschlieszligender Diagnose Managerinnen oder Initiatorinnen und Initiatoren von organisationaler Veraumlnderung gehen aumlhnlich vor Sie sammeln Informationen uumlber Symptome eines Problems mit niedrig-inferen-ten Beobachtungen von Verhaltensweisen oder Erkundungen von Einstellungen und Uumlberzeugungen und analysieren dann mithilfe hoch-inferenter Interpretationen und theoretischer Modelle Kausalbedingungen die diese Symptome hervorrufen (Lotz Gabriel amp Lipowsky 2013 Spillane amp Coldren 2011 Spillane amp Miele 2007)

In der Logik der fortlaufenden Qualitaumltsentwicklung konzentriert sich die Ursa-chenanalyse auf Faktoren in der Organisation die die Managerinnen und Beschaumlft ig-ten innerhalb der Organisation beeinfl ussen koumlnnen wie z B Zeit Personal Wissen und Kompetenz Prozesse Material Ausstattung usw Aber in Bildungsorganisationen spielen natuumlrlich auch gesellschaft liche kulturelle und politische Faktoren eine groszlige Rolle die von Entscheidungstraumlgern auf Schul- oder Schulaufsichtsebene wenig beein-fl ussbar sind In jedem Fall ist eine gute Diagnose davon abhaumlngig inwieweit die De-signerinnen auf solides professionelles Wissen z B uumlber Paumldagogik Organisations-management oder Sozialpsychologie zuruumlckgreifen koumlnnen (Deal amp Peterson 2009 Hallinger amp Heck 1998 Honig 2012 Knapp Honig Plecki Portin amp Copland 2014)

Rick Mintrop 40

15 Treiber oder Triebkraumlfte der Veraumlnderung

In den meisten Faumlllen ist die Veraumlnderung von eingewoumlhnten Verhaltensweisen Ein-stellungen oder Uumlberzeugungen mit gezielter Aufmerksamkeit neuem Wissen neu-geweckter Motivation Ressourcen Zielen und Prioritaumlten verbunden die in Veraumln-derungsdesigns eingebaut werden sollten (Burke amp Litwin 1992 Fullan 2007) Nicht minder wichtig sind Erwartungen Normen Werte Rituale und Routinen Diese sind oft mals halbbewusst und helfen Akteuren implizit Gemeinsamkeiten unter sich her-zustellen besonders wenn ndash wie typischerweise in Bildungsorgansationen (Deal amp Pe-terson 2009) ndash widerspruumlchliche Ziele und Methoden vorherrschen Inmitten dieser Vieldeutigkeit entwickeln Schulen Organisationskulturen deren Bestand sehr hart-naumlckig sein kann Ein wichtiges Element von Organisationskulturen ist es dass sie den Beteiligten intern ein positives Selbstwertgefuumlhl vermitteln auch wenn die Organisa-tion von auszligen als Problemfall angesehen wird (Schein 2010)

Change drivers oder Treibkraumlft e der Veraumlnderung sind nicht gleichzusetzen mit Aktivitaumlten die sequentiell in einer geplanten Intervention ablaufen Sie sind die dy-namischen Kraumlft e die in Aktivitaumlten freigesetzt werden Externe Triebkraumlft e koumlnnen z B von der Marktkonkurrenz von neuen Technologien oder von Rechenschaft s- oder Anreizsystemen ausgehen Neue Regeln Organisationsablaumlufe Resourcen Pro-gramme Modelle sowie neues Wissen frische Verpfl ichtungen und kollektive Ab-machungen koumlnnen interne Treiber sein (Burke amp Litwin 1992 Huy 2001) Welche Treiber zum Tagen kommen haumlngt vom praktischen Problem ab das Gegenstand des Designs sein soll

16 Iteratives Vorgehen

Designbasierte Schulentwicklung ist nicht vonnoumlten fuumlr praktische Probleme fuumlr die schon gute Loumlsungen bekannt sind und bereitliegen Aber es gibt eine Vielzahl von draumlngenden schwer zu loumlsenden Problemen fuumlr die Loumlsungen erst entwickelt werden muumlssen Oft mals plagen sich viele Schulen in vergleichbarer Lage mit dieser Art von Problemen ab Unter diesen Umstaumlnden ist designbasierte Schulentwicklung als Betauml-tigungsfeld von Praxis und Forschung angezeigt (Plomp 2010 van den Akker 1999)

Designer folgen einem strukturierten Prozess von Planung Durchfuumlhrung und Evaluation von Interventionen der es erlaubt systematisch Daten zu sammeln Aber sie lassen auch notwendigerweise Raum fuumlr Fehltritte Ad-hoc-Anpassungen und Versuch und Irrtum (Cobb et al 2003 Plomp 2010) Zwei Arten von Daten werden gesammelt Prozess- und Wirkungsdaten Prozessdaten fangen wichtige Eckpunkte des Interventionsverlaufs ein z B wenn entscheidende Lernprozesse oder kritische Wen-depunkte stattfi nden Wirkungsdaten fangen Unterschiede in Verhaltensweisen Ein-stellungen oder Uumlberzeugungen im Vergleich zwischen dem Ausgangs- und Endpunkt einer Intervention ein Daten koumlnnen quantitativ oder qualitativ sein Wichtig ist dass die Datenerhebung praktisch durchfuumlhrbar ist d h in den Fluss der taumlglichen Arbeit eingebettet werden kann

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 41

2 Partnerschaften zwischen Praxis und Forschung

In der Logik von Schulentwicklung als designbasiertem Problemloumlsen werden prak-tische Probleme praumlzisiert Symptome in ihrer Kausalitaumlt verstanden und Veraumlnde-rungsprozesse im Hinblick auf wirkmaumlchtige Triebkraumlft e durchdacht die die Men-schen dazu bewegen sich zu veraumlndern Praktisch erhebbare summative Messgroumlszligen helfen den Designern zu erkennen ob ihre geplante Intervention in einem uumlberschau-baren Zeitrahmen zu befriedigenden Resultaten gefuumlhrt hat Formative Prozessdaten helfen Designern eine Verbindung zwischen Prozess und Ergebnis plausibel zu ma-chen

Man kann sich designbasierte Schulentwicklung in kleinerem oder groumlszligerem Maszlig-stab vorstellen In kleinem Maszligstab koumlnnte sich eine Einzelschule ihrer eigenen fort-laufenden Qualitaumltsentwicklung widmen indem sie im Prinzip von Versuch und Irr-tum aus den Iterationen gemeinsam lernt In groumlszligerem Maszligstab koumlnnten sich viele Schulen in einem Bezirk oder Bundesland zusammenschlieszligen und gemeinsam ein draumlngendes aber schwer zu loumlsendes praktisches Problem angehen Forscherinnen koumlnnten arbeitsteilig ihr Forschungswissen einbringen und Daten erheben Auf der Grundlage einer gemeinsamen Handlungstheorie oder systematisch voneinander ab-weichenden Handlungstheorien koumlnnten verschiedene Interventionen im Ko-De-sign-Verfahren mit Praktikern in den Schulen der Schulaufsicht oder in Schulent-wicklungsinstitutionen durchgefuumlhrt werden Gemeinsame Messgroumlszligen machen die Resultate uumlber viele Iterationen hinweg in den verschiedensten Kontexten vergleich-bar So entsteht ein Repertoire von wirksamen Aktivitaumlten und Designprinzipien wel-ches nicht nur die Frage beantworten kann was wirksam im Hinblick auf ein spezi-fi sches Problem sein kann sondern auch wie man von A nach B kommt unter den verschiedensten organisatorischen Bedingungen Letzteres ist vor allem wichtig fuumlr Schulen oder Schulbezirke die unter sozial und organisatorisch schwierigen Bedin-gungen Schulentwicklung zuwege bringen muumlssen

In den USA ist es vor allem die Carnegie-Stift ung unter deren Aumlgide sogenann-te networked improvement communities als Praxis-Forschungs-Partnerschaft en in grouml-szligerem Maszligstab gebildet worden sind (siehe carnegiefoundationorg) Sie arbeiten in der Regel zu einem groumlszligeren draumlngenden komplexen Problem fuumlr die Praxis das sich auf nationalem Maszligstab in vielen Organisationen gleichzeitig stellt Im Designpro-zess wird dieses groszlige draumlngende Problem in viele praktische Probleme zerlegt die in arbeitsteilig entwickelten Iterationen angegangen werden bis zufriedenstellende Re-sultate erreicht worden sind Ein anderes Designprojekt im groumlszligeren Maszligstab koumlnnte sich mit einem Problem befassen welches viele Schulen in einem Schulbezirk gemein-sam umtreibt und dessen Loumlsung auf mehreren Ebenen des Systems gleichzeitig ange-gangen werden soll Der Autor dieses Beitrags ist an einem solchen Projekt im Staat Kalifornien in den USA maszliggeblich beteiligt

Rick Mintrop 42

21 Ein Fallbeispiel Das Projekt bdquoVertiefendes Lernenldquo in einem Schulbezirk in sozial schwieriger Lage

Der Schulbezirk ist fuumlr amerikanische Verhaumlltnisse von mittlerer Groumlszlige 30 Schulen ungefaumlhr 1200 Lehrkraumlft e und 20000 Schuumllerinnen Das soziale Umfeld des Bezirks ist kurz umrissen Fast drei Viertel der Schuumllerinnen sind als bdquobeduumlrft igldquo oder bdquoarmldquo eingestuft die Schuumllerschaft ist fast gaumlnzlich nicht weiszlig ungefaumlhr die Haumllft e ist im Be-griff Englisch als Schulsprache zu erlernen

Das bdquogroszlige Problemldquo fuumlr Praxis draumlngt sich von auszligen und von innen auf Von auszligen wird dem Bezirk durch das staatliche Accountability-System vermittelt dass er fuumlr die groszlige Mehrheit seiner Schuumllerinnen die durchschnittlichen staatlichen Bil-dungsziele nicht erreicht und dass der Anteil der Schuumllerinnen die in der Lage sind nach der High-School ein zumindest zweijaumlhriges College zu besuchen bei Weitem zu gering ist Von innen kommen Lehrerstimmen die durchgaumlngig beklagen dass Schuuml-lerinnen sich passiv oder auch aggressiv verhalten und dass sie wenig Interesse am Unterricht oder Lehrstoff zeigen Das bdquogroszlige Problemldquo ist benannt die mangelnde Be-teiligung vieler Schuumllerinnen am Unterricht vor allem an Lernaufgaben die tieferes Verstaumlndnis und houmlheres Denken auf College-Niveau erfordern Aber die Wahrneh-mung dieses Problems ist auf den verschiedenen Ebenen des Systems unterschiedlich ausgepraumlgt und es ist keineswegs ausgemacht wie das Problem als praktisches Pro-blem angegangen werden kann Denn das Problem existiert als ein aumluszligerst diff user Komplex in den Vorstellungen der Akteure und es werden vor allem aumluszligere Kausal-faktoren gesellschaft licher oder familiaumlrer Art geltend gemacht Im Blick auf die eige-ne Organisation werden vor allem knappe Ressourcen und fehlende Unterstuumltzung angemahnt

Die verantwortliche Schulaufsicht die in den USA engmaschiger auf den Unter-richt Einfl uss nimmt als in deutschsprachigen Laumlndern hatte in der Vergangenheit Schulentwicklungsprobleme so zu loumlsen versucht dass sie fuumlr die Vielzahl erkannter Probleme eine Vielzahl von extern entwickelten Programmen einkauft e und Initia-tiven startete von denen erwartet wurde dass die Schulen sie implementieren wuumlr-den Dies ist ein typisches Vorgehen in amerikanischen Schulbezirken die unter ho-hem Rechenschaft sdruck stehen So ergaben sich Planlosigkeit Fragmentierung und Inkohaumlrenz unter den verschiedensten Ansaumltzen die in einem stetigen Kommen und Gehen begriff en waren (Hatch 2001) Dies gepaart mit dem oumlff entlichen Fai-lure-Diskurs der den Schulbezirk und viele Schulen uumlber fast zwei Jahrzehnte als low-performing auswies hat bei der Lehrerschaft zu einer tiefsitzenden kollektiven De-fensivhaltung gefuumlhrt die professionelles Lernen enorm erschwert Innerhalb der Kol-legien geben sehr haumlufi g nicht die Lehrkraumlft e den Ton an die ihre Schuumllerinnen rela-tiv erfolgreich erreichen sondern die Skeptiker die es vermoumlgen andere Stimmen zu marginalisierten

Im Rahmen dieses Beitrags kann die Konzipierung des Designs lediglich in gro-ben Zuumlgen dargestellt werden Die wichtigsten Triebkraumlft e der Veraumlnderung sind Pro-blembewusstsein Inspiration und konkrete Vision der wuumlnschenswerten Praktiken Fokus und Kohaumlrenz konkrete Unterrichtspraktiken und Unterrichtsexperimente im

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 43

erreichbaren Zielfeld im next level of work von Lehrerteams die in ihrer Faumlhigkeit kollektiv zu lernen sehr stark variieren koumlnnen

22 Problembewusstsein

Mit diesem bdquodriverldquo geht es um die Defi nition von Verhaltensweisen oder Uumlberzeu-gungen und Einstellungen die beobachtbar oder kommunizierbar sind Sie sollen weit verbreitet und in ihrer Kausalitaumlt als intern beeinfl ussbar gesehen werden Dass der Schulbezirk ein Accountability- und Leistungsproblem hatte verdeutlichten Testdaten aber das Problem der sozialen Lage der Schuumllerinnen zuzuschreiben war bis in die Spitzen der Schulaufsicht vorherrschend Die erste Designherausforderung war dem-nach ein Verfahren zu entwickeln welches es Schulaufsicht und Schulleitungen und spaumlter auch Lehrerinnen und Lehrern ermoumlglichte konkretes Unterrichtsverhalten im Klassenraum zu beobachten ohne die ohnehin starke Defensivhaltung im Schulbe-zirk noch zu verstaumlrken Wir organisierten sogenannte learning walks oder Lernrun-den die monatlich in wechselnden Schulen stattfanden In diesen Lernrunden ver-sammelten sich Schulaufsicht Schulleitungen und Unterrichtscoaches und besuchten eine Reihe von Klassenraumlumen im 15-Minuten-Takt Die Beobachter waren ange-halten sich ganz und gar auf die Verhaltensweisen der Schuumllerinnen und nicht der Lehrpersonen zu konzentrieren und sich darin zu schulen konkretes Schuumllerverhalten mit niedriger Inferenz zu beschreiben Ein Analyseinstrument verlangte von den Be-obachterinnenBeobachtern die 15-minuumltigen Segmente aus der Sicht der Schuumllerin-nen zu beurteilen und festzustellen in welchem Grade Schuumllerinnen die Gelegenheit hatten sich mit Ideen vertieft auseinanderzusetzen In nur 10 Prozent aller Segmente konnte vertieft es Lernen beobachtet werden Es wurde zunehmend klarer Schuumllerin-nen im Schulbezirk waren an Unterrichtsstunden gewoumlhnt in denen ihr Interesse am neuen Stoff wenig beruumlcksichtigt wurde in denen neuer Stoff im Lehrermonolog ver-mittelt wurde und dann haumlufi g von den Schuumllern und Schuumllerinnen mechanisch ein-geuumlbt wurde

Forscherinnen beobachteten und analysierten das professionelle Lernen waumlhrend der Lernrunden mithilfe von drei Messgroumlszligen die wachsende Faumlhigkeit der Beteilig-ten sich bei der Beschreibung der Denkaufgaben der Schuumllerinnen auf Beobachtba-res zu beschraumlnken die Tiefe des Denkens zu klassifi zieren und die Beobachtungen in nichtwertender technisch-neutraler Sprache zu kommunizieren Jede neue Iteration verfeinerte die Instrumente und Protokolle Das Designziel der Lernrunden war ein dreifaches Leitungen wuumlrden schulbezirksuumlbergreifend konkrete Unterrichtsverhal-tensweisen als praktisches Problem beschreiben koumlnnen sie wuumlrden diese Praktiken als intern beinfl ussbar wahrnehmen und einen neuen nichtevaluativen Diskurs uumlber Unterricht einuumlben um Defensivhaltungen zu reduzieren

Rick Mintrop 44

23 Inspiration und konkrete Vision des bdquoVertiefenden Lernensldquo

Problembewusstsein und Beschreibung der problematischen intern beinfl ussbaren Praktiken war zunaumlchst eine Designherausforderung bezogen auf Leitungsebenen in unserem Fall von der Ebene der Schulraumltinnen und Schulraumlte bis hin zur Ebene der Fachbereichsleiterinnen und Unterrichtscoaches Fuumlr die Lehrerkollegien schien ein positives Beginnen nach so vielen Jahren negativen Beurteilens wirkungsvoller zu sein Wir begannen mit Videoclips die verschiedene Phasen einer Unterrichtsstun-de darstellten z B eine besonders gelungene Motivationsphase Gruppenarbeitspha-se Feedbackphase usw Die Videos wurden rundweg von den Kollegien abgelehnt Sie kamen von auszligerhalb des Schulbezirks und hatten somit keine Aussagekraft fuumlr bdquoour kidsldquo Der Schulbezirk baute ein Netzwerk von sogenannten bdquolab teachersldquo d h expe-rimentierfreudigen Lehrkraumlft en auf die bereit waren ihren Unterricht fuumlr ihre Kolle-gen und Kolleginnen zu oumlff nen und auch Videos zu produzieren Die Akzeptanz der Videos stieg uumlber viele Designiterationen hinweg in dem Maszlige wie die Videos intern produziert wurden realistisch Schuumllerinnen des Schulbezirks zeigten Schuumller- und Schuumllerinnendialoge und Lehrer- und Lehrerinnenimpulse im geteilten Bildschirm ab-bildeten und innerhalb einer Unterrichtsstunde eher gelungene und nicht gelungene Phasen miteinander verglichen Aber eine starke Durchschlagskraft konnten die Vi-deos nicht erreichen Sie wurden bei zentralen Fortbildungen eingesetzt vor allem fuumlr die Leiterinnen der Lehrerteams Die Leiterinnen griff en aber nur in seltenen Faumlllen auf die Videos fuumlr ihre eigene Arbeit mit den Teams zuruumlck Es fehlte der Unterbau der Lehrerlerngemeinschaft en an den Schulen die dazu in der Lage waren die Videos auch produktiv zu besprechen

Im naumlchsten Schritt sollen Videoclips in allen Schulen in kurzen 30-minuumltigen Workshops waumlhrend der Kollegiumskonferenzen eingesetzt werden um eine schulbe-zirksuumlbergreifende Zielsetzung fuumlr Unterrichtsentwicklung zu verstaumlrken Hierzu ste-hen freigestellte Lehrkraumlft e eine fuumlr je drei Schulen bereit Diese freigestellten Lehre -rinnen zusammen mit den Forscherinnen und Forschern von der Universitaumlt bilden das Ruumlckgrat der Ko-Design-Gruppe In regelmaumlszligigen Abstaumlnden werden Mitglieder der Schulaufsicht einige Schuleiterinnen und engagierte Lehrerinnen in einer erwei-terten Ko-Design-Gruppe zurate gezogen wenn neue Produkte oder Initiativen kri-tisch begutachtet werden muumlssen bevor sie zum Einsatz kommen

24 Unterrichtsexperimente in Teams

Lehrerteamarbeit ist die gegenwaumlrtige Designbaustelle Der Entwicklungsstand von Lehrerlerngemeinschaft en im Schulbezirk ist sehr unterschiedlich von Schule zu Schu-le und innerhalb der Schulen zwischen Fachbereichen und Jahrgangsgruppen Ge-naue Zahlen werden derzeitig mit Umfragen erhoben Erfahrungsgemaumlszlig machen viele Teams Unterricht eher nicht zum Th ema Einige Teams sind in der Lage gemeinsam Unterrichtseinheiten oder -stunden zu planen und ihre Durchfuumlhrung zu analysieren Es muumlssen also verschiedene Prototypen fuumlr Teamgespraumlche uumlber Unterricht entwi-

Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss 45

ckelt werden die den Teams Orientierung und Strukturen auf ihrem jeweiligen Ent-wicklungsstand geben koumlnnen Fuumlr einige Teams ist der bloszlige Austausch von Erfah-rungen im Unterricht ein groszliger Schritt andere koumlnnen den naumlchsten Schritt gehen und sich uumlber selbst gewaumlhlte einfache Experimente mithilfe von Artefakten aus dem Unterricht (z B Schuumllerarbeitsboumlgen ein kurzes Audio oder Video) austauschen Ein weiterer Schritt ist es diese Experimente auf Unterrichtspraktiken anzuwenden die das Schuumllerlernen gezielt vertiefen In jedem Fall muss eine positiv-analysierende Ge-spraumlchskultur kultiviert werden die den Schwerpunkt auf das Studium von Schuumller-verhaltensweisen legt

25 Unterrichtspraktiken

Es stellte sich heraus dass viele Teams einen klaren praktischen Fokus brauchen um ihre Arbeit am Unterricht zu strukturieren Aber der Fokus darf auch die Arbeit nicht zu sehr auf die Implementierung von bestimmten Prozeduren einengen eine Erwar-tung die allzu haumlufi g von den eingekauft en Unterrichtsprogrammen in der Vergan-genheit ausgegangen war Gegenwaumlrtig sind vier Praktiken angepeilt deren Haumlufi gkeit in den Unterrichtsstunden bezirksweit erhoumlht werden soll explizite Motivationspha-sen fuumlr neuen Stoff zu Beginn einer Unterrichtsstunde oder -einheit Erklaumlrungen von neuem Stoff im Schuumllerinnen-Lehrerinnen-Dialog Gruppenarbeitsphasen in denen Schuumllerinnen auch wirklich uumlber Ideen kommunizieren und Lehrerinnen-Feedback das auf den Ideen und Missverstaumlndnissen der Schuumllerinnen aufb aut Diese Kern-praktiken sind in ihrer Simplizitaumlt eingaumlngig und koumlnnen in einer Vielfalt von kon-kreten Unterrichtsprogrammen oder persoumlnlich bevorzugten Formaten verwirklicht werden Fuumlr eine Minderheit der Lehrerschaft sind diese Kernpraktiken keine Heraus-forderung aber wir vermuten gemaumlszlig unserer Handlungstheorie die aber noch empi-risch weiter abgesichert werden muss dass sie fuumlr die Mehrheit im next level of work angesiedelt sind Die Ko-Design-Gruppe koumlnnte aber auch noch andere Kernprakti-ken favorisieren

26 Fokus und Kohaumlrenz

Dieser Komplex ist zum einen eine Designherausforderung und zum anderen eine strategische Herausforderung auf Schulbezirksebene Als Designherausforderung sind die Designerinnen und Designer zurzeit dabei Formate fuumlr regelmaumlszligige informelle Gespraumlche zwischen Schulaufsicht und Schulleitungen zu entwickeln in denen Re-formuumlberlastung fortlaufende Qualitaumltsentwicklung mit klarem Fokus und formati-ve Evaluation zum Th ema werden Um der strategischen Herausforderung gerecht zu werden hat die Praxis-Forschungspartnerschaft eine Steuergruppe mit den fuumlhren-den Entscheidungstraumlgern im Schulbezirk und den Forschern eingerichtet die sich in etwas groumlszligeren Abstaumlnden trifft und versucht das Projekt bdquoVertieft es Lernenldquo in

Rick Mintrop 46

den Gesamtzusammenhang des Bezirks einzubetten und dafuumlr zu sorgen dass es eine Prioritaumlt im Treibsand der lokalen Politik bleibt

3 Schlussbemerkung

Designbasierte Schulentwicklung als Partnerschaft zwischen Praxis und Forschung ist in den Kinderschuhen Sie hat das Potenzial Loumlsungen fuumlr draumlngende weitverbreite-te aber vertrackte Probleme zu entwickeln Das Ziel ist kumulatives praktisches De-signwissen zu verstaumlrken welches das Wissen um das bdquoWasldquo mit Wissen um das bdquoWieldquo anreichert Besonders Schulen und Schulbezirke in schwierigen Lagen brauchen dieses Wissen um das bdquoWieldquo welches den Verantwortlichen fuumlr Schulentwicklung hilft unter erschwerten Bedingungen von A nach B zu kommen Das Fallbeispiel zeigt wie ein Designansatz hilfreich sein kann die Komplexitaumlt eines vertrackten Problems zu redu-zieren und handlungsfaumlhig zu machen Da das Problem ein systemisches ist koumlnnen auch nur systemische Loumlsungen zu nachhaltigen Verbesserungen fuumlhren und doch muss das Problem auf Kernpraktiken zuruumlckgefuumlhrt werden um die herum schritt-weise Lernprozesse organisiert werden koumlnnen Diese Lernprozesse zu foumlrdern ist die Aufgabe der Designentwicklung

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Hans-Guumlnter Rolff

Transfer von Innovationen im Schulbereich

Immer mehr Buumlcher und Aufsaumltze beschreiben und analysieren Konzepte und An-saumltze innovativer Schulentwicklung Sie berichten von empirischen Untersuchungen Erfahrungen und Visionen zur Realisierung neuen oder anderen Unterrichts Off en bleibt meistens die Frage wie Innovationen von einer Arbeitseinheit in einer Schu-le auf die ganze Schule ausgedehnt werden koumlnnen und noch weitergehend wie eine Innovation von einer Schule auf eine andere Schule oder gar auf das ganze Schulsys-tem ausgebreitet werden kann was nicht haumlufi g gelingt Es ist dies die Frage nach dem Transfer

Es gibt bisher allerdings keine auch nur annaumlhernd uumlberzeugende Th eorie des Transfers von schulischen Innovationen (Nickolaus amp Graumlsel 2006) und auch kaum Forschung dazu (Jaumlger 2004) Deshalb kann es sich im Folgenden nur um Voruumlber-legungen zu einer forschungsleitenden und praxisbezogenen Th eorie handeln die zu-naumlchst nach einer Begriff sklaumlrung und Begriff sdiff erenzierung verlangt Diese soll auch dazu dienen das bisherige Begriff sverstaumlndnis uumlber das gaumlngige Verstaumlndnis von Wissensmanagement hinaus zu erweitern und einige Hinweise fuumlr eine tiefer- wie weitergehende Praxis zu geben

1 Formen des Transfers

Transfer wird wie schon erwaumlhnt meistens wissensbasiert konzipiert und praktiziert (Willke 2004) Auch wenn es sich dabei um eine verkuumlrzte Sicht handelt worauf noch zuruumlckzukommen ist sollte zunaumlchst an die Vielfalt des wissensbasierten Transfers er-innert und sie dann noch erweitert werden um die Reichweite von Transfer auszulo-ten und auf Anwendbarkeit hin zu pruumlfen

Das Wissen das fuumlr Transfer relevant ist besitzt zumeist eine Duplexstruktur (Rolff 2012) Es existiert Buchwissen und Erfahrungswissen sowie theoretisches und praktisches Wissen Zu unterscheiden ist ferner explizites kognitives aufgeschriebe-nes Wissen und implizites bdquounsichtbaresldquobdquoverborgenesldquo Wissen international auch Tacit Knowledge genannt Das weiterhin zum Transfer anstehende Erfahrungswissen entsteht als implizites Wissen und muss in explizites uumlberfuumlhrt werden (was nicht in allen Faumlllen moumlglich ist) um sich fuumlr Wissenstransfer zu eignen (Porschen 2008)

Es gibt zudem inhaltliches und methodisches Wissen Transfers sind in mancherlei Hinsicht doppelschichtig veranlagt Man unterscheidet z B zwischen internem Trans-fer und externem Transfer sowie zwischen Produkttransfer und Prozesstransfer Er-

Hans-Guumlnter Rolff 50

waumlhnenswert ist noch der Verweis auf intangible Eigenschaft en die fuumlr Transfer von Belang sind Was kann man sich und in Bezug auf Schulen unter Intangiblem Un-greifb arem vorstellen Intangibel sind z B Schulenbull die einen bdquoSpiritldquo habenbull mit Lehrpersonen die an Erfolg glauben und an die Wirksamkeit ihres Tunsbull in denen eine Basis fuumlr Vertrauenskultur entwickelt istbull in denen Lernfreude herrscht bei Schuumllerinnen und Schuumllern wie bei Lehrperso-

nenbull in denen Wertschaumltzung lebtbull in denen Menschen Traumlume haben und sie gemeinsam realisieren wollen

Das Intangible macht im Grunde den Geist einer Schule aus Preistraumlgerschulen unter-scheiden sich in Organisation und Methoden haumlufi g wenig von Nachbarschulen aber sie unterscheiden sich im Geist d h vor allem in den Stimmungen den Visionen und den Beziehungen der Menschen untereinander und ob sie daran glauben dass man Schule grundlegend veraumlndern kann oder bestenfalls nur eine Optimierung fuumlr moumlg-lich halten

Es sind also die Menschen und der Geist die beim Transfer den Unterschied ma-chen

Man kann vier Stufen des Transfers unterscheiden die auch Intensitaumlts- und Schwierig keitsstufen sind (vgl Abb 1)

Abbildung 1 Schwierigkeits- und Intensitaumltsstufen des Transfers

Transfer von Innovationen im Schulbereich 51

Es gibt eine Vielzahl von Formen und Verfahren des Transfers erprobte und nicht er-probte tiefh aumlngende also einfach zu bdquopfl uumlckendeldquo und bdquohochhaumlngendeldquo Einige Ver-fahren des Transfers sind gar nicht so selten wie u abull Informationswaumlndebull Staumlnde zu Schulentwicklungsprojektenbull Forenbull Fachgespraumlchebull Schulpreisebull Organisationsgedaumlchtnis (Protokolle Instrumentenpools Newsletter Intranet u a)

Es gibt Formate die sich gut transferieren lassen wie z B bull Lernmethodenbull Lehrbuumlcherbull Evaluationsmethodenbull Peer Reviewsbull Raumeinrichtungen Lernlandschaft en und Aumlhnliches

Und es gibt aber auch bdquoFormateldquo die sich nur schwer und aufwaumlndig transferieren las-sen wiebull Engagement bull Begeisterungbull Haltungenbull Einstellungenbull Wertebull Wertschaumltzung und Aumlhnliches

Zudem gibt es Formate die sich uumlberhaupt nicht transferieren lassen wie z B Uumlber-zeugungen Gluumlcklicherweise laumlsst sich nur sehr wenig gar nicht transferieren Auch deshalb lohnt es sich uumlber Transfer weiter nachzudenken zu experimentieren und zu forschen

Die Uumlberlegungen zu den Formaten des Wissens und des Transfers sind deshalb von Interesse weil man sie nutzen kann um klar zu machen dass tiefergehende In-novationen aller Art und hier besonders des Unterrichts nicht uumlber Vortraumlge Semina-re Dokumente oder Videos zu implementieren oder zu verbreiten sind weil jede In-novation genauso doppelschichtig ist wie oben beschrieben Beispielsweise kann man Autofahren nicht aus einem Lehrbuch [praktizieren] lernen Es muss auch die tie-ferliegende Schicht des Wissens uumlbertragen oder neu erworben werden also implizi-tes methodisches und Erfahrungs-Wissen Nicht nur Produkte gehoumlren dazu sondern auch Prozesse

Werte und Haltungen lassen sich ohnehin nicht schnurstracks transferieren Wenn man z B schuumlleraktivierendes oder kooperatives Lernen schulintern oder schuluumlber-greifend transferieren will man muss sich andere Formen einfallen lassen als die die eine allzu konventionelle Lehrerfortbildung betreibt

Hans-Guumlnter Rolff 52

Und besonders uumlberlegenswert und experimentierfreudig ist der Transfer groszligfl auml-chiger und komplexer Akteurskonstellationen wie sie beispielsweise Netzwerke und erst recht Bildungslandschaft en darstellen

Das beste Wissen uumlber bessere Schulen oder besseren Unterricht weiterzugeben (Wissenstransfer) ist also nicht der Koumlnigsweg der Schulentwicklung Wissen ist nie vollstaumlndig (deshalb kann man auch nicht vollstaumlndig informieren) sondern es be-zieht sich eher auf die Oberfl aumlche eines Eisbergs um eine bekannte Metapher zu nut-zen Das Wissen oberhalb des Wassers ist explizites das innerhalb des Wassers impli-zites Wissen und in der Eisbergmetapher zudem in einer groszligen Mehrheit

Explizites Wissen ist relativ leicht zu erkennen und auch leicht zu transferieren z B via Veranstaltungen und Workshops via Gebrauchsanweisungen Materialpake-ten WerkzeugenInstrumenten Aufsaumltzen und Buumlchern Implizites Wissen wie Hal-tungen Werte Feedback-Kultur oder Fehlertoleranz ist schwer zu transferieren Im-plizites Wissen ist jedoch fuumlr Transfer bedeutsam vielfach sogar unabdingbar Es gestaltet und steuert Handlungsablaumlufe allerdings ohne dass es immer ins Bewusst-sein kommt Es laumlsst sich deshalb auch nicht einfach kopieren und nur schwer aumln-dern Implizites Wissen kann innovative Inhalte haben impliziert aber haumlufi g auch konservativ-retardierende Implizites Wissen ist also ambivalent Es ist vor allem re-levant Vieles was Schulleiter und Lehrpersonen machen basiert auf implizitem Wis-sen z B wie sie Schuumller begeistern oder disziplinieren Allein durch explizites Wissen laumlsst sich gute Praxis nicht und erst recht nicht innovative Praxis verbreiten oder aus-dehnen wenn ein Teil des Wissens nicht einmal sichtbar ist Zugespitzt bedeutet dies Wir wissen nicht was wir alles wissen und wir wissen nicht explizit welches Wissen wir brauchen wenn wir unsere Handlungen und unser Verhalten veraumlndern wollen

Abbildung 2 Transfer als Eisberg-Metapher

Transfer von Innovationen im Schulbereich 53

2 Transfer als Nacherfi ndung

Die Ausgangsfrage war Wie kann man Innovationen in der eigenen Schule und noch daruumlber hinaus in andere Schulen verbreiten also transferieren Diese Frage stellt sich allerdings erst wenn es auch tatsaumlchlich etwas Nuumltzliches undoder Notwendiges und Bedeutungsvolles zu transferieren gibt wie bei den aufgefuumlhrten Beispielen bei denen es ja nicht um neue Verordnungen oder neue Lehrplaumlne oder houmlhere Anforderungen und schon gar nicht um strengere Vorschrift en ging sondern um die Umsetzung und Verbreitung neuer Praxen Und das ist komplexer und komplizierter als bloszliger Wis-senstransfer

Die Erfahrungen der letzten Jahre (Boumlhle Buumlrgermeister amp Porschen 2012) zeigen Es gibt keinen 11-Transfer Daran zu glauben hieszlige der sogenannten Steuerungsillu-sion zu verfallen der Illusion dass man uumlber Anordnungen von oben die Akteure ge-nau so steuern koumlnnte wie es verordnet wird Innovationen werden von Schulen bzw Lehrkraumlft en nicht einfach uumlbernommen oder imitiert sondern bdquonacherfundenldquo wie Kussau (2007 S 287) formuliert Nacherfi ndungen passieren so gut wie nie eins zu eins Kussau argumentiert dass sich jede

Innovation in dem Zirkel (bewegt) wonach das Zerschlagen von Routi-nen Voraussetzung von Veraumlnderung ist damit umgekehrt aber ein massi-ves Veraumlnderungsproblem entsteht weil die Verpfl ichtung zur Aufgabe von Routinen Widerstand Subversion Abweichung etc provoziert An die Stelle von Routinen tritt zunaumlchst eine Mischung aus den bestehenden und beibe-haltenen Routinen und Deutungsprozessen die die neuen Vorgaben thema-tisieren und fuumlr die Praxis handhabbar machen Dieser Prozess wird hier als Nacherfi ndung bezeichnet (Kussau 2007 S 302)

Fend (2008) spricht in diesem Zusammenhang von Re-Konstituierung gebraumluchlich ist auch der Begriff der Neusituierung

Transfer ist nicht eins zu eins realisierbar weder auf dem Wege von der Behoumlrde zur Schule noch von einer Schule zu einer anderen Die Grenzen des Wissenstrans-fers liegen in der Natur des Wissens Ein Transfer soll innovative Praxis transferie-ren Wie weiter oben gezeigt wurde geht nicht alles was Praxis ist in Wissen auf z B ein Teil der Emotionen nicht und auch die situativen Randbedingungen nicht Zudem hat Wissen die beschriebene Duplexstruktur die aus explizitem Wissen und implizi-tem Wissen besteht Explizites Wissen kann annaumlhernd eins zu eins transferiert wer-den implizites Wissen nicht Implizites Wissen ist in der Defi nition des Soziologen Sennett bdquojenes Wissen welches so sehr zur Selbstverstaumlndlichkeit geworden ist dass es uns vollkommen natuumlrlich erscheintldquo (Sennett 2009 S 246) und deshalb gar nicht erst thematisiert wird

Die Frage bleibt Wie kann unthematisiertes Wissen transferiert und die Verbrei-tung schulischer Innovationen intentionsgetreu implementiert werden Die Transfer-forschung sucht seit Jahrzehnten nach einer Antwort aber Transfer war bisher nicht nennenswert erfolgreich (Jaumlger 2004 oder Willke 2004) Schulen machten aus den Reformvorhaben der Behoumlrden letztlich was sie selbst fuumlr richtig hielten Aus Ziel-

Hans-Guumlnter Rolff 54

vereinbarungen wurden Maszlignahmeverabredungen aus Schuumllerfeedback wurde Unter-richtsevaluation ndash oder auch umgekehrt Reformen veraumlndern Schulen aber Schulen veraumlndern auch Reformen

Jazz ist eine geeignete Metapher fuumlr Loumlsungsmoumlglichkeiten Auch im Jazz gibt es keinen 11-Transfer dennoch wird transferiert und transponiert Transferiert wird al-lerdings nur das Th ema oder die Tonart (also ein Prototyp wie er noch zu erlaumlutern ist) die Ausfuumlhrung in jedem neuen Kontext besteht indes aus Zusammenspiel und Improvisation Jede Solistinjeder Solist orientiert sich an Th ema und Tonart entwi-ckelt aber seine eigene moumlglichst unverwechselbare Version und jeder Musiker houmlrt auf ihn letztlich auf alle Mitspielerinnen und Mitspieler gibt ihnen Anregungen und nimmt Anregungen von ihnen auf Jedes Stuumlck ist anders aber ein erkennbares Th e-ma bleibt Unterrichtsentwicklung ist eher wie Jazz und weniger ein werkgetreues Nachspielen von Noten

Auch noch so praumlzise Bedienungsanleitungen z B Noten ermoumlglichen keine 11-Implementation Sie muumlssten dazu implizites Wissen transportieren koumlnnen was schon allein deshalb unmoumlglich ist weil implizites Wissen nicht bewusst ist Und Un-bewusstes kann man nicht aufschreiben Sennett nennt Bedienungsanleitungen bdquototes Bezeichnenldquo

Das beste Wissen uumlber bessere Schule oder besseren Unterricht weiterzugeben (Wissenstransfer) ist also nicht der Koumlnigsweg der Unterrichtsentwicklung denn Schulen entscheiden zum Teil manchmal zum Groszligteil selbst welches Wissen in wel-chem Format sie aufnehmen was sie mit dem Wissen anstellen das sie manchmal gar nicht verstehen (jedenfalls nicht so wie es die Wissensproduzenten meinen) und das nie vollstaumlndig ist sondern eher die Oberfl aumlche eines Eisbergs repraumlsentiert

Das Aufdecken und Aufarbeiten impliziten Wissens die Umwandlung von impli-zitem in explizites Wissen also Erfahrungstransfer ist Voraussetzung der Verbreitung innovativer Praxis Wie und wo kann das geschehen Es gibt mehrere Realisierungs-moumlglichkeiten Wirksame Transferformate sind datengestuumltzt (Argyris 1997) und werkstattbasiert Vor allem in Werkstaumltten koumlnnen Prototypen entstehen oder bdquoge-brauchsfertige Verfahrenldquo wie Sennett es nennt (Sennett 2009 S 214) Prototypen wandern von einer Werkstatt in andere Werkstaumltten sie sind eff ektiver zu transpor-tieren als werbende Texte Bedienungsanleitungen oder Anordnungen Sie bestehen nicht nur aus explizitem sondern auch aus implizitem Wissen

Als Zwischenfazit ergibt sich dass Unterrichtsentwicklung immer auch Umsetzung von Innovation bedeutet Transfer ist Transaktion oder auch Translation von Innova-tionen Vehikel von Innovationen die der Oberfl aumlchlichkeit von Wissenstransfer ent-gehen wollen sind Prototypen die in Schulen entwickelt und in andere Schulen trans-portiert werden

21 Dynamische Prototypen und Werkstaumltten

Prototypen werden in unterschiedlichen Varianten welche im Kern uumlbereinstimmen einzeln entwickelt und gehen dann in Serie (oder sie werden aufgegeben wenn sie

Transfer von Innovationen im Schulbereich 55

in der Erprobung nicht uumlberzeugt haben) Prototypen werden in Werkstaumltten herge-stellt die Entwicklungs- oder Lernwerkstaumltten sind in denen Experten zusammen-arbeiten Beispielsweise wird ein Konzept der Unterrichtsentwicklung z B SINUS nicht nur uumlber Lehrplaumlne und Schulbuumlcher in den Unterricht zu transportieren ver-sucht sondern durch Angebote fuumlr die Fachschaft Schule Fachberaterinnen Fach-unterricht-Coaches oder Schulbegleiterinnen koumlnnen helfen neue Lernsettings (oder auch neue Aufgabenkulturen) auszuprobieren weiterzuentwickeln und in einer Weise zu dokumentieren die sie serienreif macht

Der Werkstattbegriff vermag die Begriffl ichkeit zuzuspitzen z B dass darin ganz-heitlich gearbeitet wird es nicht nur um Technik geht (sondern auch Kunst im Spiel ist und Haltungen etwas wert sind) und viele Handwerker eine Meisterschaft anstre-ben

Professionelle Lerngemeinschaft en sind die verheiszligungsvollste Form von Werk-staumltten besonders wenn sie uumlber die einzelne Schule hinaus mit anderen verkoppelt sind Ganzheitlich gestalten heiszligt moumlglichst alle Dimensionen Aspekte und Facetten der UE kohaumlrent und bdquolinientreuldquo (alignement) zu integrieren also fachliches Wissen Methodenkompetenzen Uumlberzeugungen Werte und Haltungen in einen systemischen Zusammenhang zu bringen Vieles spricht dafuumlr dass das am ehesten mittels Prototy-pen gelingt

Beispiele fuumlr Prototypen sindbull EMU (Helmke 2009)bull Kompetenzraster (Muumlller 2015)bull Fachunterrichtscoaching (Hirt amp Mattern 2015)

Prototypen zu transferieren heiszligt Prototypen in einen anderen Kontext einzubetten also nachzuerfi nden um den Begriff von Kussau noch einmal aufzunehmen Dabei geht es im Bereich der UE nicht wie in der Automobilindustrie darum Prototypen zur Serienreife zu bringen die in den folgenden Jahren fuumlr keinerlei Veraumlnderung of-fen sind Prototypen muumlssen im Schulentwicklungsbereich indes auf Weiterentwick-lung hin vielleicht in anderen Schulen ausgelegt sein Deshalb sind hier dynamische Prototypen gemeint

22 Von Prototypen zur Nachhaltigkeit

Politik und Behoumlrden neigen im Sinne des klassischen Verwaltungshandelns dazu die Schulen zur Realisierung zentral konzipierter Projekte via Anordnungen zu bewe-gen Sie gehen dabei zumeist den Weg des Transports expliziten Wissens Es ist schon erwaumlhnt worden dass sie dabei an Grenzen stoszligen Fullan (2010) und Mourshed Chijioke und Barber (2011) zaumlhlen deshalb nicht Loumlsungen 1 Ordnung die mehr des-selben in perfekterer Weise anstreben zu den wesentlichen Gelingensbedingungen sondern Loumlsungen 2 Ordnung die das System selbst wandeln bzw weiterentwickeln Systemwandel heiszligt die einzelnen Schulen wie das ganze Schulsystem in die Lage

Hans-Guumlnter Rolff 56

zu versetzen die besten Loumlsungen ihrer Entwicklungsprobleme oder Entwicklungs-absichten selbst auszuwaumlhlen anzupassen und umzusetzen Fullan und Barber nen-nen diese Faumlhigkeit bdquocapacity for changeldquo und sie belegen anhand konkreter Beispiele dass der Koumlnigsweg zur wirksamen Schulentwicklung im Aufb au dieser Kapazitaumlten bzw Faumlhigkeiten zum Wandel in und von Schulen und Behoumlrden liegt Zur Faumlhigkeit zum Wandel gehoumlrt unverzichtbar auch die Faumlhigkeit Daten zu nutzen sowohl fuumlr Be-standsanalyse und -diagnose als auch fuumlr die Evaluation und Steuerung der Entwick-lungsvorhaben Unabdingbar ist fuumlr alle Vorhaben die Verbesserung der Lernbedin-gungen fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller im Auge zu haben und staumlndig zu pruumlfen ob sie den Schuumllerinnen und Schuumllern beim Lernen helfen bdquoKapazitaumlt fuumlr Wandelldquo entsteht wenn Schulen die Schulleitungen erweitern Steuergruppen einrichten und Entwicklungswerkstaumltten schaff en die aus Fach- Jahrgangs- oder Steuergruppen her-vorgehen oder als Th emengruppen eigens eingerichtet werden (s dazu auch Kap 1 dieses Bands) Transfer gelingt desto besser je mehr die Adressaten-Organisationen lernfaumlhig sind Wenn bereits Entwicklungskapazitaumlten vorhanden sind laumlsst sich einfa-cher und zieltreuer nacherfi nden

Staumltten des Capacity for Change sind seit Jahrhunderten solche Werkstaumltten die nicht nur Routinen pfl egen sondern auch Innovationen generieren (Sennett 2009) Werkstaumltten werden in diesem Zusammenhang nicht Workshops genannt sondern Werkstaumltten weil Werkstaumltten Dauereinrichtungen sind die Nachhaltigkeit erzeugen und in denen Handwerker mit Handwerkszeug arbeiten und auch Handwerkszeug entwickeln In der Schweiz spricht man uumlbrigens auch seltener von Workshops und mehr von Ateliers was beachtenswert ist weil das von vornherein die kuumlnstlerische Seite vom Handwerk betont

Prototypen sollten nicht nur als Vorlaumlufer von Serienmodellen verstanden werden sondern als Beispiele guter Praxis

23 Innovation als sozialer Prozess

Prototypen sind innovativ sie werden in Innovationswerkstaumltten entwickelt Hand-werkszeug ist keine rein technische oder gar technokratische Angelegenheit sondern ein sozialer Prozess Handwerk hat auch eine kuumlnstlerische Seite wie z B Pinsel Stif-te oder Meiszligel und Gestaltung von Kunstwerken mit den Haumlnden Handwerkszeug reicht uumlber das Imitierende und Maschinelle eines Tools weit hinaus Vor allem hat das Handwerkliche etwas Personales Es verweist auf die Person des Handwerkers und der wiederum verweist auf das Institutionelle die dauerhaft e Werkstatt Handwerks-zeug ist also menschlich konstituiert ganzheitlich orientiert und nachhaltig Hand-werkszeug ist gleichsam geronnenes Wissen das beides enthaumllt explizites und impli-zites Wissen

Handwerker arbeiten nicht mit Bedienungsanweisungen Routinen und Erfahrun-gen sind ihr Hintergrund und liefern handlungsleitendes Wissen Dieses ist oft nicht so explizit dass man es in Bedienungsanweisungen uumlbersetzen koumlnnte Es ist eher im-plizites Wissen das in die Werkzeuge und Routinen eingelassen aber im Kopf nicht

Transfer von Innovationen im Schulbereich 57

immer bewusst ist und sich deshalb auch nicht vertexten laumlsst Das macht Weitergabe und Transfer von guter Praxis und erst recht von Innovationen so schwierig

Werkstaumltten im Sinne von Entwicklungswerkstaumltten sind also eine wenn nicht sogar die wesentliche Grundlage fuumlr die Ausgestaltung und Verbreitung von UE in Schulen zwischen Schulen und zwischen Unterstuumltzungssystemen und Schulen In et-lichen Schulen gibt es deshalb Lernwerkstaumltten unterschiedlicher Art mit Lehrerinnen und Lehrern und Schulleiterinnen und Schulleitern mit Lehrerinnen und Lehrern der eigenen Schule und mit Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Schulen Auch das Lernen von Schuumllerinnen und Schuumllern kann als Lernwerkstatt organisiert wer-den oft Lernzentrum genannt Der Lernbegriff sollte dabei ein weiter sein Deshalb weist Sennett darauf hin bdquoIn der Th eorie sollte in der gut gefuumlhrten Werkstatt ein Gleichgewicht zwischen impliziten und explizitem Wissen bestehenldquo (Sennett 2009 S 109)

24 Transfer als Transformation

Es existiert eine kaum uumlbersehbare Streubreite von Handwerksberufen Handwer-ker sind Chirurgen und Geigenbauer Zahnaumlrzte und Goldschmiede Uhrmacher und Elektriker Maler und Anstreicher Koumlche und Maurer und auch Musiker Hausmeis-ter und Schulleiter Sie alle sind gute Handwerker wenn sie bdquoihrer Arbeit mit Hin-gabe nachgehen und sie um ihrer selbst willen gut machen wollenldquo (Sennett 2009 S 32) Beim guten Handwerker stehen Handeln und Denken Praxis und Th eorie im staumlndigen Dialog Sennett nennt das urspruumlngliche Identitaumltsmerkmal von Handwer-kern dass sie sich darauf konzentrieren bdquoQualitaumlt zu liefern und gute Arbeit zu leis-tenldquo (Sennett 2009 S 39)

Werkstaumltten im Sinne von Lern- oder Entwicklungswerkstaumltten sind also eine wenn nicht sogar die wesentliche Grundlage fuumlr die Ausgestaltung und Verbreitung von Innovationen in Schulen zwischen Schulen und zwischen Unterstuumltzungssyste-men und Schulen In etlichen Schulen gibt es deshalb Lernwerkstaumltten unterschied-licher Art mit Lehrerinnen und Lehrern und Schulleiterinnen und Schulleitern mit Lehrerinnen und Lehrern der eigenen Schule und mit Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Schulen Wenn Transfer nicht klappt wird es gemaumlszlig einer bdquoklas-sischenldquo Werkstatt off ensichtlich dass eine Reparatur ansteht Eine Reparatur ist ein willkommener Anlass um bei der Fehlersuche uumlber das Ganze nachzudenken was wiederum der Verbesserung der Innovationen dient und vielleicht auch zur Entde-ckung neuer Werkzeuge fuumlhrt

In entwickelten Werkstaumltten gibt es Personalentwicklung Netzwerke und den Auf-bau von Nebenstellen Die konsequenteste Form einer Werkstatt ist das Labor Labor ist eine Abkuumlrzung von Laboratorium Und im Laboratorium wird praktisch gearbei-tet und theoretisch refl ektiert werden Experimente durchgefuumlhrt und die Ergebnisse evaluiert Der Blick aufs Labor macht noch einmal deutlich warum wir uns nicht mit der Beschaumlft igung mit Tools begnuumlgen sondern den Schulleitungen den Dreischritt

Hans-Guumlnter Rolff 58

von Prototypen lernenden Lehrerinnen und Lehrern und Werkstaumltten schmackhaft machen wollen weil es zeigt wie aus Transfer Transformation werden kann

3 Change Management als Vehikel

Change Management beginnt im Idealfall mit dem Entwurf einer Strategie (Ruumlegg-Stuumlrm amp Grant 2014) fuumlr die in erster Linie die Schulleitung zustaumlndig ist Sie traumlgt nicht nur die Letztverantwortung sie hat auch die Entscheidungskompetenz weshalb sie zu den Machtpromotoren gehoumlrt Machtpromotor sind auch die Schul-konferenz und die Behoumlrden Beide koumlnnen der Schule Vorgaben zur Unterrichtsent-wicklung machen z B vorschreiben wie sie mit den jaumlhrlichen Lernstandserhebun-gen umzugehen hat

Die Strategie sollte auf einer Bestandsanalyse basieren damit Prioritaumlten bestimmt und an bereits vorhandene Entwicklungen angeknuumlpft werden koumlnnen Sie muss auch Vorgaben der Behoumlrde undoder des Gesetzgebers beruumlcksichtigen Nicht zuletzt ist zu bedenken wie weit in Strategien auch Visionen eingehen bzw eingehen sollten wie sie z B im Leitbild der Schule enthalten sind oder aus den Diskussionen in den Fauml-chern oder auch (als Erziehungsideale) mit den Eltern entspringen

Wenn die Strategie festliegt z B Unterrichtsfeedback zu etablieren die mit einem Schuumller-Lehrer-Feedback beginnt und durch kollegiale Hospitationen fortgesetzt wird stellt sich die Frage der Konkretisierung und Realisierung

Fuumlr die Ausgestaltung der Strategie und deren projektfoumlrmige Umsetzung hat sich die Einrichtung einer Steuergruppe bewaumlhrt Die Steuergruppe die in diesem Fall als Unterrichtsentwicklungsgruppe arbeitet entwirft ein Konzept fuumlr die Realisierung der Strategie Dabei muumlssen alle Betroff enen und letztlich alle Kollegiumsmitglieder be-teiligt werden Die Schulleitung tut gut daran bei der Strategieentscheidung eng mit einer Steuergruppe zusammenzuarbeiten Sie sollte auch Mitglied der Steuergruppe sein aber nicht deren Vorsitzender (Rolff 2016a 2016b)

Dann muss eine Struktur gefunden bzw geschaff en werden die eine nachhaltige Realisierung ermoumlglicht Bei der Optimierung des bdquoallgemeinen Lernensldquo bieten sich dafuumlr Jahrgangs- oder Stufenkonferenzen an bei fachbezogener UE die Fachkonferen-zen (in Berufsschulen auch die Bildungsgangkonferenzen) Wenn Nachhaltigkeit er-zielt werden soll muumlssen die Sprecher bzw Vorsitzenden dieser Gremien zu bdquoMittle-ren Fuumlhrungskraumlft enldquo werden Neue Gremien einzurichten empfi ehlt sich nicht weil dadurch die bestehenden veroumlden wuumlrden und zudem Doppelstrukturen entstehen koumlnnten Entwicklungsperspektive fuumlr alle der genannten Gremien waumlren Professio-nelle Lerngemeinschaft en in denen Lehrer von Lehrern lernen z B wie Ziele ver-einbart werden welche bewaumlhrte Praxis in der Schule bereits besteht oder wie neue Formen des Unterrichts evaluiert werden koumlnnen Auch Coaching und ein regelmaumlszligi-ger Austausch uumlber die Feedbackpraxis gehoumlrt zur Arbeit von Professionellen Lernge-meinschaft en

Schlieszliglich spielt beim Change Management die kulturelle Komponente eine wich-tige Rolle geht es doch darum eine anspruchsvolle und entspannte Lernkultur zu

Transfer von Innovationen im Schulbereich 59

schaff en Es sollen auch nicht nur die ohnehin aktiven Mitglieder der Steuergruppe oder der genannten Gremien mitwirken sondern letztlich alle im Kollegium beteiligt werden ndash was meistens auch bedeutet mit Widerstand umzugehen Gelingt das z B in Form der Etablierung einer schulweiten Feedback- Hilfe- oder Fehlertoleranzkul-tur so entsteht nach und nach eine neue Lernkultur

Change Management arbeitet mit den genannten vier Komponenten Die Reihen-folge ist nicht vorgegeben Sie haumlngt von der Strategie ab Entscheidend ist dass alle vier Elemente des Change Managements im Spiel sind und bleiben und in einen plau-siblen d h prozesslogischen und ganzheitlichen Zusammenhang gebracht werden

4 Transfer durch Personen

Wenn schon Wissen Methoden und Materialien fuumlr anspruchsvolle Transfers nicht ausreichen dann muumlssen innovationserfahrene Personen welche die im Fokus ste-hende Innovation mitentwickelt haben mit den Innovationen sozusagen mitgehen und zwar im vollen Sinn des Worts Ohne Naumlhe uumlbertraumlgt sich wenig Es sollen ja nicht nur Wissen Konzepte Werkzeuge und Verfahren sondern auch Werte Haltun-gen und Uumlberzeugen transferiert werden Letztere werden von Personen verkoumlrpert Transfer von Prototypen ist auch Transfer von Erfahrungswissen dieses ist an Per-sonen gebunden Deshalb gehoumlrt es zu den intensivsten Formen des Transfers dass Prototypen von weiteren Einrichtungen bdquogeholtldquo werden die sie nicht entwickelt ha-ben Und wenn Personen von denen die Prototypen stammen mit den Prototypen bdquomitwandernldquo dann waumlchst auch die Wahrscheinlichkeit dass die bdquoNacherfi ndungenldquo durch die bdquofremdenldquo Organisationen gelingen

Die Stufen drei und vier des Transfers (Abb 1) beziehen sich auf intensiven Trans-fer mit Tiefgang Sie benoumltigen Personen die an der Entwicklung der Prototypen be-teiligt waren und zwar u a solchebull die innerhalb ihrer Schule in eine andere Fachgruppe oder andere Stufenkonferenz

wechseln oderbull die eine Woche lang mit einem Prototypen in eine andere Schule gehen oderbull die ein halbes Jahr in einer anderen Schule arbeiten oderbull als Schulleiterinnen und Schulleiter eine Schulleitung in einer anderen Schule be-

gleiten sie sozusagen doppeln und ihr Feedback geben (bdquoShadowingldquo)

Es sind weitere Formate denkbar In England wird bdquoTransfer durch Personenldquo bereits seit Laumlngerem praktiziert zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist er auch in Deutschland gang und gaumlbe Auch Schulen die einen Schulpreis gewonnen haben wie die Grundschule bdquoKleine Kielstraszligeldquo in Dortmund praktizieren Transfer durch Personen z B indem Konrektorinnen und Konrektoren dieser Schulen Rekto-ren in anderen Schulen werden und dort versuchen bewaumlhrte Innovationen nachzu-erfi nden In vielen Schulen riecht bdquoTransfer durch Personenldquo noch nach Uumlberforde-rung Das muss nicht zutreff en Transfer wird nicht als Belastung empfunden werden wenn das zu transferierende UE-Konzept bzw der Prototyp nuumltzlich notwendig und

Hans-Guumlnter Rolff 60

bedeutungsvoll ist Dann koumlnnte Transfer vielmehr Begeisterung wecken und Motiva-tion fuumlr Innovation schaff en

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Martin Heinrich und Gabriele Klewin

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquoZum Problem der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierung sowie den Chancen und Grenzen von Praxisforschung als Alternative oder Ergaumlnzung

Th us the evidence-based strategy seems to have come full circle originating from dissatisfaction with teacher-led school improvement it was looking for external instruments to direct and speed up change only to arrive at the insight that it cannot do without teachers who are more then just technicians of an applied technology but who are professionals (Altrichter amp Posch 2014 S 17)

1 Praxisforschung als Antwort auf Probleme des bdquoEvidenz-Transfersldquo

Der eingangs zitierte Passus von Altrichter und Posch dokumentiert unseres Erach-tens sehr klar und pointiert die Entwicklungsgeschichte des bdquoKonzepts der Evidenzba-sierungldquo1 bzw der bdquoevidenzbasierte[n] Politikgestaltungldquo (Bieber Martens Niemann amp Windzio 2014 S 44) also der bdquoEvidenzbasierten Steuerungldquo bzw der so genann-ten bdquoevidence-based-policyldquo (Heinrich 2010) in den letzten Jahren Angefangen von der Frustration uumlber mangelnde Wissenschaft sbasiertheit lokaler Schulentwicklungs-prozesse uumlber die Hoff nungen einer Evidenzbasierung durch das Wissenschaft ssystem bis hin zur erneuten Frustration der mangelnden Adaptivitaumlt des Praxissystems gegen-uumlber den Angeboten aus der Wissenschaft

Die Geschichte des EMSE-Netzwerks laumlsst sich gleichsam als parallele Dokumenta-tion dieser bdquoKurzgeschichteldquo des Programms der Evidenzbasierten Steuerung von Alt-richter und Posch lesen Ausgehend von den Innovationen im Wissenschaft sbereich die durch die Large-Scale-Assessments und die Vergleichsarbeiten die Hoff nung ga-ben empiriegestuumltzte Schulentwicklung nunmehr systematisch betreiben zu koumlnnen gruumlndete sich das Netzwerk um auch in der Bildungsadministration den Landesins-tituten und den sich in den folgenden Jahren ausdiff erenzierenden Referaten fuumlr Qua-litaumltssicherung in den Ministerien bzw den Qualitaumltsagenturen sich selbst zu profes-

1 Beelmann (2014 S 62) defi niert das Konzept der Evidenzbasierung dabei wie folgt bdquoMit die-sem Konzept wird der Anspruch formuliert professionelle Handlungsstrategien und -empfeh-lungen auf gepruumlft es Wissen aus empirischen Untersuchungen zu stuumltzenldquo

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 62

sionalisieren und um diesen Prozess voranzutreiben Diese Professionalisierung im Rahmen des EMSE-Netzwerks war dahingehend erfolgreich dass es uumlber Jahre hinweg bis heute mithilfe von Tagungen und Diskussionen gelang diesen Grundgedanken vo-ranzutreiben Zugleich wurden im Netzwerk indessen die Stimmen lauter die auf die Rezeptionsproblematik der Evidenzen fuumlr eine datengestuumltzte Schulentwicklung ver-wiesen (bereits Positionspapier zu den bdquoZentrale[n] standardisierte[n] Lernstandser-hebungenldquo Dobbelstein Peek amp Steff ens 2008) Auch die aktuelle Problemskizze zum bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschungldquo die auf der 22 EMSE-Tagung 2016 im Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichi-schen Schulwesens (BIFIE) in Salzburg diskutiert und deren Th ematiken in Form von Vortraumlgen ausdiff erenziert behandelt wurden (die Dokumentation der Problemskizze und der Tagungsbeitraumlge im vorliegenden Band) thematisiert die mangelnde Rezep-tion von Forschungsergebnissen der empirischen Bildungsforschung

Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Forschungsbefunde vorliegen die Anregungen fuumlr eine Beruumlcksichtigung in der Praxis auf der System- Schul- und Unterrichtsebene liefern so faumlllt gleichzeitig auf dass sie kaum einen praktischen Niederschlag erfahren haben [hellip] Die paumldagogische Praxis scheint sich entweder nachhaltig gegenuumlber diesem Programm der Evidenz-basierung zu sperren (Heinrich 2015c) oder die Befunde nur halbherzig auf-zugreifen (Th iel et al 2013) (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 S 2)

Folgt man nun Pant (2014 S 80) der sowohl als Zielbestimmung Evidenzbasierte Steuerung formuliert

Im Kern geht es darum ob und wie es gelingt Evidenz hinsichtlich der Wirksamkeit paumldagogischer und bildungspolitischer Maszlignahmen zur Ver-fuumlgung zu stellen um diese in datengestuumltzte Entwicklungskreislaumlufe der Unterrichts- Schul- und Bildungsqualitaumlt einspeisen zu koumlnnen

als auch reklamiertJede evidenzbasierte Entscheidung fuumlr eine bestimmte Maszlignahme muss ih-rerseits auf ihre Eff ekte hin uumlberpruumlft werden und das Evaluationsergebnis in den Entwicklungskreislauf einfl ieszligen (ebda)

so bedarf es einer kritischen Bewertung des Programms der Evidenzbasierung da der avisierte bdquoZusammenhang zwischen evidenzbasierter Bildungspolitik sowie Bildungs-praxis und der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Oumlff entlichkeitldquo (Bromme amp Prenzel 2014 S 2) sich als problematisch erweist

Folgt man hierbei der eingangs zitierten Diagnose von Altrichter und Posch so besteht ein wesentliches Merkmal des Transferproblems in der mangelnden Beruumlck-sichtigung der Konstitutionsbedingungen der Lehrerschaft als Profession und in ihren eigenen Handlungslogiken im Vergleich zur Forschungslogik der Wissenschaft und ihren Vorstellungen von bdquoEvidenzenldquo

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 63

Vor dem Hintergrund dieser Defi zitdiagnose ist es dann nur folgerichtig wenn Altrichter und Posch die Aktionsforschung als moumlgliche Antwort auf dieses Prob-lem der mangelnden Beruumlcksichtigung der Profession anbieten bdquoAction research has something to off er when it comes to supporting active and refl ective teachingldquo (Alt-richter amp Posch 2014 S 23) Und auch in der EMSE-Problemskizze wird neben dem geforderten Wissenschaft s-Praxis-Dialog der Entwicklung und Bereitstellung von Praxistheorien sowie der Option von Begleitforschung explizit auch Praxisforschung (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016im vorliegenden Band) als eine moumlgliche Strategie zur Bewaumlltigung des Problems der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierten Steuerung genannt

Im Folgenden moumlchten wir den im EMSE-Papier nur skizzenhaft dargestellten und damit eher programmatisch reklamierten Anspruch dass Praxisforschung hier eine plausible Alternative bieten koumlnnte bzw eine hochfunktionale Ergaumlnzung des Pro-gramms der Evidenzbasierten Steuerung sein koumlnnte etwas ausdiff erenzierter ent-falten (Kap 3) Bevor dies allerdings geschehen kann sollen zunaumlchst einige Prob-lemlagen beschrieben werden die sich bereits immanent aus dem Programm der Evidenzbasierten Steuerung ergeben (Kap 2) In einem Fazit (Kap 4) versuchen wir dann ein vorlaumlufi ges Resuumlmee zur aus unserer Sicht sehr komplexen Gemengelage vorzunehmen Doch zunaumlchst zum Problemgehalt der sich bereits jenseits der Fra-ge nach der Professionssensibilitaumlt schon durch immanente Spannungen bzw Wider-spruumlchlichkeiten des Programms der Evidenzbasierten Steuerung ergibt

2 Von den immanenten Widerspruumlchen des Programms der Evidenzbasierten Steuerung und dem Problem des Transfers von Evidenzen

Die Chancen fuumlr eine erfolgreiche bzw programmgetreue Implementierung eines Pro-gramms steigen mit der Eindeutigkeit dessen was in dem Programm verwirklicht werden soll Im vorliegenden Fall des Programms der Evidenzbasierten Steuerung bzw der sogenannten Evidence-Based Policy zeigt sich hier schon ganz zu Beginn der Refl exion dass schon der zentrale Begriff des Programms der Evidenzbegriff hoch-gradig problematisch bzw missverstaumlndlich ist Dies haumlngt nicht nur aber sicherlich zum Teil auch mit dem Umstand zusammen dass das Programm einen Import aus dem angloamerikanischen Sprachraum darstellt und hier in der Uumlbersetzung des Pro-gramms im wortwoumlrtlichen Sinn bereits das erste Problem entsteht

Im deutschen Sprachgebrauch sprechen wir von Evidenz wenn etwas augen-scheinlich ist Etwas gilt als evident wenn es nicht erklaumlrt oder begruumlndet werden muss sondern sich von selbst versteht [hellip] Der geaumluszligerte Gedanke ist ohne eine weitere Form der Begruumlndung plausibel und uumlberzeugend So-mit bricht etwas das als evident gilt einen argumentativ gestuumltzten Diskurs ab Es muss nichts weiter gesagt werden die Auseinandersetzung ist an ihr Ende gekommen (Jornitz 2008 S 206 f)

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 64

Paradoxerweise enthaumllt diese Idee von bdquoEvidenzldquo durchaus etwas Dogmatisches bzw Nichtdiskursives indem in dieser Evidenzvorstellung streng genommen kein Ver-handlungsspielraum mehr vorliegt da wissenschaft stheoretisch gesprochen beim Vor-liegen einer Evidenz alle weitere Diskussion sich eruumlbrigt da das Wesen des Evidenten ebengenau darin besteht dass es augenscheinlich so richtig ist dass es kaum noch de-mentiert werden kann ohne dass man hierbei selbst als irrational erscheinen wuumlrde

Dieses Missverstaumlndnis ergibt sich aber nur wenn man ndash wie es dann aber eben fuumlr deutsche Muttersprachlerinnen kaum anders moumlglich ist ndash die deutsche Semantik des Evidenzbegriff s unbewusst immer schon mitdenkt Demgegenuumlber gestaltet sich dieser Zusammenhang im angloamerikanischen Sprachraum einfacher

Das Englische unterscheidet zwischen self-evidence und evidence Als bdquoself-evidenceldquo wird das verstanden was im Deutschen als Evidenz gilt eine Off enbarung ohne weitere Legitimation sich selbst evident sein bdquoEvidenceldquo hingegen [hellip] kann jedes bdquoMittel der Bestaumltigung und Rechtfertigung einer Annahmeldquo sein auch alles bdquowas Grundlage einer Meinungldquo [hellip] ist [hellip] Diese im Deutschen und Englischen uumlber Kreuz gehenden Begriff sverstaumlnd-nisse erschweren die Klaumlrung dessen was mit einer evidenzbasierten Paumlda-gogik gemeint sein koumlnnte (Jornitz 2008 S 207)

Jornitz illustriert diesen Gedanken dann noch am Beispiel amerikanischer Spielfi lme innerhalb derer im Gerichtssaal die Zeugenaussage mit den Worten eingeleitet wird dass der Zeuge aufgefordert wird bdquoto give evidenceldquo damit das Gericht entlang die-ser Evidenzen sein Urteil faumlllen kann Wenn diesem Sprachgebrauch zufolge eviden-ce damit nun bdquojedes sbquoMittel der Bestaumltigung und Rechtfertigung einer Annahme sein kannldquo (s o) dann wird unmittelbar deutlich dass der angloamerikanische Evidenz-begriff sehr viel besser anschlussfaumlhig ist an unsere wissenschaft stheoretischen Vor-stellungen der prinzipiellen Unabgeschlossenheit der Suche nach Wahrheit der damit verbundenen Vorlaumlufi gkeit aller Forschungsergebnisse und der auch in vielen For-schungsdesigns eingelassenen Zuruumlckhaltung So etwa wenn sowohl in quantifi zieren-den Verfahren immer nur von Hypothesenpruumlfung im Popperrsquoschen Falsifi kationssin-ne ausgegangen wird und auch in rekonstruktiv-kasuistischen Verfahren man gerne den Begriff der bdquoFallstrukturhypotheseldquo verwendet d h dem auch sprachlich darin zum Ausdruck kommenden Wissen folgt dass die vorgelegte Untersuchung immer mit dem Problem der Vorlaumlufi gkeit und der Unabgeschlossenheit allen Wissens bzw aller Wahrheitssuche unterliegt Bromme Prenzel amp Jaumlger versuchen diese interkultu-relle Diff erenz wissenschaft shistorisch bzw wissenschaft ssystematisch aufzuheben

Die neueren Diskussionen uumlber Evidenzbasierung im Bildungsbereich wer-den von einem Evidenzbegriff gepraumlgt der dem naturwissenschaft lich-em-pirischen (und nicht dem geisteswissenschaft lich-hermeneutischen) Konzept entspricht (Bromme Prenzel amp Jaumlger 2014 S 6)

Die Konsequenz fuumlr das Begriff sverstaumlndnis ist allerdings aumlhnlich wie bei Jornitz der-zufolge ja evidence dann bdquojedes sbquoMittel der Bestaumltigung und Rechtfertigung einer An-nahmelsquo sein kannldquo (s o) denn Bromme Prenzel amp Jaumlger formulieren bdquoEvidenz im

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 65

naturwissenschaft lichen Sinn dient eher als Beleg denn als Beweis fuumlr Vermutungen oder Th eorienldquo (Bromme et al 2014 S 6)

Legt man diesen Evidenzbegriff zugrunde so wird deutlich dass alle die eine Evi-denzorientierung reklamieren damit erst recht in der Begruumlndungspfl icht stehen ihr abschlieszligendes Urteil zu legitimieren ndash aumlhnlich wie der Richter oder die Richterin im von Jornitz zitierten Beispiel

Die Behauptung der Evidenzorientierung erzeugt damit eine besondere Form der Legitimationsnotwendigkeit ja geradezu einen auf Kohaumlrenz zielenden Rechtferti-gungszwang Denn niemand wuumlrde das Urteil eines Richters oder einer Richterin ak-zeptieren wenn dieser oder diese nicht in irgendeiner Art und Weise plausibilisieren koumlnnte wie er oder sie von den Zeugenaussagen und den damit vorliegenden Eviden-zen zur verkuumlndeten Schlussfolgerung also dem abschlieszligenden Urteil gelangt Mit anderen Worten Evidenzen dieser Art schlieszligen nicht eine Diskussion ab ndash wie dies mit Blick auf den deutschen Evidenzbegriff der Fall waumlre ndash sondern bilden zuallererst den Anfang einer ausfuumlhrlichen Begruumlndungspfl icht

Ein Schluumlsselproblem besteht in der bdquoUumlbersetzungldquo von Befunden in Evi-denz Dies ist ein Prozess der Forschungssynthese der zugleich eine Bewer-tung der Belastbarkeit unterschiedlicher Arten von Forschungsergebnissen umfasst Wir sprechen also von evaluativer Forschungssynthese um hervor-zuheben dass es nicht bloszlig um eine Befundaggregation gehen kann Die Be-wertung von Forschungsergebnissen muss dann je nach bildungspolitischer Fragestellung und je nach Art des erzeugten Wissens unterschiedlich erfol-gen (Bromme et al 2014 S 18)

Allerdings zeigen bildungshistorische Studien dass solche Vorstellungen einer Evi-denzbasierung im oumlff entlichen Diskurs schon seit uumlber hundert Jahren auch im an-gloamerikanischen Sprachraum oft mals nicht diesem Begruumlndungszwang folgten sondern zur Mystifi zierung (Bellmann 2012) bzw bdquoTaylorisierungldquo (Waldow 2012) genutzt wurden und somit von Anfang an auch das amerikanische Programm einer evidence-based policy empirisch nie das hielt was es an Aufk laumlrung versprach (Bies-ta 2007 Heinrich 2018)

Hieraus ergeben sich weitreichende Problematiken fuumlr eine bdquoevidence-based po-licyldquo denn eine Politik die sich auf Evidenzen beruft muumlsste streng genommen die Plausibilitaumlt ihres Ruumlckgriff s auf die Evidenzen selbst leisten Mit anderen Worten Die Bildungspolitik und die Bildungsadministrationen muumlssten streng genommen die empirischen Untersuchungen nicht nur selbst verstehen koumlnnen sondern sie auch dem Volk bzw den Lehrkraumlft en die sie beauft ragen erklaumlren koumlnnen um aumlhnlich wie der Richter oder die Richterin ihre politische Entscheidung zu legitimieren

Das Gegenteil ist leider oft mals der Fall Die Evidenzen werden seitens der Bil-dungspolitik oft mals als Autoritaumltsargument der Wissenschaft genutzt gerade nicht um die Details der Untersuchung darzustellen ihre Grenzen zu refl ektieren und moumlg-liche Handlungskonsequenzen daraus abzuleiten sondern um die Frage nach der Le-gitimitaumlt ihrer politischen Entscheidung mit einem kurzen und buumlndigen Hinweis auf die wissenschaft liche Autoritaumlt zu beenden

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 66

Im Rahmen von bdquodata-driven reformsldquo sind Daten und Verfahren der Mes-sung des Monitorings und der Evaluation zentrale Modi einer hypertech-nokratischen Steuerung durch Information Erziehungswissenschaft und Bil-dungsforschung ruumlcken damit noch naumlher an die Bildungspolitik heran ja sie werden Teil eines sich etablierenden Systems der bdquoEvidenzproduktionldquo dessen eindeutige Zuordnung zur Politik oder zur Wissenschaft Schwierig-keiten bereitet (Bellmann 2015 S 46)

Mit dieser Delegation der Entscheidungsverantwortung der Bildungspolitik an die Bil-dungsforschung die damit zur politischen Wissenschaft wird (Bellmann 2015 Oel-kers 2015 Forster 2015) erzeugt diese Auslegung des Programms einer Evidenzba-sierung wie schon vor nunmehr fast zehn Jahren argumentiert systematisch nicht den zwanglosen Zwang zum besseren Argument im Sinne einer Habermasrsquoschen Dis-kursethik (Habermas 1991) innerhalb derer alle gleichberechtigt im herrschaft sfrei-en Diskurs ihre Position vertreten koumlnnen sondern die Wissenschaft reklamiert ein Praumlrogativ der Deutungshoheit gegenuumlber der Handlungslogik der Praxis und evoziert damit einen bdquoDiskursabbruchldquo

Das haumlngt durchaus mit einem methodologischen Problem zusammen Bil-dungsforschung hat sich in ihren Methoden so weit ausdiff erenziert dass Evidenz als das bdquoAugenscheinlicheldquo kaum noch anzutreff en ist Evidenz er-scheint demgegenuumlber im Medium von Forschungsdesigns immer nur noch als vielfach bdquovermittelteldquo Nicht einmal fuumlr die bdquoLogik des besseren Argu-mentsldquo ist die Urteilskraft des Common Sense noch ausreichend da fuumlr Bil-dungsforscherinnen ein Blick auf das Schaubild einer Pfadanalyse durchaus Dinge als bdquoevident per Augenscheinldquo werden lassen kann was sowohl fuumlr die Bildungspolitik als auch fuumlr Lehrerinnen und Lehrer in Schulen damit noch lange keine Evidenz hat (Heinrich 2010 S 52)

Folgerichtig ndash aber damit allerdings auch die politische Schlagkraft des eigenen Pro-gramms torpedierend ndash formulieren Bromme Prenzel amp Jaumlger bdquoIm Zentrum steht die Frage wie die Rezeption von Befunden der empirischen Bildungsforschung und ihre Uumlbersetzung in Evidenz verbessert werden koumlnnenldquo (Bromme et al 2014 S 5) bdquoEvi-denceldquo ist damit eben nicht mehr bdquoself-evidenceldquo sondern muss erst in diese bdquouumlber-setztldquo werden2

Die Uumlbersetzungsbemuumlhungen bzw Versuche der kommunikativen Vermittlung zeigen sich exemplarisch am Beispiel der Schulinspektion (Heinrich 2015b 2015c 2018) indem aumlltere Begriffl ichkeiten wie bdquodatenbasiertldquo oder bdquodatenorientiertldquo oder gar bdquodatengetriebenldquo ersetzt werden durch Termini wie bdquoDeutungsangebotldquo Diedrich

2 Unberuumlcksichtigt bleibt bei dieser Darstellung zunaumlchst dass Bildungspolitik natuumlrlich oft mals auch sehr selektiv auf empirische Studien zuruumlckgreift je nachdem inwiefern die Befunde dem politischen Kalkuumll folgen Bellmann (2015) hat in diesem Zusammenhang auf die Proble-matik verwiesen dass die Bildungspolitik droht ihre Eigenstaumlndigkeit zu verlieren d h ihrem proprium zu folgen politische Entscheidungen selbst zu treff en wenn sie tatsaumlchlich ihre ei-gene Entscheidungsautonomie an die empirische Wissenschaft abgeben wuumlrde Die empirische Bildungsforschung wuumlrde dann naumlmlich zum Politikersatz (Forster 2015)

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 67

(2015 S 432) spricht von einer bdquoWendung Vom Objektivitaumltsanspruch zum Deutungs-angebotldquo

Uumlbertraumlgt man dieses Ergebnis der Begriff sklaumlrung nunmehr auf den Gedan-ken des Transfers von Evidenzen ergibt sich damit eine bdquoSchnittstellenproblematikldquo (Heinrich 2011) Diese wird allerdings seit der bdquoempirischen Wendeldquo (Lange 2008) in der Bildungsforschung zwar gesehen und als Herausforderung benannt (Heinrich 2016a 2016b Herzog 2012) was aber nicht zu einer grundsaumltzlichen Einsicht in die Fraglichkeit des Programms fuumlhrt (Bromme amp Prenzel 2014) Vielmehr wird dieses ndash auch in seinen Implementierungsproblematiken ndash immer diff erenzierter beschrieben (Bieber et al 2014) zugleich aber nur in den seltensten Faumlllen radikaler infrage ge-stellt (Boumlttcher 2013)

So raumlumt auch Tenorth (2015 S 276) ein dass die derzeitige Misserfolgswahrneh-mung Resultat bdquouumlberzogener Versprechenldquo sei wie bspw der bdquoAmbition Lehrplaumlne oder andere Programme wissenschaft sbasiert defi nitiv ableiten und professionsbasiert vielleicht sogar professionsresistent realisieren zu koumlnnenldquo (Tenorth 2015 S 276) Zu-gleich aber off enbare die Kritik an der Politisierung der Wissenschaft en dass sich ein

Wandel im Bewusstsein von Politik und Wissenschaft ereignet hat und zu-gleich dass das relevante Publikum von Bildungsforschung nicht mehr nur das paumldagogische Milieu und die eigene Profession ist sondern die mit Poli-tik und Administration und einer breiten Oumlff entlichkeit eingeschlossen Wirtschaft und Gewerkschaft en gegebenen Referenzen im Bildungssystem (Tenorth 2015 S 268)

Durch die Dominanz dieser anderen gesellschaft lichen Instanzen wird die bildungs-politische und mediale Aufl adung des Programms so groszlig dass der Druck auf die Profession der Lehrkraumlft e steigt und in der Argumentation die mangelnde Sensibilitaumlt fuumlr die paumldagogische Handlungslogik vor Ort also die fuumlr die Implementierung not-wendige Professionssensibilitaumlt wie sie Altrichter und Posch reklamieren im Kampf um Deutungshoheit der evidenzbasierten Steuerung an Bedeutung verliert In den Zeiten vor der bdquoempirischen Wendeldquo (Lange 2008) d h vor dieser bildungspoliti-schen und medialen Aufl adung des Programms der Evidenzbasierten Steuerung wur-de der Hiatus zwischen Forschungswissen und Professionswissen auch von Tenorth noch viel schaumlrfer betont

[hellip] dass sich Professionswissen und Forschungswissen trotz mancher for-maler Aumlhnlichkeit nicht aufeinander reduzieren und ebenso nur nach ihrer eigenen Logik verbessern lassen [hellip] Die Profession lernt nur aus der pro-fessionellen Praxis die Forschung lernt nur aus Forschungsprozessen bei-de lernen jedenfalls nicht bdquounmittelbarldquo vom anderen und auch nicht da-durch dass sie ihren jeweiligen Funktionsprimat suspendieren (Tenorth 1990 S 93)

Im Sinne Altrichters und Poschs moumlchten wir im Folgenden pruumlfen inwiefern sowohl dem bdquospaumlten Tenorthldquo (2015) als auch dem bdquofruumlhen Tenorthldquo (1990) zu widersprechen sei indem sowohl gilt dass das Programm der Evidenzbasierten Steuerung die paumlda-

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 68

gogischen Normative der Praxis nicht vergessen darf (Heinrich 2015a als Kommen-tierung von Tenorth 2015) d h professionssensibler werden muss als auch infrage steht ob es nicht doch eine Moumlglichkeit gaumlbe dass Profession und Forschung bdquounmit-telbarldquo (s o) voneinander lernen ndash naumlmlich im Modus der Praxisforschung (Kap 3) oder daran angelehnten neuen Formen der bdquoBildungsforschungldquo (Kap 4)

3 Zum Begriff der Praxisforschung und ihren Moumlglichkeiten und Grenzen fuumlr Transfer von Forschungswissen

Bevor die Moumlglichkeiten von Praxisforschung fuumlr Transferprozesse erlaumlutert werden gilt es kurz die Begriffl ichkeiten zu klaumlren Denn bereits in der Einleitung wurden zwei unterschiedliche Begriff e fuumlr die hier im Zentrum stehende Forschung genutzt Aktions- bzw Praxisforschung und es lassen sich weitere wie Handlungsforschung Teacher Research oder Lehrerforschung fi nden Trotz jeweils anderer Akzentuierung koumlnnen dennoch alle Ansaumltze Altrichter und Feindt (2004 S 84) folgend als eine bdquoFa-milieldquo angesehen werden Charakterisiert ist Praxisforschung der in diesem Kontext bevorzugte Begriff dadurch dass die Forschung in den Haumlnden der Praktikerinnen liegt Im vorliegenden Fall in den Haumlnden der Lehrkraumlft e Konkret bedeutet dies die Forschungsfragen sind solche der eigenen schulischen Praxis und das Ziel ist die Ver-aumlnderung besser die Verbesserung derselben (Tillmann 2007 Meyer 2010 Klewin Textor amp Schumacher 2016) Und auch fuumlr die Durchfuumlhrung sind die Lehrkraumlft e ver-antwortlich wobei sie in den meisten Projekten in unterschiedlichem Umfang von Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern unterstuumltzt werden bzw dauerhaft mit ih-nen kooperieren (Fichten amp Meyer 2009 Posch Rauch amp Mayr 2009 Hahn Heinrich amp Klewin 2014) In der Regel sind die Projekte kleinraumlumig angelegt und liefern loka-les Wissen Haumlufi g sind nicht ausschlieszliglich Forschungserkenntnisse das Ziel sondern auch konkrete Materialien fuumlr den Unterricht oder Konzepte fuumlr die jeweilige Einzel-schule

Dass diese systematische Auseinandersetzung mit einem Th ema die ebenfalls in einem gewissen Umfang die theoretische Aufarbeitung des Th emas einschlieszligt zu einer individuellen Professionalisierung der Beteiligten fuumlhrt wie Muumlller Andreitz und Mayr (2010) in ihrer Untersuchung festgestellt haben scheint auf den ersten Blick wenig uumlberraschend Transfer eruumlbrigt sich hier gleichsam dadurch dass der Ort der Wissensproduktion und die Erkenntniserweiterung die gleichen sind der Praxisfor-scher bzw die Praxisforscherin Im Sinne einer solchen Professionalisierung im und durch das eigene forschende Tun waumlre der Transfer dann automatisch immer schon gelungen zugleich aber auch nicht bdquotransferierbarldquo da notwendig gebunden an die jeweiligen Forscherinnen und ihre Erkenntnisgenerierungsprozesse selbst Es gaumlbe dann auf den ersten Blick nur die Alternative entweder alle auf Veraumlnderung des Sys-tems zielende Forschung als Praxisforschung zu konzipieren oder alternativ ande-re Formen des bdquoTransfers der nichttransferierbaren Forschungserfahrungldquo zu denken Gelaumlnge dies koumlnnte Praxisforschung eventuell genau die Aspekte von Professionalitaumlt foumlrdern die auch fuumlr das Gelingen der bisherigen Strategien notwendig waumlren

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 69

Obwohl Praxisforschung eine lange Tradition hat (Rauch Zehetmeier amp Erlacher 2014) liegen leider fuumlr den deutschsprachigen Raum nur wenige Untersuchungen zu den Eff ekten von Praxisforschung vor Die vorliegenden bestaumltigten die Ergebnisse von Muumlller et al bezogen auf die individuelle Ebene der Lehrkraumlft e (Fichten amp Mey-er 2006 Hollenbach amp Klewin 2008 Zehetmeier 2010) Vereinzelte Hinweise gibt es auch dafuumlr dass innerhalb der Schule der Praxisforschungsakteure ein interner Trans-fer stattfi ndet (Fichten 2014)

Da es bislang zu wenig empirisch gesicherte Ergebnisse fuumlr eine generalisierba-re Wirksamkeitsbehauptung im Sinne einer universalisierbaren indikatorengestuumltzten Outputevalution gibt moumlchten wir uns zunaumlchst der konzeptionellen Ebene zuwen-den um im Sinne einer theoretisch-praktischen Inputevaluation zu uumlberlegen welche Konzeption von Praxisforschung und welche Bedingungen dafuumlr existieren muumlssten um eine Wirksamkeit von Praxisforschung wahrscheinlich zu machen

Wie oben bereits beschrieben sind bdquoProdukteldquo von Praxisforschung nicht auf For-schungsergebnisse beschraumlnkt sondern koumlnnen auch Unterrichtsmaterialien Kurs-konzepte schulweite Maszlignahmen u a umfassen die als Innovationen innerhalb der Schulpraxis aufgefasst werden koumlnnen Hinsichtlich des Transfers ist zwischen beiden bdquoProduktenldquo zu unterscheiden Vielleicht liegt hier ein entscheidender Vorteil von Pra-xisforschung gegenuumlber der aktuell-dominanten Form empirischer Bildungsforschung in der Tatsache dass Forschung nicht bei den Forschungsergebnissen stehen bleibt sondern diese in Maszlignahmen umsetzt die bereits die erste Praxispruumlfung im Entste-hen hinter sich haben Demgegenuumlber bleiben Projekte der empirischen Bildungsfor-schung entweder oft mals Formen der Operationalisierung fuumlr die paumldagogische Pra-xis schuldig oder es mangelt ihnen bspw im Falle von Interventionsstudien angesichts der Spezifi k der Treatments und der Laborsituationen an oumlkologischer Validitaumlt

Um dies zu untermauern sollen allgemeine Kriterien fuumlr gelingenden Transfer von Innovationen angelegt werden an Innovationen die im Rahmen von Praxisforschung entstanden sind Wir beziehen uns dabei auf die Erarbeitung und Zusammenstellung von Koch (2011 und 2016) Einschraumlnkend muss gesagt werden dass wir uns hier auf einen Ausschnitt des gesamten Transferprozesses beziehen auf den Entstehungskon-text der Rezeptionskontext wird in weiten Teilen ausgeblendet (ebd) Demnach ist eine Innovation dann transferfaumlhig wenn sie auf einen wirklichen bdquoinnerschulischen Bedarf ldquo trifft und in der Lage ist ein bdquoKonzept zur Bearbeitung eines Problemsldquo zu bieten sowie bdquoan Bestehendes anknuumlpfb arldquo ist und bdquopassgenau mit Blick auf Zielgrup-peldquo konstruiert ist bdquoImplementationshinweiseldquo auff uumlhrt und bdquodokumentiertldquo (Koch 2016 vgl auch Hahn Klewin Koch Kuhnen Palowski amp Stiller in diesem Band)

Fuumlr den internen Transfer innerhalb der Schule in der eine Praxisforschungsgrup-pe arbeitet lassen sich die meisten dieser Kriterien recht gut mit den Merkmalen von Praxisforschung uumlbereinbringen So bedingen die Entstehung der Forschungsfragen aus der Praxis und das Ziel die Praxis zu verbessern dass ein bdquoinnerschulischer Be-darf ldquo gegeben ist und das zugrundeliegende Problem bearbeitet wird Auch die Krite-rien bdquoan Bestehendes anknuumlpfb arldquo und bdquopassgenau mit Blick auf Zielgruppeldquo ergeben sich sehr wahrscheinlich aus der Kenntnis des eigenen schulischen Kontextes der Pra-xisforschungsgruppe Das Kriterium der Dokumentation laumlsst sich aus den Kennzei-

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 70

chen von Praxisforschung ebenso wie das der Implementationshinweise nicht beant-worten Aus der Kenntnis einiger Praxisforschungsprojekte (Fichten amp Meyer 2009 Posch Rauch amp Mayr 2009 Hahn Heinrich amp Klewin 2014) laumlsst sich sagen dass dies Bestandteil der Arbeit ist haumlufi g in Form von Forschungsberichten Inwieweit diese Dokumentation so weit ausgebaut wird dass sie eine Grundlage fuumlr die Uumlber-nahme der Innovationen durch andere Lehrkraumlft e der Schule ist kann derzeit noch nicht beurteilt werden waumlre aber Aufgabe einer Implementationsforschung bzw Transferforschung im Rahmen von Praxisforschung Die Frage der bdquoImplementations-hinweiseldquo stellt sich dann nicht wenn die Praxisforschungsgruppe ihre Innovation selbst in die Schulentwicklung einfuumlhrt waumlre jedoch noumltig wenn auch unabhaumlngig da-von die Innovation genutzt werden soll

Vor der Problematisierung der Frage wie die Kriterien im Hinblick auf externen Transfer zu beurteilen sind soll noch die Transferwuumlrdigkeit betrachtet werden Hier-fuumlr ist die Einbeziehung von aktuellen theoretischen Grundlagen und Forschungs-ergebnissen gefordert (Koch 2016) was zwar nicht im selben breiten Umfang wie in rein universitaumlren Forschungsprojekten gegeben ist aber auch mit Blick auf die Merk-male von Praxisforschung Bestandteil ist

Der Rekurs auf bdquoRegelforschungldquo kann allerdings hierbei nicht als alleiniges Argu-ment fuumlr Transferwuumlrdigkeit gelten da Praxisforschung ja ndash aus den Problemlagen der alltaumlglichen Praxis folgend ndash oft mals bdquoandere Problemeldquo und diese dann zudem noch bdquoandersldquo erforscht und damit eine Dignitaumlt der Praxis vor aller Th eorie (und empiri-schen Bildungsforschung) reklamieren kann Insofern darf bei der Frage der Transfer-wuumlrdigkeit nicht die Gefahr einer Pfadabhaumlngigkeit uumlbersehen werden wenn hierbei die Regelforschung als alleiniger Maszligstab genommen wird Ansonsten ginge das In-novationsmoment der Praxisnaumlhe hierbei gegebenenfalls verloren

Hier erweist sich auch fuumlr die Transferfrage der typischerweise in der Bildungs-forschung formulierte Anspruch die entwickelten Maszlignahmen muumlssten ihre Wirk-samkeit durch Studien belegen die dem bdquoGoldstandardldquo der Wirkungsforschung ge-nuumlgen (kritisch dazu Wolff 2016) als problematisch Denn der hierbei formulierte Anspruch des bdquoGoldstandardsldquo ist selbst eine ideologische Formulierung ndash zumindest dann wenn man davon ausgeht dass das bdquoGoldeneldquo hier als das edelste Metall gilt Denn spaumltestens seit dem paradigmatischen Crash durch die viel zitierte Replikati-onsstudie (Open Science Collaboration 2015) die in der Psychologie weit reichende Konsequenzen hatte (Deutsche Gesellschaft fuumlr Psychologie 2015) muumlsste insbeson-dere im Kontext der empirischen Bildungsforschung deutlich sein dass es kaum Stu-dien geben wird die ndash uumlber den so genannten Goldstandard der Randomized Control Trials hinaus ndash empirisch auch die hohe Reliabilitaumlt von in der Breite implementierten Programmen und damit auch deren oumlkologische Validitaumlt belegen koumlnnten Uns ist zumindest keine Untersuchung bekannt die anhand einer statistisch hinreichend gro-szligen Stichprobe zeigen koumlnnte wie ein unter bdquoGoldstandardsldquo entwickeltes Treatment in der Flaumlche des Schulsystems reliable und oumlkologisch valide Eff ekte haumltte Hier ist allerdings zugutezuhalten dass die Forschungsfoumlrderung bislang auch keine Formate vorsieht solche Untersuchungen zu fi nanzieren sondern sich zumeist mit dem in La-borsituationen gewaumlhrleisteten bdquoGoldstandardldquo zufrieden gibt waumlhrend fuumlr den Trans-

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 71

fer im Sinne eines Programms der Evidenzbasierten Steuerung eigentlich ein bdquoPlatin-standardldquo der auch Reliabilitaumlt und oumlkologische Validitaumlt in der Flaumlche garantieren kann notwendig waumlre

Aus der Sicht von Praxisforschung waumlre dann allerdings selbst am Platinstandard problematisch dass Maszlignahmen die so konzipiert und evaluiert waumlren in der Re-gel eine genaue Befolgung des Programms also Programmtreue erfordern die dem Anspruch der an die Zielgruppe angepassten spezifi schen Loumlsung widerspricht und bei den meisten Lehrkraumlft en auf ebenjenen Widerstand stoszligen wuumlrde den Altrichter und Posch eingangs beschrieben hatten Jenseits der Tatsache also dass die Praxisfor-schung selbst den Platinstandard nicht erreichen koumlnnte waumlre dieser gemaumlszlig der in ihr vertretenen bdquoTransferlogikldquo noch defi zitaumlr da die Notwendigkeit zur lokalen Adaption der Evidenzen noch nicht hinreichend beruumlcksichtigt waumlre

Bislang wurde daher ja argumentiert dass gerade Innovationen die durch Pra-xisforschung entstanden sind gut fuumlr den internen Transfer geeignet sind Die Fra-ge des externen Transfers blieb damit allerdings ausgespart Auch hierfuumlr liegen so gut wie keine Studien vor Werden Konzepte deshalb besser angenommen weil sie praxis-naumlher entwickelt wurden Und sollte das zutreff en werden sie besser angenommen weil die Qualitaumlt fuumlr die Uumlbertragung in andere Schulen besser gegeben ist oder weil sie durch den Entstehungskontext den Stallgeruch bdquoSchuleldquo haben und nicht den der bdquoUniversitaumltldquo

Sollten die Vorteile die Innovationen von Praxisforschung in Bezug auf inter-nen Transfer haben sich nicht auf den externen Transfer uumlbertragen lassen hieszlige das dann bdquoPraxisforschung fuumlr alleldquo Zumindest fuumlr Letzteres lassen sich Alternati-ven fi nden So etwa die fruumlhere Bremer Schulbegleitforschung in der Lehrkraumlft e aus verschiedenen Schulen gemeinsam an einem Praxisforschungsprojekt gearbeitet ha-ben und so eine groumlszligere Breite erreicht werden konnte (Senatorin fuumlr Bildung 2007) Oder auch das oumlsterreichische Projekt bdquoInnovationen machen Schulen TOPldquo (IMST 2018) in dem uumlber Netzwerke eine groumlszligere Beteiligung erreicht wird

4 Ausblick

Wir hoff en dass wir mit den vorangegangenen Ausfuumlhrungen zeigen konnten dass sowohl das Programm der Evidenzbasierten Steuerung bislang die Transferfrage noch nicht befriedigend beantworten konnte und es daher der Suche nach Alternativen be-darf zugleich aber auch das im Zentrum dieses Beitrags stehende Alternativangebot der Praxisforschung immanente Beschraumlnkungen in sich traumlgt

Haumllt man allerdings an der Idee einer wie auch immer gearteten kollaborati-ven Praxis von Forscherinnen und Forschern einerseits und Praktikerinnen und Praktikern andererseits fest stellt sich die Frage inwiefern sich nicht aus den Pro-blembestimmungen der beiden Alternativen d h der klassischen empirischen Bil-dungsforschung mit Goldstandard und der Praxisforschung Hinweise fuumlr eine pro-fessionssensiblere und damit besser auf den Transfer ausgerichtete Bildungsforschung

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 72

ableiten lassen So etwa die Notwendigkeit der lokalen Adaptivitaumlt der ggf durch Netzwerke Professioneller besser Rechnung getragen werden kann

Im Folgenden moumlchten wir andeuten dass wir hier derzeit erste Schritte in die Richtung einer staumlrkeren Verschraumlnkung der beiden Traditionslinien der empiri-schen Bildungsforschung und der Praxisforschung gehen so etwa wenn wir in zwei BMBF-Forschungsprojekten zum Th emenbereich der schulischen Inklusion klassische empirische Bildungsforschung mit Unterstuumltzung von Lehrerforscherinnen und -for-schern durch Praxisadaption kombinieren

So werden in einem BMBF-Verbundprojekt der Universitaumlten Bielefeld Flensburg Frankfurt am Main und Siegen zur bdquoProfessionalisierung durch Fallarbeit fuumlr die in-klusive Schule (ProFiS)ldquo (FKZ 01NV1702A-D) zunaumlchst in Form klassischer rekons-truktiver Bildungsforschung (Heinrich amp Wernet 2018) kasuistische Fallstudien be-trieben die dann in Kooperation mit Lehrerforscherinnen und Lehrerforschern des Oberstufen-Kollegs an der Universitaumlt Bielefeld in ein bdquoFortbildungskonzept zur Rol-lenklaumlrung paumldagogischer Akteure durch Fallarbeit anhand governanceanalytischer Rekonstruktionen zur neuen Akteurskonstellation durch Schulbegleitungldquo uumlberfuumlhrt werden sodass hier die Expertise von Lehrerforscherinnen und Lehrerforschern ge-nutzt werden kann um die Adaption der Befunde der Forschungsprojekte fuumlr Lehrer-fortbildungen (und damit fuumlr den Transfer) sicherzustellen

Vergleichbares gilt fuumlr das BMBF-Verbundvorhaben bdquoRefl exion Leistung amp Inklu-sion (Re-L_ink)ldquo (FKZ 01NV171 OC) in dem zunaumlchst in einem methodentriangula-tiven Design durch Forscherteams an den Universitaumlten Frankfurt am Main und Han-nover Schulfallstudien zu bdquoQualifi zierungserfordernissen fuumlr einen refl exiven Umgang mit Leistung in der inklusiven Sekundarstufeldquo erstellt werden um dann im letzten Drittel der Projektlaufzeit erneut in Kooperation mit Lehrerforscherinnen und Leh-rerforschern des Oberstufen-Kollegs an der Universitaumlt Bielefeld diese Befunde in ein bdquoFortbildungskonzeptldquo zu uumlberfuumlhren das wiederum evaluiert wird sowie in die Kon-zeption einer schulinternen Lehrerfortbildung (SchiLF) Auch hier ist die Hoff nung dass es durch die Integration der Expertise der Lehrerforscherinnen in das For-schungsteam gelingt entgegen dem Tenortrsquoschen Verdikt (s o) Forscherinnen sowie Lehrkraumlft e unmittelbar voneinander lernen zu lassen um vermittelt hieruumlber wieder-um Fortbildungskonzepte zu etablieren die dann weniger widerstaumlndig von der paumlda-gogischen Praxis uumlbernommen werden koumlnnen

Waumlhrend in den beiden vorangegangenen Modellen die Kollaboration von For-schung und Praxis durch spezifi zierte Formen der Zusammenarbeit gelingen soll die besser transferierbare Produkte erzeugt so ereignet sich derzeit in Deutschland ndash in dieser Hinsicht kaum bemerkt ndash ein bundesweiter Sonderfall der Th eorie-Praxis-In-tegration Denn im Kontext der im Rahmen der gemeinsamen Qualitaumltsoff ensive von Bund und Laumlndern aus Mitteln des Bundesministeriums mit uumlber 500 Millionen euro Foumlrderung stattfi ndenden Projekte sind die Hochschulangehoumlrigen in ihrer Doppelrol-le gefragt naumlmlich einerseits Forscherinnen zu sein andererseits aber zugleich auch die Praktikerinnen der Hochschullehre Mit anderen Worten Durch diese Doppel-rolle erforschen sich derzeit in Deutschland Hochschullehrerinnen selbst ndash zumeist ohne diese besondere Form der Th eorie-Praxis-Vermittlung zu refl ektieren Dies geraumlt

Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 73

erst langsam ins Bewusstsein (Heinrich Wolfswinkler van Ackeren Bremm amp Stre-blow o J)

In dem Projekt der Qualitaumltsoff ensive Lehrerbildung von Bund und Laumlndern am Universitaumltsstandort Bielefeld bdquoBiprofessional ndash Bielefelder Lehrerbildung praxisorien-tiert ndash forschungsbasiert ndash inklusionssensibelldquo (FKZ 01JA1608) haben wir dement-sprechend konsequent das Forschungs- und Entwicklungsmodell das an der Wissen-schaft lichen Einrichtung fuumlr die Versuchsschule des Landes NRW bdquoOberstufen-Kollegldquo in derzeit 9 Forschungs- und Entwicklungsprojekten (FuE-Projekte) mit 10 wissen-schaft lichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 52 Lehrerforscherinnen und -for-schern realisiert wird auf 24 FuE-Projekte uumlbertragen indem nunmehr in der Zusam-menarbeit von uumlber 70 beteiligten bdquoHochschullehrerforscherinnen und -forschernldquo die Lehrerbildung am Universitaumltsstandort Bielefeld weiter entwickelt werden soll Streng genommen koumlnnte man sagen dass dieses Projekt erstmals empirisch erprobt wie das bdquoLehrerforscherinnenmodellldquo der beiden Bielefelder Versuchsschulen Laborschu-le und Oberstufen-Kolleg nunmehr funktionieren kann wenn es uumlbertragen wird auf das Modell der bdquoHochschullehrerforschungHochschullehrerinnenforschungldquo

In diesem Kontext gilt zumindest dass das gaumlngige Problem der Lehrerforsche-rinnen naumlmlich nicht uumlber genuumlgend forschungsmethodische Expertise zu verfuumlgen nicht gegeben ist Zugleich ergeben sich aber hier vergleichbare Fragen wie in den Lehrerforscherinnen- und Lehrerforschermodellen bei denen der interne Transfer zur Diskussion steht wenn eben bei anderen Hochschullehrenden die eigene Forschungs-erfahrung am Gegenstand fehlt (Kap 3)

Hinzu kommt dass die Gefahr besteht dass die bdquoHochschullehrerforschungHoch-schullehrerinnenforschungldquo in der Praxis zu einer Abspaltung fuumlhrt Denn selbst Bromme Prenzel und Jaumlger raumlumen fuumlr die Forscherinnenperspektive ein

Unstrittig duumlrft e die Vorstellung sein dass die empirische Bildungsforschung auf Erkenntnisse zielt die sich kurz- oder laumlngerfristig als nuumltzlich erweisen Ob sich die Forscherinnen und Forscher jedoch zu groszligen Teilen explizit mit einer Zulieferungsrolle fuumlr evidenzbasierte Entscheidungen identifi zie-ren kann bezweifelt werden Im Vordergrund steht fuumlr viele eine epistemi-sche Orientierung Wenn die Erkenntnisse nuumltzliche Evidenz fuumlr Entschei-dungen beisteuern ist das erfreulich aber nicht das intrinsische Motiv fuumlr die Forschung (Bromme et al 2014 S 15)

Wenn aber das bdquointrinsische Motiv fuumlr die Forschungldquo (s o) nicht in dem Nutzen fuumlr die Praxis liegt dann wird angesichts des bdquobundesweiten Forschungsprogrammsldquo an fast fuumlnfzig Universitaumltsstandorten zur interessanten empirischen Frage welche Moti-ve die Hochschullehrenden mit der Erforschung ihrer eigenen Praxis verfolgen

Dieser Blick auf die Qualitaumltsoff ensive Lehrerbildung waumlre dann insofern sehr lehrreich als er zumindest zeigen sollte dass die typische Abwertung der Praktike-

Martin Heinrich und Gabriele Klewin 74

rinnen im Kontext der empirischen Bildungsforschung3 wenn diese die Transferan-gebote ablehnen nicht einfach damit argumentiert werden kann dass diese Profes-sionellen eben bdquozu unwissendldquo seien und bdquokein Verstaumlndnis fuumlr Forschung und Evi-denzbasierung und die Dignitaumlt der Befundeldquo haumltten Denn ansonsten muumlssten in den naumlchsten Jahren alle Befunde die im Rahmen der Qualitaumltsoff ensive Lehrerbildung die das Resultat der Beforschung hochschuldidaktischer Maszlignahmen enthalten un-mittelbar im System ihren Niederschlag fi nden ndash da ja die Hochschullehrerinnen als Forscherinnen sich dann doch diesen Evidenzen nicht werden entziehen koumlnnen

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Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo 75

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Christan Wiesner und Claudia Schreiner

Implementation Transfer Progression und Transformation Vom Wandel von Routinen zur Entwicklung von Identitaumlt Von Interventionen zu Innovationen die bewegen Bausteine fuumlr ein Modell zur Schulentwicklung durch Evidenz(en)

Der vorliegende Beitrag stellt Kernideen und -gedanken (als bdquochange driversldquo siehe dazu Mintrop S 40 in diesem Band) als Konzeptsammlung fuumlr einen ersten Entwurf eines moumlglichen Modells zur Schulentwicklung durch Evidenz(en) vor Dabei sollen unterschiedliche Konzepte dargestellt und wesentliche Begriffl ichkeiten einer evidenz-orientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung geklaumlrt werden Gleichzeitig moumlchten wir das Zusammenwirken von Denkmodellen und Herangehensweisen aufzeigen

Impulse Innovation Reformen und Interventionen sind Dauerthemen in Bezug auf das Schulsystem die Einzelschule und den Unterricht Aktuell beschreiben und analysieren eine Reihe an fachbezogenen Artikeln Aufsaumltzen und Buumlchern vielfaumllti-ge Konzepte Modelle und Entwuumlrfe von Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Evidenz(en) Datenbasierte Steuerung und evidenzorientierte Entwicklung des Schul-systems der Schule und des Unterrichts stellen Herausforderungen an Politik Schul-aufsicht Schulleitung und Lehrpersonen Qualitaumlt ist ein grundlegendes Zielbild die Etablierung von Qualitaumltssystemen eine zu erfuumlllende Vorgabe die Idee einer lernen-den Schule und ein kooperatives Vorgehen sind Gelingensbedingungen Wichtig er-scheint ein fundierter Umgang mit den Begriff en und dahinterliegenden Denkvorstel-lungen Off en bleibt wie ein Impuls zu einer Innovation wird wie sich Schulen und das Schulsystem entwickeln und wie Entwicklung an einer Einzelschule wirklich an-geregt werden kann Off en ist auch wie eine Intervention in Schulen oder im Unter-richt die Schuumllerinnen und Schuumller nachhaltig lernwirksam bewegt ndash und produktive Lernerfahrungen kreiert Eine geschlossene Th eorie der Schulentwicklung durch Evi-denz(en) liegt bislang zu diesen Herausforderungen nicht vor (von Saldern 2010 De-dering 2007)

Wenn Veraumlnderung Wandel und Entwicklung stattfi nden sollen bdquogenuumlgt es nicht auf der Ebene der Umsetzer etwas anders oder etwas Anderes zu tun es muss vom System her neu gedacht werdenldquo (Scharmer 2009 S 26) Wie Personen in Teams mit Evidenz(en) lernen und professionelle Lerngemeinschaft en gestaltet werden hat grundsaumltzlich damit zu tun wie man mit Daten Informationen und Wissen umgeht (Willke 1998) Angestrebt wird ein Modell der Schulentwicklung durch Evidenz(en)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 80

in dem (meist) Ausschnitte der Wirklichkeit von Schule und Unterricht1 hinsichtlich mehrerer Aspekte2 Kriterien3 und Kontexte4 (siehe Abbildung 1) sowohl optimiert als auch entwickelt werden Wissen und praxisnahes professionelles Handeln sind dabei bdquodie zentrale Ressource fuumlr Innovation und Entwicklung ndash sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebeneldquo (Huber amp Krey 2013 S 89)

Abbildung 1 Das Kohaumlrenz-Dreieck Vielfalt Diff erentes Divergentes als integratives Konzept

(eigene Darstellung)

Wir moumlchten in diesem Beitrag der als kreativer Impuls gedacht ist zunaumlchst unse-re Weiterentwicklung des Modells der Entwicklung und Verbesserung darlegen das analytisch dabei unterstuumltzen soll Prozesse und Maszlignahmen einer evidenzorientier-ten Schul- und Unterrichtsentwicklung einordnen zu koumlnnen Danach werden wir die Arbeit mit Daten und deren Diff erenzierung thematisieren da jegliche Entwicklung auf Handeln baut und Handeln von praxisrelevantem Wissen abhaumlngig ist Mit Wissen und Werten arbeiten Lerngemeinschaft en an einer lernenden Schule um die Qualitaumlt ihres Unterrichts und ihrer Schule zu sichern zu verbessern und zu entwickeln Dafuumlr sind Rahmenmodelle notwendig die einerseits Aspekte und Kriterien vorgeben ande-rerseits Entwicklungen durch zu enge Vorgaben nicht einengen sondern ermoumlglichen Ermoumlglichung braucht ein integratives Verstehen Integration braucht zunaumlchst Diff e-renzierung von Konzepten Im vorliegenden Beitrag moumlchten wir das Verstaumlndnis von Implementation Transfer Progression (noch ungewoumlhnlich fuumlr die Schulentwicklung) und Transformation naumlher beleuchten und ausdiff erenzieren und im Modell der Feld-transformation wieder integrativ zusammenfuumlhren

Ziel dieses Beitrags ist somit mehrere Kerngedanken und Entwuumlrfe fuumlr Gelingens-bedingungen als Prototypen aufzuzeigen und zu argumentieren um weitere Diskus-sionen und Auseinandersetzungen mit Blick auf eine Schul- und Unterrichtsentwick-

1 Jeweils als Systeme gedacht2 Als Blickwinkel und Betrachtungsweisen zur (Re-)Organisation von Beziehungen und Unter-

scheidungen gedacht3 Als Richtmaszlig fuumlr Entscheidungen auf Basis von Unterscheidungsmerkmalen gedacht4 Als Vernetzung miteinander verbundener Teile bzw Elemente gedacht (ein Zusammenweben)

Blickwinkel

Aspekte

Unterschiede

Kriterien

Beziehung

Kontexte

Implementation Transfer Progression und Transformation 81

lung durch Evidenz(en) anzuregen Alle Konzepte und Gedanken fuumlr die vorgestellten (multiplexen) Ideen entspringen dem Konzept von bdquocommon and diff erent conceptsldquo (Petzold 1996 S 72) als Integrationsmodell und Zusammenfassung diff erenzierter oder scheinbar disparater Teile zu einem uumlbergeordneten Ganzen bzw als Loumlsen von Aufgaben auf einer houmlheren Strukturebene (Petzold 2003 S 701) Integration muss bdquoim dialektischen Bezug zum Begriff Diff erenzierung gesehen werden Nur wo Viel-falt Diff erentes Divergentes gegeben ist wird Integration moumlglichldquo (Petzold 2003 S 717) Entwicklung und Integration lassen sich jedoch nur als Prozess verstehen wo-mit begruumlndet werden kann dass es keine endguumlltige Th eorie der Schulentwicklung durch Evidenz(en) geben kann5

Kerngedanke 1 ein Modell der Entwicklung und Verbesserung

Seit einigen Jahren beschaumlft igen wir uns mit der Idee einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung Daraus ist das Beduumlrfnis entstanden eine Diff erenzierung zwischen der Verbesserung von Bestehendem und der Entwicklung des Bestehenden vor-zunehmen um foumlrderliche und produktive Impulse geben zu koumlnnen Interventionen Anregungen und Stimulierungen sind sonst womoumlglich beliebig ergebnislos oder bleiben unerkannt

Um Veraumlnderungen im Schulsystem an Schulen und im Unterricht wirkkraumlft ig ge-stalten zu koumlnnen wird ein angemessenes Verstaumlndnis von Veraumlnderung und dem Gleichgewicht von Stabilitaumlt und Instabilitaumlt benoumltigt (Wheatley 1997) Die Steue-rung von Systemen ndash Schule und Unterricht ndash gelingt vor allem dann nicht wenn bdquoman Kausalitaumlten identifi ziert und eindeutige Ursache-Wirkung-Beziehungen unter-stelltldquo (Bartz 2013 S 159) da dies der Komplexitaumlt der zugrundeliegenden Wirkun-gen nicht gerecht wird Dem kann beim Steuern und Regeln oder (eher) einem sys-temischen Navigieren und Drift en (Simon amp Weber 2009) eher durch ein zyklisches wendelfoumlrmiges und systemisches Denken entsprochen werden Wir moumlchten an die-ser Stelle ein Modell der Entwicklung und Verbesserung generieren und vorstellen (Schreiner Breit Wiesner amp George 2018 Wiesner Schreiner Paasch Gregorzewski amp Schratz 2018) um mit und an einem Verstaumlndnis uumlber Wandlungs- und Veraumlnde-rungsprozesse im Sinne von Entwicklung arbeiten zu koumlnnen (Argyris amp Schoumln 2008 Stacey amp Mowles 2016)

Kruse (2004) Schratz (2009) oder auch Holz (2011) unterscheiden zwischen Funk-tionsoptimierung einerseits und dem Prozessmusterwechsel als Entwicklung anderer-seits im Sinne von Argyris (1999 Argyris amp Schoumln 1999) der das Prinzip des Ein-schleifen-Lernens bzw Verbesserungslernens (Single-Loop-Learning siehe auch Kerngedanke 4) vom Prinzip des Doppelschleifen-Lernens bzw Veraumlnderungslernens (Double-Loop-Learning) abgrenzt Diese Uumlberlegungen entsprechen in weiten Teilen der Idee der Assimilation und Akkommodation von Piaget (1948 1973 1974 Lefran-

5 bdquoTh ere is no end to integration [hellip] there is always something you can assimilate and integrate Th ere is always a chance for growingldquo (Perls 1969 S 276)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 82

cois 1986) oder dem Aumlnderungsgesetz nach Lewin (1947 Cummings Bridgman amp Brown 2016 Illenis 2007)

Das Einschleifen-Lernen zielt auf die Optimierung auf bdquoeine Verbesserung der Handlungsroutinenldquo (Bartz 2013 S 157) den bdquoAbgleich von Ergebnissen und Zielenldquo (ebd) sowie auf eine bdquoeff ektivere und effi zientere Gestaltungldquo (ebd) Um ihre Perfor-manz zu erhoumlhen reagieren Systeme und Personen meist mit dem Versuch Wissen und Koumlnnen bdquoim Rahmen bestehender Funktionalitaumlt zu verbessernldquo (Kruse 2004 S 19) Im Sinne des Nachmachens und bdquoNacherfi ndensldquo (Kussau 2007 S 288) wird uumlber zuruumlckliegende Erfahrungen nachgedacht und diese werden zielorientiert analy-siert Verbesserungslernen aktiviert ein refl exives Denken (als Fragender zuruumlckden-kend Fischer 2007 Fischer-Buck 2004) und basiert auf explizitem bzw explizierba-rem Wissen und bewusstem Erfahrungswissen (Rolff 2015) sowie kontinuierlichem Optimieren (Kruse 2004) Die Funktionsoptimierung bdquoorientiert sich an Best Practi-celdquo (ebd S 20) Good Practice und Best Practice brauchen dabei immer dreierlei ein bestimmbares und kommunizierbares (verbesserungsmoumlgliches) Ziel das es zu errei-chen gilt und im Sinne der Idee der Steuerung durch Implementation und Transfer umsetzbar wird eine Bereitschaft zum Optimieren und Verbessern und die Arbeit am Detail im Sinne eines bdquoDetailmanagementsldquo (Schley 2017 S 2) Das Verbesserungs- und Optimierungslernen fuumlhrt anfangs zu einer starken Steigerung dann tritt jedoch ein so genannter Deckeneff ekt ein (vgl Abbildung 2) und ab einem gewissen Punkt sind weitere Verbesserungen meist nur mehr unter Einsatz von groszligen Reserven Res-sourcen und durch kleinschrittige Optimierungen moumlglich bdquoAm Ende der Phase des Optimierens erleben wir [oft ] dass alle unsere Optimierungsversuche nichts bewir-ken sondern unsere Probleme eher verschaumlrfenldquo (Bauer 2017 S 25) Das Bisheri-ge stoumlszligt an bdquodie Grenzen der in ihm stehenden Moumlglichkeitenldquo (Schratz 2009 S 17 Kruse 2005)

Nach der Optimierung und Verbesserung des Bestehenden ruumlckt nun die Per-spektive der Entwicklung in den Vordergrund des Interesses (Kruse amp Schomburg 2016) Das Doppelschleifen-Lernen ermoumlglicht tatsaumlchliche Neu- und Re-Orientierun-gen (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2016) Beim Doppelschleifen-Lernen geht es dann viel tiefgreifender als bei Optimierungsprozessen um die Transformation dieser Werte und subjektiven Th eorien selbst (Bartz 2013 S 158) Nach Scharmer (2009) ist ein Prozessmusterwechsel als Veraumlnderungslernen fuumlr jede nachhaltige Neuausrich-tung notwendig da fuumlr eine Entwicklung immer die Grundprinzipien Werte Annah-men refl ektiertprofl ektiert gewandelt und veraumlndert werden muumlssen Hentig (1993) nimmt Bezug auf das Veraumlnderungslernen wenn er dafuumlr plaumldiert die Schule neu zu denken d h unsere Annahmen uumlber das wie wir Schule sehen und gestalten neu zu defi nieren (Schratz 2014) Scharmer (2009) spricht von einer Entwicklung der so-zialen Komplexitaumlt6 die sich aus den unterschiedlichen Deutungsmustern bzw Glau-benssaumltzen im Miteinander von Menschen in sozialen Organisationen ergibt Entwick-lung im Sinne von Next Practice fuumlhrt zum Neudenken von Schule und Unterricht

6 Komplexitaumlt als eine unuumlberschaubare Menge an Komponenten die auf vielfaumlltige Weise mitei-nander verknuumlpft und verbunden sowie fuumlr einen Beobachter nicht vollumfassend durchschau-bar sind (Weyer amp Schulz-Schaeff er 2009)

Implementation Transfer Progression und Transformation 83

und benoumltigt immer dreierlei eine werterefl ektierende Bezogenheit Damit Entwick-lung erlebbar wird brauchen Systeme und Personen das Andere und die Anderen um durch einen diff erenzierten Bezug zu dem Anderen ein vertieft es identitaumltskonstituie-rendes Wissen zu gewinnen Dazu ist nach Schratz (2009) eine Bereitschaft notwen-dig sich auf Unsicherheit und Einbruumlche einzulassen und es braucht eine Vision als (inneres) Bild einer wuumlnschenswerten und anzustrebenden Zukunft

Erfolgreiche Entwicklungen sind systemische Prozesse und koumlnnen als Kohaumlrenz (lat cohaerere zusammenhaumlngen) und Konfl ux (lat con und fl uere zusammenfl ieszligen) von vielfaumlltigen Aspekten Kriterien und Kontexten zu einer neuen Gestalt Beschaf-fenheit Identitaumlt Haltung oder auch Kultur verstanden werden Entwicklungen be-noumltigen Emergenz Wandel und Veraumlnderung sowie sinnvolle Prozessmusterwechsel (bzw Skripts Schemata Rollen) um einen Weg von Good Practice und Best Practi-ce zur Next Practice zu fi nden (Schratz 2009) Entwicklung vereint den Wandel durch Transfer- und Transformationsprozesse sowie die emergente Veraumlnderung

Um Entwicklungen im Sinne einer Next Practice zu ermoumlglichen benoumltigen so-wohl Personen als auch Systeme starke Impulse bzw bdquoAumlnderungsimpulseldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 153) In der Fachliteratur werden fuumlr diese Entwicklungsimpulse unterschiedliche Begriffl ichkeiten verwendet und damit (Entwicklungs-)Richtungen bezeichnet wie z B bull bdquoIrritationenldquo (Luhmann 2002 S 196) im Sinne einer noch undefi nierten Uumlberra-

schung im Bereich von System-zu-System-Beziehungenbull bdquoInterventionenldquo (Petzold 2007 S 250 Muumlller 2012 S 277) als mehrperspekti-

visch begruumlndete Einwirkungen auf (personale soziale oumlkologische oumlkonomische politische etc) Systeme mit dem Ziel einer theoriegeleiteten und ethisch legiti-mierbaren Veraumlnderung

bull bdquokreative Stoumlrungenldquo (Schratz 2009 S 17 f) um neue weitere Perspektiven und Alternativen einzunehmen

bull bdquoInkongruenzerfahrungenldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 160) wenn die Identifi zie-rung und die Identifi kation voneinander abweichen und eine Kongruenzerfahrung nicht moumlglich ist

bull bdquoKonfl ikte und Krisenldquo (Steinkellner amp Wiesner 2017 S 296) als ein zeitgleiches Aufeinandertreff en von widerstrebenden Impulsen

bull bdquoStimulierungldquo (Kruse 2009 S 86) um Faumlhigkeiten entwickeln und ausbilden zu koumlnnen oder

bull bdquoWiderfahrnisldquo (Schratz 2017 S 6) ndash im Widerfahrnis wird man mit der Frage des Sinns konfrontiert mit einem irritierenden nicht beeinfl ussbaren Geschehnis und einer unmittelbaren Bedeutung

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 84

Abbildung 2 Next Practice ndash Von Verbesserungen zur Entwicklung und zu Verbesserungen (eigene Darstellung in Anlehnung an Kruse 2004)

Diese Impulse dienen als Motor fuumlr ein bdquovertieft es Lernenldquo (Fullan Quinn amp McEa-chen 2017) und als bdquoVoraussetzung fuumlr gelingende Veraumlnderungldquo (Kruse 2005 S 8) Nur das Bewusstwerden von Unstimmigkeit(en) und Diskrepanz(en) fuumlhrt als Akti-vierung Anregung und Ausgangspunkt zu Veraumlnderungen im Denken und Handeln (Sieland Eckert amp Ebert 2013) Die Impluse bringen als kreative Stoumlrungen Instabi-litaumlt ins System und oumlff nen den Weg fuumlr tiefgreifende Entwicklungen die zu einer er-neuten steilen Lernkurve fuumlhren koumlnnen (vgl Abbildung 2) Veraumlnderungslernen aktiviert dabei ein profl exives Denken (als Gefragter vorausdenkend Fischer 2007 Fi-scher-Buck 2004) bdquodas zu einem Wertewechsel sowohl der handlungsleitenden Th eo-rien als auch der Strategien und Annahmen fuumlhrtldquo (Argyris amp Schoumln 2018 S 36) und sich nach einem verborgenen reichhaltigen Zukunft spotenzial ausrichtet Vielfalt Dif-ferentes Divergentes ermoumlglicht eine sinnorientierte Integration (Petzold 2003) von Konzepten Ideen Entwuumlrfen und Th eorien mit und in der Praxis Navigieren in einer Phase der Instabilitaumlt lebt von Neugier und Faszination vom Querdenken und vom Vernetzen von Kooperation und dem Gestalten von (kreativen) Loumlsungen von Reso-nanzerfahrung und bdquovon der Glaubwuumlrdigkeit der Fuumlhrungldquo (Kruse 2005 S 7) Pro-gression als kreative Entwicklung durch Prozessmusterwechsel speist sich aus der bdquoVi-sionldquo (Kruse 2004 S 69) nicht aus Zielen

Die Abbildung 2 zur Next Practice visualisiert das Entwicklungspotenzial das aus dem Wechsel zwischen Optimierung und Entwicklung zwischen Stabilitaumlt und Insta-bilitaumlt sowie zwischen Arbeiten im und am System entsteht bdquoIm Systemldquo ist es moumlg-lich zu optimieren Ablaumlufe zu verbessern Qualitaumlt zu sichern und auch zu steigern und das Bestehende zu stabilisieren Mit der Situierung bdquoam Systemldquo erweitert sich das Spektrum der Loumlsungsmoumlglichkeiten Situationen koumlnnen neu bewertet werden Allianzen gebildet oder Regeln uumlberdacht bdquoAm Systemldquo passieren die Uumlbergaumlnge dort wird Instabilitaumlt zur Voraussetzung des Wandels bedeutet Loslassen ein Risiko und zugleich eine Chance den notwendigen Freiraum fuumlr Neues zu schaff en (Schley amp Schley 2010 S 28) Nach jeder Entwicklungsphase folgt eine neue Phase der Verbes-serung das Niveau steigt dabei stetig an (siehe Abbildung 3) Die Phasen selbst koumln-

Verbesserungen

Entwicklungendurch Musterwechsel

Exzentrizitaumlt amp Mehrperspektivitaumlt

kreative Stoumlrung(en)

Instabilitaumlt

Stabilitaumlt

Good Practice

Best Practiceneu

e Stab

ilitaumlt

schaff

en

Next Practice

Double-Loop-Lernen

Single-Loop-Lernen

Prozess der NeuorientierungArbeiten am System

Prozess der OptimierungArbeiten im System

Implementation Transfer Progression und Transformation 85

nen zeitlich sehr voneinander abweichen je nachdem wie lange eine Stabilitaumlt auf-rechterhalten wird bzw werden kann7

Ein- und Zweischleifenlernen ist in Bezug auf den Bezugspunkt der Refl exion zwi-schen Vergangenheit und Zukunft zwischen Refl exion und Profl exion (Fischer 2007 Fischer-Buck 2004) zwischen Retrospektion (lat retro ruumlckwaumlrts zuruumlck specere schauen betrachten) und Prospektion (lat prospectare Ausschau halten in die Fer-ne schauen) verankert Verbesserungslernen regt das Zuruumlckdenken und Arbeiten mit Erfahrungen und explizitem Wissen an Veraumlnderungslernen hingegen das Vor-ausdenken8 und die Arbeit mit implizitem Wissen (Werten Haltungen Beliefs usw) wodurch auch intangibles holistisches Wissen (Spirit Empathie) moumlglicherweise ex-plizierbar wird und nach Scharmer (2009) emporkommen kann Loumlsungen werden demnach nicht nur durch das Refl ektieren vergangener Probleme Schwaumlchen und De-fi zite gefunden sondern aktiv durch das Profl ektieren und das Prospektieren von zu-

7 Die Verbesserung ist ein wichtiges Prinzip in der Schulentwicklung um fortwaumlhrend besse-re Qualitaumlt anzustreben und gute Qualitaumlt zu sichern Die Entwicklung ist ein Prinzip in der Schulentwicklung um auch die Defi nition von Qualitaumlt zu hinterfragen und die Bedeutung von Qualitaumlt zu entwickeln

8 Das Vorausdenken erweitert die Perspektiven und ermoumlglicht die Veraumlnderungen und den Wandel von Grundprinzipien Werten und Annahmen (durch die Fragen Wohin Wozu Wie wollen wir sein) Das Zuruumlckdenken stabilisiert oft mals die Grundprinzipien und Werte als Erklaumlrung(en) fuumlr das bereits Geschehene (durch die Fragen Warum Wie haben wir es ge-tan)

good

practice

vergangener

Status quo

neuer

Status quo

Kontinuum

Integration

Transformation

Chaos

Aumlnderungsimpulse

IrritationIntervention

kreative Stoumlrung

Inkongruenzerfahrung

Perf

orm

anz

best

practice

next

practice

Single-Loop-

Lernen

neue Stabilitaumlt schaffen

Instabilitaumlt

Verbesserung

Entwicklung

Entwicklung

Hier und Heute

vergangenheitsbasiert zukunftsorientiert

Verbesserung

Stabilisierung durch

Beziehung Praumlsenz Haltung

Instabilitaumlt

Single-Loop-

Lernen

Double-Loop-

Lernen

Abbildung 3 Das Modell der Entwicklung und Verbesserung (eigene Darstellung in Anlehnung an Glass 2003 und Appelo 2011)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 86

kuumlnft igen Visionen9 Neuorientierungen und Zielbildern10 im Hier und Heute (Gegen-wart)

Bestimmte Herausforderungen lassen sich bdquonicht durch eine Refl exion von Erfah-rung also nicht durch eine Refl exion der Vergangenheitldquo (Schratz 2014 S 19) loumlsen Vertrauen und Intuition Eigendynamiken und Selbstverantwortung werden zu zen-tralen Erfolgsfaktoren und Gelingensbedingungen (Kruse 2005) Sowohl die Funk-tionsoptimierung (Kruse 2004) als auch das Veraumlnderungslernen (Argyris amp Schoumln 1999) werden oft mals als Angriff auf etwas Etabliertes gesehen ihnen wird in der Re-gel mit Misstrauen begegnet und sie werden als Verlust von Sicherheit und Stabilitaumlt erlebt (Schratz 2009) Bei Funktionsoptimierungen kann jedoch auf bereits bestehen-de Muster zur Stabilisierung von Unsicherheit zuruumlckgegriff en werden Dabei kom-men zwar oft mals auch Bedrohungen Widerstaumlnde und Verunsicherungen auf jedoch greifen die vorhandenen Rollen und Skripte und bisherige Erfahrungen eroumlff nen eine Chance auf relativ stoumlrungsfreie Tradierung

Kerngedanke 2 die Verortung von Daten

Bei der Arbeit mit Evidenzen als Basis fuumlr Qualitaumltsentwicklung besteht eine Herausfor-derung darin zwischen den vielfaumlltigen Arten und Moumlglichkeiten von Daten zu unter-scheiden und deren Qualitaumlt zu bestimmen Kerngedanke 2 nimmt sich der Klaumlrung an mit welchen Arten von Daten wir bei einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichts-entwicklung arbeiten Ohne ein tieferes Verstaumlndnis der Herkunft der Daten ist es oft -mals schwer Entwicklungsideen undoder Verbesserungspotenziale zu erkennen Allzu leicht diskutiert man uumlber Unveraumlnderbares und uumlbersieht Moumlglichkeiten Chancen und das Off ensichtliche Maszlignahmen umzusetzen und Prozesse zu veraumlndern benoumltigt die Einsicht in die Grenzen und Moumlglichkeiten verschiedener Arten von Daten

Ein Entwurf eines Modells der Schulentwicklung durch Evidenz(en) benoumltigt neben einem Modell der Entwicklung und Verbesserung einen Ansatz der Diff erenzierung und Verortung von Daten Um die Vielfalt und Mannigfaltigkeit von (potenziellen) Daten als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage fuumlr Fuumlhrungspersonen als auch in sozialen Systemen zu erkennen braucht es Systematiken und Strukturen um das Angebot der zur Verfuumlgung stehenden Daten kategorisieren und katalogisieren zu koumlnnen Dies dient den Bedeutungstraumlgern im System ndash Lehrerinnen und Lehrern Schulleitungen Vertreterinnen und Vertretern der Schulaufsicht und der Bildungsad-

9 Eine Vision ist eine Vorstellung oder auch Idee aber nicht ein exakt fassbarer Sollwert Eine Vision ist kein Ziel (Kruse 2004 S 69)

10 Zielbilder sind gepraumlgt durch Werte Beliefs Lebenserfahrung und Lebenssinn Die aktuelle Umwelt und die Atmosphaumlre an einer lernenden Schule (lernende Organisation) sind ein Kon-fl ux aus Visionen Zielen Strategien Standards Ritualen Kooperationen usw Sie beschreiben den Moumlglichkeitsraum einer Schule und die Orientierung in die Zukunft (Scharmer 2009) Zielbilder sind vielmehr wie eine Zeichnung oder ein Gemaumllde Organigramme und Prozessvi-sualisierung sind keine Zielbilder

Implementation Transfer Progression und Transformation 87

ministration ndash dazu das Angebot erfassen diff erenzieren verstehen und integrieren zu koumlnnen

Das dynamische System (in horizontaler Richtung gedacht) benennt drei grundle-gende Auspraumlgungen von Daten (Input Prozess Output) zur Erfassung und Beurtei-lung von Schulqualitaumlt (vgl Levin 1974a Scheerens 1990 Creemers 1993 Posch amp Altrichter 1997 Dubs 1996 Ditton 2000 Ditton amp Muumlller 2011 Lai amp Schild-kamp 2013 Huber et al 2014) Die Grundlagen der Unterteilung stammen aus dem bdquoconcept of accountability in educationldquo von Levin (1974b 1976) und gehen auf Ent-wuumlrfe von Averch Carroll Donaldson Kiesling und Pincus (1972) zuruumlck um die Eingangsbedingungen (Inputs) die Prozesse und die erzielten Ergebnisse (Outputs Outcomes) von Schule zu betrachten Ikemoto und Marsh (2007 S 110) unterschei-den Daten noch etwas diff erenzierter indem sie dieser Systematik bdquosatisfaction dataldquo hinzufuumlgen sowie nach der Anzahl der Quellen (eine gegenuumlber mehreren Datenquel-len mehrere Personen oder Gruppen usw) deren Art (primaumlre oder sekundaumlre Quel-len) und dem Detaillierungsgrad (aggregierte oder nicht aggregierte Daten) diff eren-zieren11

Input-Daten (Input)Aus der Perspektive einer Einzelschule gehoumlren zu den Inputfaktoren neben den fi -nanziellen materiellen und personellen Ressourcen und Arbeitsbedingungen (Lehr-buumlcher raumlumliche Ausstattung Infrastruktur der Schule Hausordnung Handreichun-gen usw) auch die strukturellen Bedingungen des jeweiligen Schulsystems (Gesetze Verordnungen Weisungen Autonomiegrad usw) Aus der Perspektive der Einzel-schule (Schulebene) zaumlhlen Scheerens (1990) sowie Lai und Schildkamp (2013) zu Input-Daten insbesondere die Charakteristika der Schuumllerschaft (z B soziooumlkono-mischer Status Schulabbruch Erstsprache Fehlzeiten usw) und Daten uumlber die Merk-male der Lehrenden und die paumldagogische Fuumlhrung (z B Alter Geschlecht Pensio-nierung Faumlcherverteilung Qualifi kation und Zusatzausbildung usw)

Prozessdaten (Process)Prozessdaten beziehen sich im Allgemeinen auf Merkmale die veraumlnderbar sind (Scheerens 1990) und beschreiben wie Unterricht am Schulstandort ablaumluft wie Lerngeschehen oder Classroom-Management gestaltet wird wie Arrangements der Beurteilung aussehen welche Verbesserungs- und Entwicklungsszenarien und -strate-gien am Standort verfolgt werden (vgl Lai amp Schildkamp 2013) Auch Merkmale der Unterrichtssituation (die Art und Weise des Unterrichtens die Wissensvernetzung Aktivierung [Lern-]Freude Lernzeit usw) und die Einbeziehung der Schuumllerinnen und Schuumller bdquoin die Entscheidungen uumlber Ziele und Lernaktivitaumltenldquo (Posch amp Alt-richter 1997 S 15 vgl Scheerens 1990) gehoumlren zu dieser Kategorie von Daten Pro-zessdaten entstehen auf Schul- und Unterrichtsebene auch auf der Grundlage von Hospitationen Peer-Reviews und beschreibenden Analysen wie etwa dem School

11 Bei der Diff erenzierung von Daten muss darauf geachtet werden dass die Zuordnung zu ei-ner Datenart jeweils aus einer Perspektive vorgenommen wird da z B die Output-Daten einer Ebene in gewissen Faumlllen Input- oder Prozess-Daten einer anderen Ebene sein koumlnnen

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 88

Walkthrough (Hofb auer amp Westfall-Greiter 2015 vgl Wiggins amp McTighe 2005) oder dem Classroom Walkthrough (Downey Steff y English Frase amp Poston 2004 Kachur Stout amp Edwards 2010 2013 Schwarz 2011)

Ergebnisdaten (Output Outcome)Ergebnisdaten12 (Output Outcome) beziehen sich bdquoauf die Ergebnisse von schulischer Arbeitldquo (Posch amp Altrichter 1997 S 16 vgl Scheerens 1990) und sind damit Daten zur Schulleistung Bewertungsergebnisse schrift liche und muumlndliche Pruumlfungen Port-folios und Zeugnisse Ergebnisdaten koumlnnen auch als erworbenes Selbstkonzept der Lernenden in einem Fach als bdquoLehrerleistungenldquo oder als bdquoErgebnisse der schulischen Betriebsfuumlhrungldquo (Posch amp Altrichter 1997 S 16) vorliegen

Daten zur Zufriedenheit (Satisfaction)Daten zur Zufriedenheit (Satisfaction) beschreiben durch aggregierte Einschaumltzungen z B die Schulkultur und ergeben sich damit aus den Meinungen von Schuumllerinnen und Schuumllern Lehrpersonen Eltern usw zur Atmosphaumlre zum Ethos zur Haltung Praumlsenz Beziehung und zum Schul- und Klassenklima zum Unterricht oder auch zur Disziplin (Ikemoto amp Marsh 2007 vgl Lai amp Schildkamp 2013) Auch Ruumlckmeldun-gen hinsichtlich bestimmter gesetzter Schwerpunkte an einem Schulstandort koumlnnen hier einbezogen werden Daruumlber hinaus koumlnnen die Zufriedenheit nach dem Wer-degang der Absolventinnen und Absolventen nach einem bestimmten zeitlichen Ver-lauf oder das (oumlff entliche) Ansehen einer Schule13 erfragt und herangezogen werden (vgl Posch amp Altrichter 1997) Zufriedenheitsdaten sind gekennzeichnet dadurch dass sie sich aus subjektiven Einschaumltzungen speisen Eine Einbeziehung der Meinung relevanter Personengruppen ist ebenso wichtig wie objektiviert erhobene Input- Pro-zess- oder Outputdaten Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Qualitaumlten von Daten naumlmlich zwischen subjektiven Einschaumltzungen und Bestrebungen zur objek-tivierten Erfassung von Input Prozess Output und Outcome ist fuumlr eine fundierte Qualitaumltsentwicklung und -sicherung unabdingbar

Aus diesen Zugaumlngen lassen sich nun die Verortungen darlegen (vgl Abbildung 4)

12 Ergebnisdaten unterscheiden sich in Output-Daten als direkte unmittelbare Ergebnisse und Outcome-Daten als kuumlnft ige langfristige (Aus-)Wirkungen aufgrund der Output-Daten (vgl Klieme amp Tippelt 2008) Ein Wissenszuwachs (gemessen am Output) kann zu einer Veraumlnde-rung z B der Handlungen Werte und des Engagements (ersichtlich als Outcome) fuumlhren

13 Posch und Altrichter (1997) teilen z B das Ansehen einer Schule und die Zufriedenheit der Schuumllerinnen und Schuumller den Ergebnisdaten zu Lai und Schildkamp (2013) ordnen diese dem Begriff der Kontextdaten zu fuumlr Ikemoto und Marsh (2007) sind es Daten zur Zufrieden-heit Es liegt keine eindeutige Uumlbereinstimmung zwischen den Autorinnen und Autoren vor wodurch bei der Ausschaumlrfung noch einige Fragen off enbleiben wir hier jedoch die vorliegen-de Zuteilung vornehmen

Implementation Transfer Progression und Transformation 89

Abbildung 4 Das dynamische Modell moumlgliche Entscheidungs- und Handlungsbereiche im Schul- und Bildungswesen (eigene Darstellung)

Hinsichtlich der Kategorisierung und Katalogisierung von Daten schreibt Maritzen (2014) mit Blick auf Deutschland Wenn man im Bereich der Schulentwicklung bdquoge-rade die Entwicklungsfunktion datengestuumltzter Ruumlckmeldungen staumlrkenldquo will dann bdquosind die schulbezogenen Ergebnisdaten [hellip] zum einen durch die Ruumlckmeldung von Daten zu innerschulischen Prozessen und durch systematische Bereitstellung von ein-zelschulischen Kontextdaten (Zusammensetzung der Schuumllerschaft Spezifi ka des schu-lischen Umfelds usw) zu ergaumlnzenldquo (S 411) Aus diesem Verstaumlndnis heraus ist eine wesentliche Gelingensbedingung fuumlr eine (evidenzorientierte) Unterrichts- und Schul-entwicklung die vielfaumlltige und mehrperspektivische Zusammenstellung von Daten als Quelle fuumlr Re-Profl exionen Entscheidungen und Handlungen

Eine Diff erenzierung zwischen Datenarten stellt eine wichtige Basis fuumlr Refl exions- und Profl exionsarbeit dar Input-Daten zu Schuumllerschaft und Lehrpersonen sowie Daten zur Zufriedenheit bzw Wohlbefi nden soziale Einbettung Lernfreude usw wer-den in der Fachliteratur jedoch oft mals unter dem Sammelbegriff Kontextdaten zu-sammengefasst Der Begriff Kontexte (lat contexere zusammenweben) diff erenziert die Daten meist wenig und grenzt sie oft mals nur von den kognitiven Output-Daten (Leistung) ab Mit den Kontextdaten werden dann meist kognitive Leistungsunter-schiede zu erklaumlren versucht Die Komplexitaumlt des Zusammenwirkens von Input Pro-zessen Output und Zufriedenheitsdaten wird damit jedoch nicht abgebildet wodurch die Bedeutungsmoumlglichkeiten der Daten wesentlich eingeschraumlnkt werden So hinter-fragen Frohn und Heinrich (2018) inwiefern die Kompetenzorientierung gegenwaumlrtig vor allem eine reine bdquoVerkuumlrzung des Kompetenzbegriff s auf die Leistungsdimension im oumlff entlichen Diskursldquo (S 157) darstellt indem Kontexte meist nur zur Erklaumlrung von (kognitiven) Leistungen beruumlcksichtigt und nicht als integraler Bestandteil eines umfassenden Kompetenzbegriff s gesehen und fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung kaum genutzt werden Allerdings umfasse ein diff erenziertes Lehr-Lern-Geschehen alle bdquoKonnotationen des Kompetenzbegriff sldquo (Frohn amp Hein-rich 2018 S 157) wie z B Kritikfaumlhigkeit Evaluative Judgement Kooperation Parti-zipation Motivation gegenseitige Wertschaumltzung und Beziehungsfaumlhigkeit

Gesetze

Schulform

Infrastruktur

Hausordnung

Lehrmaterialien

hellip

Input Prozess Output

Lerngeschehen

Lernaktivitaumlten

Klassenfuumlhrung

SchoolClassroom

Walkthrough

hellip

Leistung

Kompetenzen

Kritikfaumlhigkeit

hellip

Outcome

Chancen

Wohlbefinden

staatsbuumlrgerliches

Engagement

Kultur

hellip

ZufriedenheitSchul- und Klassenklima Beziehung Atmosphaumlre Ansehen hellip

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 90

Eine weitere Moumlglichkeit der Verortung von Daten ist der Entwurf des Mehrebe-nensystems welches oft mals hierarchisch in einer vertikalen stufenfoumlrmigen Richtung gedacht wird und Daten Informationen und Wissen (Willke 1998) z B von Quali-taumlt von Schule (meist) in vier Ebenen mit verschachtelten Strukturen gliedert (Fend 2001 Fend 2006 und dann Ditton amp Muumlller 2011 von Saldern 2010)

Individualebene oder personale Ebene (Mikroebene)1) Die Schuumllerin und der Schuumller die Lehrerin und der Lehrer usw

System-Subsystemebenen (Meso- Exo- und Makrosystem)2) das Lehr-Lern-Geschehendie Lehr-Lern-Situation (Unterrichts- bzw Klassenebe-

ne) als Setting 3) die Schule an einem Standort (Schulebene) in 4) einem sozial-regionalen Kontext (z B Regionalebene Schulsystem)

Die jeweilige houmlhere Ebene wird als Unterstuumltzungssystem und als Handlungsrah-men betrachtet (Ditton 2000 Fend 2006 Helmke 2012 Scheerens 2016) Die Ebe-nen koumlnnen zusaumltzlich in Dimensionen unterteilt werden wie z B Schule in Schul-form (Ditton amp Muumlller 2011) Das Handeln der Akteurinnen und Akteure auf den Ebenen ist jedenfalls bdquovon den Vorgaben der sbquouumlbergeordnetenlsquo Ebene und den jeweili-gen situativen Gegebenheiten der Handlungsanforderungen der jeweiligen Ebene ab-haumlngigldquo (Fend 2017 S 38) Wie erfolgreich der bildungspolitische und buumlrokratische Input (nach einer Implementierung) umgesetzt wird ist bdquoauf Schulebene die zentra-le Qualitaumltsperspektiveldquo (Steff ens Maag-Merki amp Fend 2017 S 10) Bedeutsam ist je-doch die Tatsache dass auf jeder Ebene wiederum das dynamische Modell vorzufi n-den ist Zu jeder dieser Ebenen koumlnnen Daten Informationen und Wissen (Willke 1998) erhoben oder herangezogen und systematisiert und strukturiert werden um re-liable und valide Aussagen uumlber die Qualitaumlt einer Ebene treff en zu koumlnnen Dabei koumlnnen die Daten jeder Ebene in Input- Prozess- Output- Outcome- und Zufrie-denheitsdaten gegliedert werden Bei der detaillierten Ausschaumlrfung des Mehrebenen-systems sind nach Fend (2017) noch viele Forschungsfragen off en Besonders aus der Perspektive der Schulentwicklung ist die laumlngsschnittliche Wirksamkeit im Mehrebe-nenmodell durch Veraumlnderungsprozesse und Interventionen bislang noch nicht hin-reichend wissenschaft lich erforscht (Klieme amp Steinert 2009)

Diese beiden Modelle das dynamische Modell und das Mehrebenenmodell stellen die wesentlichen Orientierungspunkte fuumlr die Verortung von Daten dar Sie tun dies aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln Waumlhrend das dynamische Modell die Daten anhand eines Prozessmodells strukturiert fokussiert das Mehrebenenmodell die ver-schiedenen Aggregationsebenen des Bildungssystems Um eine klare Ausgangsbasis in der Qualitaumltsverbesserung und -entwicklung zu haben ist die Kombination der bei-den Modelle erforderlich Dies ist insbesondere wichtig da die Output-Daten einer Ebene ggf die Input-Daten einer anderen Ebene darstellen koumlnnen und eine zutref-fende Einordnung von Daten so nur durch die Kombination ermoumlglicht wird

Implementation Transfer Progression und Transformation 91

Kerngedanke 3 die Diff erenzierung von Daten verstehen

Die Qualitaumlt von Daten zu verstehen und zu erkennen ob Daten wissenschaft liche Guumlte-kriterien erfuumlllen oder ob Informationen eine praxisnahe essenzielle Annaumlherung an den Prozess des Unterrichtens erlauben ist eine besondere Gelingensbedingung einer evidenz-orientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung Die Qualitaumlt von Daten bestimmt welche Entscheidungen und Handlungen in und durch Lerngemeinschaft en ableitbar sind Sie bestimmt das zukuumlnft ige praxisnahe Wissen und die Bedeutung von Daten fuumlr das aktive Tun Nach der Verortung der Daten geht es im Besonderen auch um die Vielfaumlltigkeit und Diff erenzierung der Qualitaumlt von Daten Lai und Schildkamp (2013) unterscheidet in unterschiedliche Qualitaumlten von Daten und unterteilt diese in informelle formelle und wissenschaft liche Daten In Anlehnung daran verwenden wir den Begriff der in-formellen Daten dafuumlr wenn diese z B von Lehrpersonen oder der Schulleitung ge-legentlich spontan gesammelt werden beispielsweise waumlhrend des Unterrichts (z B unstrukturierte Unterrichtsbeobachtungen Diskussionen in der Klasse Auff aumllligkei-ten bei einzelnen Schuumllerinnen und Schuumllern) Diese Daten koumlnnen in einem Prozess eingesetzt werden der als situative Beurteilung der Lernaktivitaumlten (Formative Assess-ment) bezeichnet wird (Black amp William 1998 S 140 Kippers Schildkamp amp Poort-man 2016 LaPointe-McEwan et al 2017 Van der Kleij et al 2015) Formelle Daten sind systematisch gesammelte quantitative und qualitative lokale Schul- und Unter-richtsdaten wie beispielsweise Schuumllererhebungen Leistungsmessungen und Unter-richtsbeobachtungen Eine weitere Quelle sind wissenschaft liche Daten die beispiels-weise aus der einschlaumlgigen Fachliteratur stammen und in der Schulpraxis eingesetzt werden koumlnnen (Stoll et al 2016 Brown et al 2017 Schildkamp 2017) jedoch nicht an den Schulen selbst erzeugt werden (koumlnnen) Diese Daten liegen z B auch aus For-schungsprojekten (z B Erhebungen Evaluationen Studien Experimente) vor welche zwar meist nicht lokal als Daten vom Standort selbst verwendet werden koumlnnen je-doch als Impulse fuumlr eine Schul- und Unterrichtsentwicklung am Standort herangezo-gen werden koumlnnen

Zur weiteren Diff erenzierung von Daten fuumlhren wir noch Register- bzw Verwal-tungsdaten sowie in Anlehnung an Specht (2002) wissenschaft liche Referenzdaten (im Sinne von wissenschaft lichen Vergleichsdaten) ein Vergleichs- bzw Referenzdaten sind Daten die bei Messungen (z B Stichproben Vollerhebungen) mit direktem Be-zug fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwicklung fuumlr jede einzelne Schule nach wissen-schaft lichen Guumltekriterien standardisiert erhoben werden (vgl Terhart 2002) und als Referenz dienen (z B Erreichung von Kompetenzstufen Leistungsvergleiche Schul-klima Fairer Vergleich von Schulen usw) Referenzdaten fuumlr schulische Qualitaumlt zei-gen grundsaumltzlich eine bdquoRichtung fuumlr kuumlnft ige Entwicklungen anldquo (Schratz amp West-fall-Greiter 2010 S 27)14 Daruumlber hinaus koumlnnen Register- und Verwaltungsdaten

14 Die an wissenschaft lichen Erhebungen ausgerichteten Entwicklungen schaff en Sicherheit in der Orientierung und tragen dazu bei dass die unterschiedlichen Lehrerinnen in der Schule und in ihrem Unterricht auf ein gemeinsames (Qualitaumlts-)Ziel(bild) hinarbeiten indem sie sich mit

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 92

fuumlr die Schulentwicklung am Standort durch die direkte Verfuumlgbarkeit fuumlr Schulen von Interesse sein wie z B Einzugsgebiet der Schuumllerinnen und Schuumller Teilnahme an Foumlrderkursen Migrationshintergrund usw Im Unterschied zu Referenzdaten wer-den Registerdaten oft mals nur wissenschaft sbasiert (und haumlufi g nicht standardisiert) erhoben und sind in der Qualitaumlt der wissenschaft lichen Guumltekriterien sowohl For-schungsdaten als auch Referenzdaten nicht gleichzusetzen15 Van Ackeren et al (2017 S 251) unterscheiden zusaumltzlich zwischen wissenschaft lich-empirischen Studien und Vergleichsarbeiten sowie Schulinspektionen als bdquoEvidenzen im engeren Sinneldquo einer-seits und kollegialen Hospitationen und Schuumllerfeedbacks als bdquoEvidenzen im weiteren Sinneldquo andererseits ndash auch diese Unterscheidung moumlchten wir fuumlr die Verortung der Daten aufgreifen

Die unterschiedlichen Aspekte Kriterien und Kontexte und die damit verbunde-nen Niveaus Auspraumlgungen ihre Beschaff enheit und die Guumlte von Daten koumlnnen fuumlr Pro-Refl exionsprozesse Entscheidungsfi ndungen und (kuumlnft ige) Handlungen einge-setzt werden (Lai amp Schildkamp 2016 Wiesner Schreiner Breit Kemethofer George amp Angerer 2016 LaPointe-McEwan DeLuca amp Klinger 2017 Van der Kleij et al 2015 Schildkamp 2017) Daraus ergibt sich eine groszlige Vielfalt und Diff erenzierung von Daten fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung (vgl Tabel-le 1)

Eine Herausforderung die in der Fachliteratur als bestehendes Problem (und noch ohne Loumlsung) angesprochen wird ist die Doppel- und Dreifachfunktion bzw Mehr-fachnutzung von Daten z B von Lernstandserhebungen und Kompetenzmessungen unter unterschiedlichen Blickwinkeln etwa sowohl unter der Perspektive der Entwick-lung als auch unter jener der Kontrolle Hiermit wird zumindest die gelebte Dualitaumlt von Daten derselben Quelle angesprochen Van Ackeren (2003) beschreibt die Mehr-fachnutzung als Mischmodell bdquoPressure and Supportldquo (S 276) Waumlhrend Pressure eine Datenquelle als top down im Sinne eines Rechenschaft slegungsinstruments beschreibt kann eine Datenquelle im Support-Modus als buttom up eigenverantwortlich und ent-wicklungsorientiert von Schulen genutzt werden Auch Kompetenzmessungen (z B Standarduumlberpruumlfung in Oumlsterreich IKM ndash Informelle Kompetenzmessung) im Hin-blick auf Verbesserungen und Veraumlnderungen des Unterrichtens (Unterrichtsebene) im zeitlichen Verlauf als Wendelsystem bzw heraklitische Spirale (Petzold 1988) koumln-nen im Sinne einer formativen Ruumlckmeldung (formativ und komplex) die (Weiter-)Entwicklung der Prozesse unterstuumltzen Schul- und Unterrichtsentwicklung benoumltigt jedoch immer eine angemessene Komplexitaumlt d h neben Leistungsdaten jedenfalls Kompetenzstufen und relevante Kontexte um vor Ort ressourcenorientierte Verbes-serungen und Veraumlnderungen zu ermoumlglichen Die Idee der Kontrolle beruht in der Regel auf einfachen Indikatoren was dazu fuumlhrt dass Komplexitaumlt so stark reduziert

qualitaumltsvollen Referenzdaten auseinandersetzen Alle an Schule Beteiligten erhalten dadurch mehr Vertrauen und Transparenz uumlber die Entwicklung von Schule und Unterricht (Schratz amp Westfall-Greiter 2010)

15 Register als Datengrundlage ermoumlglichen eine Vielzahl von Fragestellungen jedoch um moumlg-lichst viele Faktoren zu beruumlcksichtigen und beobachtete Eff ekte moumlglichst einer Intervention wissenschaft lich zuschreiben zu koumlnnen bdquoist ein gutes Studiendesignldquo (Jenkner Muumlller-Rath Miltner amp Niemeyer 2017) unabdingbar

Implementation Transfer Progression und Transformation 93

wird dass die Wirklichkeit nicht mehr angemessen abgebildet wird etwa wenn Leis-tungsdaten in Form von ausschlieszliglich Schulmittelwerten zur Beurteilung der bdquoSchul-qualitaumltldquo herangezogen werden

Zentrale standardbasierte Lernstandserhebungen und wissenschaft liche Ver-gleichsarbeiten als Kernelement von evidenzorientierter Unterrichts- und Schul-entwicklung beziehen sich auf bdquoKompetenzentwicklungenldquo und nicht bdquoauf das un-mittelbar vorangegangene Unterrichtsgeschehenldquo Ihr Schwerpunkt bezieht sich bei Vergleichen und Referenzwerten besonders auf eine bdquokriterielle Orientierungldquo und sie geben wissenschaft lich zuverlaumlssige Informationen zum erreichten Lernstand in Teilbereichen der Faumlcher auf der Ebene von KlassenKursen auf der Ebene von Jahrgangsstufen und auf der Ebene von SchulformenBildungsgaumlngenldquo (EMSE 2006 S 2 Steff ens 2010) Dabei sind Lernstandserhebungen und wissenschaft liche Ver-gleichsstudien bdquokein originaumlres Instrument der Individualdiagnostik Auf Individual-

Daten Informelle Daten

Formelle Daten

Register-daten

Referenz-daten

Forschungs-daten

Strukturiertheit gelegentlich (on-the-fly) spontan ge-sammelt keine Guumltekriterien

systematisch vor Ort gesammelt wissenschaftsbasiert geringe Beachtung der wissenschaftlichen Guumltekriterien

systematisch gesammelt wissen-schaftlich und meist unabhaumlngig erhoben Beachtung wissen-schaftlicher Guumltekriterien (objektiv valide reliabel)

Erhebung intern extern

Evidenz im weiteren Sinne im engeren Sinne

Bezugsnorm individueller sozialer Vergleich individueller sozialer Vergleich

kriterialer individueller sozialer und fairer Vergleich

Beispiele unstrukturierte lokale Unter-richtsbeobach-tungen gefuumlhr-te Gespraumlche Diskussionen in der Klasse in Bezug zur taumlg-lichen Praxis

quantitative und qualitative lokale Schul- und Unter-richtsdaten bzw auch lokal-zentrale Tests

Verwaltungs-daten (z B Abschluumlsse an einem Stand-ort) behoumlrd-liche Daten Kontrolldaten (Ressourcen-anforderung und -verbrauch)

Schul- und klassenbezoge-ne Daten aus wiss Studien Uumlberpruumlfungen fuumlr die Schule undoder den Unterricht an einem Standort (Schulruumlck-meldung Unterrichtsruumlck-meldung)

Daten aus Studien Forschungen Uumlberpruumlfungen und Testungen (randomisiert und kontrolliert doppelblind usw) nicht fuumlr die Schule an einem Standort erhoben (z B Stichproben) Metastudien

Ziel situative Aumlnde-rung und Ver-besserung von Lernaktivitaumlten in der Klasse individuelle Foumlrderung

Entwicklung und Opti-mierung von Unterricht in der Klasse und Un-terrichtspraxis an der Schule individuelle Foumlrderung

Ressourcen-vergabe Kontrolle KonsequenzenSteuerung

Entwicklung und Optimie-rung von Unter-richt und Schule am Standort

Impulse fuumlr Ent-wicklung und Verbesserung von Unterricht und Schule als System Grund-lagenforschung

Tabelle 1 Daten ndash Vielfalt Diff erentes und Divergentes

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 94

ebene sind die skalierten Ergebnisse deutlich messfehlerbehaft et wobei die Messfeh-ler in den Randbereichen des Leistungskontinuums besonders zum Tragen kommenldquo (EMSE 2006 S 3) Die Daten aus diesen Erhebungen sind primaumlr fuumlr eigenverant-wortliche lernende Schulen gedacht und foumlrdern die Professionalisierung der Lehr-personen an den Schulen Eine Doppelfunktion bei der die Daten einerseits der oumlf-fentlichen Rechenschaft slegung und Kontrolle der Leistung der Schulen durch die Verwaltung dienen und andererseits die Entwicklung der Schulen und des Unterrichts am Standort speisen sollen ist i d R nicht zweckdienlich

Abbildung 5 Architektur der Evidenzorientierung (in Anlehnung an Coburn amp Turner 2011 Ikemoto amp Marsh 2007 Mandinach Honey Light amp Brunner 2008 Marsh 2012 North 2016 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018 ausgehend von Willke 1998 2011)

Sollen Daten fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung verwen-det werden ist zunaumlchst eine Systematisierung Priorisierung und Fokussierung er-forderlich Daten legen in einem System fest was gesehen wird und was nicht (blin-de Flecken) Diese Uumlberlegung zeigt dass es qua Beobachtung nur konstruierte Daten d h beobachtungsabhaumlngige Daten geben kann (Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) Erst durch Bedeutungen Kontexte und ihre Relevanz fuumlr den Standort wer-den Daten zu akzeptierbaren und akzeptierten wie auch argumentierbaren Informa-tionen Dabei sind Informationen systemisch relevante Daten und werden wieder-um nur durch Praxisbezug und Erfahrungen zu Wissen (vgl Abbildung 5) bdquoWissen ist das Ergebnis eines Verstehensprozesses der sich durch die Einordnung von Infor-mation in einen Kontext auf Basis individueller Erfahrungen vollziehtldquo (Klein 2001 S 73) Wissen ist demnach nicht gleichzusetzen mit verfuumlgbaren Daten oder Infor-mationen Das Generieren von Wissen ist verbunden mit der Faumlhigkeit selektieren-de strukturierende (re-)organisierte und damit systematisch-geordnete (integrative) Aussagen Erklaumlrungen und Urteile uumlber Daten und Informationen als Beweise bzw

Evidenzorientierung woraus ersehen werden kann

Datenndash Input

ndash Prozess

ndash Ergebnisse (Output-come)

ndash Zufriedenheit

Information

Wissen

Handeln

Wirkung

Realisierung

Feedback

Daten sind der Rohstoff fuumlr alles Wissen

+ Kontext(e)

+ Bedeutung(en)

+ Relevanz

+ Vernetzung

+ Praxisbezug

+ Erfahrung(en)

+ Koumlnnen

+ Anwendungsfeld(er)

+ handlungsrelevantes Verstehen

systematische ampwissenschaftliche

Wahr-nehmung

Beobachtung

System

Region

Schule

Unterricht

Implementation Transfer Progression und Transformation 95

uumlber Beweisketten herstellen zu koumlnnen Der Wert des Wissens wird fuumlr die Schule bzw den Unterricht dann erkennbar wenn Wissen in Koumlnnen transferiert oder trans-formiert wird Entscheidungsmoumlglichkeiten fuumlr ein bewusstes Handeln entstehen und dieses Handeln in Anwendungsfeldern sinnvoll umgesetzt wird Das Rohmaterial fuumlr professionelle Refl exion und Profl exion ist in diesem Sinne die Evidenz als klare Ge-wissheit mit der einer Erkenntnis durch Beweise sowie durch Urteilen und Hinterfra-gen zugestimmt werden kann

Kerngedanke 4 Professionelle Lerngemeinschaften und Netzwerke foumlrdern

Professionelle Lerngemeinschaft en stellen die wesentliche Bedingung fuumlr eine evidenz-orientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung dar Sie sind der Impuls Durch die viel-faumlltigen Herangehensweisen der einzelnen Personen entstehen die Ideen Entwuumlrfe und Prototypen Damit sind Menschen der zentrale Aspekt des Gelingens Gleichzeitig haben wir gelernt dass Situationen und Th emen in Lerngemeinschaft en ebenso eine Variation von Impulsen als Anregung benoumltigen und zwischen einem Verbesserungs- und Veraumlnde-rungslernen diff erenziert werden muss um durch Abwechslung Neugierde und Faszina-tion zu motivieren an langfristigen Prozessen und (muumlhsamen) abstrakten Konzepten dranzubleiben Vieles geht auch durch Humor

Um Daten professionell zu bearbeiten (Refl exions-Profl exionsarbeit) und daraus In-formationen und Wissen zu generieren und Handlungen am Standort abzuleiten be-noumltigen wir eine wirksame eigenverantwortliche und auch begleitbare Professiona-lisierung der Profession in Form von Lerngemeinschaft en und Lernnetzwerken Im Kontext einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung hat sich in den vergangenen Jahren das Arbeiten in Professionellen Lerngemeinschaft en (PLG) und in Lernnetzwerken (PLN) als besonders wirkungsvoll gezeigt (vgl Lieberman 2000 Stoll amp Seashore Louis 2007 Brown amp Poortman 2017)

In dem Vorwort zu bdquoEducators as Leaders Establishing a Professional Learning Community in Your Schoolldquo macht Barth (2000) durch die drei Worte Profession ndash Lernen ndash Gemeinschaft auf die Begriff skonstellation bdquoProfessionelle Lerngemeinschaft ldquo aufmerksam (vgl Schratz amp Westfall-Greiter 2010) Wir moumlchten diese Dreieckskon-stellation aufgreifen (siehe Abbildung 6) und uns bei unseren Entwuumlrfen und Ideen auf die Kernprinzipien von bestehenden Konzepten von Lernkooperationen besinnen Dabei argumentieren wir dass es notwendig ist unterschiedliche Aspekte des Lernens in Kooperationen zu verstehen die Kriterien der jeweils notwendigen Professionalitaumlt fuumlr eine erfolgreiche evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung zu etablie-ren und Gemeinschaft en in Schulen und Netzwerke uumlber Schulen hinweg zu foumlrdern (Brown amp Poortman 2017) Durch Professionelle Lerngemeinschaft en koumlnnen auch bestehende Barrieren in der Schul- und Unterrichtsentwicklung uumlberwunden wer-den (Datnow amp Hubbard 2016 Hoogland et al 2016 Brown et al 2017 Stoll et al 2016) Jede Form von Lerngemeinschaft ist nach der jeweiligen Profession (und deren

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 96

Beduumlrfnisse und Herausforderungen) zu unterscheiden sowie nach der Gestaltung des Lernens d h ob eher eine Funktionsoptimierung oder ein Prozessmusterwechsel16 an-gestrebt wird

Ausgangspunkt unserer Uumlberlegungen sind die Kernprinzipien (bdquobig ideasldquo Du-Four 2004a S 6) bestehender Konzepte von Lernkooperation welche wir zunaumlchst ausdiff erenzieren damit durch ein Besinnen auf die Ziele von Lerngemeinschaft en die jeweiligen Impulse Anregungen und Stimulierungen deutlicher praxisnaumlher und umsetzbarer werden Dies ist vor allem auch wichtig damit es zu keiner infl ationauml-ren Verwendung der Konzepte bzw zu Umsetzungsproblemen durch Beliebigkeit oder zu unzulaumlnglichen Schlussfolgerungen kommt (Blankenship amp Ruona 2007 Scrib-ner Cockrell Cockrell amp Valentine 1999) Professionelle Lerngemeinschaft bezeichnet einerseits einen besonderen Modus fuumlr die professionelle Zusammenarbeit in einer Berufsgruppe und andererseits eine bestimmte ziel- und sinnorientierte Struktur In Lerngemeinschaft en spielt Lernen bdquoeine zentrale Rolle und das Selbstverstaumlndnis der Beteiligten ist dass sie Lernende sindldquo (Schratz amp Westfall-Greiter 2010 S 129) Evi-denzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung ist immer ein ko-kreativer zykli-scher Prozess (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018) in dem nicht eine Person allein sondern bdquodas Zusammenwirken aller Moumlglichkeitenldquo (Petzold 2007 S 242) die Synergie der Gruppe und die Emergenz des Teams schoumlpferisch sind

Die beiden Entwuumlrfe die wir zunaumlchst aufgreifen ndash Communities of Practice (CoP) und Professional Learning Communities (PLC) ndash haben auf den ersten Blick viele Aumlhnlichkeiten jedoch jeweils spezielle Vorzuumlge und Fokussierungen Diesen bei-den Konzepten von Lernkooperationen ist zunaumlchst der Begriff der Gemeinschaft (Communities) und des Lernens (Learning) gemeinsam und dass die in den Gemein-schaft en lernenden Personen gemeinsame Interessen teilen (DuFour amp Eaker 1998) Eine Profession teilt sich ein gemeinsames spezifi sches und theoretisch-abstraktes

16 Prozessmusterwechsel brauchen eine Vision und die Bereitschaft sich auf Leistungseinbruumlche und Verunsicherung einzulassen (Kruse 2004 S 73)

Lernen

Aspekte

Profession

Kriterien

Gemeinschaft

Kontexte

Abbildung 6 Das Dreieck Profession ndash Lernen ndash Gemeinschaft (eigene Darstellung)

Implementation Transfer Progression und Transformation 97

Wissen (Kruse amp Louis 1993)17 jedoch nicht immer gemeinsame Grundprinzipien und Werte An dieser Stelle erhalten die beiden Lerngemeinschaft en eine jeweils spe-zielle Ausrichtung und wir kommen in diesem Kontext nun auch zuruumlck auf das Ein-schleifen- und Zweischleifen-Lernen (Stacey amp Mowles 2016 vgl Kerngedanke 1)

Der Begriff CoP wurde zum ersten Mal von Lave und Wenger (1991 Wenger McDermott amp Snyder 2002) verwendet Nach Wenger (2000) und Wenger et al (2002 S 4) formen sich CoPs aufgrund ihrer Leidenschaft fuumlr ein Th ema und in Bezug auf ihr Fachwissen (im Sinne einer sachorientierten Ausrichtung) um durch regelmaumlszligiges gemeinsames Interagieren Wissen zu schaff en zu lernen sich auszutauschen Wissen zu verbreiten sich zu verbessern und gemeinsam zu refl ektieren um ihre (Fach-)Ex-pertise ihre Materialien (z B Dokumente) zu teilen und ihre Handlungsmoumlglichkeiten in der Praxis zu erweitern bzw zu vertiefen (bdquoDeepen their expertiseldquo Wenger McDer-mott amp Snyder 2002 S 151 bdquodeepen their knowledgeldquo ebd S 4 bdquomanaging know-ledge in organizationsldquo ebd S 151 bdquoable to share knowledgeldquo [Patel 2017 S Modul 5]) Fuumlr Saint-Onge und Wallace (2003 S 50) sowie Cheng (2015) richten sich CoPs deutlich nach den Th eorien des Wissensmanagements (bdquoknowledge managementldquo18 Cheng 2017 S 101) aus und sollen der Verbesserung der individuellen praktischen fachlichen und organisatorischen Leistung dienen Das Wissensmanagement beschaumlf-tigt sich mit dem Erfassen Selektieren Organisieren und Integrieren von Wissen In-formationen und Daten (Mayer 1999 Salifu 2017) wodurch CoPs als reiche Quel-le systematischer Sammlungen von Erfahrungen und Evidenz(en) im Sinne von Good Practice und Best Practice angesehen werden koumlnnen (Th omas Kellogg amp Erickson 2001) Aber die bdquobloszlige Menge und Dauer der Berufserfahrung verbessert jedenfalls nicht automatisch die Handlungs- und Lernqualitaumlt von Lehrkraumlft enldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 133) Die Einschraumlnkung von CoPs liegt darin dass sie als bestehen-de Gemeinschaft oft mals Muster des Wissensmanagements nicht (mehr) veraumlndern in Bestehendem verhaft et bleiben und dann das organisatorische Lernen nicht (mehr) weiter befoumlrdern (Mittendorff Geijsel Hoeve de Laat amp Nieuwenhuis 2006) Diese Aspekte Kriterien und Kontexte stellen ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu den PLCs dar (Blankenship amp Ruona 2007) zeigen jedoch auch die Bedeutsamkeit der Refl exion von Erfahrungen (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018)

Der Begriff PLC wurde von Senge (1990) zum ersten Mal eingefuumlhrt daher richten PLCs sich in ihrer Grundidee auch an der lernenden Organisation (Learning Organi-zation) aus Der Ansatz nimmt direkt Bezug auf die Arbeiten von Argyris (1990) und Schoumln (1991) indem z B die weitreichenden Verallgemeinerungen des eigenen Den-kens (Beliefs19 Werte Annahmen usw) und subtile Denkmuster thematisiert werden welche auch Lerngemeinschaft en und deren Kapazitaumlt im Gegenwaumlrtigen beeinfl ussen (Senge 1990)

17 Spaumltestens an dieser Stelle des Beitrags ist festzuhalten dass die Begriff e Wissen (Brown 2001) und Lernen (Edelmann 1986 Lefrancois 1986) selbstverstaumlndlich Homonyme sind

18 bdquoA CoP can be applied as a knowledge management tool for leverage knowledge to support organization developmentldquo (Cheng 2017 S 101)

19 Beliefs vereinen als subjektive Th eorien sowohl kognitive als auch aff ektiv-motivationale An-teile miteinander und koumlnnen als Bindeglied von didaktischen Th eorien und tatsaumlchlichem unterrichtlichem Handeln und wahrnehmbarer beobachtbarer Haltung verstanden werden (Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner 2018)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 98

Eines der (drei) Kernelemente der PLCs ist zunaumlchst die Kultur der Zusammen-arbeit und der Gemeinschaft (DuFour 2004b) Seashore et al (2003 S 3) verwen-den den Begriff PLC dafuumlr um nicht nur das Interesse am sachorientierten Austausch und das Interagieren zu fokussieren sondern das Ermoumlglichen einer (schulweiten und klassenuumlbergreifenden) gemeinsamen Kultur in den Vordergrund zu ruumlcken um Ko-operation durch Klaumlrung von Werten Visionen und Uumlberzeugungen zu verwirklichen Die kritische Pruumlfung erfolgt erneut im Abgleich mit den Lernergebnissen der Ler-nenden wodurch die beiden anderen Leitmotive festgelegt werden das Lernen (der Lernenden) und der Fokus auf die Ergebnisse der Schuumllerinnen (als breites Verstaumlnd-nis Output Outcome Impact) Der Ansatz macht besonders auf die Bedeutung der Profl exion neben der Refl exion20 aufmerksam Innovation(en) Experimente (Proto-typen) und Leadership (als kongruentes Verhalten und Handeln) sind die unterstuumlt-zende Bedingung fuumlr die Entwicklung und Umsetzung einer gemeinsamen Kultur ge-tragen von Werten und Visionen (DuFour amp Eaker 1998 Hord 2004) Besonders Leadership traumlgt dazu bei sowohl Vertrauen als auch ein gemeinsames Zielbewusst-sein zu foumlrdern (Scribner et al 1999) Diese Herangehensweise unterscheidet wiede-rum die PLCs wesentlich von den CoPs und zeigt gleichzeitig auch ihre Einschraumln-kung(en) (vgl Tabelle 2)

Tabelle 2 Die grundlegenden Konzepte Communities of Practice und Professional Learning Communities

CoPs agieren nach dem Prinzip des Einschleifen-Lernens bzw Verbesserungslernens (bdquoSingle-Loop Learningldquo Argyris 1999 S 68 Scribner et al 1999) welches sich im Wesentlichen auf die Eff ektivitaumlt die Optimierung und das Problemloumlsen bezieht um bestehende Ziele (als Good Practice und Best Practice) sehr gut oder noch bes-ser zu erreichen Das Verbesserungs- und Optimierungslernen beguumlnstigt bdquodie Sta-

20 Durch Refl exion und Profl exion entsteht im Hier und Heute (Presence und Presencing) ein Prefl ectioning (Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018)

Konzept Zweck Gemeinschaft Kooperation Fokus

communities of practice

Wenger 2000Wenger McDermott amp Snyder 2002

Wissen schaffen erweitern aus tauschen reflektieren und personale Kompetenzen entwickeln

durch Fach-wissen und Leidenschaft fuumlr ein Thema

durch Lei-denschaft Engagement Verbindlichkeit Identifikation mit der Gruppe und ihrer gemeinsa-men Expertise

Verbesserungs-lernen

professional learning communities

Bolam et al 2005Stoll amp Sea-shore 2007

gemeinsame Werte und Visio-nen reflektieren teilen erweitern entwickeln

durch Fokus-sierung auf das Lernen (personal als in Gruppen) und gegenseiti-ge Vernetzung Unterstuumltzung und Partner-schaft

durch kollektive Verantwortung fuumlr das Lernen der Schuumllerinnen gegen-seitige Offenheit und Vertrauen

Veraumlnderungs-lernen

Implementation Transfer Progression und Transformation 99

bilisierung von gewohnheitsmaumlszligigen Wahrnehmungs- Erklaumlrungs- und Zielschemata bei gleichzeitiger Blindheit fuumlr potenzielle Nebenwirkungen Es ist vermutlich die haumlu-fi gste und problematischste Art lebenslangen Lernensldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 136) PLCs sollen die professionelle Refl exion und Profl exion foumlrdern und zu ge-meinsam entwickelten geteilten bdquoUumlberzeugungen Werthaltungen und Normenldquo (Bon-sen amp Rolff 2006 S 181) fuumlhren PLCs agieren nach dem Prinzip des Doppelschlei-fen-Lernens bzw Veraumlnderungslernens (bdquoDouble-Loop-Learningldquo Argyris 1999 S 68 vgl Scribner et al 1999) Auch nach Scharmer (2009) ist eine Veraumlnderung im-mer verbunden mit einem Hinterfragen der (eigenen bzw organisatorischen) Grund-prinzipien Werte Annahmen Uumlberzeugungen Beliefs und Normen Ohne Veraumln-derungslernen fuumlhrt eine bdquovoumlllige Erfolgslosigkeitldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 136) dennoch zu gewohnten Handlungsmustern und nicht zur Refl exionProfl exion uumlber die Angemessenheit von Handlungen bdquosondern wird aumluszligeren Umstaumlnden oder dem Interaktionspartner als Widerstand zur Last gelegtldquo (ebd)

Das Double-Loop-Lernen bzw Veraumlnderungslernen ist nach Argyris und Schoumln (1999) ungleich schwieriger und das Vorgehen kann grundsaumltzlich durch das Hinter-fragen des Verbesserungslernens als Innovation bezeichnet werden da die Refl exionProfl exion von Werten Haltungen und Sinn als Orientierungsrahmen (Bohnsack 2014) zu einer Veraumlnderung von Verhaltens- und Handlungsmustern als Orientie-rungsschemata im Sinne eines moumlglichen Wertewechsels fuumlhrt Bei einer aktiven For-mung einer Kultur der Zusammenarbeit arbeiten PLCs mit bdquoGlaubenssaumltzenldquo (Schratz 2014 S 19) der Beteiligten da bdquoMenschen daran glauben das Richtige zu tun wo-rin sich der Sinn fuumlr menschliches Tun konstituiertldquo21 Innovation und Entwicklung als Neuerung benoumltigt immer eine Veraumlnderung von bdquotief sitzenden Uumlberzeugungen und sozial ausgehandelten Praktikenldquo (Graumlsel amp Parchmann 2004 S 201) Werte und Haltungen lassen sich nicht bdquoschnurstracksldquo (Rolff 2015 S 56) entwickeln diese muumls-sen refl ektiert profl ektiert und gemeinsam (neu) durch Konsens und Dissens geschaf-fen werden Dabei fuumlhrt ein Konsens uumlber den Dissens meist auch zu einer Akzeptanz und nachhaltigen Veraumlnderung der (Kooperations-)Kultur Veraumlnderungslernen wird erst moumlglich wenn Personen und Lerngemeinschaft en Inkongruenzerfahrungen ma-chen oder durch explizites Feedback sensibilisiert werden wodurch eine Chance zur Akkommodation nach Piaget (1975) ermoumlglicht wird (Sieland Eckert amp Ebert 2013) Double-Loop Learning (jedoch gedacht als wendelfoumlrmige Spirale) ermoumlglicht einen erfolgreichen Aufb au von PLCs22 (Scribner et al 1999) Von PLCs kann erst gespro-chen werden wenn professionell und bewusst Ziele Uumlberzeugungen und Werte hinter-fragt und refl ektiertprofl ektiert werden bdquoohne vorzeitige Bestaumltigungserfahrung zu su-chenldquo (Sieland Eckert amp Ebert 2013 S 137) In diesem Sinne wird die Lerngruppe zu einer kooperativen Gemeinschaft refl ektierender Praktikerinnen (Schoumln 1991)

Vergleichsweise jung ist der Entwurf der Research Learning Communities (RLC) von Brown (2018 2017) fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwicklung RLC versteht sich

21 Das Vermeiden einer kritischen Auseinandersetzung und Analyse der Werte Uumlberzeugun-gen und Normen in Bezug zur gegenwaumlrtigen Praxis fuumlhrt (nur) zu einem Single-Loop-Lernen (Scribner et al 1999)

22 bdquoTh us the principles of double-loop learning can guide us in establishing professional learning communitiesldquo (Scribner et al 1999 S 157)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 100

als Lerngemeinschaft und -netzwerk d h die Beteiligten koumlnnen auch von einer Rei-he von Schulen zusammenkommen um als Gemeinschaft professionell zu lernen Der Ansatz beruht auf dem Prinzip der Research-Informed Teaching Practise und strebt an Daten Informationen und Wissen aus der Wissenschaft und Forschung in die Weiterentwicklung des Unterrichts einzubeziehen (bdquoresearch evidenceldquo Brown 2017 S 393) Dabei basiert der Ansatz der RLCs auf drei Kernideen (bdquocore ideasldquo) 1) Ein besonderes Ziel ist es die Lehrerinnen dabei zu unterstuumltzen ein neues Ver-

staumlndnis fuumlr und Verstehen von speziellen Herausforderungen bzw Problemen auf-zubauen und ihr Handeln vor dem Hintergrund von Forschungsdaten und -ergeb-nissen zu diskutieren und weiterzuentwickeln (Katz amp Dack 2013) Nach diesem Konzept sollen neue Praktiken und Strategien entstehen die in der Praxis ange-wendet werden und wodurch zusaumltzliches (Fach-)Wissen entwickelt werden kann (als eine bdquoknowledge creationldquo Brown 2017 S 389) Diese Idee entspricht grund-saumltzlich den CoPs und dem Verbesserungslernen

2) Veraumlnderungen irritieren meist die bisherige gegenwaumlrtige (Schul- bzw Unter-richts-)Kultur ndash im Sinne des Modells der Entwicklung und Verbesserung ndash und es besteht ein Risiko dass eine veraumlnderte Praxis daher auf Ablehnung stoumlszligt Aus diesem Grund muumlssen sich Personen an den Lerngemeinschaft en beteiligen die durch ihre Haltung und Werte sowie ihr Ansehen und ihre formale Stellung in der Schule tatsaumlchlich Veraumlnderungen inan einer Schule bewirken moumlchten und koumln-nen (als bdquothe right people in the roomldquo Brown 2017 S 390) Eine Schluumlsselrol-le kommt dabei der Schulleitung (bdquoleadershipldquo Brown 2017 S 391) und der Fuumlh-rungskultur (Schratz et al 2016) zu um Vor- und Leitbild zu sein (im Sinne von bdquowalk the talkldquo Brown 2017 S 390 Southworth 2009) Diese Idee greift den Ver-lust von Sicherheit und Stabilitaumlt im Sinne des Modells der Entwicklung und Ver-besserung auf und zeigt wie durch erfahrbare und erlebbare Fuumlhrung im Dialog und im Polylog neue Moumlglichkeitsraumlume fuumlr Entwicklung durch beziehungsorien-tierte Stabilitaumlt (nach Riemann 1975 als Naumlhe bezeichnet siehe dazu Abbildung 3 und 10) geschaff en werden koumlnnen

3) Die Veraumlnderungen und Entwicklungen brauchen die Begleitung von Personen die als Lernbegleiterinnen durch Krisen fuumlhren koumlnnen (als bdquocapacity [hellip] to lead changeldquo Brown 2017 S 391) Dabei spricht Brown (2017) v a die Notwendig-keit an Change Management in der Ausbildung von Schulleiterinnen und Schul-leitern fest zu verankern Grundsaumltzlich ist aber auch denkbar den Prozess durch professionelle Entwicklungsbegleiterinnen unterstuumltzen zu lassen Haumlufi g ist es von Vorteil wenn Universitaumlten und (Paumldagogische) Hochschulen in solche Re-search Learning Communities einbezogen werden um Partnerschaft en von Praxis und Wissenschaft und auch Schulbegleitforschungsprojekte zu entwickeln (Huber 2005 Bryk 2015 Datnow amp Hubbard 2016 Lai amp Schildkamp 2016 Campbell et al 2017) und als wissenschaft sorientierte Lernbegleitung zu agieren Die drit-te Idee bringt Stabilitaumlt in instabile Veraumlnderungsprozesse indem durch Bezie-hung Praumlsenz Haltung Begegnung und Begleitung eine Form von Bestaumlndigkeit geschaff en wird welche nach der Entwicklungsphase erneut Stabilitaumlt ermoumlglicht (siehe Abbildung 3)

Implementation Transfer Progression und Transformation 101

Der RLC-Ansatz erweitert das Konzept der PLCs indem Gruppen von Lehrpersonen aus verschiedenen Schulen in gemeinsamen Workshops auf der Basis von Forschungs-ergebnissen an einem sie interessierenden Th ema arbeiten (Brown 2017 S 390) Der Ansatz birgt durch die drei genannten Kernideen ein hohes Potenzial im Sinne von Gelingensbedingungen durch eine evidenzorientierte professionelle Schulentwick-lungsbegleitung wenn bull die CoPs wie auch die PLCs integrativ verbunden werden ohne die jeweiligen Dif-

ferenzen zu negieren bull die RLC kann dann als Denkfi gur der Begegnung zwischen den beiden Denkwei-

sen der Lerngemeinschaft en in Form einer eigenstaumlndigen Identitaumlt verstanden werden in der die Betrachtungsweisen als Vielfalt und Divergierendes wertschaumlt-zend und refl exivprofl exiv erhalten bleiben und

bull die Vorzuumlge sowohl der CoPs (Wissensmanagement) als auch der PLCs (Werte und Kultur der Zusammenarbeit) als Konfl ux vereint werden wodurch auch Lernab-wehrroutinen sowie Widerstaumlnde und Ablehnung welche in Lerngemeinschaft en entstehen koumlnnen durch Bereitschaft Bezogenheit und Vision(en) aufgeloumlst wer-den koumlnnten

Selbstverstaumlndlich muss in diesem Sinne die RLC als integrativer Ansatz verstanden werden und funktioniert nur als Erweiterung der beiden anderen Entwuumlrfe (CoP PLC) und nicht in bzw als Konkurrenz zu diesen Eine weitere Besonderheit ist das Meta-Lernen welches (verkuumlrzt) die Refl exion und Profl exion des Single- und des Double-Loop Learnings darstellt und im RLC-Ansatz eine zusaumltzliche Bedeutung gewinnen koumlnnte Die Idee des Meta-Lernens ist dass eine Lerngemeinschaft (oder eine lernende Schule) im eigenen Resonanzraum ergruumlndet was wie wann und wes-halb bei den Handlungen (Single-Loop) angepasst oder nicht anpasst wird bzw was wie wann und weshalb die Werte Annahmen Uumlberzeugungen Haltungen und Nor-men (Double-Loop) veraumlndert oder nicht veraumlndert werden (Argyris amp Schoumln 1999) Dabei werden das Wissen die (subjektiven) handlungsleitenden Th eorien und die Auswirkungen des Handelns mit den Wertvorstellungen und subtilen Denkmus-tern verbunden wodurch ein Wertewandel (Transformation) ermoumlglicht wird Die drei Entwuumlrfe (Single-loop- Double-loop- und Meta-Lernen) sind grundsaumltzlich als gleichwertig und als sowohl als auch zu verstehen

Jeder Prozessmusterwechsel ist risikoreich fuumlr eine lernende Organisation da er Abwehrreaktionen bewirken kann und Bestehendes infrage stellt (Kruse 2004) Wenn Schulen als lernende Organisation es schaff en z B ihre Lernabwehrroutinen zu veraumln-dern bzw Widerstaumlnde Ablehnung und Widerspruumlchlichkeiten aufzuloumlsen (vgl Graumlsel amp Parchmann 2004) um Single- undoder Double-Loop-Lernen zu ermoumlglichen und aktiv bewusst zu foumlrdern dann fi ndet in einem Triple-Loop zusaumltzlich Meta-Lernen statt (siehe Abbildung 7) Ein professioneller Umgang mit Widerstaumlnden und struktu-rellen und personalen Hindernissen ist erforderlich um fuumlr das Lernen den notwen-digen Entfaltungsraum in der Schule als lernende Organisation zu schaff en (Schratz 2017) Off ene Refl exionsprozesse benoumltigen fuumlr ihre Entwicklungsdynamik Feedback das sich in einem Resonanzraum durch bdquogut gedachtldquo und bdquospannendldquo konstruktiv

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 102

entwickelt (Schley amp Schratz 2005 S 253 Schratz 2017) Besonders die Einstellun-gen und Haltungen der Beteiligten gegenuumlber Entwicklungen und ihre Uumlberzeugun-gen fuumlr eine aktive Umsetzung von Veraumlnderungen wie auch der Wandel von subjek-tiven Th eorien sind entscheidend (Graumlsel amp Parchmann 2004 Timperley amp Phillips 2003) Beim Meta-Lernen ergruumlndet eine lernende Schule im eigenen Resonanzraum wie wann und weshalb Handlungen angepasst oder nicht anpasst bzw wie wann und weshalb die Werte Annahmen Haltungen usw veraumlndert oder nicht veraumlndert wer-den (vgl Argyris amp Schoumln 1999)

Diese Idee greift die Vielfalt des (Er-)Lernens durch Kooperation auf und die Not-wendigkeit dass (angehende) Lehrerinnen und Lehrer in Kooperationsgemeinschaft en (Vergemeinschaft ung und Gemeinschaft sgefuumlhl) sich als Gruppe foumlrdern entwickeln in Frage stellen und durch Dissens-Konsens-Erfahrungen (persoumlnliche und gemein-same) Transformation als Wandel Bereicherung und (Lebens-)Ressource sehen koumln-nen

Kerngedanke 5 eine lernende Schule entwickeln und etablieren

Kerngedanke 5 speist sich erneut aus dem Modell der Entwicklung und Verbesserung Wir oumlff nen hier eine weitere Tuumlr indem wir den Gedanken einer lernenden Schule als Moumlglichkeitsraum fuumlr eine Kultur des Veraumlnderns und Optimierens etablieren Damit moumlchten wir die professionellen Lerngemeinschaft en als Bedingung fuumlr ein professionelles organisationales Lernen verstehen und ihre Bedeutung nochmals hervorheben

Lernende Schulen verstehen sich als sich stabilisierende optimierende zielorientier-te entwickelnde und wert- bzw sinnorientierte Organisationen (Learning Schools) und sind soziale Systeme die selbst lernfaumlhig sind und lernende Kooperationen (Lern-gemeinschaft en und -netzwerke) gestalten Ausgangspunkt ist dabei dass Organisa-tionen und (soziale) Systeme nur uumlber Menschen lernen koumlnnen (Dalluege amp Franz 2015 Schratz 2017) Es beginnt mit bdquoMenschen die Ideen haben ndash Ideen die verbin-

WerteAnnahmenStrategienHaltungen

HandlungenUumlberpruumlfung der Konsequenzen und Ergebnisse

zufrieden(stellend)

nicht zufrieden(stellend)unerwartetggf gescheitert

Reflexion und Proflexion desLernprozesses

Communities of Practice Single-Loop-Lernen

Professional Learning Communities Double-Loop-Lernen

Research Learning Communities Triple-Loop-Lernen (Meta-Lernen)

Abbildung 7 (Lern-)Gemeinschaften und ihre Moumlglichkeitsraumlume (eigene Darstellung)

Implementation Transfer Progression und Transformation 103

denldquo (Sprenger 2018 S 188) Das Schaff en von Schulqualitaumlt versteht sich in diesem Sinne als eine Aufgabe aller Beteiligten vor Ort die durch ihre Handlungen Taumltig-keiten Praumlsenz Beziehungen und Haltungen entsteht und nicht an einzelne Perso-nen an eine Qualitaumltsabteilung oder ans Management abgegeben werden kann Sys-tem- und Organisationslernen als Entwicklung der Schule ist ein zyklischer sowohl oft mals kreisfoumlrmiger aber auch wendel- und spiralfoumlrmiger Prozess zu einem verbes-serten und kontinuierlich wachsenden Wissen und Verstaumlndnis uumlber die eigene Schu-le und deren (progressive) Entwicklung (vgl Fiol amp Lyles 1985) Organisationen wer-den nur uumlber Menschen taumltig daher stellt das personale Lernen den Kern jeglichen organisationalen Lernens dar (Heimerl-Wagner 1992) Lernen muss jedoch auch an den Strukturen und Prozessen (Ordnung) Strategien und Zielen Visionen und Wer-ten einer Organisation durch professionelle Lerngemeinschaft en erfolgen (siehe Abbil-dung 8) Zwischen dem personalen und dem organisationalen Lernen besteht somit ein Zusammenhang in Form einer Wechselbeziehung Bezogen auf Organisationen ruumlckt fuumlr Lernprozesse dann die Kommunikation und die Gemeinschaft in den Vor-dergrund bdquoWaumlhrend Lernen auf individueller Ebene ein psychischer Vorgang ist han-delt es sich bei ihm auf kollektiver Ebene um ein kommunikatives Phaumlnomenldquo (Kli-mecki Laszligleben amp Th omae 1999 S 7)

Abbildung 8 Das Zusammenwirken von personalem und organisationalem Lernen (eigene Darstellung)

Wir argumentieren mit Brown et al (2017) dass zur Verbesserung einer Schule eine Integration von verschiedenen Ansaumltzen Modellen Th eorien und Daten bedeutsam ist da die Staumlrken eines Ansatzes jeweils die Schwaumlchen eines anderen ausgleichen (koumlnnen) Um ein Struktur- und Prozessmodell zu entwickeln das Schulen als ler-nende Organisationen befaumlhigt sowohl Verbesserungslernen in strukturierter Form zu bewaumlltigen als auch Veraumlnderungslernen zu ermoumlglichen integrieren wir die diversen Ansaumltze aus Kernidee 4 zu einem umfassenden Struktur- und Prozessmodell des Ver-besserungs- und Veraumlnderungslernens

Brown et al (2017) kombinieren den in Kernidee 4 angesprochenen Ansatz der Research Learning Communities (als Weiterentwicklung des Unterrichts auf der Basis vorhandener wissenschaft licher Forschung Brown 2017) mit dem Ansatz der Data-Teams (einem Prozessmodell zur Weiterentwicklung der Qualitaumlt von Schule und Unterricht auf der Basis von schulbezogenen [teils selbst gesammelten] Daten Schild-kamp amp Ehren 2012) Aus der Kombination dieser beiden Ansaumltze entsteht das Mo-dell des bdquoEvidence informed School and Teacher Improvement (ESTI)ldquo (Brown et al 2017) das einen Ablauf der kooperativen Entwicklungsarbeit auf der Basis von schul-bezogenen Daten und wissenschaft lichen Ergebnissen vorschlaumlgt

Personales Lernen

Wandel

der Ziele

Modifikation

der Ordnung

Veraumlnderung

der Vision

Transformation

der Werte

Organisationales Lernen

Wandel

der Ziele

Modifikation

der Ordnung

Veraumlnderung

der Vision

Transformation

der Werte

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 104

Insgesamt ist jedoch eine Integration aller drei Ansaumltze erforderlich um sowohl Einschleifen- als auch Zweischleifen-Lernen und die Einbeziehung von Forschungs-daten zu unterstuumltzen Daraus kann ein Prozess in 10 Schritten abgeleitet werden des-sen erste acht Schritte des Verbesserungslernens in Anlehnung an den Ansatz der ESTI (Brown et al 2017) im Sinne einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichts-entwicklung wie folgt beschrieben werden koumlnnen 1) Zielsetzung und Initialphase Ziel- und Leitbilder sowie messbare und realistische

Ziele werden gesetzt und Evidenzen gesammelt um die aktuelle Situation in Bezug zu diesen Zielen zu beurteilen Diskrepanzen zwischen Ist- und Soll-Zustand die-nen zur Identifi zierung von Problemen Aufgaben oder paumldagogisch-schulischen Herausforderungen Die Bereitschaft sich sachorientiert mit Problemen und Louml-sungen auseinanderzusetzen wird aktiviert

2) Identifi zierung moumlglicher Problemursachen und Ordnen der Daten Lokales Fach-wissen (auch in Form informeller Daten) sowie vorhandene und direkt verfuumlgbare Daten Informationen und (Praxis-)Wissen werden genutzt um die Th emenfelder und Phaumlnomene in Bezug auf die Entstehung die Herausforderungen und moumlgli-che Ursachen der in Schritt 1 vorliegenden und identifi zierten Th emen Probleme und Aufgaben systematisch zu ermitteln

3) Refl ektieren der Datensammlung Referenzdaten als Evidenzen uumlber die Schule und Forschungsdaten als allgemeine wissenschaft liche Informationen zu den identifi -zierten Th emenfeldern werden uumlber die in Schritt 2 identifi zierten Th emen Phauml-nomene Aufgaben und moumlglichen Ursachen umfassend gesammelt gesichtet und refl ektiert Gegebenenfalls koumlnnen die vorhandenen und verfuumlgbaren Evidenzen durch gezielte Datenerhebungen an der Schule ergaumlnzt werden Je nach Problem-stellung kann etwa die Entscheidung fallen eine Zufriedenheitsbefragung unter Schuumllerinnen und Schuumllern oder Eltern durchzufuumlhren oder vorhandene standar-disierte Kompetenztests (Lese-Screening Instrumente fuumlr eine informelle Kompe-tenzmessung ndash IKM oAuml) an der Schule systematisch einzusetzen

4) Qualitaumltsanalyse und erste Integration Die Qualitaumlt der gesammelten Evidenzen wird uumlberpruumlft und die fuumlr die Untersuchung der Phaumlnomene Herausforderungen und moumlglichen Ursachen notwendigen Analysen werden durchgefuumlhrt diskutiert und konsensgegruumlndete Konzepte erstellt Ein wichtiger Aspekt in diesem Schritt ist die Zusammenschau der verschiedenen Datenquellen und die Integration der Erkenntnisse aus schulbezogenen (vorhandenen und gesammelten) Daten sowie Forschungserkenntnissen

5) Schlussfolgerung Basierend auf der Qualitaumltsanalyse und einer ersten Integration enstehen Entwuumlrfe Schluumlsse und Entscheidungen hinsichtlich der Th emen Phauml-nomene Aufgaben und moumlglichen Ursachen indem die gewonnenen Erkenntnisse vor dem Hintergrund des standortbezogenen Wissens auf den Kontext der Schule bezogen und im zeitlichen Zusammenhang verortet werden

6) Suche nach Prozessen und Aktionen Aufb auend auf diesem breiten Buumlndel an Evi-denzen werden (neue oder geaumlnderte) Maszlignahmen Prozesse Prototypen und moumlgliche Loumlsungen entwickelt und geschaff en

Implementation Transfer Progression und Transformation 105

7) Entwicklung einer Strategie Basierend auf den Evidenzen die in den vorherigen Schritten gesammelt diskutiert und kooperativ durchgearbeitet wurden wird eine Strategie entwickelt die sich an Handlungsentwuumlrfen durch Prozessverbesserungen und Maszlignahmen orientiert

8) Erste Evaluierung Die Strategie wird erprobt zyklisch verfeinert ggf in der Schule bzw im Unterricht ausgerollt und fortlaufend evaluiert bzw hinterfragt Hier sollte die Bezugnahme auf die in Schritt 1 defi nierten Ziele erfolgen

Brown et al (2017) sowie Steinkellner und Wiesner (2017) weisen darauf hin dass der bewusste Einsatz eines systematischen und systemischen Fragezyklus wichtig ist Das kann vor uumlbereilten Entscheidungen schuumltzen die ausschlieszliglich auf persoumlnlicher Beurteilung bzw Empfi ndungen basieren welche oft unzuverlaumlssig und fuumlr Vorurtei-le anfaumlllig sind Aus dem Blickwinkel einer lernenden Schule ist Lernen in einer Or-ganisation immer sowohl ein personaler als auch ein kollektiver systemischer Prozess (Geiszligler 1996 S 267)

Nun sind die oben beschriebenen acht Schritte fuumlr sich genommen allerdings vor allem dazu geeignet Verbesserungslernen gezielt auf Daten zu beziehen Forschungs-ergebnisse einzubeziehen und den Prozess der Optimierungsbestrebungen zu struk-turieren Dies birgt mittelfristig allerdings das Risiko der Frustration naumlmlich dann wenn die Moumlglichkeiten des Verbesserungslernens an seine Grenzen stoszligen (sie-he Kernidee 1) In Systemen wie auch bei Personen treten dann bei Veraumlnderungen von Strukturen und einem bloszligen Verbesserungslernen (wie es in den CoPs und in der Grundform der Data Teams bzw des ESTI stattfi ndet) ohne Beachtung der Be-deutung des Veraumlnderungslernens (PLC) meist lernwidrige Abwehrroutinen als syste-matisches und systemisches Reaktions- und Handlungsmuster auf Dadurch koumlnnen nachhaltige Lernblockaden in Systemen und bei Personen auft reten und sich langfris-tig etablieren (Argyris 1996) Eine Vorgehensweise ausschlieszliglich auf der Basis von Veraumlnderungslernen wie es die PLCs unterstuumltzen birgt andersherum das Risiko das System mit neuen kreativen Ideen moumlglicherweise zu uumlberfrachten weil die Struktu-ren des Verbesserungslernens fehlen um die Phase der groszligen Instabilitaumlt die durch den Schritt Richtung Next Practice erzeugt wird zu uumlberwinden und die neuen Her-angehensweisen Sichtweisen und Prozesse zu stabilisieren und zu optimieren ndash und damit sozusagen auf den Boden zu bringen Die Stabilisierung von Entwicklungen ge-schieht maszliggeblich durch die Kernidee des RLC-Ansatzes indem durch die Bezie-hungsorientierung eine Form von Bestaumlndigkeit geschaff en wird (in unserem Beitrag in den Kerngedanken 4 integriert)

Schul- und Unterrichtsentwicklung benoumltigt daher einerseits immer ein breites Buumlndel von Evidenz(en) unterschiedlicher Qualitaumlt und Auspraumlgung (Daten Infor-mationen Wissen) und entsprechende Strukturen um diese in den Qualitaumltsentwick-lungsprozess einzuspeisen Andererseits muumlssen die vorgestellten Schritte des Verbes-serungslernens unbedingt durch ein zweites eher wendelfoumlrmiges Lernen ndash gedacht als Aufwaumlrtsspirale und nicht als Schleife23 ndash ergaumlnzt werden So kann der Ansatz der

23 Wir vertreten die Ansicht dass Lernprozesse weniger in Schleifen zu denken sind als in Auf-waumlrtsspiralen und Begriff e wie wendelfoumlrmiges Lernen sinnvoller erscheinen wuumlrden

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 106

ersten acht Schritte im Sinne des Verbesserungslernens der auf eine Optimierung der Handlungen und Handlungsstrategien fokussiert ergaumlnzt werden um eine Komponen-te des Veraumlnderungslernens Diese Vorgehensweise kann als Kultur- und Wertearbeit (im Sinne der Transformation von und durch Fuumlhrungskultur) verstanden werden in-dem die ersten acht Schritte erweitert werden damit Schule von der Zukunft her ent-wickelt werden kann9) Mehrperspektivitaumlt und Erweiterung des Moumlglichkeitsraums durch Perspektivenwech-

sel Die Schritte 1ndash8 entsprechen der Arbeit im System und verfolgen i d R die Verbesserung und Optimierung vorhandener Prozesse In Schritt 9 versucht die Lerngemeinschaft nun aus dem System herauszutreten und einen externen dis-tanzierten Blick auf das System sowie den Verbesserungsprozess zu werfen Da-durch koumlnnen Aumlnderungsimpulse (siehe Kerngedanke 1 in diesem Beitrag) ent-stehen die die Veraumlnderungsbereitschaft aktivieren und anregen (als Neugier und Faszination) Durch die Veraumlnderung von Perspektiven indem die Sachebene ver-lassen wird und der Prozess auf einer Metaebene mit Bezug auf die Sachorien-tierung und die Beziehungsorientierung (Grundprinzipien und Werte) refl ektiert wird endet das Verteidigen von Standpunkten Es werden Lehren aus den vergan-genen Erfolgen und Misserfolgen aus den gemeinsamen Irrtuumlmern und Erkennt-nissen gezogen jeder der ersten acht Schritte wird nochmals unter der Perspekti-ve der eigenen und gemeinsamen Werte Haltungen Grundprinzipien Strategien Annahmen und als ein Erkunden von Standpunkten als Fragender zuruumlckdenkend refl ektiert (Fischer 2007 Fischer-Buck 2004 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) und diskutiert Mithilfe von imaginativen Prototypen koumlnnen Konsequenzen moumlglicher Veraumlnderungen durchgearbeitet werden Scharmer (2009) nennt diesen Prozess auch bdquovon sich als einem Teil des Ganzen her sprechendldquo Besondere Auf-merksamkeit wird auf die (Selbst-)Refl exionProfl exion und das Feedback gelegt um Wirkungen und Nebenwirkungen sowie Ruumlckfalltendenzen zu thematisieren

10) Transformation durch entstehende Moumlglichkeiten Die Beteiligten als Ort kollekti-ver Kreativitaumlt denken als Gefragte (in die Zukunft ) voraus sie bdquoprofl ektierenldquo (Fi-scher 2007 vgl Wiesner Schreiner Breit amp Angerer 2018) um Schule an Evi-denz(en) orientiert aus einer entstehenden Zukunft her zu entwickeln Scharmer (2009) nennt diesen Prozess bdquovon der entstehenden Moumlglichkeit her sprechendldquo als ein schoumlpferisches Handeln welches zu einem Wertewandel durch Integration (als Verinnerlichung) fuumlhren kann In diesem Schritt koumlnnen Aumlnderungen in der Hal-tung den praumlgenden Werten und damit zusammenhaumlngend der Vision der Schu-le erfolgen An dieser Stelle sollen im Besonderen Prozesse des Meta-Lernens an-gestoszligen werden um Veraumlnderungen und Musterwechsel moumlglichst nachhaltig zu integrieren

Nach Schritt 10 erfolgt erneut Schritt 1 (vgl dazu auch Abbildung 10) Im Zentrum der Refl exion und Profl exion in den Schritten 9 und 10 stehen sowohl Visionen als auch Zielbilder aber auch Haltungen und Werte Dadurch wird ein erneuter Durch-gang der Schritte 1 bis 8 auf der Basis von veraumlnderten Visionen Werten und Haltun-gen auf eine naumlchsthoumlhere Ebene gehoben

Implementation Transfer Progression und Transformation 107

Lernende Schulen sind nach Argyris amp Schoumln (1999 S 9) zu verstehen als ein bdquoaus vergangenen Erfolgen und Misserfolgen Lehren ziehen die Irrtuumlmer der Vergangen-heit aufspuumlren und korrigieren bevorstehende Bedrohungen erahnen und darauf re-agieren experimentieren staumlndig innovativ sein und Bilder einer erstrebenswerten Zukunft aufzeigen und realisieren muumlssenldquo Ein erfolgreiches Qualitaumltssystem muss demnach sowohl Ziel Weg und Kultur beruumlcksichtigen (Dalluege amp Franz 2015) sollte aber auch Evidenzorientierung als Moumlglichkeit der Horizonterweiterung entste-hender Zukunft verstehen

Kerngedanke 6 ein Rahmen- und Orientierungsmodell

Jedes Modell ndash auch jeder Entwurf eines Modells ndash benoumltigt einen Rahmen welcher so-wohl die Moumlglichkeiten als auch die Grenzen aufzeigt Modelle sind Entwuumlrfe sie sind nicht auf Dauer stabil bilden jedoch fuumlr eine gewisse Zeit einen Rahmen fuumlr das Denken und Diskutieren Modelle sind gepraumlgt von der Kultur und den Denkmodellen der Zeit Wir stellen in diesem Kerngedanken ein zyklisches wendelfoumlrmiges Modell fuumlr eine evi-denzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung vor ndash als eine Moumlglichkeit Ein Mo-dell das sowohl die Optimierung als auch die Entwicklung beherbergt sollte auch selbst dynamisch bleiben und von einem eindeutigen Ursache-Wirkungs-Prinzip Abstand neh-men Wichtig erscheint jedenfalls dass ein Entwicklungsmodell nicht ohne den Aspekt der Refl exion auskommt und Refl exionsleistungen sowie die Ergebnisrichtung nicht an-weisbar oder steuerbar sind Refl exions- und Profl exionsarbeit ermoumlglichen implizites Wissen in (neue) Konzepte und Konstrukte zu integrieren wodurch Wege zu einer Next Practice eroumlff net werden

Professionelles Handeln mit Bezug auf Verbesserungs- Veraumlnderungs- und Meta-Ler-nen erfordert eine professionelle Qualitaumlt von Feedback und professionelle Refl e-xions-Profl exionsarbeit Professionelles Handeln zeichnet sich dadurch aus dass es bdquobegruumlndet methodisch geleitet fall- und situationsangemessenldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 221) und auch nebenwirkungsbewusst ist Die professionelle Praxis ist wiede-rum bdquokomplex ungewiss mehrdeutig einzigartig und von Wert- und Interessenkon-fl ikten gepraumlgtldquo (Horster amp Rolff 2006 S 68)

Die Idee einer refl exivenprofl exiven Entwicklungsorientierung als Paradigma ent-spricht grundlegend der bdquoFunktion der Schul- bzw Unterrichtsentwicklungldquo (Wurs-ter Richter Schliesing amp Pant 2013 S 24) und grenzt sich maszliggeblich ab von einem bdquoParadigma der Kontrolleldquo (Terhart 2002 S 63) einem verkuumlrzten Verstaumlndnis von Entwicklung als bloszlige bdquoExternalisierung der schulischen Leistungsbeurteilungldquo (Alt-richter amp Kanape-Willingshofer 2012 S 356) und der Strategie bdquobessere Leistungen der Schuumllerinnen durch regelmaumlszligige Rechenschaft slegungldquo (ebd S 357) zu errei-chen Gefordert ist vielmehr systematisch und systemisch betriebene eigenstaumlndige Qualitaumltsentwicklung am Standort durch Heranziehung von externen und internen Evidenz(en) die bdquozu einer zyklischen Bewegungldquo fuumlhren (Schratz Iby amp Radnitzky 2000 S 10) die bdquoso sie erfolgreich ist in Form einer Spirale aufwaumlrts fuumlhrtldquo (ebd)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 108

Entwicklungsorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung fuumlhrt die Qualitaumltsarbeit mit interner und externer Evidenz zusammen und akzeptiert nicht das (immer noch) weit verbreitete Missverstaumlndnis dass extern erhobene Daten und Informationen zu einer Schule oder dem Unterricht vor Ort als reine Fremdevaluation zu begreifen sind (Specht 2002) Besondere Aufmerksamkeit erfahren dabei nun Kontextdaten wie z B die bdquoaff ektiven und sozialen Wirkungenldquo (Ditton 2000 S 75) die bdquoMerkmale des Unterrichtsldquo (ebd) die komplexen Prozesse24 in der Schule und im Unterricht sowie die Orientierung an Kompetenzen (Weinert 2001) und die Ergebnisse von Kompe-tenzmessung (Leutner Fleischer Gruumlnkorn amp Klieme 2017) In den Hintergrund tre-ten bloszlige Leistungsvergleiche oder die Erwartung der reinen Verbesserung von Leis-tungsergebnissen (als Punktwerte) Besonders das Rahmenmodell von Helmke (2004) entspricht der Entwicklungsorientierung durch die zentrale Positionierung der Refl e-xionsarbeit und zeigt den paumldagogischen Nutzen von Daten und Informationen in der Schul- und Unterrichtsentwicklung

Das Modell von Helmke (2004) wird z B als Rahmen im Bereich der paumldagogi-schen Nutzung von Vergleichsarbeiten in Hamburg (Th onke amp Luumlcken 2015) oder als Rahmenmodell zur Beschreibung von Schulinspektion (Wurster et al 2013) herange-zogen Aus diesem Originalmodell von Helmke (2004) entwickelte sich in Oumlsterreich prozesshaft fuumlr das Arbeiten mit Evidenz(en) aus den Bildungsstandarduumlberpruumlfungen in den letzten Jahren ein Entwurf fuumlr ein weiterentwickeltes spezifi sches und erwei-tertes Rahmenmodell (Wiesner Schreiner amp Breit 2015 Schreiner amp Breit 2016) Zur Teilpruumlfung25 der zentralen Dimensionen Rezeption ndash Refl exion ndash Aktion aus diesen beiden Rahmenmodellen wurden von uns im Zuge der oumlsterreichischen Bildungsstan-darduumlberpruumlfung Schulleiterinnen und Lehrerinnen zur Schulentwicklungsarbeit be-fragt (Wiesner et al 2016) Die fuumlr die im Folgenden praumlsentierten Analysen verwen-deten Daten entstammen den Standarduumlberpruumlfungen zu Mathematik aus den Jahren 2017 (M8) und 2018 (M4) bei denen alle Schulleiterinnen und Schulleiter der Se-kundarstufe 1 und der Grundschule (VS) in Oumlsterreich zur Schulentwicklungsarbeit auf Basis von Ruumlckmeldungen aus der Standarduumlberpruumlfung befragt wurden Zusaumltz-lich wurden im Fruumlhjahr 2018 Lehrpersonen befragt Bei den Lehrpersonen handelt es sich um all jene die im Schuljahr 201718 eine vierte Klasse Grundschule unterrichtet haben und damit zur Zielgruppe der Lehrerruumlckmeldung aus der Standarduumlberpruuml-fung zu Mathematik 4 gehoumlrten26

24 Prozesse beinhalten sowohl Entwicklung als auch Optimierung und sollen in Abgrenzung zu Produkten und Maszlignahmen verstanden werden Ein Prozess ist eine Struktur deren Elemente Aufgaben Aufgabentraumlger Sachmittel sowie Daten Informationen und Wissen sind die durch Beziehungen verknuumlpft und verbunden sind und durch Ziele Visionen Werte und Uumlberzeu-gungen bestimmt werden

25 Eine Analyse der Zusammenhaumlnge zwischen den drei Konstrukten Rezeption Refl exion und Aktion erfolgte mittels eines Strukturgleichungsmodells Im vorliegenden Fall wird entspre-chend den theoretischen Annahmen von Helmke (2004) davon ausgegangen dass die Refl e-xion eine intervenierende (mediierende) Rolle zwischen dem Rezeptionsprozess und den kon-kreten Handlungen einnimmt

26 Informationen uumlber das zugrundeliegende Studiendesign und die Stichproben sind den Bun-desergebnisberichten (Schreiner et al 2018) zu entnehmen

Implementation Transfer Progression und Transformation 109

Abbildung 9 Die Bedeutsamkeit der Refl exion in Entwicklungsprozessen Ergebnisse aus der Begleitforschung zu den Bildungsstandards27 (eigene Darstellung)

Die Ergebnisse aus der Begleitforschung (vgl Abbildung 9) unterstreichen die Bedeu-tung von Refl exionsprozessen in der evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsent-wicklung (Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) Die Rezeption von Evidenz(en) wirkt sich bei den Schulleitungen stark auf die Refl exionsarbeit (mit Werten knapp uumlber 08) aus welche in hohem Maszlige Aktion als (bewusste) Handlungen (095) der Schulleitungen initiiert Signifi kante direkte Eff ekte von der Rezeption auf die Ak-tion sind indes nicht zu beobachten Aumlhnliche Eff ekte lassen sich bei den Schullei-tungen in der Grundschule (M4) feststellen Im Unterschied zu den Schulleitungen ist der Zusammenhang zwischen der Rezeption und der Refl exion (023) bei Lehrper-sonen allerdings deutlich geringer was bedeutet dass aktuell weniger Lehrkraumlft e in Oumlsterreich nach dem Rezipieren von Evidenz(en) uumlber diese auch refl ektieren Auch bei den Lehrkraumlft en haumlngt die Refl exion allerdings in starkem Maszlige mit Handlun-gen (076) zusammen d h werden Evidenz(en) refl ektiert dann werden Handlun-gen (Aktion) davon auch stark beeinfl usst (Schreiner Breit Wiesner amp George 2018 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018)

Die vorliegenden Ergebnisse waren unsere Widerfahrnisse woraus Ideen und Pro-totypen fuumlr eine spezifi sche und zyklische Transformation des Modells ermoumlglicht wurden Der Ursprung fuumlr die stetige Veraumlnderung des Ursprungsmodells ist einer-seits in den Ergebnissen der Begleitforschung des BIFIE zu fi nden und andererseits durch die gemeinsame Gestaltung einer Professional Learning Community (PLC) in der Anregungen und Impulse im Bereich der Th eorie-Praxis-Problematik entstanden sind (siehe Abbildung 10)

Nach dem wendelfoumlrmigen Salzburger Entwicklungsmodell gestaltet sich erfolgrei-che und gelungene Schul- und Unterrichtsentwicklung immer als bdquodas Zusammen-wirken aller Moumlglichkeitenldquo (Petzold 2007 S 242) als die Synergie der Gruppe Ein

27 Herzlichen Dank fuumlr die intensive Mitwirkung an diesem Projekt und die statistischen Analy-sen an Dr Ann Cathrice George

Rezeption Reflexion Aktion

Anmerkungen

Lehrpersonen LL M4 Bildungsstandarduumlberpruumlfung in Mathematik 4 SSt n = 2117

p le 005 CFI = 089 TLI = 087 RMSEA = 008 SRMR = 005

Schulleitungen SL M4 Bildungsstandarduumlberpruumlfung in Mathematik 4 SSt n = 2510

p le 005 CFI = 089 TLI = 087 RMSEA = 009 SRMR = 006

Schulleitungen SL M8 Bildungsstandarduumlberpruumlfung in Mathematik 8 SSt n = 1294

p le 005 CFI = 093 RMSEA = 008 SRMR = 006

SL M8 ndash07 SL M4 ndash09

SL M8 83

SL M4 82

SL M8 95

SL M4 88

LL M4 23 LL M4 76

LL M4 ndash01

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 110

Konfl ux aller Kraumlft e Faumlhigkeiten und Fertigkeiten der an der Schul- und Unterrichts-entwicklung beteiligten Personen als fl ieszligendes Zusammenspiel und -wirken im je-weiligen Kontext (je nach Th ema und Situation) und im zeitlichen Verlauf (Konti-nuum Petzold 2007)28 Das Modell beinhaltet sowohl ein Verbesserungslernen im Verstaumlndnis eines Kreislaufs nach der RADAR-Systematik (Result ndash Approach ndash De-ployment ndash Assessment ndash Refi nement) welcher auf dem Plan-Do-Check-Act-Kreis (PDCA-Kreis) basiert (Moll 2012) als auch das Veraumlnderungslernen als wendelfoumlrmi-gen Prozess (Initialphase ndash Refl exions-Profl exionsphase ndash Integrations-Neuorientie-rung-Aktionsphase ndash Evaluationsphase siehe Abbildung 10)

Die Initial- und Rezeptionsphase (Wiesner et al 2016) bzw bdquoInitiierungsphaseldquo (Bartz 2013 S 163) oder schlicht bdquoRezeptionldquo (Helmke 2009 S 312 Helmke 2004 S 101) dient dem bewussten Wahrnehmen der Phaumlnomene Th emen und Situationen in bestimmten innerschulischen Prozessen und einzelschulischen Kontexten in denen mit denen und uumlber die in einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwick-lung ko-respondiert werden kann ndash im Sinne des Miteinanderantwortens unter Be-ruumlcksichtigung der jeweiligen Kontexte und des zeitlichen Verlaufs Diese Phase er-moumlglicht ein vielfaumlltiges Sammeln ein Wahrnehmen Formulieren Artikulieren und Identifi zieren sowie ein erstes exploratives Erkennen von Potenzialen Ideen Defi zi-ten Problemen sowie Loumlsungs- und Moumlglichkeitsraumlumen als vielfaumlltige Wirklichkeit aus unterschiedlichsten Blickwinkeln durch Evidenz(en) (Petzold 2007 Wiesner et al 2016) Durch eine fokussierte Wahrnehmung und das Erkennen von Th emen und Si-tuationen in Verbindung mit innerschulischen Prozessen und einzelschulischen Kon-texten entstehen erste Chancen des Selektierens beim Sammeln und Einbringen von Daten Informationen und Wissen durch alle Beteiligten sowohl auf der Sachebene als auch auf der Haltungs- Werte- und Sinnebene In der Initialphase werden beispiels-weise Vermutungen formuliert die eigene und gemeinsame Aufmerksamkeit auf moumlg-liche Schwaumlchen wie auch Potenziale gelenkt und u a bdquogedachteldquo (aber noch nicht vorhandene) Probleme artikuliert Die Perspektiven werden durch das Sammeln von Daten und Informationen erweitert und Beziehungen zwischen Daten Informationen und Wissen sortiert sowie z B nach Relevanz geordnet

Die Refl exions- amp Profl exionsphase (Wiesner et al 2016 Bartz 2013) bzw bdquoRe-zeptionldquo (Helmke 2004 S 101) kann als fokussiertes Erfassen und Verstehen sowie Weiterwirken der Initialphase verstanden werden wobei eine Th ematisierung durch fokussierte Praumlsenz erfolgt und inspirative Loumlsungen konkurrierende Loumlsungsaspek-te oder neue Perspektiven hinsichtlich Th emen oder Situationen entstehen (Petzold 2003) die noch als Probleme oder Defi zite bezeichnet werden Es handelt sich da-bei um eine professionelle Auseinandersetzung (KonsensDissens) aller Beteiligten mit Evidenzen Eine professionelle vertiefende Refl exion und Profl exion ist als entwick-lungsorientierte (Schul- und Unterrichts-)Kulturarbeit verstanden die entscheidende Phase im gesamten Prozess (Helmke 2004 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018)

28 In der Praxis genuumlgt es oft mals den kontextuellen Rahmen bewusst zu machen um bdquodann das Th ema klarer vor seinem Hintergrund zu sehen Vielfach aber muss KontextKontinuum selbst erst detailliert zum Th ema werden ehe ein Sachthema oder ein situatives Problem adaumlquat an-gegangen werden kann denn auch ein Th ema hat seinen Kontext und steht nicht jenseits der Situationldquo (Petzold 2003 S 118 f)

Implementation Transfer Progression und Transformation 111

und benoumltigt ein ko-respondierendes ko-kreatives und damit ko-operatives Zusam-menwirken durch gelingende Teamarbeit Gemeinschaft und Buumlndnisse Neben einem Diskurs uumlber Fragen des Lehrens und Lernens und der Th ematisierung von Kontex-ten sollen besonders auch (Re-)Visionen und praumlgnante Ziele sowie neue veraumlnder-te Zielbilder durch Veraumlnderungslernen (Double-loop Learning) ermoumlglicht werden Der Diskurs uumlber Fragen des Lernens und Lehrens widmet sich beispielsweise dem kompetenzorientierten Unterricht und den Dimensionen der Kompetenzorientierung (Steinkellner amp Wiesner 2017) wie der kognitiven motivationalen und sozialen Akti-vierung der lebensweltlichen Anwendung und Wissensvernetzung dem professionel-len Feedback der Lernbegleitung der Haltung und Klassenfuumlhrung oder spezifi schen Th emen wie dem Classroom Walkthrough (Schwarz 2013) Verbindungen zwischen Annahmen Vermutungen Informationen und Daten werden aktiv und systematisch hergestellt und Beziehungen geordnet um Zusammenhaumlnge in den Th emen und Situ-ationen zu verstehen

Der Integrations- und Neuorientierungsphase bzw bdquoAktionldquo (Helmke 2009 S 312) kommt bdquodie Aufgabe der kritischen Auswertungldquo (ebd) zu hat sie doch das Ziel Veraumlnderungen oder Verbesserungen praumlgnant fokussiert und praumlsent zu ma-chen also bdquoden Sinn des Geschehens seine Bedeutung hervorzuheben das Erarbeite-

Um

setzen

V

erb

ess

ern

Planen

Uumlberpruumlfen

Qualitaumlts-verbesserung

(Kreislauf)

Qualitaumlts-entwicklung

(Spirale)

Qualitaumlts-transformation

als Prozess

Qualitaumltskontrolle

plan

do

check

act

Initital- und Rezeptionsphase Staumlrken und Schwaumlchen erkennen

Probleme identifizieren und formulieren

Daten Informationen Wissen sammeln

Beziehungen ordnen

erkennen

Reflexions- und Proflexionsphase Auseinandersetzung aller Beteiligten

Erklaumlrungen und Ideen entwickeln

Beziehungen reorganisieren und (neu)

verknuumlpfen

verstehen

Integrations- und Aktionsphase

konsensgegruumlndete Konzepte und Kreation

Entwicklungen und Maszlignahmen arrangieren

Kooperationen und Projekte verbinden

Neuorientierung

gestalten

Evaluationsphase Was hat gewirkt Was wirkt Wie wirkt es Wirkt es nachhaltig Ist es sinnvoll

hinterfragen

Initial- undRezeptionsphase

Integrations- undAktionsphase

Reflexions- undProflexionsphase

Evaluationsphase

2 Zyklus

1 Zyklus

Situation

3 Zyklus

Situation

Situation

Abbildung 10 Das wendelfoumlrmige Salzburger Entwicklungsmodell (eigene Darstellung)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 112

te kritisch zu bewerten und zu Handlungskonsequenzenldquo (Petzold 2003 S 131) uumlber-zuleiten Diese Phase soll als tatsaumlchliche Entwicklung im Sinne von Next Practice (vgl Kruse 2004) als Moumlglichkeit zur Veraumlnderung verstanden werden wie auch als Re-Orientierung bzw Umsetzung von Gestaltungsmoumlglichkeiten aber auch zur Opti-mierung von Prozessen und Maszlignahmen als Good Practice und Best Practice

Die aus der Initial- und Refl exions-Profl exionsphase erarbeiteten zentralen Ge-sichtspunkte Handlungsfelder und Loumlsungen gelten nun einerseits als Konzepte und reproduzierbare Prototypen (auch im Sinne von Produkten Maszlignahmen und Prozes-sen explizites Wissen) als gedachte gefuumlhlte und gehandelte (neue) Erfahrung (neu-es implizites Wissen vgl Abbildung 11) Andererseits schaff en sie im Unterricht oder in der Schule eine neue veraumlnderte oder optimierte Stabilitaumlt und Identitaumlt als Grund-lage fuumlr moumlglicherweise neue Haltungen gespeist aus veraumlnderten Uumlberzeugungen und Zielen In dieser Phase wird die vorhandene Komplexitaumlt maszliggeblich reduziert und zugleich erschlossen sie steckt bdquoeinen Horizont ab und eroumlff net damit neueldquo (Pet-zold 2003 S 131) sie schafft bdquofuumlr eine Zeit fi xierte Konzepte durch die dann wiede-rum ein Mehr an fl ieszligender Wirklichkeit erschlossen werden kannldquo (ebd) Entschei-dend in dieser Phase ist eine bewusst im Handeln realisierte (Ruumlck-)Wirkung durch Refl exion auf innerschulische Prozesse und einzelschulische Kontexte und somit auf

ko-kreative ErfahrungenKonzeptePrototypen generieren

RezeptionReflexionProflexionAktion

Integration

und Hinterfragen

implizites in explizites

Wissenwandeln

explizitesWissen

generieren

implizitesWissen

Reflexion

ko-kreative ErfahrungenKonzeptePrototypen generieren

InitialphaseReflexions-Proflexionsphase

Aktionsphase

Integrationsphase und

Evaluationsphase

implizites in explizites

Wissenwandeln

explizitesWissen

generieren

implizitesWissen

Reflexion

explizites undimplizitesWissen

verknuumlpfen

explizites undimplizitesWissen

verknuumlpfen

Abbildung 11 Zyklen der evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung (eigene Darstellung)

Implementation Transfer Progression und Transformation 113

die Ausgangssituation um nicht nur (leichte) Anpassungen sondern durch Profl exion tatsaumlchliche Chancen der Veraumlnderung der Schule des Unterrichts und des Umfelds durch die Handelnden (Veraumlnderungslernen) zu ermoumlglichen

In der Phase der bdquoEvaluationldquo (Helmke 2009 S 313 Wiesner Schreiner Breit amp George 2018) sind zumindest immer die Fragen zu stellen Wie wirken sich die ge-setzten Handlungen auf meineunsere Schule auf meinenunseren Unterricht auf die Beziehungsqualitaumlt auf das Klassen- und Schulklima auf meineunsere Kompe-tenzen auf meineunsere Grundprinzipien usw aus Was hat gewirkt und wird ver-mutlich wirken Was sollen wir in unserer Schule bzw unserem Unterricht bloszlig tun Die Phase der Evaluation ist damit regelhaft auch eine Initialphase fuumlr einen neuen Zyklus (siehe Abbildung 10) sodass Konzepte und reproduzierbare Prototypen lau-fend praumlzisiert und veraumlndert werden um weitere veraumlnderte abgewandelte Praxis (als Next Practice) oder verbesserte Praxis (als Best Practice) zu ermoumlglichen bdquoVerstehenldquo (Kruse 2004 S 60) erhoumlht dabei die bdquoBereitschaft sich auf Veraumlnderung einzulassenldquo (ebd)

Kerngedanke 7 Kompetenzverstaumlndnis

Weinert hat rund um die Jahrtausendwende den Begriff der Kompetenz in einer Form defi niert die ihn fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwicklung handhabbar machte Da-mit hat sich die Idee der Mehrperspektivitaumlt geoumlff net Lernen wird aus Sicht der Lehr-personen jedoch auch aus Sicht der Schuumllerinnen gesehen wahrgenommen und gespuumlrt (Beziehungs- und Resonanzpaumldagogik) Kompetenzorientierung schafft eine Verbin-dung zwischen den Begegnungen und Beziehungen in einer Schule und im Unterricht und dem sachorientierten Lehrplan dem Stoff und den Uumlbungen Sie verbindet den In-haltsaspekt mit dem Beziehungsaspekt nach Watzlawick Beavin amp Jackson (2011) und foumlrdert (nebenbei) die zwischenmenschliche Kommunikation Wichtig erscheint Modelle kritisch zu pruumlfen und zu hinterfragen welche Botschaft en sie vermitteln

In der bdquoUumlberwindung des sbquoRichtig-falsch-Denkenslsquo und der habituellen Schuldzu-schreibung liegt fuumlr die Beratungsprozesse die das Denken Fuumlhlen und Handeln von Menschen in loumlsungs- und entwicklungsorientierter Weise veraumlndern wollen der ent-scheidende kognitiv-mentale Knoten Da die mentalen Muster per Defi nition nicht bewusst ablaufen gilt es Formen zu fi nden diese der Erkenntnis zugaumlnglich zu ma-chen und annehmen zu koumlnnenldquo (Schley amp Schley 2010 S 25)

Ein Entwurf eines Modells der Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Evi-denz(en) fuumlr die Praxis ist immer facettenreich sowie mehrdimensional und benoumltigt dennoch systematisierende entwicklungsorientierte und zwischenmenschliche Mo-delle Visuell abbildbare Modelle brauchen wiederum systemische Denkansaumltze (Os-simitz 1996 S 281 f 2000 Doumlrner 1989 Merten 1974) um heuristische und pro-gnostische Funktionen organisiert aufzuzeigen sowie Zusammenhaumlnge zu klaumlren Besonders die Faumlhigkeit Dynamiken Ruumlckkopplungen Nebenwirkungen Wendel- und Kreislaumlufe in einem System identifi zieren zu koumlnnen sowie eine vorliegende dyna-

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 114

mische Komplexitaumlt verstehen und beurteilen zu koumlnnen sind nach Ossimitz (2000) wesentliche Aspekte und Kriterien von Modellen Bei aller Komplexitaumlt des For-schungsgegenstands besteht die Aufgabe von Modellen darin dass bdquowissenschaft licher Fortschritt weitgehend auch im Aussprechen von Trivialitaumltenldquo (Maletzke 1998 S 58) stattfi ndet Explizite Modelle sind nicht nur Abstraktionsleistung menschlichen Den-kens sondern zeigen vernetzte systemische (nicht tabellarische) Strukturen auf Dabei werden Argumentationsketten ermoumlglicht die als Teilaspekte in dynamische Zeit- und Raumgestalten gebracht werden koumlnnen wie z B Zeitverlaumlufe und verstaumlndliche ein-fache Aspekte Kriterien und Kontexte mit praktikablem Praxisbezug Dennoch sind die Analyse der Einfl uss und die Wirkung von Modellen als Instrumente der visuel-len Argumentation bisher kaum diskutiert (Elsing amp van Ackeren 2017)

Modelle legen jedoch immer bei detaillierter und genauerer Betrachtung die fuumlr die Bewertung zugrunde liegenden Vorstellungen Ziele Annahmen Werte und Prin-zipien usw off en (Ditton 2007 Ditton amp Muumlller 2011) Selbst der urspruumlnglich wert-neutrale Begriff der Qualitaumlt erhaumllt durch ein (Rahmen-)Modell immer (mindestens) eine Wertung (Huber amp Schneider 2011) Jedes Modell gibt (explizit und implizit) vor welche Bedingungen im Hinblick auf eine Qualitaumltserwartung erfuumlllt werden muumlssen (Schratz amp Westfall-Greiter 2010) Dabei sollen Modelle zur Qualitaumlt zunaumlchst nur bdquodie Wirklichkeit in einer noch uumlberschaubaren aber dennoch genuumlgend diff eren-zierten Formldquo (Ditton 2007 S 83) systematisch und strukturiert abbilden Doch je nach Art Umfang und Anlage eines Modells ergeben sich unterschiedliche Arten von Daten Informationen und Wissen und diese Evidenzen fuumlhren bdquozu unterschiedlichen Steuerungsmoumlglichkeitenldquo (Terhart 2002 S 72) und letztendlich zu ungleichen Er-wartungen und Entscheidungsfi ndungen

Fuumlr einen Entwurf eines Modells der Schul- und Unterrichtsentwicklung sollten wir daher bei Modellen als Ausgangspunkt zunaumlchst keine Verkuumlrzung der Kompe-tenzorientierung auf bloszlige kognitive Leistungsfaumlhigkeit annehmen wie dies z B beim Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) mit der Bezeichnung bdquostandardbezogene Testsldquo (ebd S 60) stattfi ndet Das Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) strebt auch u a nur bdquoverbesserte Ergebnisseldquo (ebd S 60) an die Prozesse (siehe Kerngedan-ke 2) bleiben im Modell zunaumlchst eine Black-Box und beschreiben im Ablauf vorran-gig nur Optimierungen29 (siehe Kerngedanke 1) Die Herangehensweise dieses Mo-dells vernachlaumlssigt zusaumltzlich die besondere Bedeutung der Refl exionProfl exion und ermoumlglicht daher nur eine einseitige Herangehensweise im Sinne eines Einschleifen-

29 Die Kompetenzorientierung wird nicht explizit angefuumlhrt und Bildungsstandards mit Leis-tungstests (Performance Standards) gleichgesetzt (Altrichter amp Gamsjaumlger 2018) Altrichter und Gamsjaumlger (2018) verweisen auf Coburn und Turner (2011) aber z B nicht auf die Ent-wicklungsorientierung nach Helmke (2004) wodurch die Botschaft der Datennutzung nun ausschlieszliglich sachorientiert formal und analytisch formuliert wird bdquoLehrpersonen sollen Bil-dungsstandards wahrnehmen und beachten (noticing) ihre (teilweise neuartigen) Botschaft en interpretieren und verstehen (interpreting) und daraus Konsequenzen insbesondere in Bezug auf ihre Unterrichtsplanung und -durchfuumlhrungldquo (Altrichter amp Gamsjaumlger 2018 S 63 f) (als Implications) ableiten Der Ruumlckgriff auf Coburn und Turner (2011) blendet die Bedeutsam-keit der Refl exions-Profl exionsprozesse aus (siehe dazu Abbildung 9 und 10) und etabliert das Modell mit Bezug auf Kolb (2015) fast ausschlieszliglich im Bereich des assimilierendes Lernens wodurch weder Ideen noch Handlungen entstehen

Implementation Transfer Progression und Transformation 115

lernens (Single-Loop-Learning) und oumlff net damit ausschlieszliglich eine Perspektive der Verbesserung wodurch der Blick auf Entwicklungsprozesse maszliggeblich eingeschraumlnkt und beschraumlnkt wird

Die beiden Zielsetzungen der Bildungsstandards in Oumlsterreich (Educational Stan-dards) waren spaumltestens ab 2008 die an Daten orientierte Unterrichtsentwicklung und die Einfuumlhrung des kompetenzorientierten Unterrichts (Specht amp Lucyshyn 2008 Wiesner amp Schreiner 2017) Das Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) greift weder die tatsaumlchlichen Ziele30 noch die enge Verbindung der Bildungsstandards mit der Kompetenzorientierung auf Gerade durch diese Verknuumlpfung sollte sich der Unterricht weg von einem Angebotsparadigma (Altrichter amp Posch 2007) und dem bdquopassive[n] gelenkte[n] Lernenldquo (Krainer 2004) hin auf eine Kompetenzkultur (Stein-kellner amp Wiesner 2017) entwickeln und bdquoden Fokus des Unterrichts vom durchzu-nehmenden Stoff auf die zu vermittelnden Kompetenzenldquo (Specht amp Lucyshyn 2008 S 2) verlagern In diesem Sinne sind tatsaumlchlich entwicklungsorientierte Modelle ndash wie das Rahmenmodell von Helmke (Helmke 2004) ndash als Zielbild ansprechender zei-gen den paumldagogischen Nutzen von Daten leisten fuumlr einen Entwurf eines Modells der Schul- und Unterrichtsentwicklung einen houmlheren Erklaumlrungsbeitrag und ermoumlg-lichen diff erenziertere und vielfaumlltigere Einblicke unter der Betonung der Refl exions-prozesse Ein anderes entwicklungsorientiertes Modell mit der dezidierten Verbindung zwischen der Kompetenzorientierung und den Bildungsstandards ist das oumlsterrei-chische Rahmenmodell (Wiesner Schreiner amp Breit 2015 Schreiner amp Breit 2016) Schulen benoumltigen jedenfalls praxisbezogenes Wissen uumlber Modelle und Uumlbersetzun-gen von Modellen um vor dem Hintergrund ihrer spezifi schen Bedingungen und Be-duumlrfnisse bestmoumlgliche Entscheidungen treff en zu koumlnnen und um die Qualitaumlt von Schule und Unterricht evidenzorientiert zu entwickeln und zu verbessern

Auch Modelle aus dem Total Quality Management (TQM) ndash wie z B das Modell der European Foundation of Quality Management (EFQM) ndash greifen fuumlr ein Modell der Schulentwicklung zu kurz da sie meist nur formalisierte (Qualitaumlts-)Verbesserung nach der bdquoRADAR-Systematikldquo (Result ndash Approach ndash Deployment ndash Assessment ndash Re-fi nement [RADAR]) auf Basis des Plan-Do-Check-Act-Kreises (PDCA-Kreis Moll 2012 Toumlpfer amp Mehdorn 1994) als bloszlige Kreislaufmodelle (Einschleifenlernen) an-bieten Aumlhnlich dem EFQM-Modell ist z B auch das Rahmenmodell zur Qualitaumlt durch Evaluation und Entwicklung (Q2E) von Landwehr amp Steiner (2003) Diese Mo-delle integrierten weder die Idee einer tatsaumlchlichen Bestimmung bdquoder Guumlte eines Pro-duktsldquo (Klopsch 2009 S 10) noch die Orientierung an Entwicklungsprozessen um eine Entwicklung der Beschaff enheit und Guumlte durch Prozessmusterwechsel (als Next Practice) zu ermoumlglichen (Schratz et al 2016)

30 Bereits Altrichter und Kanape-Willingshofer (2012) berichteten von Zielen der oumlsterreichi-schen Bildungsstandards die in der Genese der Bildungsstandards in dieser Art und Weise zwar vorkommen aber ab spaumltestens 2008 in vielen Bereichen an Bedeutung verloren haben wodurch bis heute in Oumlsterreich kein Weg des bdquoParadigmas der Kontrolleldquo beschritten wurde

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 116

Tabelle 3 Aspekte und Kriterien der Kompetenzorientierung im Unterricht und der Lehrkraumlftebildung

Aspekte und Kriteriennach Weinert (2001)

Dimensionen der Kompeten-zorientierung nach Wiesner et al (2018)

hellip im Unterricht hellip hellip professionelle Lehrkraumlftebildung nach Baumert und Kunter 2006

erlernbar

Lernbegleitung

hellip ermoumlglicht eine hohe Passung und ein gelungenes Zusammenwirken indivi-dueller differenzierter und personalisier-ter Lernbegleitung und -begegnungen durch variable lerntheoretisch fundierte und fachdidaktische Herangehens-weisen und Methoden

paumldagogische und psychologische Kompetenz fachdidaktische Kompetenz Fach-kompetenz Be-ratungskompetenz Uumlberzeugungen Werthaltung und Ziele Organisations-wissen

Klassenfuumlhrung hellip durch eine foumlrderliche Haltung und Praumlsenz (Allgegenwaumlrtigkeit) der Lehrperson um einen kompetenz-orientierten Unterricht und Foumlrderung zu ermoumlglichen eine fehleroffene und stoumlrungspraumlventive Fuumlhrung der Klasse die Foumlrderung einer sinnstiftenden wertschaumltzenden und respektvollen Kommunikation

kognitiv

Aktivierung und Verarbeitungstiefe

hellip durch kognitive motivationale volitionale und soziale Aktivierung Strukturieren Systematisieren Heraus-fordern sowie selbststaumlndiges als auch kooperatives Lernen und Arbeiten Foumlrderung strategischen und kreativen Denkens Foumlrderung von Routinen und Entwicklung Partizipation

motivational volitional und sozial

Probleme loumlsen Foumlrderung der fach lichen und uumlberfach lichen Wis-sensvernetzung um Probleme zu loumlsen

hellip durch eine vielfaumlltige Wissensver-netzung sowohl innerhalb eines Faches als auch zwischen mehreren Faumlchern durch Analysieren Erkunden Erproben Entdecken Erfinden Abwaumlgen Argu-mentieren innerhalb eines Faches als auch uumlber Faumlcher hinweg

Problemloumlsung in variablen Situationen

Foumlrderung lebens-weltlicher Anwendun-gen um Loumlsungen in variablen Situationen und in der Lebens-welt zu ermoumlglichen

hellip durch lebensweltliche Anwendung des zu Lernenden und des bereits Gelernten verankern und variable Situ-ationen kennenlernen durch vielfaumlltige Angebote und Variationen vor allem auch zwischen dem Fach sowie der Lebenswelt und Wirklichkeit der Schuumllerinnen Variabilitaumlt und Viabilitaumlt erhoumlhen

erfolgreich und verantwortungs-voll

(Selbst-)Reflexion hellip durch wiederkehrendes Vorleben und Stimulieren von (Selbst-)Reflexions-prozessen reflektieren der eigenen Zielorientierung Feedback Attribution der eigenen eingesetzten Kompetenzen durch Hinterfragen Kritikfaumlhigkeit

Uumlberzeugungen Werthaltung und Ziele Beratungs-kompetenz

Implementation Transfer Progression und Transformation 117

Grundsaumltzlich ist jedenfalls von einer bdquoverkuumlrzten Gleichsetzungldquo (Frohn amp Heinrich 2018 S 156) von Kompetenzorientierung mit kognitiv-verkuumlrzten Leistungstests wie im Modell von Altrichter und Gamsjaumlger (2018) abzuraten Sowohl Ziener (2010) Feindt amp Meyer (2010) Steinkellner amp Wiesner (2017) als auch Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner (2018) entwerfen reichhaltige Modelle der Kompetenz-orientierung und plaumldieren gegen eine Verengung auf die kognitive Leistungsfaumlhig-keit Bezugspunkt der oumlsterreichischen Bildungsstandards sind der von Franz E Wein-ert entwickelte Kompetenzbegriff und die Foumlrderung von Kompetenzen im Unterricht Kompetenzen sind bdquodie bei Individuen verfuumlgbaren oder durch sie erlernbaren kogni-tiven Faumlhigkeiten und Fertigkeiten um bestimmte Probleme zu loumlsen sowie die damit verbundenen motivationalen volitionalen und sozialen Bereitschaft en und Faumlhigkeiten um die Problemloumlsung in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nut-zen zu koumlnnenldquo (Weinert 2001 S 27 f Herv d Verf) In diesem Sinne muss es nach Frohn und Heinrich (2018) darum gehen bdquoSchuumllerinnen in allen dieser Defi nition innewohnenden Kompetenzdimensionenldquo nachhaltig zu foumlrdern Demnach ist es fuumlr umfassende und integrative bdquoLehr-Lern-Prozesse unabdingbar alle Konnotationen des Kompetenzbegriff s in der Planung und Durchfuumlhrung von Unterricht zu beruumlcksich-tigen um diff erenzierte Lernangebote zu eroumlff nenldquo (Frohn amp Heinrich 2018 S 157) Ein diff erenziertes Lehr-Lern-Geschehen benoumltigt ein integratives Konzept (siehe Ta-belle 3) mit einem weiten Begriff sverstaumlndnis als Verbindung der Kompetenzdefi ni-tion von Weinert (Weinert 2001) der Dimensionen der Kompetenzorientierung im Unterricht (Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner 2018) und der Lehrkraumlft ebil-dung (Baumert amp Kunter 2006)

Frohn und Heinrich (2018 S 157) argumentieren daher dass kompetenzorien-tierte bdquoStandards nicht im Sinne von Leistungserwartungen an Schuumllerinnenldquo formu-liert werden duumlrfen sondern als bdquoUnterrichtsstandardsldquo im Sinne einer professionel-len Lehrkraumlft ebildung zu defi nieren sind (siehe dazu Tab 3) die bdquoFeedback soziale Lernprozesse gegenseitige Wertschaumltzung Partizipation Kritikfaumlhigkeit und Motiva-tion bis hin zu kreativ-aumlsthetischen Parameternldquo integrieren Risikoreich und entwick-lungshemmend ist jedenfalls eine Verkuumlrzung der Kompetenzorientierung auf blo-szlige kognitive Leistungsfaumlhigkeit wie auch Rahmenmodelle der Schulentwicklung die Kompetenzmessungen verkuumlrzt als bloszlige kognitive Tests darlegen damit sich nicht bdquotradierte Bewertungsmusterldquo (Frohn amp Heinrich 2018 S 157) weiterhin fortsetzen Besonders die Idee der bdquoNeuen Steuerungldquo reproduziert durch solche Verkuumlrzungen moumlglicherweise nur bdquoalte Ungleichheitenldquo (Dietrich Heinrich amp Th ieme 2011)

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 118

Kerngedanke 8 Implementation Transfer Progression und Transformation

In den letzten Jahren durft en wir viele Workshops dialogische Vortraumlge und Veranstal-tungen mit und fuumlr Schulleitungen Lehrpersonen und Schulaufsicht aktiv (mit-)gestal-ten Aufb auend auf diesen reichhaltigen Erfahrungen Begegnungen und Beziehungen haben wir versucht ein refl ektierendes Modell fuumlr eine refl ektierende Praxis im Rahmen unserer Begleitforschungen fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung zu generieren Die bisherigen Entwuumlrfe liegen in diesem Beitrag nun vor und ordnen die Herangehensweisen vor allem durch theoretische oft mals (zugegeben) etwas abstrak-te Konzepte Doch die Konzepte konnten in der Praxis wirkkraumlft ig erfolgreich und pra-xisnah eingesetzt werden Wichtig und handlungsleitend fuumlr uns war dabei dass nicht immer alles implementiert werden kann aber auch nicht alles eine Transformation sein muss Das Modell der Feldtransformation (gemeinsam entwickelt mit der wissenschaft -lichen Leitung der oumlsterreichischen Leadership Academy31) hat uns dabei viele Impul-se und Anregungen gegeben Wir moumlchten diese heranziehen um wichtige Begriff e einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung zu klaumlren

Eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Zielbilder als Ver-bindung von Vision und Ziel kann bdquomehr oder weniger nebenwirkungsreich gelin-genldquo (Sieland amp Heyse 2012 S 154) Entwicklungen sind als Zielbilder sowohl von Visionen als auch von Zielen und einer professionellen Fuumlhrungskultur (Schratz et al 2016) gepraumlgt ohne Vision bdquoverliert die Veraumlnderung ihre Basis bevor sie begonnen hatldquo (Kruse 2004 S 69) Zielbilder benoumltigen Grundlagen Ausgangspunkte um Op-timierungen Entwicklungen oder Transformatives als Erfahrung bewusst beschreiben und aktiv refl ektierenprofl ektieren zu koumlnnen

Die Begriff e Implementierung Transfer und Transformation sind in der Schul- und Unterrichtsentwicklung haumlufi g verwendete Begriff e und (Dauer-)Th emen Sie werden dennoch manchmal leichtfertig verwendet ohne ihre Bedeutung ihre Ver-bindung zueinander und ihre Diff erenz aufzuzeigen Entwicklung kann verstan-den werden als Moumlglichkeiten des Augenblicks als Durchbruch von Vorstellungen und als Zusammenspiel von (planbarem) Wandel und (emergenter) Veraumlnderung In der Schul- und Unterrichtsentwicklung werden seit vielen Jahrzehnten Innovationen durch Reformen als Interventionen gefordert und unterschiedliche Umsetzungsmoumlg-lichkeiten als Paradigmen gewaumlhlt (Schratz et al 2016) Reformen (lat reformare um-gestalten verwandeln) und Intervention (lateinisch intervenire dazwischentreten) die zu Innovationen (lateinisch innovare erneuern) fuumlhren (sollen) determinieren immer auch intangibles implizites oder explizites Wissen und Strukturen und Begrenzen das Moumlgliche (siehe den Beitrag von Rolff in diesem Sammelband)

Wir moumlchten zunaumlchst Bezug nehmen auf den innovativen Entwurf der Feldtrans-formation als alternatives Th eoriegebaumlude fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwick-lung (siehe den Beitrag von Wiesner in diesem Band) sowie zur Entwicklung einer

31 Die Leadership Academy (LEA) existierte in Oumlsterreich von 2004 bis 2018 unter der wissen-schaft lichen Leitung von Wilfried Schley und Michael Schratz

Implementation Transfer Progression und Transformation 119

persoumlnlichen Koumlnnerschaft z B im Bereich Leadership und Management (Schratz et al 2016) Alle Prozesse im Modell der Feldtransformation sind als Gesamtprozesse in einem multidimensional diff erenzierten Kontext und im Kontinuum (Zeitverlaumlu-fe) zu sehen Das Modell folgt dabei zunaumlchst dem Entwurf aus den 1960er Jahren von Riemann (Riemann 2007 S 238 Paschen amp Dihsmaier 2014) und greift ein ana-lytisches psychodynamisches Denken auf Dabei haben Personen und Systeme kei-ne absoluten sondern immer wieder voruumlbergehende strukturelle Zuumlge Das Modell von Riemann (2007) beschreibt vier bdquoFormen des In-der-Welt-Seinsldquo (Riemann 2007 S 243)32 welche als Grundimpulse und potenzielle Antriebe im Hinblick auf Situatio-nen sowie als Moumlglichkeiten und Antworten dienen (ebd S 27 vgl Abbildung 12) 1) Dauer eine Ordnung und eine moumlglichst dauerhaft e Geborgenheit zu schaff en als

Stabilitaumltsorientierung (durch Unsicherheit und als Angst vor Wechsel und Angst vor Vergaumlnglichkeit)

2) Distanz eine erkennende analysierende Distanzierung zur Loumlsung einer bdquoAufgabe und Forderungldquo als Sachorientierung33 (und als Angst vor Abhaumlngigkeit)

3) Naumlhe eine Identifi zierung und Identifi kation und die Gestaltung von bdquoBeziehungldquo (Riemann 2007 S 238) als Beziehungsorientierung (und der Angst vor Isolation) oder

4) Wechsel eine Hingabe als ein Einlassen auf Veraumlnderung und Wandel als Entwick-lungsorientierung (und als Angst vor Bestaumlndigkeit Einengung und Endguumlltig-keit)

Die verfuumlgbaren und kombinierbaren Antwortmoumlglichkeiten als verschiedene Louml-sungsentwuumlrfe sind als ein bdquoZeichen der Lebendigkeitldquo (Riemann 2007 S 238) und Beweglichkeit von Menschen und Systemen zu verstehen Th omann und Schulz von Th un (2003 S 177) verwenden die vier Grundimpulse von Riemann (2007) z B in ihrem kommunikationswissenschaft lichen Wegweiser-Modell um die Intensitaumlt der jeweiligen Aktivierung auf den Achsen zu bestimmen und die fl ieszligenden Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten zu veranschaulichen

In vielen Th eorien fi ndet sich explizit oder implizit wie Personen und Systeme als Einheit zu denken sind jedoch uumlber die Art und Weise wie diese verbunden sind (als Mikro-Makro-Diff erenzierung gedacht) herrscht oft mals rege Uneinigkeit Hier greift das Modell der Feldtransformation auf den systemischen Entwurf des Soziologen Rit-zer (1975 1978 1985) zuruumlck Ritzer (2001 2010) ordnet und diff erenziert wesentli-che soziologische Th eorien und Denkmodelle und fuumlhrt diese einer 4-Felder-Matrix mit vier Dimensionen und deren Wechselbeziehungen zu Die Struktur des Modells

32 Die beschriebenen Strukturdiagnosen fi nden sich indirekt z B als (depressive zwanghaft e schizoide und hysterische) Persoumlnlichkeitsdispositionen von Riemann (2007) in der ICD-10 oder der DSM-IV-TR Die Grundlagen dazu gehen auf die Th eorie der Neurosenstruktur von Schultz-Henke (1951) zuruumlck In der Organisationsforschung spricht Tuumlrk (1976) von Grund-lagen einer Pathologie der Organisation

33 In Fachbuumlchern wird dieser Impuls oft mals auch als bdquoAutonomieorientierungldquo (Paschen amp Dihsmaier 2014 S 41) bezeichnet das Modell der Feldtransformation greift hierbei jedoch auf die Begriff e des bdquoInhaltsaspektsldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 S 53 f) und der bdquoOrien-tierung an der Sachebeneldquo (Schulz von Th un 2002 S 15 Th omann 2004 Muumlri 1993) zuruumlck um Verwirrungen mit dem Begriff der Schulautonomie zu vermeiden

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 120

geht zunaumlchst von einer Mikro-Makro-Achse aus und einer Achse die zusaumltzlich zwi-schen objektiv und subjektiv diff erenziert (vgl Abbildung 13) Sowohl auf der bdquoMik-ro- als auch auf der Makro-Ebene sind soziale wie subjektive Faktoren aktivldquo (Schuuml-lein 2018 S 96) Systeme und Subsysteme sind daher immer bdquomehr oder weniger stabil bzw instabilldquo (Kruse 2004 S 40) sowie mehr oder weniger einfach oder kom-plex aber immer auch entwicklungsoff en

Das Modell der Feldtransformation speist sich aus kommunikationswissenschaft -lich-psychotherapeutischen Ansaumltzen (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 Wiesner 2015) aus psychologisch-kommunikationswissenschaft lichen interpersonellen Ent-wuumlrfen (Th omann amp Schulz von Th un 2003 Th omann 2004 Wiesner 2010) aus lerntheoretisch-kommunikationswissenschaft lichen Ansaumltzen (Kolb 1974 Kolb 2015 Wiesner 2010 2015) aus Modellen zum kritischen und kreativen Denken (Jonas-sen 1996 Astleitner 1998 Csikszentmihalyi 2010 Wiesner 2010 2015) aus Model-len zu dynamischen Systemen (Kruse 2004) aus systemtheoretischen Entwuumlrfen zum Chaos-Management34 (Muumlri 1993) und aus neueren systemisch-orientierten Leader-ship-Ansaumltzen (Weick amp Sutcliff e 2016 Schratz et al 2016) Das Modell greift u a die personenorientierte Herangehensweise aus der klinischen Psychologie und der da-mit verbundenen Th erapieforschung von Riemann (2007) und den metasystemischen

34 Chaos als die bdquonormale Durchgangsstation im Wachstumldquo (Muumlri 1993 S 20)

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanz

Intellekt

Individualitaumlt

Freiheit

Spontanitaumlt

Flexibilitaumlt

Lebendigkeit

Abstand

Autonomie

Alleinsein

Kooperation

Geselligkeit

Gefuumlhle

Entwicklung

Veraumlnderung

Uumlberraschung

Sicherheit

Verantwortung

Zuverlaumlssigkeit

Ordnung

Kontrolle

Detailmanagement

Vertrauen

Harmonie

Solidaritaumlt

Abbildung 12 Grundimpulse und Grundformen der Angst (in Anlehnung an Riemann 2007 Stahl 2012)

Implementation Transfer Progression und Transformation 121

Ansatz von Ritzer (2001) als Grundmodell auf und diff erenziert bei der ersten Ach-se somit zwischen einer sachorientierten bdquoVerstandesweltldquo (von Saldern 2010 S 80) bzw einem bdquoInhaltsaspektldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 S 61) bzw einer bdquoSachebeneldquo (Muumlri 1993 S 58 Th omann 2004) und einer beziehungs- und emo-tionsorientierten bdquoIntuitionsweltldquo (von Saldern 2010 S 80 Holtfort 2013) bzw einer bdquoBeziehungsebeneldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2011 S 62 Th omann 2004) bzw bdquoBegegnungs- und Gefuumlhlsebeneldquo (Muumlri 1993 S 58) Die Aktivierungen lassen sich im Modell der Feldtransformation so verstehen dass die vier Impulse als Polaritaumlten und die vier Felder als gleichwertige Positionierungen gedacht werden wobei fl ieszligen-de Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten und Positionierungen moumlglich sind Die erste Polaritaumlt ist daher die Zeitachse (Stabilitaumlts- und Entwicklungsorientierung) die zwei-te die Raumachse (Sach- und Beziehungsorientierung) Je staumlrker ein Impuls ist desto weiter vom Nullpunkt entfernt wird er eingeordnet

Systeme ndash wie Schule und Unterricht ndash bestehen immer zwischen Kontinuitaumlt und Veraumlnderung weshalb eine der Leitachsen im Sinne einer bdquoIdentitaumlts-Diff erenzldquo (von Saldern 2010 S 69) geformt wird Eine Annaumlherung an eine Ganzheit im Sin-ne von bdquoBalancingldquo (Kolb 2015 S 143) entsteht wenn Personen und Systeme moumlg-lichst viel bisher Wesensfremdes und Fernliegendes integrieren um sich selbst als Per-son oder als System bdquozu weitenldquo (Riemann 2007 S 239) Der Blick von einem Punkt

Abbildung 13 4-Felder-Matrix der Mikro-Makro-Ebenen (in Anlehnung an bdquoMajor Levels of social analysisldquo (Ritzer 2001 S 93) (1975 1978 1985))

subjektiv

Makro

objektiv

Mikro

Mikro-objektive Ebene Mikro-subjektive Ebene

Makro-objektive Ebene Makro-subjektive Ebene

Muster von

Verhalten Handlung

und Interaktion

Konstruktion von

Wirklichkeit

Gesetze und Buumlrokratie Werte

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 122

einer Leitachse bestimmt die jeweilige Wahrnehmung Beobachtung und Analyse und veraumlndert die Aussagen und Erkenntnisse uumlber ein System (Boos 1991 Sandschnei-der 1995) wodurch die Felder als eine Ganzheit (System) und der Standpunkt bzw die jeweiligen Standpunkte ins Zentrum der Beobachtung ruumlcken Das Konzept der Feldtransformation ist nicht als ein einseitiger linearer Prozess zu betrachten sondern vielmehr als Kreislauf in Spiral- und Wendelbewegungen ndash als Vorstellung einer Pra-xis-Th eorie- und der Th eorie-Praxis-Beziehung Dabei stehen die vier Felder in einer wechselseitigen Beziehung zueinander und wirken gegenseitig aufeinander ein

In der Schul- und Unterrichtsentwicklung lassen sich nun die Konzepte der Im-plementation des Transfers der Progression und der Transformation einordnen und ihre Vorzuumlge und Nachteile naumlher bestimmen (siehe Abbildung 14) Dabei stellen wir uns folgende Fragen Wie positionieren sich Personen (Lehrerinnen Schulleiterin-nen Schulaufsicht usw) und Systeme (Politik Schule Unterricht usw) im Wandel der Zeit und wie fi nden Personen und Systeme ihre Identitaumlt in einer sich veraumlndernden Welt Wie positionieren sich Menschen und Systeme zueinander und gestalten Bezie-hungen und begreifen das Zusammenwirken (Paschen amp Dihsmaier 2014)

Die Idee der Implementation (lateinisch implere anfuumlllen erfuumlllen Abbildung 14 Nr i) stellt die Verbindung zwischen Sach- und Stabilitaumltsorientierung dar Sie verfolgt eine Verbesserung eher nach stabilitaumltsfunktionalistischen Uumlberlegungen und einem Innovationsverstaumlndnis nach dem Muster bdquoknowlegde informs actionldquo (Dewe Ferch-hoff amp Radtke 1992 S 71) indem durch eine Umsetzung Luumlcken geschlossen wer-den und Bestehendes durch Umstrukturierung (voraussichtlich) weiter optimiert wird Wenn Umsetzungen stattfi nden Teilbereiche umgestaltet und Funktions- und Struk-turzusammenhaumlnge verbessert werden um Bestehendes durch Anordnungen Erlaumls-se oder Gesetze zu optimieren dann sprechen Rolff amp Schratz (2015 S 6) von Imple-mentation35 Das Denkmodell der Implementation ist mittlerweile grundlegend mit Lenkungsmodellen der (Neuen) Steuerung verbunden und steht in einem Selbstver-staumlndnis von Taumltigkeiten wie lenken steuern leiten vorgeben vermitteln kontrol-lieren sanktionieren formalisieren Weisungen erteilen um dadurch auch (einfache) Transparenz zu schaff en (von Saldern 2010 Fuchs 2008 Bartz 2013) Die Ideen neh-men Bezug auf makro-objektive Th eorien und in den Begriff en steckt der bdquoGrundte-nor einer linearen Steuerung von Systemenldquo (von Saldern 2010 S 8) oder Personen verbunden mit dem Risiko der Uumlbersteuerung und Uumlberstabilisierung (Tuumlrk 1976) durch Vorgaben Standards (Gesetze Verordnungen usw) Uumlberformalisierung und Anordnungen Nur wenn bdquoein System einfach und stabil istldquo (Kruse 2004 S 42) also wenig komplex und auf wenig miteinander vernetze Elemente reduziert wird dann bdquokann es gesteuert werdenldquo (ebd im Sinne makro-objektiver Th eorien)

Im Sinne des Th eorie-Praxis-Problems moumlchte die Implementation ein theoretisch wissenschaft liches Wissen als handlungspraktisches professionelles Wissen durch moumlglichst rasche Entscheidungsfi ndung (Kolb 2015) etablieren ohne zu beruumlck-

35 bdquoAnordnungen Erlaumlsse oder Projekte die aus den Behoumlrden oder Stift ungen also von oben kommen nennen wir nicht Transfer sondern eher Umsetzung oder Implementationldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 6)

Implementation Transfer Progression und Transformation 123

sichtigen dass theoretisches oder bdquowissenschaft liches Wissen nicht ein besseres Han-deln-Koumlnnen impliziertldquo (Bommes Dewe amp Radtke 1996 S 220) Th eoretisches wis-senschaft liches oder auch politisches Erklaumlrungswissen ist nicht mit Handlungswissen gleichzusetzen Im Mittelpunkt des Interesses steht bei der Implementation die Uumlber-windung von Rezeptions- und Anwendungswiderstaumlnden als Probleme bdquoVerstopfun-gen und Blockadenldquo (Bommes Dewe amp Radtke 1996 S 222) in der und durch die Praxis Meist und vor allem im Kontext von Schul(system)entwicklung kommt hin-zu dass das bdquoGelingen in hohem Maszlige von den Personenldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 4) in der Schule und im Unterricht vor Ort bestimmt wird die die Ziele nicht vor-geben und bdquoim Prozess der Erkenntnisgewinnung nicht beteiligt warenldquo (ebd) Pro-blematisch kann dann zusaumltzlich bdquodie Zusammenarbeit einer buumlrokratischen Orga-nisation mit einem auf einem Fachgebiet ausgewiesenen Spezialistenldquo (von Saldern 2010 S 56 f) erscheinen besonders durch bdquoinhaumlrente Orientierungskonfl ikte zwi-schen organisatorischen und professionellen Normenldquo Bei der Implementation erfolgt eine Neuausrichtung und Verbesserung meist durch die Idee einer stabilitaumltsgebenden bdquoWeisungsmachtldquo (Bartz 2013 S 158)

Das Denkmodell des Transfers (lateinisch transferre hinuumlberbringen uumlbertragen Ab-bildung 14 Nr ii) stellt die Verbindung zwischen Sach- und Entwicklungsorientie-rung dar Es steht in einem Selbstverstaumlndnis von Taumltigkeiten wie agiles Regeln regu-lieren (Situationen) analysieren Ziele vereinbaren auf Abweichen reagieren erklaumlren

Abbildung 14 Feldaktivierungen in der Schul- und Unterrichtsentwicklung (eigene Darstellung)

Beziehungs-orientierung

Stabilitaumltsorientierung

prospektiv ndash proflektiv

Sach-orientierung

Entwicklungsorientierung

retrospektiv ndash reflektiv

kooperativ ndash innovativ ndash

sinnorientiert

optimierend ndashanalytisch ndash

formal

Transfer Progression

Implementation Transformation

uumlbertragen fortschreiten

erfuumlllen umgestalten

i

ii

iv

iii

Christan Wiesner und Claudia Schreiner 124

ruumlckmelden und ein rationales bdquoArgumentierenldquo (Bartz 2013 S 158 Kruse 2004) um dialogisch produktives Gelingen zu foumlrdern und ein bdquoBrainstormingldquo (von Sal-dern 2010 S 81) als kuumlnstliche Spontanitaumlt anzuregen Die Idee des Transfers meint nunmehr entweder die Herausforderung ein wissenschaft liches theoretisches Wissen in ein praktisch-professionelles Handlungswissen zu uumlberfuumlhren ndash gedacht als Th eo-rie-Praxis-Problem ndash oder indem die Anschlussfaumlhigkeit des wissenschaft lichen Wis-sens an die Wissensbestaumlnde des Alltags (Alltagstheorie) erhoumlht wird im Sinne eines Th eorie-Th eorie-Problems (Bommes Dewe amp Radtke 1996) Die dritte Moumlglichkeit des Transfers ist das praktisch-professionelle Handlungswissen von einer Schuleeinem Unterricht in eine andere Schulein eine andere Unterrichtssituation im Sinne eines Praxis-Praxis-Problems durch die (wissenschaft liche) Analyse der Alltagstheo-rie(n) zu uumlberfuumlhren um ein bdquoNacherfi ndenldquo (Kussau 2007 S 288) zu ermoumlglichen Denkweisen koumlnnen nach dem Entwurf des Transfers nicht durch schlichte Regeln oder Vorgaben vermittelt werden da die Praxis immer selektiv mit Wissensbestaumlnden umgeht diese strategisch adaptiert und oft mals umfunktioniert damit die Stabilitaumlt durch eine etablierte Praxis aufrechterhalten werden kann (Bommes Dewe amp Radt-ke 1996) Vom Transfer betroff en sind bdquonicht neue Verordnungen und anspruchsvol-le Vorschrift en sondern Innovationen in Form von besseren Praxenldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 6) Im Mittelpunkt des Interesses steht beim Transfer nun die produktive und analytische Auseinandersetzung mit Ziele(n) Daten Informationen und Wissensbe-staumlnden und das Entwerfen von (abstrakten) Konzepten (Kolb 2015) Dadurch wer-den bdquopaumldagogische Probleme neu und angemessener wahrgenommen und erklaumlrtldquo (von Engelhardt 1982 S 91) und es lassen sich bdquoso notwendige Veraumlnderungen paumlda-gogischer Zielsetzungen und Handlungsweisen einleitenldquo (ebd) um einen wechselsei-tigen Enrichment-Prozess zu ermoumlglichen (Bommes Dewe amp Radtke 1996) bdquoAllen Transferbemuumlhungen gemeinsam ist dass ein vorhandener bzw erarbeiteter Erkennt-nisgewinn auf einen neuen bzw anderen Kontext uumlbertragen werden sollldquo (Rolff amp Schratz 2015 S 4) Wenn die Felder Transfer und Transformation verbunden werden kann von einer refl exiven Praxis (Schoumln 1991) auf Grundlage von Werten und Uumlber-zeugungen gesprochen werden

Sowohl der Gedanke der direkten und kontrollierbaren Steuerung (Implementa-tion) als auch der Entwurf des Regelns durch Dialog und ein logisches analytisches Regulieren (Transfer) ist gebunden an die mehr oder weniger groszlige Vorhersagbarkeit von Wandel im Sinne von Um-Ordnung oder gezielter und geplanter Neu-Ordnung (Kruse 2004) Eine groumlszligere Herausforderung entsteht durch nicht planbare emergen-te Veraumlnderungen und Prozessentwicklungen (Progression) oder durch eine Transfor-mation der Werte die jedoch nicht steuerbar sind oder geregelt werden koumlnnen

Die Idee der Progression (lateinisch progredi fortschreiten entwickeln Abbildung 14 Nr iii) stellt die Verbindung zwischen Entwicklungs- und Beziehungsorientierung dar Sie vertritt das Konzept nachhaltiger Entwicklung(en) durch Prozessmusterwechsel im Sinne von (emergenter) Veraumlnderung ein dynamisches Miteinander und den Ent-wurf des Polylogs (Petzold 2010) wodurch auf Basis von Vertrauen ein gemeinsames Formen und Zusammenwirken zu einem Wechselspiel von Prozessen und zu einer

Implementation Transfer Progression und Transformation 125

(neuen) Gestalt fuumlhrt (Bartz 2013) Es bleibt bdquodie Entwicklung von Visionen das Ver-trauen in Intuition die Sensibilisierung fuumlr die Wahrnehmung aktueller Gegebenhei-ten und das bewegliche Sich-Einlassen auf jede noch so kleine Veraumlnderungldquo (Kruse 2004 S 48 f) Progression uumlberschreitet die von der Vergangenheit gepraumlgte Gegen-wartsbindung und bdquobegibt sich in die Vogelperspektiveldquo (Muumlri 1993 S 198) Das Denkmodell der Progression und die Th eorien auf der mikro-subjektiven Ebene sind vorrangig mit der Idee des Navigierens (Malik 2015 Simon amp Weber 2009) verbun-den und stehen in einem Selbstverstaumlndnis des schwer Erfassbaren oft mals Unuumlber-schaubaren Dennoch schafft es neue Perspektiven und Raum fuumlr Impulse Intuition Kreation Spontanitaumlt Vision und Flexibilitaumlt durch Navigieren und Gestalten aber auch Kreieren und Generieren Progression betont Zukunft s- und Vernetzungsfaumlhig-keit Intuition Kooperation Spontanitaumlt und Kreativitaumlt Krisen- und Konfl iktsensibi-litaumlt sowie die zwischenmenschliche (interpersonelle) Kommunikation (Muumlri 1993) und das Sich-etwas-Vorstellen (bdquoImaginingldquo Kolb 2015 S 134) In den Vordergrund ruumlckt ein umfassendes bdquoSensemakingldquo (Weick amp Sutcliff e 2016 S 28 f Coburn 2004 Stacey amp Mowles 2016) Die Uumlberlegungen der Progression gehen nunmehr von kei-nem direkten implementierbaren oder transferierbaren Weg von wissenschaft lichem theoretischem Wissen in die Praxis (Schule Unterricht) aus sondern folgen der Idee einer gemeinsamen emergenten Veraumlnderung in der neue Wissensbestaumlnde erst durch praktische Loumlsungen und gelingende Situationen entstehen (Dewe Ferchhoff amp Radtke 1992)

Wertordnungen manifestieren sich in scheinbar festen und stabilen Uumlberzeugungen Annahmen und Grundprinzipien (Muumlri 1993) Die Idee der Transformation (latei-nisch transformare umgestalten verwandeln Abbildung 14 Nr iv) stellt die Verbin-dung zwischen Beziehungs- und Stabilitaumltsorientierung dar Sie gibt nun die Denk-fi gur der Vermittlung von Th eorie und Praxis auf und formt die Begegnung der Denkweisen und der Wissensbestaumlnde zu einer eigenstaumlndigen Identitaumlt (lat idem derselbe dasselbe) in der die Betrachtungsweisen jedoch als Vielfalt und Divergieren-des ndash auch als Uumlberzeugungen und Haltungen ndash erhalten bleiben und in einer wech-selseitigen Achtsamkeit Resonanz und Refl exivitaumlt stehen (Dewe Ferchhoff amp Radt-ke 1992 Luhmann 1987 Weick amp Sutcliff e 2016) Parsons (1969) defi niert bdquoeinen Wandel in der Struktur eines sozialen Systems als Wandel seiner normativen Kul-turldquo (S 43) im Sinne einer zunehmenden Ritualisierung und Institutionalisierung von Konfl ikt- Krisen- und Risikoregelungen und der Regulation von Interaktionen sozia-len Kontakten Begegnungen und Beziehungen Wenn die Felder Transformation und Transfer verbunden werden kann von einer bdquoKultur des Veraumlndernsldquo (Stadler 2009 S 14) gesprochen werden Ein Veraumlndern Verwandeln und Umgestalten betrifft dem-nach immer das Normen- und Wertesystem Transformation besitzt eine groszlige Ini-tiationskraft (Kolb 2015) und ist durch Werte und Vertrauen eine Quelle moumlglicher Ausgangs- und angestrebter Endpunkte neuer Ideen und Entwuumlrfe um bestehende Erfahrungsrahmen zu uumlberwinden (Muumlri 1993) Die Weg(e) und Ziel(e) der Progres-sion und Transformation gehen oft mals vom Komplexen zum Einfachen und betonen Prozesse in heterarchischen Systemen gegenuumlber Strukturen in hierarchischen Syste-

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men Besonders fuumlr Transformationsprozesse an einem Schulstandort mit einem spe-zifi schen Erfahrungskontext gibt es keine Blaupausen Es geht dabei um Entwicklung als Entstehung durch Wechsel von Prozessmustern als ein Next Practice ein Doppel-schleifen-Lernen (Argyris amp Schoumln 1999 Stacey amp Mowles 2016) und um ein inno-vatives (gemeinsames) Fortschreiten (Progression) in Verbindung mit Transferprozes-sen und Implementationsmaszlignahmen

Risikoreich in Bezug auf Entwicklung ist es fuumlr Personen oder Systeme nach dem Konzept der Feldtransformation jedenfalls wenn diese bdquogleichsam Repraumlsentanten einer der vier Grundeinstellungenldquo (Riemann 2007 S 239) werden bdquozum Exponen-ten eines der vier Grundimpulseldquo (ebd) und das Wesen und Anliegen der jeweils an-deren Moumlglichkeiten nicht mehr erleben den Zusammenhang der bdquovier Formen des In-der-Welt-Seinsldquo (ebd S 243) als Gestaltungschancen nicht wahrnehmen Die vier Strebungen bilden die Grundimpulse und Polaritaumlten des Modells der Feldtransforma-tion (Wiesner 2015) Im Modell der Feldtransformation geht es demnach nicht um eine Bewertung von besser und schlechter sondern um eine Aktivierung durch eine Positionierung (bzw durch vielfaumlltige Positionen) in einem Moumlglichkeitsraum von vier unterschiedlichen Impulsen Ein idealer Prozess fi ndet dann statt wenn alle vier Fel-der aktiviert und verbunden werden

Fazit

Evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung benoumltigt off ene Fragen Fragen die neue Moumlglichkeitsraumlume eroumlff nen aber auch Fragen die Bestehendes bewahren koumlnnen In diesem Sinne koumlnnen die Entwuumlrfe von Fischer (2007 vgl Fischer-Buck 2004) auf evidenzorientierte Schulentwicklung am Standort angewendet werden so-dass folgende Frage auf Basis von Evidenz(en) zentral wird bdquoWas sollen wir in unse-rer Schule (in unserem Unterricht) kuumlnft ig bloszlig tunldquo Mit dem Was wird nach dem realisierbaren Handeln im Hier und Heute gefragt Mit sollen wird nach der kuumlnft ig zu loumlsenden Aufgabe und nach (inneren Ziel-)Bildern gefragt die eine Situation im Kontext und Kontinuum darstellt Mit dem wir in unserer Schule (in unserem Unter-richt) wird einerseits die Verantwortung und andererseits die Verbindlichkeit der Per-sonen und der Schule als lernende Organisation (System) sowie die Bezogenheit klar angesprochen Das kuumlnft ig gibt die Orientierung und Richtung hin zu einem wuumln-schenswerten Morgen an Das bloszlig steht fuumlr die Suche nach konkreten ersten Schrit-ten Maszlignahmen Prozessaumlnderungen und Prototypen die durch Evidenz(en) gelei-tet und begleitet werden Und das tun verlangt einen eigenen praktischen personalen bzw individuellen Ansatz Einsatz sowie Erfahrungen und Widerfahrnisse

Bereits vor mehreren Jahrzenten schrieb Doumlrner (1983) dass die vorherrschenden Denktraditionen der Notwendigkeit in Problemnetzen zu denken nur wenig gerecht werden bdquoDie Tendenz zum monokausalen Denken in Wirkungsketten statt in Wir-kungsnetzen ist nicht vertraumlglich mit der Notwendigkeit vernetzt zu denkenldquo (Doumlr-ner 1983 S 23) In diesem Sinne verstehen sich die Kerngedanken die wir in diesem

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Beitrag als wesentliche Bestimmungsstuumlcke eines Modells der Schulentwicklung durch Evidenz(en) diskutiert und argumentiert haben als Teile eines Ganzen Nur im Zu-sammenspiel und Zusammenwirken der unterschiedlichen gedanklichen Straumlnge kann ein Modell der Schulentwicklung entstehen das der Komplexitaumlt der Realitaumlt in aus-reichendem Maszlige gerecht werden kann

Systeme ndash hier Schulsysteme aber auch Einzelschulen und Unterricht jeweils ge-dacht als System ndash sind defi niert durch einen vielfaumlltigen Umgang mit beteiligten Be-stimmungsstuumlcken deren Vernetztheit Beziehungen Verbindungen und Verknuumlp-fungen zu einem dynamischen Geschehen mit vielen oft auch widerspruumlchlichen Zusammenhaumlngen fuumlhren Zugleich sollten in ein Modell der evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung kuumlnft ig auch Nebenwirkungen des Handelns mit-einbezogen und im Sinne einer achtsamen Balancierung und Ausgewogenheit von Ideen dargestellt werden So verstehen sich die ausgearbeiteten Kerngedanken als Denkanstoumlszlige und Bausteine fuumlr einen ersten Entwurf eines Modells der Schulentwick-lung durch Evidenz(en) Vielleicht kann das eine oder andere als Irritation Interven-tion oder kreative Stoumlrung Inkongruenzerfahrungen oder Widerfahrnisse stimulieren die Veraumlnderungslernen in Bezug auf die Verwendung von Evidenz(en) in der Ent-wicklung von Schule und Unterricht ermoumlglichen

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Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen

Aktuelle Beitraumlge die sich mit der Frage befassen wie Erkenntnisse empirischer Bil-dungsforschung in die Praxis gelangen koumlnnen um dort qualitative Entwicklung her-vorzurufen legen den Schluss nahe dass ein Nutzen fuumlr die Praxis erst dann entste-hen kann wenn Akteure aus der Praxis systematisch am Forschungsprozess beteiligt werden (Beywl Kuumlnzli Messmer amp Streit 2015 Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 Hartmann Deeristan amp Klieme 2016)

Allein die Beteiligung der Praxis an der Forschung bringt aber nicht zwingend fuumlr die Praxis nuumltzliche Innovationen hervor Wie Ergebnisse aus der Transferforschung zeigen haumlngt der Nutzen fuumlr die Praxis u a von spezifi schen Merkmalen der Innova-tionen ab Off en bleibt jedoch wie genau das Zusammenspiel von Forschung und Pra-xis erfolgen sollte um zu transferfaumlhigen und -wuumlrdigen Innovationen zu gelangen In diesem Beitrag geht es um die Gestaltung von Forschungsprozessen in Teams von Praktikerinnen und Praktikern und Forscherinnen und Forschern Vor diesem Hin-tergrund gehen wir der Frage nach ob Praxisforschung in multiprofessionellen Teams unter bestimmten Voraussetzungen ndash naumlmlich den am Oberstufen-Kolleg gegebenen ndash transferfaumlhige Innovationen sowie einen geeigneten Unterstuumltzungskontext fuumlr Im-plementierungsprozesse hervorbringen kann Ziel ist es eine diff erenzierte Perspektive auf Implikationen grundlegender Transferbedingungen zu eroumlff nen und damit einen Beitrag zur methodologischen Weiterentwicklung der Praxisforschung zu leisten

Zunaumlchst werden fuumlr die Fragestellung relevante Begriff e geklaumlrt (Kap 1) und die Rahmenbedingungen fuumlr Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg erlaumlutert (Kap 2) um sodann anhand unterschiedlicher Forschungsprojekte die dort praktizierte spe-zifi sche Form der Zusammenarbeit von Praktikerinnen und Praktikern und For-scherinnen und Forschern im Entwicklungsprozess von Innovationen und in der Unterstuumltzung von Implementationsprozessen zu refl ektieren Kapitel 3 fasst pro-jektuumlbergreifend wesentliche Aspekte zusammen die sich auf methodische Zugaumlnge Merkmale der Zusammenarbeit und die Bedeutung der Adressatenorientierung im Prozess der Praxisforschung beziehen

Stefan Hahn Gabriele Klewin Barbara Koch Sebastian U Kuhnen Monika Palowski und Cornelia Stiller 142

1 Innovationen und Transfer

Das Oberstufen-Kolleg wird in diesem Beitrag als spezifi scher Kontext fuumlr Praxisfor-schung betrachtet Bevor die Struktur und anhand ausgewaumlhlter Beispiele die inhaltli-che Ausrichtung dieser Variante von Forschung erlaumlutert werden sollen zunaumlchst zen-trale Begriff e aus dem Diskurs um Innovation und Transfer geklaumlrt werden um einen Rahmen fuumlr die Betrachtung des Transferpotenzials dieser Praxisforschung zu setzen

Als Ausgangspunkt fuumlr Transferprozesse gelten Innovationen die im Bereich schulrelevanter Forschung unterschiedlich aussehen koumlnnen Denkbar sind Innova-tionen als empirische Erkenntnis uumlber Gelingensbedingungen einer wuumlnschenswerten Praxis als theoretisch fundiertes paumldagogisches Konzept als gelungene Entwicklungs-arbeit an einer Einzelschule oder als Instrument zur Steuerung schulischer Entwick-lungsprozesse

Ein Transfer liegt vor wenn Rezipientinnen und Rezipienten ndash hier Schulen ndash eine Innovation aufgreifen und innerhalb von schulischen Entwicklungsprozessen in die bestehende Praxis implementieren um diese qualitativ weiterzuentwickeln Diese Re-zeptionsprozesse koumlnnen zielgerichtet und systematisch herbeigefuumlhrt werden oder zufaumlllig erfolgen Trifft Letzteres zu spricht man allerdings nicht mehr von Transfer sondern von Diff usion Relevant ist auch die Unterscheidung zwischen externem und internem Transfer Ein interner Transfer liegt vor wenn eine Innovation innerhalb einer Schule verbreitet wird die die Innovation entwickelt hat Von externem Transfer wird gesprochen wenn der Transfer einer Innovation in andere Schulen erfolgt

Aus der Innovations- und Transferforschung lassen sich unterschiedliche Ansatz-punkte fuumlr einen verbesserten Transfer benennen Diese sind vor allem ableitbar aus den Merkmalen einer transferfaumlhigen Innovation und einer rezeptionsfoumlrdernden Unterstuumltzung Entscheidend ist dass Merkmale die einen Transfer foumlrdern waumlhrend der Entwicklung der Innovation ndash also waumlhrend des Forschungsprozesses ndash systema-tisch erzeugt werden muumlssen

Eine Innovation ist transferfaumlhig wenn sie fuumlr andere als diejenigen die sie ent-wickelt haben eine Relevanz besitzt (Nickolaus amp Schnurpel 2001 Paumltzold Busian Riemann amp Wingels 2002 Koch 2011 Hasselhorn Koumlller amp Zimmer 2014 Euler 2015) und auf einen von den Akteuren vor Ort identifi zierten innerschulischen Be-darf trifft (vgl Koch 2011) Eine Innovation muss ferner ein Konzept zur Bearbeitung eines Problems bieten an Bestehendes anknuumlpfen und mit Blick auf die Zielgruppe passgenau entwickelt sein Selbstverstaumlndlich muss eine Innovation dokumentiert und mit Hinweisen zur Implementation versehen sein (vgl ebd)

Hinsichtlich der Unterstuumltzung der Rezipientinnen und Rezipienten ist insbe-sondere die Rolle der Unterstuumltzenden wichtig die idealerweise die Entwicklerinnen und Entwickler der Innovation sind (vgl ebd) Aufb auend auf ihrem Wissen um die Schritte der Implementation koumlnnen sie im Prozess der Initiierung und Implementa-tion als Schulentwicklungsberaterinnen agieren oder diese unterstuumltzen (vgl ebd) Wie die Innovation selbst sollte auch das Unterstuumltzungsangebot an den Beduumlrfnissen der Schule ausgerichtet sein

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 143

Gemaumlszlig der o g Fragestellung ist nun zu pruumlfen inwieweit Praxisforschung in der Variante des Oberstufen-Kollegs die Entwicklung transferfaumlhiger Innovationen foumlrdert und den Transfer mit Angeboten fuumlr den Rezeptionsraum unterstuumltzen kann

2 Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg Bielefeld

Bei der Beantwortung der konzeptionellen Frage ob durch Praxisforschung gewonne-ne Ergebnisse oder Innovationen in besonderer Weise fuumlr Transfer geeignet sind soll folgende Defi nition fuumlr das allgemeine Verstaumlndnis von Praxisforschung zugrunde ge-legt werden

Praxisforschung ist ein aus der internationalen Aktionsforschung hergeleite-ter Forschungsansatz mit dessen Hilfe Praktikerinnen und Praktiker wichti-ge Fragen ihres Berufsalltags eigenstaumlndig methodisch kontrolliert und im Rahmen einer professionellen Gemeinschaft mit dem Ziel erforschen1) durch refl exive Distanz zum Unterrichtsalltag die eigene Berufspraxis

kritisch zu durchleuchten2) bdquolokalesldquo wissenschaft lichen Guumltekriterien genuumlgendes Wissen zu produ-

zieren3) und die Untersuchungsergebnisse fuumlr die Schul- und Unterrichtsentwick-

lung zu nutzen(Meyer 2010 S 3)

Diese Defi nition trifft in ihren grundlegenden Merkmalen auch auf die Praxisfor-schung am Oberstufen-Kolleg zu allerdings erfaumlhrt sie durch die spezifi schen Bedin-gungen und Anforderungen eine Erweiterung die im Folgenden kurz erlaumlutert wird Als Versuchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen hat das Oberstufen-Kolleg einen Versuchsauft rag in dem neben der Entwicklung von neuen Unterrichtskonzepten u a auch die Pruumlfung der Moumlglichkeiten des Transfers entwickelter Innovationen in das Regelsystem verankert ist (Grundordnung der Oberstufen-Kollegs) Die Lehren-den am Oberstufen-Kolleg bekommen zeitliche Ressourcen in Form von Entlastun-gen vom Unterrichtsdeputat fuumlr Praxisforschung zur Verfuumlgung gestellt Sie forschen gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wissenschaft lichen Ein-richtung Oberstufen-Kolleg (WE OS) die zur Fakultaumlt fuumlr Erziehungswissenschaft der Universitaumlt Bielefeld gehoumlrt Diese Rahmenbedingungen sind an anderen Standorten der Praxisforschung in der Regel nicht gegeben Zudem sind das systematische Be-antragungsverfahren fuumlr Projekte die verpfl ichtende Berichtslegung und die kontinu-ierliche Begleitung durch einen wissenschaft lichen Beirat fuumlr die Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg kennzeichnend (Hahn Heinrich amp Klewin 2014)

Im Folgenden werden ausgewaumlhlte Forschungs- und Entwicklungsprojekte aus dem Oberstufen-Kolleg vorgestellt um eine Praxisforschung zu charakterisieren die sowohl transferfaumlhige Innovationen hervorbringen als auch einen geeigneten Unter-stuumltzungskontext fuumlr die Rezeption von Innovationen zur Verfuumlgung stellen soll Hier-zu werden zwei Projekte vorgestellt die die Praxisforschung als Entwicklungskontext

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der Innovation in den Blick nehmen Die Darstellung des dritten Projekts thematisiert den Transfer einer bereits entwickelten Innovation im Modus der Praxisforschung

21 Die Entwicklung von Fragestellung und methodischem Design in Kooperation von Praxis und Wissenschaft

Charakteristisch fuumlr Praxisforschung ist ihre Fundierung in Handlungsproblemen und Fragestellungen die einen innerschulischen Bedarf abbilden dabei aber auch an den (erziehungs-)wissenschaft lichen Diskurs angebunden werden muumlssen Ent-sprechend muss das methodische Design eine Balance zwischen schulpraktischen Moumlglichkeiten und wissenschaft lichen Anforderungen leisten um transferfaumlhige Er-gebnisse und Innovationen erbringen zu koumlnnen Das Forschungs- und Entwicklungs-projekt bdquoBildungsbiografi sche Grenzgaumlnge zwischen Abschluss und Abbruchldquo (Pa-lowski Schumacher Schoumlbel amp Tassler 2014) illustriert eine Variante der praktischen Auseinandersetzung mit dieser doppelten Anforderung an die Gestaltung des Innova-tionsentwicklungskontexts

Bei dem aktuell noch laufenden Projekt handelt es sich um eine Laumlngsschnittstu-die zu Bildungsverlaumlufen Bildungsrisiken und -erfolgen in der Sekundarstufe II die am Oberstufen-Kolleg und sieben weiteren Oberstufen durchgefuumlhrt wurde Das For-schungsteam besteht aus einer Mitarbeiterin der WE OS sowie drei Lehrenden der Versuchsschule darunter zwei Laufb ahnberaterinnen Die anvisierte Innovation be-steht aus einem Konzept zur Beratung bdquoriskanterldquo Bildungsbiografi en in der Sekun-darstufe II

Die grundlegende Fragestellung des Projekts setzt sich zunaumlchst mit einem Deside-rat des erziehungswissenschaft lichen Diskurses auseinander (Palowski Boller amp Muumll-ler 2013) Welche personellen und schulischen Faktoren tragen zu Wiederholungen und Schulabbruumlchen in der Sekundarstufe II bei

Im Zuge der Konstitution eines neuen zweijaumlhrigen Forschungs- und Entwick-lungsplans wurde dieses noch wenig diff erenzierte Erkenntnisinteresse in das Kolle-gium des Oberstufen-Kollegs getragen erwies sich als unmittelbar anschlussfaumlhig an Beobachtungen Fragen und Probleme vieler insbesondere beratend taumltiger Lehren-der und markierte somit deutlich einen innerschulischen Bedarf Mit der Fokussie-rung auf Risiken der Ausbildung am Oberstufen-Kolleg wurde daruumlber hinaus eine Anregung aus dem wissenschaft lichen Beirat der Schule aufgegriff en die mit der Ziel-setzung der beteiligten Lehrenden korrespondierte In der Folge wurde ein spezieller Fokus auf die Untersuchung von riskanten Bildungsverlaumlufen und Abbruumlchen im eige-nen Haus gelegt

Waumlhrend der Findungsphase des Forschungsteams wurden Forschungsfragen und Zielsetzung im Dialog ausdiff erenziert Dies druumlckt sich in den drei weiterfuumlhrenden Fragestellungen Wie gelingt es potenziell gefaumlhrdeten Schuumllerinnen und Schuumllern ihre Schullaufb ahn erfolgreich abzuschlieszligen Wie kann paumldagogisches Handeln dazu beitra-gen Abbruumlchen entgegenzuwirken und Wie sollten schulische Foumlrderung und Beratung in der Sekundarstufe II gestaltet sein um potenziell gefaumlhrdete Schuumllerinnen und Schuumller

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 145

zu unterstuumltzen aus Die forschenden Lehrenden verfolgten mit der Weiterentwick-lung von Foumlrderung und Beratung neben der wissenschaft lichen auch eine praktische Zielsetzung Waumlhrend der Samplebildung erwiesen sich die Forschungsfragen und -ziele als kongruent zu innerschulischen Problemlagen die auch an anderen Oberstu-fen der Region als relevant eingestuft wurden Die sukzessive Ausdiff erenzierung der Fragestellungen ermoumlglichte die schrittweise Entwicklung eines methodischen Designs mit hoher Passung zu den Forschungsfragen aber auch zu Ressourcen und prakti-schen Interessen der verschiedenen Projektbeteiligten

In der Planung der Erhebungen wurden konzeptionelle Entscheidungen groumlszligten-teils gemeinsam getroff en waumlhrend die methodische Detailplanung die Konzeption der Erhebungsinstrumente sowie die Terminierung und Durchfuumlhrung der Erhebun-gen von der Mitarbeiterin der WE OS vorstrukturiert und anschlieszligend im Team dis-kutiert und fi xiert wurden Dabei war die gemeinsame Arbeit an den Instrumenten im Sinne einer kontinuierlichen Validierung der wissenschaft lichen Konstrukte durch die unmittelbare Praxiserfahrung der Lehrenden besonders fruchtbar fuumlr das Projekt Bei den uumlbergreifenden Aufgaben der Berichtslegung Publikationen und Konferenzbeitrauml-ge sowie der Ruumlckmeldung von Zwischenergebnissen waren wiederum zeitliche Kapa-zitaumlten und das Interesse der Lehrenden ausschlaggebend fuumlr die gemeinsame Planung und Durchfuumlhrung

Auch im konkreten methodischen Vorgehen orientierte sich die Kooperation im Projekt vorrangig an Vorkenntnissen und Interessen aber auch an zeitlichen Ressour-cen der Lehrenden Quantitative Methoden wurden im Sinne einer pragmatischen Arbeitsteilung groumlszligtenteils durch die wissenschaft liche Mitarbeiterin abgedeckt Durch die vielfach gruppenfoumlrmige Durchfuumlhrbarkeit qualitativer Verfahren fi el es hingegen leichter diese ndash auch zeitlich ndash in die Arbeit der Forschungsgruppe zu integrieren Hierzu wurden entsprechende projektinterne und uumlbergreifende Fortbildungs- bzw Schulungsmaszlignahmen zu Interviewfuumlhrung und qualitativen Analysemethoden ange-boten Dabei erwiesen sich speziell das gemeinsame Besprechen Kontrastieren und Interpretieren von Einzelfaumlllen sowie typenbildende Verfahren als hoch anschlussfaumlhig an die Interessen der Lehrenden Hierbei handelte es sich um kommunikativ organi-sierte Anlaumlsse bei denen bdquodas eigene professionelle Wissen [hellip] mit dem allgemeinen erziehungswissenschaft lichen Wissen verlinkt werdenldquo konnte (Ponte 2010 S 544 zi-tiert nach Koch-Priewe 2011 S 193) Besonders im Bereich qualitativer Methoden konnte so ein Professionalisierungseff ekt erzielt werden der auf die Beratungstaumltigkeit der forschenden Lehrenden ausstrahlte Laut einer projektinternen Befragung setzen sie inzwischen Fragen und Fragetechniken aus den Interviewleitfaumlden in Beratungs-gespraumlchen ein sehen Alltagsbeobachtungen durch Erkenntnisse aus dem Projekt be-staumltigt bzw korrigiert und fuumlhlen sich besser fuumlr die Beratung bdquoschwieriger Faumllleldquo ge-ruumlstet

Zusammenfassend illustriert das Projekt Relevanz und Potenzial einer dialogischen und gleichberechtigten Kooperation von Praxisforscherinnen und Praxisforschern (Lehrende des OS) und Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern im Innovations-entwicklungskontext zeigt aber auch inwieweit punktuell pragmatische Erfordernis-

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se und unterschiedliche Ressourcen der beiden Gruppen ausbalanciert werden muumls-sen um schulpraktischen und wissenschaft lichen Anforderungen Rechnung zu tragen

22 Die Gestaltung von Ergebnisruumlckmeldungen in Prozessen der datengestuumltzten Unterrichtsentwicklung

In diesem Beispiel ist die Innovation ein Instrument zur Unterstuumltzung von Entwick-lungsprozessen in Form eines am innerschulischen Bedarf orientierten Ruumlckmeldefor-mats das in einem multiprofessionellen Team entwickelt wurde Das Ruumlckmeldefor-mat entstand im Rahmen der Evaluation der Profi le als Bestandteil der Verlaufs- und Absolventenstudie des Oberstufen-Kollegs in den Jahren 2013 und 2014 (Hahn amp Ob-belode 2014 S 141 ff ) Bei den Profi len am Oberstufen-Kolleg handelt es sich um zehn Faumlcherverbuumlnde im Grundkursbereich der Qualifi kationsphase der gymnasia-len Oberstufe Bei ihrer didaktischen Ausgestaltung wurde versucht eine Struktur fuumlr die Umsetzung des wissenschaft spropaumldeutischen Konzepts des Perspektivenwechsels (Kupsch amp Schuumllert 1996) zu schaff en die auch faumlcherkoordiniertes Arbeiten (Huber 1998) ermoumlglicht (Hahn et al 2014a)

Das Erkenntnisinteresse bestand in der Pruumlfung der Tragfaumlhigkeit des allgemeinen didaktischen Konzepts der Profi le (Hahn amp Obbelode 2014) im Sinne einer forma-tiven Evaluation (Bortz amp Doumlring 2006) Zu diesem Zweck wurde als theoretische Grundlage die Figur des Perspektivenwechsels in das Perspektivenschema von Klaf-ki (19852007) integriert und darauf bezogen methodisch vielfaumlltige Erhebungsinst-rumente entwickelt (Hahn amp Obbelode 2014 S 278 ff ) Hierbei sind neben den ge-schlossenen Frageformaten fuumlr Frageboumlgen Gruppendiskussionen Feedbackmethoden und eine ergaumlnzende Befragung der Lehrenden zu nennen Diese Methodenvielfalt diente zur wechselseitigen Validierung der Ergebnisse und dazu die Perspektiven ver-schiedener Akteursgruppen adaumlquat zu beruumlcksichtigen was insbesondere ein Anlie-gen der beteiligten Praktikerinnen und Praktiker war Ihre Mitarbeit bei der Entwick-lung der geschlossenen Frageformate hat zudem stark zur Reliabilitaumlt und (Kontext-)Validitaumlt der konstruierten Skalen beigetragen weil Praktikerinnen und Praktiker eher wissen wie bestimmte Itemformulierungen von ihren Schuumllerinnen und Schuumllern (miss-)verstanden und mit welchen Konstrukten die praxisimmanenten Th eorien der Kolleginnen und Kollegen abgebildet werden koumlnnen (Hahn et al 2014b)

Zentral in Bezug auf die Unterstuumltzung der Entwicklungsarbeit in den einzelnen Profi len waren die profi lspezifi schen Ruumlckmeldeberichte (Hahn amp Obbelode 2014 S 218 ff ) die sich in Duktus und Abstraktionsniveau an Lehrenden als Adressaten orientierten (Altrichter Moosbrugger amp Zuber 2016 S 253 f) Diese Berichte wur-den den jeweiligen Gruppen von Lehrenden eines Profi ls mit der Auff orderung ausge-haumlndigt mit den anderen Gruppen in einen Austausch zu treten um so die Entwick-lungsarbeit zu unterstuumltzen

Durch diese Berichte und weitere schuloumlff entliche Ergebnispraumlsentationen konn-te der kollegiale Austausch uumlber den Unterricht der Profi le und seine Entwicklung im Lichte der Ruumlckmeldungen initiiert und moderiert werden Zwar wurde die Wir-

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 147

kung der schuloumlff entlichen und profi lbezogenen Ruumlckmeldungen nicht systematisch erforscht die schrift lichen Ruumlckmeldeberichte wurden jedoch aktiv als Argumenta-tionsgrundlage bei der Diskussion um die Weiterentwicklung der Profi le auf Schul-entwicklungstagen genutzt um Standpunkte und Eindruumlcke zu untermauern Die Profi lgruppen berichteten zudem dass die Berichte die Refl exion uumlber Staumlrken und Schwaumlchen des Profi ls erleichtert und hilfreiche Impulse fuumlr den kollegialen Austausch und die Dokumentation der Profi lcurricula gegeben haben Dies zeigt u E dass eine nahe Anbindung der Erhebungsinstrumente an die handlungsleitenden Ideen der Lehrenden eine erhoumlhte Akzeptanz fuumlr die Ergebnisse und ihre Produktionsweise er-zeugen Die uumlberwiegend positiven Ruumlckmeldungen zu den Berichten weisen zudem darauf hin dass erstens ein valides lokales Wissen erzeugt wurde das Perspektiven verschiedener Akteursgruppen auf den Gegenstand umfasst und dieses Wissen auf-grund seiner adressatengerechten Aufb ereitung zweitens eine hohe Brauchbarkeit fuumlr Prozesse der Schul- und Unterrichtsentwicklung besitzt

Obwohl Ergebnisse aus der Schulentwicklungsforschung zeigen dass die qualitati-ve Entwicklung von Schule und Unterricht uumlber Datenruumlckmeldungen schwer umzu-setzen ist (Altrichter Moosbrugger amp Zuber 2016) illustriert das vorliegende Beispiel dass im Modus der Praxisforschung Instrumente entwickelt und Ergebnisse erzeugt werden koumlnnen die bei den Adressaten auf Akzeptanz stoszligen und damit auch eher fuumlr Entwicklungsprozesse genutzt werden Die Erfahrungen aus diesem Projekt zeigen ferner dass mit Ergebnissen dieser Art von Praxisforschung nicht nur Schulentwick-lung betrieben sondern auch Beitraumlge zum wissenschaft lichen Diskurs geleitstet wer-den koumlnnen da u a die entwickelten Erhebungsinstrumente (Hahn et al 2014b) so-wie tiefergehende Analysen zum didaktischen Konzept der Profi le (Hahn et al 2014a) publiziert wurden Inwieweit das Instrumentarium und das Ruumlckmeldeformat auch in anderen Schulen auf Akzeptanz stoszligen und zu Entwicklungsprozessen fuumlhren koumlnnen wird in einer spaumlteren Phase des Projekts zu pruumlfen sein wenn Vergleichsdaten in an-deren Profi loberstufen erhoben und ruumlckgemeldet worden sind

23 Transfer durch Netzwerkbildung und Ruumlckwirkungen der Rezeption auf den Innovations- und Unterstuumltzungskontext

Das Praxisforschungsprojekt bdquoBasiskurs Naturwissenschaft enldquo wird getragen von einem multiprofessionellen Team aus Lehrenden aller Naturwissenschaft en und wis-senschaft lichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit schulpaumldagogischer und bio-logiedidaktischer Expertise Es durchlief bereits mehrere Forschungszyklen und hat verschiedene Fragestellungen bearbeitet Zu Beginn lag der Fokus des Projekts auf der Entwicklung eines naturwissenschaft lichen Curriculums fuumlr die Eingangsphase der gymnasialen Oberstufe Das entwickelte Kurscurriculum besteht heute aus einer theoretischen Einfuumlhrung in die ndash in allen Naturwissenschaft en typische ndash hypothe-tisch-deduktive Vorgehensweise und einer Sequenz von acht Unterrichtseinheiten aus den Faumlchern Chemie Physik und Biologie In jeder dieser Einheiten wird in ein ba-sales Konzept der Naturwissenschaft en eingefuumlhrt und ein Experiment durchgefuumlhrt

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Diese Experimente werden in verschiedene Arbeitsschritte untergliedert die zuneh-mend selbstreguliert von den Schuumllerinnen und Schuumllern ausgefuumlhrt werden Die Ent-wicklung des Curriculums erfolgte in gemeinsamer Planung und Refl exion des in pa-rallelen Kursen angebotenen Unterrichts Didaktische Entscheidungen wurden dabei auch im Lichte der Ergebnisse aus formativen Evaluationsprozessen verabredet Die-se Evaluationen waren als Laumlngsschnitte angelegte Fragebogenerhebungen die Ent-wicklungen der Schuumllerinnen und Schuumller in den angestrebten Zielbereichen anzeig-ten (Hahn et al 2014)

Im weiteren Verlauf wurde die Transferfrage in einem juumlngeren Projektzyklus kon-kreter ins Auge gefasst d h die Untersuchung der Bedingungen eines gelingenden Transfers wurde zum Gegenstand eines Praxisforschungsprojekts am Oberstufen-Kol-leg Erste Transfer-Situationen wurden in eintaumlgigen Fortbildungsveranstaltungen von den Lehrenden des Projekts realisiert Befragungen der Teilnehmenden ergaben dass die mit dem Kurskonzept umgesetzte Kompetenzorientierung die Foumlrderung der Selbststaumlndigkeit und der Fokus auf wissenschaft liche Arbeitsweisen auch den Bedar-fen der Rezipientinnen und Rezipienten entsprechen Allerdings fehlen die genaue Passung zu den Kernlehrplaumlnen und bereitgestellte Unterrichtsmaterialien die insbe-sondere auch Hinweise fuumlr innere Diff erenzierung enthalten In der Konsequenz wer-den aktuell die Veroumlff entlichung von fachlichen jeweils lehrplankompatiblen Modulen des Basiskurscurriculums vorbereitet und gestuft e Lernhilfen fuumlr die Durchfuumlhrung der einzelnen Experimente entwickelt

Da die didaktische Idee des Kurses als Innovation gemaumlszlig den ersten Ruumlckmel-dungen aus Fortbildungen auch auf Bedarfe in anderen Schulen zu reagieren ver-mag wurde ein Fortbildungskonzept entwickelt und erprobt in dessen Zentrum das bdquoNacherfi ndenldquo (Kussau 2007) des Kurses unter den lokalen Bedingungen des Re-zeptionsraums steht Die Idee Transfer als Prozess der begleiteten Eigenentwicklung unter Maszliggabe der didaktischen Idee des Basiskurses zu organisieren soll bei Rezi-pientinnen und Rezipienten die Identifi kation mit dem Ergebnis und damit die Chan-ce auf Implementation erhoumlhen und versetzte die Lehrenden aus dem Projekt in die Rolle kollegialer Beraterinnen und Berater

Eine Abfrage der Erwartungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an die Fort-bildung und eine retrospektive Bewertung inwiefern diese Erwartungen erfuumlllt wur-den sollte weitere Hinweise auf Transferbedingungen fuumlr das Kurskonzept geben Es zeigte sich zunaumlchst dass ca die Haumllft e der Befragten eher einer bdquonaivenldquo Transferidee anhaumlngen und groumlszligere Hoff nungen auf die ungebrochene Uumlbernahme einzelner Mo-dule aus einem bestehenden Konzept hatten als auf die Unterstuumltzung bei der konkre-ten Weiterentwicklung eigener Kurse Dass diese Hoff nungen erwartungsgemaumlszlig eher enttaumluscht wurden zeigt dass Transferchancen auch durch Merkmale des Rezeptions-raums ndash insbesondere auch durch die Erwartungen Einstellungen und Ressourcen der Personen vor Ort ndash begrenzt werden Die anderen Befragten sahen eine Chance darin ein erprobtes Konzept adaptieren zu koumlnnen und im kollegialen Austausch Unterstuumlt-zung bei der Weiterentwicklung der eigenen Kurse zu bekommen Da diese Erwar-tungen durch die bdquoNacherfi ndungsldquo-Workshops sogar noch leicht uumlbertroff en wurden scheint dieser Unterstuumltzungskontext zumindest fuumlr einen Teil der Rezipientinnen und

Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen 149

Rezipienten ein annehmbarer Weg zu sein den Bedarfen der Schulen gerecht zu wer-den

Entsprechend muumlndeten auch diese Ruumlckmeldungen in Konsequenzen fuumlr die weitere Projektarbeit So wird aktuell uumlber ein Netzwerk fuumlr Lehrende verschiedener Schulen nachgedacht dessen Ziel es ist sich gegenseitig bei der Adaption grundlegen-der Elemente des Kurskonzepts zu unterstuumltzen eine Plattform fuumlr den Austausch von Unterrichtsmaterialien zu schaff en und eine wissenschaft liche Begleitung des Trans-ferprozesses zu organisieren die mittelfristig auch eine Evaluation der nacherfunde-nen Curricula mit den Instrumenten der Evaluation des Originals umfasst

3 Bedingungen fuumlr die Entwicklung transferfaumlhiger Innovationen

Die einzelnen Projektdarstellungen des Oberstufen-Kollegs enthalten zentrale Hinwei-se dazu unter welchen Bedingungen transferfaumlhige Innovationen entstehen koumlnnen Diese sollen im Folgenden projektuumlbergreifend in den Blick genommen werden

In allen drei Projekten betreiben multiprofessionelle Teams die Entwicklung oder den Transfer der jeweiligen Innovation Diese setzen sich aus Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern und Praktikerinnen und Praktikern zusammen Die Koopera-tion ist gekennzeichnet durch gemeinsame Zielsetzungen eine bdquoBegegnung auf Au-genhoumlheldquo eine pragmatisch-funktionale Arbeitsteilung und eine dialogisch angelegte Ausdiff erenzierung von Zielen Fragestellungen Erhebungsinstrumenten und Ruumlck-meldeformaten in den unterschiedlichen Phasen des Forschungsprozesses Die Form der Arbeitsteilung ergibt sich aus den jeweiligen Interessen Kompetenzen und Res-sourcen der beteiligten Akteure Fuumlr die Arbeit im Team scheint es hilfreich zu sein wenn Einzelne methodische Vorstrukturierungen vornehmen und diese dann im Team als Vorlage diskutiert werden

Auch der methodische Zugang ist in den Projekten mit spezifi schen Bedingungen verknuumlpft Das methodische Vorgehen ist an den vorhandenen Ressourcen und den praktischen Interessen orientiert Die praktische Relevanz von qualitativen Zugaumlngen wie beispielsweise die Arbeit an Faumlllen scheint gegenuumlber quantitativen Zugaumlngen un-mittelbar gegeben da sie eine gemeinsame Auswertung im ganzen Team eher ermoumlg-lichen Werden quantitative Zugaumlnge gewaumlhlt ist eine Zusammenarbeit haumlufi g nur in der Phase der Instrumentenentwicklung und der Interpretation der Befunde moumlglich Diskussionen im Team bei der Entwicklung geschlossener Frageformate koumlnnen je-doch die Kontextvaliditaumlt deutlich erhoumlhen Fuumlr eine adressatenorientierte Ruumlckmel-dung von Forschungsergebnissen scheint die Kombination quantitativer und qualita-tiver Daten besonders fruchtbar zu sein Eine partizipativ angelegte Dokumentation von Forschungsergebnissen gewaumlhrleistet zudem eher einen Duktus und ein Abstrak-tionsniveau der Darstellung die bei den Adressatinnen und Adressaten Verstaumlndnis und Akzeptanz der Befunde erhoumlhen

Mit Blick auf die drei Projekte wird erkennbar dass die Adressatinnen und Adressa-ten der Innovation in allen Phasen des Forschungs- und Transferprozesses beruumlcksich-tigt werden sollten Dies geschieht wenn das Erkenntnisinteresse mit den Problemla-

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gen der Adressatinnen und Adressaten zu verknuumlpfen ist Von Bedeutung ist es dabei diese Verknuumlpfung kommunikativ herzustellen Die Beispiele zeigen dass es einerseits sinnvoll ist die Sichtweise der Adressatinnen und Adressaten als Rezipientinnen und Rezipienten einer Innovation schon vor deren Entwicklung durch Befragungen einzu-holen Waumlhrend des Transferprozesses kann ihre Sichtweise andererseits auch Ruumlck-wirkungen auf die Weiterentwicklung der Innovation haben Diese kann jedoch nur gewaumlhrleistet werden wenn Projekte weitergefuumlhrt werden und sich aneinander an-schlieszligenden Fragestellungen widmen koumlnnen

Das Transferprojekt verweist noch auf eine weitere zentrale Transferbedingung die Erprobung und Refl exion der entwickelten Innovation in der schulischen Praxis Gewon-nene formative Evaluationsergebnisse bilden so die Grundlage fuumlr eine teamorientier-te Weiterentwicklung der Innovation und geben auch externen Akteuren Hinweise auf die Transferwuumlrdigkeit einer Innovation (Nickolaus 2014 Koch 2016) d h die Qua-litaumltspruumlfung der Innovation anhand wissenschaft licher Kriterien

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Josef Thonhauser

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben

Aufgaben haben eine zentrale Bedeutung fuumlr die schulische Bildungsarbeit Die Mar-burger Erziehungswissenschaft lerin Renate Girmes behauptet sogar ndash allerdings in einem sehr abstrakt bleibenden bdquotheorie-lastigen Textldquo ndash bdquoalles Wissen und Koumlnnen der Welt nimmt Bezug auf Aufgabenldquo (Girmes 2014 S 12) Dagegen ist Hermann Astleitner bescheidener dafuumlr aber praumlziser Er versteht (schulisches) Lernen bdquoals eine Form von Wissenserwerb in Interaktion mit Aufgabenldquo (Astleitner 2006 S 20)

Der vorliegende Beitrag ist in drei unterschiedlich umfangreiche Abschnitte ge-gliedert In einem ersten (1 Ein allgemeindidaktischer Rahmen) werden zunaumlchst moumlgliche Funktionen von Aufgaben im Rahmen schulisch organisierten Lernens be-schrieben (11) dann wird der Frage nachgegangen wer jeweils uumlber die Aufgaben entscheidet (12) anschlieszligend wer jeweils die Aufgabenloumlsungen der Schuumllerinnen beurteilt (13) Damit hoff e ich fuumlr meine Ausfuumlhrungen einen ausreichenden allge-meindidaktischen Rahmen geliefert zu haben In einem weiteren Kapitel wird disku-tiert welche formalen Merkmale insbesondere Lernaufgaben haben sollen (14) bevor einschraumlnkende Bedingungen schulischen Lernens beim Einsatz von Lernaufgaben er-oumlrtert werden (15) In einem zweiten Abschnitt wende ich mich fachdidaktischen Dif-ferenzierungen zu (2) um letztlich beispielhaft einige mir als repraumlsentativ erschei-nende Beispiele anzufuumlhren mit denen die Ebene konkreter Praktischer Paumldagogik erreicht werden will (3)

1 Ein allgemeindidaktischer Rahmen

11 Welche Funktionen koumlnnen Aufgaben grundsaumltzlich erfuumlllen

Schon lange bevor diverse top down verordnete Standardisierungsmaszlignahmen (z B Zentralmatura Bildungsstandards Begabungschecks) das Th ema dem tagespolitischen und damit medialen Interesse aussetzten waren bdquoAufgabenldquo ein wichtiges Element schulischen Lehrens und Lernens Dabei erfuumlllten sie vielfaumlltige Funktionen die im Folgenden eroumlrtert werden

Aufgaben dienen der Lernzieldefi nition indem sie bespielhaft konkretisieren was Lernende mithilfe von Unterricht am Ende eines Lernprozesses koumlnnen sollen Da (eine Sammlung von) Aufgaben Ziele nie vollstaumlndig abbilden wurde zwischen Per-formanz (konkrete Handlungen einer Aufgabenloumlsung) und Kompetenz (die jenen zu-

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grunde liegenden ndash jeweils erschlossenen nicht unmittelbar beobachtbaren ndash Disposi-tionen) unterschieden1

Aufgaben dienen der Erhebung von Eingangsvoraussetzungen am Beginn eines Lehr-Lernprozesses um die Lernenden (womoumlglich individuell) dort abzuholen wo sie stehen und sowohl vor Uumlberforderungen als auch unnoumltigen Redundanzen zu be-wahren

Aufgaben dienen als Lernaufgaben der Lernanregung indem sie den Lernenden konkrete Situationen vor Augen fuumlhren die sie aktuell noch nicht (sicher) bewaumllti-gen koumlnnen sondern wofuumlr sie noch Lernprozesse erfolgreich durchlaufen muumlssen (Grell amp Grell 199912 Kap 8) Eine (am gemaumlszligigten Konstruktivismus orientierte2) paumldagogische Praxis die Lernaufgaben als zentrale Elemente vorsieht stellt hohe An-spruumlche an den Unterricht weil sie eine black box zwischen dem Reiz bdquoAufgabeldquo und der Reaktion bdquoLoumlsungldquo wie es die behavioristische Tradition sehen mag nicht akzep-tiert Sie interessiert sich aus dem bevorzugten Anlass von Aufgaben einer bestimm-ten Qualitaumlt3 in starkem Maszlige fuumlr Lern- und Loumlsungshandlungen mitsamt ihren Irr-wegen4 Dieter Doumlrner hat seinerzeit in einer vielbeachteten Arbeit vorgeschlagen zwischen Aufgaben und Problemen zu unterscheiden wobei er die Bekanntheit bzw Unbekanntheit der fuumlr die erfolgreiche Loumlsung noumltigen Transformationsprozesse als konkretes Unterscheidungskriterium angegeben hat (Doumlrner 1976 S 10) Er hat sich damit nicht durchgesetzt weil in der Zunft mehrheitlich die Vorstellung eines Kon-tinuums bdquoRoutineaufgaben ndash Problemeldquo bevorzugt wurde (Th onhauser 2008 S 14)

Aufgaben dienen als Uumlbungsaufgaben im Rahmen der Entwicklung von Routinen d h von Faumlhigkeiten die es moumlglich machen die in den Aufgaben repraumlsentierten Si-tuationen (z B Alltagssituationen im fremdsprachlichen Ausland) rasch und sicher zu bewaumlltigen

Aufgaben dienen der Evaluation (d h der Uumlberpruumlfung des Erfolgs von Lehre und Studium) zum Zwecke kuumlnft iger (womoumlglich individuell) diff erenzierter Planung von Lehr-Lernprozessen Dabei duumlrft en allerdings einige Fallstricke nicht uumlbersehen wer-den Wenn sich die Ziele schulischen Lernens nicht auf Wissen beschraumlnken sondern

1 Wenn man dieses Begriff spaar in diesem theoretischen Kontext betrachtet (Weinert 2001 21) ist die in den letzten Jahren haumlufi g vorgebrachte Polemik gegen diese Unterscheidung schwer nachvollziehbar Dafuumlr hier nur ein sehr populaumlr gewordenes Beispiel bdquoWo Kompetenzen ver-mittelt hellip wird [sic] ndash dort ist die Praxis der Unbildung am effi zientestenldquo (Liessmann 2014 Klappentext vgl auch insbesondere Kapitel 3 bdquoKompetenter Ungeistldquo S 45 ff ) Dazu passt auch Lutz Koch (2013) der in polemischer Manier wiederholt was er bereits in Beitraumlgen fruuml-herer Jahre geaumluszligert hat Als letzten Trumpf spielt er aus dass Kompetenz zwar wichtig sei aber erst nach der Schule die der Oumlff nung der wichtigsten Raumlume des Wissens zu gelten habe erworben werden koumlnne (S 163)

2 Diesenberger 20123 Dazu gehoumlren die Merkmale lebensweltliche Bezuumlge hohes kognitives Aktivierungspotenzi-

al Anregung zu sozialem Lernen (z B Austausch der Schuumllerinnen im Gruppenunterricht) und Innere Diff erenzierung (ggf bis zur Individualisierung) (Muumlller Gartmeier amp Prenzel 2013 134 f)

4 Felix Winter hat sehr anschaulich beschrieben wie der geniale Carl Friedrich Gauszlig seiner-zeit aus der trivialen Uumlbungsaufgabe (die Zahlen 1 bis 100 addieren) selbststaumlndig fuumlr sich eine Lernaufgabe gemacht hat indem er nach einer Analyse des Materials uumlber die Anwendbarkeit eines eleganteren alternativen Verfahrens nachgedacht hat (Winter 2008 S 120) Im Lichte ei-ner reduzierten behavioristischen Didaktik waumlre das dem Lehrer entgangen

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Koumlnnen miteinschlieszligen muss eine Evaluation daruumlber Auskunft geben inwieweit Schuumllerinnen anwenden bzw umsetzen koumlnnen was sie wissen oder (vornehmlich in praktischen Situationen) begruumlnden koumlnnen was sie tun Wir wissen jedoch bdquodass Koumlnnerinnen in komplexen Domaumlnen (z B einen fi ktionalen Text verfassen oder mittels eines Experiments eine physikalische Annahme pruumlfen) in hohem Maszlige in-tuitiv-improvisierend handeln Deshalb besteht die Gefahr dass Schuumllerinnen oder Schuumllern aufgrund ihres verbal nachgewiesenen Wissens faumllschlicherweise Koumlnnen zu-geschrieben wird uumlber das sie nicht verfuumlgen Oder aber umgekehrt bei manifesten sprachlichen Defi ziten vorschnell ein Koumlnnen abgesprochen wirdldquo (Neuweg 2008 S 86 f)

Aufgaben dienen der Selektion (d h der Unterscheidung von Lernenden mit aus-reichenden bzw [vorlaumlufi g] nicht ausreichenden Kompetenzen) mit der Konsequenz gegebenenfalls Letztere von besonderen Bildungsprozessen (vorlaumlufi g) auszuschlie-szligen5

Aufgaben dienen (wenn auch nicht unbedingt in der Absicht der Lehrerinnen so doch de facto) der Disziplinierung im Sinne einer Veranlassung zu (zeitlich begrenz-ten) Taumltigkeiten (z B bdquoHausaufgabenldquo) die andere Taumltigkeiten (z B mehr oder min-der angemessene Freizeitaktivitaumlten) einschraumlnken

Diese der Begriff sanalyse dienende Aufzaumlhlung entspricht einer diff erenzierten Beschreibung die nicht fuumlr sich bereits normative Implikationen aufweisen will Ins-besondere die letzten beiden Funktionen duumlrft en bei vielen Leserinnen und Lesern (durchaus verstaumlndlicherweise) Widerspruch provozieren der allerdings nicht aus-reicht sie (z B im Rahmen wenig Sinn vermittelnder [Haus-]Uumlbungen6) aus dem schulischen Alltag zu verbannen

12 Wer entscheidet uumlber die zu stellenden Aufgaben

Lange Zeit schien die Antwort auf diese Frage unbezweifelbar die zustaumlndigen (Klas-sen- bzw Fach-)Lehrerinnen Wer unterrichtet traumlgt auch die Verantwortung fuumlr

5 Schon Frank Wedekind lieszlig in seinem Drama bdquoFruumlhlingserwachenldquo einen der kulturpubertie-renden Jugendlichen sagen bdquoWozu gehen wir in die Schule hellip damit man uns examinieren kann Und wozu examiniert man uns ndash Damit wir durchfallen Sieben muumlssen ja durchfallen schon weil das Klassenzimmer oben nur sechzig fasst (Wedekind 1977 S 11)

6 Bei einem Aufenthalt in Kolumbien besuchte ich eine Volksschule in der viele von einer Vul-kankatastrophe betroff ene Kinder vorgeblich nach dem Konzept von Maria Montessori un-terrichtet wurden Im Rechenunterricht ging es um Zehneruumlber- bzw -unterschreitungen an-hand einer Liste von 100 einschlaumlgigen Aufgaben Da fi el mir ein kleines Maumldchen ins Auge das dabei war die Angaben dieser Aufgaben fein saumluberlich in sein Heft zu uumlbertragen ohne auch nur mit der Loumlsung einer einzigen Aufgabe zu beginnen Ich setze mich zu ihm und wir begannen gemeinsam mit dem Versuch aus den fuumlr es unloumlsbar scheinenden Problemen (im Sinne Doumlrners) loumlsbare Aufgaben zu machen und damit der Uumlbung einen Sinn zu geben Es war begluumlckend zu erleben wie sich das Kind uumlber die neu erworbene Kompetenz freute und mich aus Dankbarkeit auf dem Nachhauseweg spontan bei der Hand nahm Vgl Standop 2014 insb S 107

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(alle) bdquoevaluativen Pruumlfungenldquo7 war die geltende Maxime Es bedurft e der unuumlber-sehbaren Ergebnisse empirischer Untersuchungen dass die Chancen auf den Bil-dungserfolg der Schuumllerinnen auch mit den jeweils gestellten Aufgaben einhergehen Das regte nachhaltige Uumlberlegungen an wie eine mangelhaft e Beruumlcksichtigung des Schwierigkeitsgrades und der Fairness von Aufgaben bzw die mangelhaft e Objektivi-taumlt und Validitaumlt der Beurteilung ihrer Loumlsungen seitens der Lehrerinnen einzudaumlm-men seien (Bruneforth amp Lassnigg 2015 S 112 ff Eder et al 2015 S 80 ff ) und for-cierte bildungspolitische Alternativen Delegierung der Aufgabenkonstruktionen und auch der Beurteilung der von Schuumllerinnen und Schuumllern vorgelegten Loumlsungen bei bestimmte Bildungschancen besonders maszliggeblich beeinfl ussenden Situationen (Auf-nahmepruumlfungen Abschlusspruumlfungen beispielsweise die Matura oder Bildungsstan-dards) an externe Instanzen (Bildungsministerium Bildungsinstitut fuumlr Forschung und Entwicklung im Bildungswesen ndash BIFIE) zu uumlbertragen was nachhaltige haumlufi g kont-rovers gefuumlhrte Diskussionen ausgeloumlst hat (Altrichter amp Kanape-Willingshofer 2012 Neuweg 2004)

Obwohl die Beweislage im Hinblick auf die Maumlngel der Tradition dass die jeweils unterrichtenden Lehrerinnen auch bei selektiven Pruumlfungen die Haupt- wo nicht Al-leinverantwortung tragen zunehmend erdruumlckender geworden war wurde die Tradi-tion sowohl von der Bildungspolitik als auch von der Lehrergewerkschaft bis in die juumlngste Zeit mit auff allender Vehemenz verteidigt (Mandl 2008) Die Ambivalenz des haumlufi g vorgebrachten Arguments die unterrichtenden Lehrerinnen wuumlssten am besten uumlber die Staumlrken und Schwaumlchen ihrer Schuumllerinnen Bescheid und koumlnnten darauf bereits bei der Aufgabenstellung Ruumlcksicht nehmen wurde mehr oder weni-ger ignoriert Denn gerade dadurch koumlnnen auch dem Einfl uss diverser zweifelhaft er Komponenten (z B SympathieAntipathie manipulative Steuerung individueller oder kollektiver Pruumlfungsergebnisse8) zahlreiche Moumlglichkeiten eroumlff net werden

Aber daraus die Konsequenz zu ziehen Lehrerinnen von jeder Mitverantwortung an selektiven Pruumlfungen zu befreien wuumlrde hinwiederum die Gefahr ihrer bereichs-spezifi schen Deprofessionalisierung in sich bergen wie wir sie seinerzeit im Rahmen der Schulversuche der Zehn- bis Vierzehnjaumlhrigen in Oumlsterreich kennengelernt ha-ben9 Damals hatte das Zentrum fuumlr Schulversuche diese Arbeit zur Gaumlnze uumlbernom-men Heute ist man sich im zustaumlndigen Ressort der erwaumlhnten Gefahr bewusst und neigt daher im Rahmen von bdquoTeilzentralisierungenldquo dazu den Lehrerinnen und Leh-rern Moumlglichkeiten einer Mitgestaltung einzuraumlumen Unterstuumltzt wuumlrde diese Maszlig-nahme mit der Th ese dass auch Lehrerinnen selbst ein zu vermittelndes Wissensge-biet erst dann in seiner Bedeutung richtig verstanden haben wenn es ihnen gelingt anspruchsvolle Aufgaben zu formulieren und ihre Loumlsbarkeit zu demonstrieren (Ja-cobs 2008 S 111)

7 Dass der Fokus von Evaluation dabei so gut wie ausschlieszliglich auf die Lernenden gerichtet blieb und nicht auch die Qualitaumlt des Unterrichts und damit auch die Lehrerinnen betreff en sollte steht allerdings auf einem anderen Blatt

8 Z B um die Gefahr einer fuumlr Lehrerinnen aufwaumlndigen Pruumlfungswiederholung abzuwenden9 Gottfried Petri ist seinerzeit in seiner detailreichen Evaluation auf diesen Aspekt allerdings

nicht eingegangen (Petri 1984)

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Einen Ausweg aus diesem Dilemma (Vermeidung von Maumlngeln bei Pruumlfungen um den Preis der Deprofessionalisierung der Lehrerinnen) boumlte die Einladung an die Lehrerinnen bestimmter Schulstufen und Unterrichtsfaumlcher lehrplankonforme Auf-gaben die begruumlndeten Qualitaumltskriterien genuumlgen in einen Pool einzuspeisen aus dem sodann die konkreten Aufgaben fuumlr individuelle Schuumllerinnen bzw Schulklassen zu ziehen waumlren Damit koumlnnten sowohl die Maumlngel der Aufgaben als auch die Ent-woumlhnung von wichtigen professionellen Taumltigkeiten hintangehalten werden Nach bis-herigen Erfahrungen stuumlnde allerdings ein Einspruch der Lehrergewerkschaft zu be-fuumlrchten der es immer darum zu tun ist ihre Klientel gegen zusaumltzliche nicht eigens entlohnte Arbeit abzuschirmen In dem konkreten Fall waumlre es allerdings nicht schwer zu argumentieren dass es sich nicht um zusaumltzliche sondern lediglich um anders or-ganisierte Arbeit zum Zwecke einer Qualitaumltsverbesserung im Bildungswesen handeln wuumlrde Denn an Aufgaben lernen nicht nur diejenigen die sie loumlsen sondern insbe-sondere auch jene die sie konstruieren (Glowalla amp Glowalla 2004)

Schlieszliglich verdient auch noch die Frage beachtet zu werden inwieweit Schuumlle-rinnen an der Stellung von Aufgaben beteiligt werden koumlnnten Es empfi ehlt sich bei der Antwort darauf den Rahmen nicht auf selektive Situationen (Aufnahmepruumlfungen die Zugaumlnge ermoumlglichen oder Abschlusspruumlfungen die uumlber Berechtigungen ent-scheiden) zu beschraumlnken sondern auch Aufgaben die in nicht (unmittelbar) selekti-ven Situationen gestellt werden (z B Uumlbungsaufgaben oder Lernaufgaben) zu denken Hans-Joumlrg Herber hatte in seinem theoretisch gut begruumlndeten und praktisch noch immer sehr anregenden Konzept der bdquoInneren Diff erenzierungldquo vorgesehen dass den Schuumllerinnen und Schuumllern zum Beispiel im Mathematikunterricht zu gegebener Zeit eine Sammlung von Aufgaben verschiedener nicht aufsteigender Schwierigkeit ange-boten wird unter denen sie ndash selbstbestimmt ob in individueller Partner- oder Grup-penarbeit ndash frei waumlhlen koumlnnen (Herber 1983) Die Schuumllerinnen uumlbernehmen da-mit eine Mitverantwortung fuumlr ihr Lernen indem sie sich bewusst machen was sie in der Situation leisten wollen und eigener Einschaumltzung zufolge leisten koumlnnen (Herber 1998 S 60 f)

13 Wer beurteilt die von Schuumllerinnen und Schuumllern vorgelegten Loumlsungen

Die Antworten auf diese Fragestellung fallen zu einem Gutteil aumlhnlich aus wie im vo-rigen Kapitel Auch hinsichtlich der Beurteilung galt lange Zeit quasi als selbstver-staumlndlich dass die Lehrerinnen die Ergebnisse der von ihnen gestellten Aufgaben auch beurteilen (und damit in der Regel benoten) In seltenen Faumlllen (z B bei der Reifepruumlfung) wurde mit Landesschulinspektorinnen und Landeschulinspektoren bzw anderen Beamten der Landesschulratsbehoumlrden eine Instanz aufgeboten die ein zurei-chendes Maszlig an Objektivitaumlt und Validitaumlt sowie eine interregionale Vergleichbarkeit der Beurteilungen sicherstellen sollte Aber erst in juumlngster Zeit wurde (z B mit der Leadership Academy) einerseits dafuumlr Sorge getragen dass auch die dafuumlr vorgesehe-nen Personen einschlaumlgig geschult werden und sich nicht auf die aus autoritaumlren Sys-

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temen uumlbernommene Regel mit dem Amt kaumlme auch der (Sach-)Verstand verlassen durft en Andererseits wurden unter dem Druck demokratiepolitischer Argumente die Einspruchsrechte der Betroff enen (wenn auch zaghaft 10) erweitert

Wenn die Beurteilung extern erfolgt wird die Erfuumlllung der Qualitaumltskriterien in der Regel mit dem Einsatz mehrerer (unabhaumlngiger) Beurteilerinnen die einen aus-reichenden Uumlbereinstimmungsgrad aufweisen muumlssen gewaumlhrleistet Die Gefahr kras-ser Fehlurteile erscheint damit als gebannt

Auf das auch in diesem Zusammenhang gegebene Problem einer Deprofessionali-sierung der Lehrerinnen gehe ich hier nicht nochmals ein Es gelten mutatis mutan-dis die oben (unter 12) angefuumlhrten Bedenken

14 Formale Merkmale von Aufgaben

Konkrete Aufgaben koumlnnen in praktischen Zusammenhaumlngen mehrere Funktionen erfuumlllen auch wenn die paumldagogische Absicht nur auf eine bestimmte gerichtet sein mag So erweisen sich Pruumlfungsaufgaben oft mals ndash insbesondere bei Defi ziterfahrun-gen der gepruumlft en Schuumllerinnen ndash als nachtraumlglicher Beitrag zur Lernzieldefi nition der ihnen klar macht woraufh in sie haumltten lernen sollen Lernaufgaben dienen fall-weise auch Hinweisen auf (u U fehlende) EingangsvoraussetzungenDie Qualitaumlt konkreter Aufgaben entscheidet sich in praktischen Zusammenhaumlngen danach in welchem Grad sie bestimmte formale Merkmale aufweisen Sie werden im Folgenden eroumlrtert

bull VerstaumlndlichkeitDamit sind Klarheit und formale Eindeutigkeit gemeint worin die Loumlsung einer Auf-gabe besteht Die Schuumllerinnen muumlssen die Moumlglichkeit haben zu erkennen ob ihre Loumlsung richtig sein kann indem sie pruumlfen ob diese der gestellten Aufgabe formal (z B eine oder mehrere moumlgliche Loumlsungen) entspricht

Fuumlr Schuumllerinnen die eine Aufgabe bearbeiten sollen ist entscheidend ob die Aufgabe fuumlr sie (individuell) verstaumlndlich ist An dieser Frage haben sich (z B in Oumlsterreich) in letzter Zeit (u a aus Anlass der schrift lichen Zentralmatura) heft i-ge bildungspolitische Diskussionen entzuumlndet die bis ins Parlament hineingetragen wurden Dabei standen nicht nur Faumlcher im Vordergrund in denen groumlszligere Inter-pretationsspielraumlume Tradition haben (Deutsch Fremdsprachen) sondern insbeson-dere auch Mathematik Uumlberpruumlfungen ergaben dass fallweise Schuumllerinnen deren mathematische Faumlhigkeiten im Vorfeld durchaus Maturaniveau aufgewiesen hatten

10 Z B damit dass Einspruch nur im Fall einer negativen Beurteilung moumlglich ist obwohl es bei diversen Uumlbergaumlngen innerhalb des Bildungssystems (z B bei beschraumlnkten Zugangsmoumlglich-keiten oder nachfolgenden Berufschancen) eine Rolle spielen kann welche (positiven) Kalkuumlle Schuumllerinnen vorweisen koumlnnen

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an der Kompliziertheit der Aufgabenformulierung also an einer mangelnden Sprach-kompetenz gescheitert sind (Neuhauser 2018)11

bull Prinzipielle LoumlsbarkeitEs mag auf den ersten Blick trivial erscheinen dieses Merkmal eigens zu nennen Es ist jedoch bei Pruumlfungsaufgaben unverzichtbar und ein Verstoszlig zieht u U schwer-wiegende Konsequenzen nach sich12 Bei Lernaufgaben gilt dieses Merkmal u U nur bedingt naumlmlich dann wenn eine der beiden folgenden Fragen (die ein erhebliches katalysatorisches Potenzial aufweisen) die Loumlsbarkeit auf eine andere Ebene (metako-gnitives Wissen) hebta) Reichen die vorliegenden Angaben aus um die Aufgabe loumlsen zu koumlnnenb) Welche zusaumltzlichen Informationen muumlsste die Aufgabenstellung enthalten um

eine Loumlsbarkeit zu gewaumlhrleisten13

bull (Objektive) Sinnhaft igkeit ndash (Subjektive) BedeutsamkeitDieses Merkmal wird in der einschlaumlgigen Literatur vergleichsweise weniger beachtet wiewohl es die Anstrengungsbereitschaft bei der Bearbeitung von Aufgaben bzw die Lernbereitschaft entscheidend beeinfl usst An einem konkreten (allerdings ambivalen-ten) Beispiel soll das exemplifi ziert werden

Ein junger Mann spart euro 5000- fuumlr eine Reise in den fernen Osten Dort reist er mehrere Wochen von Land zu Land In jedem wechselt er euro 300- in die landesuumlbliche Waumlhrung Bevor er das Land wieder verlaumlsst tauscht er den jeweils verbliebenen Rest in die Eurowaumlhrung zuruumlck wobei er einen Verlust von 10 in Kauf nehmen muss In einer Tabelle sind die bereis-ten Laumlnder die jeweiligen Wechselkurse und der jeweils verbliebene Rest der zuruumlckgetauscht wurde aufgelistet Wie viel Euro bringt der junge Mann letztlich von der Reise zuruumlck wenn er euro 900- fuumlr den Flug bezah-len muss14

In dieser Aufgabe werden mehr oder minder aufwaumlndige Rechenoperationen in einen exotischen aller Wahrscheinlichkeit nach fuumlr die Schuumllerinnen fremden (motivieren-den) Kontext verpackt Die unter Zeitbegrenzung vorgegebene Aufgabe wuumlrde es je-doch nicht erlauben einem allenfalls erwachenden Interesse an einem der bereisten

11 Eine engagierte Mathematiklehrerin in einer Neuen Mittelschule (NMS) mit hohem Anteil von Kindern nicht deutscher Muttersprache hat es sich aus diagnostischen Uumlberlegungen zur Re-gel gemacht bei Schularbeiten zur Haumllft e reine Zahlenbeispiele (ohne Texteinkleidung) vorzu-legen um eine Benachteiligung dieser Kinder hintanzuhalten Im geringeren Maszlige profi tierten davon auch Kinder mit deutscher Muttersprache aber geringerer Sprachkompetenz

12 Vor einigen Jahren sorgte ein Zwischenfall bei einer schrift lichen AHS-Matura fuumlr Aufregung Ein Schuumller mit guten Leistungen in Mathematik machte die Lehrerin darauf aufmerksam dass eines der vorgelegten Beispiele nicht loumlsbar sei Die Lehrerin wies den Einwand vehement zuruumlck ndash hatten die Aufgaben ja eine kritische Begutachtung im Landesschulrat hinter sich In weiterer Folge stellte sich heraus dass der Schuumller Recht hatte Fuumlr einige Schuumllerinnen erwies sich dieser Fehler jedoch als entscheidende Beeintraumlchtigung der Chancen positiv zu bestehen Die Panne musste bis zum Herbst mit groszligem Aufwand repariert werden

13 Vgl das unten (Seite 14 f) zitierte komplexe Beispiel14 Aus dem Gedaumlchtnis zitiert

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Laumlnder oder den Gruumlnden fuumlr die z T infl ationsbedingt extremen Kurse nachzuge-hen Die Aufgabe ist letztlich auf die (allerdings vielfach anzuwendenden) Grundrech-nungsarten und einfaches Prozentrechnen beschraumlnkt Die Einkleidung lenkt eher von der konzentrierten Bearbeitung der Aufgabe ab als dass sie Bedeutsamkeit vermittelt

bull Zeitlich begrenzte (bdquospeedldquo) oder zeitlich unbegrenzte Aufgabenbearbeitung (bdquopowerldquo)Oft schon hat eine Evaluation von Pruumlfungen ergeben dass die gewaumlhrten zeitli-chen Rahmenbedingungen einen entscheidenden Einfl uss auf die Erfolgsquoten ha-ben Bei Pruumlfungsaufgaben die in der Regel unter mehr oder minder streng kont-rollierten Bedingungen zu bearbeiten sind ist die Zeit in der Regel begrenzt obwohl man weiszlig dass damit die Entfaltung von kreativen Ansaumltzen oder die Origina-litaumlt von Texten behindert wird Lange Zeit hatte jedoch der organisatorische Rah-men schulischen Lernens kaum eine andere Moumlglichkeit geboten In den letzten Jah-ren sind mit komplexen Aufgaben wie z B den Fachbereichs-15 oder Diplomarbeiten Moumlglichkeiten geschaff en worden Sie erlauben Schuumllerinnen und Schuumllern sich selbst Rahmenbedingungen zu organisieren und damit jene aus dem erweiterten Bereich von Pruumlfungsaufgaben in Richtung Lernaufgaben zu veraumlndern bei denen bereits die Interpretation der Th emen mehr Anteile individueller Mitentscheidungen hat

Einer allgemeinen Verschiebung von bdquospeedldquo in Richtung bdquopowerldquo steht allerdings der Groszliggruppen-Unterricht in Schulklassen entgegen in dem die Lernenden mit ihrer mehr oder minder ausgepraumlgten oft mals unterschaumltzten Heterogenitaumlt letztlich aus vordergruumlndigen zeitoumlkonomischen Gruumlnden immer wieder zu einem gemeinsa-men Vorgehen zusammengefuumlhrt werden muumlssen

bull Komplexitaumlt und transferfoumlrdernde KontexteLernaufgaben erreichen kaum die wuumlnschenswerte Qualitaumlt wenn sie nicht eine ent-sprechende Komplexitaumlt aufweisen die sie individuell herausfordernd bzw in Grup-pen kooperativ bearbeitet fuumlr das Von-einander-Lernen ergiebig machen

Generierendes Lernen (d h die Konstruktion von Wissen durch die Lernenden) fi ndet mit Vorteil in Verbindung mit (zumindest gedanklich praumlsenten) Nutzanwen-dungssituationen statt Dadurch wird verhindert dass isolierte Fakten mit geringem Transferpotenzial gelernt werden (Neber 1993)

bull FormAufgaben koumlnnen in unterschiedlicher Form gestellt werden Als Fragen deren Beant-wortung die Loumlsung darstellt oder als Auff orderungen eine bestimmte Handlung aus-zufuumlhren (Zeichnen Uumlbersetzen einen fi ktionalen Text verfassen oder einen Sachver-halt muumlndlich darstellen eine gymnastische Uumlbung vorfuumlhren oder ein Musikstuumlck darbieten etc) Insbesondere die von Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht haumlufi g gestellten Fragen sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen in der paumldagogischen bzw erziehungswissenschaft lichen Literatur16 Das Th ema Lehrerinnen-Fragen ist in-

15 Heute Vorwissenschaft liche Arbeiten16 Die Hinweise auf die Namen Hans Aebli Otto Friedrich Bollnow G Dahms Hugo Gaudig

Heinz Neber und Berthold Otto moumlgen hier als Belege genuumlgen

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 161

dessen so komplex dass es nicht als Nebensache eines Beitrags behandelt werden darf Allein die haumlufi g an Benjamin S Blooms Taxonomie orientierte Klassifi kation der Fra-gen nach ihrem kognitiven Niveau bzw Anspruch und Versuche ihrer Vermittlung in Trainings (King 1997 Klinzing amp Klinzing-Eurich 1982) haben eine umfangreiche Forschungsgeschichte (Levin 2005) Hier begnuumlge ich mich mit wenigen gut beleg-ten Bemerkungenbull Faktenfragen (wer wann wo z B in historischen Zusammenhaumlngen) dienen

kaum als Lernaufgaben weil sie keine Verbindung zu Anwendungssituationen dar-stellen also fuumlr sich allein genommen lediglich totes Wissen anhaumlufen helfen

bull Die sogenannten Lehrerfragen (oft als sokratische Fragen verbraumlmt) moumlgen im Klas-senunterricht ndash sparsam eingesetzt ndash geeignet sein bei Schuumllerinnen und Schuumllern (vielleicht jedoch auch nur bei manchen) einschlaumlgige Konzepte zu aktivieren und damit eine Denkbewegung in Richtung des jeweiligen Th emas auszuloumlsen Sie ver-fuumlhren die Lehrerinnen jedoch dazu von einzelnen Antwortstimmen auf allgemei-ne Beteiligung und allgemeines Verstaumlndnis zu schlieszligen17

15 Einschraumlnkende Bedingungen beim Einsatz von Lernaufgaben

Es entspricht der Logik wenn unter dem fuumlr diesen Beitrag gewaumlhlten Titel ein Plauml-doyer fuumlr den vermehrten Einsatz von Lernaufgaben folgt um damit einer einseitigen Assoziation von Aufgaben mit Pruumlfungssituationen ndash sei es in evaluativer oder selekti-ver Funktion ndash gegenzusteuern Unter den Bedingungen wie sie fuumlr den uumlberwiegen-den Teil des gegenwaumlrtigen Schulunterrichts naumlmlich den Unterricht in Schulklassen gelten stehen dem jedoch betraumlchtliche Hindernisse entgegen Zuallererst die Hetero-genitaumlt der Schuumllerinnen welche ihrer Veranlassung zu gleichzeitigem Lernen Gren-zen setzt

Jochen Grell der in seinem Ende des vorigen Jahrhunderts unter dem ebenso pro-vokanten wie missverstaumlndlichen bzw missverstandenen Titel bdquoUnterrichtsrezepteldquo zum Bestseller gewordenen Buch acht Phasen fuumlr einen qualitativ akzeptablen Stan-dardunterricht empfi ehlt sieht darin nicht zufaumlllig die selbststaumlndige Bearbeitung von Lernaufgaben als zeitlich mit Abstand ausgedehnteste Phase vor um den unterschied-lichen Voraussetzungen der Schuumllerinnen wenigstens mit entsprechenden zeitlichen Rahmenbedingungen (Puff erzonen fuumlr fakultative individuelle Zusaumltze) gerecht zu werden18

Seit auch bei Large-Scale-Assessments (z B PISA) neben Kenntnissen worauf sich die einschlaumlgigen Unternehmungen anfangs beschraumlnkten auch andere Domauml-

17 Reinhard Tausch Klaus Holzkamp oder Jochen Grell haben daher mit nachvollziehbaren Ar-gumenten mehr oder minder radikal fuumlr didaktische Alternativen plaumldiert Ob sie damit auf breiter Ebene praktisch erfolgreich waren bleibt allerdings dahingestellt Vgl S 163 den Hin-weis auf Alexander Renkl

18 In einem Brief anlaumlsslich des Entstehens des Buches bdquoAufgaben als Katalysatoren von Lernpro-zessenldquo (Th onhauser 2008) schrieb Jochen Grell er bedaure dem Th ema Lernaufgaben nicht weitere Aufmerksamkeit gewidmet zu haben weil er nach wie vor von deren didaktischem Po-tenzial uumlberzeugt sei

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nen (z B Interesse Nachhaltigkeit) erhoben werden sind die Qualitaumlt von Lernaufga-ben und Bedingungen fuumlr ihren Einsatz auch in der Bildungsforschung bedeutsam(er) geworden (Prenzel19 et al 2013) Denn so meint Lucien Criblez vollmundig bdquogute Schulleistungen entstehen durch guten Unterricht und guter Unterricht entsteht durch gute Lernaufgabenldquo (Criblez 2016 S 28 mit Bezug auf Keller amp Bender 2012)

Der Optimismus damit moumlglicherweise einen Hebel fuumlr eine Steigerungen der Unterrichtsqualitaumlt in Haumlnden zu halten muumlsste allerdings noch auf die Lehrerinnen uumlberspringen

2 Nach wie vor ein Desiderat fachdidaktische Diff erenzierungen

In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts hat in den deutschsprachigen Laumlndern die Bedeutung der Fachdidaktiken in der Aus- und Fortbildung der Leh-rerinnen merkbar zugenommen Allenthalben wurden fachdidaktische Gesellschaf-ten oder Arbeitsgemeinschaft en gegruumlndet einschlaumlgige Tagungen veranstaltet und fuumlr Studierende Moumlglichkeiten geschaff en sich mit fachdidaktischen Arbeiten in Di-plom- und Doktoratsstudien zu qualifi zieren Die Entwicklung der Paumldagogischen Hochschulen in Richtung vollguumlltiger tertiaumlrer Einrichtungen neben den Universitaumlten erwies sich insbesondere in der Schweiz aber auch in Deutschland (Vollmer 2007) z B an der Gesamthochschule Kassel oder der Universitaumlt Dortmund ndash um zwei Bei-spiele zu nennen ndash ebenfalls als foumlrderlich

In Oumlsterreich hat Klagenfurt urspruumlnglich als Universitaumlt fuumlr Bildungswissenschaf-ten konzipiert eine Vorreiterrolle Diese wurde u a dadurch beguumlnstigt dass dort ers-tens das Lehramtsstudium von Anfang an (1975) nach den neuen Studiengesetzen (AHStG 1966 Gesetz uumlber die geistes- und naturwissenschaft lichen Studienrichtun-gen 1971) organisiert wurde die den Fachdidaktiken einen bedeutsamen Platz ein-raumlumten und zweitens alle berufenen Fachprofessoren auch fuumlr die (Entwicklung der) Fachdidaktiken zustaumlndig waren20 Was anfangs als Wiederaufl eben des Glaubens mit dem Amt (und seiner Bezeichnung) komme auch der (Sach-)Verstand belaumlchelt wur-de erwies sich im Verlauf der Jahre als wichtiger Impuls dem mehrere nachhaltige Initiativen zu verdanken waren Beispielhaft sei auf einschlaumlgige Tagungen hingewie-sen die sich fuumlr andere Universitaumlten (z B Salzburg und Innsbruck) als Initialzuumln-dungen erwiesen (Tietze et al 1988) oder das Fortbildungsprogramm Paumldagogik und Fachdidaktik fuumlr Lehrerinnen (PFL) ein international beachtetes vom Bildungsmi-nisterium uumlber Jahrzehnte bis heute unterstuumltztes interdisziplinaumlres Kooperationspro-jekt (Krainer amp Posch 1996 Messner 2018 S 285 ff ) Nicht zu vergessen die erstmals gelungene Integration von schulpraktischen Elementen in die universitaumlre Lehrerbil-dung

19 Manfred Prenzel hat erst unlaumlngst (25062018) in einem Vortrag an der Universitaumlt Salzburg die Wichtigkeit der Erweiterung der evaluierten Merkmale wieder hervorgehoben

20 Laut Ernennungsdekreten waren die Professorinnen und Professoren jeweils fuumlr ein Lehramts-fach und seine Fachdidaktik zustaumlndig

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 163

Der Weg des Fortschritts in den Fachdidaktiken erweist sich jedoch ndash jedenfalls im Bereich der Lernaufgaben ndash nach wie vor als muumlhsam Das liegt einmal an der Er-ziehungswissenschaft als Bezugswissenschaft Denn sie hat ihre Chancen weit mehr darin gesehen einen Beitrag zur evidenzbasierten Evaluierbarkeit von (Fach-)Unter-richt zu leisten als zur Weiterentwicklung des Lernaufgabenkonzepts Das schlaumlgt sich bereits in der Unklarheit dieses Begriff s nieder welche die fachdidaktische Forschung belastet21 Noch vor wenigen Jahren baute ein fachdidaktisches Projekt auf die mehr als kuumlhne defi nitorische Aussage von Alexander Renkl aus dem Jahre 1996 auf bdquodie kleinste Lernaufgabe (sei) eine Frage oder Aufgabenstellung der Lehrkraft und die Louml-sung eine Schuumllerantwortldquo (Manzel amp Sowinski 2014 S 73) Damit stuumltzt man (unge-wollt) den nach wie vor weitverbreiteten Erarbeitungsunterricht der nur in negativer Hinsicht als evidenzbasiert bezeichnet werden koumlnnte (vgl oben S 162)

Zahlreiche Berichte uumlber fachdidaktische Forschungen beklagen die geringe Zahl an (empirischen) Validierungen von fachdidaktischen Empfehlungen fuumlr die paumlda-gogische Praxis (z B Schweitzer 2014 S 29 Schmaltz 2017 S 411) Philipp Mitt-nik weist in einer aufwaumlndigen Studie uumlber Reifepruumlfungsaufgaben nach bdquodass der Grundgedanke der Kompetenzorientierung in der oumlsterreichischen Lehrerschaft [zumindest im Fach GeschichteSozialkunde J T] noch nicht im ausreichenden Maszlige angekommen sein duumlrft eldquo Es uumlberwiegen nach wie vor Aufgaben im Anforderungs-bereich I (Reproduktion) fuumlr die es bdquolaut Rechtsvorschrift keine Beurteilung mit sbquosehr gutlsquo geben duumlrft eldquo (Mittnik 2014 S 34)

Positiv hervorgehoben zu werden verdienen hingegen zwei umfangreiche publi-zierte Dissertationen die nach jeweils eingehender Beschaumlft igung mit Merkmalen gu-ten Unterrichts im Allgemeinen fachlichen Aspekten von Lernaufgaben nachgehen ndash im Kontext der Berufsschullehrerbildung die eine (Schaff enrath 2008) des Franzouml-sischunterrichts die andere (Tesch 2010) Auch an der Universitaumlt Dortmund entstan-den in den letzten Jahren uumlber ein Dutzend Dissertationen in mehreren Fachdidak-tiken die sich mit dem Potenzial von Lernaufgaben auseinandersetzen (Hinz et al 2014 S 259 f)Trotzdem beklagt Bernd Ralle dass das Th ema Lernaufgaben in vielen Fachdidaktiken nicht seiner Bedeutung gemaumlszlig behandelt werde obwohl es ein bdquowichtiger Schluumlssel fuumlr die Umsetzung [hellip] didaktischer Ziele im Unterrichtldquo sei (siehe Ralle et al 2014 S 9 vgl auch Becher amp Glaumlser 2014 S 159 Helbig et al 200022)

Ein kraumlft iger Impuls koumlnnte in naher Zukunft von den Learning Studies ausgehen wenn sich diese auch in den deutschsprachigen Laumlndern durchsetzen (Posch 2018)

21 Vgl z B Zadelhoff ampWember 2013 S 121 welche die individuelle Anpassung von Aufgaben-schwierigkeiten ihrem Lernaufgaben-Konzept integrieren

22 In der umfangreichen Festschrift fuumlr den Romanisten K-R Bausch fi ndet sich auf 600 Seiten unter drei Dutzend Beitraumlgen keiner zum Th ema Aufgaben (Helbig et al 2000)

Josef Thonhauser 164

3 Einige illustrative Beispiele fuumlr Lernaufgaben23

Die wenigen hier vorgestellten aus der Literatur uumlbernommenen und adaptierten Bei-spiele koumlnnen als typisch fuumlr Lernaufgaben gelten indem sie bull Lernende vor neue Herausforderungen stellenbull komplex und off en sind (d h mehrere Loumlsungsmoumlglichkeiten zulassen) undbull hervorragende Anlaumlsse zu sozialem Lernen bieten (voneinander lernen in Gruppen

mit unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen insbesondere Interessen und Louml-sungskompetenzen)

In der vorliegenden Form sind sie keinesfalls als Evaluations- Pruumlfungs- oder Uumlbungs aufgaben geeignet

31 Ein begruumlndetes aumlsthetisches Urteil fi nden (fuumlr eine gymnasiale Oberstufe)

Ein zeitgenoumlssischer Literat (1958) hat das folgende Gedicht veroumlff entlicht24

Der Tag erwacht

01 Morgens wenn die Daumlmmerung gruumlszligt 09 Wolken jagen um die WetteUnd der Mond die Laumlden schlieszligt Jede will die erste seinHuumlpft die Sonne durch die Fenster Auch der Fluss in seinem BetteUnd vertreibt die Nachtgespenster Laumlsst sich auf den Wettlauf ein

05 Kirchturm laumlsst die Glocken klingen 13 Nur die groszligen weisen BergeBlumen fangen an zu singen Bleiben still am Platze stehnSelbst vorm Haus der Apfelbaum Koumlnnen immer von ganz obenGruumlszligt ganz leis man houmlrt ihn kaum All das bunte Treiben sehn

Die Schuumllerinnen sollen uumlberlegen inwieweit sie sich ein aumlsthetisches Urteil uumlber das Gedicht zutrauen Auf dem Weg dorthin sollen sie im Sinne des gelenkten Entdeckens (nach moumlglicherweise mehrfacher Lektuumlre)bull uumlberlegen wie das Gedicht insgesamt auf sie wirkt ndash auch wenn sie nicht jedes De-

tail verstehenbull eine Passage auswaumlhlen die ein fuumlr sie verstaumlndliches ansprechendes Bild be-

schreibt

23 Auf sie passt Norbert Seels Defi nition Lernaufgaben sind bdquonach didaktischen Uumlberlegungen ausgewaumlhlte und speziell praumlparierte Lernobjekte die einen bestimmten Lernvorgang ausloumlsen und organisieren sollenldquo (Seel 2003 S 383)

24 Hoppe amp Metz 2013 S 55 ff

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 165

bull erkunden welche Passagen in der Klasse (moumlglicherweise mehrfach) ausgewaumlhlt wurden welche hingegen kein einziges Mal und uumlberlegen was die Gruumlnde dafuumlr sein koumlnnten

bull pruumlfen welchen der einzelnen Verse oder Strophen sie einen Sinn entnehmen koumln-nen welchen nicht

bull sich nach der Lektuumlre selbst klar machen welche im Gedicht enthaltenen Aussagen ihnen vertraut sind (= welche sie u U bei der Beschreibung des erwachenden Tages selbst verwenden wuumlrden) welche nicht

bull sich den Zusammenhang zwischen ihrer subjektiven Sinnentnahme und der Nei-gung zu aumlsthetischen Urteilen bewusst machen

bull nach Begruumlndungen fuumlr ihre Urteile suchenbull sich off enhalten fuumlr Diskussionen uumlber die voranstehenden Punkte mit ihren Mit-

schuumllern-innen (ggf auch mit der Lehrperson)

Eine Voraussetzung fuumlr den Erfolg dieser Lernaufgabe besteht darin dass sich die Schuumllerinnen auf sie einlassen obwohl ein unmittelbarer Lebensweltbezug nicht als gegeben erscheint und ebenso vermittelt werden muss wie auch die Bedeutung des Lernprojekts

32 Nicht jede (z B im Schulbuch gestellte) Aufgabe ist auch loumlsbar

(Sekundarstufe I)

Die mittlerweile haumlufi g zitierte Aufgabe bdquoTankenldquo (Linneweber-Lammerskitten 2012 S 28)

Herr Stein wohnt in Trier 20 km von der Grenze zu Luxemburg entfernt Er faumlhrt mit seinem VW Golf zum Tanken nach Luxemburg wo sich di-rekt hinter der Grenze eine Tankstelle befi ndet Dort kostet der Liter Benzin nur 105 euro im Gegensatz zu 130 euro in Trier Lohnt sich die Fahrt fuumlr Herrn Stein Begruumlnde deine Antwort

Die Aufgabe in der vorliegenden Fassung waumlre nur dann loumlsbar wenn die Schuumllerin-nen stillschweigend bull einige zusaumltzliche Annahmen traumlfen die im Text gar nicht enthalten sind z B Fas-

sungsvermoumlgen des Tanks Benzinverbrauch des Autos Distanz zur naumlchsten Tank-stelle in Trier

bull groumlszligerer Zeitaufwand erhoumlhter Verschleiszlig und erhoumlhtes (Unfall-)Risiko sowie oumlko-logische Bedenken wegen der zusaumltzlichen Kilometer ignoriert werden

Josef Thonhauser 166

Um aus dieser unvollstaumlndigen und genau genommen unloumlsbaren Aufgabe eine Lern-aufgabe zu machen gaumlbe es zwei Moumlglichkeitena) Vordergruumlndig Ergaumlnzungen im Sinne der aufgezaumlhlten Maumlngelb) Nachhaltig Aumlnderung der Aufgabenstellung z B mit einer oder beiden der fol-

genden Ergaumlnzungen ndash Was muumlsstest Du noch wissen um berechnen zu koumlnnen ob sich die Fahrt

uumlber die Grenze fuumlr Herrn Stein unmittelbar fi nanziell lohnt ndash Welche Aspekte muumlssten noch beruumlcksichtigt werden um entscheiden zu koumln-

nen ob ein fi nanzieller Gewinn gesellschaft spolitisch zu rechtfertigen waumlre

Die Aumlnderung der Aufgabenstellung waumlre auch eine Antwort auf zahlreiche Untersu-chungsergebnisse die feststellen dass mit Mathematikaufgaben Politik gemacht wird ndash nicht nur im Sinne einer totalitaumlren Ideologie (z B Mertens 1986 Menzler-Trott 2001) sondern auch aktueller wirtschaft spolitischer oder oumlkologischer Doktrinen (Ullmann 2008)

33 Menschenrechte da und dort ndash gestern und heute (Sekundarstufe II25)

Dieses Beispiel steht fuumlr Politische Bildung deren Aufwertung in Oumlsterreich in letz-ter Zeit mehrfach gefordert wurde (z B im Zusammenhang mit den Feiern zur Gruumln-dung der Republik im November 1918)

Informationena) Martin Luther King (MLK) war im vorigen Jahrhundert in den USA ein Buumlrger-

rechtskaumlmpfer Als Schwarzamerikaner und Baptistenpfarrer setzte er sich fuumlr ge-waltlosen Widerstand ein weshalb er stark bekaumlmpft wurde

b) Bei einem Marsch auf Washington hielt er unter dem Titel bdquoIch habe einen Traumldquo eine vielbeachtete Rede (28 August 1963) Darin hieszlig es u a bdquoIch habe einen Traum dass eines Tages die Soumlhne von fruumlheren Sklaven und die Soumlhne von fruuml-heren Sklavenhaltern miteinander am Tisch der Bruumlderlichkeit sitzen koumlnnen [hellip] dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden Erst wenn dies wahr ist wird Amerika eine groszlige Nation seinldquo

c) Ermutigt wurde MLK u a durch die Amerikanische Unabhaumlngigkeitserklaumlrung von 1776 in der die individuellen Rechte auf Leben Freiheit und das Streben nach Gluumlck sowie eine demokratische Verfassung allen Buumlrgerinnen und Buumlrgern zuge-sichert werden

d) Anlaumlsse fuumlr seine Rede waren die taumlglichen Buumlrgerrechtsverletzungen (Rassendis-kriminierung extreme soziale Benachteiligungen Chancenungleichheit)

e) MLK hat nicht erlebt dass sein Traum wahr geworden waumlre Er wurde nach meh-reren fehlgeschlagenen Anschlaumlgen 1968 ermordet

25 Waldis 2013

Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben 167

Lernaufgabea) Organisiert euch in Gruppen und besorgt euch einen Zugang zum Internet ggf

um weitere Informationen zu erhaltenb) Welche einfl ussreichen Personen oder Organisationen arbeiten seit MLK an der

Verwirklichung seines Traums ndash welche (eher) dagegen c) Inwiefern haumltte heute (ein neuer) MLK Anlass uumlber einen Traum zu sprechend) Vergleicht die Situation in Europa und den USAe) Inwieweit ihr zu Einigungen gekommen seid inwieweit nicht

Mit den im Text eingestreuten und den abschlieszligenden Beispielen sollte gezeigt wer-den welches Potenzial in Lernaufgaben im Unterricht quer durch alle Altersstufen und Schultypen steckt aber auch welche Herausforderungen sie fuumlr die Lehrerschaft und die Bildungspolitik enthalten

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Claudia Schreiner und Simone Breit

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung Instrumente paumldagogischer Diagnostik im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen und schulpraktischen Anspruumlchen

Der Einsatz paumldagogischer Diagnostik durch Lehrkraumlft e verfolgt in der Regel das Ziel den Unterricht auf die jeweils aktuellen Kompetenzen der Schuumllerinnen moumlglichst treff sicher abstimmen zu koumlnnen Daraus erwachsen unterschiedliche praktische He-rausforderungen die zum einen mit den Instrumenten und Methoden der paumldagogi-schen Diagnostik zu tun haben weiters mit der Verarbeitung des Feedbacks daraus und zum anderen mit der Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse im Unterricht Auf einer anderen Ebene koumlnnen allerdings noch andere Arten von Herausforde-rungen festgemacht werden Diese entstehen vorrangig aus der Verschraumlnkung und Abgrenzung der Rollen der verschiedenen Akteure und betreff en insbesondere die Schnittstellen Wissenschaft ndash Lehrende sowie Lehrende ndash Lernende

Es erscheint grundsaumltzlich sinnvoll eff ektiv und effi zient dass Instrumente fuumlr eine eher formale Form der paumldagogischen Diagnostik von der Wissenschaft entwickelt werden und Lehrenden im Feld zur Verfuumlgung stehen Dadurch entsteht (uumlber die Einbeziehung von Praktikerinnen und Praktikern in die Entwicklung und Erprobung hinaus) eine explizite Schnittstelle zwischen der Wissenschaft und der Praxis und es bedarf bestimmter Transferprozesse um zwischen diesen beiden Welten zu vermit-teln Wo hier jeweils die Grenzen gezogen werden und bei welcher dieser beiden Ak-teursgruppen die professionelle Verantwortung fuumlr welche Teilprozesse verankert wird hat Auswirkungen auf die Handlungsmoumlglichkeiten und das Rollenverstaumlndnis der verschiedenen Beteiligten und beeinfl usst diesen Transferprozess Die Gratwande-rung zwischen der Unterstuumltzung der Praxis durch Instrumente aus der Wissenschaft auf der einen Seite und der Selbstbestimmtheit des Handelns und damit verbundener Verantwortungsuumlbernahme fuumlr das eigene Handeln durch die Lehrkraumlft e auf der ande-ren Seite wird im vorliegenden Beitrag anhand einiger Instrumente aus dem Bereich der paumldagogischen Diagnostik diskutiert

Claudia Schreiner und Simone Breit 172

1 Ausgangspunkt Heterogenitaumlt

Wie sich die Sicht auf Vielfalt im Klassenzimmer im Lauf der Zeit gewandelt hat be-schreibt z B Sliwka (2010) So ging die Diskussion im deutschsprachigen Raum lan-ge von der Annahme aus durch verschiedene Maszlignahmen der Struktur und Organi-sation von Schule homogene Lerngruppen schaff en zu muumlssen und zu koumlnnen (z B Reh 2005) Moumlglichst homogene Gruppen zu schaff en entspricht der bdquotradierte[n] Sicht auf Vielfalt im dt Schulsystemldquo (Fischer Rott amp Veber 2014 S 22) Dies wur-de durch das Paradigma der Heterogenitaumlt (Sliwka 2010) abgeloumlst in dem die Unter-schiedlichkeit von Schuumllerinnen und Schuumllern innerhalb von Schulen und Klassen erkannt und anerkannt wird Praumlgend ist die Wahrnehmung der Heterogenitaumlt als He-rausforderung an Schule und Unterricht Stellvertretend sei Burkhard Jungkamps Be-schreibung im Vorwort zu Vock und Gronostaj (2017) angefuumlhrt bdquoHeterogenitaumlt ist beides Realitaumlt in Schulen und Klassenzimmern sowie Herausforderung fuumlr das schu-lische Lernen die Unterrichtsgestaltung und die Organisationsform von Lerngruppenldquo (S 5) Nun postuliert Sliwka als naumlchste ndash anzustrebende ndash Stufe die Wahrnehmung von Vielfalt als Chance und Bereicherung (Sliwka 2010 S 213 f) in der Diversitaumlt ge-nutzt wird um voneinander und miteinander zu lernen und damit eine positive Sicht auf die Unterschiedlichkeit von Schuumllerinnen und Schuumllern vorherrscht So liest man im Vorwort von Ute Erdsiek-Rave zu Fischer (2014) von einer bdquoSchule die Unter-schiedlichkeit und Heterogenitaumlt als Chance begreift die unter Bildungsgerechtigkeit auch die Verantwortung versteht jedem einzelnen Kind gerecht zu werdenldquo (S 5)

Unterschiedlichkeit ist daruumlber hinaus nicht nur zwischen Schuumllerinnen und Schuuml-lern innerhalb von Klassen oder Lerngruppen zu beobachten auch jedes individu-elle Kind besitzt bdquoeine Vielzahl praumlgender Diversitaumltsdimensionenldquo (Fischer 2014 S 11) Diese beeinfl ussen auch die individuelle Wahrnehmung und damit das Lernen So formuliert Reusser (2006) als eine der Leitfragen im Rahmen konstruktivistischen Stoff verstaumlndnisses bdquoBleibt die Perspektivitaumlt von Wissen gewahrt bzw das Bewusst-sein erhalten dass Erkennen nie voumlllig voraussetzungsfrei ist und keine zwei Schuumller je eine voumlllig identische Sicht auf eine scheinbar gleiche Unterrichtssituation habenldquo (S 162)

In Bezug auf den Blick auf Diversitaumlt innerhalb von Lerngruppen liegen aus den oumlsterreichischen Standarduumlberpruumlfungen fuumlr Mathematik (Schreiner amp Breit 2012 2014a Schreiner Breit Pointinger Pacher Neubacher amp Wiesner 2018) sowie ver-schiedene Kompetenzbereiche aus dem Fach Deutsch fuumlr die 4 und 8 Schulstu-fe (Breit Bruneforth amp Schreiner 2016 2017) sowie fuumlr Englisch fuumlr das Ende der 8 Schulstufe (Schreiner amp Breit 2014b) Daten vor mit denen zum einen bdquodas viel-leicht auff aumllligste Merkmal von Heterogenitaumlt im Klassenzimmerldquo (Scharenberg 2012 S 246) die Leistungsheterogenitaumlt beschrieben werden kann Sie sind jeweils eine Momentaufnahme zu einem spezifi schen Zeitpunkt und somit beispielhaft fuumlr die Situation in einer Klasse fuumlr Lehrerin und Schuumllerinnen Daruumlber hinaus kann das Konzept der Heterogenitaumlt zum anderen aber auch in Bezug auf Kontextmerk-male der Schuumllerinnen und Schuumller operationalisiert werden zum Beispiel nach Erst-sprache Migrationshintergrund Herkunft sland Sozialstatus oder Bildung der Eltern

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 173

Eine dritte Ebene Vielfalt im Klassenzimmer zu fassen sind grundsaumltzlich nicht nur kognitive sondern im Besonderen auch motivationale emotionale und volitionale Merkmale Erste Analysen zeigen eine immense Vielfalt nach allen drei angesproche-nen Merkmalsgruppen innerhalb von Klassen bzw Unterrichtsgruppen (Schreiner amp Wiesner 2019) So erstrecken sich die Kompetenzen von Schuumllerinnen und Schuumllern innerhalb einer Klasse bzw Unterrichtsgruppe in Mathematik i d R uumlber mehre-re Lernjahre Fuumlr die mittleren 75 einer Klasse betraumlgt die mittlere Leistungsspan-ne 184 Punkte (wobei zumindest in der Mitte der Skala ein Lernjahr mit 35ndash45 Punk-ten zu beziff ern ist) Bei dieser Leistungsspanne uumlber mehr als 4 Lernjahre sind die leistungsschwaumlchsten und die leistungsstaumlrksten Schuumllerinnen nicht inbegriff en Je-weils 125 der Leistungen innerhalb der Klasse liegen uumlber und unter diesem Wer-tebereich Diverse Zusammensetzungen sind auszligerdem in Bezug auf emotionale und motivationale Merkmale wie Freude am Fach fachbezogenes Selbstkonzept Wohlbe-fi nden in der Schule und Klasse sowie Herkunft smerkmale etwa den Migrationshin-tergrund den sozialen Status der Familie oder den Bildungshintergrund der Eltern der Normalfall innerhalb von oumlsterreichischen Schulklassen ndash sowohl in der Volks-schule als auch in der Sekundarstufe I (Schreiner amp Wiesner 2019)

Eine positive Sicht auf die Unterschiedlichkeit von Menschen eroumlff net diverse Moumlglichkeiten und Chancen und kann eine wesentliche Grundlage fuumlr unterrichtli-che Konzepte und Herangehensweisen an Lehren und Lernen darstellen Nichtsdes-totrotz darf dabei nicht uumlbersehen werden dass der Umgang mit Heterogenitaumlt mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen Lernverlaumlufen Lerngeschwindigkeiten hohe Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer stellt So meint dazu zum Beispiel Reus-ser (2015) vor dem Hintergrund empirischer Daten zu Leistungsheterogenitaumlt einiger Klassen bdquo[es] duumlrft e intuitiv klar sein vor welche gewaltigen Probleme die Leistungs-heterogenitaumlt die Lehrkraumlft e in leistungsmaumlszligig ungeteilten Klassen stellteldquo (S 12) Der Wissenschaft kommt dabei eine wichtige unterstuumltzende Rolle zu um die An-forderungen an Lehrpersonen bewaumlltigbar(er) zu machen ndash zum Beispiel in der Er-forschung gelingender Arrangements und Settings fuumlr ein die Unterschiedlichkeit der Lernenden beruumlcksichtigendes selbstbestimmtes Lernen oder in der Entwicklung von Instrumenten

2 Paumldagogische Diagnostik als Grundlage zielgerichteten Lernens

In der Schule spielt der Umgang mit Heterogenitaumlt in Lernvoraussetzungen und Lern-entwicklung eine zentrale Rolle (z B Juumlrgens amp Lissmann 2015 S 17) Die paumldago-gische Diagnostik dient zur laufenden Erhebung des Lernstands von Lernfortschrit-ten der Lernentwicklung der individuellen Lernenden um auf diesen Informationen und Erkenntnissen aufb auend die jeweils naumlchsten kuumlnft igen Lernschritte planen zu koumlnnen

Informationen zu sammeln die im Sinne von Feedback einen Lernprozess unter-stuumltzen koumlnnen ist integraler Bestandteil zielgerichteten Lehrens und Lernens im Sin-ne paumldagogischer Diagnostik Dies umfasst mehr und weniger formelle mehr und we-

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niger geplante mehr und weniger bewusste Prozesse aufseiten der Lehrenden aber auch der Lernenden

Ingenkamp und Lissmann (2008) nennen als Hauptaufgabe der paumldagogischen Diagnostik bdquofuumlr den Lernenden richtige Entscheidungen zu treff enldquo (S 14) welche sich auf bdquoFoumlrderungs- Platzierungs- und Selektionsmaszlignahmenldquo beziehen Sie folgt dem Optimierungsgrundsatz und verwendet wissenschaft liche Methoden (ebd) Im deutschen Sprachraum wird haumlufi g auf die von Ingenkamp (1985) grundgelegte Defi -nition paumldagogischer Diagnostik Bezug genommen Sie lautet in der letzten Fassung

Paumldagogische Diagnostik umfasst alle diagnostischen Taumltigkeiten durch die bei einzelnen Lernenden und den in einer Gruppe Lernenden Voraussetzun-gen und Bedingungen planmaumlszligiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt Lern-prozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden um individuel-les Lernen zu optimieren Zur Paumldagogischen Diagnostik gehoumlren ferner die diagnostischen Taumltigkeiten die die Zuweisung zu Lerngruppen oder zu indi-viduellen Foumlrderungsprogrammen ermoumlglichen sowie die mehr gesellschaft -lich verankerten Aufgaben der Steuerung des Bildungsnachwuchses oder der Erteilung von Qualifi kationen zum Ziel haben (Ingenkamp amp Lissmann 2008 S 13)

Die aus dem englischsprachigen Raum kommenden Konzepte der bdquoformative evaluationldquo (Scriven 1967) sowie des bdquoclassroom assessmentldquo (Bloom 1969) das neben der Dokumentation des Lernfortschritts im Kontext seiner Th eorie des zieler-reichenden Lernens (bdquomastery learningldquo) vor allem dazu beitragen soll den Prozess zu foumlrdern und das Lernen zu verbessern sind relevante Grundlagen Black amp Wil-liam (1998) versuchten in der Metastudie bdquoInside the Black Boxldquo die positiven Aus-wirkungen von bdquoformative assessmentldquo zu belegen welchem sie folgende Defi nition zugrunde legen

We use the general term assessment to refer to all those activities undertak-en by teachers ndash and by their students in assessing themselves ndash that provide information to be used as feedback to modify teaching and learning activ-ities Such assessment becomes formative assessment when the evidence is actually used to adapt the teaching to meet student needs (S 140)

Durch bdquoformative assessmentldquo soll ermoumlglicht werden dass Schuumllerinnen ihre Lern-prozesse so selbststaumlndig wie moumlglich steuern koumlnnen Fuumlr die positive Wirkung von Feedback spielt in diesem Kontext eine wichtige Rolle dass dadurch Informatio-nen entstehen die den aktuellen Lernstand mit dem Lernziel in Verbindung bringen und damit nicht nur Ruumlckmeldung uumlber den vergangenen Lernprozess geben son-dern auch eine vorwaumlrtsgerichtete Komponente aufweisen (z B Hattie amp Timper-ley 2007 S 90) Der von Broadfoot Daugherty Gardner Harlen James und Stobart (2002) verwendete Begriff des bdquoassessment for learningldquo hebt den Zweck paumldagogi-scher Diagnostik im Sinne einer Entwicklungsorientierung besonders deutlich her-vor Im Zentrum des Interesses steht hier paumldagogische Diagnostik mit dem Zweck der Optimierung des Lernens aus der Defi nition von Ingenkamp amp Lissmann (2008)

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 175

und nicht die gesellschaft lich verankerten Aufgaben paumldagogischer Diagnostik als Ba-sis fuumlr Selektion und Allokation Diese Perspektive praumlgt auch die weiteren Uumlberle-gungen und war leitend fuumlr die Entwicklung und Bearbeitung der in Folge vorgestell-ten Instrumente

3 Instrumente aus der Wissenschaft und ihre Verwendung in der paumldagogischen Praxis

Im Folgenden stellen wir einige Instrumente aus der paumldagogischen Praxis vor mit deren Entwicklung oder Weiterentwicklung das BIFIE (Bundesinstitut fuumlr Bildungs-forschung Innovation und Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens) als wis-senschaft liche Einrichtung befasst war bzw ist Diese dienen vor allem dazu exem-plarisch einige kritische Punkte herauszuarbeiten und zu diskutieren die sich an der Schnittstelle Wissenschaft ndash Praxis ergeben Dazu stellen wir das Instrument jeweils kurz vor beschreiben seinen Aufb au die intendierte Nutzung und beleuchten die ent-stehende Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Schulpraxis

31 Informelle Kompetenzmessung (IKM)

Grundkonzeption und ZweckDie Informelle Kompetenzmessung (IKM) basiert auf den Kompetenzmodellen und Deskriptoren der Bildungsstandards und ist ein Instrument zur Selbstevaluierung fuumlr Lehrerinnen und Lehrer IKM bietet Lehrpersonen die Moumlglichkeit den Lernstand ihrer Klasse und einzelner Schuumllerinnen festzustellen Die automatisch generierten Ruumlckmeldungen koumlnnen zur Evaluierung und Weiterentwicklung des eigenen Unter-richts sowie als Grundlage der Foumlrderung von Schuumllerinnen und Schuumllern verwendet werden Vorrangiger Zweck der IKM ist zur erfolgreichen Planung und Gestaltung eines kompetenzorientierten Unterrichts beizutragen Die daruumlber hinaus verfuumlgbaren Individualruumlckmeldungen geben Aufschluss uumlber bereits erworbene Kompetenzen je-der einzelnen Schuumllerinjedes einzelnen Schuumllers und unterstuumltzen Lehrpersonen auf diese Weise bei der Ermittlung individuellen Foumlrderbedarfs (Schreiner et al 2018) Im Sinne der Grundkonzeption der IKM als Selbstevaluierungsinstrument ist es aus-schlieszliglich der durchfuumlhrenden Lehrperson moumlglich die Ergebnisse der IKM einzel-nen Schuumllerinnen und Schuumllern zuzuordnen (Wiesner Pacher George Breit amp Schrei-ner 2017)

Die IKM wird fuumlr verschiedene Kompetenzbereiche bzw Faumlcher in der Volksschu-le Sekundarstufe 1 und Sekundarstufe 2 angeboten Konkret gibt es Aufgabenpakete fuumlr die 3 Schulstufe fuumlr Mathematik sowie Deutsch (Lesen Sprachbetrachtung Ver-fassen von Texten) fuumlr den Beginn der 5 Schulstufe (Mathematik) fuumlr die 6 und 7 Schulstufe fuumlr Mathematik Englisch (Reading und Listening) sowie Deutsch (Lesen Sprachbetrachtung) fuumlr die 8 Schulstufe fuumlr Naturwissenschaft (Physik Chemie Bio-logie) und den Beginn der 9 Schulstufe (Mathematik Englisch Deutsch) Waumlhrend

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den Schuumllerinnen und Schuumllern in der Volksschule Aufgabenheft e in gedruckter Form vorgelegt werden erfolgt die Bearbeitung der Aufgaben in der Sekundarstufe im Rah-men einer Online-Plattform uumlber die die Lehrerinnen ndash in der Volksschule wie im Sekundarbereich ndash nach Abschluss der Messung automationsgestuumltzt auch Ergebnisse und Feedback zu den von ihnen betreuten Gruppen und SchuumllerinnenSchuumllern abru-fen koumlnnen (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumls-terreichischen Schulwesens 2018a)

Intendierte NutzungDie Ergebnisse der IKM koumlnnen auf drei Ebenen betrachtet analysiert und refl ektiert werden Dabei ist eine genaue Identifi zierung von Staumlrken und Schwaumlchen Ressour-cen und Potenzialen wesentliche Voraussetzung fuumlr eine zielgerichtete Unterrichts-entwicklung und die Ableitung erfolgversprechender Maszlignahmen (Wiesner Pacher George Breit amp Schreiner 2018)bull Makro-Ebene ndash Fokussierung auf Kompetenzfelder und Teilkompetenzen Das Grup-

penfeedback bietet Ruumlckmeldung uumlber alle Aufgaben und Schuumllerinnen hinweg und dient der Refl exion von Schwerpunktsetzungen im Unterricht und der damit einhergehenden Struktur des Unterrichts

bull Meso-Ebene ndash Fokussierung auf Aufgaben Das IKM-Feedback beinhaltet geloumls-tenicht geloumlste Aufgaben sowie deren Schwierigkeit und Komplexitaumlt je Kompe-tenzfeld Das Gruppenfeedback dient einerseits der Refl exion des eigenen unter-richtlichen Handelns und ermoumlglicht andererseits eine fachdidaktische Analyse der Aufgaben uumlber die Klasse bzw Unterrichtsgruppe hinweg Auszligerdem beinhaltet das IKM-Feedback Aufgabenloumlsungen fuumlr jede einzelne Schuumllerinjeden einzelnen Schuumller im Hinblick auf eine personalisierte paumldagogische Diagnose

bull Mikro-Ebene ndash Fokussierung auf Ebene der Schuumllerinnen Auf dieser Ebene werden erworbene Kompetenzen in bestimmten Feldern und geloumlstenicht geloumlste Aufga-ben auf Schuumllerebene als Individualfeedback zur Foumlrderung von Lernenden und zur Professionalisierung im Bereich der paumldagogischen Diagnostik beleuchtet

Ziel ist bei der Auseinandersetzung Analyse und Interpretation der Ergebnisse auf Makro- und Meso-Ebene nicht auf den Foumlrderbedarf von einzelnen Schuumllerinnen und Schuumllern zu fokussieren sondern dem Zyklus der evidenzorientierten Unterrichts-entwicklung entsprechend systemisch integrativ und systematisch den Blick auf den Stand der erworbenen Kompetenzfelder der Klasse bzw Lerngruppe und der geloumls-tennicht geloumlsten Aufgaben zu richten Erst in einem dritten Schritt sollte das Augen-merk auf die Analyse des Foumlrderbedarfs einzelner Schuumllerinnen gelegt werden (Wies-ner et al 2018)

Schnittstelle zur SchulpraxisAus der schulischen Praxis ergeben sich drei groszlige Diskussionsfelder was den Ein-satz der IKM im Unterricht betrifft Das sind zum einen sehr pragmatische Aspek-te des Aufwands oder der erforderlichen technischen Ausstattung Weiters sind die Nutzungsmoumlglichkeiten der IKM mannigfaltig und kommen in dieser Vielfalt der in-

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 177

tendierten Nutzung manchmal naumlher und manchmal weniger nah Zum anderen er-gibt sich aus der Interpretation der Ergebnisse und Ableitungen daraus eine brisante Schnittstelle zur Praxis

Grundsaumltzlich wurde bei der Entwicklung der IKM versucht den Zeit- und Or-ganisationsaufwand aufseiten der Schulen und Lehrkraumlft e moumlglichst gering zu halten Allerdings ergibt sich auf der einen Seite durch die Anforderungen die mithilfe von oumlff entlichen Geldern erstellten Instrumente fuumlr den schulischen Gebrauch zu schuumlt-zen die Notwendigkeit der Einbeziehung der Schulleiterinnen in die Verwaltung der Nutzerinnen Zum anderen wurde bei der Laumlnge der einzelnen Pakete sehr auf den schulischen Ablauf geachtet und eine Schulstunde als absolutes Maximum fuumlr die Be-arbeitungsdauer eines Pakets (inkl Anleitung etc) festgelegt Daraus ergeben sich na-tuumlrlich Konsequenzen fuumlr die erreichbare Praumlzision der Messung (siehe unten) Der mit der Vorbereitung und Durchfuumlhrung von IKM verbundene Aufwand fuumlr Schu-len und Lehrerinnen ist in der Volksschule etwas houmlher als in der Sekundarstufe Da in der Volksschule gedruckte Testheft e zum Einsatz kommen ist eine Bestellung der Pakete vorweg erforderlich und die Schuumllerantworten bzw deren Bewertung muss von der Lehrerin oder dem Lehrer in die Plattform eingegeben werden damit in die-ser entsprechend systematisch aufb ereitete Ruumlckmeldungen generiert werden koumlnnen In der Sekundarstufe wo IKM als Onlineinstrument angeboten wird entfaumlllt Bestel-lung und Uumlbertragung der Schuumllerantworten allerdings stellen die Anforderungen an Computerausstattung und Internetanbindung sowie die Organisation und Vorberei-tung der Durchfuumlhrung im Computerraum fuumlr manche Schulen bzw Lehrkraumlft e eine gewisse Herausforderung dar

Zur Art der Nutzung der IKM zeigen Ergebnisse aus der Begleitforschung zum Einsatz der IKM (Kemethofer Gugerell Hafner Breit amp Pacher 2018 S 500 ff ) dass in vielen Faumlllen intendierte und tatsaumlchliche Nutzung groszlige Uumlberschneidung auf-weisen So wird als Motivation die IKM einzusetzen vorrangig die Feststellung des Lernstands der Klasse genannt (uumlber 80 ) Bei der Nutzung des Feedbacks messen Lehrerinnen v a der Selbstrefl exion uumlber das Gelingen von Lehr- und Lernprozes-sen der Einschaumltzung des Lernstands der Klasse und der Verwendung als Kompe-tenzdiagnostik zur Unterstuumltzung bei der Planung und Gestaltung des Unterrichts hohe Bedeutung bei Konsequenzen in Bezug auf den Unterricht berichten Lehrerin-nen vor allem in Bezug auf eine staumlrkere Konzentration auf die Kompetenzen die in den Bildungsstandards beschrieben sind sowie auf uumlbergreifende Kompetenzen Da-bei kommt einem selbstbestimmten Einsatz der IKM eine wichtige Rolle zu Insbe-sondere werden IKM-Ergebnisse deutlich haumlufi ger als Basis fuumlr Selbstrefl exionsprozes-se und die Einschaumltzung des Lernstands genutzt wenn IKM auf eigenen Wunsch der Lehrkraft eingesetzt wurde

Die IKM wird aber auch fuumlr Zwecke verwendet die nicht der unmittelbaren Inten-tion der Entwicklerinnen entspricht etwa als Orientierungshilfe fuumlr zukuumlnft ige Uumlber-pruumlfungen z B in Bezug auf Formate und Testerfahrung oder um die Leistungsbe-urteilung gerechter zu machen Die ebenso weniger intentionsnahen Verwendungen als Unterrichtsaufgaben oder Hausuumlbung werden in der Befragung nur selten genannt (Kemethofer et al 2018 S 501)

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Als drittes Diskussionsfeld ergibt sich das Spannungsverhaumlltnis zwischen dem was die IKM ndash auch unter den durch die Rahmenbedingungen von Schule und Unterricht bestimmten Bedingungen ndash leisten kann und dem was sich Lehrerinnen wuumlnschen aus den Ergebnissen ableiten zu koumlnnen So ergibt etwa die Anforderung an die IKM die Dauer einer typischen Unterrichtseinheit nicht zu uumlberschreiten eine entsprechen-de Restriktion in Bezug auf die moumlgliche Anzahl an Aufgaben eines Pakets Je besser die Ergebnisse aber diff erenziert werden koumlnnen ndash etwa nach Handlungs- und Inhalts-bereichen in Mathematik oder spezifi schen Strategien des Leseverstaumlndnisses ndash des-to besser nutzbar sind diese fuumlr die Weiterarbeit Insbesondere in Bezug auf den Lern-stand einzelner Schuumllerinnen ist die Praumlzision der Messung insgesamt und verstaumlrkt fuumlr Subbereiche des jeweiligen Tests aufgrund der eingeschraumlnkten Testzeit allerdings relativ gering Bei unrefl ektiertem Einsatz besteht demnach die Gefahr der Uumlberinter-pretation von Ergebnissen

Gleichzeitig sind die Testerstellerinnen bemuumlht die IKM moumlglichst gut nutzbar zu machen Nachdem eine Erhoumlhung der Messpraumlzision unter den derzeit akzeptierten Rahmenbedingungen nur sehr eingeschraumlnkt moumlglich ist wird versucht die Interpre-tation der Ergebnisse insbesondere durch fachdidaktische Hinweise und Anregungen und eine Fokussierung auf die Aufgaben zu unterstuumltzen

32 USB PluS Sprachstandsfeststellung in der Volksschule

Grundkonzeption und ZweckUSB PluS (Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung Profi lanalysen und Sprachfoumlrderung) ist ein systematisches Verfahren zur Feststellung der muumlndlichen Sprachkompetenz von Schuumllerinnen und Schuumllern der Grundstufe 1 Ergebnis ist je-weils ein (computergestuumltzt erstelltes) Kompetenzprofi l hinsichtlich pragmatischer morphosyntaktischer und lexikalischer Indikatoren das sowohl fuumlr jedes Kind sowie fuumlr die KlasseGruppe generiert wird Das Sprachstandsfeststellungsinstrument wird ergaumlnzt durch konkrete Anregungen und Materialien zur Sprachbildung und -foumlrde-rung die auf die Sprachprofi le Bezug nehmen

USB PluS ist als Profi lanalyse konzipiert und wurde fuumlr den Einsatz in der Mitte des ersten Schuljahrs und gegen Ende des zweiten Schuljahrs entwickelt USB PluS ist universell einsetzbar sowohl fuumlr ein- als auch fuumlr mehrsprachige Kinder die als or-dentliche1 Schuumllerinnen gefuumlhrt werden

Die gesprochene Sprache des Kindes wird mithilfe einer Fingerpuppe in Form eines Dachses und von eigens entwickelten Bilderbuumlchern die Th emen aus der Erleb-niswelt von Kindern umfassen elizitiert und auf Tonband aufgezeichnet Die Auswer-tung erfolgt auf der Basis einer Transkription Dazu fuumlhrt das USB-PluS-Tool Schritt fuumlr Schritt durch die Analyse der erhobenen sprachlichen Aumluszligerungen und generiert Kompetenzprofi le fuumlr einzelne Schuumllerinnen Unterrichtsgruppen oder Klassen Da-

1 Das Instrument ist nicht fuumlr Kinder mit Deutsch als Zweitsprache die wie es im Gesetz heiszligt aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse dem Unterricht nicht folgen koumlnnen (sect 4 Abs 2 und 3 SchUG) und damit als auszligerordentliche Schuumllerinnen gefuumlhrt werden konzipiert

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 179

ruumlber hinaus kann ein Verlaufsprofi l erstellt werden das Aufschluss uumlber die Entwick-lung der muumlndlichen Sprachkompetenz zwischen den beiden Erhebungen gibt Das Instrument ist ausdruumlcklich als foumlrderdiagnostisches Instrument konzipiert Die Kom-petenzprofi le bilden gleichzeitig die Schnittstelle zu Empfehlungen und Materialien zur Sprachbildung und -foumlrderung die auf Basis der Ergebnisse bereitgestellt werden (Grammel amp Freunberger 2017)

Intendierte NutzungUSB PluS ist als foumlrderdiagnostisches Instrument entwickelt worden und wurde im August 2017 allen Volksschulen als Materialkoff er zur Verfuumlgung gestellt Es ist fuumlr die Anwendung durch die jeweiligen Klassenlehrerinnen mit Schuumllerinnen und Schuumllern der Vorschulstufe sowie der ersten und zweiten Schulstufe konzipiert und soll einen Einblick in die muumlndliche Deutschkompetenz aller Schuumllerinnen einer Klasse unab-haumlngig von deren sprachlichem Hintergrund ermoumlglichen Der Anwendungszeitraum in den ersten beiden Schulbesuchsjahren richtet den Fokus auf den Erwerb der Bil-dungssprache Diagnostik von Sprachentwicklungsstoumlrungen ist mit USB PluS grund-saumltzlich nicht intendiert (Grammel amp Freunberger 2017 Zauner 2016)

Die Validierung zeigt dass USB PluS sowohl lexikalische als auch strukturel-le Veraumlnderungen im Sprachgebrauch von Kindern der Grundstufe I abbilden kann da sich die Schuumllerinnen der untersuchten Schulstufen in allen Bereichen hinsicht-lich ihrer Kompetenzen unterscheiden (Freunberger amp Breit 2018) Zur Interpreta-tion der Ergebnisse aus USB PluS stehen den Nutzerinnen und Nutzern Referenzpro-fi le zur Verfuumlgung die auf Basis von Pilotierungsergebnissen ermittelt wurden und eine Einteilung in jeweils fuumlnf Entwicklungsbereiche je Indikator auf Basis der Popu-lationsverteilung vornehmen (Freunberger 2018) Mit den Kompetenzprofi len werden Foumlrderanregungen und Materialempfehlungen verbunden

Schnittstelle zur SchulpraxisVon der wissenschaft lichen Entwicklungsgruppe wird sowohl das Erhebungsmate-rial ein kindgerechtes praxistaugliches Erhebungssetting als auch ein Tool zur com-putergestuumltzten Schritt-fuumlr-Schritt-Auswertung der sprachlichen Aumluszligerungen des Kin-des bereitgestellt Daruumlber hinaus werden auch die Interpretation der Ergebnisse und konkrete Schlussfolgerungen in Bezug auf naumlchste Foumlrderschritte in den Blick genom-men und Anregungen fuumlr Foumlrderung sowie Empfehlungen fuumlr Materialien aufb auend auf dem jeweiligen Kompetenzprofi l bereitgestellt Bei USB PluS ist deutlich das Be-streben der Entwicklerinnen zu spuumlren Lehrkraumlft e moumlglichst gut in ihrer Arbeit zu unterstuumltzen Neben der linguistischen Fundierung des Instruments spielte die Pra-xistauglichkeit bei der Entwicklung eine groszlige Rolle Mit der Entwicklung von Foumlr-derempfehlungen die in direktem Bezug zu den Kompetenzprofi len als Ergebnis des diagnostischen Instruments stehen geht das Projekt weiter als viele andere aumlhnlich ge-lagerte Arbeiten (vgl auch Zauner 2016)

Trotzdem ergab sich eine Notwendigkeit fuumlr Schulungsangebote (Grammel amp Freunberger 2017) Vom AutorinnenteamAutorenteam wurden MultiplikatorinnenMultiplikatoren an den Paumldagogischen Hochschulen ausgebildet die wiederum Schu-

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lungen fuumlr Lehrerinnen anbieten Diese werden vorbereitend durch einen Onlinekurs zu linguistischen Grundlagen und den drei Teilen des Instrumenteneinsatzes ndash Vor-bereitung und Durchfuumlhrung Transkription und Auswertung Informationen zu den Profi len ndash unterstuumltzt (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwick-lung des oumlsterreichischen Schulwesens 2017) Eine besondere Herausforderung liegt bei USB PluS im Anspruch ein Instrument fuumlr Volksschullehrerinnen und nicht fuumlr speziell geschulte Sprachfoumlrderlehrpersonen anzubieten Um die erforderlichen lin-guistischen Grundlagen auch eigenverantwortlich auff rischen zu koumlnnen wurde der USB-PluS-Vorkurs (Freunberger 2017) zur Verfuumlgung gestellt

Dennoch bleiben groumlszligere Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit ndash in Bezug auf linguistische und foumlrderdiagnostische Kompetenz der Lehrkraumlft e ndash be-stehen Auszligerdem stellen organisatorisch-zeitliche Komponenten viele Klassenlehre-rinnen vor eine Herausforderung Die Erhebung dauert pro Kind zwar nur etwa 10 Minuten waumlhrend der Durchfuumlhrung bedarf es allerdings einer zweiten Lehrperson die die Klasse fuumlhrt und beaufsichtigt Auch die computergestuumltzte Auswertung die aufgrund der Teilautomatisierung entlasten sollte beansprucht je nach Routine bis zu 30 Minuten sodass Aufwand und Nutzen ndash vor allem bei einem etwaigen verpfl ich-tenden fl aumlchendeckenden Einsatz ndash kritisch beleuchtet werden

33 USB DaZ Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache

Grundkonzeption und ZweckIm Auft rag des Bildungsministeriums wurde von der Universitaumlt Wien das Instru-ment Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung ndash Deutsch als Zweitsprache (kurz USB DaZ) entwickelt und 2014 veroumlff entlicht Es handelt sich dabei um ein Diagnose-instrument zur Feststellung sprachlicher Faumlhigkeiten von Schuumllerinnen und Schuumllern mit Deutsch als Zweitsprache mit dem die Aneignung des Deutschen als Zweitspra-che von Kindern uumlber mehrere Jahre hinweg individualdiagnostisch begleitet wer-den kann Der Einsatz von USB DaZ ist sowohl fuumlr den Regelunterricht als auch fuumlr DaZ-Foumlrdermaszlignahmen vorgesehen (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innova-tion amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens 2018b Bundesministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft und Forschung 2018)

USB DaZ ist als in den Unterricht zu integrierendes Beobachtungsverfahren ange-legt Im Zentrum steht damit die Beobachtung des freien Sprechens und Schreibens Der Beobachtung und Dokumentation liegen ein Beobachtungsbogen (Froumlhlich Doumlll amp Dirim 2014a) in Bezug auf verschiedene Dimensionen und ein zugehoumlriger Ergeb-nisdokumentationsbogen (Froumlhlich Doumlll amp Dirim 2014b) zugrunde

USB DaZ steht seit 2014 Lehrerinnen und Lehrern in Oumlsterreich zur struktu-rierten Beobachtung der Sprachaneignung von Zweitsprachlernerinnen und Zweit-sprachlernern zur Verfuumlgung 2016 wurde der Einsatz von standardisierten foumlrderdia-gnostischen Verfahren im Rahmen der Sprachfoumlrderkurse bzw Sprachstartgruppen

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gesetzlich verbindlich und der Einsatz von USB DaZ dafuumlr vom Bildungsministerium empfohlen (Fast-Hertlein 2018a)

Intendierte NutzungDer Einsatz von USB DaZ wurde im Rahmen der urspruumlnglichen Entwicklung er-probt (Doumlll amp Heller 2014) und es hat sich gezeigt dass es sich um ein valides und konsistentes Diagnoseinstrument handelt (Doumlll Froumlhlich amp Dirim 2014) USB DaZ ist fuumlr den Einsatz in der 1 bis 7 Schulstufe empfohlen Der Einsatz des Instruments soll der systematischen Beobachtung der Aneignung der deutschen Sprache von Kin-dern in der Primarstufe ndash und daruumlber hinaus ndash dienen um in Kooperation zwischen Klassenlehrerin und Sprachfoumlrderlehrerin Foumlrdermaszlignahmen ableiten zu koumlnnen Es kann als seit 2016 verbindlich einzusetzendes Diagnoseinstrument im Rahmen der Deutschfoumlrderung auszligerordentlicher Schuumllerinnen verwendet werden (wofuumlr es durch das BMBWF auch empfohlen wurde Fast-Hertlein 2018a)

Obwohl Sprachkompetenzdiagnose durch Beobachtung also verlaumlsslich moumlglich ist bringen Umgang mit linguistischer Terminologie und der korrekten Analyse sprachli-cher Strukturen spezifi sche Herausforderungen fuumlr die Anwenderinnen welchen nur durch fundierte Ausbildung und regelmaumlszligige Weiterbildung begegnet werden kann (Doumlll Froumlhlich amp Dirim 2014) Fuumlr solche Lehrzwecke wuumlrde es auch authentisches Audio- und Videomaterial benoumltigen um Sprechperformanzen von L2-Lernenden mit ihren Spezifi ka analysieren zu koumlnnen Schnittstelle zur SchulpraxisBereits in den ersten Praxiserprobungsphasen wurde durch die Autorinnen des Inst-ruments ein hoher Fortbildungsbedarf bei den angesprochenen Lehrpersonen festge-stellt insbesondere in Bezug auf die zugrundliegenden linguistischen Grundbegriff e (Doumlll amp Heller 2014 S 26) Die Verbreitung von USB DaZ war sehr unterschiedlich und stark abhaumlngig von entsprechenden dazugehoumlrigen umfangreichen Schulungsan-geboten (und deren Nutzung) Die Verwendung des Instruments wurde von vielen Lehrkraumlft en als groszlige Herausforderung wahrgenommen und die Schwelle zur gut in-tegrierbaren Nutzung teils als zu hoch bewertet Auf Basis dieser ndash mehr oder we-niger systematischen ndash Beobachtungen wurde das BIFIE durch das Bildungsministe-rium Ende 2016 mit der Erstellung von Begleitmaterialien zu USB DaZ beauft ragt Ziel dieses Auft rags war es die praktische Handhabung des Instruments zu erleichtern und auf Basis der entstehenden Diagnose des jeweiligen Sprachstands konkrete Foumlr-derempfehlungen anzubieten

Eine umfangreiche Analyse von Gelingensbedingungen und Hemmnissen bei der Nutzung von USB Daz identifi zierte insbesondere das gleichzeitige Unterrichten und Beobachten als groszlige Herausforderung aber auch entsprechende Sprechanlaumlsse zu schaff en das Beobachtungsinstrumentarium in das Unterrichtsgeschehen zu integ-rieren Orientierung im komplexen Instrument zu fi nden und sich in den linguisti-schen Fachbegriff en zurechtzufi nden Um Lehrerinnen bei diesen Herausforderungen zu unterstuumltzen wurde ein Leitfaden zur Nutzung von USB DaZ erstellt (Fast-Hert-lein 2018a) der neben Anregungen zum Einstieg in die Anwendung des Beobach-

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tungsverfahrens Hilfestellungen zur Integration in die unterrichtliche Praxis bietet einfache Anleitungen fuumlr die einzelnen sprachlichen Phaumlnomene Beispiele und ihre Umsetzung im Dokumentationsbogen Hilfestellungen zur Ergebnisinterpretation und Foumlrderung sowie eine umfangreiche Literatursammlung fuumlr Foumlrder- bzw Unterrichts-material umfasst Handzettel sollen einen schnellen Uumlberblick bieten sowie die Do-kumentation erster Beobachtungen unterstuumltzen unterschiedliche Formen des Doku-mentationsbogens erleichtern die Handhabung fuumlr jeweils unterschiedliche Anlaumlsse (z B fokussierte Beobachtung eines sprachlichen Phaumlnomens) und ein DaZ-Foumlrder-plan steht als Beispiel zur Verfuumlgung (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innova-tion amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens 2018b)

Daruumlber hinaus wurden konkrete Foumlrderempfehlungen entwickelt die direkt auf die sprachlichen Phaumlnomene und Aneignungsstufen die mit USB DaZ erfasst werden Bezug nehmen (Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Entwicklung des oumlsterreichischen Schulwesens 2018b) Ein Handbuch erklaumlrt die Foumlrderanregungen und unterstuumltzt die Umsetzung der Foumlrderempfehlungen im Kontext von Ergebnissen aus USB DaZ im Unterricht mit praktischen Tipps und Informationen zur Sprachfoumlr-derung (Fast-Hertlein 2018b)

Uumlber die Entwicklung eines systematischen Beobachtungsinstruments durch die Wissenschaft und Zurverfuumlgungstellung des Instruments durch die Bildungsadmi-nistration hinaus schien es in Bezug auf USB DaZ noumltig weitere Hilfestellungen zur Uumlberwindung der Kluft zwischen wissenschaft lichem Instrument und paumldagogischer Praxis zu erarbeiten Dies geschah aus wissenschaft licher Perspektive allerdings be-sonders stark verzahnt mit der paumldagogischen Praxis und damit der Perspektive der Anwenderinnen

4 Diagnoseinstrumente von der Wissenschaft fuumlr die paumldagogische Praxis ein Balanceakt in vielerlei Hinsicht

Wissenschaft liche (Praumlzisions-)Anspruumlche vs notwendige Pragmatik in der praktischen AnwendungInstrumente der paumldagogischen Diagnostik sind haumlufi g Produkte der Wissenschaft Vertreterinnen der Wissenschaft sdisziplinen beziehen waumlhrend der Entwicklung zwar vielfach Praktikerinnen ein um eine moumlglichst hohe Passung zwischen Beduumlrfnissen der Praxis und dem Produkt zu erreichen aber dennoch folgen die Instrumente einer wissenschaft lichen Logik Der Anspruch der inhaltlichen wie methodischen Exaktheit konkurriert letzten Endes mit der praktischen Umsetzung Die Implementierung er-folgt stets durch die Praxis mit den ihr eigenen Gesetzmaumlszligigkeiten So unterziehen sich Instrumente der Wissenschaft im Prozess der Nutzung einem Transformations-prozess und die Instrumente werden nicht oder anders genutzt als intendiert

Bei den oben skizzierten Beispielen USB PluS und USB DaZ sind es beispielsweise fachlich-inhaltliche Huumlrden in Form des linguistischen Vokabulars die es zu uumlberwin-den gilt Instrumente muumlssen stets an das Denken und Handeln der Lehrpersonen an-knuumlpfen und dazu braucht es Refl exivitaumlt auf beiden Seiten Wissenschaft liche Praumlzi-

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sionsanspruumlche koumlnnen auch organisatorisch-administrativen Huumlrden entgegenstehen Beispielsweise muss beruumlcksichtigt werden wie viel Zeit Durchfuumlhrung und Auswer-tung in Anspruch nehmen und ob sich die Erhebung im Rahmen des schulorganisa-torisch vorgefertigten Korsetts umsetzen laumlsst (vgl die Probleme bei USB PluS oder die Beschraumlnkung der Testzeit bei IKM) Ein Beispiel dafuumlr wissenschaft lich bewaumlhrte Verfahren unter Mitwirkung von Praktikerinnen und Praktikern im Hinblick auf den Bedarf und die Nutzungsbedingungen zu verbessern wie dies Kammermeyer amp King (2018) vorschlagen stellt die Entwicklung der Begleitmaterialien zu USB DaZ dar

Gretchenfrage der Instrumentenentwicklung Objektiv Reliabel ValideEine Sonderform des Spannungsfelds zwischen wissenschaft lichem Anspruch und notwendiger Pragmatik in der Anwendung betrifft die Guumltekriterien Sie etablieren sich bei der Entwicklung von Instrumenten fuumlr die paumldagogische Diagnostik als Gret-chenfrage Waumlhrend Praktikerinnen vorwiegend die Machbarkeit in den Mittelpunkt des Interesses ruumlcken stehen fuumlr Wissenschaft erinnen die Guumltekriterien an oberster Stelle Es geht um die Fragen ob das Instrument unabhaumlngig vom Anwenderder An-wenderin ist wie groszlig der Messfehler und wie genau damit das Ergebnis ist und ob das Instrumentarium uumlberhaupt das misst was es zu messen vorgibt Kammermeyer und King (2018) schlagen beispielweise vor in der Praxis akzeptierte Verfahren hin-sichtlich der Erfuumlllung der Guumltekriterien weiterzuentwickeln Uumlber die Frage welcher Messfehler toleriert werden kann und was als schlicht inakzeptabel gelten muss sollten Wissenschaft lerinnen und Praktikerinnen gemeinschaft lich beraten

Insgesamt braucht es wechselseitig ein Bewusstsein fuumlr die Rahmenbedingungen und Anforderungen der Wissenschaft und der Praxis So muumlssen Lehrerinnen im Sinne des Guumltekriteriums Objektivitaumlt dafuumlr sensibilisiert werden dass standardisier-te Instruktionen und Prozesse Teil der Durchfuumlhrung sind ohne die eine gewinnbrin-gende Interpretation nicht moumlglich ist auf der anderen Seite braucht es entsprechen-des Bewusstsein der Wissenschaft erinnen fuumlr die Notwendigkeit die Verwendung solcher Instrumente in den Unterricht integrieren zu koumlnnen In Bezug auf die Re-liabilitaumlt ist es erforderlich dass Forscherinnen den Anspruch auf praumlzises Messen an die praktischen Gegebenheiten anpassen Insbesondere bei Messungen auf Indi-vidualebene stellen sich hier groszlige Herausforderungen Hochrechnungen auf Ba-sis der Daten der oumlsterreichischen Standarduumlberpruumlfungen zeigen zum Beispiel dass uumlber 800 Minuten Testzeit erforderlich waumlren um auf Individualebene eine Messge-nauigkeit von ca plusminus 17 Punkten erreichen zu koumlnnen2 (das entspricht bei einer Populationsstandardabweichung von 100 Punkten etwa einem halben Lernjahr Schreiner amp Wiesner 2018) Im Kontext der IKM (aber natuumlrlich auch im Rahmen der Standarduumlberpruumlfungen) ist eine Belastung der Schuumllerinnen aber auch eine Ver-wendung von Unterrichtszeit in diesem Ausmaszlig weder denkbar noch zielfuumlhrend Da-raus entsteht ein technisch unloumlsbares Dilemma Es wird jedoch jedenfalls klar dass

2 Beim Einsatz von 700 Items des Typs wie er derzeit in der Standarduumlberpruumlfung M4 verwen-det wird ergibt sich fuumlr einen einzelnen Schuumllereine einzelne Schuumllerin ein Konfi denzinter-vall von +- 166 Punkten bei 90iger Sicherheit (Quelle internes Arbeitsdokument des Teams Methoden amp Statistik im Arbeitsbereich Bildungsstandards ndash Uumlberpruumlfung und Qualitaumltsent-wicklung des BIFIE 2018)

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so ein Praumlzisionsanspruch nicht mit praktischen Rahmenbedingungen vereinbar ist Gleichzeitig ist es allerdings unerlaumlsslich Lehrerinnen uumlberhaupt fuumlr das Problem der Messgenauigkeit zu sensibilisieren damit diese ihre Interpretationskompetenz weiter-entwickeln koumlnnen Der professionellen Verwendung der Werkzeuge durch die Leh-rerinnen sowie der Anerkennung und Wertschaumltzung dieser Professionalitaumlt durch die Wissenschaft lerinnen kommt eine groszlige Bedeutung zu Anforderungen an die Validitaumlt sind gemeinsam im Kontext der intendierten Anwendung eines Instruments abzustimmen und aufseiten der Praktikerinnen braucht es eine Bereitschaft zur Mit-wirkung an der Validierung von Instrumenten Das Austarieren zwischen dem Nut-zen (z B den Interpretationsmoumlglichkeiten aufgrund der Guumltekriterien) und den Kos-ten (z B dem Aufwand zur Integration in den Unterricht und fuumlr die Durchfuumlhrung) ist im Grunde als laufende Optimierungsaufgabe zu sehen die nur im Dialog zu be-waumlltigen ist

Zentral entwickelte Instrumente fuumlr lokale BedarfeDer Vorteil von zentral entwickelten Instrumenten besteht darin dass der Entwick-lungsaufwand zentral geballt anfaumlllt und dort das notwendige Know-how und die er-forderliche Infrastruktur fuumlr die Instrumentenkonstruktion vorhanden sind Dies er-scheint insofern effi zient da nicht jeder Lehrerjede Lehrerin alles neu erfi nden muss

Gleichzeitig stellt sich aber die Frage ob dieses Vorgehen nicht eine mechanis-tisch-vereinfachende Sicht auf Lehren und Lernen mit sich bringt Denn kann man sich an vielen Orten und in verschiedenen Kontexten stellende Probleme einmal zent-ral loumlsen Es muss jedenfalls gewaumlhrleistet sein dass die Individualitaumlt der Lehrenden Lernenden des Lernens und die damit entstehenden Herausforderungen und Proble-me beruumlcksichtigt werden

Fuumlr die Entwicklerinnen der IKM sowie fuumlr die Anwenderinnen bedeutet dies beispielsweise eine Einschraumlnkung indem eine Uumlbersetzungsleistung zwischen Er-gebnis und unterrichtlichem Handeln stattfi nden muss Auf standortspezifi sche Ge-gebenheiten kann insofern immer nur bei der Entscheidung uumlber den Einsatz der Ins-trumente und der Interpretation der Ergebnisse Bedacht genommen werden Hier kommt den Anwenderinnen und Anwendern und ihren Refl exionskompetenzen eine groszlige Verantwortung zu

Unterstuumltzung versus BevormundungPersonen und Institutionen die Instrumente zur paumldagogischen Diagnostik bereit-stellen sehen sich auf der Seite der Praktikerinnen Sie wollen durch hilfreiche Ins-trumente die schulische Praxis das Handeln der Lehrpersonen und das Lernen der Schuumllerinnen unterstuumltzen Die Aufgabe der Bildungsforschung ist daher zunaumlchst entsprechende Grundlagen bereitzustellen um Instrumente nach fachwissenschaft li-chen und methodischen Kriterien entwickeln zu koumlnnen Grundlagenforschung dient der angewandten Bildungsforschung als Naumlhrboden Die Anwenderinnen der Instru-mente sollten sich entlastet fuumlhlen und einen Nutzen aus der Nutzung ziehen

Aus der Perspektive moumlglichst groszliger Unterstuumltzung der unterrichtlichen Praxis werden Instrumente besonders zielsicher einfach handhabbar mit genauen Anleitun-

Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung 185

gen zur Interpretation der Ergebnisse und Hilfestellungen in der Umsetzung der Er-gebnisse in Foumlrdermaszlignahmen entwickelt So wurde zum Beispiel bei der Entwick-lung von USB PluS groszliges Augenmerk auf einen moumlglichst umfangreichen Service fuumlr die Anwenderinnen gelegt Dennoch nimmt das Instrument oder etwa die Bereitstel-lung der Uumlbungskartei mit Anregungen zur Sprachfoumlrderung Lehrende und Lernende nicht aus ihrer Verantwortung fuumlr den Lernprozess Gefragt ist groszlige Professionalitaumlt mit der Instrumente und Materialien in das Lehr-Lern-Geschehen integriert werden Insgesamt ist aber festzuhalten dass mit steigendem Service-Charakter der Instru-mente auch das Risiko einer Entmuumlndigung der Lehrerinnen und der Unterminie-rung ihrer paumldagogischen Expertise und Professionalitaumlt steigt ndash oder anders betrach-tet der Anspruch an die Refl exionskompetenz der Lehrerinnen bei der Nutzung der Instrumente Lehrerinnen muumlssen daher kundige und kritische Nutzerinnen dieser Werkzeuge sein und trotz der Bereitstellung von Instrumenten durch die Wissenschaft die Verantwortung fuumlr die Lehr- und Lernprozesse tragen Wer Lernen als Entwick-lungsprozess betrachtet ist sich der Tatsache bewusst dass diesen Prozess das Sub-jekt selbst vollbringen muss und dieser nicht von auszligen gemacht werden kann Das gilt fuumlr das Lernen der Lernenden genauso wie fuumlr die professionelle Weiterentwick-lung der Lehrenden Deshalb besteht eine groszlige Herausforderung ndash insbesondere bei der Nutzung von Instrumenten der paumldagogischen Diagnostik ndash darin die Lernenden selbst mit ins Boot zu holen und den Aspekt der Selbstbestimmung und Selbstverant-wortung im Lernprozess ernst zu nehmen Denn bdquoMethoden und (kognitive kulturel-le mediale) Werkzeuge sind immer nur so gut wie die Intelligenz ihrer Handhabung durch Lehrende und Lernendeldquo (Reusser 2006 S 164)

5 Zusammenfassung und Ausblick

Der vorliegende Beitrag diskutiert die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und paumlda-gogischer Praxis die bei der Anwendung von wissenschaft lich entwickelten Verfahren der paumldagogischen Diagnostik durch Lehrerinnen und Lehrer entsteht Anhand eini-ger konkreter Beispiele zeigt sich dass sich in diesem Feld Moumlglichkeiten fuumlr die For-schung ergeben die paumldagogische Praxis zu unterstuumltzen und dass die zentrale Ent-wicklung von Verfahren sowohl in Bezug auf den Ressourceneinsatz effi zient als auch im Hinblick auf das notwendige oft sehr spezifi sche Know-how qualitaumltssichernd ist Zentral fuumlr eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und paumldagogi-scher Praxis erweist sich ein wechselseitiges Bewusstsein fuumlr die Anspruumlche und Be-duumlrfnisse der jeweils anderen Akteursgruppe um die entstehenden Spannungsfelder bearbeiten zu koumlnnen Es gilt die Gratwanderung zwischen wissenschaft lichen Guuml-tekriterien und pragmatischen Notwendigkeiten Unterstuumltzung und Bevormundung der Lehrerinnen durch die Wissenschaft und zentral gebuumlndeltem Ressourcen- und Know-how-Einsatz auf der einen Seite und je individuellen lokalen Problemstellun-gen auf der anderen Seite im staumlndigen Dialog gemeinsam zu meistern

Claudia Schreiner und Simone Breit 186

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Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher

Daten nutzen ndash Schulen entwickelnSANDBIST als interaktives Format der Datenruumlckmeldung

Die externe Uumlberpruumlfung fachlicher Kompetenzen hat fuumlr Qualitaumltsentwicklungs- und Qualitaumltssicherungsprozesse in einem Schulsystem zentrale Bedeutung Bei den Stan-darduumlberpruumlfungen an allgemeinbildenden Pfl ichtschulen in Oumlsterreich (am Ende der Volksschule bzw der Sekundarstufe 1) und allgemeinbildenden houmlheren Schulen (am Ende der Sekundarstufe 1) liegt der Schwerpunkt darauf Schulleitungen sowie Leh-rerinnen und Lehrern konkrete Ruumlckmeldung uumlber die von ihren Schuumllerinnen und Schuumllern erzielten Ergebnisse (Schule Klasse) zu geben Die Ergebnisruumlckmeldungen bilden in Oumlsterreich eine Grundlage fuumlr die standortbezogene Schul- und Unterrichts-entwicklung (Kemethofer Wiesner George Schreiner amp Breit 2018) Dabei kommt einer professionellen kooperativen Refl exionsarbeit am Schulstandort eine Schluumlssel-funktion zu (Wiesner Schreiner Breit Kemethofer George amp Angerer 2016) Zudem werden die aggregierten Schulergebnisse der zustaumlndigen Schulaufsicht zur Verfuumlgung gestellt der als Aufsichtsorgan zentrale Bedeutung im Qualitaumltsentwicklungsprozess zukommt

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Rolle der Schulaufsicht im Prozess der Datennutzung fuumlr Schulentwicklungszwecke in ihrer Mittlerrolle zwischen Bildungs-administration und den Akteuren an den Schulstandorten Einen besonderen Impuls fuumlr die aktive Auseinandersetzung mit den Daten liefert die innovative Datenbereitstel-lung in Form eines interaktiven Tools (SANDBIST) das in Folge naumlher beleuchtet wird

1 Schul- und Unterrichtsentwicklung durch externe Daten ndash Wie Standarduumlberpruumlfungen in Oumlsterreichs Schulen Qualitaumltsentwicklung anstoszligen (sollen)

Schulentwicklung im Sinne Fullans (2000 S 9) beschreibt bdquoVeraumlnderungen und Lern-prozesse an Schulen die durch kollektive Kapazitaumlten an einer Schule bewirkt wer-denldquo Dubs (2000 S 61 f) betont dabei das zielorientierte und langfristige Vorgehen der Schulleitung und Lehrerschaft zur Steigerung der Wirksamkeit der Schule Sys-tematische und systemische Schulentwicklung erfordert Entwicklungs- und Transfor-mationsprozesse und ein diff erenziertes Verstaumlndnis der Anforderungen und Hand-lungsfelder (Schratz Wiesner Kemethofer George Rauscher Krenn amp Huber 2016)

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 190

Langfristig angelegte und immer wiederkehrend bereitgestellte Daten und Informatio-nen aus den nationalen fl aumlchendeckenden Standarduumlberpruumlfungen bieten die Moumlg-lichkeit auch anhand von externen Daten die Prozesse am Schulstandort zu analysie-ren und zu hinterfragen womit Entwicklungen angestoszligen werden koumlnnen Altrichter Moosbrugger und Zuber (2016 S 235) betonen dass bdquodurch die Erhebung besserer Informationen uumlber die Ergebnisse [hellip] der schulischen Taumltigkeit und durch sbquoDaten-ruumlckmeldunglsquo an relevante Akteure eine zielgerichtete und effi ziente Entwicklung in Richtung erhoumlhter Qualitaumlt erreicht werden kannldquo

Evidenzbasierte Ruumlckmeldungen vermitteln einen objektivierten Blick von auszligen auf die fachlichen Kompetenzen der Schuumllerinnen und Schuumller z B auch im fairen Vergleich zu anderen Schulen mit aumlhnlichen Strukturen und Bedingungen In Verbin-dung mit Kompetenzorientierung konstituieren die Bildungsstandards und deren re-gelmaumlszligige Uumlberpruumlfung den Ausgangspunkt eines Qualitaumltszyklus Dabei koumlnnen die Ruumlckmeldungen aus den Bildungsstandarduumlberpruumlfungen an den Schulstandorten als Basis fuumlr Entscheidungen sowie zur Steuerung von Maszlignahmen und Prozessen ge-nutzt werden Daruumlber hinaus entsteht eine umfassende Datenbasis uumlber das oumlsterrei-chische Schulsystem die fuumlr Systemverantwortliche eine Grundlage zur Beurteilung von Entwicklungen und Reformen darstellt Das Ziel der evidenzorientierten Quali-taumltssicherung betrifft somit alle Ebenen des Schulsystems

Helmke (2004) hat ein grundlegendes Rahmenmodell vorgeschlagen das einen idealtypischen Prozess fuumlr den Umgang mit Ruumlckmeldungen zum Lernstand der Schuumllerinnen einer Klasse (oder Schule) veranschaulicht und dafuumlr maszliggebliche Ge-lingensbedingungen Wirkfaktoren und Unterstuumltzungsstrukturen aufzeigt Fuumlr Oumlster-reich liegt seit einiger Zeit eine Weiterentwicklung davon vor (siehe Abbildung 1) In diesem weiterentwickelten Rahmenmodell wird die Kompetenzorientierung als Leit-idee sichtbar die mit der Einfuumlhrung von Bildungsstandards als verbindliche Lern-ziele und der Uumlberpruumlfung dieser einhergeht Im Mittelpunkt steht dabei die einzelne Schule als systemische Einheit Die Kompetenzorientierung und die Bildungsstan-dards erfordern einen Muster- und Perspektivenwechsel weil sie die Aufmerksam-keit des Unterrichts nicht vorrangig auf den durchzunehmenden Stoff sondern auf die Kompetenzen der Schuumllerinnen richten Im Vordergrund stehen Handlungskom-petenzen der Lernenden zur Bewaumlltigung von Problemen in variablen Situationen und die damit verbundenen motivationalen und sozialen Faumlhigkeiten und Bereitschaft en um die Kompetenzen verantwortungsvoll und erfolgreich zu nutzen (Weinert 2001) Einen zweiten Perspektivenwechsel stoumlszligt die Einfuumlhrung von Bildungsstandards und verbindlichen fl aumlchendeckenden Standarduumlberpruumlfungen an indem Qualitaumltsentwick-lung am Standort als verbindlicher Prozess und (auch) auf der Basis der Evidenzen aus diesen Uumlberpruumlfungen etabliert wird Die Ruumlckmeldung von Lernergebnissen und Kontextdaten aus den Bildungsstandarduumlberpruumlfungen durchlaufen die Phasen der Rezeption Refl exion Aktion (Handlungen) und schulinternen Evaluation Die profes-sionelle Refl exion hat sich empirisch als die entscheidende Phase im gesamten Quali-taumltsentwicklungs- und Qualitaumltssicherungsprozess herauskristallisiert (Wiesner et al 2016) Es geht darum die Ruumlckmeldeinformationen durch eine gemeinsame Diskus-sion verschiedener Erklaumlrungsansaumltze und Perspektiven im Fachkollegium zu verdich-

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 191

ten Handlungsfelder zu identifi zieren und Gestaltungsspielraumlume zu eroumlff nen Dar-an schlieszligt die systematische Umsetzung dieser Maszlignahmen bzw die Veraumlnderung von Ablaumlufen oder Methoden an Die Evaluation der gesetzten Handlungen und Ent-wicklungen bildet den Abschluss eines Bearbeitungszyklus und gleichzeitig den An-stoszlig fuumlr einen neuen Qualitaumltskreislauf Insbesondere die Ergebnisse aus einer naumlchs-ten Standarduumlberpruumlfung weisen diese Doppelfunktion auf ndash Basis der Evaluation von Maszlignahmen die durch die vergangene Standarduumlberpruumlfung angestoszligen wurden und Grundlage einer erneuten zukunft sgerichteten Ergebnisrezeption und -refl exion (Wiesner Schreiner Breit amp Kemethofer 2017b)

Dabei sind sowohl die fachlichen Kompetenzen wie auch die Kontextdaten (Schul-klima Klassenklima Selbstkonzept usw) fuumlr eine evidenzbasierte Schulentwicklung sowie fuumlr einen standortbezogenen Qualitaumltssicherungs- und -entwicklungsprozess von maszliggeblicher Bedeutung um Kompetenzorientierung an den Schulstandorten nachhaltig zu etablieren

Die wichtigsten Akteure in diesem Prozess sind die handelnden Personen am Schulstandort in Form von Lehrpersonen und Schulleitung aber auch die Personen aus der Schulaufsicht In ihrem Zusammenspiel entstehen Atmosphaumlren des Vertrau-ens der Kooperation und Entwicklung oder eben des Misstrauens und der Kontrolle Insbesondere in Bezug auf die Einbettung der Ruumlckmelde- und Qualitaumltsentwicklungs-prozesse in einen verbindlichen Rahmen spielt die Schulaufsicht eine entscheidende Rolle ndash sie ist der Angelpunkt zwischen den Schulstandorten und den daruumlber liegen-den Ebenen der Regionen In ihren Abstimmungsprozessen mit den Ebenen des Bun-deslands sowie in letzter Konsequenz mit der Zentralstelle bildet sie die Bruumlcke zwi-schen Einzelschule und Schulverwaltung Schlieszliglich schafft die Lehreraus- -fort- und -weiterbildung wesentliche Voraussetzungen fuumlr das Gelingen einer evidenzorientier-ten Schul- und Unterrichtsentwicklung indem die dafuumlr notwendigen Kompetenzen angebahnt und ausgebaut werden Die wissenschaft lichen Erkenntnisse und Entwick-lungen bilden einen groumlszligeren Kontext in dem Schul- und Unterrichtsentwicklung vonstattengeht

Das integrative Rahmenmodell fuumlr eine evidenzorientierte Schul- und Unterrichts-entwicklung (Wiesner Schreiner amp Breit 2015 Wiesner Schreiner Breit amp Kemetho-fer 2017b) verdeutlicht den zyklischen Charakter der Qualitaumltsarbeit (vgl den Beitrag von Wiesner amp Schreiner in diesem Band) Nach einer ersten Rezeptionsphase der Er-gebnisruumlckmeldungen muumlssen Erkenntnisse zusammengetragen und in Beziehung zu-einander gesetzt werden Auf dieser Grundlage sollen in einer naumlchsten Phase Maszlig-nahmen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung geplant und umgesetzt werden Ein gezieltes Hinterfragen der gesetzten Maszlignahmen und Prozessaumlnderungen im Sinne interner Evaluation bildet den Abschluss des Zyklus ndash und ggf den Beginn eines neu-en Der spiralfoumlrmige Ablauf veranschaulicht einen kontinuierlichen Prozess der zwar in bestimmten wiederkehrenden Prozessschritten und -phasen ablaumluft jedoch grund-saumltzlich nicht endet Dabei ist ein Hin- und Herspringen zwischen den Prozessschrit-ten in der Praxis oft erforderlich etwa wenn sich bei der Diskussion der Maszlignahmen (Integrations- und Aktionsphase) zeigt dass doch noch einmal ein genauerer Blick in die Datengrundlage (Rezeptionsphase) erforderlich oder zweckdienlich sein koumlnnte

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 192

2 Die Rolle der Schulaufsicht im Rahmen datenbasierter Schulentwicklung

Die Wissenschaft spricht vor allem der Schulleitung und den Lehrpersonen fuumlr Schul-entwicklungsprozesse groszlige Bedeutung zu wobei die Schulleitung insbesondere in ihrer Leadershipfunktion gefordert ist (z B Dubs 2000 Schratz et al 2016) Schullei-tungen haben im Sinne eines Drei-Wege-Modells (Kempfert amp Rolff 2000) einen Sys-temzusammenhang zwischen Unterrichts- Personal- und Organisationsentwicklung herzustellen Moumlglichkeiten und Grenzen der Autonomie der Schule schaff en hierfuumlr einen klaren Handlungsrahmen (Dubs 2000) Auf Basis der Bildungsreform 2017 sol-len die Schulen erweiterte Autonomie und Verantwortung im Bereich der Organisati-ons- Unterrichts- und Personalentwicklung erhalten bdquoDie Schulaufsicht hingegen er-faumlhrt gleichsam eine Neuausrichtung ihrer Kernaufgaben im Sinne einer strategisch beratenden Funktion der Schulen mit Blick auf die Qualitaumltsentwicklungldquo (Brauck-mann et al 2019) Als bdquoGrenzgaumlnger zwischen Schulen und Bildungsadministra-tionldquo (Lange 2003 S 148) sind die Mitglieder der Schulaufsicht deshalb nicht nur

Abbildung 1 Oumlsterreichisches Rahmenmodell zur Nutzung von Ruumlckmeldungen aus Standard-uumlberpruumlfungen fuumlr evidenzorientierte Schulentwicklung (Wiesner Schreiner amp Breit 2015) als Weiterentwicklung des Modells von Helmke (2004)

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 193

Bindeglied zwischen den Ebenen Schule und Bildungsbehoumlrde sondern auch aktiv an Schulentwicklungsprozessen beteiligt

21 Die Mitglieder der Schulaufsicht als Bindeglied zwischen Schulen und Bildungsverwaltung

Der Schulaufsicht ist gemaumlszlig Bundes-Schulaufsichtsgesetz unter anderem die Aufgabe uumlbertragen das umfassende Qualitaumltsmanagement im Kontext des Nationalen Quali-taumltsrahmens einzurichten und zu betreuen (sect 18 (1) Bundes-Schulaufsichtsgesetz in der Fassung vom 13820181) Demnach hat die Schulaufsicht den Auft rag einen meh-rere Ebenen uumlberspannenden Qualitaumltsmanagementprozess aufzusetzen was hohe An-spruumlche an die Schulaufsicht im Sinne von Fuumlhrungsaufgaben stellt

In Zusammenarbeit mit den Schulen werden von der Schulaufsicht vor allem zwei Kernbereiche abgedeckt (Radnitzky 2015) Einerseits soll die Arbeit der Schulaufsicht in Hinblick auf regionale Bildungsplanung systematisch erfolgen Vor diesem Hinter-grund fordert die Schulaufsicht im Rahmen der Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprauml-che von den Schulleitungen eine grundlegende Auseinandersetzung mit den Ruumlckmel-dungen sowie eine evidenzorientierte Ist-Stands-Analyse ein und begleitet die darauf aufb auenden Maszlignahmen und deren Umsetzung in Form von Schulentwicklungspro-zessen

Andererseits kommt der Schulaufsicht in Hinblick auf die Erweiterung der Schul-autonomie die Aufgabe zu die Schulstandorte in der Nutzung ihrer Gestaltungsspiel-raumlume zu unterstuumltzen Schulentwicklung und Qualitaumltsmanagement sind dabei im Auge zu behalten Ein Th ematisieren von Problemen und das Einfordern eines Aus-gleichs von Defi ziten sind in diesem Kontext genauso wichtig wie die Wahrnehmung von eigenen Staumlrken zu foumlrdern und deren Ausbau anzuregen Entwicklungsbedar-fe zu erkennen und anzuerkennen und Qualitaumltsentwicklung anzustoszligen gelingt in der Regel nur gemeinsam mit den Betroff enen und nicht gegen deren Willen (Lange 2003 S 149 f) Zusammenfassend betont auch Radnitzky (2015 S 14) die Notwen-digkeit von bdquoFuumlhrung als Garant fuumlr Orientierung Ermutigung und Unterstuumltzung in einem immer komplexer werdenden System sowie ownership bei den beteiligten Ak-teurInnen sei es in der Schule in der Schulaufsicht oder im Bildungsministeriumldquo (Hervorhebung im Original)

Dieser Aufgabenbereich der Schulaufsicht fuumlhrt oft mals dazu sich in widerspruumlch-lichen Positionen zu fi nden Muslic Ramsteck und Kuper (2013) sowie Kemethofer und Wiesner (2018) verweisen explizit auf die komplementaumlre Position zwischen Be-ratungs- und Kontrollfunktion der Schulaufsicht da sie zwischen Bildungspolitik und Einzelschule als intermediaumlre Instanz agiert Widerspruumlchliches Agieren wird wahrge-nommen wenn im Rahmen von Schulentwicklung Schulen zwar ermutigt und unter-stuumltzt werden sollten andererseits aber Verbindlichkeiten einzufordern sind (Posch Rauch amp Seidl 2012 S 50) Auch in der Verwendung von externen Evaluationsdaten

1 Abrufb ar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGe setzesnummer=10009264ampShowPrintPreview=True

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 194

werden Ergebnisse bewertet und sollen nicht folgenlos bleiben Die Arbeit an Maszlig-nahmen muss einerseits eingefordert werden andererseits erfordert dies aber die Unterstuumltzung und Hilfestellung der Schulaufsicht Kemethofer und Wiesner (2016 2018) verweisen darauf dass ein konstruktives Arbeiten miteinander vor allem dann moumlglich erscheint wenn mit den erhaltenen Daten im Kontext der Schule unter Ein-beziehung umfassenderer Informationen ein Gesamtbild gezeichnet wird

22 Die Nutzung von Bildungsstandardergebnissen durch die Schulaufsicht

Aus Perspektive der Schulaufsicht fuumlhrt die Einfuumlhrung einer evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung (Schratz Wiesner Roumlszligler Schildkamp George Hofb auer amp Pant 2019) durch Bildungsstandarduumlberpruumlfungen zu weitreichenden Veraumlnderungen schulischer Arbeit (Kemethofer amp Wiesner 2016) der nunmehr durch eine bdquoAbkehr vom Bauchgefuumlhl Richtung Feedbackkulturldquo (Kemethofer amp Wiesner 2018 S 235) erklaumlrt wird Die Einbindung der Ergebnisse aus Standarduumlberpruumlfungen in die Arbeit der Schulaufsicht ist auf Basis ihrer gesetzlich defi nierten Rolle nunmehr verbindlich Die auf Schulebene aggregierten Ergebnisse aus Standarduumlberpruumlfungen des jeweiligen Aufsichtsbereichs werden der Schulaufsicht in Form von Schulberich-ten und zusammenfassenden Uumlbersichtstabellen zur Verfuumlgung gestellt2 Somit erhaumllt die Schulaufsicht fuumlr jede Schule des Aufsichtsbereichs den Schulbericht wie die jewei-lige Schule selbst

Bisherige Forschung zur Nutzung von Daten aus Standarduumlberpruumlfungen durch die Schulaufsicht weist grundsaumltzlich auf eine aktive Nutzung hin Zudem ist die Ak-zeptanz der Standarduumlberpruumlfungen durch die Schulaufsicht sehr hoch weil die erhal-tenen Ergebnisruumlckmeldungen als nuumltzliches Werkzeug fuumlr ihre Arbeit gesehen wer-den (Kemethofer amp Wiesner 2016 S 117) Fuumlr das Th ematisieren der Daten zwischen Schulaufsicht und Schulleitung wird ein dialogischer und wertschaumltzender Umgang miteinander als wesentliche Voraussetzung genannt um Akzeptanz und Verbindlich-keit zu foumlrdern Abgeleitete Maszlignahmen betreff en vor allem Empfehlungen in Hin-blick auf schulinterne und uumlbergreifende Fortbildungen Der gemeinsame Dialog wird insbesondere als Ausloumlser von Refl exions- und Einsichtsprozessen gesehen (Kemet-hofer amp Wiesner 2016 S 119 Steinkellner amp Wiesner 2017) Vorrangig werden die Daten gezielt als objektive und transparente Informationen zur Arbeit mit den einzel-nen Schulstandorten herangezogen Die Schulaufsicht betont die Grundlage zur ver-bindlichen Entwicklungsarbeit bis hin zu Kontrollmoumlglichkeiten die durch die objek-tive und transparente Datenbasis gegeben sind Dabei spielt auch der Vergleich mit den anderen Ergebnissen aus dem Aufsichtsbereich eine Rolle ndash wobei von Seiten der Schulaufsicht festgehalten wird dass es nicht um ein Ranking zwischen den Schu-len gehen soll sondern um die Einordnung und Strukturierung der Ergebnisse sowie einen daraus gewonnenen Erkenntnisgewinn (Wiesner Kemethofer Neubacher amp An-gerer 2017)

2 wwwbifi eatmusterrueckmeldungen

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 195

Zusammenfassend kann festgehalten werden dass die Schulaufsicht in Oumlster-reich den Ergebnisruumlckmeldungen aus Standarduumlberpruumlfungen fuumlr die Arbeit mit den Schulen und fuumlr Fortbildungsempfehlungen groszlige Bedeutung beimisst und die Daten dementsprechend auch genutzt werden Dennoch gibt es fuumlr die Schulaufsicht gewis-se Herausforderungen und Hemmnisse fuumlr die Verwendung der Daten Je mehr Schu-len zu einem Aufsichtsbereich zusammengefasst sind desto umfangreicher faumlllt die Berichtslegung an ein einzelnes Mitglied der Schulaufsicht aus Hinzu kommt dass mit jeder Standarduumlberpruumlfung neue Daten entstehen die ebenfalls in die Arbeit mit dem Schulstandort einzubinden sind Aufgrund dieser Fuumllle an Berichten ist es fuumlr die Schulaufsicht besonders wichtig die Informationen in uumlbersichtlicher Form zu erhal-ten um Zusammenhaumlnge und Entwicklungen besser herausarbeiten zu koumlnnen (Ke-methofer et al 2018)

3 Anforderungen an die Aufbereitung von Daten fuumlr die evidenzorientierte Qualitaumltsentwicklung an Schulen

Die Nutzung externer Leistungsdaten muss [hellip] als Prozess an den Schulen betrachtet werden (Mayer 2010)

31 Qualitaumltsanforderungen an Ruumlckmeldeberichte

Um die Nutzung externer Daten im Praxisfeld zu foumlrdern ist eine benutzerfreundliche Datenaufb ereitung durch die wissenschaft lichen Einheiten von zentraler Bedeutung In der einschlaumlgigen Forschung (z B Helmke 2004 van Ackeren 2007 Schildkamp amp Ehren 2012 Groszlig Ophoff 2013 Hattie 2009 Koch 2011) werden diesbezuumlglich ver-schiedene Aspekte benannt bull Verstaumlndlichkeit Die Berichte sollten nicht zu umfangreich sowie gut strukturiert

sein Der Text sollte gut lesbar Darstellungen uumlbersichtlich und verstaumlndlich sein indem sie moumlglichst geringe statistische Kenntnisse erfordern (Groszlig Ophoff 2013 Hattie 2009)

bull Einbeziehung von Kontextinformationen Neben Leistungsdaten auf unterschied-lichen Aggregationsniveaus werden Kontextinformationen uumlber die Schuumllerschaft ndash auch in Form von fairen Vergleichen ndash als aumluszligerst hilfreich eingeschaumltzt (Altrichter Moosbrugger amp Zuber 2016)

bull Foumlrderung der Akzeptanz Dazu ist es wichtig die praktische Relevanz und Bedeu-tung sowie Grenzen der Ruumlckmeldungen darzulegen (Hattie 2009)

bull Kriteriumsbezug Kriteriale Bezugsnormen werden von Lehrkraumlft en eher bevor-zugt als soziale Bezugsnormen (Schneewind 2007 Harks Rakoczy Klieme Hattie amp Besser 2014) weil bspw durch die Zuordnung der Leistungen zu inhaltlich de-fi nierten Kompetenzstufen diesen eine praktisch relevante Bedeutsamkeit zugewie-sen wird (Wiesner Schreiner George Breit amp Luger-Bazinger 2017)

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 196

bull Vielfaumlltigkeit der Darstellung Koch (2011) spricht sich fuumlr verschiedene Formen der Aufb ereitung aus um mit einem breiten Angebot der Darstellungen moumlg-lichst viele Nutzerbeduumlrfnisse abzudecken Je umfassender die Informationen des-to wichtiger sind kompakte strukturierte Zusammenfassungen um eine Uumlbersicht uumlber die Daten zu gewaumlhrleisten (siehe dazu auch den ersten Aufzaumlhlungspunkt)

Diesen verschiedenen Beduumlrfnissen Rechnung zu tragen stellt eine Herausforderung in der Konzeption von Ergebnisruumlckmeldungen dar Neben diesen Qualitaumltsmerkma-len sollten Ruumlckmeldungen als Feedback bestimmte Fragestellungen unterstuumltzen um Refl exions- und Entwicklungsprozesse anzuregen (Wiesner Schreiner Breit amp Kemet-hofer 2017b) Lehrpersonen sind in diesem Prozess nicht nur Lehrende sondern in erster Linie selbst Lernende bdquoIt is critical that teachers learn about success or other-wise of their interventions those teachers who are students of their own eff ects are the teachers who are the most infl uential in raising studentsrsquo achievementldquo (Hattie 2009 S 24) So werden die Ruumlckmeldungen uumlber den Kompetenzstand der Schuumllerinnen aber etwa auch ihre motivationalen Einstellungen zum Feedback an die Lehrperson das die Weiterentwicklung der Unterrichtsprozesse anregt Evaluative Orientierungen beim Lehren und Lernen haben also einen zentralen Stellenwert (Hattie 2009) Wies-ner et al (2017 S 3) entwickelten diesen Ansatz weiter da bdquoFeedback im Kontext der Lehr-Lern-Forschung [hellip] seit vielen Jahrzehnten als besonders eff ektiv [gilt] um Lern- und Veraumlnderungsprozesse zu unterstuumltzenldquo

Die Ruumlckmeldungen der Bildungsstandarduumlberpruumlfungen in Oumlsterreich wurden insbesondere als Feedback fuumlr Lehrpersonen Schulleitungen die Schulaufsicht sowie als Monitoring fuumlr das gesamte Schulsystem konzipiert Um eine professionelle Refl e-xionsarbeit auf all diesen Ebenen anzuregen sollten sich die einzelnen Akteure ver-schiedene Fragestellungen zu den Inhalten der Ruumlckmeldung stellen Dazu zaumlhlen so-wohl Fragen nach den eigentlichen Zielen und Visionen (Where am I going) aber auch Fragestellungen die die eigenen Maszlignahmen und Aktivitaumlten zur Zielerreichung hinterfragen (What am I doing here and now) bzw darauf achten wie man dabei vorgeht (How am I going) Bei all diesen Fragen sollten im Rahmen der Refl exions-arbeit Haltungen und Grundprinzipien bewusst wahrgenommen (How do I recogni-ze what I am experiencing) und neue Impulse und Prozesse uumlber die Zielerreichung hinaus (Where to next) uumlberlegt werden was in der professionellen Refl exionsarbeit zu einem Double-Loop-Lernen fuumlhren kann (Wiesner et al 2017a Steinkellner amp Wiesner 2017 vgl auch Wiesner amp Schreiner in diesem Band) Double-Loop-Ler-nen meint in diesem Kontext dass in einem ersten bdquoLoopldquo des Lernens eine Weiter-entwicklung des Unterrichts und des fachlichen Lernens stattfi ndet in einem zweiten bdquoLoopldquo aber auch der Prozess refl ektiert wird wie auf Basis der Evidenzen Entwick-lungsprozesse stattfi nden und welche Haltungen und Werte diesen Prozess praumlgen Dadurch nehmen die Akteure eine Meta-Perspektive ein und gestalten den Qualitaumlts-entwicklungsprozess bzw Aspekte davon weiter

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 197

32 Moumlglichkeiten und Grenzen der klassischen Datenaufbereitung in Berichtsform

Grundlage des Qualitaumltsentwicklungsprozesses auf Basis der Ergebnisruumlckmeldun-gen aus Standarduumlberpruumlfungen sind die einzelnen Schulberichte Dabei folgt die Be-richtstruktur studienuumlbergreifend der gleichen Logik indem zuerst Informationen zur Schuumllerschaft der Schule sowie Informationen zu Kontexten des Lehrens und Lernens (wie Wohlbefi nden in der Schule und Klasse sowie motivationale Merkmale) in ta-bellarischer Form aufb ereitet sind Den Kern der Ruumlckmeldung bilden die fachlichen Kompetenzen der Schuumllerinnen einer Schule in Form verschiedener Kennzahlen (z B prozentuelle Verteilungen auf Kompetenzstufen Mittelwerte Streuungsinforma-tionen) Diese werden auch fuumlr verschiedene Schuumllergruppen (z B nach Geschlecht Migrationshintergrund) dargestellt Waumlhrend die Ergebnisdarstellungen im Schulbe-richt durchwegs in grafi scher Form ein intuitives Erfassen erleichtern sollen geben ta-bellarische Zusammenfassungen zum Abschluss einen kompakten Uumlberblick uumlber die Daten einer Schule Die Berichtsstruktur wird je nach fachlichem Konzept entspre-chend angepasst und wurde auf Basis von Evaluationsaktivitaumlten unter Einbindung von Akteuren an Schulen uumlber die Jahre hinweg optimiert

Vorteile dieser Ruumlckmeldeform liegen in der Vertrautheit der Zielgruppen (Schul-leiterinnen Lehrerinnen Schulaufsicht) mit dem Format der Berichte Die Schulbe-richte werden in Form von PDF-Files zur Verfuumlgung gestellt koumlnnen gespeichert und ausgedruckt werden Die kontinuierlich gleiche Grundstruktur (mit entsprechenden Anpassungen je nach uumlberpruumlft em Fach) dieser Berichte unterstuumltzt den Aufb au von Vertrautheit und Strategien der Archivierung Gleichzeitig handelt es sich dabei um statische Berichte die von auszligen zusammengestellt und aufb ereitet sind Insbesondere bei der Zielgruppe Schulaufsicht werden die Grenzen dieses Berichtsformats und eine gewisse Schwerfaumllligkeit sichtbar Die zustaumlndigen Personen der Schulaufsicht erhalten jeweils die einzelnen Schulberichte der Schulen ihres Aufsichtsbereichs wodurch in vereinzelten Faumlllen ein Konvolut von Einzeldokumenten im dreistelligen Bereich ent-steht Uumlbersichtsdarstellungen gingen bis dato uumlber eine tabellarische Aufl istung der wichtigsten Kennwerte der Schulen nicht hinaus Daruumlber hinaus werden Schulen im Schnitt etwa alle zwei Jahre uumlberpruumlft wodurch die Anzahl vorliegender Berichte je Schule (und je Aufsichtsbereich) kontinuierlich anwaumlchst

4 SANDBIST als innovative Form der Datenbereitstellung fuumlr die Schulaufsicht

Die klassische Form der Berichtslegung stellte die Mitlieder der Schulaufsicht mit der zunehmenden Anzahl von Standarduumlberpruumlfungen und Ergebnisruumlckmeldungen vor die Herausforderung mit tausenden Seiten von elektronischen oder gedruckten Do-kumenten agieren zu muumlssen Im Laufe der Zeit entstand daher der Wunsch die den Berichten zugrundeliegenden Daten auch in bearbeitbarer Form zur Verfuumlgung ge-stellt zu bekommen um diese fl exibler und variantenreicher nutzen zu koumlnnen und

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 198

das Potenzial das in den Daten steckt besser nutzen zu koumlnnen Im Mittelpunkt der Diskussion stand dabei die Uumlberlegung dass eine Moumlglichkeit des fl exiblen Umgangs mit den Informationen in Form von Analyse- Strukturierungs- und Visualisierungs-strategien geschaff en werden sollte die jedoch moumlglichst geringe technische Anfor-derungen an die Nutzerinnen stellen bdquoDas BIFIE griff den in den Studien geaumluszliger-ten Wunsch nach uumlberblicksmaumlszligigen jedoch moumlglichst ganzheitlichen Darstellungenldquo (Kemethofer amp Wiesner 2018) auf

Basierend auf einer Kooperation mit und Impulsen von LSI K Maier wurden von-seiten des BIFIE verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr eine Umsetzung ausgelotet Entstan-den ist nunmehr eine vielschichtige Desktop-Anwendung (App) zur systematischen und effi zienten Daten- und Informationsaufb ereitung die das Akronym SANDBIST traumlgt und fuumlr bdquoSchulentwicklung durch Analyse und Nutzung von Datenldquo3 steht Die Entwicklung der Anwendung war getragen von diversen Uumlberlegungen und Diskus-sionen im damaligen BIFIE-Leitungsteam und entstand auf Basis einer Idee von C Wiesner4

Bei der Konzeption des Soft ware-Tools SANDBIST waren folgende Anforderungen leitendbull Das Tool sollte dieselben Daten beinhalten wie die klassische Berichtsformbull In Bezug auf die Handhabung durch die User sollte das Tool niedrige Anforderun-

gen stellen Spezielle Programmierkenntnisse sollten nicht erforderlich sein son-dern eine intuitive Benutzeroberfl aumlche sollte einen niederschwelligen Einstieg in die Arbeit mit dem Tool gewaumlhrleisten

bull Das Tool sollte eine fl exible Nutzung der Daten aus Standarduumlberpruumlfungen er-moumlglichen die die traditionelle Art der Datenaufb ereitung in Form von Berichten ergaumlnzt und die Bearbeitung eigener Fragestellungen unterstuumltzt

bull Bei der Erstellung des Tools spielte die Moumlglichkeit von Kombinationen eine gro-szlige Rolle Es sollten sowohl Daten zwischen Schulen als auch innerhalb von Schulen verknuumlpft werden koumlnnen Demnach sollte eine gemeinsame Analyse ausgewaumlhl-ter Schulen des Aufsichtsbereichs genauso moumlglich sein wie Analysen uumlber mehre-re Erhebungszeitpunkte hinweg

bull Schulentwicklung bedeutet Informationen Erkenntnisse und Ziele zu dokumen-tieren ndash dementsprechend sollte das Tool die Moumlglichkeit bieten die Dokumenta-tion von Visualisierungen und zugehoumlrigen Ergebnisinterpretationen zu speichern

Trotz einer neuen Form der Datenaufb ereitung war es wichtig die Wiedererkennung von Ergebnisdarstellungen wie die grafi sche Abbildung von Kennwerten und Kons-trukten (z B Darstellung des fairen Vergleichs Mittelwerte Prozentverteilungen) durch Verwendung gleicher Symbole oder Farben und aumlhnlicher Darstellungsformen zu gewaumlhrleisten

3 Das Tool wurde zunaumlchst bdquoSchulaufsicht analysiert und nutzt Datenldquo (Kemethofer amp Wiesner 2018 S 60) genannt Der weitere Entwicklungsverlauf machte eine Anpassung des Akronyms notwendig (siehe Abschnitt 5)

4 Der erste Prototyp von SANDBIST geht auf das damalige Leitungsteam (Wiesner Schreiner Breit und Bruneforth) der erste Release auf die Personengruppe Wiesner Schreiner Breit und Neubacher als Urheberinnen zuruumlck

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 199

41 Nutzungsmoumlglichkeiten von SANDBIST

SANDBIST enthaumllt alle Daten und Informationen die auch in traditionellen Berichten aufb ereitet waren und sind Durch die intuitive Benutzeroberfl aumlche und die individu-ellen Datenabfragen ermoumlglicht diese Applikation jedoch viel weitreichendere Analy-sen hinsichtlich der einzelnen Schulstandorte und uumlber Schulstandorte hinweg1) Durch die gleichzeitige Verfuumlgbarkeit der Daten aller Schulstandorte des Zustaumln-

digkeitsbereichs kann eine Schulaufsichtsperson die in ihrer Verantwortung liegen-den Standorte gemeinsam und schuluumlbergreifend analysieren Im Sinne der regio-nalen Bildungsplanung sind dadurch vertiefende Analysen moumlglich

2) Je nach Fragestellung koumlnnen die Daten nach verschiedensten Kriterien variabel zusammengestellt werden Vor allem die Kombinationsmoumlglichkeiten von Kon-textinformationen und fachlichen Kompetenzen die in der traditionellen Bericht-erstattung vergleichsweise aufwaumlndig sind sind neuartig

3) Schulentwicklung ist ein langfristig angelegter Prozess der uumlber einzelne Erhe-bungen hinausgeht und zyklisch zu denken ist Durch die Einbindung aller Daten einer Schule koumlnnen alle bisherigen Erhebungen auf einer Schulstufe gemeinsam analysiert werden und studienuumlbergreifende Fragestellungen bearbeitet werden Dies ist sowohl faumlcheruumlbergreifend (M8 in Kombination mit Informationen aus E8 oder D8) als auch die verschiedenen Erhebungen des gleichen Fachs aufgreifend (M8-2012 mit M8-2017) moumlglich

4) Durch die interaktive Verwendung koumlnnen verschiedenste Referenzwerte ein- und ausgeblendet Daten nach bestimmten Merkmalen sortiert oder gefi ltert und Ab-fragen gespeichert oder verworfen werden Diese vielfaumlltigen Umsetzungsmoumlglich-keiten erlauben es tiefer in das Datenmaterial einzutauchen und neue Perspekti-ven aufzuzeigen

Zusammengefasst laumlsst sich festhalten dass mithilfe dieser innovativen Desktop-An-wendung die Schulaufsicht bei der Nutzung von Ergebnissen aus Standarduumlberpruuml-fungen unterstuumltzt wird Durch das eigenstaumlndige Formulieren von Fragestellungen und die Eigenaktivitaumlt beim Abrufen Strukturieren und Visualisieren der Daten sind die Anwenderinnen inhaltlich in hohem Maszlige gefordert Auch aufgrund der neuen Moumlglichkeiten die sich durch das Verknuumlpfen von Daten ergeben muumlssen Beziehun-gen geordnet neue Verbindungen hergestellt Zusammenhaumlnge verstanden und Inter-pretationen nachvollziehbar dokumentiert werden Eigene Annahmen und Hypothe-sen koumlnnen uumlberpruumlft und bestaumltigt oder widerlegt werden Nicht zu unterschaumltzen sind auch die Moumlglichkeiten die sich durch die Visualisierung von Zusammenhaumln-gen ergeben ndash fuumlr den Nutzer oder die Nutzerin selbst aber auch fuumlr Kommunika-tionszwecke

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 200

42 Beschreibung des Instruments und Begleitmaszlignahmen

Veraumlnderungen und Innovationen im etablierten Prozess der Berichterstattung rund um die Standarduumlberpruumlfungen wie die Bereitstellung von SANDBIST benoumltigen Un-terstuumltzungs- und Begleitmaszlignahmen Die oberhalb genannten Anforderungen an die Anwenderinnen des Tools machen zudem eine Schulung in der Nutzung des Tools unabdingbar Die Distribution des Tools SANDBIST an die Schulaufsicht ist deshalb be-wusst mit einem zweitaumlgigen Workshop verknuumlpft Da der Einstieg aus technischer Perspektive nicht sehr schwierig ist und ohnehin durch das SANDBIST-Benutzerhand-buch unterstuumltzt wird dient dieser Workshop nicht primaumlr der Erklaumlrung der einzel-nen Features im Tool sondern vor allem der praktischen Durchfuumlhrung von Daten-analyse und Refl exion mithilfe des Instruments ndash im Sinne einer prototypischen Initial- und Rezeptionsphase

Der Workshop selbst ist in vier Phasen gegliedert in welchen unterschiedliche analytische Ansaumltze ndash von der Einzelschulperspektive bis zur systemischen Perspekti-ve ndash erarbeitet werden

In Phase 1 sollen Staumlrken und Schwaumlchen sowie Besonderheiten eines einzelnen Schulstandorts herausgearbeitet werden wobei nicht nur fachliche Kompetenzen ana-lysiert sondern auch verschiedene Kontexte (Informationen zur Zusammensetzung der Schuumllerschaft genauso wie Merkmale wie Wohlbefi nden Lernfreude Anstren-gungsbereitschaft ) der einzelnen Standorte in den Analysen beruumlcksichtigt werden sollen Die Verwendung von SANDBIST im Vergleich zum klassisch aufb ereiteten Be-richt bietet nicht nur die Moumlglichkeit Informationen die im Bericht auf verschiede-nen Seiten zu fi nden sind gemeinsam darzustellen sondern vor allem auch die Op-tion Informationen aus mehreren Erhebungen miteinander zu vergleichen ohne alte Berichte aus dem Archiv holen zu muumlssen Abbildung 2 veranschaulicht das Ergebnis eines solchen Analyseschrittes Die Kompetenzstufenverteilung in Lesen aus dem Jahr 2016 sowie das Wohlbefi nden an der Schule und in der Klasse werden zeitgleich be-trachtet mit der Kompetenzstufenverteilung in Mathematik aus dem Jahr 2017 sowie dem schulischen Wohlbefi nden aus diesem Erhebungsjahr Dem Diagrammbaum auf der rechten Seite sind die ausgewaumlhlten Merkmale sowie deren Labels zu entnehmen waumlhrend auf der linken Seite die interessierenden Merkmale grafi sch dargestellt sind

In Phase 2 des Workshops wurden die Daten dieses Schulstandorts mit einem zweiten Standort des Zustaumlndigkeitsbereichs ergaumlnzt (z B der naumlchstgelegenen Schu-le oder einer Schule die aus Sicht der Anwenderindes Anwenders uumlber aumlhnliche Rah-menbedingungen verfuumlgt)

In der dritten Phase des Workshops wurden schlieszliglich mehrere Standorte ge-meinsam analysiert und ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet Diese Herangehensweise gestattet es Schulen einer geografi schen Region oder Schu-len aumlhnlicher Groumlszlige oder mit denselben Schwerpunkten zu betrachten Basierend auf dieser Auswahl koumlnnen Besonderheiten einzelner Schulstandorte identifi ziert Moumlg-lichkeiten der Ergebnisinterpretationen erweitert oder gemeinsame Th emen schul-uumlbergreifende Potenziale oder Herausforderungen erkannt werden Gerade in diesen Phasen darf nicht verabsaumlumt werden auch Kontextfaktoren naumlher zu beleuchten und

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 201

miteinander zu vergleichen bzw diese in Erklaumlrungsversuche einzubeziehen Aus Ab-bildung 3 geht hervor dass im Tool mehrere Datenabfragen fuumlr mehrere Schulen zeit-gleich getaumltigt werden koumlnnen Es handelt sich um fuumlnf Schulen die sich hinsichtlich des Index der sozialen Benachteiligung deutlich voneinander unterscheiden (unterer Teil der Abbildung) Dargestellt ist auszligerdem die Verteilung der Schuumllerinnen auf die Kompetenzstufen in Mathematik sowie das Selbstkonzept der Schuumllerinnen im Gegenstand Mathematik (im oberen Teil der Abbildung) Dem Diagrammbaum auf der rechten Seite sind die Merkmale sowie Labels zu entnehmen

In der vierten und letzten Phase des Workshops wird schlieszliglich ein Perspekti-venwechsel eingefordert Waumlhrend in den ersten drei Phasen die Analyse einzelner Schulen oder einer Gruppe von Schulen im Fokus stand wird in der vierten Phase eine systemische Perspektive auf den gesamten Aufsichtsbereich bzw die Bildungs-region eingenommen In dieser Analysephase gilt es besondere Th emen aber auch besondere Schulen im Aufsichtsbereich zu identifi zieren und dabei den ganzheitli-

Ab bildung 2 Aufbereitung von Informationen uumlber eine Schule mit SANDBIST

Anmerkungen Dargestellt sind (von links nach rechts) zuerst die Verteilung der Schuumllerinnen auf die Kompetenzstufen das Wohlbefi nden in der Schule sowie das Klassenklima ndash zuerst fuumlr Lesen im Fach Deutsch aus der Uumlberpruumlfung von 2016 und danach fuumlr Mathematik aus der Uumlberpruumlfung von 2017 (eigene Darstellung)

S

chuumll

erin

nen

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 202

chen Blick anzuwenden So koumlnnen uumlbergreifende Schluumlsselthemen herausgearbeitet werden Zudem koumlnnen mithilfe des Instruments Darstellungen relevanter Aspekte zu Dokumentstations- und Kommunikationszwecken zusammengefasst und verdichtet werden

Abbildung 4 stellt die vier Workshop-Phasen uumlberblicksartig dar welche die An-wenderinnen in die Nutzung und Moumlglichkeiten von SANDBIST einfuumlhrt und ihnen Refl exionsraumlume aufzeigt

Die vier Workshop-Phasen stellen das Kernelement des Schulungskonzepts dar (Wiesner Schreiner Breit amp Kemethofer 2017a) Die Erlaumluterung der einzelnen Fea-tures wird dabei in die einzelnen Workshop-Phasen eingebettet Somit wird die Ein-arbeitung in das Tool mit der inhaltlichen Analyse- und Refl exionsarbeit verknuumlpft Den Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern wird von Beginn des Workshops an eine Version des SANDBIST-Tools mit den jeweils eigenen Daten zur Verfuumlgung ge-stellt um die Aktivitaumlten im Workshop sofort zur Analyse der eigenen Daten verwen-den zu koumlnnen und keine Uumlbungsphasen mit hypothetischen Daten durchfuumlhren zu muumlssen Dies gewaumlhrleistet dass die im Rahmen des Workshops erarbeiteten Analy-sen Interpretationen und Refl exionen fuumlr den eigenen Zustaumlndigkeitsbereich erstellt vor dem Hintergrund bekannter Rahmenbedingungen durchgefuumlhrt und in der Fol-ge weiterverwendet werden koumlnnen Die konkrete Arbeit mit dem SANDBIST-Tool wird durch eine Refl exionsphase zu Bildungsstandards Uumlberpruumlfungen Kompetenzorien-tierung und der Rolle der Schulaufsicht eingeleitet und damit in den relevanten Kon-text eingebettet Alle Workshop-Phasen werden von diversen Austauschmoumlglichkei-ten zu Analyseergebnissen und -strategien sowie Moumlglichkeiten der Ergebnisnutzung

Abbildung 3 Aufbereitung von Informationen uumlber mehrere Schulen mit SANDBIST

Anmerkungen Dargestellt sind (von links nach rechts) im oberen Teil der Abbildung zuerst die Verteilung der Kompetenzstufen und dann die Verteilung hinsichtlich des fachbezogenen Selbstkonzepts Mathematik aus der Uumlberpruumlfung von 2017 Im unteren Teil der Abbildung wird fuumlr die gleichen Schulen die jeweilige Schuumllerzusammensetzung anhand eines Index der sozialen Benachteiligung (Belastungsindex) dargestellt (eigene Darstellung)

Daten nutzen ndash Schulen entwickeln 203

begleitet Dabei wurde in der Planung der einzelnen Workshops wo irgendwie moumlg-lich darauf geachtet auch einen Austausch zwischen verschiedenen Aufsichtsberei-chen und insbesondere verschiedenen Bundeslaumlndern zu ermoumlglichen und anzuregen

5 Zusammenfassung und Ausblick

Mit der Erweiterung der klassischen Ergebnisruumlckmeldung in Berichtsform durch eine Desktop-Anwendung die Ergebnisanalysen aus Standarduumlberpruumlfungen in umfangrei-cher und dynamischer Form ermoumlglicht wurden fuumlr die oumlsterreichische Schulaufsicht neue Nutzungsmoumlglichkeiten dieser Evidenzen geschaff en Die Verteilung des Tools SANDBIST erfolgte im Laufe der Schuljahre 201718 bereits an rund 80 der Mitglie-der der Schulaufsicht Dabei zeigte sich bereits in den Workshops dass durch die er-weiterten Moumlglichkeiten die das Instrument bietet die Interpretationskompetenz der Anwenderinnen noch staumlrker gefordert ist Denn das eigene Erkunden der Daten bie-tet vielfaumlltige Moumlglichkeiten um Verbindungen Verknuumlpfungen und Gemeinsamkei-ten aber auch Unterschiede (vermeintliche) Widerspruumlche oder Besonderheiten zwi-schen Faumlchern Merkmalen Zeitpunkten oder verschiedenen Schulen zu entdecken Im Rahmen der einzelnen Workshop-Phasen wurden die Teilnehmerinnen deshalb immer wieder hinsichtlich der Interpretationsanforderungen sensibilisiert und ein Nachdenken sowie kollegialer Austausch uumlber Analysestrategien und Interpretationen angeregt und unterstuumltzt

Analyse einer

Schule Beruumlcksichtigung

innerschulischer Prozesse und

einzelschulischer Kontexte

Analyse einer Schule

im Kontext einer zweiten

Analyse einer kleinen

Gruppe von Schulen

Identifikation von

besonderen Schulen

Identifikation von

besonderen Themen Fokussierung der Aufmerksamkeit fuumlr den gesamten Aufsichtsbereich

relevant

Workshop-Phase 1 Workshop-Phase 2 Workshop-Phase 3 Workshop-Phase 4a Workshop-Phase 4b

Perspektive EinzelschuleGruppen von Schulen Von der Einzelschule bzw aumlhnlichen Gruppierungen zu tieferen Strukturen Zusammenhaumlngen und Beziehungen

Systemische Perspektive Aufsichtsbereich Von der Gesamtheit zu besonderen Themen und Kriterien des Systems bzw

eines Subsystems (Gruppe)

Auffinden von

KriterienThemen

Schluumlsselthemen im

Aufsichtsbereich

wenige Risikoschuumllerinnen

Schulen unter dem

Erwartungswert

z B positives Schulklima

Eher positives Klassenklima

aber nur moderates Schulklima

positives Klassenklima aber

weniger positives Schulklima

ne = ne

Erkennen und Verstehen von

Staumlrken Schwaumlchen und

Kontexten an einer Schule

Besonderheiten und Kontexte

an einer Schule

Erkennen und Verstehen durch

Vergleich von zwei Befunden

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

zweier Schulen mit aumlhnlichem

Kontext

Erkennen und Verstehen durch

Vergleich von mehreren Befunden

Potenzialen Staumlrken und Schwaumlchen

Probleme in Gruppen (Gruppierungen)

Erkennen und Verstehen durch

Identifizieren von ThemenKriterien

Besondere ThemenKriterien

bestimmter Gruppen

Erkennen und Verstehen durch

Identifizieren von uumlbergreifenden

Schluumlsselthemen

Uumlbergreifende Schluumlsselthemen

im Aufsichtsbereich

Auffinden von unterschiedlichen

Gruppierungen und KriterienThemen

Auffinden von Unterschieden

und Gemeinsamkeiten im

direkten Vergleich

Auffinden von Besonderheiten

Staumlrken und Schwaumlchen

einer Schule

Lesen unter dem Erwartungswert

Lesen uumlber dem Erwartungswert

Unterschiede

Gemeinsamkeiten=

ne Schwaumlchen

Staumlrken

Kontexte amp Prozesse

Abbi ldung 4 Herangehensweisen der Refl exionsarbeit mit SANDBIST (Wiesner Schreiner Breit amp Kemethofer 2017a)

Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher 204

Inwiefern das Tool nachhaltig Einzug in die Arbeit der Mitglieder der Schulauf-sicht fi ndet soll in regelmaumlszligigen Abstaumlnden erfasst werden Das Instrument kann durch seine benutzerfreundliche Handhabung und durch innovative Nutzungsmoumlg-lichkeiten zur Verwendung animieren eine regelmaumlszligige Nutzungsfrequenz erscheint aber erforderlich um das Tool effi zient und zeitsparend in den Arbeitsalltag integrie-ren zu koumlnnen

Letztendlich ist es das Ziel mit dieser neuen Form der Datenaufb ereitung einen Impuls zu geben sich staumlrker mit evidenzbasiertem Feedback auseinanderzusetzen Im Rahmen der Workshops haben sich die Teilnehmerinnen in vielen Faumlllen sehr in-tensiv mit den Daten beschaumlft igt und es schienen auch Personen Zugang zur evidenz-orientierten Arbeit gefunden zu haben die mit teils groszliger Skepsis zum Workshop angereist waren Dies liegt vermutlich nicht nur an der veraumlnderten Ergebnisdarstel-lung sondern vor allem an den erweiterten Moumlglichkeiten der Auseinandersetzung mit den Daten und den Potenzialen die sich aus der Kombination von Kompetenzen und Kontexten ergeben Gleichzeitig wird eine veraumlnderte Datenbereitstellung nicht ausreichen ein generelles Fehlen an Bereitschaft zur Nutzung empirischer Daten zu aumlndern

Trotz dieser Limitationen sollen mit dieser alternativen Form der Datenbereitstel-lung im Rahmen von Schulentwicklung unterschiedliche Zugaumlnge zu Analyse- und Refl exionsmoumlglichkeiten geschaff en werden Zudem ist es unabdingbar den Refl e-xionsprozess um Informationen aus anderen Wissensbestaumlnden zu ergaumlnzen um moumlgliche Wirkfaktoren auffi nden zu koumlnnen Die Intention von SANDBIST ist jene diesen Prozess der kooperativen aber auch kollaborativen Arbeit von Schulaufsicht und Schulen im Entwicklungsprozess zu unterstuumltzen und dabei die Wuumlnsche nach Innovationen in der Datenbereitstellung zu integrieren

Damit auch Schulen von den Potenzialen einer interaktiven Nutzung eines sol-chen Instruments profi tieren koumlnnen stellt das BIFIE seit dem Schuljahr 201819 auch Schulleiterinnen und Schulleitern eine SANDBIST-App bereit Dadurch bekommen auch Schulleitungen die Moumlglichkeit von den Vorteilen einer Desktop-Anwendung zu profi tieren und die Daten ihrer Schule uumlber das Tool zu rezipieren und analysieren Auch ihnen steht nun eine benutzerfreundliche Oberfl aumlche zur Verfuumlgung die stu-dienuumlbergreifende Analysen fuumlr den Standort sowie neue Kombinationen ermoumlglicht So werden Schulleiterinnen dabei unterstuumltzt evidenzbasiertes Feedback im Rahmen von Schul- und Unterrichtsentwicklung zu nutzen Diskussionen anzustoszligen und Re-fl exionen und Interpretationsmoumlglichkeiten aufzuspuumlren

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Christian Wiesner

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten

Die Problemskizze zum bdquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschungldquo die auf der 22 EMSE-Tagung 2016 im BIFIE in Salzburg erstmals ausfuumlhrlich in Oumlsterreich dis-kutiert wurde ist der Bezugspunkt fuumlr die Uumlberlegungen und Entwuumlrfe dieses Bei-trags Die mangelnde Beruumlcksichtigung von Forschungsergebnissen der empirischen Bildungsforschung und die (noch) nicht befriedigende Integration von reichhaltigen Forschungsbefunden in die Praxis fuumlhrt augenblicklich zu zweierlei einerseits ent-wickelt sich durch die (noch) mangelnde Rezeption Refl exion und Integration eine (oft mals sehr) unsachliche Kritik an der Evidenzbasierung (zu bevorzugen ist m A n das Orientierungskonzept also der Begriff der Evidenzorientierung) Andererseits waumlre es notwendig Evidenzen in bdquoEntwicklungskreislaumlufe der Unterrichts- Schul- und Bildungsqualitaumltldquo (Pant 2014 S 80) tatsaumlchlich einzuspeisen um Gelingens-phaumlnomene systematisch zu beobachten und um daraus wiederum ndash evidenz- erfah-rungs- und entwicklungsorientiert ndash zu lernen im Sinne einer refl ektierenden Praxis (Schoumln 1983 Schoumln 1991)

1 Ein kurzer Exkurs zum Begriff der Evidenz

Die erste Herausforderung betrifft zunaumlchst den unsachlichen Umgang mit dem Be-griff der evidenzorientierten bzw -basierten Forschung Diese Problematik ist nicht das weite Th ema dieses Beitrags soll jedoch an dieser Stelle kurz aufgegriff en werden Jornitz (2008) bezeichnet den Terminus der bdquoevidenzbasierten Bildungsforschungldquo als bdquoWortungetuumlmldquo (ebd S 207) und als bdquounsinnigen Begriff ldquo (Jornitz 2009 S 69) wel-cher als bdquoWort-fuumlr-Wort-Uumlbersetzung aus dem Englischenldquo (ebd S 69) bdquoseine Adap-tion aus einer Fremdsprache nur schwerlich verbergen kannldquo (Jornitz 2008 S 207) Urspruumlnglich wurde das Substantiv evidentia jedoch von Cicero (ca 106 bis 43 v Chr) als Wortschoumlpfung kreiert Cicero verwendete es erstmalig in seiner akademi-schen Abhandlung im bdquoDialog Lucullusldquo (Cic Ac Pr 217) im Sinne von klarer Dar-stellung Quintilian (ca 30 bis 96 n Chr) benutzte den Begriff Evidenz unter direk-ter Bezugnahme auf Cicero als Qualitaumltsmerkmal von Aussagen und Darstellungen im Sinne von Beweisfuumlhrung (Ueding 1996) Etwa ab dem 13 Jahrhundert fi ndet der Be-griff Evidenz Eingang in die europaumlischen Landessprachen (Ritter 1972 S 830) Um ca 1500 ersetzt der englische Begriff evidence in der englischen Rechtssprache den

Christian Wiesner 208

Begriff witness und stimmt begriffl ich ab diesem Zeitpunkt in der Rechtssprache mit dem deutschen Wort Beweis1 uumlberein der Nachweis einer Tatsache wird hingegen als proof of fact bezeichnet (Curti 1928 Ueding 1996) In diesem Sinne ist Evidenz zu-naumlchst kein unsinniger Begriff sondern weist auf eine klare nachvollziehbare Darstel-lung von einem oder mehreren Beweisen hin ndash Evidenz benoumltigt Daten Informatio-nen und Wissen (Schratz Wiesner Roumlszligler Schildkamp George Hofb auer amp Pant in Druck)

Sollte das Programm der Evidenzbasierung in der Unterrichts- und Schulentwick-lung auch auf der Idee der evidenzbasierten Medizin (EBM) beruhen dann geht es nach Sur amp Dahm (2011) oder Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson (1996) um die systematische Suche nach den besten verfuumlgbaren Beweisen durch fundier-te Daten Informationen Expertenwissen Erfahrung und scharfsinniger Intuition als bdquobest available evidenceldquo (ebd S 72) fuumlr die Praxis2

Th e practice of evidence based medicine means integrating individual cli-nical expertise with the best available external clinical evidence from sys-tematic research By individual clinical expertise we mean the profi ciency and judgment that individual clinicians acquire through clinical experience and clinical practice (Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson 1996 S 71)

Daher ist von einer verkuumlrzten Gleichsetzung von Evidenz mit der Interpretation vom Augenschein durch Jornitz (2008) grundsaumltzlich abzuraten Evidenz ist im Kontext des Beweises und einer klaren Darstellung zu verstehen als eine bdquosorgfaumlltige Beobachtung der empirischen Sachverhalteldquo die einen bdquoBestandteil eines Argumentsldquo bilden (Baumlch-li amp Graeser 1995 S 230) Demnach ist fuumlr eine umfassende und integrative Unter-richts- Schul- und Bildungsqualitaumltsentwicklung unabdingbar alle Konnotationen des Begriff s der Evidenz zu beruumlcksichtigen um diff erenzierte Ideen Entwuumlrfe und Mo-delle zu eroumlff nen Wichtig ist die Balance zwischen theoretischen Konzepten prakti-schen Expertenwissen und Erfahrungen

Good doctors use both individual clinical expertise and the best available external evidence and neither alone is enough (Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson 1996 S 72)

Evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung funktioniert nicht mit koch-buchartigen Rezepten Um eine empiriegestuumltzte Unterrichts- und Schulentwicklung zu foumlrdern und zu unterstuumltzen sind reichhaltige vielfaumlltige und integrative Entwuumlr-

1 bdquoInformation given in a legal inquiry tending to establish factldquo (Curti 1928 S 52) Der Inbe-griff des rechtlichen Beweises ist der Augenschein welcher als bdquoreal evidenceldquo (Ueding 1996 S 38) bezeichnet wird

2 bdquoEvidence based medicine is not bdquocookbookldquo medicine Because it requires a bottom up ap-proach that integrates the best external evidence with individual clinical expertise and patientslsquo choice it cannot result in slavish cookbook approaches to individual patient care External cli-nical evidence can inform but can never replace individual clinical expertise and it is this ex-pertise that decides whether the external evidence applies to the individual patient at all and if so how it should be integrated into a clinical decisionldquo (Sackett Rosenberg Gray Haynes amp Richardson 1996 S 72)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 209

fe Schnittmengen und Ansaumltze im Sinne von bdquocommon and diff erent conceptsldquo (Pet-zold 1996 S 72) bzw bdquocommon and divergent factorsldquo (Petzold Scheiblich amp Th o-mas 2006 S 76) zu denken

Hilfreich fuumlr ein tieferes Verstaumlndnis ist zunaumlchst ein Blick auf das Makro-Mik-ro-Makro-Modell3 (Coleman 1991) als Heuristik um vielfaumlltige und verschiedene evi-denzorientierte Unterrichts- und Schulentwicklungsentwuumlrfe in der Praxis systema-tisch wahrzunehmen und strukturiert zu beobachten (im Sinne von Praxisforschung) Dieses bdquoBadewannenldquo-Modell (Grewe Schnabel amp Schuumltzeichel 2008) soll das Wirken von Systemen (Schule Netzwerke Schulsystem) auf Subsysteme (Unterricht Klasse) und auf handelnde Personen aufzeigen und auch deren Wirken als aggregierte kollek-tive Eff ekte auf das System klaumlren (siehe Abbildung 1)

Abbildung 1 Das Makro-Mikro-Makro-Modell in Anlehnung an Coleman 1991 und Grewe Schnabel amp Schuumltzeichel 2008 (eigene Darstellung)

Eine dialogische (oder besser polylogische) Vorgehensweise als ein Zusammenwirken von Personen aus der Th eorie und Praxis braucht Relationen und Expertise zwischen Konzepten und Erfahrung zwischen sachorientierten Daten und beziehungsorientier-ter Erfahrung Aus Forschungsdaten kann vermutlich nur dann praxisrelevantes Han-deln entstehen wenn auch praxisbezogenes Wissen (gemeinsam) generiert und kre-iert wurde (im Sinne der Gestaltung von Praxistheorien) Eine einseitige Aufb ereitung von Forschungsbefunden (als Daten und Informationen bereitgestellt) oder ein koch-buchartiges Auswerten von Befunden z B fuumlr die Professionalisierung wird im Sin-ne der in diesem Beitrag vorgestellten Entwuumlrfe und Ansaumltze (auch) nicht ausreichend sein Es besteht nicht nur die Notwendigkeit Forschungsbefunde vor Ort nachzuerfi n-den sondern Erfahrungen und Kontexte vor Ort in die Gestaltungsprozesse aktiv mit-aufzunehmen Dazu werden Modelle benoumltigt die einen weiten Blick erlauben sowohl auf die Mikro- als auch auf die Meso- und Makro-Ebene und gleichzeitig zwischen sachorientierten Forschungsbefunden und erfahrungsorientierten Praxisbefunden dif-ferenzieren und diese jedoch auch jeweils integrieren

3 In diesem Fall verwende ich ein Makro-Meso-Mikro-Meso-Makro-Modell Selbstverstaumlndlich koumlnnen allein durch ein Modell (wie bei allen Modellen) nicht alle Fragen geklaumlrt oder umfas-send beantwortet werden

Makro-Ebene

Mikro-Ebene

Schulsystem

Schule Netzwerke kollektive Effekte

Meso-Ebene

Handelnde amp

Kommunizierende

Handlungen amp

Kommunikationen

Unterricht Klasse

Lehr-Lerngeschehenkollektive Effekte

Christian Wiesner 210

2 Das Modell der Feldtransformation

bdquoWie kommt das Neue ins Systemldquo ist dabei die vorrangige Frage um sowohl an Maszlignahmen als auch an Prozessen zu arbeiten Ein auf der Frage aufb auender Ansatz ist das sogenannte Modell der Feldtransformation (siehe Abbildung 2) das eine Ver-bindung von vier Konzepten anstrebt und u a auch aus diff erenziertem Erfahrungs-wissen fuumlr die Schulleitungsqualifi zierung entwickelt wurde Der Ansatz deckt ein wei-tes Spektrum ab und zeigt moumlgliche Wege fuumlr eine zukuumlnft ige Weiterentwicklung auf (Wiesner George Kemethofer amp Schratz 2015) Die horizontale Achse des Modells zeigt das Kontinuum zwischen der Sachorientierung und der Beziehungsorientierung Die vertikale Achse zeigt sowohl die Stabilitaumltsorientierung als auch die Entwicklungs-orientierung von Strukturen und Prozessen Der erste Quadrant (links unten dann im Uhrzeigersinn) steht fuumlr bdquoVernunft ldquo der zweite fuumlr bdquoStrategieldquo der dritte fuumlr bdquoGestal-tungldquo und der vierte fuumlr bdquoIdentitaumltldquo Die Arbeit mit dem Modell eroumlff net eine Einord-nung in das dynamische Gefuumlge zwischen Stabilitaumlt (Dauer) und Entwicklung (Wech-sel) sowie Naumlhe und Distanz welches den jeweiligen Moumlglichkeitsraum bestimmt Aufgrund der Einbettung in systemische Kontexte oder in jeweilige Arbeitskontexte ergeben sich hierbei ganz unterschiedliche Konstellationen die eine Flexibilitaumlt Re-sponsivitaumlt und Ausgewogenheit der Felder erfordern Ein Verstaumlndnis fuumlr das Modell und ein Verstehen des Modells soll nun durch die weiteren Ausfuumlhrungen zu anderen Ansaumltzen im Blick auf bdquocommon and diff erent conceptsldquo (Petzold 1996 S 72) ermoumlg-licht werden

Wechsel

Dauer

NaumlheBeziehungs-orientierung

Sach-orientierung

Entwicklungsorientierung

Stabilitaumltsorientierung

Distanz

Strategie

Vernunft

Gestaltung

Identitaumlt

WandlungZielbild

AgilitaumltWirkkraft

IntuitionEmergenz

ResonanzKooperation

TransparenzOptimierung

EvidenzStandards

WerteKongruenz

VertrauenRituale

Abbildung 2 Das Grundmodell der Feldtransformation (eigene Darstellung)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 211

Aktivierungen von Feldern (Quadranten) lassen sich im Modell der Feldtransforma-tion so verstehen dass die Polaritaumlten und die daraus entstehenden vier Felder als gleichwertig gedacht werden wobei fl ieszligende Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten und Positionierungen moumlglich sind Die erste Polaritaumlt ist eine Zeitachse (Stabilitaumlts- und Entwicklungsorientierung) die zweite eine Raumachse (Sach- und Beziehungs-orientierung) Der Beitrag versucht nun die vielfaumlltigen und reichhaltigen Ansaumltze Th eorien und Modelle aus unterschiedlichen Fachdisziplinen aufzuzeigen die mit der Feldtransformation verbunden sind um das Modell der Feldtransformation so in Mi-kro- Meso- und Makro-Ebenen im Sinne von z B Fuumlhrungshandeln Lehr-Lern-Ge-schehen im Unterricht und Schulentwicklung am Standort zu verorten

3 Annaumlherungen aus einer psychotherapeutischen Perspektive der Ursprung des Modells

Ein Ursprung des Modells der Feldtransformation und die Idee der Achsen-Bezeich-nung geht auf den Th eorieentwurf von Riemann4 (Riemann 1975 Schratz Hart-mann amp Schley 2010 Paschen amp Dihsmaier 2014) aus den 1960er Jahren zuruumlck und greift dabei ein integrativ-analytisches psychodynamisches Denken auf Das Modell kann sowohl zur Anregung und Stimulierung von Entwicklungsprozessen als auch fuumlr bdquoGrundformen der Angstldquo (Riemann 1975) herangezogen werden Personen (und Systeme) haben in diesem Ansatz keine absoluten sondern immer wieder voruumlber-gehende strukturelle Zuumlge und vier bdquoFormen des In-der-Welt-Seinsldquo (Riemann 1975 S 207) Diese vier Impulse durchziehen in bdquowechselnder Gestalt unser ganzes Leben und wollen in immer neuer Weiseldquo (Riemann 1975 S 13) beantwortet werden Die-se vier Impulse dienen als Aktivierungen in Hinblick auf Situationen als Moumlglichkei-ten und Antworten (Riemann 1975) und werden explizit u a in (neuere) theoretische Ansaumltze (Th omann amp Schulz von Th un 2003 Th omann 2004 Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 Wiesner 2015 Wiesner 2010) integriert Die Loumlsungsentwuumlrfe sind als ein bdquoZeichen der Lebendigkeitldquo (Riemann 1975 S 203) und Beweglichkeit sowohl von Menschen als auch von Systemen zu verstehen Die beschriebenen Strukturdiag-nosen von Riemann (1975) fi nden sich indirekt z B als (depressive zwanghaft e schi-zoide und hysterische) Persoumlnlichkeitsdispositionen in der ICD-10 oder der DSM-IV-TR (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 187) Die Grundpfeiler dazu gehen wiederum auf die Th eorie der Neurosenstruktur aus dem Beginn der 1950er Jahre von Schultz-Henke5 (1951) zuruumlck (Th omauml 1963a Th omauml 1963b)

4 Der Psychoanalytiker und Psychologe Franz Riemann (1902ndash1979) entwarf seinen theoreti-schen Ansatz fuumlr Personen die Ideen und Grundlagen sind jedoch auch im systemischen Den-ken schluumlssig In der systemisch orientierten Organisationsforschung spricht (Tuumlrk 1976) u a von der Pathologie der Organisation

5 Der Mediziner Philosoph und Psychoanalytiker Harald Schultz-Hencke (1892ndash1953) praumlgte in der psychodynamischen Th eorie die sogenannte Neurosenstruktur wobei in seinem An-satz eine Neurosenstruktur keine Erkrankung sondern eine Struktur (gedacht eher als Mus-ter Skript Rolle) und Grundlage fuumlr manifeste Neurosen (als Krankheit) darstellt Unter den neo-psychoanalytischen Th eorien gelten die Ansaumltze von Schultz-Henke der sich bdquodem logi-schen Empirismus und des sbquoWiener Kreiseslsquo verbundenldquo (Naatz 2006 S 286) fuumlhlte als die

Christian Wiesner 212

Das Modell von Riemann (1975) beschreibt die vier bdquoFormen des In-der-Welt-Seinsldquo (Riemann 1975 S 207) als Grundimpulse bdquoStrebungenldquo (ebd S 12) und potenzielle bdquoAntriebeldquo (ebd S 47) im Hinblick und als Moumlglichkeiten und Antworten auf Situationen Kontexte und die Umwelt (ebd S 15 siehe Abbildung 3) 1) Naumlhe Kooperation Hingabe Geselligkeit Solidaritaumlt und die Gestaltung von

menschlicher bdquoBeziehungldquo (Riemann 1975 S 203) als Beziehungsorientierung (und der Angst vor Isolation Abkapslung und Alleinsein als Extremfall die de-pressive Person)

2) Wechsel Erneuerung Spontanitaumlt Flexibilitaumlt Zielorientierung und Kreativitaumlt und ein Einlassen auf Veraumlnderung und Wandel als Entwicklungsorientierung (und als Angst vor Bestaumlndigkeit Einengung Erstarrung Stillstand Unbeweglichkeit und Endguumlltigkeit als Extremfall die hysterische Person)

3) Distanz Individualitaumlt Einzelerfolg Unabhaumlngigkeit Intellekt und eine erken-nende analysierende Sachlichkeit und Distanzierung als Sachorientierung6 (und als Angst vor Abhaumlngigkeit Selbstaufgabe und Vereinnahmung als Extremfall die schizoide Person)

4) Dauer Sicherheit Zuverlaumlssigkeit Kontrolle Ordnung und eine moumlglichst dauer-haft e Geborgenheit als Stabilitaumltsorientierung (durch Unsicherheit und als Angst vor Wandel Chaos Vergaumlnglichkeit und Kontrollverlust als Extremfall die zwang-haft e Person)7

Das Modell fuumlhrt zwei Achsen ein die sowohl Erfahrungen als auch Analysen von Bestaumlndigkeit und Entwicklung in der Zeit ermoumlglichen und (System-)Probleme und Herausforderungen sowie Loumlsungen und Gelingensbedingungen sach- und bezie-hungsorientiert aufzeigen Je staumlrker ein Impuls ist desto weiter vom Nullpunkt ent-fernt wird der Impuls eingeordnet

4 Annaumlherungen aus einer lerntheoretischen Perspektive der Prozess des Lernens

Eine weitere bedeutsame Annaumlherung an das Modell der Feldtransformation und einen direkten Bezug zum Unterricht und zur Entwicklung von Fuumlhrungskraumlft en in der Schule stammt aus dem (historisch aumllteren) Ansatz des erfahrungsorientierten Lernens von Kolb (1974) und aus einem (juumlngeren) Ansatz der didaktischen Design-

empirisch am besten abgesicherten KlientinnenKlienten und PatientinnenPatienten soll-ten lernen sich der Welt zuzuwenden und die Aufmerksamkeit sollte auf die Zukunft und ein planvolleres Leben hingelenkt werden (Schultz-Henke 1951 Rudolf amp Ruumlger 1988)

6 In Fachbuumlchern wird dieser Impuls oft mals auch als bdquoAutonomieorientierungldquo (Paschen amp Dihsmaier 2014 S 41) bezeichnet Das Modell der Feldtransformation greift hierbei jedoch auf die Begriff e des bdquoInhaltsaspektsldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 S 53 f) und der bdquoOrientierung an der Sachebeneldquo (Schulz von Th un 2002 S 15 Th omann 2004 Muumlri 1993) zuruumlck um Verwirrungen mit dem Begriff der Schulautonomie zu vermeiden

7 bdquoAm Rande sei bemerkt dass die offi ziellen Werte die vor allem in der Berufswelt unserer Gesellschaft hochgehaltenlsquo werden uumlberwiegend aus dem schizoid-zwanghaft en Gebiet (Dau-er-Distanz-Tendenz) kommenldquo (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 188)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 213

theorie von Schulmeister (2004) Beide Ansaumltze moumlchten aus der Perspektive von Ler-nenden moumlglichst produktive und foumlrderliche Lerngeschehen erschaff en

Nach Schulmeister (2004) variieren Lerngeschehen betraumlchtlich und bieten Ansaumlt-ze von bdquoUmgebungen die ein individuelles Selbststudium ermoumlglichen bis hin zu ko-operativen Lern- und Wissensgemeinschaft enldquo (Schulmeister 2004 S 24 2005) Eine Form von Lerngeschehen richtet sich an Lernende die sich an einem (stabil erschei-nenden) festen (Fakten-)Wissen und standardisierten Grundwissen orientieren um auf eine Frage moumlglichst eine richtige Antwort zu fi nden Eine andere Form hingegen verfolgt die Moumlglichkeiten von Lerngemeinschaft en dadurch verfuumlgen diese Lernen-den eher uumlber ein (vielfaumlltiges) Set off ener Fragen Herausforderungen und Probleme Mit diesem Blick werden an den beiden Enden des Kontinuums auch unterschiedliche Fragen fuumlr die Didaktik in und mit Bezug auf Lerntheorien aufgeworfen Fuumlr Lern-gemeinschaft en spielt die zwischenmenschliche Kommunikation die Kooperation die Beziehungsebene oder die Resonanz das interpersonelle Feedback und gemein-same Visionen Werte und ein Vertrauen in- und untereinander eine wesentliche Rol-le Beim individuellen Lernen tauchen traditionelle Formen der Wissensvermittlung und -aneignung auf (Schulmeister 2004) Bei dem Modell von Schulmeister (2004 2005) bildet die senkrechte Achse ab mit welcher Orientierung das Lernen jeweils am besten von Lernenden verstanden wird (z B regelgeleitete und off ene Lernformen) Auf der waagrechten Achse befi nden sich wiederum als Pole das bdquoindividuelle Lernenldquo (Schulmeister 2004 S 25) und die bdquoLerngemeinschaft ldquo (ebd) wodurch vier Felder des Lernens entstehen (siehe Abbildung 3)

Abbildung 3 Vier Formen des In-der-Welt-Seins Lehren und Lernen ndash die Verbindung von Riemann 1975 und Schulmeister 2004 (eigene Darstellung)

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanzindividuelles Lernen Lernkooperationen

kein

fest

er In

halt

Sta

ndar

d-I

nhal

t

Individualitaumlt

Einzelerfolg

Intellekt

Veraumlnderung

Spontanitaumlt

Lebendigkeit

Sachlichkeit

Abstand

Autonomie

Kooperation

Geselligkeit

Gefuumlhle

Wandel

Flexibilitaumlt

Zielorientierung

Sicherheit

Verantwortung

Zuverlaumlssigkeit

Ordnung

Kontrolle

Detailmanagement

Menschlichkeit

Solidaritaumlt

Vertrauen

Christian Wiesner 214

Die Th eorie des erfahrungsorientierten Lernens von Kolb (1973 1974 2015)8 wur-de uumlber Jahrzehnte sehr ausdiff erenziert entwickelt und greift im Grunde wie Schul-meister (2004 2005) auf die Idee von zwei Achsen und vier Feldern zuruumlck In der Fachliteratur wird die Th eorie als besonders geeignet zur Analyse der Hochschulpra-xis fuumlr das unternehmerische Lernen und zur Professionalisierung von Fuumlhrungskraumlf-te beschrieben (Gemmell Boland amp Kolb 2012 Blom 2000) Nach Kolb (1974 2015) ist ein Lernprozess immer ein zyklisches Geschehen und mit konkreten Erfahrungen und Konzepten verbunden9 bdquoDer Lernende macht Erfahrungen die von ihm bewertet werden sodass die neugewonnenen Einsichten probeweise angewendet werden koumln-nenldquo10 (Blom 2000 S 33) Das Lernen ist nach Kolb (1974) immer mehr oder weni-ger aktiv oder beobachtend und mehr oder weniger abstrakt oder konkret11 Lernen wird vor allem durch Denken und Konzepte (bei Kolb 2015 S 98 bdquothinking orien-tationldquo) und durch sinnliche Wahrnehmung und Empfi ndung als Erfahrung12 (mit-telhochdeutsch ervarunge meinte Erforschung Durchwanderung Khittl 2007 S 147 bei Kolb 2015 S 98 bdquofeeling orientationldquo) bestimmt Der Lernprozess vollzieht sich durch das Zusammenwirken von Erfahrungen und Konzepten und in Umdrehungen im Sinne eines konzentrischen Lernens Es handelt sich um ein bdquoLearning by doingldquo (Blom 2000 S 33) Erfahrungen werden wahrgenommen und refl ektiert wodurch neue Konzepte und (subjektive) Th eorien gebildet und abgeleitet werden die in und an der Praxis gepruumlft werden wodurch neue Erfahrungen entstehen und sich neue Lernspiralen eroumlff nen Die Konzepte und Th eorien werden dabei bestaumltigt oder wi-derlegt Die Abfolge legt damit eine Richtung fuumlr die Lernspirale fest (siehe Abbildung 4)13

Lernen und sich Wissen14 anzueignen ist fuumlr Kolb amp Kolb (2005) am besten als ein fortlaufender Prozess zu verstehen und nicht von Ergebnissen her zu denken Lernen ist dabei von vielen Faktoren abhaumlngig (Kolb 1974) der eigenen Lernbiographie der Motivation dem persoumlnlichen Interesse den eigenen Zielen und Lernstrategien der

8 Die Th eorie des erfahrungsorientierten Lernens ist empirisch bereits sehr gut abgesichert (Kolb Boyatzis amp Mainemelis 2001 Kolb amp Kolb 2005 Mainemelis Boyatzis amp Kolb 2002 Gemmell Boland amp Kolb 2012)

9 bdquoKnowledge results from the combination of grasping and transforming experienceldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 194)

10 Es handelt sich nicht um ein Trial-and-Error-Prinzip da das Erfahrungslernen nach Kolb (1974) nicht auf Zufallsprinzipien beruht (Blom 2000)

11 Die Th eorie Kolbs wird seit ihrer Veroumlff entlichung in den 70er Jahren von anderen Autoren adaptiert weiterentwickelt und fuumlr Studien- und Forschungsvorhaben genutzt Gleichzeitig entstehen bei den Erweiterungen Diff erenzen in den Begriffl ichkeiten und eine diff erenzierte Auseinandersetzung ist notwendig um die Gemeinsamkeiten erneut herzustellen (Gerlach amp Squarr 2004)

12 Erfahrung verweist hier bdquoauf die wahrnehmend herstellende Aktivitaumlt eines sich in seiner Leib-lichkeit empfi ndenden Subjektsldquo (Khittl 2007 S 145) Erfahrungen die bdquoaus dem Handeln gewonnen werden sind die Grundlage weiteren Handelns veraumlndern das weitere Wahrneh-mungs- und Empfi ndungsvermoumlgen ebenso wie die Vorgehensweisen beim Tun und Herstel-lenldquo (ebd)

13 bdquoTh is process is portrayed as an idealized learning cycle or spiral where the learner bdquotouches all the basesldquo ndash experiencing refl ecting thinking and acting ndash in a recursive process that is re-sponsive to the learning situation and what is being learnedldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 194)

14 bdquoTh e process of changing data into knowing is what Kolb calls bdquotransformation of experienceldquo (Zull 2002 S 33)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 215

direkten Auseinandersetzung mit einem authentischen Lerngegenstand dem Ausbau personalen Wissens durch abstrakte Begriff sbildung Entscheidungen die wir treff en Situationen die wir durchleben usw (Katzlinger 2008) Dauerhaft e und stabile Muster des Lernens entstehen durch Kolb (2015) durch das Zusammenwirken zwischen Men-schen Situationen und der Umwelt von einer Szene und Atmosphaumlre zu einer naumlchs-ten Szene und Atmosphaumlre15 (Petzold 1991 S 853) in der Lebenswelt16 Szenen sind immer bdquoerlebte Kontexteldquo (Petzold 1982 S 167) also Erfahrungen (Kolb 1973) Ler-nen durchschreitet in dem Modell der Lernspirale zyklisch und rekursiv vier unter-schiedliche Phasen (Felder Muster)17 die schlieszliglich bei Personen bestimmte (oft mals relativ stabile) Verhaltens- und Handlungsmuster herausbilden Lernende tendieren nach Kolb (1974) naumlmlich dazu bestimmte Lernfelder18 (uumlber die Zeit hinweg) zu fa-vorisieren und zeigen durch diese Bevorzugung auch verschiedene Potenziale und De-fi zite Fuumlr Kolb (1974 2015 Kolb amp Kolb 2005) gibt es vier Felder des Lernens 1) Konvergierendes Lernen ermoumlglicht grundsaumltzlich vernuumlnft ige rasche Entschei-

dungsfi ndungen und das Umsetzen von praktischen Loumlsungen und Anwendun-gen (Kolb amp Kolb 2005) Die Staumlrke (und Schwaumlche) des konvergierenden Lernens liegt im Loumlsen von Problemen durch das aktive Erproben Einuumlben und Anwenden von Konzepten19 und Regeln wodurch eine Entscheidungsfi ndung auch rasch er-folgen kann Loumlsungen beruhen dabei auf gleichen oder sehr aumlhnlichen Bedingun-gen (z B Regeln objektive Gesetze Normierungen) und erfordern gleiche oder aumlhnliche Entscheidungen (Kolb 2015) Fuumlr eine Situation oder ein spezifi sches

15 Alles was wahrgenommen und handelnd erreicht wird gehoumlrt zu einer Szene wie bdquoBeziehun-gen Begegnungen und Handlungenldquo (Petzold 1982 S 167 f) in Situationen und ihrer bdquoAtmo-sphaumlreldquo (Petzold 1991 S 852) Eine Szene ist in Bewegung niemals statisch und eine bdquoleben-dige Struktur in mir um mich herum durchmischtldquo (Petzold 1982 S 168)

16 bdquoTo elaborate further the complex dynamic nature of learning style and its formation through transactions between the person and environment we introduce the concept of learning space Th e concept of learning space builds on Kurt Lewinrsquos fi eld theory and his concept of life space [hellip] It embraces needs goals unconscious infl uences memories beliefs events of a politi-cal economic and social nature and anything else that might have direct eff ect on behaviorldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 199)

17 Zull versuchte das Modell auch neurobiologische fundiert zu erklaumlren bdquoPut into words the fi -gure illustrates that concrete experiences come through the sensory cortex refl ective observa-tion involves the in- tegrative cortex at the back creating new abstract concepts occurs in the frontal integrative cortex and active testing involves the motor brain In other words the lear-ning cycle arises from the structure of the brainldquo (Zull 2002 S 18 f)

18 Kolb (2015) benennt vier Lernstile beschreibt diese aber als Prozess und nicht als manifeste (Persoumlnlichkeits-)Stile In diesem Beitrag wurden die Arbeiten von Kolb von 1973 bis 2015 im Sinne von bdquocommon factorsldquo (Petzold Scheiblich amp Th omas 2006 S 76) seiner Arbeiten zu-sammengefasst (siehe Abbildung 4)

19 Kolb (1973 2015) versteht im bdquoconvergent learning styleldquo (Kolb 2015 S 114 f) die Verwen-dung von bdquoactive experimentationldquo nicht als ein aktives wissenschaft liches Experimentieren (bdquoassimilative learning styleldquo) als keine sozial-intuitiv-kreativen Versuche (bdquodivergent learning styleldquo) oder als ein sinnorientiertes Durcharbeiten von Th emen (bdquoaccommodative learning styleldquo) sondern vielmehr das produktive Ausprobieren Erproben und Einuumlben von Konzep-ten und Regeln v a fuumlr Probleme oder Situationen die nur eine einzige richtige Antwort er-moumlglichen bdquoWe have called this learning style the converger because a person with this style seems to do best in situations like conventional intelligence tests where there is a single cor-rect answer or solution to a question or problemldquo (Kolb 2015 S 114) Kolb (1973) formuliert diese Perspektive Anfang der 70er Jahre noch als bdquoformation of abstract concepts and general-izationsldquo (ebd S 2)

Christian Wiesner 216

Problem gibt es als Loumlsung meist nur eine einzige richtige Antwort (Kolb 1974) Personen die dieses Lernen bevorzugen sind nach Kolb amp Kolb (2005) sehr inte-ressiert an einem angeleiteten Refl ektieren neuen Ideen und an technologischen Faumlchern

2) Assimilierendes Lernen ist nach Kolb amp Kolb (2005) das Verstehen von einer Viel-zahl von Informationen die in eine praumlgnante logische Form gebracht werden Die Staumlrke (und Schwaumlche) des assimilierenden Lernens liegt somit in dem Ent-werfen von abstrakten Konzepten und theoretischen Modellen was durch induk-tives Denken und das Verbinden von Erklaumlrungen und Schlussfolgerungen erfolgt (Kolb 2015) Wie das konvergierende Lernen ist das assimilierende Lernen wenig auf zwischenmenschliches ko-operatives Lernen oder auch auf einen praktischen Wert fokussiert sondern auf abstrakte Konzepte Th eorien und Ideen Wichtig ist die Logik von Konzepten die Defi nition von Problemen und das praumlzise aktive (wissenschaft liche) Experimentieren z B mit quantitativen Daten (Kolb 2015) Nach Kolb amp Kolb (2005) sind Personen die dieses Lernen bevorzugen besonders geeignet fuumlr analytisches forschendes und abstraktes (wissenschaft liches) Denken in Konzepten und Th eorien

Abbildung 4 Das erfahrungsorientierte Lernen die Theorie von David A Kolb von 1973ndash2015 (eigene Darstellung)

3) Divergentes Lernen ist nach Gemmell Boland amp Kolb (2012) vor allem stark mit kreativem Denken verbunden Die Staumlrke (und Schwaumlche) des divergenten Ler-nens ist die konkrete Erfahrung die intuitive und einfallsreiche Vorstellungskraft eine besondere Faumlhigkeit Situationen und Probleme aus vielen Perspektiven zu er-kennen die Kompetenz mehrere Alternativen generieren und Beziehungen (zwi-schen Menschen und auch Inhalten) sinnvoll gestalten zu koumlnnen (Kolb 2015)

convergent

learningselecting information

making decisions

choosing the best option

assimilative

learningorganizing information

testing theories and models

analyzing quantitative data

divergent

learninggathering information

listening with an open mind

being sensetive to people`s

feelings

accommodative

learningbeing personally involved

dealing with people

influencing and leading

others

ImaginingAnalyzing

DecidingInitiating

Reflecting

Acting

ExperiencingThinking

abstract-active

opening

alternatives and

perspectives

closing on

the single best

option for action

active learning in

context and getting

involved in new

experiences

reflective

conceptual

learning

imagine

possibilities by

reflecting and

experiencing

to use models to

decide on

problem

solutions

the ability to

systematize

ideas through

reflection

the ability to initiate

and to deal

with experiences

and situations

abstract-reflective concrete-reflective

concrete-activeextraverted thinking extraverted sensing

introverted analyzing introverted feeling

action skills

leadership

initiative

valuing skills

relationship

helping-others

thinking skills

information-analysis

theory-building

decision skills

goal-setting

use of technology

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 217

Diese Lernenden sind intuitiv damit in der Lage in einem Lerngeschehen beson-ders reichhaltige und vielfaumlltige Ideen zu generieren zusaumltzlich die Ideen aus ver-schiedenen Blickwinkeln zu betrachten (Kolb amp Kolb 2005) und sich durch ihr Interesse an Menschen in Lerngemeinschaft en aktiv und produktiv einzubringen Nach Kolb und Kolb (2005) koumlnnen Personen die dieses Lernen bevorzugen off en und aufgeschlossen zuhoumlren und erhalten gerne persoumlnliches Feedback

4) Akkomodatives Lernen ist nach Kolb amp Kolb (2005) vor allem dadurch gepraumlgt durch (praktische) Erfahrungen integrativ zu lernen Die Staumlrke (und Schwaumlche) des akkomodativen Lernens greift im Gegensatz zum assimilierenden Lernen so-mit auf die konkrete Erfahrung eine ausgepraumlgte Initiationskraft und auf die Ent-faltung von transformierenden Wirkungen zu um das (aktive) Handeln mit Chan-cen und Erfahrungen zusammenzufuumlhren (Kolb 2015) Diese Lernenden neigen dazu Herausforderungen und Probleme auf eine sinnorientierte Art und Weise zu loumlsen wo andere Lernende Konzepte Th eorien oder Plaumlne auf Grundlage eines abstrakt-analytischen Zugangs bereits als Moumlglichkeiten und Innovationen verwer-fen (Kolb 2015) Personen die dieses Lernen bevorzugen lassen sich nach Kolb amp Kolb (2005) gerne auf neue Erfahrungen ein stellen sich neuen und herausfor-dernden Erfahrungen und bewerten gerne verschiedene Ansaumltze und Alternativen

Weitere empirische Arbeiten und Studien zum erfahrungsorientierten Lernen identifi -zierten vier weitere Muster die von Abbey Hunt und Weiser (1985) und Hunt (1987) als Nord- Ost- Suumld- und Westvariante20 bezeichnet wurden Personen die eher dem Experiencing-Pol als bdquofeelingldquo (Hunt 1987 S 155 Kolb amp Kolb 2005 S 197)21 zu-zurechnen sind koumlnnen sich besonders in die Innenwelt des Refl ektierens einlassen und danach handeln jedoch haben sie Schwierigkeiten dabei Erfahrungen zu kon-zeptualisieren Personen die dem Aspekt des bdquorefl ectingldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) zuordenbar sind tendieren zu der Faumlhigkeit des sowohl gefuumlhlsorientierten als auch konzeptuellen vertiefenden Nachdenkens und In-Gedanken-Seins haben jedoch ein Problem damit Plaumlne umzusetzen Personen die den Aspekt von bdquothinkingldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) betonen haben hohe konzeptionelle und analytische Faumlhigkei-ten jedoch kaum einen Kontakt zu den eigenen Empfi ndungen Gefuumlhlen und Emo-tionen ndash ihre Refl exionsleistungen sind sehr sachorientiert (Hunt 1987 S 155) Per-sonen die vom Aspekt bdquoactingldquo profi tieren greifen auf eine gute Handlungsfaumlhigkeit zuruumlck jedoch ist der konzeptuelle Rahmen oft mals unklar und mit geringen Moumlg-lichkeiten versehen den Rahmen durch Refl exionsleistungen zu korrigieren (Kolb amp

20 In Abbildung 4 wurden die Felder gemaumlszlig der Feldtransformation angeordnet wodurch die Ausrichtung an den Himmelsrichtungen nun nicht mehr dem Modell des erfahrungsorientier-ten Lernens entspricht

21 Kolb amp Kolb (2005) bauen hier auf dem Ansatz von Myers (1998) auf bei diesem Ansatz wird zwischen bdquojudgingldquo (ebd S 6) sowohl als bdquothinkingldquo (bei Kolb 2015 S 143 begriffl ich bdquode-cidingldquo und bdquodeciding skillsldquo ebd S 136) als auch bdquofeelingldquo (bei Kolb 2015 S 104 begriff -lich bdquoimaginingldquo und bdquovaluing skillsldquo ebd S 136) unterschieden Gleichzeitig kann nach My-ers (1998) bdquoperceivingldquo (ebd S 6) unterteilt werden in ein emotionsorientiertes bdquosensingldquo (bei Kolb 2015 S 143 begriffl ich bdquoinitiatingldquo und bdquoacting skillsldquo ebd S 136) und in eine ratio-nal-kognitiv gemeinte bdquointuitionldquo (bei Kolb 2015 S 104 begriffl ich bdquoanalyzingldquo und bdquothinking skills ebd S 136)

Christian Wiesner 218

Kolb 2005) Mainemelis Boyatzis und Kolb (2002) legten zusaumltzlich ein Muster von einem relativ ausgewogenen Lernen fest welches nun unter dem Begriff bdquobalanced learningldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) bekannt ist

Ein idealer Prozess des Lernens fi ndet nach Kolb (2015 S 51) dann statt wenn die grundlegenden vier Felder des Ursprungsmodells in einer zyklischen Spirale und einem rekursiven Prozess aktiviert werden (vgl Abbildung 4) ndash Erfahrung (bdquoexpe-riencingldquo) refl ektierendes Nachdenken (bdquorefl ectingldquo) Denken (bdquothinkingldquo) und Han-deln (bdquoactingldquo) Lehrpersonen und Paumldagogen sollten nach Kolb (2015) die Flexibi-litaumlt der Rollen und Stile durch fundierte Professionalisierung verstehen und gezielt entwickeln22 um selbst aus einem reichhaltigen Repertoire schoumlpfen zu koumlnnen und um Lernende moumlglichst vielfaumlltig zu erreichen Im Sinne des bdquoBalancingldquo (Kolb D A 2015 S 143) sollten alle vier Felder produktiv nutzbar sein um einen idealen Lern-prozess fuumlr sich selbst und andere zu ermoumlglichen (Corbett 2005) Die Erkenntnis-se des erfahrungsorientierten Lernens sind sowohl fuumlr die Professionalisierung und Qualifi zierung von Lehrpersonen und Fuumlhrungskraumlft en wichtig und sollten fuumlr neue innovative Herangehensweisen an Schul- und Unterrichtsentwicklung (z B Lernge-meinschaft en) und Systementwicklung (z B Balancing von Schwerpunkten und Re-formen) beruumlcksichtigt werden

5 Annaumlherungen aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive der Prozess der zwischenmenschlichen Kommunikation

Th omann amp Schulz von Th un (2003)23 verwenden die vier Grundimpulse von Rie-mann (1975) in ihrem kommunikationswissenschaft lich orientierten bdquoWegweiserldquo (ebd S 176 ff ) fuumlr Fuumlhrungspersonen und Gruppen aus einem systemischen bdquoBlick-winkelldquo (Th omann 2004 S 225) um die Intensitaumlt der jeweiligen Aktivierung auf den Achsen zu bestimmen und die fl ieszligenden Uumlbergaumlnge zwischen den Polaritaumlten zu ver-anschaulichen Auch Stahl (2012) zieht das Modell von Riemann (1975) fuumlr seinen bdquoGruppenkompassldquo (ebd S 250) heran um ein bdquoFeld der Gruppeldquo24 (ebd S 253) darstellen zu koumlnnen Das Modell der Feldtransformation speist sich auch aus dem psychotherapeutischen Ansatz der zwischenmenschlichen Kommunikation von Watz-lawick Beavin amp Jackson (2000 Wiesner 2015) aus psychologisch-kommunika-tionswissenschaft lichen Entwuumlrfen mit Bezug zu Leadership (Th omann amp Schulz

22 bdquoIndividuals however tend to have a defi nite preference for one or two roles over the others because of their educational philosophy their personal teaching style and the requirements of their particular educational setting including administrative mandates and learner needsldquo (Kolb 2015 S 306)

23 Der Psychologe und Kommunikationswissenschaft ler Friedemann Schulz von Th un entwickel-te das Kommunikationsquadrat (Schulz von Th un 2002) Das Modell geht von der Annahme aus dass jede Nachricht bzw Aumluszligerung nach vier Aspekten (Seiten) interpretiert werden kann

24 Ein Feld einer Gruppe stellt fuumlr Stahl (2012) z B in einer Organisation die Naumlhe oder Distanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar Oder auch wie viel Dauer oder Wechsel man einer Gruppe zumuten oder von einer Gruppe einfordern darf ohne dass Konfl ikte entstehen und die Gruppe als Ganzes gefaumlhrdet wird

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 219

von Th un 2003 Th omann 2004 Wiesner 2015) und aus Modellen zum inhaltsbe-zogenen kritischen und kreativen Denken und der Komplexitaumltsforschung (Jonas-sen 1996 Astleitner 1998 Csikszentmihalyi 2010 Wiesner 2010 Stacey amp Mowles 2016)

Die Perspektive der zwischenmenschlichen Kommunikation von Th omann (2004) und Th omann amp Schulz von Th un (2003) greift auf die Unterscheidung von bdquoInhalts-aspektldquo (Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 S 56) und bdquoBeziehungsebeneldquo (Mer-ten 1977 S 133) zuruumlck25 Uumlber den Inhaltsaspekt werden die bdquoSachinformationenldquo (Roumlhner amp Schuumltz 2012 S 26) und die bdquoTatsachendarstellungenldquo (Reichwald amp Hen-sel 2007 S 651) kommuniziert uumlber den Beziehungsaspekt die Beziehung und de-ren Bedeutung zu sich zu den anderen zur Situation und der Umwelt Der inhalt-liche Aspekt ist in Fuumlhrungsmodellen bdquozur Foumlrderung der Aufgabenerfuumlllung und Zielerreichungldquo (Reichwald amp Hensel 2007 S 652) zentral Gerade die Unterschei-dung zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt ist fuumlr Roumlhner und Schuumltz (2012) bdquobe-sonders wichtig wenn Kommunikationsstoumlrungen vorliegenldquo (ebd S 27) da die bdquoFoumlrderung der sozialen Integration des Zusammenhalts und der Beziehung zwi-schen Menschenldquo (Reichwald amp Hensel 2007 S 652) durch die Beziehungsorientie-rung bestimmt wird Th omann und Schulz von Th un (2003) verwenden die Th eorie von Riemann (1975) um Fuumlhrungspersonen in die vier Felder des Modells26 einzutei-len Die horizontale Achse entspricht erneut den Polen der Inhalts- und Sachorientie-rung (Distanz und Naumlhe) Diese beiden Aspekte koumlnnen in einer weiteren Diff eren-zierung auch als Unterscheidung von der bdquoVerstandesweltldquo (von Saldern 2010 S 80) bzw dem bdquothinkingldquo (Kolb amp Kolb 2005 S 197) und der beziehungs- und emotions-orientierten bdquoIntuitionsweltldquo (von Saldern 2010 S 80 Holtfort 2013) dem bdquofeelingldquo (Hunt 1987 S 155 Kolb amp Kolb 2005 S 197) bzw der bdquoBegegnungs- und Gefuumlhls-ebeneldquo (Muumlri 1993 S 58) verstanden werden Die vertikale Achse wird zwischen den Polen der Dauer und des Wechsels aufgespannt (Schratz Hartmann amp Schley 2010) und verbindet das Streben nach Verlaumlsslichkeit Bestaumlndigkeit sowie das Streben nach Entwicklung als die Bereitschaft bdquoTraditionen und Gewohntesldquo (ebd S 26) zu veraumln-dern Wechsel und Chaos sind als eine bdquonormale Durchgangsstation im Wachstumldquo (Muumlri 1993 S 20) zu verstehen

Die Gestaltung der Fuumlhrungsrolle und ihre Anforderungen und Herausforde-rungen an eine Fuumlhrungsperson kann in Anlehnung an Th omann (2004) und Ul-rich Zenger und Smallwood (2000) durch die vier Grundtendenzen dargestellt wer-den (siehe Abbildung 5) wodurch die bdquoDenkrichtung Denkart und Weltanschauungldquo (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 184) von Fuumlhrungskraumlft en als bevorzugte Muster durch die Grundimpulse (und Felder) bestimmt werden

25 bdquoJede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt derart dass Letzterer den Ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation istldquo (Watzlawick Beavin amp Jack-son 2000 S 56)

26 Einseitige bdquoFuumlhrungsstile und Managementtheorien koumlnnen ndash mit anderen Worten ndash nie ab-solut richtig sein sie brauchen immer mindestens das Korrektiv der Gegenseiteldquo (Th omann 2004 S 255)

Christian Wiesner 220

Abbildung 5 Ein Leadership- amp Management-Modell Vier Formen des Mit-der-Welt-Kommuni-zierens und In-die-Welt-Houmlrens als Verbindung von Riemann 1975 Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 Thomann amp Schulz von Thun 2003 Thomann 2004 Pool 2007 Schratz Hartmann amp Schley 2010 Schley amp Schley 2010 Wiesner 2010 2015 (eigene Darstellung)

Auch in der Leadership Academy (LEA)27 in Oumlsterreich wurden die vier Grundten-denzen als bdquovier Schluumlsselelemente von Fuumlhrungseigenschaft enldquo (Pool 2007 S 45) verwendet 1) die Innovationsorientierung (bzw Zukunft ) fuumlr den Wechsel 2) die Kontinuitaumltsorientierung fuumlr die Dauer 3) die Ergebnisorientierung fuumlr die Distanz und 4) die Kommunikationsorientierung fuumlr die Naumlhe (Pool 2007) Dabei wurde die Th eorie von Riemann (1975) mit dem Entwurf der ergebnisorientierten Unterneh-mensfuumlhrung von Ulrich Zenger amp Smallwood (2000) in Beziehung gesetzt (Schley

27 Das Modell wurde als Feldtransformation (Gregorzewski Schratz amp Wiesner 2016) bezeich-net und als Weiterentwicklung der ergebnisorientierten Unternehmensfuumlhrung (Ulrich Zen-ger amp Smallwood 2000) sowie dem Riemann-Schley-Modell der Systemqualitaumlten (Schley amp Schley 2010) mit der 13 Generation der LEA eingefuumlhrt (Wiesner Schreiner Paasch Gregor-zewski amp Schratz 2018) Das Modell bdquodeckt ein weites Spektrum eines Kompetenzgefuumlges von sozialen und situativen Handlungen ab fuumlgt bisherige Aufgaben und Anforderungen an eine Schulleitung konfl uent zusammenldquo (Schratz et al 2016 S 232 Wiesner George Kemethofer amp Schratz 2015)

Vertrauen ist besser (als Kontrolle)

Walking around

Wir-Gefuumlhl

Strategie

Begeisterungsmotivation

Wachstumsunterstuumltzung

Kreatives Chaos

Hineinwachsen lassen

Beziehungs-

orientierungAufeinander zugehen

Stabilitaumltsorientierung

Innovationsorientierung

Sach-

orientierung

Richtung vorgeben

Kooperation

Engagement

Konzepte

Kontrolle ist besser (als Vertrauen)

Maszlignahmen

Hierarchie

Weisung

Rituale

Partizipation

Vision

Entwicklungsorientierung

Kontinuitaumltsorientierung

Kommunikations-

orientierung

Ergebnis-

orientierung

Ziele

Ergebnisse analysieren

Werte leben

Entscheidungen treffen

Kultur foumlrdern

Zukunft fokussieren

kritisches Denken

kreatives Denken

Qualitaumlt verbessern

Effizienz

Sicherheit

Szenarien definieren

inhaltsbezogenes Denken

Initiationskraft

fuumlr Prototypen

verschiedene Ideen und

Moumlglichkeiten von Prototypen

neue Moumlglichkeiten fuumlr

Produkte herausarbeiten

Instrumentalisierung

von Produkten

PlaumlneMeta-Fuumlhrung

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanz

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 221

amp Schratz 2007) Die Staumlrke des Modells liegt nach Pool (2007) in bdquodem Hinweis auf die Wichtigkeit sowohl der Ziel- als auch der Visionsorientierung im Bereich Innova-tion und Entwicklungldquo (ebd S 45) von Schulen (als lernende Organisationen Argy-ris amp Schoumln 2008) Leadership im Sinne von (paumldagogischer) Fuumlhrung orientiert sich an der Innovation und der Kontinuitaumlt und bdquostrebt sowohl Ziele als auch Ergebnisse an die nur mit den Menschen und Mitarbeitenden der Organisation im Dialog zu er-reichen sindldquo (ebd S 45) Fuumlhrungspersonen sollten ganzheitliche Kompetenzen im Sinne eines bdquoBalancingldquo (Kolb 2015 S 143) erwerben um sich sowohl gedanklich lernend als auch strategisch in den vier Quadranten (Feldern) bewegen zu koumlnnen um Entwicklungs- und Stabilisierungsprozesse zu ermoumlglichen (siehe Abbildung 5)

Menschenfuumlhrung und (Meta-)Kommunikation beginnt fuumlr Th omann (2004) bei jeder Fuumlhrungskraft selbst vor allem durch eine Ausgewogenheit der vier Grundim-pulse um nicht eine bdquoEigenart zum Maszligstabldquo (Th omann amp Schulz von Th un 2003 S 186) zu erheben und zum bdquoNullpunktldquo (ebd) zu machen bdquoZu starke Gewichtun-gen eines Eigenschaft sbereichs wirken sich nachteilig auf die Auspraumlgungen anderer Eigenschaft sbereiche aus und mindern entsprechend die Qualitaumlt der zu erreichenden Zieleldquo (Pool 2007 S 45 f) Wiesner (2010) zeigt auf Grundlage von vier Feldern die Beziehung zwischen unterschiedlichen Kommunikationstheorien (Modelle der Kom-munikation) der Forschung zum kritischen und kreativen Denken (Jonassen 1996 Astleitner 1998 Csikszentmihalyi 2010 Wiesner 2010 Stacey amp Mowles 2016) und der Didaktik (Baumgartner amp Payr 1999) in seinem Ansatz der analytischen Betrach-tung der zwischenmenschlichen Kommunikation in der Aus- Fort- und Weiterbil-dung auf (siehe Abbildung 6) 1) Instruktionalistisch-behavioristische Modelle des ersten Quadranten (i) stel-

len Kommunikation als eine Uumlbertragung zwischen Sender und Empfaumlnger dar Im Vordergrund steht der Gedanke von Kommunikation als Zeichenuumlbertragung unter bestimmten Regeln die Annahme der Ver- und Uumlbermittlung von etwas bdquoIdentischemldquo (die sogenannte bdquoContainerideeldquo) und bdquovon der Moumlglichkeit einer eindeutigen Rekonstruktionldquo (Wiesner 2010 S 5) der Mitteilung bzw Botschaft (Burkart 1998) Das zentrale Element jedes kommunikativen Prozesses ist tun-lichst die Geraumlusch- oder Stoumlrquellen zu reduzieren bzw zu minimieren (Shan-non 1948 Shannon amp Weaver 1972) um stoumlrungsfreie Kommunikationsprozes-se zu etablieren (Wiesner 2010) Auch nach dem Entwurf von Kolb (1974 2015) ist diese Form der Kommunikation mit Blick auf die Distanz-Dauer-Tendenz vor allem auf rasche moumlglichst ableitbare und damit vernuumlnft ige Entscheidungen ohne (zu viele) Stoumlrquellen und moumlglichst bloszlig einer richtigen Antwort ausgerich-tet Die zwischenmenschliche Kommunikation ist eher unpersoumlnlich jedoch eben entscheidungsorientiert und ist von einer objektiven Kritik gepraumlgt (bdquoextraverted thinkerldquo28 Kolb 2015 S 122) Das Lehren wird als linearer Prozess und Anlei-

28 Kolb (2015) greift hier auf die systematische Ordnung von Einzelbeobachtungen als Denkty-pen von Carl Gustav Jung (1875ndash1961) und die Ausformulierungen von Myers (1995 1998) zuruumlck Kolb (2015) schreibt zum bdquoextraverted thinkerldquo (ebd S 122) bdquoHe organizes facts si-tuations and operations well in advance and makes a systematic eff ort to reach his careful-ly planned objectives on schedule He believes everybodyrsquos conduct should be governed by lo-gic and governs his own that way so far as he can He lives his life according to a defi nite set

Christian Wiesner 222

tung gesehen wobei Lernende in didaktischen Schleifen die Inhalte (den Stoff das Fakten- und Grundwissen) anwenden uumlben identifi zieren auswaumlhlen und wie-derholen bis der erwartete Erfolg eintritt (Kron amp Sofos 2003) Das instruktio-nalistische Lehren ist eine bdquoprominente und einfl ussreiche akademische Richtungldquo (Holzinger 2001 S 112) innerhalb der Lernpsychologie vor allem fuumlr kleinschrit-tige Problemloumlsungen und Wiederholungsuumlbungen mit anschlieszligender Ruumlckmel-dung (Wiesner 2010)

2) Kognitivistische Modelle des zweiten Quadranten (ii) betonen die Prozesse des (analytischen) Denkens und Kommunizierens und versuchen die bdquoverschiede-nen Prozesse zu unterscheiden zu untersuchen und miteinander in ihrer jewei-ligen Funktion in Beziehung zu setzenldquo (Baumgartner amp Payr 1999 S 133) Die-se Modelle suchen nach einer (analytisch) idealen Kommunikation und beinhalten neben einem Kommunikatoreiner Kommunikatorin immer eine aktive Rezipien-tineinen aktiven Rezipienten (als Produzentin)29 Im Vordergrund stehen meist der gemeinsame Zeichenvorrat (ZV) als bdquoshared codeldquo (Faulstich 2002 S 35) die Denkprozesse das Vorwissen und die En- und Decodierungsprozesse der zwi-schenmenschlichen Kommunikation (Wiesner 2010) Mit (kognitivem) Lehren werden die Analyse und das Zerlegen Klassifi zieren Ordnen von Daten Informa-tionen und Wissen die Foumlrderung des Konzeptlernens und die Anwendung von Wissen auf Situationen im Sinne von Transfer verbunden (Lefrancois 1986 Seel 2000 Holzinger 2001) Anderson (2001) geht davon aus wenn wir in der kogniti-vistischen Lehre im Sinne eines introverted analyzing30 hinreichend verstehen wol-len bdquowie Menschen ihr Wissen und ihre intellektuellen Faumlhigkeiten erwerben und auf welche Weise sie ihre geistigen Groszligtaten vollbringen dann koumlnnten wir die Schulung ihres Denkens und ihre intellektuellen Leistungen entsprechend verbes-sernldquo (ebd S 4) Im Gegenzug fi ndet fuumlr Baumgartner und Payr (1999 S 105) beim Kognitivismus im Sinne einer Distanz-Wechsel-Tendenz dennoch eine bdquozu starke Konzentration auf geistige Verarbeitungsprozesse stattldquo

3) Bei konstruktivistischen Modellen im dritten Quadranten (iii) geht es um die Grundfrage wie menschliche Erkenntnis und Erfahrung zustande kommen und sich fortlaufend entwickeln (Watzlawick Beavin amp Jackson 2000 Kron amp Sofos

of rules that embody his basic judgments about the world Any change in his ways requires a conscious change in the rules [hellip] He likes to decide what ought to be done and to give the requisite ordersldquo

29 Im Sinne von Lippmann (2013) und Rauen (2014) kann das Kommunikationshandeln des Mentorings erster Ordnung als Form der karriereorientierten Beratung genannt werden

30 Bei Kolb (2015 S 122) wird die Form als bdquointroverted intuitive typeldquo nach Jung (1921) und Myers (1998) bezeichnet obwohl das Feld von einer Distanz-Wechsel-Tendenz bestimmt wird Auch fuumlr Kolb (2015) entspricht die Benennung nach Jung und Myers nicht umfassend dem Konzept des erfahrungsorientierten Lernens und schreibt dazu bdquoMyersrsquos description of this type is similar to the description of the assimilative conceptual orientation but suggests a slightly more practical orientation than we indicateldquo (Kolb D A 2015 S 122) Kolb (2015) schreibt dazu bdquoIn assimilation the dominant learning abilities are abstract conceptualizati-on and refl ective observation [hellip] Th is orientation is less focused on people and more con-cerned with ideas and abstract concepts Ideas however are judged less in this orientation by their practical value Here it is more important that the theory be logically sound and preciseldquo (ebd S 115)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 223

2003) Diese Modelle foumlrdern im Sinne einer Wechsel-Naumlhe-Tendenz durch zwi-schenmenschliche Kommunikationsprozesse die Wahrnehmung die Selbstver-antwortung die Kooperationsfaumlhigkeit und im Besonderen die (Selbst-)Refl exion (Wiesner 2010 2015 bei Kolb 2015 S 121 als bdquointroverted feelingldquo31) Die Foumlr-derung von Intuition Kreativitaumlt Spontanitaumlt bdquoImaginingldquo (Kolb 2015 S 104) erweitert und entwickelt damit auch die Handlungsfaumlhigkeiten (bdquoActingldquo Kolb 2015 S 143) der Lernenden In dieser Orientierung werden durch Kommunika-tionsprozesse Erfahrungen aus vergleichbaren Situationen verbunden und (emo-tionale) Handlungsfaumlhigkeiten generiert (Stacey amp Mowles 2016) bdquoDa zwischen zwei konkurrierenden Zielen kein quantitativer Vergleich und somit keine rationa-le Entscheidung moumlglich ist lernen wir intuitive Entscheidungen durch emotiona-

31 bdquoHe has too a great faithfulness to duty and obligations He chooses his fi nal values without reference to the judgment of outsiders and sticks to them with passionate conviction He fi nds these inner loyalties and ideals hard to talk about but they govern his life [hellip] He is twice as good when working at a job he believes in since his feeling for it puts added energy behind his eff ortsldquo (Kolb 2015 S 121)

Wechsel

Dauer

NaumlheDistanzindividuelles Lernen Lernkooperationen

kein

fes

ter

Inha

ltS

tand

ard

-Inh

alt

ZV

Kommunikatorin Produzentin

kognitivistisches

Lehren amp Lernen

konstruktivistisches

Lehren amp Lernen

instruktionales

Lehren amp Lernen

Meta-Lehren amp

Meta-Lernen

M

IA IA

BA BA

zirkulaumlresSystem

zirkulaumlresSystem

kritisches Denken

Entwicklungsorientierung

Sach-orientierung

Beziehungs-orientierung

Stabilitaumltsorientierung

kreatives Denken

inhaltsbezogenes Denken komplexes sinnorientiertes Denken

IPK20 IPK30

IPK10 IPK40

Stoumlrungen

Sender Empfaumlnger

BeziehungUnterschiede

Blickwinkel

ML

MLML

iiii

ii

Integration

i

ii

iv

iii

Abbildung 6 Vier Formen des Lehrens und Lernens und ihre Kommunikations- und Denkmodelle als Verbindung von Riemann 1975 Schulmeister 2004 und Wiesner 2010 2015 (eigene Darstellung)

Christian Wiesner 224

le Erfahrung zu treff enldquo (Wiesner 2015 S 18) Im Vordergrund steht nach Baum-gartner und Payr (1999 S 108) somit nicht mehr das autoritaumlre Lehrmodell des Instruktionalismus auch nicht mehr der beobachtende analysierende und behilf-liche Berater des kognitivistischen Modells sondern immer die Refl exion der eige-nen persoumlnlichen Erfahrung des Lernenden sowohl durch Inhalts- (IA) als auch Beziehungsaspekte (BA) im Sinne von Watzlawick Beavin amp Jackson (2000) und der Distanz-Naumlhe-Achse

4) Beim vierten Quadranten (iv) geht es gegenuumlber den ersten drei Quadranten um ein bdquovertieft es Lernenldquo (Fullan Quinn amp McEachen 2017) zweiter Ordnung (Vis-ser 2007) um die bdquoVoraussetzung fuumlr gelingende Veraumlnderungldquo (Kruse 2005 S 8) durch einerseits ein bdquoDoppelschleifen-Lernenldquo (Argyris amp Schoumln 2008 S 36 Sta-cey amp Mowles 2016) bdquodas zu einem Wertewechsel sowohl der handlungsleitenden Th eorien als auch der Strategien und Annahmen fuumlhrtldquo (Argyris amp Schoumln 2008 S 36) und andererseits einem spiral- und wendelfoumlrmigen Meta-Lernen32 (bei Ar-gyris amp Schoumln 2018 begriffl ich das Deutero-Lernen33) ndash in Beziehung durch die Unterschiede und Blickwinkel zu den anderen drei Feldern Das Meta-Lernen greift die Kommunikations- und Lernabwehrroutinen auf um Widerstaumlnde An-lehnungen und Widerspruumlchlichkeiten aufzuzeigen Loumlsungen zu generieren und gewandelte Werte und Strukturen zu ermoumlglichen Beim Meta-Lernen ergruumln-det eine lernende Organisation (Schule) im eigenen Resonanzraum wie wann und weshalb Handlungen angepasst oder nicht anpasst bzw wie wann und wes-halb Werte Annahmen Haltungen usw veraumlndert oder nicht veraumlndert werden (Argyris amp Schoumln 2008) Kommunikationsprozesse ermoumlglichen in diesem Feld (iv) nach Rauscher (2012) sinnorientierte Durchblicke damit Lernende entschei-den lernen (i) Einblicke damit Lernende analysieren lernen (ii) und Weitblicke auf dass Lernende veraumlndern lernen (iii) Die Initiationskraft wirkt in diesem Feld im Sinne eines Lernens zweiter Ordnung34 transformierend und ermoumlglicht Chan-cen und neue Erfahrungen (Kolb 2015) durch Veraumlnderung der Blickwinkel Er-kennen und Verstehen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten sowie dem Ver-

32 bdquoMeta-learning implies that persons refl ect on and inquire into the process in which sing-le-loop and double-loop learning take place Refl ecting on the process of single-loop learning involves thinking about ways to improve error detection and correction and thus to improve the eff ectiveness of action strategies Refl ecting on the process of double-loop learning involves thinking about ways to improve discussion about norms and values underlying action strate-giesldquo (Visser 2007 S 663)

33 Der Begriff Deutero-Learning geht urspruumlnglich auf Gregory Bateson (1904ndash1980) zuruumlck und meint das Lernen 2 Ordnung (Visser 2003) Es ist Visser (Visser 2007) zuzustimmen dass das Konzept in der Fachliteratur immer wieder sehr unklar ausgefuumlhrt wird und Deutero-Ler-nen eher die Lernpathologien in Bezug auf Angst und Stress in Organisationen meint Damit ist der Begriff des Meta-Lernens zu bevorzugen um die Meta-Refl exionProfl exion des Ein-schleifen- und Zweischleifen-Lernens hervorzuheben

34 Im Sinne von Lippmann (2013) und Rauen (2014) kann hier das Kommunikationshandeln des Mentorings zweiter Ordnung als Patenschaft mit einem (hierarchischen) Beziehungsgefaumllle be-schrieben werden Eine erfahrene Fuumlhrungsperson fuumlhrt durch die Betonung der Beziehungs-ebene in die Riten und Werte einer lernenden Profession oder Organisation ein (dient auch der Strukturerhaltung)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 225

binden und Verknuumlpfen von Beziehungen (im Sinne eines bdquoextraverted sensingldquo (Kolb 2015 S 120 Kolb Boyatzis amp Mainemelis 2001)35

6 Annaumlherungen aus der Perspektive der lernenden Organisation und der Systeme

Aus der Idee der Menschenfuumlhrung und (Meta-)Kommunikation heraus soll nach Th omann und Schulz von Th un (2003) aus dem Persoumlnlichkeitsmodell von Riemann (1975) eher ein Beziehungsmodell bzw Relationsmodell fuumlr (lernende) Organisa-tionen und Systeme entstehen Ulrich Zenger und Smallwood (2000) schreiben zu ihrem Ansatz der ergebnisorientierten Unternehmensfuumlhrung dass (lernende) Orga-nisationen (Schulen) als Systeme darauf achten dass ihre Ergebnisse immer bdquoausge-wogenldquo (ebd S 52) sind Organisationen bdquoschaff en keine Erfolge in einer Dimension indem sie eine andere ignorierenldquo (ebd 2000 S 52) Als Dimensionen und Felder defi nieren Ulrich Zenger und Smallwood (2000) die vier Quadranten von Riemann (1975) Gute Ergebnisse entstehen fuumlr die Autoren in und durch eine Organisation wenn die Strebungen und Impulse gleichmaumlszligig und ausgewogen uumlber die vier Quad-ranten verteilt sind diese stark mit der Strategie der Organisation verbunden werden dadurch entsprechend sowohl kurz- als langfristige d h dauerhaft e Ziele unterstuumltzen und die Ergebnisse einer Organisation als Ganzes nutzen also nicht nur einige Grup-pen oder Bereiche in einer Organisation (Ulrich Zenger amp Smallwood 2000) Ergeb-nisorientierte Fuumlhrungspersonen koumlnnen zwar von Zeit zu Zeit eine Dimension den anderen vorziehen jedoch sollten alle vier Felder ausbalanciert werden um sowohl qualitaumltsvolle Produkte als auch innovative Prototypen zu ermoumlglichen Haumltte man als Fuumlhrungsperson nach Ulrich Zenger und Smallwood (2000) 100 Aufmerksamkeits-punkte uumlber die vier Quadranten der Organisation zu verteilen sollte keine Dimen-sion bdquomehr als 60 oder weniger als 10 Punkte erhaltenldquo (ebd S 55)36

Um das Konzept der Feldtransformation nun als Ansatz fuumlr lernende Organisa-tionen und Systeme37 naumlher zu beleuchten sollten das Konzept und die Ideen auch

35 Diese Kombination formt eine anpassungsfaumlhige Kommunikation Tatsachen werden von die-sen Personen sachlich zwischenmenschlich und kommunikativ akzeptiert bdquoHe knows what they are since he notices and remembers more than any other type He knows what goes on who wants what who doesnrsquot and usually why And he does not fi ght those facts (hellip) Oft en he can get other people to adapt too Being a perceptive type he looks for the satisfying so-lution instead of trying to impose any sbquoshouldlsquo or sbquomustlsquo of his own and people generally like him well enough to consider any compromise that he thinks bdquomight workldquo He is unprejudiced open-minded and usually patient easygoing and tolerant of everyone (including himself) He enjoys lifeldquo (Kolb 2015 S 121)

36 Einen sehr aumlhnlichen Ansatz waumlhlt das Instrument der Feldtransformation360 um die Ausge-wogenheit und das Balancing der vier Quadranten bei paumldagogischen Fuumlhrungspersonen zu beurteilen (Gregorzewsk Schratz amp Wiesner 2018)

37 Nach Stahl (2012) hat zu Beginn (Gruumlndung) jede Gruppe oder Organisation noch kein Orga-nisationsfeld welches sich uumlber die vier Quadranten formt Zu Beginn haben lernende Orga-nisationen meist durch die Gruppeneff ekte eine Tendenz zur Mitte jedoch damit eine Organi-sation optimal arbeits- und entwicklungsfaumlhig ist muss sie sich in den Quadranten erweitern und ihre Impulse ausdiff erenzieren Es entstehen nun spezielle Organisationsfelder uumlber die vier Quadranten hinweg Die Analyse ist besonders fuumlr ein Meta-Lernen produktiv

Christian Wiesner 226

mit der Th eorie von Parsons in Beziehung gesetzt werden bdquoNiemand unter den Zeit-genossen hat eine Gesellschaft stheorie von vergleichbarer Komplexitaumlt entwickeltldquo schrieb Habermas (1981) und verweist darauf dass das Gesamtwerk uumlber eine Dau-er von mehr als 50 Jahren bdquokonkurrenzlos im Hinblick auf Abstraktionshoumlhe und Dif-ferenziertheit gesellschaft stheoretische Spannweite und Systematik bei gleichzeitigem Anschluss an die Literatur einzelner Forschungsgebieteldquo (ebd S 297) blieb38 Parsons interpretierte aus seiner Handlungstheorie heraus das Modell off ener grenzerhalten-der Systeme und ermoumlglichte mit seinen Werken zwei unterschiedliche inhaltliche He-rangehensweisen Einerseits das Verhaumlltnis von Kultur Gesellschaft und Person und der Institutionalisierung sowie Internalisierung als die bedeutenden systemverschraumln-kenden Elemente aufzuzeigen und andererseits intersystemische Austauschbeziehun-gen als Schluumlsselfunktion zu betrachten (Habermas 2016) Fuumlr Parsons (1977) selbst gab es immer das Primat der Handlungstheorie mit der Begruumlndung bdquothat the subject of social interaction is in a fundamental sense logically prior to that of social systemldquo (ebd S 145) Parsons (1977) versuchte bdquosystemisch stabilisierende Handlungszusam-menhaumlnge sozial interagierender Gruppenldquo (Habermas 2016 S 301) zu erkennen und zu verstehen39

Parsons (1976) nennt vier grundlegende Funktionen bdquoderen Erfuumlllung notwendige Bedingung der Existenzfaumlhigkeit von Handlungssystemenldquo (Willke 1991 S 57) sind und stuumltzt sich dabei auf seine Arbeiten zur Kleingruppenforschung der Gruppendy-namik und auf das Phasenmodell des Kleingruppenprozesses (Parsons Bales amp Shils 1953) Parsons (1976) wendet die aus den analytischen Verallgemeinerungen ent-standenen vier Impulse und Ideen auf Systeme an Seine bdquodynamische Analyseldquo (Par-sons 1976 S 169) umfasst Gruppen Organisationen und auch die Gesellschaft Par-sons (1961) verwendet ebenfalls zwei Achsen um ein Vier-Funktionen-Schema zu erstellen Auf der ersten Achse bdquosoll die Funktion der Erhaltung latenter Strukturen die Basis der Besonderheit des Bezugssystems zum Ausdruck bringen Die Struktur bestimmt naumlmlich die Besonderheit des Systems gegenuumlber seinen Umwelten Auf der anderen Achse ist sie der Fokus fuumlr die Erhaltung der Kontinuitaumlt uumlber die Zeit ndash ein-schlieszliglich der Kontinuitaumlt von Entwicklungsmusternldquo (Opielka 2006 S 273 Parsons 1961) Systeme ndash wie Schule und auch Unterricht ndash bestehen immer zwischen Konti-nuitaumlt und Entwicklung weshalb eine der Leitachsen im Sinne einer bdquoIdentitaumlts-Diff e-renzldquo (von Saldern 2010 S 69) zu verstehen ist Die erste Achse ist daher gepraumlgt von einer zeitlichen Dimension des Handelns als Prozess und die zweite Achse von Hand-lungsordnungen die sowohl innere Relationen des Systems als auch Beziehungen zur Umwelt organisieren Daraus formen sich vier Felder jedes davon stellt Subsysteme des ganzen Systems dar und alle Felder lassen sich in der Th eorie jeweils wiederum in

38 Der Soziologe Talcott Parsons (1902ndash1979) entwickelte zunaumlchst eine Handlungstheorie die er anschlieszligend zu einer soziologischen Systemtheorie ausbaute Fuumlr Habermas (2016) kann bdquoheute keine Gesellschaft stheorie ernst genommen werden die sich nicht zu der von Parsons wenigstens in Beziehung setzt Wer sich uumlber diesen Umstand taumluscht laumlszligt sich von Aktualitauml-ten statt ihnen gegenuumlber sensibel zu sein gefangennehmenldquo (ebd S 297)

39 Das Konzept der Feldtransformation versucht in diesem Sinne und systemisch betrachtet sta-bilisierende und entwickelnde Handlungszusammenhaumlnge sozial interagierender Gruppen in lernenden Organisationen und in Systemen zu begreifen und Aktivierungsstrategien von Fel-dern darzustellen

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 227

die vier Funktionen unterteilen (Junge 2002 S 197 f) Diese vier fuumlr ein Handlungs-system unverzichtbaren Funktionen werden im sogenannten AGIL-Schema40 als Meta-theorie von Parsons (1976) zusammengefasst (siehe Abbildung 7)1) Adaption Die Adaptionsfunktion wird von Parsons (1976) als (auch wechselseiti-

ge) Bereitstellung von Ressourcen und verfuumlgbaren Mitteln defi niert41 unabhaumln-gig von der Relevanz von Zielen Dieselben knappen Ressourcen koumlnnen inner-halb einer Vielzahl an Zielen bdquoalternative Verwendungldquo (Parsons 1976 S 175) fi nden Alle Mittel dienen der Erreichung von Zielen auch wenn die Bereitstel-lung von Mitteln selbst auch ein Ziel sein kann Auf lernende Organisationen an-gewandt umfasst die Adaption bdquoeine Mannigfaltigkeit von Faumlhigkeitenldquo (Parsons amp Platt 1990 S 27) die es gestatten mit der Umwelt durch Regeln zu agieren und in der Umwelt bdquoauffi ndbare Ressourcen fuumlr das Funktionieren des Systems einzuset-zenldquo (ebd S 27)

2) Zielorientierung und -verwirklichung42 Die Zielorientierung schafft veraumlnderte Prozessbildungen im und am System und eroumlff net in Systemen jedoch auch das Problem die Traumlgheit der Kultur- und Wertemuster zu stoumlren Ziele werden bei Parsons (1976) bdquodurch den Begriff des Gleichgewichtsldquo (ebd S 174) defi niert naumlmlich als eine an spezifi sche Situationen gebundene Richtungsaumlnderung Syste-me haben viele (komplexe) Ziele43 die meist durch bdquorelative Dringlichkeit geord-netldquo (Parsons 1976 S 174) werden wobei die (Ab-)Folge in (lernenden) Systemen bdquohinreichend fl exibelldquo (ebd S 174) und agil sein muss Die Funktion ist nach Par-sons (1976) die Anregung und Aufrechterhaltung von Motivation und bdquodas Ver-moumlgen zur Spezifi kation und zur Generalisierung von Faumlhigkeitenldquo (Opielka 2006 S 272)

3) Integration Die Integration traumlgt nach Parsons (1976) zum Funktionieren des Sys-tems als Ganzes bei indem hier bdquodie Aufgabe der internen Koordination der ver-schiedenen Systemfunktionenldquo (Opielka 2006 S 273) uumlbernommen wird und Be-ziehungen zwischen Strukturerhaltung Zielorientierung und Adaption ermoumlglicht werden Dabei muumlssen Aufgaben erledigt werden die Ressourcen verteilt werden und alle Taumltigkeiten und Kompetenzen muumlssen miteinander und zueinander ab-gestimmt werden um zu einer Einheit (z B Gruppe Organisation) zu gelangen Die Integration konzentriert sich auch bdquoauf die aff ektive Dimension des Handelnsldquo (Opielka 2006 S 281) Die Funktion der Integration ist das fortlaufende Zusam-menwirken der Systemelemente zu gewaumlhrleisten

40 bdquoSysteme und Subsysteme sind in Parsonslsquo Th eorieaufb au keine ontologischen Entitaumlten son-dern analytisch konstruierte Gesetzmaumlszligigkeiten die nur durch Handeln in reales Geschehen umgesetzt werdenldquo (Muumlnch 2007 S 46)

41 Nach Jensen (1976) sollte man beachten dass es sich bei Adaptation um bdquoein wechselseitiges Arrangieren zwischen Umwelt und Systemldquo (ebd S 64) handelt und sie nicht als eine einseiti-ge Anpassung betrachtet werden soll

42 bdquoGoalattainmentldquo wird von Jensen (1976 S 64) als bdquoZielorientierungldquo und von Opielka (2006 S 228) als bdquoZielverwirklichungldquo uumlbersetzt

43 Bei einem System spricht man eher bdquovon einem System von Zielen statt von einem einzigen Einheitszielldquo (Parsons 1975 S 174)

Christian Wiesner 228

4) Strukturerhaltung44 Menschen schaff en im Leben bdquoeigene Sinnsystemeldquo (Jensen 1976 S 64) und diese bdquoWerte haben eine primaumlre Funktion fuumlr die Aufrechterhal-tung der Strukturen eines Sozialsystemsldquo (Parsons 1975 S 35) Die Funktion ist dabei die Strukturerhaltung um die Stabilitaumlt der Kulturmuster der Werte und Ri-tuale (Parsons 1961) zu bewahren45 als bdquoVerinnerlichung in der Persoumlnlichkeits-strukturldquo (Parsons 1976 S 173) von Menschen46 Fuumlr Parson (1976) sind bdquoWerte dem Wandel unterworfenldquo (ebd S 173) Das kulturelle System (Werte Grund-prinzipien Annahmen Uumlberzeugungen usw) beeinfl usst als bdquoSteuerungssys-temldquo (Parsons 1976 S 171) maszliggeblich das ganze soziale System Der Struktur-erhaltung schreibt Parsons systemtheoretisch eine hohe bdquoTraumlgheitldquo (Parsons 1976 S 174) zu47 Wertordnungen manifestieren sich in (scheinbar) festen und stabi-len Grundprinzipien (Muumlri 1993) Die Strukturerhaltung (Grundprinzipien Wer-te Kultur) geht damit den anderen Systemelementen bdquovoraus und wird sie uumlber-

44 bdquoLatent Pattern-Maintenanceldquo wird von Jensen (1976 S 64) als bdquoStrukturerhaltungldquo und von Opielka (2006 S 228) als bdquoErhaltung latenter Strukturenldquo uumlbersetzt Die Strukturerhaltung richtet sich nach Parsons (Parsons 1976 S 173) bdquoauf die Strukturkategorie der Werteldquo

45 Fuumlr Parsons (1975) hat Stabilitaumlt nicht gegenuumlber Wandel Vorrang jedoch verweist er auf un-terschiedliche Problemtypen bei der Analyse von Gleichgewichtsprozessen und von einem Strukturwandel

46 Das Kultursystem hat demnach auch bdquokeinen Handlungscharakterldquo (Wenzel 1991 S 383)47 Parsons (1976) spricht dennoch davon dass bdquoStabilitaumlt eher als temporale Kontinuitaumltldquo (ebd

S 178) betrachtet werden solle

Wechsel

Zielorientierung Integration

Adaption Strukturerhaltung

Richtungsaumlnderungen

und Motivation

interne Koordination

und Zusammenwirken

Anpassung und

Ressourcen

Aufrechterhaltung

und Erneuerung

von Wertmustern

Dauer

NaumlheDistanz

Abbildung 7 Das AGIL-Schema von Parsons 1976 in Verbindung mit Riemann 1975 (eigene Darstellung)

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 229

dauernldquo (Parsons amp Platt 1990 S 27) dennoch unterliegen bdquoSystemwerteldquo (Jensen 1980 S 105) einem bdquoTransformationsprozessldquo (ebd)

Als besonders wichtig fuumlr den Entwurf des Modells gilt dass bdquoParsons mit der Ent-wicklung des AGIL-Schemas konsequent seine Vorstellung vertieft wonach Hand-lungssysteme in Handlungseinheiten dekomponierbar sindldquo (Opielka 2006 S 274) Im Vier-Felder-Modell48 koumlnnen nun Systemprobleme und Herausforderungen auft re-ten wie von Parsons (1976) u a im bdquoGleichgewichtsansatzldquo (ebd S 169) vorgestellt Diese Probleme betreff en die Prozesse in einem System die unter die Aufrechterhal-tung der Kulturmuster fallen Die Herausforderung besteht darin das Gleichgewicht zwischen der Bewahrung von (kulturellen) Werten und Mustern sowie einem bdquoUn-gleichgewichtldquo (Parsons 1976 S 170) durch Entwicklungsprozesse zu erhalten Ein Ungleichgewicht kann zu einem strukturellen Wandel fuumlhren der bdquounter normativen Gesichtspunkten houmlherer Ordnung wuumlnschenswert sein kannldquo (ebd S 170) Die wei-tere Herausforderung umfasst selbstverstaumlndlich die Entwicklungsprozesse selbst ndash mit der immerwaumlhrenden Orientierungsfrage bdquoWie kommt das Neue ins Systemldquo

7 Ausblick und Fazit

Die vorangegangenen Ausfuumlhrungen plaumldieren fuumlr ein Modell welches die verschie-denen Bestrebungen und auch Welt- und Denkbilder zusammenfuumlhrt Ein Ein-Blick in die Befunde der Komplexitaumltsforschung erscheint daher kurz vor einem abschlie-szligenden Fazit angebracht Der Zugang zu einem Verstaumlndnis von Komplexitaumlt von Stacey (2000) zeigt als Komplexitaumltsmodell (siehe Abbildung 8) auf der horizonta-len Achse das Kontinuum zwischen bdquoEinfachldquo und bdquoKompliziertldquo die vertikale Ach-se zeigt das Kontinuum zwischen bdquovorhersagbarldquo und bdquokreativ-chaotischldquo (Appelo 2011 S 41 Stacey 2000 Stacey amp Mowles 2016)49 Empirische Forschungsbefunde entstehen (meist) auf komplexe Art und Weise dennoch ist die Darstellung von Er-gebnissen (meist Daten) von einer beachtlichen Einfachheit gegenuumlber der (taumlglichen Multi-)Komplexitaumlt der Praxis gepraumlgt Die Praxis ist bdquokomplex ungewiss mehrdeu-tig einzigartig und von Wert- und Interessenkonfl ikten gepraumlgtldquo (Horster amp Rolff 2006 S 68) Diese Wert- und Interessenskonfl ikte muumlssen bei Schul- und Unterrichts-entwicklungen beziehungsorientiert mitbedacht werden ndash bestehende Schulkulturen Grundprinzipien Wertordnungen bestimmen alle Ideen Entwuumlrfe und Ansaumltze von empiriegestuumltzen Entwicklungen wir haben diese zu beachten

48 Das Vier-Felder-Modell fuumlhrt in Verbindung mit der Feldtransformation zu folgender Ausge-staltung Vernunft als Adaption Strategie als Zielorientierung Gestaltung als Integration und Identitaumlt als Strukturerhaltung

49 bdquoIt can scarcely be denied that the supreme goal of all theory is to make the irreducible basic elements as simple and as few as possible without having to surrender the adequate representa-tion of a single datum of experienceldquo (Albert Einstein 1879ndash1955)

Christian Wiesner 230

Abbildung 8 Das Komplexitaumltsmodell von Stacey 2000 und Appelo 2011 in Verbindung mit dem Modell der Feldtransformation (eigene Darstellung)

Das Modell der Feldtransformation50 integriert daher die kommunikationswissen-schaft lich gepraumlgte Unterscheidung von Watzlawick et al (2011) dabei wird zwi-schen einem Inhalts-Sachaspekt und einem Beziehungsaspekt diff erenziert Gerade fuumlr Watzlawick et al (2011) wirkt die Beziehungsorientierung wesentlich auf Prozes-se und Strukturen ein (Houmllker 2014) Der Beziehungsaspekt defi niert die Werte Hal-tungen und Grundprinzipien und wirkt auf den sozialen Kontakt die soziale Begeg-nung und Beziehung sowie z B auf Lerngemeinschaft en (Kooperation Resonanz) und gestaltet die Bedeutungen und Nebenbedeutungen auch im Sinne eines holistischen Hintergrundwissens (Wiesner 2010) Das Modell der Feldtransformation integriert

50 Die Subsysteme und Teilaspekte des Modells der Feldtransformation und des dazugehoumlrigen Kompetenzfeststellungsinstruments (als Feldtransformation360) entstanden in gemeinsamen Denkwerkstaumltten zwischen Wilfried Schley Michael Schratz Christian Wiesner David Keme-thofer und Johannes Schley fuumlr die Qualifi zierungsarbeit und eine Ausgewogenheit der Kom-petenzorientierung in der Leadership Academy (Schratz et al 2016) Auf die Teilaspekte der Feldtransformation wird in diesem Artikel nicht ausfuumlhrlich eingegangen eine detaillierte Dar-stellung des Instruments und der Subsysteme ist in Gregorzewski Schratz amp Wiesner (2018) nachzulesen Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel die theoretischen Urspruumlnge und wis-senschaft lichen Einfl uumlsse auf das Modell darzulegen

Entwicklungsorientierung

Stabilitaumltsorientierung

Beziehungs-

orientierung

Sach-

orientierung

COMPLEX

CHAOTIC

COMPLICATED

SIMPLE

CLOSE TOCERTAINTY

FAR FROMCERTAINTY

Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten 231

auch die systemtheoretisch gepraumlgte Unterscheidung zwischen der Funktion der Er-haltung latenter Strukturen und der Funktion der Entwicklung

Eine Annaumlherung an eine Ganzheit im Sinne von bdquoBalancingldquo (Kolb 2015 S 143) entsteht wenn Personen und Systeme moumlglichst viel bisher Wesensfremdes und Fern-liegendes in die vorgestellten Modelle integrieren um sich selbst als Person oder als System bdquozu weitenldquo (Riemann 1975 S 204) Der Blick von einem Punkt einer Leit-achse bestimmt die jeweilige Wahrnehmung Beobachtung das Denkmodell und so-mit die Analyse und veraumlndert die Aussagen und Erkenntnisse uumlber ein System (Boos 1991 Sandschneider 1995) Daher ist es notwendig sowohl die Felder als eine Ganz-heit (System) als auch einen Standpunkt (bzw die jeweiligen Standpunkte) in den Vordergrund der Beobachtung zu ruumlcken und zu klaumlren Das Konzept der Feldtrans-formation ist nicht als ein einseitiger linearer Prozess zu betrachten sondern vielmehr als Kreislauf in Spiral- und Wendelbewegungen ndash als Vorstellung einer Praxis-Th eorie- und Th eorie-Praxis-Beziehung zwischen Konzepten und Erfahrungen Dabei stehen die vier Felder in einer wechselseitigen Beziehung zueinander und wirken gegenseitig aufeinander ein Reformen Entwuumlrfe und Ideen zur Schul- und Unterrichtsentwick-lung durch Evidenz(en) sollten die Ausgewogenheit der Felder aktiv mitdenken und foumlrderlich unterstuumltzen In einem Meta-Lernen sollten die Denkmodelle und Grund-prinzipien von Reformen Entwuumlrfen und Ideen hinterfragt werden um zukuumlnft ig Antworten zu fi nden auf die Frage bdquoWie kommt Neues ins Systemldquo

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Erfahrungsberichte

Ulrike Krug

bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen SchulenldquoPraxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingen

Die Lesekompetenz der 15-Jaumlhrigen hat sich seit PISA 2000 stetig verbessert insbe-sondere in den unteren Kompetenzniveaus (Reiss Saumllzer Schiepe-Tiska Kleine amp Koumlller 2016) allerdings ist der Hintergrund fuumlr die Verbesserung zum Groszligteil auf Veraumlnderungen der Schuumllerzusammensetzungen zuruumlckzufuumlhren ndash und nicht auf unterrichtliche Maszlignahmen und Angebote zur Lesefoumlrderung

Etwa ein Viertel der Schuumllerinnen und Schuumller der Sekundarstufe verfuumlgt nur uumlber unzureichende basale sprachliche Faumlhigkeiten die sich insgesamt negativ auf die schulischen Lehr-Lern-Prozesse auswirken Das zeigt sich konkret vor allem beim Lesen und Schreiben Selbst relativ einfache und kurze Texte koumlnnen nicht sinnverstehend gelesen werden weil entweder zu langsam und zu ungenau gelesen wird (Mangel an Lesefl uumlssigkeit) um die Textbedeutung zu erfassen oder aber es fehlt an Lesestrategien um Lerntex-te zu erschlieszligen (Schneider et al 2012 S 121)

Diesen Ergebnissen im Bereich Lesekompetenz steht das Engagement der Lehrkraumlf-te diametral gegenuumlber und wirft die Frage nach der Wirksamkeit der schulischen Lese-foumlrderung auf Im Primarbereich wie auch in der Sekundarstufe werden viele und viel-faumlltige Lesefoumlrdermaszlignahmen angeboten was sich in den schulischen Lesekonzepten bzw in Schulprogrammen niederschlaumlgt Darin werden die meist zahlreichen Aktivi-taumlten und lesefoumlrderlichen Angebote dokumentiert die fuumlr die Lehrkraumlft e mit viel Ein-satz und zusaumltzlicher Muumlhe verbunden sind

Bei genauer Betrachtung lassen sich jedoch meist Angebote zur Leseanimation fi nden die die Lesemotivation der Schuumllerinnen wecken sollen Waumlhrend fuumlr viele Schuumllerinnen und Schuumller leseanimierende Angebote anregend und weiterfuumlhrend sind koumlnnen gerade schwache Leserinnen und Leser davon nur selten profi tieren weil sie Defi zite im Bereich des Lesens aufweisen die andere ndash spezifi schere ndash Foumlrdermaszlig-nahmen erfordern

Daher ist es erforderlich die an den Schulen geleistete Arbeit und die Angebote wertschaumltzend aufzunehmen und in eine systematische Lesefoumlrderung zu uumlberfuumlhren die vor dem Hintergrund eines diff erenzierten fachdidaktischen Modells von Lese-kompetenz ndash hier des Mehrebenenmodells von Rosebrock und Nix (2008) die ent-

Ulrike Krug 242

scheidenden Foumlrderschwerpunkte ausweist und eff ektive Foumlrderangebote fuumlr die ein-zelnen Dimensionen von Lesekompetenz bereithaumllt

Ein weiteres Problem der schulischen Lesefoumlrderung besteht in dem uumlberwiegend punktuellen Charakter der Foumlrdermaszlignahmen Viele der Foumlrderangebote sind zwar im Schulkonzept verankert werden aber nur vereinzelt oder nur punktuell waumlhrend des Schuljahrs durchgefuumlhrt Waumlhrend manche Lehrkraumlft e die festgeschriebenen Maszlignah-men gewissenhaft durchfuumlhren verwenden andere nur wenig Unterrichtszeit fuumlr lese-foumlrdernde Maszlignahmen Entsprechend ist es wichtig nicht nur eine systematische Le-sefoumlrderung zu betreiben sondern auch die Umsetzung uumlber die Schulleitung so zu steuern dass verbindliche Vereinbarungen zur Lesefoumlrderung im ganzen Kollegium getroff en im Jahresarbeitsplan festgeschrieben und eingehalten werden

Eine wesentliche Huumlrde bzw Gelingensbedingung fuumlr erfolgreiche Lesefoumlrderung in allen Schulformen liegt im Wissenstransfer von Forschungsbefunden ndash hier zur Le-sekompetenz ndash in die schulische Praxis Lehrkraumlft e aller Schulformen sind in der Re-gel bereit und willens die Lesekompetenz ihrer Schuumllerinnen und Schuumller zu foumlrdern Was fehlt sind Fortbildungs- und Unterstuumltzungsangebote mit wissenschaft sbasierter systematischer Anleitung aber zugleich praxistauglichen Konzepten zur Foumlrderung der Lesekompetenz der Schuumllerinnen und Schuumller in allen Schulformen

In der bdquoGesamtstrategie der Kultusministerkonferenzldquo von 2015 wird erstmals der Wissenstransfer aus der Forschung in die schulische Praxis als verbesserungswuumlrdig angesehen und als Aufgabe postuliert damit zukuumlnft ig in groumlszligerem Maszlige bdquoErklauml-rungs- und Handlungswissenldquo fuumlr die Lehrkraumlft e und die Bildungsverwaltung zur Ver-fuumlgung gestellt wird (Sekretariat der Staumlndigen Konferenz der Kultusminister der Laumln-der in der Bundesrepublik Deutschland 2015)

Mit der 2012 vorgelegten BiSS-Expertise bdquoBildung durch Sprache und Schrift ldquo als Grundlage der Bund-Laumlnder-Initiative gibt es erstmals eine bundeseinheitliche un-abhaumlngige wissenschaft liche Stellungnahme bdquodie beschreibt wie Sprachfoumlrderung Sprachdiagnostik und Lesefoumlrderung in Deutschland systematisch weiterentwickelt werden koumlnnenldquo (Schneider et al 2012 S 15) und zwar uumlber alle Bildungsetappen hinweg Die Zielsetzung besteht dabei darin bdquoeine sprachwissenschaft lich und di-daktisch bzw paumldagogisch fundierte kontinuierliche Sprach- und Lesefoumlrderung so-wie eine darauf abgestimmte Diagnostik (formativ und summativ) und Qualifi zierung des paumldagogischen Personals zu gewaumlhrleistenldquo (Schneider et al 2012 S 15) Damit ist fuumlr Lehrkraumlft e und paumldagogische Fachkraumlft e ein Orientierungsrahmen zur Sprach- und Lesefoumlrderung gegeben und die in der Expertise dargelegten Bewertungen moumlgli-cher Maszlignahmen und Instrumente unterstuumltzen eine praktische Umsetzung

Diesem Standard sollten Konzepte zur Lesefoumlrderung und zu Fortbildungen entspre-chen

Das Konzept bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo erfuumlllt diese Stan-dards ist ausgerichtet auf die BISS-Expertise und hierbei orientiert an den BISS-Mo-dulen Lesekompetenz so wie sie im Kompetenzmodell der Bildungsstandards be-schrieben und in den Lehrplaumlnen in allen Bundeslaumlndern konkretisiert ist entsteht nicht bdquoeinfach soldquo durch Textarbeit im Unterricht Aufb au von Lesekompetenz erfordert

bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo 243

einen kleinschrittigen systematischen und kontinuierlichen Aufb au von Teilkompeten-zen bei dem wesentliche Grundlagen das fachdidaktische Wissen der Lehrkraumlft e so-wie deren Verstaumlndnis eines foumlrder- und kompetenzorientierten Unterrichts sind

Im vorliegenden Praxisleitfaden geht es genau darum Lehrkraumlft en in allen Schul-formen wird ein kohaumlrenter wissenschaft lich gesicherter Orientierungsrahmen fuumlr eine systematische fachdidaktische Weiterentwicklung der Lesefoumlrderung in einem foumlrder- und kompetenzorientierten Unterricht und fuumlr eine systemische Ausrichtung der Lesefoumlrde-rung in der ganzen Schule gegeben

Grundlage dafuumlr sind wissenschaft lich anerkannte und beeinfl ussbare Elemente der Lesekompetenz sodass Lehrkraumlft e bezuumlglich der Wirksamkeit ihrer Investitionen und Bemuumlhungen um die Lesefoumlrderung versichert sein koumlnnen Diese Elemente sind der zentrale Bestandteil des Konzepts bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schu-lenldquo

Als wissenschaft lich gesicherte und beeinfl ussbare Elemente der Lesekompetenz sind hier zugrunde gelegt bull Einsatz von Leselernstandsermittlungen (formative Lernstandsermittlung)bull Sicherung der DekodierfaumlhigkeitLesefl uumlssigkeitbull Einuumlben von Lesestrategienbull Lesen in allen Faumlchernbull LeseanimationSelbstkonzeptbull Lesefoumlrderung fuumlr Jungen

Die Setzung wissenschaft sbasierter Elemente der Lesekompetenz defi niert zugleich einen Mindeststandard in der Lesefoumlrderung und dient somit den Lehrkraumlft en als Orientierungsrahmen fuumlr die schulischen Angebote zur Lesefoumlrderung Diese werden je nach Schulform und Altersgruppe der Schuumllerinnen unterschiedlich priorisiert So wird z B die Lesefl uumlssigkeit in den Grund- Haupt- und Realschulen sehr viel intensi-ver trainiert werden muumlssen als in den Gymnasien in denen hingegen die Einuumlbung der Lernstrategien ganz vorrangig in den Blick geruumlckt werden muss

Alle Elemente sind jedoch gleichermaszligen bedeutungsvoll fuumlr die Lesefoumlrderung in allen Schulformen und uumlber alle Bildungsetappen hinweg Keines der Elemente soll-te in der schulischen Lesefoumlrderung vernachlaumlssigt oder nicht beachtet werden Wir-kungsvolle effi ziente Lesefoumlrderung kann nur in der jeweils spezifi schen Umsetzung aller Elemente der Lesefoumlrderung erzielt werden

Lesefoumlrderung wird in diesem Rahmen nachdruumlcklich nicht auf die Arbeit mit lite-rarischen Texten innerhalb des Literaturunterrichts beschraumlnkt sondern als ein uumlber-fachliches Anliegen verstanden als eine Schluumlsselkompetenz die fuumlr erfolgreiches Lernen in allen textbasierten Faumlchern von Bedeutung ist und in allen Faumlchern ndash ange-messen ndash bedacht sein muss

Lesen als uumlberfachliche Kompetenz wird im Praxisleitfaden auch nicht als alleini-ge Aufgabe der Grundschule verstanden Selbstverstaumlndlich ist das Lesenlernen eine zentrale Aufgabe in den beiden ersten Schuljahren der Grundschule Dennoch ist die Entwicklung der Lesekompetenz ndash wie bereits dargelegt ndash auch nach einem gelunge-

Ulrike Krug 244

nen Schrift spracherwerb am Ende der Grundschulzeit keineswegs abgeschlossen Viel-mehr muss das fl uumlssige Lesen und das Erlernen und Einuumlben von Lesestrategien ver-staumlrkt im Verlauf der weiteren Schulzeit und danach erfolgen insbesondere mit Blick auf die zunehmend laumlngeren und komplexeren Texte die als Grundlage fuumlr das Ler-nen in allen Faumlchern dienen Das Verstaumlndnis dass die Lesekompetenz auch nach der Grundschule ndash systematisch und in allen Faumlchern ndash weiter gefoumlrdert werden muss setzt sich in den weiterfuumlhrenden Schulen jedoch erst allmaumlhlich durch

Vor Beginn der eigentlichen Fortbildungen wird als erster Schritt mit dem jewei-ligen ganzen Kollegium eine Bilanzierung der bisherigen unterrichtlichen und schuli-schen Angebote und Maszlignahmen zur Lesefoumlrderung durchgefuumlhrt damit diese Arbeit gewuumlrdigt und festgeschrieben werden kann Die Bilanzierung erfolgt mithilfe der Checkliste die die bedeutsamen Elemente der Lesekompetenz (Standards) beinhaltet Ebenso wird durch eine Bilanzierung deutlich welcher schulische Entwicklungsbedarf bezuumlglich der Lesefoumlrderung besteht sodass dieser als Entwicklungszielfestgeschrieben werden kann Diese Entwicklungsziele stellen gleichzeitig Schulentwicklungsvorhaben dar die mithilfe der vorliegenden Fortbildungsmodule des Konzepts bdquoVerstaumlrkte Lese-foumlrderung an hessischen Schulenldquo mit theoretischer Fundierung und praktischer An-leitung angegangen werden koumlnnen

Die Struktur der Module ist immer gleich An erster Stelle stehen Ausfuumlhrungen allgemein zum foumlrder- und kompetenzorientierten Unterricht es folgt die theoreti-sche Fundierung des jeweiligen Elements der Lesekompetenz (Lesefl uumlssigkeit Text-verstaumlndnis Lesemotivation) sodass auf dieser Grundlage Diagnoseinstrumente und Foumlrdermaszlignahmen zur Umsetzung in der Unterrichtspraxis vorgestellt und umgesetzt werden koumlnnen

Im Modul 1 geht es um die Diagnose und die Foumlrderung der basalen Lesefertigkei-ten die ein fl uumlssiges Lesen auf der Wort- und Satzebene ermoumlglichen und auch in den Schulen der Sekundarstufe im Uumlbergang noch in den Blick genommen werden muumlssen In diesem Modul werden nach einer theoretischen Einfuumlhrung leicht hand-habbare Instrumente (bdquoToolsldquo) zur Diagnose wie auch Moumlglichkeiten der Foumlrderung vorgestellt Weiterhin wird mit der Methode bdquoLautlese-Tandemsldquo ein Foumlrderverfahren vorgestellt und praktisch eingeuumlbt Dieses Modul richtet sich speziell an die Deutsch-lehrkraumlft e

Im Modul 2 steht das Leseverstaumlndnis im Mittelpunkt Schwerpunkt ist hier der Einsatz von Lesestrategien sowie von metakognitiven Strategien Auch hier geht es eingangs um die grundsaumltzliche Bedeutung von Lernstrategien fuumlr den individuellen und eigenaktiven Kompetenzerwerb Oft mals sind den Lehrkraumlft en zwar Lernstrate-gien bekannt die Bedeutung der Lehrperson als Modell bei der Einuumlbung von Lern-strategien jedoch noch nicht genuumlgend praumlsent Lesestrategien werden haumlufi g im Fach Deutsch selten aber in allen Faumlchern genutzt Daher sollte dieses Modul von allen Lehrkraumlft en einer Schule erarbeitet werden

Im Modul 3 steht die Diagnose und Foumlrderung der Lesemotivationdes Selbst-konzepts im Fokus Hierbei geht es darum wie Schuumllerinnen und Schuumller zum Le-sen motiviert werden koumlnnen die zwar in kognitiver Hinsicht zur Textverarbeitung in der Lage sind aber laumlngere Texte und Buumlcher nicht lesen z B weil sie keinen per-

bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo 245

soumlnlichen Gewinn aus der Lektuumlre ziehen koumlnnen oder Anstrengung beim Lesen ver-meiden wollen Die Bedeutung des Selbstkonzepts fuumlr erfolgreiches Lernen ndash in allen Faumlchern ndash steht hier im Vordergrund Zur Diagnose werden Frage- und Selbstein-schaumltzungsboumlgen vorgestellt Verfahren der Leseanimation wie z B Leseprojekte Klas-senbibliotheken Lesenaumlchte usw sowie Vielleseverfahren werden als Moumlglichkeiten der Lesefoumlrderung in diesem Modul vorgestellt und erprobt Dieses Modul richtet sich an die Deutschlehrkraumlft e in den weiterfuumlhrenden Schulen aber auch an die Fachleiterinnen damit diese die grundlegenden Informationen weitergeben koumlnnen

Die Bilanzierung der Angebote zur Lesefoumlrderung ist wie bereits ausgefuumlhrt fuumlr alle Lehrkraumlft e einer Schule vorgesehen und der erste und grundlegende Schritt zur systemischen Verankerung des Ist-Stands sowie der Entwicklungsziele in der schuli-schen Lesefoumlrderung Die folgende Erarbeitung der drei Fortbildungsmodule zur Le-sefoumlrderung kann von einzelnen Lehrkraumlft en individuell fuumlr ihren eigenen Unterricht genutzt werden Wie oben bereits dargestellt besteht die Zielsetzung des Konzepts bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo jedoch immer auch darin ein gan-zes Kollegium eine ganze Schule zu erreichen Aus diesem Grund sind neben den fachlichen Angeboten zur Foumlrderung der Lesekompetenz jeweils auch Angebote zu verbindlichen Vereinbarungen zur Lesefoumlrderung in der ganzen Schule vorgehalten Da-bei geht es immer zunaumlchst um die Erprobung und Evaluation der eingesetzten Maszlig-nahmen mit der Frage nach der Wirkung bei den Lernenden und der Praktikabilitaumlt der bdquoAlltagstauglichkeitldquo fuumlr die Lehrkraft Der naumlchste Schritt ist die Abstimmung im Kollegium uumlber verbindliche Vereinbarungen zur Lesefoumlrderung z B zum Einsatz von Lautlesetandems ndash auch hierzu gibt es entsprechende Vorlagen fuumlr die Hand der Schulleiterinnen Damit ist eine systematische und gemeinsam vereinbarte Weiterent-wicklung der Lesefoumlrderung im ganzen System Schule moumlglich und somit auch hof-fentlich eine Nachhaltigkeit in der Lesefoumlrderung gewaumlhrleistet

Hierzu benoumltigen Lehrkraumlft e aller Schulformen Anleitung durch wissenschaft lich gesicherte und praxistaugliche Konzepte Grundlage muss darin vor allem die Prauml-zisierung und Konkretisierung von Lesekompetenz in Form beinfl ussbarer Elemen-te sein die systematisch und leicht handhabbar im Unterricht umgesetzt werden koumlnnen So erhalten Lehrkraumlft e einen fundierten und uumlberschaubaren Orientierungs-rahmen fuumlr die Lesefoumlrderung Das Konzept bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo hat genau diese Anleitung zum Ziel

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Sekretariat der Staumlndigen Konferenz der Kultusminister der Laumlnder in der Bundesrepub-lik Deutschland (2015) Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Bildungs-monitoring Beschluss der 350 Kultusministerkonferenz vom 11062015

Ramona Lau

Praxisforschung zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II ndash und dann Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer1

Innere Diff erenzierung ist das Th ema der Unterrichtsgestaltung ndash so koumlnnte man den-ken Denn Innere Diff erenzierung als Unterrichtsprinzip (Heymann 2010 S 8) wird von vielen Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern und Praktikerinnen und Prak-tikern als ein wichtiger Aspekt der individuellen Foumlrderung von Schuumllerinnen und Schuumllern in heterogenen Lerngruppen gesehen (z B Klafk i amp Stoumlcker 1976 Hey-mann 2010 Boller amp Lau 2010 Boumlnsch 2016 in kritischer Betrachtung auch Wi-scher amp Trautmann 2010a) die z B im Bundesland Nordrhein-Westfalen im Schulge-setz verankert ist2 Weiter verstaumlrkt wurde die Forderung nach Umsetzung von Innerer Diff erenzierung im Unterricht im Zuge der Einfuumlhrung inklusiver Bildung in das Schulsystem Deutschlands (Kultusministerkonferenz 2011 S 9)3 Dabei werden Zu-sammenhaumlnge zur Inneren Diff erenzierung zumeist lediglich fuumlr die Sekundarstufe I bedacht (Bathe Boller amp Kemper 2010) Dass Innere Diff erenzierung auch ein Th ema fuumlr die Ausbildung in der Sekundarstufe II ist haben Boller und Lau (2010) mit ihrem Praxishandbuch zum Th ema gezeigt

Diese Schlaglichter verdeutlichen dass am Oberstufen-Kolleg Bielefeld einer Ver-suchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen ein im Jahr 2006 begonnener For-schungsprozess zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II von pers-pektivisch hoher Relevanz war ndash mehr noch Sie lassen die Hypothese zu dass Forschungsergebnisse zur Inneren Diff erenzierung die aus der Praxis und fuumlr die Pra-xis gewonnen wurden in hohem Maszlige transferwuumlrdig waren bzw sind und nachge-fragt werden4

1 Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag bdquoPraxisforschung im Bereich Heterogenitaumlt und Inklusion ndash Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransferldquo vom 01072016 in Salzburg im Rahmen der 22 EMSE-Fachtagung

2 Erstmalig im Schulgesetz formuliert wurde das Recht auf individuelle Foumlrderung im Jahr 2006 (Ministerium fuumlr Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2006)

3 Im Schulgesetz NRW ist seit 2014 formuliert dass Schuumllerinnen und Schuumller mit und ohne Behinderung bzw sonderpaumldagogischem Foumlrderbedarf gemeinsam unterrichtet und erzogen werden sollen (Ministerium fuumlr Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2014)

4 Zur naumlheren Beschreibung von Forschungsprozessen an der Versuchsschule Oberstufen-Kolleg sowie dem spezifi schen Verstaumlndnis von Praxisforschung siehe Hahn et al in diesem Band Hahn et al defi nieren in ihrem Aufsatz zudem Transferprozesse bzw -forschung Die von den

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Aufb auend auf diesen Aussagen bzw Annahmen werden in diesem Beitrag For-schungs- und Transferaktivitaumlten zur Inneren Diff erenzierung nachgezeichnet und diskutiert Dabei wird ein Blick auf sechs Jahre Praxisforschung gerichtet die immer eng verbunden mit Praxistransfer gestaltet wurde Zunaumlchst werden in Kapitel 1 drei aufeinander aufb auende Praxisforschungsprojekte kurz vorgestellt die im Folgenden (Kapitel 2) bezuumlglich ihrer Moumlglichkeiten zum Praxistransfer kritisch betrachtet wer-den Abschlieszligend wird in Kapitel 3 eine Schlussfolgerung versucht in die auch Pers-pektiven fuumlr kuumlnft igen Praxistransfer einbezogen sind

1 Heterogenitaumlt als Normalfall Praxisforschung Innere Diff erenzierung in der Sekundarstufe II mit Transfer der Ergebnisse in die Praxis

Ausgangspunkt fuumlr die hier vorgestellte Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur In-neren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II war ein Schulentwicklungsprozess des Oberstufen-Kollegs der 2005 initiiert wurde Dessen zentrale Leitlinie war die Be-trachtung von Heterogenitaumlt als Normalfall In diesem Zusammenhang hat sich im Jahr 2006 die Forschungs- und Entwicklungsgruppe bdquoInnere Diff erenzierung in der Sekundarstufe IIldquo konstituiert Deren Mitarbeiterinnen (Lehrkraumlft e der Versuchsschu-le und Mitarbeiterinnen der Wissenschaft lichen Einrichtung Oberstufen-Kolleg) ha-ben sich bis ins Jahr 2012 mit verschiedenen Fragestellungen und Zielperspektiven des Th emas angenommen Von ihnen wurden Fragestellungen zur Inneren Diff eren-zierung immer praxisbezogen formuliert das betrifft auch die Transferprozesse die durch die Gruppe initiiert und durchgefuumlhrt wurden Drei Schwerpunkte wurden uumlber sechs Jahre hinweg betrachtet Im Folgenden werden diese drei Projekte skizziert

11 Interner Transfer von Forschungsergebnissen das Schulentwicklungsprojekt Innere Diff erenzierung in der Sekundarstufe II am Oberstufen-Kolleg

Zentrales Anliegen der Forschungs- und Entwicklungsarbeit zum Schulentwicklungs-projekt Innere Diff erenzierung in den Jahren 2006ndash2008 war die Professionalisierung der Lehrenden des Oberstufen-Kollegs im Umgang mit heterogenen Lerngruppen Dabei ruumlckte die Weiterentwicklung der Moumlglichkeiten zur individuellen Foumlrderung aller Lernenden (nicht nur spezieller Gruppen oder einzelner Schuumllerinnen) in den Fokus Zusammenfassend koumlnnen fuumlr die zwei Jahre folgende Th emenschwerpunkte bzw Taumltigkeiten nachgezeichnet werden bull Erhebung des Ist-Stands zur Inneren Diff erenzierung am Oberstufen-Kolleg zur

Durchfuumlhrung adressatengerechter interner Fortbildungsprozesse

Autorinnen und Autoren vorgenommenen Begriff sbestimmungen sind auch fuumlr diesen Beitrag leitend

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bull Analyse und Adaptionen (im Sinne von bdquoNacherfi ndenldquo Kussau 2007) von Metho-den Innerer Diff erenzierung unter dem Fokus der Bedingungen der Sek II konkret der gymnasialen Oberstufe

bull Rezeption von Forschungsergebnissen zur Inneren Diff erenzierung und zu Fortbil-dungskonzepten

bull Fokus Lehrerprofessionalitaumlt Was brauche ich als Lehrperson um erfolgreich Bin-nendiff erenzierung durchzufuumlhren

bull Interner Transfer der Forschungsergebnisse mit modularisiertem Setting

Nach einem Jahr theoretischer Vorarbeiten begann im Sommer 2007 die praktische Umsetzung der Schulentwicklungsarbeit im und mit dem Kollegium Im Fokus des in-ternen Transfers standen neben einer Auseinandersetzung mit konkreten Methoden der Inneren Diff erenzierung umfaumlngliche refl exive Anteile Die Lehrerprofessionalitaumlt wurde mit ihren Facetten professionelle Handlungskompetenz und paumldagogische Hal-tung (Bernard Lau amp Waumlcken 2010 Lau amp Boller 2010) als bedeutsames Moment zur Umsetzung des Prinzips Innere Diff erenzierung in den Mittelpunkt gestellt Inne-re Diff erenzierung war uumlber ein ganzes Ausbildungsjahr hinweg der Schwerpunkt der hausinternen Fortbildungsarbeit Damit konnte eine wichtige Voraussetzung fuumlr wirk-same Lehrerfortbildung das Erstrecken uumlber einen laumlngeren Zeitraum erfuumlllt werden (Lipowsky 2004 S 473) Foren ermoumlglichten neben mehreren paumldagogischen Tagen zum Th ema eine kollegiale Auseinandersetzung mit verschiedenen Dimensionen In-nerer Diff erenzierung Zur notwendigen kontinuierlichen Einbeziehung der Lernen-den des Oberstufen-Kollegs in die Konzeption konkreter Entwicklungsprozesse (Kem-per amp Kroumlger 2008 S 237) wurden Analysen vor und Evaluationen nach zentralen Veranstaltungen vorgenommen So wurde der Schulentwicklungsprozess so gut wie moumlglich adressatengerecht gestaltet (eine ausfuumlhrliche Darstellung zu dieser Schulent-wicklungsarbeit fi ndet sich bei Bathe Kemper Lau Rosowski amp Waumlcken 2008)

Im Verlauf dieser Transferarbeit nach innen ergaben sich wichtige Hinweise zu Gelingensbedingungen von Schulentwicklungsprozessen Diese lassen sich als Voraus-setzungen und Aufgaben fuumlr eine den Prozess gestaltende Schulentwicklungsgruppe fuumlr das Kollegium und fuumlr die Schulleitung bzw eine die Schulentwicklungsprozes-se einer Einrichtung insgesamt koordinierende Gruppe beschreiben (ausfuumlhrlich sie-he Lau 2012 S 249 f)

12 Das Praxishandbuch bdquoInnere Diff erenzierung in der Sekundarstufe IIldquo ndash aus der Praxis fuumlr die Praxis

Mit der Konzeption und Veroumlff entlichung des Herausgeberbands bdquoInnere Diff erenzie-rung in der Sekundarstufe II Ein Praxishandbuch fuumlr Lehrerinnenldquo (Boller amp Lau 2010) wurden die Forschungsergebnisse der Projektgruppe aus den Vorjahren im For-schungszeitraum 2008 bis 2010 fuumlr den externen Transfer aufb ereitet Bedeutsam ist dass sich die Projektgruppe Innere Diff erenzierung nie als bloszliges Methodenrepertoire verstanden hat sondern umfaumlnglich Voraussetzungen und Diskussionen zur Inneren

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Diff erenzierung rezipiert erforscht und formuliert hat (zur Buchkonzeption ausfuumlhr-licher siehe Lau 2012 S 250 f) Im Mittelpunkt standen fuumlr die Gruppe in diesem Sinne einerseits Chancen und Grenzen von Methoden Innerer Diff erenzierung dazu wurden Ergebnisse empirischer Forschungen einbezogen Andererseits wurde auch eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Lehrerprofessionalitaumlt durch das Buch betont Hervorzuheben ist dass dieses Handbuch die Luumlcke schloss die fuumlr Pu-blikationen zur Inneren Diff erenzierung vorlag Ein Praxisband nur fuumlr die Sekundar-stufe II war (und ist) etwas Besonderes

Mit diesen hier nur angedeuteten Erfahrungen und Forschungsergebnissen aus vier Jahren Praxisforschung konnte der letzte Schwerpunkt der Arbeit in den Blick genommen werden der externe Transfer von Praxisforschungsergebnissen zu Innerer Diff erenzierung uumlber Fortbildungskonzepte

13 Externer Transfer Fortbildungen zur Inneren Diff erenzierung

Die Projektgruppe war gewarnt Forschungsergebnisse zur Inneren Diff erenzierung so aufzubereiten dass sie auf Unterrichtspraxis der fortgebildeten Lehrpersonen einwir-ken und diesen Transfer auch zu beforschen ndash das ist eine Herausforderung (Lipow-sky 2010 S 51)

Entsprechend wurden die Fortbildungen die durch die Projektgruppe in den Jah-ren 2010 bis 2012 angeboten wurden sehr sorgfaumlltig geplant Leitend waren neben eigenen Praxiserfahrungen (siehe 11) u a folgende Hinweise (ausfuumlhrlich zu konzep-tionellen Uumlberlegungen Lau 2011) bull Lehrerwissen bzw die berufsbezogenen Uumlberzeugungen veraumlndern sich nur positiv

wenn im Rahmen der Fortbildung eine Auseinandersetzung mit konkreten Unter-richtssituationen stattgefunden hat (Helmke 2010 S 311)

bull Erweiterung und Staumlrkung vorhandener Kompetenzen (Jaumann-Graumann Mey-er Stengert-Schaumburg amp Pfeiff er 2000 S 96) sowie Fokussierung auf den Unter-richt der einzelnen Teilnehmerinnen nicht (ausschlieszliglich) auf Th eorien und Mo-delle (Feindt 2010 S 88) sind im Planungsprozess zu bedenken

bull Die Refl exion der eigenen berufl ichen Arbeit auf deren Basis eine Veraumlnderung der individuellen Professionalitaumlt stattfi nden kann ist von Bedeutung (Jaumann-Grau-mann amp Koumlhnlein 2000 S 15 Lipowsky 2004 S 465 Lipowsky 2011 S 412)

bull Fuumlr Fortbildungen im Bereich Innerer Diff erenzierung ist zudem die Aussage hoch relevant dass eigene lernwegdiff erenzierte Arbeits- und Lehr-Lern-Prozesse ermoumlg-licht und dabei die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer konzeptionell beruumlcksichtigt werden (Fischer 2007 S 10) Es geht also darum Innere Diff erenzierung in der Fortbildung als Modell fuumlr die Fortbil-dungsveranstaltung an sich anzusehen

bull Nach Bloumlmeke (2010) ist das individuelle Selbstkonzept fuumlr den langfristigen Be-rufserfolg von hoher Relevanz Generell entwickelt sich die Lehrerprofessionalitaumlt durch Kenntnis Einsicht und Refl exion weiter Dazu bedarf es einer Auseinander-

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setzung mit Th eorie sowie das Durcharbeiten bzw Erproben didaktischer Modelle (Jaumann-Graumann amp Koumlhnlein 2000 S 14 f)

bull Zu beachten fuumlr Implementationsbestrebungen sind natuumlrlich Voraussetzungen wie Uumlberzeugungen Motivation und Vorwissen aufseiten der fortzubildenden Personen sowie das Klima im Kollegium (Lipowsky 2010 S 63 f)

bull Kollegialer Austausch waumlhrend (Fussangel Ruumlrup amp Graumlsel 2010 S 331 347) und nach (Lipowsky 2010 S 65) Fortbildungsveranstaltungen tragen dazu bei (neue) Methoden und Konzepte in den Unterricht der einzelnen Lehrpersonen zu integ-rieren

Durchgefuumlhrt wurden angebotsorientierte (Workshops oder Vortraumlge) und nachfrage-orientierte Angebote Beide Formate bargen individuelle Chancen und Risiken (Ter-hart 2000 S 131) die es zu beachten galt Bei den nachgefragten Veranstaltungen handelte es sich ausnahmslos ndash und durchaus auch gegen den Rat der Fortbildne-rinnen ndash um eintaumlgige Veranstaltungen sogenannte schulinterne Fortbildungen was nicht uumlberrascht hat (dazu auch Lipowsky 2011 S 412)5 Insbesondere fuumlr diese Ver-anstaltungen wurde ein umfassendes Modell zur Planung Durchfuumlhrung und Evalua-tion der Fortbildungen konzipiert und angewendet (Abb 1 ndash ausfuumlhrlich beschrieben bei Lau amp Groszlige-Kluszligmann 2012)

Abbildung 1 Konzeption Evaluation und Weiterentwicklung von Fortbildungsveranstaltungen (Lau amp Groszlige-Kluszligmann 2012 S 170)

5 So galt in NRW im hier besprochenen Zeitraum dass lediglich ein paumldagogischer Tag als unterrichtsfreier Tag pro Schuljahr fuumlr Fortbildungsmaszlignahmen die die Weiterentwicklung der gesamten Schule betreff en eingeplant werden konnte (Tresselt 2015) Hierzu gibt es mit einer neuen Allgemeinen Dienstordnung (ADO) seit Juni 2012 uumlber sect 11 (4) eine Erweiterung Zwei paumldagogische Tage (schulinterne Fortbildungen) koumlnnen durch eine Schule gestaltet werden (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen 2013)

Ist Fortbildung uumlberhaupt noumltig

Ja ndash Fortbildung MUSS sein

Fortbildungcharakterisiert durch

Bedarfsanalyse

Arbeitsergebnisse Evaluation(repraumlsentativer Anteil)

Feedbackbogen TeilnehmerInnen

Erhebungsinstrumente

Selbstreflexion Fortbildungsteam

Durchfuumlhrung

Konzept +Inhalten

Evaluation

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Ausgehend von der positiv beantworteten Frage ob Fortbildung zur Inneren Diff eren-zierung uumlberhaupt notwendig ist wurden Fortbildungsmodule konzipiert und durch-gefuumlhrt (siehe oben) Die durchgefuumlhrten Veranstaltungen wurden durch das Fortbil-dungsteam vielfaumlltig evaluiert Zudem boten die Arbeitsergebnisse der fortgebildeten Lehrerinnen und die Selbstrefl exion der Fortbildnerinnen wichtige Anhaltspunkte die zur Weiterentwicklung sowohl des Fortbildungs- als auch des Evaluationskonzepts genutzt wurden Jede nachfrageorientierte Veranstaltung wurde zudem durch eine umfangreiche Bedarfsanalyse die mit verschiedenen Statusgruppen der nachfragen-den Einrichtung durchgefuumlhrt wurde eingeleitet Auch dieses Instrument wurde im-mer wieder auf den Pruumlfstand gestellt

Nach der systematisch vorgenommenen zweijaumlhrigen Transferarbeit konnte die Pro-jektgruppe fuumlr die Durchfuumlhrung eintaumlgiger schulinterner Fortbildungen u a Folgen-des konstatieren bull Obwohl die Konzeption dieser Veranstaltungen nachfrageorientierte und angebots-

orientierte Module beinhaltet hatte umfangreiche Bedarfsanalysen mit verschiede-nen Statusgruppen der schulischen Einrichtung im Vorfeld der Fortbildung durch-gefuumlhrt wurden auf deren Basis die Konzeption der Veranstaltung je angepasst wurde konnte gemaumlszlig Evaluationsergebnissen eine adressatengerechte Durchfuumlh-rung von Fortbildungen fuumlr alle Teilnehmerinnen nicht in Gaumlnze erreicht werden

bull (Off ensiv vertretene) Angebote zur Modularisierung bzw zur Nachbereitung der Fortbildungen wurden in keinem Fall durch die Schulen diskutiert entsprechend nicht in Anspruch genommen

bull Grundsaumltzlich hat die Gruppe die Wirksamkeit dieser eintaumlgigen Fortbildung mit u a Lipowski (2010) sowie Keller (2011) aktuell auch Lipowski amp Rzejak (2015) in Frage gestellt

Fuumlr konzipierte und ausschlieszliglich angebotsorientiert durchgefuumlhrte Workshops zum Th emenfeld Innere Diff erenzierung wurde festgestelltbull Eine bdquoadressatengerechteldquo Durchfuumlhrung von Workshops fuumlr alle Teilnehmerinnen

gelang durchausbull Auch hier muss aber die Wirksamkeit der wenigstuumlndigen Fortbildungen bezuumlglich

der Wirksamkeit der Fortbildungsmaszlignahme kritisch betrachtet werden

2 Praxistransfer Problemstellungen aus der Praxis

In allen Phasen des explizit vorgenommenen internen oder externen Transfers von Praxisforschung zur Inneren Diff erenzierung wurden vielfaumlltige Transferhindernis-se bzw -probleme deutlich Entsprechend kann festgehalten werden Trotz nieder-schwelliger Kommunikation uumlber Buch Zeitschrift enartikel und natuumlrlich insbe-sondere Fortbildungen gelingt Praxistransfer der Forschungsergebnisse zur Inneren Diff erenzierung nur eingeschraumlnkt Dabei koumlnnen fehlender praktischer Bezug der Forschungsergebnisse oder eine abstrakte Ausdrucks- bzw Praumlsentationsform als

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moumlgliche Begruumlndungen fuumlr Transferprobleme (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 S 3) nicht dienen denn das Fortbildungsteam bestand jeweils aus Praktikerin-nen

Wo also liegen die ProblemeBetrachtet man einen weiteren Aspekt der moumlglichen Ursachen fuumlr Transferprobleme naumlmlich die Anschlussfaumlhigkeit der Forschungsergebnisse vor Ort (Steff ens Heinrich amp Dobbelstein 2016 S 3) so lassen sich dazu widerspruumlchliche Tendenzen erkennen Einerseits wurden (und werden aktuell wieder verstaumlrkt) Fortbildungen zur Inneren Diff erenzierung in der Sekundarstufe II nachgefragt Also war das Th ema anschlussfauml-hig Anderseits sind speziell fuumlr die gymnasiale Oberstufe Standardisierungs- und Be-schleunigungstendenzen in Kombination mit einem auf Selektion ausgerichteten Bil-dungssystem zu erfassen (Lau Klewin Keuff er amp Rosowski 2016 S 215) Das kann zu dem Trugschluss fuumlhren dass Heterogenitaumlt fuumlr die Ausbildung in der gymnasialen Oberstufe von untergeordneter Relevanz ist Diese Schlussfolgerung koumlnnte durch die Tatsache verstaumlrkt werden dass inklusive Beschulung in der gymnasialen Oberstufe an institutionelle Grenzen stoumlszligt Zieldiff erente Ausbildung ist in Deutschland in die-ser Schulstufe nicht vorgesehen Ist Innere Diff erenzierung also doch kein Th ema fuumlr die Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe II Sozusagen bdquokein echtesldquo Zumin-dest nicht fuumlr alle Lehrpersonen eines Kollegiums Interessant ist in diesem Kontext dass nach Lipowsky (2010 S 64) besonders fuumlr Fortbildungen mit fachdidaktischem Fokus Wirksamkeit erfasst werden kann Fuumlr die Zielgruppe der Sek II ndash besonders Lehrerinnen der gymnasialen Oberstufe ndash gilt dies ableitend von Goumlb (2017 S 14) vermutlich verstaumlrkt Gymnasiallehrerinnen besuchen allgemeindidaktische Fortbil-dungen vergleichsweise seltener Der Praxistransfer zur Inneren Diff erenzierung ent-hielt (und enthaumllt) keinen fachdidaktischen Schwerpunkt Aber die Fortbildungsver-anstaltungen knuumlpfen in jedem Fall an Kognitionen und Konzepte der Lehrpersonen an Refl exionen des eigenen Handelns werden immer wieder in den Mittelpunkt ge-stellt Auch das sind sehr gute Voraussetzungen fuumlr wirksame Lehrerfortbildungen wirksamen Praxistransfer (Lipowsky 2010 S 64) Es geht immer auch um Lehrer-professionalitaumlt Doch diese aumlndert sich nicht ad hoc durch eine besuchte Fortbildung Im Gegenteil Lernprozesse die im Anschluss an eine absolvierte Fortbildung erfol-gen sind haumlufi g ausschlaggebend fuumlr die Wirksamkeit einer Veranstaltung (Goumlb 2017 S 19) Entsprechend sind laumlngerfristige Erhebungen zur Wirksamkeit der Fortbildun-gen (des Praxistransfers) noumltig die die Erfassung von Einstellungsaumlnderungen in den Mittelpunkt ruumlcken

Bereits angeklungen ist dass modularisierte sich uumlber einen laumlngeren Zeitraum er-streckende Fortbildungen durch die abnehmenden Einrichtungen nicht nachgefragt wurden Das fuumlhrt bei Fortbildungen zur Inneren Diff erenzierung in denen es ge-rade nicht darum geht deklaratives Wissen zu vermitteln dazu dass die Wirksam-keit der Transferbemuumlhungen in Frage steht (Lipowsky amp Rzejak 2015 S 18) Zur Be-gruumlndung der Ablehnung der Modularisierung der Fortbildung wurden immer wieder Arbeitsuumlberlastung im Allgemeinen sowie institutionelle Vorgaben (bis 2012 ledig-lich ein Tag zur schulinternen Fortbildung moumlglich ndash siehe oben) angegeben Weiter

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wurde auf die vielen anderen paumldagogischen Herausforderungen verwiesen die es mit Fortbildungen zu bewaumlltigen gilt Tatsaumlchlich erfuumlllen auch aus Sicht der Fortbildne-rinnen die institutionellen Rahmenbedingungen nur sehr eingeschraumlnkt die notwendi-ge Voraussetzung fuumlr gelingenden Praxistransfer zur Inneren Diff erenzierung bzw zur gelingenden Lehrerfortbildung insgesamt

3 Schlussfolgerungen und Perspektiven

Praxistransfer mit der Zielgruppe Lehrerinnen und Lehrer braucht aufseiten dieser Personengruppe Zeit Derartiger Praxistransfer wird in der Hauptsache durch Fort-bildungen verschiedenster Varianten umgesetzt Fuumlr diese braucht es unbedingt deut-lich verbesserte bildungspolitisch gesetzte Rahmenbedingungen damit Professiona-lisierungsbestrebungen greifen koumlnnen (dazu auch Lipowsky amp Rzejak 2015 S 41 Terhart 2016a S 296 Terhart 2016b S 79 ff ) Dies gilt besonders fuumlr unterrichtlich relevante Th emen die die individuelle Lehrerprofessionalitaumlt an sich tangieren wie es fuumlr Innere Diff erenzierung der Fall ist (Lau amp Boller 2010 Wischer amp Trautmann 2010b)

Wichtig ist zudem dass der Praxisbezug bei schulisch relevanten Forschungsvor-haben bestaumlndig gepruumlft wird Wuumlnschenswert waumlre es in diesem Zusammenhang wenn wie am Oberstufen-Kolleg in Bielefeld Lehrende auch als Forscherinnen tauml-tig sein koumlnnen (Hahn et al in diesem Band) So koumlnnen Forschungsergebnisse von Praktikern fuumlr Praktiker erhoben und vermittelt werden Weitere Moumlglichkeiten zum Praxistransfer sind die Bildung von schuluumlbergreifenden Lerngemeinschaft en schul-uumlbergreifende Kooperationen oder die langfristige Begleitung von Schulen zu einem Schulentwicklungsthema durch ein Lehrer-Forscher-Team Selbstverstaumlndlich sollte die Nutzung digitaler Medien immer in die konzeptionellen Uumlberlegungen zum Pra-xistransfer einbezogen werden (Goumlb 2017 S 19) Hierzu gibt es erste Ansaumltze z B auch durch die Autorin

Grundsaumltzlich aber muss Praxistransfer gewollt sein soll er gelingen Das betrifft die Praxisforschenden aber auch die Zielgruppe fuumlr konkrete Praxisforschungsvor-haben Eine Forderung nach Praxisforschung muss entsprechend immer verbunden werden mit einer Forderung nach klaren und zielfuumlhrenden Strukturen zum Transfer Entsprechend sind alle Praxis-Forschungsgruppen dazu aufgerufen zu hinterfragen ob es fuumlr ihre Forschungen uumlberhaupt Moumlglichkeiten gibt in die Praxis uumlbertragen zu werden In diesem Zusammenhang ist auch die Bildungspolitik gefordert Strukturen bereitzustellen damit Ergebnisse von ihr beauft ragter Forschungen nicht nur publi-ziert werden sondern auf die Schulwirklichkeit insgesamt einwirken koumlnnen

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Wischer B amp Trautmann M (2010a) bdquoIch tue es nicht also bin ich ein schlechter Leh-rerldquo Zu Problemen und Fallstricken von innerer Diff erenzierung Paumldagogik (1011) 32ndash34

Wischer B amp Trautmann M (2010b) Innere Diff erenzierung als unterschaumltzte paumldago-gische Herausforderung Zu den Grenzen einer Reformstrategie In S Boller amp R Lau (Hrsg) Innere Diff erenzierung in der Sekundarstufe II Ein Praxishandbuch fuumlr Lehre-rinnen (S 158ndash166) Weinheim [u a] Beltz

Susanne Wolter

Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) ndash eine Kooperation von Wissenschaft Landesinstitut regionaler Fortbildung und Schulpraxis

Das Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) fuumlhrte von 2012 bis 2014 in Kooperation mit dem Institut zur Qualitaumltsentwicklung im Bildungs-wesen (IQB) und der Technischen Universitaumlt (TU) Muumlnchen ein Fortbildungspro-jekt zur Unterrichtsentwicklung an ausgewaumlhlten Schulen in den Laumlndern Berlin und Brandenburg durch Im Zentrum des Interesses standen dabei die Aufgabenkultur an der Schule sowie die Initiierung von Prozessen der Unterrichtsentwicklung im Sinne eines standard- und kompetenzorientierten Unterrichts durch Impulse aus der aktuel-len wissenschaft lichen Forschung

Ziele

Ein Ziel des Projekts war die Erarbeitung eines Fortbildungskonzepts zur Bewertung und Weiterentwicklung von Unterrichtsaufgaben in den Faumlchern Deutsch und Natur-wissenschaft en Dieses Konzept basierte auf einem allgemeindidaktischen Aufgaben-analyseraster welches von Kleinknecht Maier Metz und Bohl (2011) entwickelt wur-de Weitere Ziele bestanden in der Umsetzung des erarbeiteten Fortbildungskonzepts an ausgewaumlhlten Schulen in den Laumlndern Berlin und Brandenburg sowie der Evalua-tion der durchgefuumlhrten Lehrkraumlft efortbildungen

Struktur

Hervorzuheben war in diesem Projekt die besonders enge Zusammenarbeit von Wis-senschaft lerinnen und Wissenschaft lern (IQB TU Muumlnchen) und Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern des Landesinstituts fuumlr Schule und Medien Berlin-Branden-burg in allen Phasen des Projektes Zum wissenschaft lichen Hintergrund sowie zu den entwickelten Fortbildungsmodulen wurden Schulberaterinnen und Schulbe-rater der regionalen Fortbildungssysteme in Berlin und in Brandenburg in mehre-ren Veranstaltungen von den Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern und den

Susanne Wolter 260

LISUM-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern speziell geschult Mit den Beraterin-nen und Beratern wurde anschlieszligend ein gemeinsames detailliertes Script fuumlr die Durchfuumlhrung der Fortbildungsmodule entwickelt um die Vergleichbarkeit der par-allel stattfi ndenden Lehrkraumlft efortbildungen sicherzustellen Anschlieszligend setzten die Schulberaterinnen und Schulberater die Fortbildungsmodule in der Schulpraxis um Da Nachhaltigkeit von Fortbildung am ehesten in kooperativen Strukturen abgesichert werden kann waren schulische Fachteams (Fachgruppen Fachkonferenzen) im Fach Deutsch und in den Naturwissenschaft en die Zielgruppe der Qualifi zierung Die Fort-bildungsveranstaltungen in den Schulen wurden von Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern des IQB und der TU Muumlnchen evaluiert

Inhalte und Umsetzung

Schulen in Berlin und Brandenburg erhielten in Absprache mit den Bildungsverwal-tungen die Moumlglichkeit mit einer Fachgruppe (entweder im Fachbereich Deutsch oder im Fachbereich Naturwissenschaft en) an einer Erprobung der Fortbildungsse-quenz teilzunehmen Die Sequenz umfasste zwei Teile Im ersten Teil (ca 260 Minu-ten) wurde der Fachgruppe ein Aufgabenanalyseraster vorgestellt und an ausgewaumlhlten Aufgaben praktisch erprobt Das Aufgabenanalyseraster bietet Diff erenzierungsmoumlg-lichkeiten z B in Bezug auf Wissensarten und -einheiten Repraumlsentationsformen und Lebensweltbezuumlge Entwickelt wurde es von einem Team um Marc Kleinknecht am Institut fuumlr Schulpaumldagogik in Tuumlbingen

Abbildung 1 Das Projekt LAGOS

Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) 261

Abbildung 2 Dimensionen und Kategorien Aufgabenanalyseraster (nach Kleinknecht u a 2011)

Dimension Kategorien

Wissensart Fakten Prozeduren Konzepte Metakognition

kognitiver Prozess Reproduktion naher Transfer weiter Transfer Problemloumlsen

Wissens-einheiten eine WE bis zu 4 WE mehr als 4 WE

Offenheit definiert konvergent

definiert divergent ungenaudivergent

Lebens-weltbezug kein konstruiert authentisch real

sprachlogische Komplexitaumlt niedrig mittel hoch

Repraumlsentations-formen eine Integration Transformation

Susanne Wolter 262

Im zweiten Teil der Fortbildung (ca 145 Minuten) lernten die Fachgruppen Moumlglich-keiten der Abwandlung und Variierung von Aufgaben kennen wendeten diese prak-tisch an und tauschten sich uumlber die Erfahrungen mit dem Aufgabenanalyseraster in der Unterrichtspraxis aus Im Mittelpunkt stand dabei eine bewusste Refl exion der eingesetzten Aufgaben Fragen wie z B bdquoWelche Aufgaben habe ich bislang noch nicht eingesetztldquo bdquoWelche Aufgaben kann ich fuumlr starke und fuumlr schwache Lerner anbie-tenldquo bdquoWie kann ich Aufgaben zu einem Lernziel gezielt abwandelnldquo und bdquoWelche Art von Aufgaben setzen meine Kolleginnen und Kollegen einldquo wurden in den Ver-anstaltungen von den Fachgruppen diskutiert

Evaluation

Eine begleitende Evaluation die von Dirk Richter vom IQB und Marc Kleinknecht von der TU Muumlnchen durchgefuumlhrt wurde sollte Erkenntnisse uumlber die Funktiona-litaumlt der Fortbildung liefern Untersucht werden sollte inwieweit die Fortbildung ge-eignet ist das fachliche Wissen und Koumlnnen der Lehrkraumlft e zu erweitern und damit potenziell auch den Unterricht zu veraumlndern Als Datengrundlage fuumlr die Auswer-tung dienten Evaluationsboumlgen die von 95 Lehrkraumlft en nach den Veranstaltungen an-onym zuruumlckgesandt wurden Im Rahmen dieser Evaluation wurden die Lehrkraumlft e einmal nach der ersten Fortbildungsveranstaltung und ein zweites Mal nach der Fol-geveranstaltung gebeten allgemeine Angaben zum Hintergrund der befragten Per-son zu machen Positives sowie Verbesserungswuumlrdiges zur gerade absolvierten Fort-bildungsveranstaltung herauszustellen sowie standardisierte Abfragen zur Qualitaumlt der Fortbildungsveranstaltung zu beantworten Nach der zweiten Fortbildungsveranstal-tung wurden die Lehrkraumlft e auszligerdem gebeten vorgegebene Unterrichtsaufgaben aus dem Fach Deutsch bzw aus den naturwissenschaft lichen Faumlchern mithilfe des Aufga-benanalyserasters zu bewerten

LAGOS aus der Sicht des paumldagogischen Landesinstituts

Fuumlr die LISUM-Mitarbeiterinnen war das LAGOS-Projekt eine Gelegenheit Ergeb-nisse aktueller wissenschaft licher Forschung wahrzunehmen intensiv zu diskutieren und gemeinsam mit den Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern sowie Schulbe-raterinnen und Schulberatern fuumlr die Verwendung in der Lehrkraumlft efortbildung fuumlr die Schulpraxis aufzuarbeiten Das LISUM als paumldagogisches Landesinstitut sieht sich selbst in der Rolle eines Vermittlers zwischen Schulpraxis Bildungsverwaltung und Wissenschaft

Im Leitbild des Landesinstituts (LISUM 2012) heiszligt es dazuDas LISUM versteht sich als lernende Organisation in der Vermittlung zwi-schen Schulpraxis Wissenschaft und Bildungsverwaltung Es ist Ansprech-partner fuumlr alle mittel- und unmittelbar am Bildungsprozess Beteiligten

Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgaben gestalten optimieren und steuern) 263

Gelingensbedingungen und Fazit

Der Verlauf und die Ergebnisse des LAGOS-Projekts lieferten erste Hinweise darauf welche Bedingungen ein gelingender Transfer wissenschaft licher Erkenntnisse in die Schulpraxis braucht

Unser Fazit laumlsst sich in vier Th esen zusammenfassen1) Praxistransfer braucht eine aktive Initiierung und engagierte Akteure in der Wis-

senschaft im paumldagogischen Landesinstitut als bdquoMittlerldquo und bdquoUumlbersetzerldquo in den Fortbildungssystemen und in der Schule

2) Praxistransfer braucht engen Kontakt zur Wissenschaft Dabei ist eine intensive Kommunikation erforderlich

3) Praxistransfer braucht Investitionen von Zeit und Ausdauer bei allen Akteuren so-wie eine Begleitung der Schulen

4) Praxistransfer braucht erkennbare Praktikabilitaumlt und Nuumltzlichkeit fuumlr die Lehr-kraumlft e Wissenschaft liche Erkenntnisse gelangen besser in die Schulpraxis wenn sie in kleinen und gut aufb ereiteten bdquoPaketenldquo vermittelt werden

Literatur

Kleinknecht M Maier U Metz K amp Bohl T (2011) Analyse des kognitiven Aufgaben-potentials Entwicklung und Erprobung eines allgemeindidaktischen Auswertungs-manuals Unterrichtswissenschaft 29 (4) 329ndash345

Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) (2012) Leitbild des Landesinstituts fuumlr Schule und Medien Berlin-Brandenburg Verfuumlgbar unter httplisumberlin-brandenburgdefi leadminbbbLISUMLeitbild_LISUMpdf

Veronika Manitius und Nina Bremm

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie Einblicke in ein Schulentwicklungsprojekt zu Schulen in sozial-raumlumlichen benachteiligten Lagen in NRW

1 Hintergrund

Die Relevanz von gelingenden Transfer- und Implementationsprozessen fuumlr die er-folgreiche Umsetzung von Reformen sowohl auf System- als auch Schulebene gilt in der Schulentwicklungsdiskussion als unbestritten (van Holt 2014 Graumlsel 2010 Jaumlger 2004) So betont auch die Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrer juumlngst uumlberarbeite-ten Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring

Die Aufgabe der Landesinstitute und Qualitaumltseinrichtungen der Laumlnder be-steht in diesem Zusammenhang darin Forschungswissen in Kooperation mit wissenschaft lichen Einrichtungen adressatengerecht fuumlr die Schulen die Bil-dungsadministration und die Bildungspolitik aufzubereiten und zu verbrei-ten Um nachhaltig Wirkung in der Flaumlche erzielen zu koumlnnen bedarf es fer-ner besonderer Implementations- und Transferstrategien in den Laumlndern (Kultus ministerkonferenz (KMK) 2015 S 14)

Damit werden Wissenschaft und Landesinstitute als zentrale Kooperationspartner be-nannt die Wissen fuumlr Schulen und Administration aufb ereiten und transferieren sol-len Unklar bleibt jedoch wie solche Kooperationsstrukturen konkret zu denken sind und was bdquobesondereldquo Implementations- und Transferstrategien fuumlr Schulen und Bil-dungsadministration kennzeichnet

Das Forschungs- und Schulentwicklungsprojekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo (im Folgenden bdquoPotenziale-Projektldquo) greift die Empfehlungen der Kultusmi-nisterkonferenz (KMK) auf und fokussiert in seiner konzeptionellen Anlage auf die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft (Universitaumlten Duisburg ndash Essen und Dort-mund) und Landesinstitut (Qualitaumlts- und Unterstuumltzungs-Agentur ndash Landesinstitut fuumlr Schule NRW ndash QUA-LiS) im Wissensmanagement und in der Transferarbeit des Projekts Als weitere Akteure sind die Stift ung Mercator 36 Schulen in herausfordern-den Lagen aus der Metropolregion Ruhr und die Bildungsadministration in das Pro-jekt eingebunden Das Projekt verfolgt von Beginn an das Ziel systemisch zu wirken und nachhaltige Entwicklungen im Regelsystem anzustoszligen

Veronika Manitius und Nina Bremm 266

Das Projekt hat somit das Ziel Wissen und Erkenntnisse wirksame Strategien Interventionen und Verfahren zur Unterstuumltzung von Schulen in herausfordernden Lage aufzubereiten und in Empfehlungen zusammenzutragen (fuumlr die Bildungsadmi-nistration und das Regelsystem) Hiervon sollen weitere Schulen profi tieren (unab-haumlngig von den Projektschulen) z B in Form von Konzepten und Modulen fuumlr schul-bezogene Fortbildungen Schulentwicklungskonzepten fuumlr abgestimmte paumldagogische und organisatorische Interventionselemente fuumlr Schulen in herausfordernder Lage Entwicklungsansaumltzen spezifi scher Schulentwicklungsberatung und -begleitung Ver-netzungskonzepten fuumlr institutionenuumlbergreifende Kooperation und Schulnetzwerke und Dokumentationen Handreichungen und Materialien fuumlr die praktische Arbeit in und mit Schulen Zudem geht es darum dem schulischen Regelsystem Wissen bereits waumlhrend des Projektslaufs ruumlck zu spiegeln und so eine Synchronisation von Zeit-schienen die je nach Bezugssystem (Wissenschaft Schulen Administration Bildungs-politik) durchaus sehr unterschiedlich ausgestaltet sein koumlnnen (Bremm et al 2018) mitzudenken Im Folgenden wird zunaumlchst das Design des Potenziale-Projekts skiz-ziert um dann theoretisch in das Konzept des kooperativen Wissensmanagements das im Rahmen des Projekts realisiert wurde einzufuumlhren Dem schlieszligt sich ein praktischer Einblick in die konkrete Umsetzung des Konzepts im Rahmen des Poten-ziale-Projekts an Schlieszliglich werden im letzten Teil des Beitrags Chancen und Gren-zen des gewaumlhlten Ansatzes fuumlr Wissenstransferprozesse im Bildungssystem refl ektiert

2 Das Projekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo

Das bdquoPotenziale-Projektldquo ist als integriertes Schulforschungs- und datengestuumltztes Schulentwicklungsprojekt konzipiert und stellt in dieser Form einen innovativen An-satz dar der praxisbezogene Forschung und Entwicklung miteinander verzahnt Der Entwicklungsteil ist bewusst off en konzipiert um fl exibel auf die uumlber die Begleitfor-schung empirisch identifi zierten Bedarfe der teilnehmenden Schulen unter Beruumlck-sichtigung und gezielter Einbindung der im Schulsystem vorhandenen Strukturen und Akteure eingehen zu koumlnnen

Das Projektdesign laumlsst sich grob in vier Phasen unterteilen (vgl Abb 1) Die Pha-se der Schulauswahl (1) der Erhebung der Ausgangslage in den Projektschulen (2) der Schulentwicklungsarbeit in Schulnetzwerken und auf Einzelschulebene (3) sowie der Abschlusserhebung oder Evaluation der durchgefuumlhrten Schulentwicklungsmaszlig-nahmen (4)

In der ersten Phase der Projektlaufzeit fi ndet eine quantitative Ausgangserhebung zu Kontext- und Prozessmerkmalen der Schulen satt Schulinterne und schulexterne Bedingungen werden durch quantitative Befragungen der Schulleitungen der gesam-ten Kollegien sowie der Schuumller- und Elternschaft des 6 und 8 Jahrgangs ermittelt Hierzu werden nicht lediglich die Qualitaumlt der Leistungsergebnisse sondern diff e-renzierte Prozessmerkmale der Einzelschulen erfasst Erhoben werden dabei Merk-male die nach aktuellem Forschungsstand die Eff ektivitaumlt von Schulen ndash insbeson-dere in herausfordernder Lage ndash beeinfl ussen koumlnnen bzw die kennzeichnend fuumlr

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 267

Schulen sind die ihre Prozess- und Outputqualitaumlten uumlber eine Zeitspanne verbes-sern konnten1 Zusaumltzlich werden mithilfe eines Sozialindex diff erenzierte Merkmale der schulspezifi schen Kontextbedingungen einbezogen Entwicklungen in den Schu-len werden durch vertieft e qualitative Studien an sechs Fallschulen und eine laumlngs-schnittliche Abschlussbefragung erfasst Alle Daten der Eingangserhebung stehen den Schulen auf Klassen- oder Schulebene aggregiert zur Verfuumlgung Der datenbasiert und entwicklungsoff en konzipierte Ansatz der Netzwerk- und Schulentwicklungsarbeit re-agiert fl exibel auf die im Forschungsteil identifi zierten Bedarfe unter Beruumlcksichtigung und gezielter Einbildung der im Schulsystem vorhandenen Akteure und Strukturen Zentrales Strukturelement im Schulentwicklungsteil des Projekts ist ein schuluumlber-greifender Netzwerkansatz der dem Konzept einer netzwerkbasierten Schulentwick-lung sowie empirischen Erkenntnissen zur Wirksamkeit von Schulnetzwerken ent-spricht (Manitius amp Berkemeyer 2015 Berkemeyer et al 2015) Als Voraussetzung fuumlr das Gelingen der Netzwerkarbeit konnte eine thematische Naumlhe und ein Zielkon-sens der jeweiligen Schulen im Netzwerk herausgearbeitet werden (ebd) Vor diesem Hintergrund wurden die Netzwerke datengestuumltzt und kriteriengeleitet zusammenge-stellt sodass Schulen mit aumlhnlichen Entwicklungsprofi len in einem Netzwerk zusam-men an aumlhnlichen Fragestellungen und Loumlsungsansaumltzen arbeiten koumlnnen Zusaumltzlich zum Netzwerkteil des Projekts wurde eine einzelschulische Begleitung installiert die Schulen in ihrer individuellen Schulentwicklung unterstuumltzt Hier nimmt der Koope-

1 Z B Unterrichtsentwicklung Lernfoumlrderung und Diff erenzierung Klassenfuumlhrung Curricu-lum und Lernorganisation Leadership und Management schulinterne und externe Kooperati-onen Verfahren der Schulentwicklungsarbeit und Einstellungen zur Heterogenitaumlt der Schuumller-schaft

Abbildung 1 Design des Potenziale-Projekts

Veronika Manitius und Nina Bremm 268

rationspartner QUA-LiS NRW eine zentrale Position ein QUA-LiS NRW stellt dem Projekt sechs bdquobegleitende Lehrkraumlft eldquo mit jeweils fuumlnf Entlastungsstunden zur Ver-fuumlgung die sowohl an den quartalsweise stattfi ndenden Netzwerktreff en teilnehmen als auch einzelschulische Entwicklungen im Rahmen von Vor-Ort-Besuchen beglei-ten und schulinterne Entwicklungsarbeit und Maszlignahmen wie z B Fortbildungen anstoszligen Zudem werden Schulen netzwerk- und schuluumlbergreifend zusaumltzliche An-gebote zu relevanten Th emen wie etwa zur Weiterqualifi zierung von Schulleitungen oder Steuergruppen Oumlff entlichkeitsarbeit im Rahmen der bdquoPotenziale-Akademieldquo an-geboten

Die standardisierte Evaluation der Netzwerk- und Schulentwicklungsarbeit und das gemeinsame Wissensmanagement von Landesinstitut und Wissenschaft schaff en systematisierte Informationen uumlber erfolgreiche Entwicklungsstrategien von Schulen in schwieriger Lage Die enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Landesinsti-tut und die konzeptionelle Einbindung von Administration und Schulen seit Projekt-start bildet die Grundlage fuumlr den Transfer (vgl die naumlchsten Abschnitte) Projekte wie das bdquoPotenziale-Projektldquo koumlnnen insofern auch modellbildend fuumlr eine veraumlnderte Forschungsfoumlrderung im Sinne nutzeninspirierter Grundlagenforschung sein Damit wird ein Bedarf aufgegriff en den die Kultusministerkonferenz in juumlngster Zeit formu-liert hat Die Bildungsforschung sollte nicht nur eine deskriptive Diagnose der Qua-litaumlt des Bildungswesens ermoumlglichen sondern Entwicklungen erklaumlren und deutlich konkretere Hinweise geben wie die festgestellten Probleme geloumlst werden koumlnnten Eine nicht ausreichend geloumlste Herausforderung bestehe darin Prozesse des Messens der Entwicklung und des Transfers staumlrker miteinander zu verbinden (Kultusminister-konferenz (KMK) 2015)

3 Kooperatives Wissensmanagement als Transferstrategie im Schulsystem

Nimmt man Wissensmanagement als einen moumlglichen Ansatzpunkt um Schulent-wicklungsarbeit und Transferprozesse zu unterstuumltzen dann stellt sich die Frage wel-ches bdquoWissenldquo koordiniert auf welche Weise wohin transferiert werden soll Gerade im Zusammenhang mit Transferbemuumlhungen wird im bildungsbezogenen Diskurs der-zeit vor allem uumlber Wissensbestaumlnde in Form von Evidenzen verhandelt mit dem Ziel eine staumlrker evidenzorientierte oder evidenzinformierte Strukturierung der Praxis zu erreichen (van Ackeren et al 2013 Th iel 2014) Fuumlr den im Projekt gesetzten the-matischen Fokus der Unterstuumltzung von Schulentwicklung in herausfordernden La-gen ist von Interesse dass bdquorelevanteldquo Wissensbestaumlnde (Forschungswissen schulinter-nes Wissens administrativ ermitteltes Wissen fachliches Wissen sonstige Expertisen etc) generiert und koordiniert wird Dies hat zum Ziel die im Rahmen eines ver-gleichsweise kleinen explorativen Projekts gewonnenen Erkenntnisse systematisch zu sichern um im naumlchsten Schritt zu pruumlfen inwiefern diese Erkenntnisse fuumlr die Wei-terentwicklung des groszligen Schulsystems Nordrhein-Westfalens genutzt werden koumln-nen (Manitius amp Groot-Wilken 2017) Die Bestimmung und Entscheidung uumlber Rele-

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 269

vanz ist dabei Bestandteil eines Sensemaking-Prozesses (Coburn 2005) der wiederum als wichtige Voraussetzung erfolgreicher Transfer-Bemuumlhungen gelten kann Dies meint dass die Transferadressaten Informationen Daten und Wissen letztlich rekon-textualisieren muumlssen damit z B Wissensbestaumlnde zur Unterstuumltzung von Schulent-wicklungsarbeit genutzt werden koumlnnen Voraussetzung dafuumlr ist wiederum dass in dem Projekt zur Organisation des Wissens ein Verstaumlndnis und eine Praxis fuumlr das Wissensmanagement implementiert wurden

Modelle des Wissensmanagements fokussieren zumeist auf die organisationa-le Ebene bzw auf das fuumlr das Wissensmanagement erforderliche Wechselspiel zwi-schen organisationalem Wissensmanagement und individuellem Nutzen von Wis-sen z B durch individuelles Lernen was wiederum der Organisationsentwicklung zutraumlglich ist (z B Nonaka Takeuchi amp Mader 1997) Fuumlr ein Wissensmanagement koordiniert zwischen verschiedenen Akteuren eines Systems erscheint das Muumlnche-ner Modell (Reinmann-Rothmeier 2001) von Interesse weil es besonders die unter-schiedlichen Dimensionen des Wissensmanagements als Prozess in den Blick nimmt und auch danach fragt in welcher Konstellation Wissensmanagement erfolgen kann In diesem Modell wird hinsichtlich des Umgangs mit Wissen in vier zentrale Kate-gorien unterschieden (1) bdquoWissensrepraumlsentationldquo als der Vorgang der Wissen trans-parent verstaumlndlich und bdquogreifb arldquo macht Hier geht es also zum einen um die Be-reitstellung von Wissen und zum anderen um den Einsatz geeigneter Formate um Wissen zu transportieren Fuumlr das Management bedeutet dies zum Beispiel geeigne-te Instrumentarien zu fi nden die Wissen besser zum Vorschein bringen sowie auf or-ganisationale Rahmenbedingungen zu achten welche Wissenstransparenz foumlrdern Unter (2) bdquoWissensnutzungldquo ist der Prozess gemeint mit welchem die Anwendung des Wissens erfolgt was z B die Nutzung von Wissen als Grundlage fuumlr Entscheidungen und Handeln meint Dies ist ein hochgradig anspruchsvoller und von Komplexitaumlt ge-kennzeichneter Schritt des Wissensmanagements da es hierbei darum geht die Traumlg-heit des Systems zu uumlberwinden also zum Beispiel Handlungsroutinen zu veraumlndern und von gewohnten Mustern abzuweichen Der Bereich der (3) bdquoWissenskommuni-kationldquo meint die unmittelbaren Aktivitaumlten des Wissensaustausches der Wissensver-teilung und der Wissensverbreitung Leitend ist dabei die Annahme dass erst durch Kommunikation Wissen uumlber einen einzelnen Wissenstraumlger hinaus Anwendung fi n-den kann Herausfordernd fuumlr das Wissensmanagement ist an dieser Stelle gelingende Kommunikationsprozesse zu gestalten welche eine hohe Interaktionsdichte Vertrauen zwischen den Teilnehmenden und kooperative Handlungen kennzeichnen Schlieszliglich wird im Modell der Bereich der (4) bdquoWissensgenerierungldquo thematisiert der z B die Umwandlung von Informationen zu Wissen z B Handlungswissen umfasst Dies be-deutet auch vorhandenes Wissen zu hinterfragen und zu modifi zieren bzw Infor-mationen und Daten hinzuziehen um neues Wissen zu kreieren Fuumlr diesen Schritt wiederum ist es aus Management-Perspektive bedeutsam die jeweiligen Traumlger von Wissen und Expertise sowie Informationsgeber auch in entsprechende Kommunika-tionssettings zusammenzubringen

Zwar sind die hier beschriebenen vier Prozessbereiche des Wissensmanagements nicht strikt kategorial trennscharf (Wissenskommunikation duumlrft e uumlbergreifend auch

Veronika Manitius und Nina Bremm 270

in den anderen Bereichen zentral fuumlr das Gelingen des jeweiligen Prozesses sein) so ergibt sich doch aus ihnen naumlherungsweise ein Bild dessen was wesentliche Aspek-te des Wissensmanagements sind Im Muumlnchener Modell werden sie als Bestandteil eines regelhaft en organisationalen Kreislaufes gefasst wonach das Wissensmanage-ment insgesamt darauf ausgerichtet ist zum Erreichen des Organisationsziels beizu-tragen und entsprechende Evaluationsschleifen welche wiederum auf das Wissensma-nagement ruumlckwirken mitzudenken

Eingespeist werden hier zudem Uumlberlegungen welche Personenkonstellationen fuumlr ein solches Wissensmanagement guumlnstig sind Gemeint sind so genannten bdquoCommu-nitiesldquo welche aus Personen bestehen die geleitet von aumlhnlichen Interessen und Prob-lemlagen loumlsungsorientiert zusammenarbeiten und dabei eher kooperativ denn kom-petitiv agieren Diese Communities tragen deshalb zu Wissensmanagement-Prozessen bei weil sie Kommunikation auch abseits von hierarchischen oder organisationalen Strukturen ermoumlglichen loumlsungsorientiert zu Austausch und Expertise entlang aumlhn-licher und damit verbindender Problemstellungen verhelfen und fuumlr die Mitglieder einen motivationsfoumlrderlichen vertrauensvollen und identitaumltsstift enden Rahmen auf-bieten der Wissensgenerierungs- und Lernprozesse foumlrdert und somit auch Innovatio-nen vorantreiben kann Auch aus systemischer Perspektive wird vorgeschlagen Wis-sensmanagement weniger top down durchzusetzen sondern eher strategisch geschickt uumlber gut platzierte Pilotprojekte die zentrale Steuerung und dezentrale Bemuumlhungen gleichermaszligen mitberuumlcksichtigen zu gestalten (Willke 2004) Hierzu liegen entspre-chend auch Erfahrungen im internationalen Kontext entsprechender Transferbemuuml-hungen vor beispielsweise rund um die Diskussion zur bdquoknowledge mobilizationsldquo (Ng-A-Fook et al 2015) wonach vor allem vernetze Konstellationen und koopera-tive Strategien der Wissensvermittlung vielversprechend fuumlr gelingenden Transfer er-scheinen

Der Uumlbertrag dieser theoretischen Uumlberlegungen zum Wissensmanagement auf das Schulsystem birgt einige Herausforderungen da beispielsweise das Muumlnchener Modell vor allem Wissensmanagement in organisationaler Perspektive beleuchtet und somit von einem uumlbergeordneten Organisationsziel ausgeht auf das sich auch Bemuuml-hungen des Wissensmanagements hin ausrichten Bezuumlglich des Schulsystems stellt sich dies angesichts der Vielfalt an beteiligten Organisationen und Akteuren anders da hier ist vielmehr von Zielkollisionen und diff erenten Interessenslagen auszugehen die auch entsprechendes Konfl iktpotenzial bergen (Bremm et al 2018) Von daher ist ein Uumlbertrag bezogen auf das Schulsystem in erster Linie thematisch zu denken weil das unterstellt dass von aumlhnlichen Zielen der Beteiligten auszugehen ist Ausgehend von einem Interesse der beteiligten Akteure im Schulsystem daran dass Schulen ndash im Fall des vorliegenden Projekts in herausfordernder sozialraumlumlicher Lage ndash gelingend unterstuumltzt werden ist das uumlbergeordnete systemische Ziel dass Schulentwicklungs-arbeit dieser Schulen sich so verbessert dass sich eine entsprechende Qualitaumltsent-wicklung auch im Output der Schule (wie in schulischen Qualitaumltsmerkmalen oder der Leistung von Schuumllerinnen und Schuumllern) niederschlaumlgt Richtet man das Wis-sensmanagement nun an dieser Leitidee aus kann es in den unmittelbaren Arbeitsbe-ziehungen entsprechend ausgestaltet werden

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 271

Die Vorstellung von Akteurskonstellationen im Sinne einer Community die the-menbezogen auch abseits von hierarchischen Strukturen agiert fi ndet sich im Schul-system vor allem im Bereich einer netzwerkgestuumltzten Schulentwicklung (Manitius amp Berkemeyer 2015 Ruumlrup amp Roumlbken 2015) Diese spezifi sche Schulentwicklungs-strategie erfaumlhrt in Deutschland in den letzten 10 Jahren erhebliche Resonanz wie etwa anhand der Vielfalt von Programmen und Maszlignahmen im Rahmen sogenann-ter Bildungslandschaft en sichtbar Aumlhnlich dem Gedanken der Communities liegt das Potenzial von schulischer Netzwerkarbeit vor allem darin als intermediaumlre Organisa-tionsform die Moumlglichkeit zum Austausch und Lernen aufzubieten und uumlber solche Strukturen auch Innovationen zu erzeugen und letztlich schulische Qualitaumltsentwick-lung zu foumlrdern Im deutschsprachigen Raum verlaumluft der Diskurs hierzu vor allem mit Blick darauf wie die einzelne Schule als Organisation von Vernetzungsaktivitaumlten profi tieren kann (Berkemeyer Bos Jaumlrvinen Manitius amp van Holt 2015)

In systemischer Perspektive erscheint es hilfreich die amerikanischen Arbeiten zu bdquoResearch-Practice-Partnershipsldquo in School-Districts aufzugreifen womit der Gedan-ke der wissensmanagementbetreibenden Community dahingehend ausgeschaumlrft wird dass unterschiedliche Akteure innerhalb solcher Partnerschaft en gerade auch auf-grund ihrer unterschiedlichen Handlungslogiken fuumlr eine erfolgreiche Zielerreichung kooperativ agieren muumlssen Ausgehend von einem Scheitern einfacher linear gedach-ter Uumlbersetzungsleistungen (z B von Forschungsergebnissen) wird der Ansatz der Re-search-Practice Partnerships wie folgt defi niert bdquoLong-term mutualistic collaborati-ons between practioners and researchers that are intentionally organized to investigate problems and solutions for improving district outcomesldquo (Coburn Penuel amp Geil 2013 S 2) Research-Practice Partnerships sind demzufolge eher langfristig angelegt die Beteiligten konzentrieren sich auf die Loumlsung von Praxisproblemen und agieren in Wechselwirkung zueinander ndash alle Seiten der Kooperation profi tieren und lernen von der Zusammenarbeit Hierfuumlr werden gezielt unterschiedlichste Strategien eingesetzt um eine enge Kooperation zu foumlrdern Wichtig fuumlr die unmittelbare Zusammenarbeit ist der Gedanke des bdquojoint workldquo (Penuel Allen Coburn amp Farrell 2015) wonach der Fokus der Arbeit gemeinsam ausgehandelt und die Verantwortung fuumlr die Zusammen-arbeit geteilt wird Dieser Aspekt unterscheidet sich z B von uumlblichen Kooperatio-nen zwischen Forschung und (Bildungsadministrations-)Praxis in welchen etwa For-schung beratend fuumlr Folgeeinschaumltzungen angefragt oder fuumlr Evaluationsstudien zur Erforschung von Praxis beauft ragt wird Ein weiteres Kennzeichnen solcher Partner-schaft en ist es dass gemeinsam Analysen von Daten auch auf der Basis unterschiedli-cher Datenquellen vorgenommen werden Dies erweist sich als anschlussfaumlhig an den Diskurs um die Herstellung von Evidenz uumlber Aushandlung der beteiligten Akteure (Heinrich 2015) sowie einer wissensbasierten partizipativ und diskursiv angelegten Evidenzgenese (Weiland 2013)

Zudem ist es ein Kennzeichen der Research-Practice-Partnership dass den unter-schiedlichen Logiken also auch den Unterschieden der Partner begegnet wird indem Grenzen uumlberschritten (boundary crossing) werden und sich somit der Logik und dem Professionsbereich des Anderen uumlber solche Grenzuumlberschreitungen angenaumlhert wird (Penuel et al 2015) Dies kann z B in Kommunikationssettings die Diskussion

Veronika Manitius und Nina Bremm 272

und Austausch zwischen Vertretungen aus Wissenschaft und Schulpraxis ermoumlglichen erfolgen oder auch in spezifi schen Publikationsformaten die unterschiedliche Sicht-weisen auf einen Gegenstand beruumlcksichtigen (exemplarisch Seidel et al 2016) Sol-che Grenzuumlberschreitungen tragen schlieszliglich zu bdquoboundaries practiceldquo bei wenn sie mit entsprechender Refl exionsarbeit einhergehen und Lernprozesse befoumlrdern und schlieszliglich Veraumlnderung von Routinen bewirken (Penuel et al 2015)

Fuumlr ein Wissensmanagement das in systemischer Perspektive als Transferstrategie fuumlr die Unterstuumltzung von Schulen in herausfordernder Lage genutzt werden soll bie-ten die vorangestellten theoretischen Ausfuumlhrungen wichtige Hinweise Die im Muumln-chener Modell des Wissensmanagements kategorial beschriebenen Prozessdimensio-nen zeigen auf wie sich entsprechend ein Wissensmanagement als Projektaufgabe konzipieren laumlsst Hierzu gehoumlren etwa die Entwicklung und der Einsatz zentraler Instrumente des Wissensmanagements die die Wissensgenese und -nutzung stuumltzen Ferner kommt der Wissenskommunikation eine erhebliche Bedeutung ndash auch in der Transferperspektive ndash zu was fuumlr ein gelingendes Wissensmanagement wiederum be-deutet fuumlr entsprechende Kommunikationsformen und -settings und letztlich auch das Aufeinandertreff en und wenn erforderlich konstante bdquoNaumlheldquo der relevanten Ak-teure zu sorgen

Bei dem mit dem Projekt verfolgten Anspruch zur Unterstuumltzung von Schulent-wicklungsarbeit in herausfordernder Lage evidenzinformiert und unter Einbezug re-levanter Ressourcen der verschiedensten Akteure im System vorgehen zu wollen (Bremm et al 2017) erscheint der Ansatz des Research-Practice-Partnership guumlns-tig da er konzeptionell gelingende Kooperation bei gleichzeitig diff erenten Hand-lungslogiken der Partner vorsieht Dies begruumlndet sich darin dass er konstant gehal-tene Naumlhe regelmaumlszligige Kommunikationssettings und Dialogforen sowie den Raum fuumlr zielorientierte wissensbasierte Verhandlung sowie Schaff ung von Problemloumlsun-gen unter Einbezug relevanter aber in ihrer Handlungslogik houmlchst unterschiedlicher Akteure vorsieht Studien zur Wirkung solcher Partnerschaft en zwischen Forschung und Praxis stuumltzen diese positiven Zuschreibungen Ihr Vorteil liegt vor allem darin auf lange Sicht auch zur Professionalisierung der Beteiligten im Sinne einer Veraumlnde-rung von Routinen und Verhaltensweisen beizutragen und dies vor allem dann wenn diese Partnerschaft en dialogbasiert und langfristig zusammenarbeiten (Coburn amp Pe-nuel 2016 Akkerman amp Bakker 2011) Zudem zeigt sich dass solche Partnerschaft en deutlich transformativer wirken als es klassische linear gedachte Transferstrategien leisten koumlnnen (Penuel et al 2015)

4 Wissensmanagementstrategien im Projekt

Die kooperativ konzipierte Struktur des Projekts bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo in NRW kann aumlhnlich einer Research-Practice-Partnership verstanden wer-den Allerdings wird die Akteurskonstellation Schulpraxis-Wissenschaft deutlich er-weitert um Bildungsadministration die einen aktiven Part in der projektbezogenen Zusammenarbeit einnimmt

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 273

Die auf den Wissensmanagement-Teil bezogene Zielstellung des Projektes bezieht sich auf das Interesse der beteiligten Bildungsadministration aus einem Schulentwick-lungsprojekt fuumlr 36 Schulen Erkenntnisse zu generieren die daraufh in gepruumlft werden koumlnnen inwiefern sie fuumlr die landesweiten Unterstuumltzungsstrukturen in NRW Rele-vanz besitzen und entsprechend transferiert und in Regelstrukturen umgesetzt wer-den Fuumlr ein groszliges Flaumlchenland wie NRW mit uumlber 5500 Schulen ist der Ansatz also sich praktisch an einer Partnerschaft zwischen Stift ung Schulen Wissenschaft und Bildungsadministration (Ministerium Landesinstitut und insbesondere auch das Fort-bildungssystem) zu beteiligen und relevante Ergebnisse des Projektes (Forschungswis-sen Erfahrungen Materialien) zu einer gelingenden Unterstuumltzung fuumlr Schulen in he-rausfordernden Lagen mit Bedarfen im Unterstuumltzungssystem zu koppeln und ggfs so aufzubereiten dass eine Uumlberfuumlhrung in die Unterstuumltzungssysteme wie etwa dem Fortbildungssystem ermoumlglicht wird

Diese Zielsetzung wird mithilfe einer dialogisch angelegten und eng ausgestalte-ten Zusammenarbeit der das Projekt steuernden Partnern aus Wissenschaft (Univer-sitaumlten Duisburg-Essen und Dortmund) Bildungsadministration (Landesinstitut fuumlr Schule NRW) sowie der Stift ung Mercator realisiert Konkret wird die Strategie ver-folgt mithilfe des Einsatzes von Wissensmanagement-Instrumenten durch das Lan-desinstitut aktiv fuumlr eine systematische Ermittlung von potentiell bedeutsamen Wis-sensbestaumlnden und sie Sammlung von Expertisen zu sorgen und parallel dazu bereits einen transferorientierten Dialog von Projektbeginn an mit dem moumlglichen bdquoAdres-satldquo Fortbildungssystem zu initiieren und zu pfl egen um auch die Expertise der im Fortbildungssystem Taumltigen mit einzubeziehen und Transferbemuumlhungen bedarfsge-recht auszurichten Zusaumltzlich werden weitere Wissenssorten wie etwa das durch die Universitaumlten generierte Forschungswissen miteinbezogen

Kooperative ProjektstrukturDie Partnerschaft im Projekt als bdquoPraxis-Wissenschaft -Administration-Partnerschaft ldquo (Manitius amp Bremm 2018) stellt sich vor dem Hintergrund der jeweiligen Rollen und Aufgaben der Akteure wie folgt dar (vgl Abb2) Das Projekt wird operativ durch die beteiligten Universitaumlten umgesetzt die hierfuumlr entsprechende Foumlrdergelder durch die Stift ung Mercator erhalten Die Universitaumlten nehmen im Projekt damit eine Doppel-rolle ein da sie einerseits den Schulentwicklungsteil verantworten und die Projekt-schulen in ihrer Schulentwicklungsarbeit unterstuumltzen indem sie die Ressourcen des Projektes koordinieren die Schulnetzwerke mit moderieren und steuern und anderer-seits sowohl Netzwerkarbeit als auch die Schulentwicklungsarbeit erforschen also z B auch die durchgefuumlhrten Maszlignahmen evaluieren bzw fuumlr deren Evaluation sorgen

Ein Beispiel fuumlr die dialogisch angelegte Evidenzaushandlung auf Grundlage ver-schiedener Wissenssorten (Forschungsergebnisse und schulinternes Wissen) zeig-te sich z B darin dass die im Rahmen einer Eingangserhebung erfassten schulspe-zifi schen Daten zur jeweiligen Schulqualitaumlt der Einzelschulen mit fast jeder Schule in einer gemeinsamen Sitzung zwischen Wissenschaft lerinnen und Mitgliedern aus Schulleitung Steuergruppe und zum Teil auch Kollegien besprochen und die unter-schiedlichen Sichtweisen auf die so ermittelten innerschulischen Entwicklungsbereiche

Veronika Manitius und Nina Bremm 274

abgeglichen wurde Erst nach dieser Aushandlung erfolgte dann die fi nale Zuordnung einer Schule zu einem Netzwerk mit Schulen aumlhnlicher Problemlagen als Ergebnis einer gemeinsamen Verstaumlndigung

Daruumlber hinaus stehen die beteiligten Universitaumlten in einem engen Austausch mit dem Landesinstitut z B im Rahmen regelmaumlszligig stattfi ndender Partnertreff en auf Pro-jektleitungsebene Hier geht es darum bereits bdquoim Prozessldquo in einen inhaltlichen und transferorientierten Diskurs uumlber den Projektstand die einzelschulischen Maszlignahmen und erzeugten wissenschaft lichen Befunde zu gelangen Das Landesinstitut nimmt mit Blick auf die Transferbemuumlhungen im Projekt eine zentrale Rolle ein Zum einen stellt es mit 5 Stunden entlastete Lehrkraumlft e (begleitende LK) den Netzwerken zur Verfuuml-gung Mit diesen Lehrkraumlft en die die Projektschulen begleiten und unterstuumltzen steht das Landesinstitut in einem regelmaumlszligigen Austausch setzt hier auch Instrumente des Wissensmanagements ein nutzt regelmaumlszligige Treff en mit den Lehrkraumlft en allein oder auch gemeinsam mit den Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern fuumlr den Dialog Schlieszliglich sorgt das Landesinstitut fuumlr die Information des Ministeriums fuumlr Schu-le und Bildung und den Bezirksregierungen und koordiniert hier auch regelmaumlszligigen Austausch um Zwischenstaumlnde zum Projekt in den Diskurs mit den Verantwortlichen fuumlr Qualifi zierung und Fortbildung zu bringen Dies bedeutet auch die fuumlr die Pro-jektschulen zustaumlndigen lokal ansaumlssigen Fortbildnerinnen und Fortbildner des staat-lichen Lehrerfortbildungssystems ebenfalls mit einzubeziehen Die von QUA-LiS ab-geordneten begleitenden Lehrkraumlft e fungieren zudem als eine wichtige Schnittstelle in diesem Gefuumlge der unterschiedlichen Projektpartner Sie sind maszliggeblich im Schul-entwicklungsteil des Projektes taumltig und unterstuumltzen die Einzelschulen in ihrer Ent-

Abbildung 2 Akteurskonstellation im Projekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo (Bremm 2016)

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 275

wicklungsarbeit z B indem sie bei dem Finden geeigneter Fortbildungen mit taumltig werden Dokumentationsarbeit leisten und Ruumlckkopplung auch zu der Arbeit in den Netzwerken herstellen Eine weitere wichtige Aufgabe die die diese Lehrkraumlft e erfuumll-len liegt darin zum Wissensmanagement im Projekt beizutragen Fuumlr den Dialog mit dem Landesinstitut werden hierfuumlr Instrumente des Wissensmanagements fuumlr die Do-kumentation und als Grundlage fuumlr vertieft en Austausch genutzt

Instrumente des WissensmanagementsDie im Projekt von Seiten der QUA-LiS eingesetzten Instrumente des Wissensma-nagements2 wurden unter Ruumlckgriff auf relevante Fachliteratur (Probst Raub amp Rom-hardt 2012) zunaumlchst vom Landesinstitut entwickelt erprobt und nach dem ersten Jahr zum Teil in gemeinsamer Abstimmung mit den Wissenschaft lerinnen und Wis-senschaft lern und den begleitenden Lehrkraumlft en im Projekt angepasst und veraumlndert Th eoretisch begruumlndet folgte die Entwicklung der Instrumente entlang einer heuristi-schen Struktur wie folgt (vgl Abb 3)

Abbildung 3 Struktur fuumlr die Entwicklung von Wissensmanagement-Instrumenten (Manitius amp Groot-Wilken 2017)

Es wird angenommen dass es gerade fuumlr die Genese von Wissen uumlber komplexe Pro-zesse ndash wie etwa auch die Schulentwicklungsarbeit an Schulen in herausfordernder Lage ndash bedeutsam ist Datenmaterial mit hohem narrativem Anteil also zum Beispiel erzaumlhlte Fallgeschichten zu erzeugen Geht man zunaumlchst davon aus kurz den Anlass das bdquoProblemldquo das bearbeitet werden soll zu benennen (also zum Beispiel die Not-wendigkeit dass es Probleme mit der Individualisierung von Unterricht gibt) dann ist vor allem die dann zu erzaumlhlende bdquoGeschichteldquo dazu von Interesse in welcher darge-legt wird was genau an Schritten vorgenommen wurde welche Entscheidungen wie und zu was getroff en wurden was spezifi sche Kontextmerkmale waren usw Daran

2 Von Seiten der Wissenschaft wurden weitere Wissenmanagementinstrumente entwickelt die vor allem im Bereich der Schulentwicklungsbegleitung der Einzelschulen und im Rahmen der Netzwerke eingesetzt wurden und den Kooperationspartnern ebenfalls zu Verfuumlgung stehen

Veronika Manitius und Nina Bremm 276

knuumlpft sich die Frage danach an welche Einsichten gewonnen wurden also was zum Beispiel im Rahmen einer Fortbildung zur Individualisierung als nuumltzlich erlebt und genutzt wurde aber auch welche Umsetzungsprobleme sich beispielsweise ergaben und welche Schluumlsse und bdquoFolgerungenldquo aus diesen Einsichten daraus gezogen wur-den Abschlieszligend werden die bdquoAnschlussfragenldquo z B nach den naumlchsten Schritten des Schulentwicklungsprozesses thematisiert

Eingesetzt werden im Projekt drei zentrale Instrumente des Wissensmanagements 1 Dokumentationstabelle uumlber den Entwicklungsverlauf in der Schulentwicklungs-arbeit der Schulen 2 Mikroartikel und 3 Interviews In der Dokumentationstabel-le notieren die begleitenden Lehrkraumlft e in vorgegebenen Kategorien was Ereignisse naumlchste Schritte Planungen und Termine sind Diese Dokumentation erfolgt je Schu-le und dient zum einen der Dokumentation der einzelschulischen Begleitung als auch als Grundlage fuumlr die Interviews in denen vertieft uumlber die jeweilige Schulentwick-lungsarbeit der Projektschulen gesprochen werden kann Die Dokumentationstabellen werden sowohl den wissenschaft lichen Teams als auch Landesinstitut zur Verfuumlgung gestellt Die Universitaumlten koumlnnen diese Daten triangulativ ihren zusaumltzlichen Daten zuspielen das Landesinstitut nutzt diese Dokumentationen um die Interviews die es selbst mit den begleitenden Lehrkraumlft en durchfuumlhrt vorzubereiten und um einen Uumlberblick uumlber die Ereignisse in der Unterstuumltzungsarbeit die die begleitenden Lehr-kraumlft e fuumlr die Schulen leisten zu gewinnen Halbjaumlhrlich verfassen die begleitenden Lehrkraumlft e zudem einen Mikroartikel der inhaltlich der skizzierten Wissensmanage-ment-Struktur (vgl Abb 3) folgt und in welchem entlang dieser Struktur die Lehr-kraumlft e in einem Flieszligtext eine bdquoGeschichteldquo ihrer Wahl aus der Schulbegleitung im Projekt aufschreiben Gerade der Mikroartikel erzeugt deutlich mehr narratives Mate-rial als das etwa uumlber die eher standardisierte Dokumentationstabelle moumlglich ist und ist auch Grundlage um in den ebenfalls halbjaumlhrlichen Interviews der begleitenden Lehrkraumlft e mit dem Landesinstitut auch noch mal vertieft die Fallgeschichten im Pro-jekt nachzuvollziehen und die zentralen Erkenntnisse herauszuarbeiten

Perspektivisch dient das so erzeugte Datenmaterial neben den wissenschaft lich ge-wonnenen Ergebnissen wie Evaluationsauswertungen als Grundlage fuumlr eine sich an-schlieszligende systematische Auswertung deren Essenz schlieszliglich kommunikativ an die zentralen Akteure z B im Fortbildungssystem sowie auch an entsprechende Stellen im Ministerium ruumlckgekoppelt werden Im Zusammenspiel mit den wissenschaft lich ge-wonnenen Ergebnissen ergibt sich hier also eine multiperspektivisch gewonnene und triangulativ ausgewertete Wissensbasis fuumlr die Transferarbeit in die regelhaft en Struk-turen Im Projekt zeigte sich dass die eingesetzten Wissensmanagementinstrumente zudem eine Refl exionsfunktion fuumlr die die Projektschulen begleitenden Lehrkraumlft e er-fuumlllen Indem diese einen Mikroartikel verfassen und in den Interviews vertieft uumlber die Schulentwicklungsarbeit sprechen kann die eigene Unterstuumltzungsleistung refl ek-tiert und zum Teil auch kritisch mit Blick auf eigene (Professionalisierungs-)Bedar-fe beleuchtet werden Diese Refl exionsmoumlglichkeiten werden zudem noch erweitert durch das regelmaumlszligige Aufeinandertreff en aller begleitenden Lehrkraumlft e wo aumlhnlich kollegialer Fallberatungen einzelne Herausforderungen in der Schulentwicklungsbe-gleitung eroumlrtert werden

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 277

Ausgehandeltes Transferkonzept fuumlr den WissenstransferUm die verschiedenen Wissensformen und Daten letztlich systematisch zusammen-zufuumlhren und die verschiedenen Transferinteressen der beteiligten Partner (Wissen-schaft Bildungsadministration und Stift ung) zu bedienen haben diese ein gemeinsa-mes so genanntes bdquoTransferkonzeptldquo ausgehandelt das grundlegend fuumlr die Aktivtaumlten des Wissensmanagements und die Transferarbeit im Projekt ist Ziel in der Aushand-lung eines solchen Konzepts war es die verschiedenen Logiken der Partner zusam-menzufuumlhren Dabei ging es in diesen Aushandlungen nicht darum eine zentrale Lo-gik als die uumlbergeordnete gelten zu lassen (z B die Forschungslogik) sondern die verschiedenen Interessen daraufh in zu pruumlfen wo Schnittmengen liegen und wie sich der Wissenstransfer entlang von inhaltlichen Setzungen unter Einbeziehung der ver-schiedenen Datenquellen und mit der Zielperspektive unterschiedlicher Transferfor-mate fuumlr unterschiedliche Transferadressaten organisieren laumlsst

In der Arbeit am Transferkonzept wurden entlang dem Projektziel naumlmlich zu eruieren was Schulen in herausfordernden Lagen unterstuumltzt Th emencluster defi -niert die die inhaltliche Systematik des Transferkonzepts vorgeben Th eoretisch war dabei der heuristische Bezugsansatz des Projektes des design-based-school-improve-ments leitend Hieraus ergaben sich folgende Cluster fuumlr das Konzept die wiederum noch einmal in Subthemen aufgegliedert wurden (vgl Abb 4)

Abbildung 4 Im Transferkonzept benannte Zielbereiche der Erkenntnisgewinnung

Veronika Manitius und Nina Bremm 278

Je Subthema wurde in einem naumlchsten Schritt geschaut welche Forschungsfragen die beteiligten Universitaumlten bezogen auf diesen thematischen Aspekt verfolgen und wel-che zusaumltzlichen Fragestellungen seitens der Bildungsadministration bestehen Es wur-de zudem gepruumlft welche der verschiedenen Datenquellen fuumlr die Beantwortung der Fragestellungen herangezogen werden konnte und schlieszliglich wurde in dem Transfer-konzept Uumlberlegungen dazu angestellt in welche Wissenstraumlgerformate die gewonne-nen Erkenntnisse uumlberfuumlhrt werden sollen Dies hatte zum Ziel auch Formate neben den wissenschaft lichen Publikationen zu beruumlcksichtigen die verschiedene Adressaten ansprechen (z B das Fortbildungssystem des Landes z B andere Schulen oder aber Stift ung) Nachfolgend zeigt der Auszug zum Subthema bdquoFortbildungenldquo im Cluster bdquoInterventionsstrategienldquo wie sich diese Systematik im Transferkonzept darstellt

ZIELBEREICHE der Erkenntnis-gewinnung

Fragestellungen Quellen Vorgehen Design Produktformat

Zeitliche Planung ampVerantwort-lichkeiten

13

Schul-interne Fortbil-dungen

bull Vor dem Hintergrund welcher schulischen Problemstellung wird Fortbildung in welcher Form geplant und durchgefuumlhrt

bull Welche spezifi schen Rahmenbedingungen und Ressourcen von Schulen werden in der Fortbildungsplanung beruumlcksichtigt

bull Wie werden die schuli-schen Fortbildungsmaszlig-nahmen von den Teil-nehmenden bewertet hinsichtlich des Nutzens fuumlr die weitere Schulent-wicklungsarbeit

bull Inwiefern wird das in den Fortbildungs-maszlignahmen Erlernte tatsaumlchlich aufgegriff en fuumlr die innerschulische Qualitaumltsentwicklung

bull Welche Rolle spielen Netzwerkarbeit und Einzelschulbegleitung in diesem Prozess Wo haben Schulen Unter-stuumltzungsbedarfe in diesem Prozess

bull Ausgangserhebung Datenruumlckmeldung

bull Protokolle der Vor-Ort-Gespraumlche mit BLK

bull Teile des Schulportfo-lios Auftragsklaumlrung Entwicklungspla-nung -verlauf

bull Evaluationsbogen SchiLf

bull Ergebnismaterialien der SchiLf (falls vor-handen) ppt-Praumlsen-tation Ablaufplan Protokoll Materialien

bull Zu 4 Protokoll der Nachbesprechung der BLK mit Schule Entwicklungsbe-richte und Teile des Schulportfolios uumlber den weiteren SE-Pro-zess an der Schule

bull Qualitative Fall-studien

Ca 2 Fall-schulen

Darstellung der Faumllle an-hand der Pro-zesslogik des Design-based School Im-provement (s Kapitel 3)

bull wissenschaftliche Artikel

bull Aufbereitung fuumlr Admi-nistration Dokumen-tation je Fall mit hohen narrativen Anteilen (die ausgewerteten Daten werden entsprechend der verwendeten wissenschaftlichen Methode aufbereitet dargestellt und die jeweils einbezogenen Praxis-Instrumente (zB das Auftragsklaumlrungs-formular) hinterlegt

bull Ergebnisse aus den Netzwerkevaluationen werden aufbereitet (Tabellen Abbildungen etc)

bull Aufstellung von Themen Referenten Fortbildungsangebo-ten aus den erfolgten SchiLfen (Referenten-pool)

bull Kopiervorlagen Auf-tragsklaumlrungsblatt Evaluationsbogen Ent-wicklungsplanung

bull Abgabe Sommer 2019

Abbildung 5 Auszug aus dem Transferkonzept Potenziale entwickeln ndash Schulen staumlrken

Mit Blick auf die bdquoPraxis-Wissenschaft -Administration-Partnerschaft ldquo im Projekt ist dieses Transferkonzept ein Ergebnis einer durchaus ressourcenintensiven Aushand-lung und Verstaumlndigung der beteiligten Partner daruumlber was vor dem Hintergrund unterschiedlicher Interessen und Zielstellungen die die Partner verfolgen leitende Orientierung fuumlr die gemeinsamen Transferaktivtaumlten sein soll Dabei beruumlcksichtigt das Konzept entlang konkreter inhaltlicher Fragestellungen wie verschiedene Daten-quellen sich aufeinander beziehen sollen und was adressatengerechte Transferpro-

Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie 279

dukte sein werden Dieses im Projektprozess erarbeitete Konzept ist dabei nicht ab-schlieszligend zu verstehen sondern wird in der weiteren Zusammenarbeit bei Bedarf angepasst und vor allem hinsichtlich der Realisierung weiter konkretisiert Somit wird nicht nur Verbindlichkeit bezuumlglich der Transferarbeit gewonnen sondern auch recht-zeitig Bedarfe zur Nachsteuerung erkannt beispielsweise weil Datenluumlcken in Bezug auf zu beantwortenden Fragestellungen bestehen die etwa durch zusaumltzliche Daten-erhebungen behoben werden koumlnnen

5 Fazit

Die Erfahrungen aus dem Potenziale-Projekt zeigen dass die Akteurskonstellation im Projekt als Praxis-Wissenschaft -Administration-Partnerschaft fuumlr den Transfer von Bildungsinnovationen eine guumlnstige Grundlage darstellt Gerade die diskursive und prozessbegleitende Aushandlung von Transferzielen Inhalten Formaten und Ad-ressaten die gemeinsame Entwicklung eines umfassenden Transferkonzepts und die langfristig angelegte Akquise Information und schrittweise Einbindung von Trans-fernehmern stellen Strategien dar die Transferprozesse systematisch vorbereiten be-darfsorientiert Gestaltung ermoumlglichen und einen Transfererfolg wahrscheinlicher machen Aus gelingenden Transferprozessen koumlnnen wiederum konkrete Mehrwer-te bspw in Form von datenbasiert abgeleiteten Handlungs- und Steuerungsstrategien erwachsen So steigt die Chance dass eingesetzte Ressourcen auch in konkrete und nachhaltige Veraumlnderungen und besseren Antworten auf draumlngende gesellschaft liche Probleme muumlnden Andererseits erfordert ein solches Vorgehen neben erheblichen zeitlichen Ressourcen eine intensive Auseinandersetzung der beteiligten Personen mit Transferinhalten und vor allem mit den jeweiligen Systemlogiken der Kooperations-partner Dies ist keineswegs trivial da Entscheidungen in ihren Konsequenzen von systemfremden Akteuren oft mals nicht realistisch eingeschaumltzt werden koumlnnen da systeminterne Logiken und Zusammenhaumlnge nicht auf den ersten und oft mals auch nicht auf den zweiten Blick sichtbar werden

Schulentwicklungsforschungsprojekte unter der Transferperspektive analytisch zweigeteilt zu konzipieren naumlmlich in einem von vornherein mitgedachtem Schul-entwicklungs- und Wissensmanagementteil eroumlff net zum einen neue Erkenntnisraumlu-me zum anderen aber auch zeitlich und personell gewachsene Kooperationsstruktu-ren zwischen unterschiedlichen Stakeholdern die fuumlr den Transfer Projektwissen in systemische Strukturen von groszligem Vorteil wenn nicht gar unabkoumlmmlich schei-nen Zukuumlnft ige Schulentwicklungsprojekte sollten diesen Zusammenhang von Inhalt Struktur und Transfer beruumlcksichtigen und sowohl in Wissensmanagement als auch in fruumlhzeitigen und prozessbegleitenden Austausch investieren Unabdingbar auf Sei-ten von Projekttraumlgern ist dabei die Moumlglichkeit und der Wille eine solche Investition auch mit Ressourcen zu unterfuumlttern Ohne entsprechende personelle und zeitliche Ressourcen kann der dargestellte Prozess der durchaus intensive Abstimmungs- und Beziehungsarbeit erfordert nicht gelingen

Veronika Manitius und Nina Bremm 280

Insgesamt zeigt sich eine kooperativ enge Zusammenarbeit steuernder Projektpart-ner die unterschiedliche Ressourcen Netzwerke und Kenntnisse einbringen welche eben nicht nur die praktische Schulentwicklungsarbeit und die Beforschung dieser im Rahmen eines Schulforschungs- und Entwicklungsprojekts fokussieren sondern ins-besondere auch auf ein Wissensmanagement abzielen als entscheidendes Erfolgskri-terium fuumlr gelingende Transferprozesse Dies basiert zudem auf einem gemeinsamen Verstaumlndnis von Transfer als kooperativen Aushandlungsprozess unterschiedlicher Lo-giken der Anschlussfaumlhigkeit an unterschiedliche Systemlogiken Wissensbestaumlnde und Kommunikationslogiken erst herstellen muss

Wissensmanagement muss hierbei systematisch erfolgen braucht also eine Ver-staumlndigung daruumlber mithilfe welcher Instrumente Wissen generiert und organisiert werden kann und dies muss schlieszliglich eingebettet entlang der inhaltlichen Fragestel-lungen und Logiken (im Rahmen des Projekts Heuristik des design-based school im-provement) erfolgen Dieser inhaltliche Bezug ist wichtig da sonst das Risiko besteht dass unrealistische Fragestellungen und Erwartungen an das Projekt herangetragen werden oder Wissensmanagement eher dem Selbstzweck dient Im Potenziale-Projekt hat es sich als bedeutsam erwiesen diesen inhaltlichen Fokus aumluszligerst stringent in den Aushandlungen und Abstimmungsprozessen der steuernden Projektpartnern einzu-nehmen um hieruumlber die verschiedenen Logiken der beteiligten Institutionen sinn-voll und die unterschiedlichen Interessen beruumlcksichtigend aufeinander zu beziehen

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Autorinnen und Autoren

Herbert Altrichter o Univ-Prof Dr Direktor der Linz School of Education der Jo-hannes Kepler Universitaumlt Linz Forschungsschwerpunkte Bildungsreform und Gover-nance des Bildungswesens Schulentwicklung Evaluation qualitative Forschungsme-thoden neue Lernformen Lehrerbildung

Mag Simone Breit ist Leiterin des Departements fuumlr Elementarpaumldagogik an der PH NOuml und war zwischen 2010 und 2017 am BIFIE u a fuumlr die Standarduumlberpruumlfungen und kompetenzorientierte Messverfahren (mit-)verantwortlich Ihre Arbeitsschwer-punkte sind evidenzbasierte Schul- und Unterrichtsentwicklung paumldagogische Diag-nostik sowie elementare Bildung

Dr Nina Bremm ist wissenschaft liche Mitarbeiterin der AG Bildungsforschung der Universitaumlt Duisburg-Essen wo sie die operative Leitung des Projekts sbquoPotenziale ent-wickelnndashSchulen staumlrkenlsquo innehat In ihrer aktuellen Forschung fokussiert sie Fragen des Umgangs von Bildungsinstitutionen mit herkunft sbedingter Heterogenitaumlt Schul-entwicklungsforschung Netzwerkforschung Implementations- und Transferforschung

Peter Dobbelstein 1 und 2 Staatsexamen Sozialwissenschaft en und Deutsch Lehrer-taumltigkeit am Gymnasium und Berufskolleg wissenschaft licher Mitarbeiter in diversen Schulentwicklungsprojekten Referent im nordrheinwestfaumllischen Landesinstitut fuumlr Schule Leiter des Referats Lehrplanentwicklung der allgemeinen Schulen im Schulmi-nisterium des Landes Nordrhein-Westfalen derzeit Staumlndiger Vertreter des Direktors des nordrheinwestfaumllischen Landesinstituts QUA-LiS NRW und Leiter des Arbeitsbe-reichs 2 (Uumlbergreifende bildungsbezogene Aufgabenfelder ndash Bildungsforschung Eva-luation Schulqualitaumlt Schulentwicklung wissenschaft liche Kooperation Bildungsbe-richterstattung)

Dr Stefan Hahn Mitarbeiter im Institut fuumlr Bildungsmonitoring und Qualitaumltsent-wicklung (IfBQ) Arbeitsschwerpunkte interne Evaluation und datengestuumltzte Schul-entwicklung

Dr Martin Heinrich ist Universitaumltsprofessor fuumlr Schulentwicklung und Schulfor-schung sowie Leiter der Wissenschaft lichen Einrichtung der Versuchsschule Oberstu-fen-Kolleg der Universitaumlt Bielefeld Forschungs-Arbeitsschwerpunkte Schulentwick-

Autorinnen und Autoren 284

lung Inklusion Steuerung und Governance im Bildungswesen Bildungsgerechtigkeit und bildungstheoretische Fragestellungen

Gabriele Klewin Dr stellv Leiterin der Wissenschaft lichen Einrichtung Oberstu-fen-Kolleg der Fakultaumlt fuumlr Erziehungswissenschaft Universitaumlt Bielefeld Arbeits- und Forschungsschwerpunkte Praxisforschung Forschendes Lernen Schulentwicklung

Prof Dr Barbara Koch Leiterin des Fachgebiets Schulpaumldagogik mit dem Schwer-punkt Schul- und Unterrichtsentwicklung an der Universitaumlt Kassel im Institut fuumlr Erziehungswissenschaft ihre Forschungsschwerpunkte sind Transferforschung Leh-rerbildung sowie Schul- und Unterrichtsentwicklung im Kontext von Inklusion For-schendes Lernen

Ulrike Krug ist nach der Taumltigkeit als Ausbilderin im Studienseminar Schulleiterin Schulamtsdirektorin jetzt im hessischen Kultusministerium taumltig Ihre Arbeitsschwer-punkte sind die individuelle Foumlrderung Lesefoumlrderung und computergestuumltzte Lern-verlaufsdiagnostik Sie leitet das Projektbuumlro fuumlr foumlrder- und kompetenzorientierten Unterricht mit dem entsprechenden Fortbildungsangebot fuumlr alle Schulformen Sie fuumlhrt zudem Fortbildungen zur Lesefoumlrderung in Hessen wie auch auf Bundesebene durch

Sebastian U Kuhnen ist wissenschaft licher Mitarbeiter in der Wissenschaft lichen Ein-richtung Oberstufen-Kolleg an der Universitaumlt Bielefeld und arbeitet in der Verlaufs- und Absolventenstudie am Oberstufen-Kolleg (VAmOS) zu Fragen der datengestuumltz-ten Schulentwicklung

Ramona Lau Diplom-Biologin ist Lehrer-Forscherin am Oberstufen-Kolleg Bielefeld Ihre Forschungsschwerpunkte sind Innere Diff erenzierung Inklusion und Nachteils-ausgleich in der Oberstufe

Dr Veronika Manitius ist Referentin fuumlr Wissenschaft s-Praxis-Kooperation der Qua-litaumlts- und UnterstuumltzungsAgentur ndash Landesinstitut fuumlr Schule NRW Ihre Arbeits-schwerpunkte sind Transfer Wissenschaft -Praxis und Schulentwicklung in herausfor-dernder Lage

Rick Mintrop ist Professor in der Graduate School of Education an der University of California Berkeley Seine Forschungsschwerpunkte sind Schulentwicklung Qualitaumlts-managment und Arbeitsmotivation von Lehrkraumlft en Er nimmt aktiv an designorien-tierten Entwicklungsprozessen in Schulen und Schulsystemen teil

Mag Maria Neubacher ist Researcherin im Department Bildungsstandards amp Inter-nationale Assessments am Bundesinstitut fuumlr Bildungsforschung Innovation amp Ent-wicklung des oumlsterreichischen Schulwesens (bifi e) in Salzburg und Leiterin des Teams bdquoRuumlckmeldungldquo Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Ergebnisruumlckmeldungen und Be-

Autorinnen und Autoren 285

richtslegung der oumlsterr Bildungsstandarduumlberpruumlfungen und damit einhergehende Schulungs- und Vortragstaumltigkeiten

Monika Palowski Dr phil Wissenschaft liche Mitarbeiterin an der Wissenschaft lichen Einrichtung Oberstufen-Kolleg und im Projekt BiProfessional im Rahmen der Qua-litaumltsoff ensive Lehrerbildung Universitaumlt Bielefeld Schwerpunkte Heterogenitaumlt Bil-dungsungleichheit Diskursanalyse Praxisforschung

Dr Hans-Guumlnter Rolff ist emeritierter Professor fuumlr Schulpaumldagogik und Bildungs-forschung an der TU-Dortmund Er war Mitbegruumlnder und Vorsitzender der Kom-mission Bildungsorganisation Bildungsplanung und Bildungsrecht der DGfE Vorsitzender der Sektion Bildungssoziologie der DGS und stellvertretener Ausschuss-vorsitzender der DFG und dort auch Fachgutachter Arbeitsschwerpunkte Sozialisa-tion Bildungsplanung und Schulentwicklung

Mag Dr Claudia Schreiner Universitaumlt Innsbruck Institut fuumlr LehrerInnenbildung und Schulforschung Arbeitsschwerpunkte paumldagogische Diagnostik und Kompetenz-messung Kompetenzorientierung und Bildungsstandards Chancengerechtigkeit und evidenzorientierte Qualitaumltsentwicklung

Ulrich Steff ens Erziehungswissenschaft ler zuletzt taumltig (bis zu seiner Pensionierung) als Direktor am hessischen Institut fuumlr Qualitaumltsentwicklung Wiesbaden Initiator des bdquoArbeitskreises Qualitaumlt von Schuleldquo (1985) Aktuelle Arbeitsvorhaben Hattie-Studie (bdquoLernen nach Hattie ndash Wie gelingt guter Unterrichtldquo Beltz 2016) Veroumlff entlichungs-reihe bdquoGrundlagen der Qualitaumlt von Schuleldquo aktuell erschienen Band 3 bdquoUnterrichts-qualitaumlt ndash Konzepte und Bilanzen gelingenden Lehrens und Lernensldquo (Waxmann 2019)

Cornelia Stiller Diplom-Biologin Diplom-Psychologin arbeitet als wissenschaft li-che Mitarbeiterin an der Fakultaumlt fuumlr Erziehungswissenschaft en und der Fakultaumlt fuumlr BiologieBiologiedidaktik an der Universitaumlt Bielefeld ihre Arbeits- bzw Forschungs-schwerpunkte sind Forschendes Lernen Experimentieren im Biologieunterricht ge-stuft e Lernhilfen beim Experimentieren schulinterne Evaluation epistemische Uumlber-zeugungen Fragebogenentwicklung

MMag Christian Wiesner BIFIE Arbeitsschwerpunkte Lehr-Lern-Forschung Be-ziehungs- und Praumlsenzpaumldagogik Beratungs- und Th erapietheorien in der Professio-nalisierung Fuumlhrungskultur und Leadership interpersonelle Kommunikation und Coaching Innovationsforschung Kompetenzorientierung und Bildungsstandards evi-denzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung

Susanne Wolter ist Abteilungsleiterin am Landesinstitut fuumlr Schule und Medien Ber-lin-Brandenburg mit den Arbeitsschwerpunkten Rahmenlehrplanentwicklung Unter-richtsentwicklung Medienbildung und Evaluation

UNSERE BUCHEMPFEHLUNG

Ulrich Steffens Katharina Maag Merki Helmut Fend (Hrsg)

SchulgestaltungAktuelle Befunde und Perspek-tiven der Schulqualitaumlts- und SchulentwicklungsforschungGrundlagen der Qualitaumlt von Schule 2

Beitraumlge zur Schulentwicklung 2017 336 Seiten br 3490 euro ISBN 978-3-8309-3617-6E-Book 3099 euro ISBN 978-3-8309-8617-1

In diesem zweiten Band zu bdquoGrundlagen der Qualitaumlt von Schuleldquo wird zunaumlchst die Grundidee von Schulqualitaumlt nachgezeichnet

und die konzeptionellen Grundlagen werden erlaumlutert Dabei wer-den spezifische Schwerpunkte der Schulqualitaumltsdebatte in den Fokus geruumlckt bedeutsame Forschungsbefunde eroumlrtert und An-saumltze fuumlr die Weiterentwicklung des Verstaumlndnisses von Schulqua-litaumlt diskutiert

Der Band beschaumlftigt sich in seinem zweiten Teil mit aktuellen Forschungsbefunden zur Entwicklung und Gestaltung von Schu-le Dem schlieszligt sich im dritten Teil eine Auseinandersetzung mit dem Anliegen einer Verbindung von Schulqualitaumlt und Schulent-wicklung an Dabei werden Ansaumltze vorgestellt wie dies realisiert werden koumlnnte und welche Potenziale Grenzen und weiterfuumlhren-den Fragestellungen sich durch eine engere Koppelung von Schul-qualitaumltsdiskursen und Schulentwicklungsforschung ergeben

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UNSERE BUCHEMPFEHLUNG

Ulrich Steffens Rudolf Messner (Hrsg)

UnterrichtsqualitaumltKonzepte und Bilanzen gelingenden Lehrens und Lernens Grundlagen der Qualitaumlt von Schule 3

Beitraumlge zur Schulentwicklung 2019 424 Seiten br 3990 euro ISBN 978-3-8309-3937-5E-Book 3599 euro ISBN 978-3-8309-8937-0

Das Arbeitsgebiet der Didaktik befindet sich derzeit in einem Umbruch Das wachsende Autonomiebestreben

der Kinder und Jugendlichen der houmlhere Anspruch an eine individuelle Foumlrderung sowie die zunehmende Digitalisie- rung des (Schul-)Alltags fordern zu einem grundlegenden Umdenken auf Eingeteilt in die vier Abschnitte bdquoEntwicklun-genldquo bdquoEntwuumlrfeldquo bdquoBilanzenldquo und bdquoAntizipationenldquo beschreibt dieser Band die Moumlglichkeiten und Herausforderungen die mit diesem Wandel einhergehen und bietet so eine wahre Fundgrube fuumlr qualitaumltsvolles unterrichtliches Handeln

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UNSERE BUCHEMPFEHLUNG

Susanne Schwab Georg Tafner Silke Luttenberger Hannelore Knauder Christa-Monika Reisinger (Hrsg)

Von der Wissenschaft in die PraxisZum Verhaumlltnis von Forschung und Praxis in der Bildungsforschung

2018 236 Seiten br 2990 euro ISBN 978-3-8309-3841-5E-Book 2699 euro ISBN 978-3-8309-8841-0

Fortwaumlhrend steht die Bildungsforschung vor der Heraus- forderung Moumlglichkeiten und Grenzen des Wissenschaft-

Praxis-Transfers aufzuzeigen Dieser Tagungsband der Sektion Empirische Paumldagogische Forschung der Oumlsterreichischen Ge- sellschaft fuumlr Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (OumlFEB) und des Bundeszentrums fuumlr Professionalisierung in der Bildungsforschung (BZBF) greift diese Thematik auf und praumlsentiert nationale und internationale Beitraumlge die sich diesem Spannungsfeld aus unterschiedlichen Disziplinen und Perspektiven zuwenden Damit soll ein weiterer konkreter Bei- trag der Bildungsforschung an der Schnittstelle von Wissen-schaft und Praxis geleistet werden

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  • Buchtitel
  • Impressum
  • Inhalt
  • Vorwort
  • Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash eine Problemskizze (Ulrich Steffens Martin Heinrich amp Peter Dobbelstein)
    • Vorbemerkung
    • 1 Kurze Beschreibung der Sach- bzw Problemlage
    • 2 Handlungsperspektiven fuumlr einen Praxistransfer
      • 21 Wissenschafts-Praxis-Dialog
      • 22 Entwicklung und Bereitstellung von bdquoPraxistheorienldquo
      • 23 bdquoPraxisforschungldquo
      • 24 Institutionelle Traumlger und Rollen eines Praxistransfers
        • 3 Problem- und Fragestellungen bei der Initiierung des Praxistransfers
        • Literatur
          • Transfer ist Arbeit und Lernen (Herbert Altrichter)
            • Die Transfer-Hoffnung
            • 1 Wissensverwendung
            • 2 Modelle der Theorie-Praxis-Transformation
              • 21 Unterrichts- und Schulentwicklung durch Datenfeedback
              • 22 Professionelles Lernen
                • Literatur
                  • Designbasierte Schulentwicklung ndash ein kurzer Abriss (Rick Mintrop)
                    • 1 Die Logik der designbasierten Schulentwicklung
                      • 11 Handlungstheorien
                      • 12 Problemloumlsen
                      • 13 Schnelles Denken ndash langsames Denken
                      • 14 Diagnose eines Problems
                      • 15 Treiber oder Triebkraumlfte der Veraumlnderung
                      • 16 Iteratives Vorgehen
                        • 2 Partnerschaften zwischen Praxis und Forschung
                          • 21 Ein Fallbeispiel Das Projekt bdquoVertiefendes Lernenldquo in einem Schulbezirk in sozial schwieriger Lage
                          • 22 Problembewusstsein
                          • 23 Inspiration und konkrete Vision des bdquoVertiefenden Lernensldquo
                          • 24 Unterrichtsexperimente in Teams
                          • 25 Unterrichtspraktiken
                          • 26 Fokus und Kohaumlrenz
                            • 3 Schlussbemerkung
                            • Literatur
                              • Transfer von Innovationen im Schulbereich (Hans-Guumlnter Rolff)
                                • 1 Formen des Transfers
                                • 2 Transfer als Nacherfindung
                                  • 21 Dynamische Prototypen und Werkstaumltten
                                  • 22 Von Prototypen zur Nachhaltigkeit
                                  • 23 Innovation als sozialer Prozess
                                  • 24 Transfer als Transformation
                                    • 3 Change Management als Vehikel
                                    • 4 Transfer durch Personen
                                    • Literatur
                                      • Evidenzbasierte Steuerung ohne bdquoEvidenztransferldquo Zum Problem der mangelnden Professionssensibilitaumlt des Programms der Evidenzbasierung sowie den Chancen und Grenzen von Praxisforschung als Alternative oder Ergaumlnzung (Martin Heinrich und Gabriele Klewin)
                                        • 1 Praxisforschung als Antwort auf Probleme des bdquoEvidenz-Transfersldquo
                                        • 2 Von den immanenten Widerspruumlchen des Programms der Evidenzbasierten Steuerung und dem Problem des Transfers von Evidenzen
                                        • 3 Zum Begriff der Praxisforschung und ihren Moumlglichkeiten und Grenzen fuumlr Transfer von Forschungswissen
                                        • 4 Ausblick
                                        • Literatur
                                          • Implementation Transfer Progression und Transformation Vom Wandel von Routinen zur Entwicklung von Identitaumlt Von Interventionen zu Innovationen die bewegen Bausteine fuumlr ein Modell zur Schulentwicklung durch Evidenz(en) (Christan Wiesner und Claudia Schreiner)
                                            • Kerngedanke 1 ein Modell der Entwicklung und Verbesserung
                                            • Kerngedanke 2 die Verortung von Daten
                                            • Kerngedanke 3 die Differenzierung von Daten verstehen
                                            • Kerngedanke 4 Professionelle Lerngemeinschaften und Netzwerke foumlrdern
                                            • Kerngedanke 5 eine lernende Schule entwickeln und etablieren
                                            • Kerngedanke 6 ein Rahmen- und Orientierungsmodell
                                            • Kerngedanke 7 Kompetenzverstaumlndnis
                                            • Kerngedanke 8 Implementation Transfer Progression und Transformation
                                            • Fazit
                                            • Literatur
                                              • Uumlber Praxisforschung zum Transfer von Innovationen (Stefan Hahn Gabriele Klewin Barbara Koch Sebastian U Kuhnen Monika Palowski und Cornelia Stiller)
                                                • 1 Innovationen und Transfer
                                                • 2 Praxisforschung am Oberstufen-Kolleg Bielefeld
                                                  • 21 Die Entwicklung von Fragestellung und methodischem Design in Kooperation von Praxis und Wissenschaft
                                                  • 22 Die Gestaltung von Ergebnisruumlckmeldungen in Prozessen der datengestuumltzten Unterrichtsentwicklung
                                                  • 23 Transfer durch Netzwerkbildung und Ruumlckwirkungen der Rezeption auf den Innovations- und Unterstuumltzungskontext
                                                    • 3 Bedingungen fuumlr die Entwicklung transferfaumlhiger Innovationen
                                                    • Literatur
                                                      • Das didaktische Potenzial von Lernaufgaben (Josef Thonhauser)
                                                        • 1 Ein allgemeindidaktischer Rahmen
                                                          • 11 Welche Funktionen koumlnnen Aufgaben grundsaumltzlich erfuumlllen
                                                          • 12 Wer entscheidet uumlber die zu stellenden Aufgaben
                                                          • 13 Wer beurteilt die von Schuumllerinnen und Schuumllern vorgelegten Loumlsungen
                                                          • 14 Formale Merkmale von Aufgaben
                                                          • 15 Einschraumlnkende Bedingungen beim Einsatz von Lernaufgaben
                                                            • 2 Nach wie vor ein Desiderat fachdidaktische Differenzierungen
                                                            • 3 Einige illustrative Beispiele fuumlr Lernaufgaben
                                                              • 31 Ein begruumlndetes aumlsthetisches Urteil finden (fuumlr eine gymnasiale Oberstufe)
                                                              • 32 Nicht jede (z B im Schulbuch gestellte) Aufgabe ist auch loumlsbar (Sekundarstufe I)
                                                              • 33 Menschenrechte da und dort ndash gestern und heute (Sekundarstufe II)
                                                                • Literatur
                                                                  • Paumldagogische Diagnostik als Transfer-Herausforderung Instrumente paumldagogischer Diagnostik im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen und schulpraktischen Anspruumlchen (Claudia Schreiner und Simone Breit)
                                                                    • 1 Ausgangspunkt Heterogenitaumlt
                                                                    • 2 Paumldagogische Diagnostik als Grundlage zielgerichteten Lernens
                                                                    • 3 Instrumente aus der Wissenschaft und ihre Verwendung in der paumldagogischen Praxis
                                                                      • 31 Informelle Kompetenzmessung (IKM)
                                                                      • 32 USB PluS Sprachstandsfeststellung in der Volksschule
                                                                      • 33 USB DaZ Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache
                                                                        • 4 Diagnoseinstrumente von der Wissenschaft fuumlr die paumldagogische Praxis ein Balanceakt in vielerlei Hinsicht
                                                                        • 5 Zusammenfassung und Ausblick
                                                                        • Literatur
                                                                          • Daten nutzen ndash Schulen entwickeln SANDBIST als interaktives Format der Datenruumlckmeldung (Simone Breit Claudia Schreiner und Maria Neubacher)
                                                                            • 1 Schul- und Unterrichtsentwicklung durch externe Daten ndash Wie Standarduumlberpruumlfungen in Oumlsterreichs Schulen Qualitaumltsentwicklung anstoszligen (sollen)
                                                                            • 2 Die Rolle der Schulaufsicht im Rahmen datenbasierter Schulentwicklung
                                                                              • 21 Die Mitglieder der Schulaufsicht als Bindeglied zwischen Schulen und Bildungsverwaltung
                                                                              • 22 Die Nutzung von Bildungsstandardergebnissen durch die Schulaufsicht
                                                                                • 3 Anforderungen an die Aufbereitung von Daten fuumlr die evidenzorientierte Qualitaumltsentwicklung an Schulen
                                                                                  • 31 Qualitaumltsanforderungen an Ruumlckmeldeberichte
                                                                                  • 32 Moumlglichkeiten und Grenzen der klassischen Datenaufbereitung in Berichtsform
                                                                                    • 4 SANDBIST als innovative Form der Datenbereitstellung fuumlr die Schulaufsicht
                                                                                      • 41 Nutzungsmoumlglichkeiten von SANDBIST
                                                                                      • 42 Beschreibung des Instruments und Begleitmaszlignahmen
                                                                                        • 5 Zusammenfassung und Ausblick
                                                                                        • Literatur
                                                                                          • Das Modell der Feldtransformation Chancen und Moumlglichkeiten (Christian Wiesner)
                                                                                            • 1 Ein kurzer Exkurs zum Begriff der Evidenz
                                                                                            • 2 Das Modell der Feldtransformation
                                                                                            • 3 Annaumlherungen aus einer psychotherapeutischen Perspektive der Ursprung des Modells
                                                                                            • 4 Annaumlherungen aus einer lerntheoretischen Perspektive der Prozess des Lernens
                                                                                            • 5 Annaumlherungen aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive der Prozess der zwischenmenschlichen Kommunikation
                                                                                            • 6 Annaumlherungen aus der Perspektive der lernenden Organisation und der Systeme
                                                                                            • 7 Ausblick und Fazit
                                                                                            • Literatur
                                                                                              • bdquoVerstaumlrkte Lesefoumlrderung an hessischen Schulenldquo Praxistransfer Schul- und Unterrichtsforschung ndash Wie kann Transfer gelingen (Ulrike Krug)
                                                                                              • Praxisforschung zur Inneren Differenzierung in der Sekundarstufe II ndash und dann Moumlglichkeiten und Schwierigkeiten von Praxistransfer (Ramona Lau)
                                                                                                • 1 Heterogenitaumlt als Normalfall Praxisforschung Innere Differenzierung in der Sekundarstufe II mit Transfer der Ergebnisse in die Praxis
                                                                                                  • 11 Interner Transfer von Forschungsergebnissen das Schulentwicklungsprojekt Innere Differenzierung in der Sekundarstufe II am Oberstufen-Kolleg
                                                                                                  • 12 Das Praxishandbuch bdquoInnere Differenzierung in der Sekundarstufe IIldquo ndash aus der Praxis fuumlr die Praxis
                                                                                                  • 13 Externer Transfer Fortbildungen zur Inneren Differenzierung
                                                                                                    • 2 Praxistransfer Problemstellungen aus der Praxis
                                                                                                    • 3 Schlussfolgerungen und Perspektiven
                                                                                                    • Literatur
                                                                                                      • Fortbildungsprojekt LAGOS (Lernprozesse mit Aufgabengestalten optimieren und steuern) ndash eine Kooperation von Wissenschaft Landesinstitut regionaler Fortbildung und Schulpraxis (Susanne Wolter)
                                                                                                        • Ziele
                                                                                                        • Struktur
                                                                                                        • Inhalte und Umsetzung
                                                                                                        • Evaluation
                                                                                                        • LAGOS aus der Sicht des paumldagogischen Landesinstituts
                                                                                                        • Gelingensbedingungen und Fazit
                                                                                                        • Literatur
                                                                                                          • Kooperation von Wissenschaft Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie Einblicke in ein Schulentwicklungsprojekt zu Schulen in sozial-raumlumlichen benachteiligten Lagen in NRW (Veronika Manitius und Nina Bremm)
                                                                                                            • 1 Hintergrund
                                                                                                            • 2 Das Projekt bdquoPotenziale entwickeln ndash Schulen staumlrkenldquo
                                                                                                            • 3 Kooperatives Wissensmanagement als Transferstrategie im Schulsystem
                                                                                                            • 4 Wissensmanagementstrategien im Projekt
                                                                                                            • 5 Fazit
                                                                                                            • Literatur
                                                                                                              • Autorinnen und Autoren
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