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Prof. Dr. Michael Bernecker Bildungsmarketing Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 2014

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Prof. Dr. Michael Bernecker

Bildungsmarketing

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 2014

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Impressum

Autor: Prof. Dr. Michael Bernecker

Aktualisierungen 2012 Dr. Kerstin Weihe Herausgeber: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Center für lebenslanges Lernen C3L Auflage: 8. Auflage 2014, Erstausgabe 2005 Redaktion: Uda Lübben, Franziska Buß-Vondrlik Layout: Andreas Altvater Copyright: Vervielfachung oder Nachdruck auch auszugsweise zum Zwecke einer Veröffentli-

chung durch Dritte nur mit Zustimmung der Herausgeber, 2014 ISSN: 1862 - 2712

Oldenburg, Januar 2014

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Prof. Dr. Michael Bernecker

Forschungsschwerpunkte

Bildungsmarketing (Dienstleistungsmarketing)

Branding

Management von Werbeagenturen

Prozessmanagement im Marketing

Prof. Dr. Michael Bernecker (1967) leitet das Deutsche Institut für Marketing in Köln.

Akademischer Werdegang

Prof. Dr. Michael Bernecker studierte Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Mar-keting an der Universität Siegen mit Abschluss als Diplom-Kaufmann. Nach einer Promo-tion zum Strategischen Marketing von Bildungsanbietern (Bildungsmarketing) hat er einen Ruf an die FHDW Bergisch Gladbach angenommen. Seit 2001 ist Herr Bernecker Fach-verantwortlicher für Marketing und Internationales Management.

Als Referent hat er mittlerweile über 20 000 Menschen bei Vorträgen, Seminaren und Workshops erreicht. Fernsehbeiträge in WDR, HR, NDR, Bloomberg TV und zahlreiche Radiobeiträge in WDR 1-5, HR, NDR, Deutschland Funk sowie diversen Regionalsendern bezeugen seine Kompetenz. Zahlreiche Buchveröffentlichungen und über 100 Beiträge in Fachzeitschriften runden sein Profil ab.

Tätigkeitsprofil in der Wirtschaft

Der Beginn seiner Karriere in der Wirtschaft ist durch Stationen im Vertrieb & Marketing bei mehreren Bildungsanbietern gekennzeichnet. Darauf aufbauend war er in der Marke-tingberatung tätig und mehrere Jahre Vorstand einer der größten Werbeagenturen des Ruhrgebietes. Als Gesellschafter und Geschäftsführer mehrerer Unternehmen ist Herr Bernecker zudem erfolgreich unternehmerisch tätig.

Kontakt:

Deutsches Institut für Marketing (DIM) Prof. Dr. Michael Bernecker

Kieskauler Weg 71 D-51109 Köln

eMail: [email protected] Tel. (02 21) 4 92 35 77 Fax (02 21) 4 92 35 76

www.marketinginstitut.biz

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INHALTSVERZEICHNIS

EINFÜHRUNG IN DAS MODUL ............................................ 7 

1  GRUNDBEGRIFFE DES BILDUNGSMARKETING .... 10 

1.1  Historie und begriffliches Verständnis .......................... 10 1.2  Formen des Marketing ................................................... 12 1.3  Bildung als Marketinginstrument .................................. 14 1.4  Bildungsmarketing als internes Marketing ................... 15 1.5  Marketing für Bildungsanbieter ..................................... 16 1.6  Besonderheiten der Bildung als Absatzinstrument ....... 16 

2  MARKETINGFORSCHUNG ...................................... 20 

2.1  Grundbegriffe, Aufgaben und Arten ............................... 20 2.2  Träger der Marketingforschung ..................................... 22 2.3  Prozess der Marketingforschung

(5 D’s der Marketingforschung) ..................................... 23 2.4  Definition der Marktforschungsinhalte .......................... 24 2.4.1  Marktgrößen ............................................................................ 25 

2.4.2  Kundenzufriedenheit ................................................................ 27 2.5  Design und Datengewinnung in der Marketingforschung 28 2.6  Datenanalyse ................................................................. 31 2.7  Dokumentation der Ergebnisse ..................................... 32 

3  STRATEGISCHE UNTERNEHMENSFÜHRUNG EINES BILDUNGSANBIETERS ................................ 36 

3.1  Strategische Marketinganalysen ................................... 37 3.1.1  Stärken-Schwächen-Analyse ................................................... 37 3.1.2  Chancen-Risiken-Analyse ........................................................ 38 

3.1.3  SWOT-Analyse ......................................................................... 39 3.1.4  Portfolio-Analyse ...................................................................... 40 

3.2  Ausprägungen von Marketingstrategien ....................... 42 3.2.1  Wachstumsstrategien .............................................................. 43 3.2.2  Strategische Alternativen nach Porter ..................................... 45 

3.2.3  Integrierter Strategieansatz nach Becker ................................ 47 3.3  Marketingkonzeption ..................................................... 49 

4  FESTLEGUNG DES MARKETING-MIX EINES BILDUNGSANBIETERS ........................................... 54 

4.1  Leistungspolitik (Product) .............................................. 56 4.1.1  Aufgaben und Entscheidungsfelder der Leistungspolitik ............ 56 

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4.1.2  Leistungsbeschreibung ............................................................ 57 

4.1.3  Bildungsmarkenpolitik .............................................................. 58 4.1.4  Servicepolitik ............................................................................ 62 

4.2  Kommunikationspolitik (Promotion) .............................. 64 4.2.1  Mediawerbung ......................................................................... 65 4.2.2  Persönliche Kommunikation .................................................... 67 

4.2.3  Einsatz des Direct-Marketing ................................................... 67 4.2.4  Öffentlichkeitsarbeit ................................................................. 69 

4.2.5  Neue Medien ........................................................................... 70 4.2.6  Mund-zu-Mund-Kommunikation .............................................. 72 

4.2.7  Messen und Ausstellungen ...................................................... 73 4.3  Distribution der Bildungsleistung (Place) ...................... 74 4.4  Preispolitik (Price) .......................................................... 76 4.4.1  Nachfragerorientierte Preisbildung .......................................... 77 4.4.2  Wettbewerbsorientierte Preisbildung ....................................... 78 

4.4.3  Kostenorientierte Preisbildung ................................................. 79 4.4.4  Rabattpolitik ............................................................................. 79 

4.5  Integration der Mitarbeiter (People) ............................... 80 4.5.1  Verschiedene Rollen im Marketingprozess .............................. 80 4.5.2  Internes Marketing ................................................................... 82 

4.6  Marktorientierte Unternehmensprozesse (Process) ..... 83 4.7  Ausstattungspolitik des Bildungsanbieters

(Physical Facilities) ........................................................ 86 

5  IMPLEMENTIERUNG DES BILDUNGSMARKETING . 92 

5.1  Marketingorganisation ................................................... 92 5.1.1  Anforderungen an kundenorientierte Organisationsstrukturen 92 

5.1.2  Grundtypen kundenorientierter Organisationsformen .............. 94 5.2  Barrieren bei der Implementierung des

Bildungsmarketing ......................................................... 99 5.2.1  Widerstände bei der Implementierung .................................... 99 

5.2.2  Motive für Widerstand ............................................................ 100 5.2.3  Vermeidung und Abbau von Widerständen ........................... 102 

6  SCHLÜSSELWÖRTERVERZEICHNIS .................... 108 

7  GLOSSAR ............................................................. 109 

8  LITERATURVERZEICHNIS ..................................... 116 

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EINFÜHRUNG IN DAS MODUL

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EINFÜHRUNG IN DAS MODUL

BILDUNGSMARKETING 7

EINFÜHRUNG IN DAS MODUL

Dieses Modul führt Sie in die Gesamtthematik des Bildungsmarketing ein. Ziel dieses Moduls ist es, Ihnen die grundlegenden Techniken und Denkweisen eines modernen Marketing für Bildungsanbieter vorzustellen.

Die konkreten Lernziele dieses Modul sind:

Sie lernen das Bildungsmarketing vom klassischen Konsumgütermarketing zu differenzieren und die unterschiedlichen Anwendungsfelder kennen.

Sie erkennen, welchen Stellenwert die Marketingforschung hat und wie Marktanalysen aufgebaut sind.

Sie erfahren, wie strategische Marketingüberlegungen zu konkreten Strategie-bündeln für einen Anbieter führen.

Sie lernen, wie ein Marketingmix eines Bildungsanbieters aufgebaut ist und welche Besonderheiten beim Aufbau eines Marketingmix zu beachten sind.

Sie erfahren, auf welche Probleme bei der Implementierung des Marketing im Unternehmen geachtet werden muss.

Das Modul gliedert sich in fünf Abschnitte, die getrennt be- und erarbeitet wer-den können. Es empfiehlt sich jedoch, in einem ersten Lern- und Leseprozess die vorgegebene Reihenfolge einzuhalten.

Kapitel 1

Das erste Kapitel bildet die grundlegenden Begriffe und Grundstrukturen des Bildungsmarketing ab. Es stellt die Zusammenhänge und Unterschiede diverser Teilbereiche des Bildungsmarketing systematisch dar. Zudem erfolgt die Dar-stellung der Besonderheiten eines Bildungsmarketing.

Kapitel 2

Modernes Bildungsmarketing ist auf die aktuellen und potenziellen Märkte des Unternehmens ausgerichtet. Die Marketingforschung liefert hierfür die relevan-ten Informationen. Im zweiten Abschnitt erfolgt daher die Vorstellung der we-sentlichen Prozesse und Instrumente im Rahmen der Marketingforschung.

Kapitel 3

Die konzeptionelle Grundlage und Ausrichtung eines Bildungsanbieters erfolgt mit Hilfe strategischer Fragestellungen. Kapitel 3 stellt zunächst grundlegende Analysetools und anschließend strategische Optionen für Bildungsanbieter vor.

Kapitel 4

Die operative Umsetzung des Bildungsmarketing erfolgt durch den Einsatz eines Instrumenten-Mix. Aufbauend auf einem Dienstleistungsverständnis, stellt dieser Abschnitt einen sieben Instrumente umfassenden Mix vor.

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EINFÜHRUNG IN DAS MODUL

BILDUNGSMARKETING 8

Kapitel 5

Wesentliche Probleme entstehen im Marketing immer dann, wenn man in einem Unternehmen diese Grundgedanken strukturell verankern möchte. Daher setzt sich das Kapitel 5 mit der Frage auseinander, inwieweit Marketingstrukturen bei einem Bildungsanbieter implementiert werden können.

Die nachfolgende Abbildung stellt die Grundstruktur des Moduls grafisch dar:

Abbildung 1: Grundstruktur des Moduls

Bei der Bearbeitung des Moduls sollten Sie auf einige Besonderheiten achten, und zwar:

Verknüpfung der Kapitel

Prinzipiell lassen sich die Kapitel einzeln bearbeiten. In einer ersten Durchsicht des Lehrtextes sollten Sie jedoch darauf achten, dass die lineare Bearbeitung das Gesamtverständnis fördert.

Wortwahl

In der Regel werden die Begriffe „Bildungsanbieter“ und „Bildungsunternehmen“ synonym verwendet. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die prinzi-piellen Prozesse unabhängig vom einzelnen Betrieb oder Unternehmen ablaufen. D. h.: Es ist für dieses Modul unerheblich, ob seine Inhalte auf eine Schule, eine Volkshochschule, ein kleines Trainingsunternehmen, eine Universität oder einen großen kommerziellen Weiterbildungsanbieter angewendet werden.

Des Weiteren wird in der Wortwahl auch nicht nach dem Geschlecht unterschie-den – sowohl der Trainer als auch die Trainerin sind gemeint und sollten sich angesprochen fühlen.

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KAPITEL 1: GRUNDBEGRIFFE DES BILDUNGSMARKETING

In diesem Kapitel lernen Sie:

die Grundbegriffe des Marketing kennen und sie zu strukturieren,

die wesentlichen Ausprägungen des Bildungsmarketing kennen und

die Besonderheiten eines Marketing für Bildungsanbieter kennen.

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1 GRUNDBEGRIFFE DES BILDUNGSMARKETING

BILDUNGSMARKETING 10

1 GRUNDBEGRIFFE DES BILDUNGS-MARKETING

1.1 Historie und begriffliches Verständnis

Der Begriff Marketing ist in einem engen Zusammenhang mit der Absatzfunktion eines Unternehmens zu betrachten. Der Absatz ist mit der Veräußerung der er-stellten Waren- und Dienstleistungen verbunden. Je nach dem Blickwinkel der Analyse des Absatzes und des Marktgeschehens lassen sich verschiedene Ansätze einer Theorie des Absatzes unterscheiden. So existiert ein:

institutioneller Ansatz,

güterbezogener Ansatz,

funktionsbezogener Ansatz,

instrumentaler Ansatz und

der Marketingansatz.

Gerade der Marketingansatz gewann in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend an Bedeutung und lässt sich wie folgt definieren:

„Marketing ist die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potenti-ellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedi-gung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele im gesamtwirtschaftlichen Güterversorgungsprozess verwirklicht werden.“

(Meffert 1997)

Für dieses Marketingverständnis sind folgende Merkmale typisch:

die bewusste Absatz- und Kundenorientierung aller Unternehmensbereiche (Philosophieaspekt),

die Erfassung, Beobachtung und Analyse der Verhaltensmuster aller für das Unternehmen relevanten Umweltschichten (Verhaltensaspekt),

die planmäßige Erforschung des Marktes als Voraussetzung für kundengerech-tes Verhalten (Informationsaspekt),

die Festlegung marktorientierter Unternehmensziele und langfristiger Verhal-tenspläne (Strategieaspekt),

die planmäßige Gestaltung des Marktes durch den zielgerichteten Einsatz aller Marketinginstrumente (Aktionsaspekt),

die Anwendung des Prinzips der differenzierten Marktbearbeitung (Segmentie-rungsaspekt),

die Koordination aller marktgerichteter Unternehmensaktivitäten und deren organisatorische Verankerung (Koordinations- bzw. Organisationsaspekt) und

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die Einordnung der Marketingentscheidung in ein größeres soziales System (Sozialaspekt).

Eine neuere Interpretation des Begriffes liefert folgende Definition:

„Marketing hat als Unternehmensaufgabe den Aufbau, die Aufrechterhaltung und Verstärkung der Beziehungen zum Kunden, anderen Partnern (Stakeholder) und ge-sellschaftlichen Anspruchsgruppen zu gestalten. Mit der Sicherung der Unterneh-mensziele sollen auch die Bedürfnisse der beteiligten Gruppen befriedigt werden.“

(Meffert 1997)

Die heutige Sicht des Marketing ist das Ergebnis eines längeren Prozesses, der die permanente Weiterentwicklung dieses Konzeptes widerspiegelt (vgl. Abb. 2).

Produktions-orientierung

Wettbewerbs-orientierung

Markt-orientierung

Verkaufs-orientierung

50er Jahre 80er Jahre70er Jahre 60er Jahre

Marketing alsVertriebsfunktion

Marketing alsStrategischesManagement

Marketing alsFührungsfunktion

Marketing alsVerkaufsfunktion

Umfeld-orientierung

Marketing alsintegriertesFührungs-konzept

Orientierungs-

schwerpunkt

ZeitA

nspruchs-spektrum

90er Jahre

Hyperw

ettbewerb (ab 2000)

Abbildung 2: Entwicklungsphasen des Marketing. Quelle: Bruhn 1999

Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung ist ein Verständnis des Marketing, das auf einem rein distributionsorientierten Ansatz basiert. Danach umfasst Mar-keting alle Funktionen, die den Fluss von Gütern und Dienstleistungen vom Pro-duzenten zum Kunden betreffen. In der Phase der Produktionsorientierung in den 50er Jahren waren die meisten Unternehmen in Verkäufermärkten tätig, da nicht der Absatz den Engpass im Unternehmen darstellte, sondern häufiger die Roh-stoffversorgung. Mit wachsendem Güterangebot mussten diese Güter im Handel nun verkauft werden, daher spricht man in dieser Phase von einer Verkaufsorien-tierung des Marketing. Mit steigendem Überangebot an Waren und Dienstleistun-gen wandelten sich die Verkäufer- in Käufermärkte. In dieser Situation ist eine Kundenorientierung unabdingbar, um erfolgreich zu sein. Die 80er Jahre sind durch eine starke Wettbewerbsorientierung gekennzeichnet. Bei zunehmend gleichgerich-teten Marketingaktivitäten wurde es für die Unternehmen immer schwerer, sich im Wettbewerb durchzusetzen. Daher versuchten die Unternehmen, gezielt Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz aufzubauen. Mit steigender Komplexität des Umfeldes, in der Marktprozesse ablaufen, und steigendem Ein-fluss von ökologischen, sozialen und technologischen Umweltfaktoren müssen

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die Unternehmen ihr Marktverhalten verstärkt auf eine Umfeld- und Zukunftsorien-tierung konzentrieren.

Damit ist die Entwicklung des Marketinggedankens noch nicht an sein Ende ge-langt. Es sollte aber nun nachvollziehbar sein, dass Marketing nicht nur auf den reinen Absatz zu beschränken ist. Neuere Entwicklungen wie der informations-ökonomische Ansatz, der Transaktionsansatz, das Relationship-Marketing und prozessorientierte Ansätze berücksichtigen dies (Meffert 1997).

Zurzeit befinden sich die meisten Märkte in einem sogenannten Hyperwettbe-werb. Dieser ist durch mehrere Faktoren gekennzeichnet, die bei der Marke-tingimplementierung zu berücksichtigen sind:

Globalisierung: Die Weltwirtschaft wächst kontinuierlich zusammen. Global Sourcing und Global Marketing sind die aktuellen Herausforderungen für die Unternehmen.

Beschleunigung: Marktprozesse laufen immer schneller ab. Waren vor wenigen Jahren noch Marktzyklen von fünf bis acht Jahren im Schnitt üblich, so haben sich mittlerweile viele Märkte zu sogenannten SPOT-Märkten gewandelt, auf denen nur noch aktuelle Sonderposten gehandelt werden.

Digitalisierung: Geschäftsprozesse werden digital abgebildet. Internet und In-tranet sind mittlerweile Standardanwendungen in vielen Bereichen.

1.2 Formen des Marketing

Die große Bedeutung des Marketing lässt sich auf die vielfältigen Anwendungs-erfolge zurückführen. Ausgehend vom Konsumgüterbereich hat sich die Marke-tingphilosophie auch im Bereich der Investitionsgüter und im Dienstleistungs-sektor durchgesetzt (vgl. Abb. 2). Damit können unterschiedliche Ausprägungen betrachtet werden:

Konsumgüter-Marketing

Industriegüter-Marketing

Dienstleistungsmarketing

Social Marketing

Non-Profit-Marketing

Das Konsumgütermarketing richtet sich an die Endstufe des Wirtschafts-prozesses, d.h. an private Konsumenten bzw. Haushalte. Zu unterscheiden sind Verbrauchsgüter und Gebrauchsgüter. In Anlehnung an das Einkaufsverhalten der Konsumenten spricht man von Gütern des täglichen Bedarfs (Convenience goods), Gütern des gehobenen Bedarfs (Shopping goods) und Gütern des Spezi-albedarfs (Speciality goods).

Im Wesentlichen lässt sich das Konsumgütermarketing aber wie folgt charakteri-sieren:

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Das Marketing richtet sich an große anonyme Massen (Massenmarketing).

Der Vertrieb ist in aller Regel mehrstufig ausgerichtet: vom Produzenten über den Handel zum Endverbraucher.

Die Kaufentscheidungen sind überwiegend Individualentscheidungen der Konsumenten.

Die Marktkontakte sind häufig anonym.

Aufgrund des großen Angebotes und des begrenzten Platzes im Handel kommt es häufig zu Verdrängungswettbewerben.

Das Investitionsgütermarketing oder Industriegütermarketing befasst sich im weitesten Sinne mit der Vermarktung von Wiedereinsatzfaktoren, die in Industriebetrieben bzw. Organisationen zum Einsatz gelangen. Die Merkmale des Investitionsgü-termarketing lassen sich am besten wie folgt beschreiben:

Der Bedarf der Nachfrager ist ein abgeleiteter Bedarf und abhängig vom Nach-frageverhalten der nachgeschalteten Wirtschaftsstufen.

Die Kaufprozesse sind häufig kollektive und formalisierte Beschaffungsent-scheidungen (Gruppenentscheidungen).

Es liegt eine geringere Zahl und höhere Konzentration von Bedarfsträgern vor.

Es liegt ein direkter Interaktions- oder Verhandlungsprozess vor.

Die Schwerpunkte beim Einsatz der Marketinginstrumente sind andere als bei Konsumgütern.

Industriegütermarketing ist durch ein höheres Maß an Internationalität ge-kennzeichnet.

Dienstleistungen sind selbstständige marktfähige Leistungen, die auf die Bereit-stellung (z. B. Versicherung) und/oder den Einsatz von Potenzialfaktoren (z. B. Fahrschule) ausgerichtet sind. Die Faktorkombination des Dienstanbieters (Ein-richtung, Ausrüstung) vollzieht an einem externen Dienstobjekt (Kunde, Objekt des Kunden, z. B. Auto) eine Nutzen stiftende Verrichtung (z. B. Taxifahrt, Auto-inspektion, Banküberweisung).

Merkmale des Dienstleistungsmarketing sind:

Es handelt sich um eine abstrakte immaterielle Leistung.

Die Leistungen sind nicht lagerfähig und nur in Ausnahmefällen transportfähig.

Die Leistung wird an einem externen Faktor (Sache oder Person) vollzogen.

Dienstleistungen sind häufig individualisierte und einmalige Leistungen.

Es handelt sich oftmals um personalintensive Leistungen, die schwer zu stan-dardisieren sind.

Mit Social Marketing und Marketing für Non-Profit-Organisationen ist die Anwendung des Marketing in nicht kommerziellen Einrichtungen und bei öffentlichen Anlie-gen gemeint. Marketing für nicht kommerzielle Einrichtungen ist überwiegend

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ein Marketing für öffentliche Unternehmen wie gemeinnützige Vereine, Hilfsor-ganisationen, Kirchen und Universitäten. Social Marketing geht einen Schritt weiter und ist eine Ausdehnung des Marketingbegriffes auf soziale Anliegen wie zum Beispiel Kampagnen gegen Tabak, Alkohol oder AIDS.

Das Bildungsmarketing, das nun näher betrachtet werden soll, ist in seinen Grundstrukturen ein Dienstleistungsmarketing. Das Bildungsmarketing hat sich erst in den letzten Jahren etabliert und war großen Veränderungen unterworfen. Zieht man Parallelen zur Entwicklung im Konsumgütermarkt, dann ist festzu-stellen, dass die überwiegende Anzahl der Bildungsanbieter Marketing als Ver-triebs- oder Verkaufsfunktion betrachtet. Lediglich einige kommerzielle Weiter-bildungsanbieter bauen Schritt für Schritt moderne Marketingstrukturen auf und verfolgen eine konsequente Kundenorientierungspolitik.

Mit steigender Professionalisierung und kontinuierlicher ökonomischer Durch-dringung des Bildungssektors steigt auch der Bedarf an einer effektiven Gestal-tung der marktorientierten Ausrichtung der Bildungsanbieter. Bereits seit Anfang der 80er Jahre steht die Forderung im Raum, für Erwachsenenbildung Marketing zu betreiben. Eine aktuelle Auseinandersetzung mit der Thematik zeigt, dass in Theorie und Praxis deutlich differenzierte Begriffsinhalte existieren. Grundlegend lassen sich drei alternative Vorstellungen erkennen:

1 Bildung als Marketinginstrument,

2 Marketing für Bildungsabteilungen und

3 Marketing für Bildungsanbieter.

Diese drei alternativen Ausprägungen werden im Folgenden dargestellt. Den Schwerpunkt des Moduls bildet jedoch die dritte Begriffsalternative. Aufbauend auf dem aktuellen Verständnis des Bildungsmarketing für Anbieter werden die Struktur einer Marketingkonzeption aufgezeigt und alternative Geschäftstypen skizziert.

1.3 Bildung als Marketinginstrument

Traditionell erfolgt die Systematisierung aller marktrelevanten Entscheidungen und Instrumente eines Unternehmens mit Hilfe des so genannten Marketing-Mix (Meffert 1997). Dieser Mix lässt sich anschaulich anhand der „vier P's“ beschrei-ben: Er umfasst die Bereiche Leistungspolitik (Product), Kontrahierungspolitik (Price), Distribution (Place) und Kommunikation (Promotion). Interpretiert man Bildung als Marketinginstrument, dann kann man eine Zuordnung zur Leis-tungspolitik vornehmen.

Bildungsleistungen stellen einen Teil der Sachleistungen dar. Komplexe Anlage-güter werden oft nur dann einsetzbar, wenn neben der Sachleistung eine Schu-lungsleistung angeboten wird. Schulungsleistung steht folglich in einem un-trennbaren Zusammenhang mit der Sachleistung.

Grundlage ist, dass Hersteller im Rahmen der Servicepolitik Seminare oder Pro-duktschulungen anbieten, um somit den Produktkern zu ergänzen und dem

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Kunden im Sinne der Augmented Products einen Zusatznutzen zu verschaffen. Bildung kann man damit als Serviceinstrument interpretieren; sie wird häufig als Differenzierungsmerkmal empfohlen, um eine homogene Leistung in der Wahr-nehmung des Kunden isoliert zu positionieren. Man spricht in diesem Fall von einem Value-Added-Service.

Ein Sachleister bietet Bildungsleistungen häufig zusätzlich als Randsortiment an, um Verkaufsförderungsfunktionen zu realisieren. Diese Leistung unterscheidet sich von der vorhergehenden Variante durch den Charakter einer isolierten Dienstleistung, die auch getrennt erworben werden kann.

Bildungs- und Weiterbildungsleistungen als Service- bzw. Marketing-Mix-Ele-mente werden immer häufiger angeboten, um eine Differenzierung im Wettbe-werb zu realisieren. Vor allem in Branchen mit einem hohen Wettbewerbsdruck oder mit homogenen Leistungen können Bildungsleistungen in Form von Kun-den- oder Händlerseminaren eingesetzt werden, um eine Differenzierungsstrate-gie umzusetzen. Allen drei Interpretationen ist gemeinsam, dass Bildungsmaß-nahmen in unterschiedlicher Gestalt als Komponenten der Leistungspolitik zu betrachten sind und ein Instrument der Kundendienstpolitik darstellen.

1.4 Bildungsmarketing als internes Marketing

Bildungsmarketing versteht man häufig auch als Marketing für betriebsinterne Weiterbildung. Es gilt zum einen, die permanente Weiterbildung im Sinne eines lebenslangen Lernens zu fördern, und zum anderen, durch profilierte Weiterbil-dung eine Unterstützung des Personalmarketing zu realisieren. Man will damit erreichen, dass Mitarbeiter ihre Aufmerksamkeit neben der Entlohnung auch auf die Weiterbildungsmöglichkeiten richten. Damit hat internes Bildungsmarketing den Sinn, durch eine verstärkte Mitarbeiterzufriedenheit und damit -bindung den langfristigen Unternehmenswert zu steigern. Dieser theoretisch unterstellte Zu-sammenhang ist mittlerweile über die Konstruktkette „Mitarbeiterzufriedenheit – Kundenzufriedenheit – Rendite“ bewiesen. Auch das interne Bildungsmarketing ist in drei unterschiedlichen Ausprägungen anzutreffen (Geißler 1991):

Im Rahmen der angebotsorientierten Weiterbildung erfolgt die Ermittlung des Bildungsbedarfs, der Bedarfsplanung und die Akquisition der Teilnehmer zentral von Seiten der Bildungsabteilung, ohne auf die konkreten Bedürfnisse der Nachfrager einzugehen.

Nachfrageorientierte Weiterbildung geht dagegen den umgekehrten Weg. Die Fachvorgesetzten erheben den Bildungsbedarf und fordern von der Weiterbil-dungsabteilung konkrete Maßnahmen ein.

Die Anbieter beeinflussende, nachfrageorientierte Weiterbildung ist ein kom-plementäres Mischmodell aus den beiden vorangegangenen Ansätzen. Das Mischmodell akkumuliert die Stärken der beiden Ansätze, indem die Weiter-bildungsabteilung auf die Nachfrager direkt und indirekt einwirkt und so die Nachfrage nach betrieblichen Bildungsleistungen entsprechend der Unter-nehmensziele steuert.

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1.5 Marketing für Bildungsanbieter

Marketing für Bildungsträger ist zunächst eine einfache Transformation des Mar-ketinggedankens in seiner instrumentalen Interpretation auf die Anbieter von Bildung. Diese unreflektierte Umsetzung des Marketing für Konsumgüter auf die heterogene Dienstleistung Bildung hat zu vielen Auseinandersetzungen und zu einer Ablehnung des Marketinggedankens bei vielen Betroffenen geführt. Das Verständnis von Marketing, das sich im Wesentlichen auf die Austauschbezie-hung von Anbieter und Nachfrager stützt, ist mittlerweile einem wesentlich wei-teren Marketing-Begriff gewichen. Dieses aktuelle Verständnis drückt sich in der folgenden Definition aus:

Definition:

„Marketing hat als Unternehmensaufgabe den Aufbau, die Aufrechterhaltung und die Verstärkung der Beziehungen zum Bildungsnachfrager, anderen Partnern und gesell-schaftlichen Anspruchsgruppen zu gestalten. Mit der Sicherung der Unternehmens-ziele sollen auch die Bedürfnisse der beteiligten Gruppen befriedigt werden.“

(Bernecker 2000)

Dieses Begriffsverständnis stellt die Beziehungen des Bildungsanbieters mit sei-nen Interessensgruppen (Kunden, Mitarbeiter) in den Vordergrund der Betrach-tung.

1.6 Besonderheiten der Bildung als Absatzinstrument

Fasst man die Eigenschaften und Besonderheiten der Bildung als Marktleistung zusammen, können gütertypologische, institutionelle und funktionale Eigen-schaften differenziert werden, die das Absatzobjekt Bildung und damit zwangs-läufig den Absatzbereich eines Bildungsanbieters beeinflussen.

Bildungsleistungen haben einen immateriellen Kern und können somit weder gelagert noch transportiert werden. Als Konsequenz ergibt sich für den Bildungs-anbieter die Notwendigkeit, die immaterielle Bildungsleistung mit materiellen Bestandteilen zu kombinieren, um so die Aufmerksamkeit und Wertschätzung der Nachfrager zu gewinnen.

Die Unmöglichkeit, Bildungsleistungen zu lagern, erfordert eine intensive Koor-dination zwischen Bildungserstellung und -nachfrage. Dabei macht die spezielle Ka-pazitätsproblematik eine flexible Einsatzplanung und kurzfristige Nachfragesteue-rung notwendig. Da die Erstellung der Bildungsleistung eine Vorkombination (siehe Abb. 3) erfordert, hat der Bildungsanbieter die Pflicht, seine Leistungsfähigkeit zu dokumentieren und gesondert herauszustellen, um sich gegenüber anderen Anbie-tern zu profilieren. Zusätzlich besteht die Notwendigkeit, dass er sein Fähigkeitspo-tenzial materialisiert. Insbesondere im Bereich der Kommunikationspolitik ist es wichtig, dass der Leistungsanbieter seine Fähigkeiten sowie das Erscheinungsbild

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seines Personals, der Räumlichkeiten und der Ausstattung nach außen kommuni-ziert. Der Bildungsanbieter ist zudem darauf angewiesen, den Nutzen seiner Leis-tungen zu dokumentieren und wenn möglich zu materialisieren, damit der Nachfra-ger, der die kostenlose Nutzung des öffentlichen Gutes „Schulbildung“ gewohnt ist, bereit ist, einen realistischen Marktpreis zu zahlen.

Abbildung 3: Leistungsprozesse im Bildungsbereich

Da der Bildungsnachfrager als externer Faktor Bestandteil des Leistungsprozesses ist, schwankt die Leistungsqualität beträchtlich, und das Leistungsergebnis lässt sich nur sehr schwer standardisieren. Der Bildungsanbieter sollte sich daher, um die Leis-tungsqualität zu sichern und die Kundenzufriedenheit positiv zu beeinflussen, we-sentlich bessere Kenntnisse über seine Kunden und Nachfrager aneignen, als dies ein Sachleistungshersteller für notwendig hält.

Damit erweitert sich die absatzwirtschaftliche Betrachtung vom Leistungsergebnis auf den Leistungsprozess. Der gesamte Leistungserstellungsprozess (Vorkombinati-on und Endkombination) inklusive der beteiligten internen Leistungsfaktoren sollte sich am Markt orientieren. Durch die Heterogenität der angebotenen Bildungsleis-tungen ergibt sich eine erweiterte Substitutionskonkurrenz im Bildungsmarkt.

Die Profilierung der einzelnen Bildungsleistungen gestaltet sich dabei besonders schwierig, da in der Regel kein direkter räumlicher und zeitlicher sowie interper-sonell überprüfbarer Nutzen vorhanden ist, sondern die Bildungsleistung in der Regel einen personenbezogenen substanziellen Nutzen stiftet. Diese Immateriali-tät der Dienstleistung Bildung stellt den Konsumenten wie den Hersteller vor große Bewertungsprobleme.

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Schlüsselwörter:

Grundbegriffe, Marketing, Formen des Marketing

Aufgaben zur Lernkontrolle

1.1 Was verstehen Sie unter Marketing?

1.2 Erläutern Sie die Entwicklung, die das Marketing durchlaufen hat.

1.3 Marketing wird häufig als „marktorientierte Unternehmensführung“ charakterisiert. Erläutern Sie diese Interpretation.

Aufgaben mit Bezug zur Berufstätigkeit

Wie würden Sie den Entwicklungstand des Marketing bezeichnen, wenn Sie an Ihre Tätig-keit in Ihrem Unternehmen denken?

Literatur zur Vertiefung

Bernecker, M.(2007): Bildungsmarketing, 3. Auflage, Köln: johanna Verlag.

Bernecker, M. (2000): Bildungsmarketing, in: GdWZ, H. 3, S. 127-129.

Homburg, C. /Krohmer, H. (2009): Marketingmanagement, 3. Auflage, Wies-baden: Gabler

Meffert, H. /Burmann, C. /Kirchgeorg, M. (2012): Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung. Konzepte - Instrumente - Praxisbei-spiel, 11. Auflage, Wiesbaden: Gabler.

Meffert, H. /Bruhn, M. (2012): Dienstleistungsmarketing: Grundlagen - Kon-zepte - Methoden. 7. Auflage, Wiesbaden: Gabler.

Scharf, A. /Schubert, B. /Hehn, P. (2009): Marketing: Einführung in Theorie und Praxis, 4. Auflage, Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

Scheuer, T. (2010): Marketing für Dienstleister: Wie Sie unsichtbare Leistun-gen erfolgreich vermarkten, Wiesbaden: Gabler.

Zentes J. /Swoboda, B. (2001): Grundbegriffe des Marketing. Marktorientier-tes globales Management-Wissen, 5. Auflage, Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

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Dirk Hans

Wissenschaftsmarketing

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 2014

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Impressum

Autor: Dirk Hans Herausgeber: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Center für lebenslanges Lernen C3L Redaktion: Uda Lübben Layout: Andreas Altvater Copyright: Vervielfachung oder Nachdruck auch auszugsweise zum Zwecke einer Veröffentli-

chung durch Dritte nur mit Zustimmung der Herausgeber, 2014 ISSN: 1862 - 2712

Oldenburg, Oktober 2014

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Dirk Hans

Dirk Hans ist Diplom-Biologe, Wissenschaftsjournalist, Dozent und geschäftsführender Gesellschafter bei scienceRELATIONS – Agen-tur für Wissenschaftskommunikation.

Dirk Hans hat nach seinem Biologiestudium Wissenschaftsjourna-lismus an der FU Berlin studiert. Als freier Wissenschaftsjournalist arbeitete er schwerpunktmäßig für das Wissenschaftsmagazin ‚Quarks & Co’ im WDR Fernsehen und die Zeitschrift ‚Capital’. Im Anschluss an seine langjährige journalistische Tätigkeit wechselte er in den Bereich der Wissenschaftskommunikation und unterstütz-

te dort Einrichtungen der Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft, sowie der Max-Planck-Gesellschaft. Darüber hinaus leitete er die Kommunikation der privaten Hochschule Wit-ten/Herdecke und war Mitglied der Universitätsleitung.

Die mit dem Biologen und Journalisten Hannes Schlender gemeinsam gegründete Agentur scienceRELATIONS, mit den Standorten Hannover und Berlin, unterstützt seit dem Jahr 2010 Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen im In- und Ausland bei ihren kommunikativen Aktivitäten. Das Spektrum reicht von Print-Publikationen, Websites, Video-produktionen, Animationen, Events, Moderationen und Medientrainings bis zur Erarbeitung umfassender Kommunikationsstrategien und der Evaluation von Kommunikationsabteilungen. Zu den Kunden von scienceRELATIONS gehören Einrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, Universitäten im In- und Ausland, sowie Stiftungen und instituts-übergreifende Netzwerke.

Der Autor ist Mitglied des Siggener Kreises, eines Think-Tanks zur Zukunft der Wissenschafts-kommunikation, initiiert von Wissenschaft im Dialog (WiD) und dem Bundesverband der Hochschulsprecher und regelmäßiger Gast auf Fachkonferenzen im Umfeld der Wissen-schaftskommunikation und des Wissenschaftsmanagements.

Seit dem Wintersemester 2013/2014 ist Dirk Hans als Dozent an der Universität Oldenburg im Modul ‚Bildungs- und Wissenschaftsmarketing’ tätig.

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INHALTSVERZEICHNIS

1  EINFÜHRUNG IN DAS WISSENSCHAFTSMANAGEMENT ............................ 7 

2  DEFINITION UND ZIELE DES WISSENSCHAFTSMARKETING ............................... 10 

3  RAHMENBEDINGUNGEN DER WISSENSCHAFT .... 14 

3.1  Die Marktsituation der Hochschulen ............................. 18 3.2  Die Marktsituation der außeruniversitären

Forschungseinrichtungen .............................................. 20 

4  HISTORIE DES WISSENSCHAFTSMARKETING ...... 23 

4.1  Presse – Kommunikation – Marketing ............................ 24 

5  STRATEGIE UND ZIELGRUPPEN DES WISSENSCHAFTSMARKETING ............................... 28 

5.1  Wohin will die Wissenschaft und warum brauchen wir sie? ........................................................................... 29 

5.2  Wer sind die Kunden der Wissenschaft? ....................... 31 

6  BESONDERHEITEN DES WISSENSCHAFTSMARKETING ............................... 35 

6.1  Non-Profit-Marketing, Dienstleistungsmarketing und Wissenschaftsmarketing ........................................ 37 

6.2  Bildungsmarketing und Wissenschaftsmarketing ........ 38 6.3  Wissenschaftskommunikation und

Wissenschaftsmarketing ............................................... 39 6.4  Strategische Wettbewerbsvorteile im Bereich

‚Forschung’ .................................................................... 40 

7  WISSENSCHAFTSMARKETING IN DER PRAXIS ..... 42 

7.1  Marketingpläne und Marketingstrategien ..................... 42 7.2  Marketingwerkzeuge und Marketing-Mix ...................... 46 7.3  Promotion in der Wissenschaft ..................................... 48 7.3.1  Websites .................................................................................. 50 7.3.2  Social Media ............................................................................ 53 

7.3.3  Press Relations ........................................................................ 54 7.3.4  Audiovisuelle Medien ............................................................... 55 

7.3.5  Print .......................................................................................... 57 7.3.6  Events ...................................................................................... 58 

7.3.7  Persönliche Kommunikation .................................................... 60 

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7.4  Fundraising .................................................................... 61 7.5  Controlling ...................................................................... 62 

8  RISIKEN UND KRITIK DES WISSENSCHAFTSMARKETING ............................... 66 

9  ETHISCHE ASPEKTE IM WISSENSCHAFTSMARKETING ............................... 69 

10  ZUSAMMENFASSUNG ........................................... 72 

11  LITERATURVERZEICHNIS ....................................... 74 

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KAPITEL 1: EINFÜHRUNG IN DAS WISSENSCHAFTSMANAGEMENT

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1 EINFÜHRUNG IN DAS WISSENSCHAFTSMANAGEMENT

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1 EINFÜHRUNG IN DAS WISSENSCHAFTSMANAGEMENT

Die Wissenschaft ist das am schnellsten wachsende Teilsystem der Gesellschaft (Weingart/Schulz 2014, S. 7). Mit dem Interesse an der Wissenschaft steigt gleichzeitig deren Legitimationsbedarf. Die Wissenschaft wandelt sich vom El-fenbeinturm zum öffentlichen Marktplatz (Bonfadelli 2009, Abstract).

Der Begriff ‚Wissenschaftsmarketing’ ist aber nach wie vor nicht umfassend etab-liert. 1993 erschien auf dem deutschsprachigen Markt das erste Buch mit einem Titel, welcher den Terminus beinhaltet: ‚Wissenschaftsmarketing. Hochschule und Region im Umbruch.“, herausgegeben von Werner Hans Engelhardt, Josef König und Thomas Nietiedt. Seitdem hat sich der Begriff nur mäßig durchsetzen können.

Was in der praktischen Umsetzung eines Wissenschaftsmarketing immer wieder deutlich wird und eine Vermeidung des Begriffes erklärt, ist die grundlegende Ablehnung der Wissenschaft gegenüber dem Begriff ‚Marketing’ und den in die-sem Kontext so wichtigen Begriffen wie ‚Markt’ oder ‚Kunde’. Hier existiert eine kultureller Unverträglichkeit: Die Wissenschaft betrachtet allein die Fachkolle-gen, ihre Peers, als Referenzrahmen. Wenn von Wettbewerb und einem kompeti-tiven Umfeld gesprochen wird, dann allein innerhalb dieses Referenzrahmens.

Doch Wissenschaft und Forschung agieren nicht im luftleeren Raum. Wissen-schaft bewegt sich in einer komplexen Umwelt, die durch vielfältige Anspruchs-gruppen, also Personen und Institutionen, die im Austausch mit der Wissen-schaft stehen, geprägt ist. Dieses Umfeld stellt Erwartungen und evaluiert die Leistungen der Wissenschaft. Anspruchsgruppen kontrollieren die Wissenschaft und handeln entweder zu ihrem Vor- oder Nachteil. Eine systematische Analyse dieser Prozesse ist sinnvoll und eine Integration der Erkenntnisse in die eigene Strategie von großem Vorteil. Darüber hinaus kann die Wissenschaft dieses komplexe Beziehungsnetzwerk aktiv mitgestalten. Nichts anderes will das Wis-senschaftsmarketing – zum Nutzen der Wissenschaft.

Wissenschaftsmarketing ist eine Denkhaltung und eine Managementaufgabe, zum Erhalt und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Wissenschaft. Es ist der Königsweg der Einbindung von Wissenschaft in das komplexe Netzwerk der Gesellschaft und deren Anspruchsgruppen, ohne welche Wissenschaft nicht möglich wäre.

In der Evolution des Marketing steht das Wissenschaftsmarketing am vorläufigen Ende einer Entwicklung, die vom konsumgütergeprägten Marketing, über das Dienstleitungsmarketing, das Nonprofit-Marketing und Hochschulmarketing er-folgte.

Das vorliegende Studienmaterial bietet neben einer Verortung des Wissen-schaftsmarketing und einer Beschreibung des ‚Marktes’, innerhalb dessen die Wissenschaft agiert, eine besondere Fokussierung auf zwei Instrumente im Mar-

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1 EINFÜHRUNG IN DAS WISSENSCHAFTSMANAGEMENT

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ketingmix, die von besonderer Relevanz sind: Produktpolitik und Kommunikati-onspolitik.

Darüber hinaus werden Risiken des Wissenschaftsmarketing beleuchtet und Fra-gen der Moral im Arbeitsumfeld der Wissenschaft angerissen.

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KAPITEL 2: DEFINITION UND ZIELE DES WISSENSCHAFTSMARKETING

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2 DEFINITION UND ZIELE DES WISSENSCHAFTSMARKETING

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2 DEFINITION UND ZIELE DES WISSENSCHAFTSMARKETING

Der Begriff ‚Marketing’ im Sinne der marktorientierten Führung taucht erstmals im Bereich der Konsumgüter um die Jahrhundertwende in einem Artikel von Sa-muel Sparling (Sparling 1906) auf. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich das Marketing zu einem eigenständigen und weiten Feld innerhalb der Wirt-schaftswissenschaften.

Bereits Anfang der 1970er Jahren wird die Erweiterung des Marketingbegriffs im Rahmen der Broadening-Deepening-Diskussion (Kotler/Levy 1969; Bruhn/Meffert/ Kirchgeorg 2012) auf Bereiche außerhalb der Konsumgüterwirtschaft intensiv dis-kutiert und umgesetzt. Das Dienstleistungsmarketing nimmt dabei bereits sehr früh eine wichtige Rolle ein. Vielfältige Lehrbücher, wie zum Beispiel von Bruhn, Meffert oder Wilson und Zeithaml wurden zu Standardwerken der Marketinglite-ratur und belegen dessen Sonderstatus im Feld des Marketing.

Der Bereich des Non-Profit-Marketing wurde ebenfalls in den 1970er Jahren erstmals thematisiert und hat sich seitdem zu einer weiteren tragenden Säule des Marketing entwickelt. Neben einem besonderen Fokus auf Einrichtungen wie Vereinen, Parteien, Museen oder Kirchen, entstehen spezifische Betrachtungs-weisen für den Bereich Bildung und Forschung erst in den 1990er Jahren. Das Wissenschaftsmarketing kann als Teilbereich des Nonprofit-Marketing bezeich-net werden, denn das zentrale Abgrenzungskriterium des Nonprofit-Marketing zum klassischen, aus der Konsumgüterwirtschaft stammenden Marketing, näm-lich die untergeordnete Bedeutung einer Gewinnerwirtschaftung, trifft auch auf die Wissenschaft zu.

Als Definition des Wissenschaftsmarketing, welches hier bisher nur umschrieben wurde, schlägt der Autor daher die folgende Formulierung, in Anlehnung an die Definition des Non-Profit-Marketings von Bruhn (Bruhn 2012), vor:

Wissenschaftsmarketing ist eine Denkhaltung und eine Managementaufgabe, die zum Er-halt und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit einer Wissenschaftseinrichtung beiträgt, indem sie die Interessen aller Anspruchsgruppen in die Entwicklungsstrategie der Wis-senschaftseinrichtung einbezieht. Die Wissenschaftseinrichtung passt sich sinnvoll an die Gegebenheiten des kompetitiven Umfeldes an und Maßnahmen aus dem Portfolio der Marketinginstrumente zur Förderung der eigenen Mission und aktiven Gestaltung des kompetitiven Umfeldes werden realisiert.

Personen, die mit dem Vokabular des Marketing bereits vertraut sind, werden in dieser Definition zwei Kernbegriffe des Marketing vermissen. Es handelt sich um die Begriffe ‚Markt’ und ‚Kunden’. Der Autor hat sich aufgrund der deutlichen Abwehrhaltung vieler Wissenschaftler gegenüber dem klassischen Jargon des Marketing bewusst für eine Synonymisierung entschieden, um eine produktive Auseinandersetzung mit dem Thema Wissenschaftsmarketing im Kontext der

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2 DEFINITION UND ZIELE DES WISSENSCHAFTSMARKETING

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Wissenschaft zu erleichtern (Gerhard 2004). Das ‚kompetitive Umfeld’ stellt selbstverständlich den ‚Markt’ dar, während die ‚Anspruchsgruppen’, oft auch anglizistisch als ‚Stakeholder’ bezeichnet, den Kunden entsprechen.

In seinen Ausführungen zum Wissenschaftsmarketing plädiert Markus Lemmens für die bewusste Beibehaltung der ursprüngliche Marketing-Terminologie. Der Begriff ‚Kunde’ habe trotz erhobener Kritik gegenüber seiner Verwendung in Wissenschaft und Forschung Vorteile beim Auf- und Ausbau eines Wissen-schaftsmarketing, denn im Kern gehe es um den gleichen Wirkungszusammen-hang wie dies beim Begriff ‚Kunde’ gegeben sei. Er sei klarer und jeder Einzelne verbinde damit genau das, was der Begriff ‚Kunde’ aussage: Leistung gegen Leis-tung/oder Geld (Lemmens 2006). Auch wenn man sich dieser Argumentation inhaltlich anschließen mag, so überwiegen doch die Nachteile bei der Verwen-dung der klassischen Marketing-Terminologie im praktischen Berufsalltag inner-halb der Forschungseinrichtungen.

Dass sich ‚Marketing’ zu ‚Wissenschaftsmarketing’ formal so verhält wie ‚Saft’ zu ‚Erdbeersaft’ (Gülzow 2009), sich daraus aber nicht ableiten lässt, dass sich die Prinzipien des Marketing eins zu eins auf das Wissenschaftsmarketing übertragen lassen, wird viel diskutiert. So schreibt Insa Gülzow: „ In der Praxis gestaltet sich die Übertragung jedoch schwieriger als der formale Zusammenhang annehmen lässt, da sich Marketing im Wissenschaftskontext nicht ausschließlich an den Pa-rametern von Wirtschaftlichkeit orientieren kann. Vielmehr muss auch die von ökonomischen Sachzwängen freie wissenschaftliche Autonomie sowie die geisti-ge Eigenleistung im Bildungskontext berücksichtigt werden.“ Hier zeigt sich in der Tat eine akute Unschärfe des Wissenschaftsmarketing, welche im Kontext der Evaluierung und des Controlling des Wissenschaftsmarketing zu sehen ist. Wie bewerte ich den Output der Wissenschaft, wenn diesem Output kein Geld-wert gegenüber gestellt werden kann? Hier liegt eine der größten Herausforde-rungen in der Steuerung von Marketingprozessen im Kontext der Wissenschaft.

Der Begriff ‚Bildungsmarketing’ ist heute hingegen weit verbreitet und etabliert. Dass Hochschulen und andere Bildungsanbieter eine kundenorientierte Sichtwei-se in ihre Strategien und ihr Management integrieren müssen, ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Wer im Web recherchiert und bei Online-Buchhändlern nach Titeln in diesem Bereich sucht, wird sehr umfassend auf Literatur im Kon-text von Hochschulmarketing stoßen. In diesem Bereich hat sich bereits eine ganz beachtliche Anzahl an Publikationen angesammelt. Hochschulen haben of-fenkundig weniger Berührungsängste mit den Terminologien des Marketing und nachvollziehbarer Weise eher ein Verständnis für die Auseinandersetzung mit Fragen der ‚Kundenakquise’ und dem Wettbewerb auf dem Markt, als dieses bei reinen Forschungsinstituten der Fall ist.

In Forschung und Wissenschaft sieht es ganz anders aus. Hier ist die Suche nach den Kunden etwas aufwendiger bzw. die eng gefasste Umschreibung des Kunden, als diejenige Person, die den Erwerb eines Produkts oder einer Dienstleistung in Betracht zieht, greift hier zu kurz. Die Grundprinzipien des Marketing müssen hier, aufwendiger als in anderen Bereichen, adaptiert werden.

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2 DEFINITION UND ZIELE DES WISSENSCHAFTSMARKETING

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Die Ziele des Wissenschaftsmarketing sind vielfältig. Zunächst einmal geht es darum, den Raum für wissenschaftlichen Fortschritt im Sinne der Gesellschaft zu schaffen, zu erhalten oder zu vergrößern. Wissenschaftsmarketing möchte den Einfluss der Wissenschaft auf gesellschaftliche Prozesse und Entscheidungen si-cherstellen. Wissenschaftliche Effizienz soll befördert und die allgemeine Wert-schätzung der Wissenschaft in der Gesellschaft gestützt werden. Wissenschafts-marketing möchte zudem die Lücke zwischen Forschung und Gesellschaft redu-zieren und zu einer selbstverständlichen Verankerung der Wissenschaft in der Gesellschaft beitragen. So ist der Gesellschaft und der Wissenschaft gedient.

Auf Grundlage der Überzeugung, dass die Wissenschaft eine gesellschaftsdienli-che Methode zum Wohl jedes Individuums darstellt, spielt das Wissenschafts-marketing eine gesellschaftsrelevante Rolle. Diese Grundannahme soll nicht dar-über hinwegtäuschen, dass einzelne Aktivitäten des Wissenschaftsmarketing durchaus weniger ideellen Prinzipien folgen und eher kurzfristige Wettbewerbs-vorteile gegenüber konkurrierenden Forschungseinrichtungen im Blick haben. Auch diese Bestrebungen sind legitim und jedem kompetitiven Ansatz inhärent. Jeder Wissenschaftler, jede Forschungsgruppe und jedes Forschungszentrum muss bestrebt sein, die eigene Zukunft zu sichern und durch Maßnahmen der Abgrenzung und Positionierung gegenüber Wettbewerbern zu stützen. Dass überzogene Maßnahmen und Sensationalisierungen kurzfristige Erfolge bringen können, langfristig aber Schaden erzeugen, haben die meisten Kommunikations-verantwortlichen an den Forschungszentren mittlerweile verinnerlicht. Daher ap-pellieren Think-Tanks wie der Siggener Kreis auch zu Recht an die Kommunika-tionsverantwortlichen und fordern eine besondere Verantwortung im Kontext der Wissenschaftskommunikation und den Anspruch auf Nachhaltigkeit bei der Ver-folgung der Ziele.

In Bezug auf das kompetitive Umfeld unterscheidet sich das Betätigungsfeld der Wissenschaft nur marginal von Bereichen der freien Wirtschaft. Geld und Perso-nal stellen umkämpfte Ressourcen dar. Gutes Wissenschaftsmarketing erlaubt die langfristige Sicherung der notwendigen Ressourcen. Wissenschaftsmarketing gestaltet den Spagat zwischen Adaption und Autonomie, der in einem sich stetig verändernden Markt für jeden Wettbewerbsteilnehmer unausweichlich ist und al-lein durch professionelles Agieren zum Wohl der Einrichtung und dem Erreichen ihrer inhärenten Ziele optimal umgesetzt werden kann.