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Handlungshilfe für kommunale Bau- und Betriebshöfe GUV-X99904 Professionelles und gesundes Arbeiten im Winterdienst

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Handlungshilfe für kommunaleBau- und Betriebshöfe

GUV-X99904

Professionelles undgesundes Arbeiten imWinterdienst

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2 Inhalt

Inhalt[ ] Professionelles und gesundesArbeiten im Winterdienst

Handlungshilfe für kommunale Bau- und Betriebshöfe

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Inhalt 3

Inhalt 2Einführung 4

Kapitel 1Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe 6Körperliche Belastungen im Winterdienst und Unfallgefahren 7Psychomentale Anforderungen 11Belastungen aus der Arbeitsorganisation und den Arbeitszeiten 12Psychische und soziale Stressfaktoren 15

Kapitel 2Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) 18Vorgehensweise zur Einführung eines BGM 18Handlungsfelder für das BGM 21

Kapitel 3Arbeitszeit gesundheitsförderlich gestalten 24Arbeitszeitgesetz regelt die Arbeitszeitgestaltung 25

Kapitel 4Arbeitssicherheit im Winterdienst 28Verantwortung des Unternehmers 29Gefährdungsbeurteilung 31Persönliche Schutzausrüstung 32Arbeiten im Bauhof 33Unterweisung 35

Kapitel 5Was können Beschäftigte selbst tun? 36

Schlusswort 42

Literaturhinweise 43

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4 Einführung

[ ]Einführung

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Einführung 5

Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung sollten einge-bettet sein in ein umfassendes System des betrieblichenGesundheitsmanagements. Darüber informiert das zweiteKapitel der Handlungshilfe.

Nachtarbeit, frühe Arbeitszeiten sowie lange Arbeitstagesind typisch für die Arbeit im Winterdienst. Dieses zentraleThema behandelt Kapitel 3. Durch eine gute Organisationder Arbeitszeiten kann die gesundheitliche Belastung durchungünstige Zeiten vermindert werden.

Im Winterdienstes fallen Tätigkeiten an, bei denen zahlrei-che Unfallrisiken und Gesundheitsgefahren bestehen.Daher muss die Arbeitssicherheit für die Beschäftigten imBaubetriebshof und unterwegs auf den Straßen sorgfältiggeprüft und entsprechende Maßnahmen getroffen wer-den. Entsprechende Hinweise und Empfehlungen enthältKapitel 4.

In Kapitel 5 befassen wir uns mit der Frage, was Beschäf-tigte selbst für ihre Gesundheit tun können. Mitarbeiter,die im Winterdienst tätig sind, wissen aus der Praxis, wel-che körperlichen und psychomentalen Anforderungenihnen diese Arbeit abverlangt. Sie kennen viele der Gefah-ren, haben vielleicht schon einen Unfall erlebt. Dennoch ist ihnen oft nicht bekannt, welche Möglichkeiten es gibt,im Winterdienst sowohl gesund als auch professionell zuarbeiten.JvK

I n einer zweijährigen Studie wurde die Belastungs- undGefährdungssituation in der Arbeit von Beschäftigten

im Winterdienst in ausgewählten Bauhöfen in Bayernuntersucht. Die Studie wurde im Auftrag der KommunalenUnfallversicherung Bayern (KUVB) und des FachbereichesGemeinden von ver.di Bayern durchgeführt. Auf der Grund-lage der Ergebnisse ist diese Handlungshilfe für die betrieb-liche Praxis entstanden. Die Broschüre richtet sich an dieAkteure des betrieblichen Gesundheitsschutzes und derGesundheitsförderung, an Führungskräfte, an Personalräteund an die Personalabteilungen. Aber auch die Beschäftig-ten selbst möchten wir informieren.

Kommunale Arbeitgeber stehen vor der gesetzlich definier-ten Aufgabe, durch geeignete Maßnahmen einen umfas-senden Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeiter im Winter-dienst zu sichern und betriebliche Gesundheitsförderungzu praktizieren. Die Frage lautet: Wie kann es gelingen,Anforderungen und Rahmenbedingungen der Arbeit gut zugestalten? Gleichzeitig gilt es, die Beschäftigten darin zuunterstützen, dass sie ihre Gesundheit, Arbeitsmotivationund Leistungsfähigkeit auf hohem Niveau erhalten können.

Im ersten Schritt sollte eine Analyse der körperlichen undpsychischen Gefährdungen durchgeführt werden. Das ersteKapitel dieser Handlungshilfe stellt die wichtigsten gesund-heitlichen Belastungen im Arbeitseinsatz des Winterdiens-tes vor.

EinführungProfessionelles und gesundes Arbeiten im Winterdienst

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6 Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe

Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe

[ ]kapitel 1

Transporter des Handtrupps mit Werkzeug und Streugut auf der Ladefläche

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Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe 7

1Spätherbst, der erste Schneefall während der Nacht-

stunden. Wer morgens aufbricht, stellt fest, dass dieHauptstraßen bereits geräumt, dass die Gehwege undÜbergänge an Kreuzungen schon gestreut sind. Mainzel-männchen scheinen über Nacht gewirkt zu haben. Dochdann sieht man Mitarbeiter der Stadt mit ihren Räumfahr-zeugen fahren. Die Mitarbeiter des Winterdienstes sindnachts um drei oder vier Uhr aufgestanden, geweckt vomTelefonanruf eines Kollegen und sind in der winterlichenKälte und Dunkelheit zum Baubetriebshof gefahren. Habennoch schnell einen Kaffee getrunken, ihr Fahrzeug herge-richtet, und sind bereits drei Stunden bei der Arbeit, wennsich Schüler und Arbeitnehmer um 7.30 Uhr auf den Wegmachen.

Der kommunale Winterdienst beinhaltet alle Arbeiten zurHerstellung der Verkehrssicherheit auf den kommunalenStraßen, Gehwegen und öffentlichen Flächen nach denlokalen zeitlichen Vorgaben der Gemeinde. Je nach Situa-tion und Wetterlage räumen Mitarbeiter der Baubetriebs-höfe ab früh morgens um drei Uhr Schnee und bringenStreusalz aus, um Glätte und Eisbildung zu verhindern. Die Aufgaben des Winterdienstes stellen hohe Anforde-rungen an die körperliche und psychische Leistungsfähig-keit der Beschäftigten. Die Arbeit im Winterdienst beinhal-tet sowohl arbeitsplatzspezifische gesundheitliche Belas-tungen als auch spezifische Gefährdungen. Für Arbeitgebergilt es, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Ge-sundheit der Mitarbeiter zu schützen und zu fördern. Dererste Schritt dazu sind die Beurteilung und Analyse der kör-perlichen und psychischen Belastungen und Gefährdungenam Arbeitsplatz.

Belastungen und Gefährdungen am Arbeitsplatz resultierenaus:

z Anforderungen durch die Tätigkeit selbst (Fahrzeug steuern, Schneeräumen)

z den Bedingungen im Arbeitsumfeld (Beleuchtung,Temperaturen am Arbeitsplatz, Witterungsbedingungen bei Arbeit unter freiem Himmel)

z den Arbeitsmitteln und Werkzeugen (Fahrzeuge, Schaufeln, Befüllungsanlage)

z der Arbeitsorganisation (Länge der Arbeitstage, Dauer der Ruhezeiten, früher Arbeitsbeginn, Informations-management, Organisation der Einsatzgebiete, bauliche und technische Gegebenheiten)

z den sozialen Beziehungen (Kollegen, Anwohner, Vorge-setzte)

Diese verschiedenen Bereiche gilt es zu prüfen, wennBelastungen beurteilt werden sollen.

Körperliche Belastungen im Winterdienst undUnfallgefahren

Im Winterdienst variieren die körperlichen Belastungen jenach dem Arbeitsplatz der Beschäftigten erheblich. Be-schäftigte, die mit der Schneeschaufel händisch arbeiten,müssen in höherem Maße direkte körperliche Kraft aufbrin-gen als ihre Kollegen, die mit Kleinfahrzeugen oder Groß-fahrzeugen Räum- und Streudienste verrichten. Außerdemsind sie stärker der Witterung ausgesetzt.

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8 Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe

Die Gefahr, die der Winterdienst beseitigen soll, ist für dieMitarbeiter selbst auch ein Problem. An allen Arbeitsplätzenstellen Eisflächen, Schneeflächen und Rutschgefahr bei denZugängen zu Arbeitsorten eine Gefährdung dar. Die Beschäf-tigten müssen z. B. morgens auf ungeräumten Straßen zumArbeitsplatz fahren.

Arbeitsplatz HandtruppDie Mitarbeiter, die den Handtrupps zugeteilt sind, habendie Aufgabe, Bushaltestellen, Treppen, Fußgängerüberwegean Kreuzungen oder Behindertenparkplätze mit Schnee-schaufeln zu räumen und mit Handschaufeln Salz oder Splitauszustreuen. Auch enge Wege, die für die Fahrzeuge nichtpassierbar sind, fallen in ihren Bereich. Die zu räumendenPlätze werden abgefahren. Meistens sind je zwei Mitarbei-ter mit einem kleinen Transporter unterwegs, auf dem auchdas Streugut und die Schaufeln transportiert werden. Siefahren eine kurze Strecke, steigen aus, verrichten für einigeMinuten die Räumarbeit, steigen wieder ein, fahren wiedereinige 100 m oder auch Kilometer, und so geht das währendder ganzen Route.

Durch den Wechsel zwischen Fahren und Räumen müssendie Mitarbeiter des Handräumdienstes ständig aus ihremFahrzeug ein- und aussteigen, was anstrengend ist. Einer-seits ist es angenehm, sich immer wieder im Fahrzeug auf-wärmen zu können. Andererseits ist der häufige Wechselzwischen warmen Innentemperaturen und kalten Außen-temperaturen ungünstig und wird von 81% der Betroffenenals belastend bewertet, denn der Körper muss sich immer

wieder auf eine andere Temperatur einstellen. Dadurchbesteht auch ein erhöhtes Risiko, sich eine Muskelzerrungzuzuziehen. Unpraktisch ist es zudem, die für die Arbeitdraußen notwendigen Handschuhe immer wieder an- undauszuziehen.

Bei den Mitarbeitern der Handtrupps tritt die höchste kör-perliche Beanspruchung durch aktive Tätigkeit auf. ImHanddienst müssen beim Schneeräumen mit der Schaufelgerade bei Nassschnee erhebliche Gewichte gehoben undbewegt werden, was die Wirbelsäule und die Muskulaturdes Rückens, der Schultern und der Arme stark bean-sprucht. Nicht zu unterschätzen ist auch die körperlicheBelastung durch das Split- oder Salzstreuen, denn derschwere Eimer mit dem Streugut muss aus dem Fahrzeuggehoben und vom Mitarbeiter getragen werden, damitimmer wieder Salz oder Split entnommen und mit einerkleinen Handschippe verteilt werden kann. Der gefüllteEimer mit Streugut wiegt bis zu 15 kg. Je nach den techni-schen Voraussetzungen im Baubetriebshof müssen dieMitarbeiter des Handdienstes unter Umständen auch ihrKleinlastfahrzeug mittels Schaufeln in Handarbeit beladen,d. h. das Streugut vom Boden auf die Ladefläche heben.

Aus diesen körperlichen Anforderungen resultieren an lan-gen Arbeitstagen Beschwerden. Immerhin wird die Arbeitüber mehrere Stunden ausgeübt. Zwar gibt es immer wie-der Unterbrechungen durch Fahrstrecken zum nächstenPlatz, dennoch ist die Arbeit anstrengend. Unter moderatenBedingungen dauert eine „Tour“ ca. fünf Stunden, doch

[ ]kapitel 1

[ ]„Körperliche Arbeit macht müde, vor allembei kalter Nässe und tieferen Minusgraden“

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Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe 9

wenn starker Schneefall herrscht, müssen die Mitarbeiterwieder von vorne anfangen und sind dann bis zu zehnStunden in Aktion.

Die Handtrupps arbeiten einen überwiegenden Teil der Ar-beitszeit unter freiem Himmel. Sie sind den kalten Außen-temperaturen und winterlichen Wetterverhältnissen wäh-rend der Arbeit mehrere Stunden ausgesetzt. Zwar könnensie sich auf den Strecken zwischen den zu räumendenPlätzen im Auto wieder aufwärmen, aber Nässe und Feuch-tigkeit sind unangenehm: kein Schutz bei Schneetreiben,nasse Schuhe und Kleidung und die Gefahr auf glattemGrund auszurutschen, zu stürzen oder sich zu verletzen.

Körperliche Arbeit macht müde, vor allem bei kalter Nässeund bei tieferen Minusgraden. Die kältebedingte schlechte-re Durchblutung von Haut und Körperteilen schränkt dieBeweglichkeit, Sensibilität und Geschicklichkeit ein. Gleich-zeitig nehmen Reaktionsvermögen, Aufmerksamkeit undLeistungsfähigkeit ab, dadurch erhöht sich die Unfallgefahr.

Arbeitsplatz RäumfahrzeugDie Fahrer von Räumfahrzeugen haben die Aufgabe, festge-legte Strasse, Wege und Plätze zu räumen und zu streuen,sowohl innerorts als auch auf Zugangsstraßen zu Ortstei-len. Dabei sind ganz unterschiedliche Räumfahrzeuge imEinsatz. Die größten Fahrzeuge sind LKW oder Traktoren,die mit Räumvorrichtungen umgerüstet wurden. Danebengibt es Kleinfahrzeuge zum Räumen der Gehwege.

Die Fahrer der Räumfahrzeuge sind besonderen Belastun-gen ausgesetzt. Körperlich wirkt sich Bewegungsmangeldurch einseitige Tätigkeit negativ aus, denn sie sitzen mehrals 80% der Arbeitszeit im Führerhaus. Wenn sie ohne län-gere Unterbrechungen viele Stunden auf dem nicht immergut gefederten Fahrersitz zubringen, sind nicht seltenRückenbeschwerden die Folge. So eine Situation tritt beistarken Schneefällen massiv auf, denn dann sitzen dieFahrer sieben und mehr Stunden hinter dem Steuer. Aberauch eine „normale“ Räumtour dauert ca. fünf Stunden, in der mit ein bis zwei Pausen durchgefahren wird. Für dieFahrer in den Kleinfahrzeugen und Traktoren sind Boden-unebenheiten und Vibrationen zusätzlich unangenehm.Hier gibt es oftmals Handlungsbedarf, um über gefederteSitze Vibrationsschutz zu erreichen. In den Kleinfahrzeugensind die Fahrerkabinen je nach Bauart teilweise so engbemessen, dass die Bewegungsmöglichkeit der Beine sehreingeschränkt ist und das Sitzen bei längeren Fahrten sehrunbequem wird. Auch der Motorenlärm ist bei Kleinfahrzeu-gen oft noch mehr ausgeprägt. Lärm ermüdet und erschwertdas konzentrierte Arbeiten. Für 21% der aus eigener Ein-schätzung von Lärm betroffenen Mitarbeiter stellt er einestarke Belastung dar, weitere 58% sind durch Lärm „etwasbelastet“.

Kleinfahrzeug

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10 Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe

[ ]kapitel 1

Beschwerlich und riskant gestaltet sich für die Fahrer vonGroßfahrzeugen der Auf- und Abstieg in das Fahrzeug, weildabei eine ziemliche Höhe zu überwinden ist und die Gefahrbesteht, von den schmalen Aufstiegshilfen abzugleiten undzu stürzen. Es sind gute Griffe vorhanden, um sich hochzu-ziehen und fest zu halten. Doch beim Abstieg ist man verlei-tet, dem Fahrzeug abgewandt herunter zu steigen, und daist das Risiko größer, zu stürzen. Die Tritte sind mit Löchernversehen, um auch bei Schnee Halt zu geben, dennoch kanndie Trittfläche vereist und damit rutschig sein.

Alle Arbeiten am Fahrzeug sollten bei Gefährdungsanalysenintensiv überprüft werden. Hier kommt es oft zu gefährli-chen Situationen. Fehlen z. B. Aufstiegshilfen beim Fahr-zeug, besteht Absturzgefahr. Manchmal klettern Beschäf-tigte auf das Schutzgitter über dem Salzbehälter ihresFahrzeugs, um den Salzhaufen mit der Schaufel gleichmä-ßig zu verteilen, nachdem das Salz aus dem Silo in denBehälter gerieselt ist.

Auch aufgrund von baulichen Gegebenheiten können dieMitarbeiter in Gefahr kommen. In manchen Baubetriebshö-fen ist z. B. die Salzlagerhalle weit abseits an einer nichteinsehbaren Stelle gelegen, in manchen Kommunen sogaraußerhalb des Bauhofs. Wenn ein Beschäftigter hier alleinearbeitet und einen Unfall erleidet, so dauert es möglicher-weise lange, bis Hilfe kommt. Dies ist problematisch, dennbeim Befüllen der Fahrzeuge mit Salz oder Streugut ist eineerhöhte Unfallgefahr gegeben.

Immer wieder rutschen Fahrzeuge bei starker Glätte vonder Straße in den Graben, wie Bauhofleiter und erfahreneFahrer bestätigen. Die Fahrer müssen daher mit erhöhterAufmerksamkeit auf verschneiten Straßen und Wegen, beidenen die Wegränder unter Schneewehen vergraben sind,unterwegs sein.

Kälte und Zugluft kann auch an Arbeitsplätzen in Hallenbelasten, vor allem wenn die Hallen nicht beheizt sind undnicht geschlossen werden können. Auch die Waschplätzefür die Fahrzeuge sollten sich in einer geheizten Halle befin-den. Beim Abspritzen der Fahrzeuge im Freien bilden sichgefährliche Eisflächen im Bauhof. Mit Nässe und Feuchtig-keit kommen auch die Fahrzeugführer in Kontakt, wenn siedas Fahrzeug nach der Arbeit reinigen. Zur Vermeidung vonRostschäden wird jedes Fahrzeug jeweils nach einem Ein-satz komplett gereinigt und mit Wasser abgestrahlt. Hierbeientstehen feuchter Nebel, Feuchtigkeit und Nässe. DieFüße müssen daher gut in festen Schuhen geschützt sein.

Wenn die Sicht durch die Fahrzeugscheiben aufgrund vonSchneefall oder Regen, von Dunkelheit oder beschädigtenScheibenwischerblättern nicht gut ist, strengt das Fahrenmehr an und der Fahrer ermüdet schneller. Bei den Groß-fahrzeugen wird die Sicht dadurch beeinträchtigt, dass beimRäumen unter Umständen Schnee an die Frontscheibegeschleudert wird.

Großfahrzeug mit Pflug und Räumgutbehälter

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Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe 11

denn im ersten Schritt wird geräumt, danach erst Salz aus-gebracht. Viele Prozesse laufen parallel: fahren, räumenund streuen, alle Streuvorrichtungen außerhalb des Fahr-zeuges im Blick haben und noch zusätzlich das Umfeld desFahrzeugs auf beiden Seiten sowie über die Spiegel undScheiben vorne und hinten kontrollieren. Bei geübtenFahrern sind viele Handgriffe und Koordinationen ohnebewusstes Nachdenken als automatisierte Abläufe abruf-bar. Dennoch wird die mentale Leistungsfähigkeit und Kon-zentration beansprucht. Beim Rangieren kommen bei denLKW Spiegel zum Einsatz, mit denen die Sicht zur Seite undnach unten wie nach hinten relativ gut möglich ist. Proble-matisch ist es, wenn von vorne rechts jemand kommt.

Bedienpult im Räumfahrzeug für Streugut, Rückwärtsfahrkamera

Psychomentale Anforderungen

Hohe Anforderung an Konzentration und AufmerksamkeitEin hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit isterforderlich, wenn die Fahrer das Fahrzeug steuern undgleichzeitig am Bedienpult den Schneepflug und dasSalzstreugerät bedienen müssen. Beim Räumen innerhalbvon Ortschaften muss der Fahrer in engen Straßen oderWegen sehr häufig rangieren und dies bei Dunkelheit undSchneeglätte oder Eis. Er muss vorwärts fahren und mitdem Pflug räumen, den Pflug wieder hochnehmen, dasFahrzeug zurücksetzen, den Winkel verändern, wieder vor-fahren. Teilweise sind mehrere Arbeitsgänge erforderlich,

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12 Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe

[ ]kapitel 1

Der Bereich unmittelbar vor dem Fahrzeug auf der rechtenSeite ist etwas schlecht einsehbar. Hier besteht das Risiko,eine Person zu spät zu bemerken („Toter Winkel“). Daherfürchten die Fahrer die Stunde zwischen sieben und achtUhr, wenn viele Schüler mit dem Fahrrad oder zu Fuß unter-wegs sind.

Mit der an der Rückseite des Fahrzeugs befestigten Kameramuss der Fahrer beobachten, ob das Salz tatsächlich ver-teilt wird, denn zuweilen kommt es zu Verklumpungen.Dann muss der Fahrer halten, aussteigen und die Störungbeheben.

MonotonieDie Konzentration ist schwerer aufrecht zu halten, wenn dieArbeitstätigkeit eintönig ist, wie es im Winterdienst der Fallist. Knapp die Hälfte der Befragten bewerten ihre Arbeit teil-weise als eintönig. Immerhin 29% fühlen sich dadurch be-einträchtigt. Innerorts wird die Tätigkeit weniger als eintö-nig empfunden; dies gilt eher außerorts für den Handdienstund die Fahrer, die Räumdienste auf Landstrassen verrichten.

VerkehrssituationDer Stressfaktor „Verkehrssituation“ zählt zu den sechsschlimmsten Arbeitsplatzbelastungen im Winterdienst.Andere Fahrzeuge nehmen nicht immer Rücksicht aufStreufahrzeuge. Oft sind die Fahrer ungeduldig oder sogaraggressiv. Bei Fußgängern oder Radfahrern haben dieWinterdienstfahrer Angst, sie zu übersehen. Manchmalstecken die Räumfahrzeuge auch im Stau fest. Um wäh-rend der Arbeit nicht durch den Verkehr behindert zu sein,versuchen die Beschäftigten, schon sehr früh mit ihrenRäum- und Streudiensten fertig zu werden und zumindeststark befahrene Hauptstraßen abgeschlossen zu haben.Aber selbst in frühen Morgenstunden kommt es auch inländlichen Gemeinden zu höherem Verkehrsaufkommen.Stress erzeugen parkende Fahrzeuge, die die Fahrbahn sostark verengen, dass ein Durchkommen kaum noch mög-lich ist.

Belastungen aus der Arbeitsorganisation und denArbeitszeiten

Die gesundheitlichen Belastungen im Winterdienst werdenam stärksten beeinflusst durch die Organisation der Arbeit.Wie ist die Größe, die Lage und der Zuschnitt des Räum-gebietes, das ein Mitarbeiter zugeteilt bekommt? Wie langesind die Arbeitseinsätze? Sind die Ruhezeiten so bemes-sen, dass eine Regeneration möglich ist? Eine personellsehr angespannte Situation, in der die Mitarbeiter häufigÜberstunden machen, ist mit betrieblicher Gesundheits-förderung oder einem alternsgerechten Gesundheitsmana-gement nicht vereinbar.

Die Dauer der Arbeitseinsätze gestaltet sich für die Be-schäftigten während Perioden mit winterlichen Bedingun-gen und starkem Schneefall zumindest für einige Tage,mitunter aber auch für Wochen als erhebliche Belastung.Probleme entstehen, wenn mit einem begrenzten Mitar-beiterstamm, der normalerweise Tagdienst ab sieben Uhrleistet, Winterdienste erledigt werden müssen, die mor-gens früh um vier Uhr beginnen und unter Umständen bis21 Uhr fortgeführt werden müssen. Hier entstehen Situa-tionen, in denen die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzesschwierig wird. Die Folgen sind schwerwiegend, denndurch Überstunden, sehr lange Arbeitstage und Nacht-arbeit steigt die Unfallgefahr. Sowohl die Beschäftigtenals auch andere Verkehrsteilnehmer sind gefährdet.

Nach Messungen von Verkehrsexperten kommt es bereitsnach zwei Stunden bei Führern von Fahrzeugen zu erstenAnzeichen von Ermüdung, zu Fehlern und Unkonzentriert-heit. Experten schätzen, dass jeder vierte tödliche Unfallauf deutschen Straßen durch Übermüdung verursachtwird. Das größte Risiko besteht in den Nachtstunden bissieben Uhr morgens. Durch die Kombination von überlan-gen Arbeitstagen bei zu kurzen Erholungszeiten bis zumnächsten Arbeitsbeginn kommt es zu einer Überbeanspru-

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Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe 13

chung der Leistungsfähigkeit. Körperlich zeigt sich das inErschöpfung, Schlafproblemen und Schmerzen sowie Er-krankungen. Auf der psychischen Ebene fühlen sich dieMitarbeiter erschöpft und ausgelaugt. Im sozialen Bereichkommt es zu Spannungen in der Familie und unter Kollegen.

Belastung durch Organisation der ArbeitszeitNachtarbeit trifft im Winterdienst vor allem diejenigen, diefür den Schau- oder Wetterdienst eingeteilt sind. Ein biszwei Mitarbeiter müssen nachts um drei Uhr die klimati-schen Bedingungen auf den Straßen prüfen und entschei-den, welche Maßnahmen nötig sind (Streufahrzeuge mitSalz, Schneeräumdienst). Sie alarmieren die Kollegen, diean diesem Tag Bereitschaft haben und bestellen sie zumDienst ein. Bereits ab vier Uhr arbeiten dann vor allemFahrer von Großfahrzeugen. Erst danach werden die Mitar-beiter benachrichtigt, die Kleinfahrzeuge fahren und dieGehwege räumen, als letztes die Handtrupps. Dieser ge-

staffelte Arbeitsbeginn ist aufgrund der Arbeitsabläufe sinn-voll. Diejenigen Mitarbeiter, die Nachtarbeit leisten, erlebensie überwiegend als belastend. In der Tat ist das sehr früheAufstehen nicht gesund, weil es gegen den Biorhythmusdes Körpers geht. Deshalb besteht in den frühen Morgen-stunden die größte Gefahr, am Steuer einzuschlafen.

Die Zahl der geleisteten Überstunden hängt stark davon ab,wie schneereich und kalt ein Winter ist, wie groß die Beleg-schaft ist und wieviele Ersatzkräfte vorhanden sind, wennes Ausfälle durch Krankheit oder Unfälle gibt. Außerdemkönnen durch eine gute Arbeitsorganisation, z. B. Zwei-schichtsystem von Früh- und Spätschichten, extrem vieleÜberstunden vermieden werden. In der Studie waren 34,5%der Befragten durch Überstunden belastet, 21% fühltensich stark belastet.

0 20 40 60 80 100

Belastung durch Arbeitsorganisation in %

Nicht festgelegte Pausenzeiten

Zu kurze Erholungszeiten

Arbeitstage › 12 Std

Arbeitstage 10-12 Std

Überstunden

Nachtarbeit

60,2

42,5

46,9

9,7

10,6

12,4

32,7

18,6

12,4

15

23,9

28,3 16,8 37,2 17,7

24,8 19,5 34,5 21,2

40,7 22,1 18,6 18,6

6,2

Trifft nicht zu belastet nicht belastet etwas belastet stark

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14 Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe

[ ]kapitel 1

Arbeitstage von 10-12 Stunden LängeLanges Arbeiten war in der Studie für 70% der Befragtenein Thema. Überlange Arbeitstage sind nicht nur dem Wet-ter geschuldet, sondern auch fehlenden personellen Kapa-zitäten. So müssen in manchen Bauhöfen die Mitarbeiter„ihr“ Räumgebiet mehrmals am Tag abfahren, weil es keineAblösung durch Kollegen einer anderen Schicht gibt. Ver-schärft wird das Ganze, wenn Kollegen erkranken. Bei an-deren Bauhöfen sind die Arbeitszeiten so geregelt, dassüberlange Arbeitstage auch bei starken Schneefällen überden ganzen Tag hinweg nicht nötig sind.

Arbeitstage, an denen sogar länger als 12 Stunden gearbeitetwerden muss, sind nicht nur extrem anstrengend, sondernauch nach dem Arbeitszeitgesetz nicht zulässig. Mittlerweileist gut belegt, dass das Unfallrisiko von Beschäftigten nachder achten bzw. neunten Arbeitsstunde exponentiell an-steigt. Solche überlangen Arbeitstage fielen immerhin beimehr als der Hälfte, nämlich bei 53% der Befragten an. Siesind vor allem dann problematisch, wenn dazwischen nichtgenug Zeit zur Erholung bleibt und wenn mehrere Tage amStück so viel gearbeitet werden muss. Dies kann bei schnee-reichen Wochen schon öfter einmal der Fall sein, wenn dieBelegschaft zu klein ist. Solche Perioden, sagen die Mitar-beiter, gehen an die Substanz. Dies gilt für die Fahrer, dieRücken- und Beinschmerzen durch das lange Sitzen bekom-men, wie für die Handdienstler, die erschöpft sind.

Bei überlangen Arbeitstagen wird den Mitarbeitern teilweiseselbst die Verantwortung dafür überlassen, ob sie noch leis-tungsfähig genug sind, weiter arbeiten zu können. ÜberlangeArbeitstage sind für Mitarbeiter, die am Straßenverkehr teil-nehmen, eine klare Gefährdung für die Beschäftigten selbstund für andere Verkehrsteilnehmer. Zudem sind solche Ar-beitstage auch gesundheitsschädlich, wenn über die Belas-tungsgrenze hinaus Arbeit geleistet wird.

Zu kurze ErholungszeitenIst das Personal zu knapp, kommt der Bauhof bei starken

Schneefällen schnell an seine Grenzen. Räum- und Streu-dienste sind den ganzen Tag bis in die Nachtstunden erfor-derlich. Da bleibt keine Zeit für die Erholung der Mitarbei-ter. Nach Arbeitszeitgesetz müssen zwischen Arbeits-schluss und Arbeitsbeginn elf Stunden Ruhezeit einge-räumt werden. Wenn Mitarbeiter um drei Uhr oder vier Uhrmorgens wieder anfangen müssen, dürfen sie nur bis 16bzw. 17 Uhr arbeiten. Doch die Räum- und Streupflichtbesteht bis 21 Uhr. Das heißt, wer Spätdienst macht oderabends Rufbereitschaft hat, dürfte am nächsten Tag keinenFrühdienst leisten. Doch viele Bauhöfe haben kein Schicht-system. Was die Situation verschärft: Es fehlen Arbeits-kräfte in Reserve, um kranke Mitarbeiter ersetzen zu kön-nen. Das andere Problem ist, dass die Beschäftigten keineoder nur selten freie Wochenenden während der Winter-monate haben, um sich zu erholen. Teilweise gibt es eineUrlaubssperre von November bis Ende März.

Nicht festgelegte PausenzeitenDie Mitarbeiter der untersuchten Bauhöfe machen Früh-stückspausen und fahren dafür meist zurück zum Bauhof,um im Pausenraum mit den Kollegen zusammen ihre Brot-zeit einzunehmen. Diese Pause wird häufig dann eingelegt,wenn die erste Tour beendet ist oder wenn Streugut imBauhof nachgeladen werden muss. Schwierig ist dies fürMitarbeiter, die große Gebiete abfahren müssen, aberlangsame kleine Fahrzeuge haben. Sie schaffen es nicht,bis um neun Uhr oder zehn Uhr zur Pause zurückzuseinund müssen dann unterwegs ihre Pause einlegen. Ihnenfehlt das Gespräch und der Kontakt untereinander.

RufbereitschaftTypisches Moment der Arbeitsorganisation im Winterdienst istdie Rufbereitschaft. Sie bedeutet, dass die Mitarbeiter sichdarauf einstellen müssen, bei Schneefall oder Eisglätte mor-gens früh um 3.30 Uhr aufzustehen, zum Bauhof zu fahrenund um vier Uhr mit der Arbeit zu beginnen. Diese Anforde-rung ist eine der größten Belastungen für die Beschäftigten.

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Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe 15

Der Zustand der Planungsunsicherheit, die Frage „muss ichmorgen früh um vier Uhr raus oder nicht“ bereitet vielenMitarbeitern Probleme. 45% der Betroffenen gaben an, da-durch etwas belastet zu sein, 33% sehen es als starke Be-lastung. Denn diese Möglichkeit des frühen Arbeitsbeginnsschränkt die Freizeitaktivitäten ein. Die Rufbereitschaft isttariflich geregelt. In manchen Betrieben herrscht Urlaubs-sperre während der gesamten Winterzeit, und es wird einepermanente Dienstbereitschaft erwartet. In anderen Betrie-ben ist jeweils eine Schicht eingeteilt für die Rufbereitschaft,zum Beispiel für eine Woche. Durch Krankheitsausfälle gerätdieses System jedoch öfter ins Wanken.

Rufbereitschaft bringt Nachteile mit sich. So ist es für dieBetroffenen häufig ärgerlich, Freizeit und Familie schlechtplanen zu können. Wird es möglich sein, bei der Hochzeitder Cousine, beim Jubiläumsgeburtstag der Großmutterdabei zu sein oder nicht? Es ist für Mitarbeiter im Winter-dienst nicht selbstverständlich, einen Winterurlaub planenzu können. Dabei wäre die Urlaubssperre während derWintermonate bei guter Planung der Bereitschaftsdienstevermeidbar.

Schwierig ist es für Mitarbeiter, wenn Rufbereitschaftenextrem kurzfristig angeordnet werden. Die Mitarbeiter erfah-ren manchmal Freitag Mittag, dass sie ab Samstag früh umdrei Uhr Rufbereitschaft haben. Auch sonst kommt es immerwieder vor, dass Beschäftigte sehr kurzfristig gebeten wer-den, am nächsten Tag zu arbeiten, bzw. es wird am Tag vor-her Bereitschaft angeordnet. Hintergrund dafür ist einerseitsmöglicherweise eine sich ändernde Wetterlage, die docheinen Volleinsatz nötig macht. Oder es sind Kollegen er-krankt und müssen ersetzt werden. So ein kurzfristigerArbeitseinsatz kollidiert nicht selten mit privaten Vorhaben

und Planungen. Kommt es regelmäßig zu sehr kurzfristigenAnordnungen, wird das von den betroffenen Beschäftigtenauch als Mangel an Respekt durch den Vorgesetzten empfun-den, wenn er die Planungen nicht frühzeitiger aufstellt. Auf-grund von Internet und Wetterprognosen lassen sich Schnee-fälle relativ gut vorhersagen. Letztlich entscheidet jedoch derSchaudienst während der frühen Morgenstunden, ob ein Ein-satz notwendig ist und in welchem Umfang.

Psychische und soziale Stressfaktoren

Hohe Verantwortung für eigene Arbeit und andereVerkehrsteilnehmerEine ausgeprägtes Verantwortungsgefühl empfinden dieMitarbeiter der Bauhöfe für die Sicherheit von Verkehrsteil-nehmern und Fußgänger. Sie fühlen sich zuständig und ver-antwortlich, durch ihre Arbeit Unfälle zu verhindern. Auchgesetzlich werden sie verantwortlich gemacht: Der Bauhofund der einzelne Beschäftigte sind rechtlich verpflichtet, dieArbeit genau zu dokumentieren, damit im Schadensfallüberprüft werden kann, inwieweit der Bauhof seiner Räum-und Streupflicht nachgekommen ist.

Gefahren beurteilenDas Beurteilen von Gefahren ist eine verantwortungsvolleAnforderung im Aufgabenbereich jedes Beschäftigten imWinterdienst. Vor allem die Vorgesetzten und die im Schau-dienst tätigen Mitarbeiter müssen entscheiden, welche Maß-nahmen (Räumen, Salzen etc.) zu treffen sind, auch auf derBasis von Wetterprognosen. Doch selbst der Mitarbeiter imHanddienst muss abschätzen, welche Menge Salz er streu-en muss, damit Schnee- und Eis gut auftauen, und dabeiauch die Entwicklung der Temperaturen im Laufe des Tagesund in den nächsten Tagen im Blick haben.

[ ]„Die Mitarbeiter der Bauhöfe empfinden einausgeprägtes Verantwortungsgefühl für dieSicherheit von Verkehrsteilnehmern undFußgänger“

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16 Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe

[ ]kapitel 1

den Pausen oder bei Aufräumarbeiten wichtig. Auch dieUnterstützung durch Kollegen ist eine sehr wichtige Gesund-heitsressource am Arbeitsplatz. Wer keine Unterstützungerlebt, den wird diese Situation beeinträchtigen und psy-chisch belasten. Ein Drittel der Befragten der Studie gab an,zu wenig Unterstützung von Kollegen zu erhalten.

Auch Konflikte zwischen den Kollegen im Bauhof bleibennicht aus: 38% der Befragten leiden darunter. Konfliktekönnen, wenn sie nicht offen ausgetragen werden, die Ge-sundheit der Mitarbeiter beeinträchtigen. Durch überlangeArbeitstage und Ermüdung steigt auch die Anspannungunter den Mitarbeitern. Die Krankheitsraten sind bei denBau- und Betriebshöfe relativ hoch. Insofern ist es nachvoll-ziehbar, dass 30% der Befragten angeben, durch das Feh-len von Kollegen belastet zu sein und 15% sogar starkbelastet. Fehlen Kollegen, müssen die übrigen aushelfenund länger arbeiten. Sie müssen im Handdienst alleine fah-ren, ein anderes Gebiet teilweise mit erledigen etc. DieMehrarbeit aufgrund von Erkrankungen ist erheblich.

Entscheidungen treffen beim SchaudienstMaßgeblich fällt die Beurteilung der Lage vor allem Vorge-setzten oder dem sogenannten Schau- oder Spähdienst zu.Der Schaudienst entscheidet, ob die Kollegen ausrückenmüssen. Dies erzeugt Stress, denn Fehleinschätzungenkönnen die Ursache für Unfälle sein. Oder aber die Kollegensind ungehalten, wenn sie ohne Not aus dem Bett geholtwerden. Die Mitarbeiter im Schaudienst erleben diese Auf-gabe insgesamt als aufreibend: Sie müssen früh aufstehenund entscheiden, ob ein Arbeitseinsatz erforderlich ist.

Betriebsklima und Zusammenarbeit im BauhofOftmals bilden Mitarbeiter aus dem Betriebshof, der Gärt-nerei und eventuell noch anderen Abteilungen den Winter-dienst. Die Zusammenarbeit funktioniert nicht immer rei-bungslos mit der Folge, dass es zu Abstimmungsproblemenkommt und die Arbeit weniger Freude macht. Dies kann sichauf die Arbeitsmotivation auswirken. Gerade im Winterdienstarbeiten die Mitarbeiter überwiegend alleine. Daher ist fürsie der gute Kontakt und der Austausch mit den Kollegen bei

0 20 40 60 80 100

Stressfaktoren für Beschäftigte – in %

Eintönigkeit

Trifft nicht zu belastet nicht belastet etwas belastet stark

Unklare Zuständigkeiten

Abhängigkeit Zuarbeit

Konflikte zwischen Kollegen

Wenig Unterstützung von Kollegen

Wenig Zusammenarbeit

52,2

53

54

11

14,2

18,6

24

27,4

22,1

12

4,4

49,6 12,4 33,6 4,4

57,5 8 27,4 7,1

52,2 9,7 28,3 9,7

7,1

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Winterdienst: eine anspruchsvolle Aufgabe 17

Wenig Verständnis durch Anwohner Ein erheblicher Stressfaktor für den Winterdienst sind unzu-friedene Anwohner, die manchmal sogar tätlich auf die Be-schäftigten losgehen, sie beschimpfen oder im Bauhof anru-fen und sich bei der Gemeinde beschweren. Dies passiertrelativ häufig. Wenig Verständnis durch Anwohner kennen79% der Befragten aus eigener Erfahrung. Rücksichtslosig-keit oder Gedankenlosigkeit sowie Kritik von Seiten derAnwohner ist aus der subjektiven Sicht der Winterdienst-mitarbeiter die schlimmste Belastung. Selten erhalten dieBeschäftigten im Winterdienst freundliche und anerkennen-de Worte von Anwohnern. Die Mitarbeiter, die ja mitten inder Nacht aufstehen müssen und wirklich hart arbeiten, vermissen dies. Die Mehrheit von 67 % der Befragten gaban, durch Kritik von Anwohnern psychisch etwas oder starkbelastet zu sein. Hier besteht für den Arbeitgeber einewichtige Aufgabe, Mitarbeiter vor Angriffen zu schützenund mit geeigneten Maßnahmen die Öffentlichkeit über dieArbeit des Winterdienstes zu informieren.

Wenig Anerkennung des Vorgesetzten Zuwenig Lob von den Vorgesetzten erhalten 62% der Befrag-ten: 32% davon fühlen sich dadurch „stark“ belastet, 46%belastet. Auch bei den Gesprächen und Interviews kam derWunsch nach mehr Anerkennung durch Führungskräfte zurSprache, und das betrifft gerade auch die höheren Führungs-ebenen. Die fehlende Anerkennung drückt sich aus Sicht derBeschäftigten nicht nur in expliziten Äußerungen aus, son-dern auch im Management, wenn beispielsweise die Be-schäftigte immer sehr kurzfristig über Bereitschaften infor-miert oder die Mitarbeiter mit den billigsten Schaufeln aus-gestattet werden. Dies verstehen sie als fehlende Wert-schätzung für sich und ihre Arbeit.

Verbesserungen hingegen, wie etwa gutes Schuhwerk, neueFahrzeuge, ergonomische Fahrersitze u. Ä. werden auch alsAnerkennung empfunden. Mangelnde Anerkennung wirktnicht nur demotivierend, sondern wird auch als mangelnderRückhalt von Seiten der Vorgesetzten erlebt, und dieserRückhalt wiederum ist die erwiesenermaßen wirksamsteRessource dafür, dass Beschäftigte am Arbeitsplatz gesundbleiben. JvK

Die Abhängigkeit von der Zuarbeit von Kollegen ist insge-samt relativ gering. Die Hilfe von Kollegen wird gebraucht,wenn das Fahrzeug defekt ist und repariert werden muss.Oder im Salzlager, wenn Leute vom Handdienst jemandenbrauchen, der mit dem Lader ihre Fahrzeug mit Streugutbelädt. Die Kollegen mit Kleinfahrzeugen können beispiels-weise bestimmte Bereiche für den Handdienst überneh-men. Etwa ein Drittel der Beschäftigten sieht sich durch dieAbhängigkeit von der Zuarbeit durch Kollegen belastet.

Unklare Zuständigkeiten können Stress verursachen. Nor-malerweise sind die Streugebiete fest auf bestimmte Perso-nen verteilt und zugewiesen, so dass einzelne Mitarbeiterteilweise mehr als zehn Jahre „ihr“ Gebiet fahren und dortauch schon viele Anwohner kennen. Probleme treten auf,wenn die Gebiete verändert oder neu verteilt werden oderwenn Kollegen erkranken und dann andere diese Bereichemit übernehmen müssen.

Mitsprache und Information der MitarbeiterFragen der Arbeitsorganisation im Baubetriebshof werdenhauptsächlich vom Tagesdienstleiter, vom Bauhofleiter undvom Abeilungsleiter im Rathaus bzw. vom Bürgermeisterselbst entschieden. In den Bauhöfen ist es üblich, nachdem Winter und vor dem Winter ein Treffen mit allen Mitar-beitern durchzuführen, um die Anregungen der Beschäftig-ten zu hören und aufzugreifen. Das betrifft z. B. die Größeder Räumgebiete. In der Studie wünschten sich dennochviele Mitarbeiter, dass mehr Gespräche und Austausch überdie Arbeit im Winterdienst geführt werden. Sie würden sichmehr Gelegenheiten wünschen, um ihre Beobachtungenund Überlegungen, aber auch Probleme zu besprechen. Inder Hektik des betrieblichen Alltags fehlt dafür oft die Zeitund der richtige Moment. Hier sind Vorgesetzte gefordert,das Gespräch mit den Mitarbeitern zu suchen.

An die Grenzen der Mitbestimmung stoßen Mitarbeiterund Vorgesetzte, wenn aufgrund von Sparzwängen Stellengestrichen werden oder Bereiche an Fremdfirmen verge-ben werden.

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18 Betriebliches Gesundheitsmanagement

nisationsentwicklung verzahnt. Die Gesundheit der Mit-arbeiter sowie deren Arbeitsfähigkeit sollte bei allen Ent-scheidungsprozessen berücksichtigt werden .

Unter Arbeitsfähigkeit wird "das Potenzial eines Men-schen, einer Frau oder eines Mannes, eine gegebeneAufgabe zu einem gegebenen Zeitpunkt zu bewältigen"(Illmarinen/ Tempel 2002, S. 85) verstanden. Dafür ist einsystematisches BGM erforderlich.

D ie körperlichen und psychischen Belastungen beider Arbeit, aber auch die demografische Entwick-

lung machen es immer wichtiger, die Arbeit ganzheitlichgesundheitsgerecht zu gestalten. Hierbei reicht es nichtaus, lediglich Maßnahmen zu ergreifen, die das Gesund-heitsverhalten der Beschäftigten in den Mittelpunkt stel-len, wie beispielsweise Bewegungs- und Ernährungs-kurse. Vielmehr sollte eine betriebliche Gesundheitspoli-tik angestrebt werden, welche das Betriebliche Gesund-heitsmanagement (BGM) eng mit der Personal- und Orga-

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)

BetrieblicheGesundheits-förderung (BGF)

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)

Arbeits- undGesundheitsschutz

Beratungs- undUnterstützungs-angebote

BetrieblichesEingliederungs-managemet (BEM)

Betriebliche Gesundheitspolitik

Personal-entwicklung

>> >>

Organisations-entwicklung

kapitel 2][

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Betriebliches Gesundheitsmanagement 19

Vorgehensweise zur Einführung eines BGM

Nachdem die oberste Leitung einer Einführung eines BGMzugestimmt hat, ist der erste Schritt, Strukturen zu schaf-fen. Hierzu wird ein Arbeitskreis Gesundheit mit folgenderBesetzung gegründet: z Hauptverantwortlicher für BGM z Mitglied der obersten Leitung mit Entscheidungs-

kompetenz z Personalrat z Fachkraft für Arbeitssicherheit

Begriffsdefinitionen der DIN Spec 91020

n Betriebliches Eingliederungsmanagement

Maßnahmen des Betriebes, Arbeitsunfähigkeit zu überwinden oder erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und Arbeits-

plätze zu erhalten, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt

arbeitsunfähig waren, mit Zustimmung der betroffenen Person und unter Beteiligung der zuständigen Interessenvertre-

tungen und ggf. des Betriebsarztes.

n Betriebliche Gesundheitsförderung

Maßnahmen des Betriebes unter Beteiligung der Organisationsmitglieder zur Stärkung ihrer Gesundheitskompetenzen

sowie Maßnahmen zur Gestaltung gesundheitsförderlicher Bedingungen (Verhalten und Verhältnisse), zur Verbesserung

von Gesundheit und Wohlbefinden im Betrieb sowie zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit.

n Betriebliches Gesundheitsmanagement

Systematische sowie nachhaltige Schaffung und Gestaltung von gesundheitsförderlichen Strukturen und Prozessen ein-

schließlich der Befähigung der Organisationsmitglieder zu einem eigenverantwortlichen, gesundheitsbewussten Verhalten.

n Betriebliche Gesundheitspolitik

Rahmen zur Festlegung von Zielen zum Schutz und zur Förderung von Gesundheit und Sicherheit der Organisationsmitglie-

der und des dabei zur Anwendung kommenden Verständnisses von Gesundheit und der angenommenen Wechselwirkun-

gen, die als Teil der Unternehmenspolitik den Unternehmenszielen ebenso wie dem Wohlbefinden und der Leistungsfähig-

keit der Mitarbeiter dient.

2z Betriebsarzt/-ärztin z Ggf. Vertretung der Personalabteilung z Ggf. Schwerbehindertenvertretung, Gleichstellungs-

beauftragter z Weitere Teilnehmer nach Bedarf, z. B. externe Berater

In diesem Arbeitskreis werden gemeinsame Ziele für dieEinführung von BGM definiert. Diese sollten spezifisch,terminierbar, messbar, machbar und erreichbar sein. Da-nach wird eine Strategie für die Umsetzung entwickelt:Kennzahlen werden benannt, Themenbereiche und Instru-

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20 Betriebliches Gesundheitsmanagement

[ ]kapitel 2 mente für die Analyse festgelegt. Idealerweise wird deroben beschriebene Kernprozess in einer Dienstvereinba-rung festgehalten. Ebenso notwendig ist es, hierfür sowohlfinanzielle als auch personelle Ressourcen zur Verfügungzu stellen. Gegebenenfalls müssen einzelne Personenqualifiziert werden, um diese Aufgabe zu bewerkstelligenzu können.

Ist-Stand analysierenZu Beginn einer ausführlichen Analyse steht die Auswer-tung der vorliegenden Daten wie Fehlzeiten, Unfallgesche-hen etc. Daraus ergeben sich evtl. bereits erste Rückschlüs-se auf Schwerpunktthemen, die zu behandeln sind. Dane-ben sollte die Perspektive der Mitarbeiter berücksichtigtwerden, z. B. mittels Mitarbeiterbefragungen und Gesund-heitszirkel. Es ist zu empfehlen, externe Berater mit einzu-beziehen, die diesen Prozess begleiten. Sowohl Kranken-kassen als auch die gesetzliche Unfallversicherung bietenentsprechende Unterstützung an. Bevor der Prozess startet, sollten alle Beteiligten ausführ-lich informiert werden.

Dies gilt im Besonderen für die Führungskräfte, denn siespielen eine tragende Rolle. Sind sie vom Veränderungs-prozess überzeugt, können sie als Motor agieren. Da dieUnterstützung der Mitarbeitenden außerordentlich wich-tig ist, sollte sich der Arbeitskreis Gesundheit ausführlichGedanken darüber machen, mit welchen Kommunika-tionsmitteln die Belegschaft am besten erreicht werdenkann. Die Analyse wird abgeschlossen mit einer Informa-tion der Belegschaft über die Ergebnisse.

Maßnahmen planenAufgrund der Analyseergebnisse kann der ArbeitskreisGesundheit nun kritische Bereiche identifizieren undUnterziele formulieren, die mit entsprechenden Maßnah-men erreicht werden sollen. Für die Entwicklung der Maß-nahmen sollten Verbesserungsvorschläge von Beschäftig-ten beispielsweise aus moderierten Gesundheitszirkelnoder themenzentrierten Workshops einfließen, da sie dieExperten ihres Arbeitsplatzes sind. Durch die Beteiligungwird auch die Akzeptanz der Maßnahmen erhöht. Bei denMaßnahmen sollte es sich nicht nur um verhaltensorien-

Kernprozess des Betrieblichen

Gesundheitsmanagements Evaluation

Analyse

Planung

Umsetzung

>>

>

>

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tierte Angebote handeln, wie Rückenschulen oder Entspan-nungskurse, sondern auch um verhältnisorientierte Maß-nahmen, wie zum Beispiel die Umstellung von Ablaufpro-zessen. Dies bewirkt eine nachhaltige Änderung. SindMaßnahmen beschlossen, ist es wichtig, die Mitarbeiterzu informieren, damit sie positive Veränderungen und Er-folge mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement inVerbindung bringen. Ebenso wichtig ist zu erklären, warumgewünschte Maßnahmen nicht umgesetzt werden können.

Maßnahmen umsetzenDer Arbeitskreis Gesundheit kontrolliert die Umsetzungder Maßnahmen; manche lassen sich kurzfristig umset-zen und sorgen für schnelle Erfolge. Andere wiederum,besonders jene mit einem hohen Veränderungspotenzialund mit vielen verschiedenen Beteiligten, benötigenmehr Zeit. Hier ist es wichtig, sie nicht aus dem Blick zuverlieren.

Maßnahmen überprüfenUm festzustellen, ob die Ziele erreicht wurden und dieMaßnahmen wirksam sind, bedarf es einer regelmäßigenEvaluation, z. B. durch Bewertungsbögen bei Kursen oderdurch Interviews mit Beteiligten. Darüber hinaus ist esratsam, sich bereits bei der Planung der Analyseschritteund der Definition der Ziele Gedanken zu machen, wieVeränderungen messbar gemacht werden können. EineMöglichkeit ist die turnusmäßige Wiederholung von Be-fragungen.

Ein Betriebliches Gesundheitsmanagementsystem istdann eingeführt, wenn die in der Grafik dargestelltenProzessschritte dauerhaft in den Strukturen verhaftetsind und es als lernender Prozess verstanden wird.

Handlungsfelder für Betriebliches Gesundheits-management

Es gibt viele Faktoren, die die Gesundheit und die Arbeits-fähigkeit der Beschäftigten beeinflussen. Finnische For-scher sind dieser Frage nachgegangen und haben dasModell "Haus der Arbeitsfähigkeit" entwickelt. Anhanddieses Modells lassen sich die verschiedenen Stellhebel,an denen BGM ansetzen sollte, gut darstellen.

Im untersten Stockwerk ist die Gesundheit angesiedelt. Sie ist die Grundlage jeglicher Arbeitsfähigkeit. Einschrän-kungen in diesem Stockwerk z. B. durch dauerhafte Fehl-belastung durch schweres Heben und Tragen wirken sichnicht nur negativ auf die Gesundheit aus, sondern auchauf die Arbeitsfähigkeit. Gezielte Maßnahmen können dieGesundheit und somit auch die Arbeitsfähigkeit stärken, z. B. Rückenschulkurse oder Angebote zur Entspannungsowie gesunder Ernährung. Gleichzeitig ist Gesundheit eine individuelle Ressource, diedurch viele Faktoren beeinflusst wird, die nicht direkt mitder Arbeit in Verbindung gebracht werden können, wie zumBeispiel genetische Bedingungen, individuelle Verhaltens-weisen oder das soziale und familiäre Umfeld. Deshalb istes auch wichtig, dies zu berücksichtigen (Illmarinen 2011).

Die Kompetenz befindet sich im zweiten Stockwerk. DieKompetenz beschreibt sowohl erlernte Fähigkeiten auf-grund der beruflichen Ausbildung oder fachlichen Weiter-bildung als auch persönliche Fertigkeiten und Erfahrungder Individuen. Durch Fort- und Weiterbildungsangebote,wie Kommunikations- oder Konfliktbewältigungstrainingsoder Fahrsicherheitstrainings kann dieses Stockwerk gutgefördert werden. Im Zeitalter des technischen Fort-schritts und der Globalisierung wird kontinuierlichesLernen immer bedeutsamer (Illmarinen 2011).

Betriebliches Gesundheitsmanagement 21

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22 Betriebliches Gesundheitsmanagement

[ ]kapitel 2

Im nächsten Stockwerk sind die Werte. Sie beschreibenEinstellungen und Motivation. Diese beiden Faktoren ha-ben direkten Einfluss auf das Arbeitsverhalten. Wertschät-zung und Anerkennung sind wichtige Faktoren in diesemBereich.

Das größte Stockwerk ist das Vierte, das die verschiede-nen Facetten der Arbeit umfasst. Hier sind die Elemente

untergebracht, die sich direkt aus dem Arbeitsplatz erge-ben und auch die anderen Stockwerke stark beeinflussenkönnen: z die Arbeitsumgebung mit ihren Licht-, Luft- und Tempe-

raturverhältnissen u.v.m. z das soziale Umfeld von Kollegen und Vorgesetzten z die eigentliche Arbeitsaufgabe, deren Anforderung

und Inhalt

Haus der Arbeitsfähigkeit nach Juhani Illmarinen. Bildnachweis: iga/Brigitte Seibold

Haus der Arbeitsfähigkeit

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Betriebliches Gesundheitsmanagement 23

z die Arbeitsorganisation, wie zum Beispiel die Arbeits-zeit oder Pausengestaltung

z die Führung und das Management als einem der verant-wortungsvollsten Faktoren, da Führungskräfte einen starken Einfluss auf die Arbeitsgestaltung haben

Das "Haus der Arbeitsfähigkeit" hat sich bereits als eingutes Kommunikationsmodell erwiesen und kann in denverschiedenen Phasen der Umsetzung des BGM gut ge-nutzt werden. Eine ausführliche Beschreibung finden Siein dem Buch "Arbeitsfähig in die Zukunft" von MarianneGiesert (Hrsg.) 2011.

In einer südbayerischen Kommune wurde jetztdas Betriebliche Gesundheitsmanagement ein-geführt. Grundlage für die Konzeption der Ein-führung war Haus der Arbeitsfähigkeit.

In einem ersten Schritt wurden der Arbeitskreis Gesundheitgegründet und die Mitarbeiter über die Einführung des BGMinformiert. Mit Hilfe einer Mitarbeiterbefragung wurde dieIst-Situation ermittelt. Die Rücklaufquote betrug 86%.Die Ergebnisse lieferten bereits erste Schwerpunktthe-men wie zum Beispiel Information und Mitspracherechtsowie Arbeitsbedingungen. Die Ergebnisse der Befragungwurden den Mitarbeitern in Informationsveranstaltungenkommuniziert. Des weiteren analysierte eine Sportwis-senschaftlerin die gesundheitlichen Probleme bei denzentralen Arbeitsvorgängen. Dabei wurde die hohe Be-lastung des Rückens und des Schulterbereichs durch dieKehrbewegung deutlich. Die Analysephase wurde mit derDurchführung eines Gesundheitszirkels abgeschlossen.

Neben einer genauen Beschreibung der Belastungen undStärken erarbeiteten die Teilnehmer konkrete Verbesse-rungsvorschläge. So wurde beispielsweise mehr Mitspra-che bei der Anschaffung von Arbeitskleidung oder - geräten,sowie Neuberechnung der Strecken vorgeschlagen. DieVorschläge wurden dann von den Gesundheitszirkelteilneh-mern dem Arbeitskreis Gesundheit vorgestellt, der an-schließend die Umsetzung der Maßnahmen auf Basis derVorschläge & Ergebnisse plante. Dabei berücksichtigte erdie einzelnen Stockwerke des Hauses der Arbeitsfähigkeit.

Stockwerk Gesundheit: Auf Basis der Analyse durch dieSportwissenschaftlerin wird jetzt den Mitarbeitern eineRückenschule angeboten. Stockwerk Kompetenz: Es wird ein Handbuch entwickelt, in dem die Aufgaben der Straßenreinigung für alle ver-ständlich beschrieben werden.Stockwerk Werte: Bei zukünftigen Neubeschaffungen tes-ten die Gesundheitszirkel vorab neue Arbeitskleidung und -geräte über einen bestimmten Zeitraum. Ihre Meinung wirdbei der Ausschreibung berücksichtigt.Stockwerk Arbeit: Unter Berücksichtigung der örtlichenGegebenheiten werden die Strecken neu berechnet.

Sowohl die beschlossenen als auch die abgelehnten Vor-schläge wurden allen Mitarbeitern vorgestellt und erläu-tert. Insgesamt werden die beschlossenen Maßnahmenvon den Mitarbeitern als gut bewertet, und sie sindmehrheitlich der Meinung, dass das Projekt zur Einfüh-rung eines BGM zu ihrer Arbeitszufriedenheit beiträgt.Um den Prozess dauerhaft zu implementieren, wird der-zeit ein kontinuierlicher Gesundheitszirkel initiiert, und essoll eine Folgebefragung geben.

YK

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24 Arbeitszeit gesundheitsförderlich gestalten

[ ]kapitel 3

Arbeitszeit gesundheitsförderlich gestalten

Die Lebenszeit jedes Menschen ist begrenzt und allewollen sie sinnvoll und zufriedenstellend gestalten.

Das gilt selbstverständlich auch für die Arbeitszeit, die fürBeschäftigte einen Großteil ihrer Lebenszeit ausmacht. Oftwird nicht mehr für den Lebensunterhalt gearbeitet, son-dern für die Arbeit gelebt, im positiven wie im negativenSinn. Wenn die knapp bemessene Freizeit hauptsächlichdazu dient, sich für die Erwerbsarbeit zu regenerieren undfit zu halten, wenn Familie und soziale Kontakte unter über-langen Arbeitszeiten und Schichtdiensten leiden, wenndem physiologischen Schlafbedürfnis nicht Genüge getanwird und ständige Verfügbarkeit z. B. bei monatelangerRufbereitschaft das Freizeitverhalten bestimmen, wird dieLebensqualität entscheidend beeinträchtigt. Dies wirkt sichauf die Gesundheit der Beschäftigten aus: Im Bereich derkommunalen Bauhöfe sind die Krankheitsraten in den letz-ten Jahren ständig gestiegen.

Eine Ursache hierfür ist die zu dünne Personaldecke, wenntatsächlich Winterdienst durch die bayerischen kommuna-len Bauhöfe geleistet werden muss. Verschärft wird dasProblem durch alternde Belegschaften, die einer physischenund psychischen Dauerbelastung im Winterdienst mit Ruf-bereitschaft, Schichtdienst, Nachtarbeit und langen Arbeits-zeiten bei verkürzten Ruhezeiten auf Dauer nicht gewach-sen sind.

Zu den gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen inBezug auf Lebens- und Arbeitszeit gehört:

1. Nachtschlaf ist erholsamer und gesundheitsförderlicher als Schlafen zu Tagzeiten, da sich der Körper zwar auf veränderte Schlafrhythmen ein-, aber nicht wirklich umstellt.

2. Als normales Schlafbedürfnis wird in der Schlaffor-schung eine ununterbrochene Schlafdauer von sechs-einhalb bis zehn Stunden angesehen. Eine Schlafdauer von unter fünf Stunden wird als Schlafentzug bewertet.

3. Schlaf und Erholungszeit können nicht „nachgeholt“ werden, sondern nur die Auswirkungen zeitnah aus-geglichen werden.

4. Nach neun Stunden Vollarbeit steigt das gesundheitliche Risiko für Arbeitsunfälle und Wegeunfälle exponentiell an.

5. Die körperliche Leistungsfähigkeit sinkt ab einer Arbeits-dauer von sechseinhalb Stunden kontinuierlich. Bei älteren Beschäftigten ist dieser Effekt deutlicher als bei jüngeren zu beobachten.

6. Kombinationen von Arbeitstätigkeiten zu ungünstigen Zeiten und mit überlanger Dauer, z. B. Überstunden während der Nachtarbeit, führen schneller zu verminder-ter Leistungsfähigkeit und zu Erschöpfung.

7. Die für den Biorhythmus ungünstigste Arbeitszeit liegt in den frühen Morgenstunden.

8. Ständiges Arbeiten gegen den allgemeinen gesellschaf-tlichen Rhythmus, z. B. während der Nachtzeit und am Wochenende, führt dazu, dass die Teilhabe am gesell-schaftlichen und sozialen Leben eingeschränkt wird.

9. Wiederkehrende kurze Pausen nach zwei Stunden erhöhen die Leistungsfähigkeit deutlich.

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Arbeitszeit gesundheitsförderlich gestalten 25

3Arbeitszeitgesetz regelt die Arbeitszeitgestaltung

Vor diesem Hintergrund versucht die Arbeitsgesetzgebung,vor allem auf europäischer Ebene, eine gesundheitsförderli-che Arbeitszeitgestaltung für Beschäftigte zu regeln, indemHöchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten, Ausgleichszeit-räume, arbeitsfreie Zeiten, Pausenregelungen usw. festgelegtwerden. Für Deutschland maßgeblich ist dabei das Arbeits-zeitgesetz (ArbZG) vom 6. Juni 1994 in der aktuellen Fassung.

Wichtigste Regelungen sind:z Nachtarbeit (zwischen 23 und sechs Uhr); Anspruch

auf Tagarbeitsplatz unter bestimmten Bedingungenz werktägliche Arbeitszeit (acht Stunden, Verlängerung

auf zehn Stunden nur mit Ausgleich)z Ruhezeit (ununterbrochen elf Stunden)z Ruhepausen z Schichtarbeit

Neueste Forschungen der Universität Oldenburg belegenden direkten Zusammenhang zwischen Arbeitsdauer undallgemeiner Gesundheit sowie zwischen gesundheitlichenund sozialen Beeinträchtigungen (Anna K. Wirtz, Lange Ar-beitszeiten; Untersuchungen zu den gesundheitlichen undsozialen Auswirkungen langer Arbeitszeiten; DissertationCarl von Ossietzky Universität Oldenburg 2010).

Unter § 7 Arbeitszeitgesetz gibt es die Möglichkeit von Aus-nahmeregelungen. Wichtig ist hierbei, dass sie nur greifen,wenn sie aufgrund eines Tarifvertrages zugelassen werden.Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst TVöD (kommuna-ler Bereich) ist in § 6 Abs. 4 festgelegt, dass aus dringen-den betrieblichen/dienstlichen Gründen auf der Grundlageeiner Dienstvereinbarung von den Vorschriften des Arbeits-zeitgesetzes abgewichen werden kann.

Das heißt...n Nur wenn eine Dienstvereinbarung zwischen Arbeit--geber und Personalvertretung existiert, kann von den Ausnahmeregelungen in § 7 Abs. 1,2 und § 12 ArbZG Gebrauch gemacht werden. Die Ausnahmeregelungenmüssen in der Dienstvereinbarung definiert werden.n Sie betreffen vor allem die Verkürzung der Ruhezeit auf neun Stunden und die damit einhergehende Arbeitszeitverlängerung auf bis zu 12 Stunden.

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26 Arbeitszeit gesundheitsförderlich gestalten

[ ]kapitel 3Beispiel: Eine Verkürzung der Ruhezeit aufdie Hälfte der eigentlichen Ruhezeit von elfStunden (= fünfeinhalb Stunden) würde

bedeuten, dass abzüglich der Wegezeiten (min. 60 Mi-nuten), der Zeiten des Fertigmachens und Essens nichteinmal mehr vier Stunden für den Erholungsschlafbleiben. Wie oben bereits dargestellt, werden Schlaf-zeiten unter fünf Stunden am Stück als Schlafentzuggewertet. Studien zufolge sinkt die Leistungsfähigkeitbei 17 Stunden ohne Schlaf auf Werte ähnlich einemBlutalkoholspiegel von 0,5 Promille. Kein Arbeitgeberund kein Beschäftigter kann nach einer so kurzenRuhezeit konzentriertes Arbeiten garantieren. Wird anmindestens 48 Tagen im Jahr mehr als zwei Stunden inder Zeit zwischen 23 und sechs Uhr gearbeitet, gilt derBeschäftigte als Nachtarbeitnehmer mit besonderenSchutzrechten. So darf die Vollarbeitszeit für Nachtarbei-

tnehmer acht Stunden nicht überschreiten (mit Dienst-vereinbarung bis zu zehn Stunden). Schichtarbeitneh-mer sind nach dem TVöD alle Beschäftigten, die inner-halb eines Rahmens von 13 Stunden eine um min.zwei Stunden versetzte Arbeitszeit im Zeitraum vonlängstens einem Monat leisten müssen. Dies trifft aufviele Bauhofbeschäftigte im Winterdienst zu. Die Be-schäftigten in Bauhöfen sind tarifvertraglich bzw.arbeitsvertraglich zur Leistung von Samstags-, Sonn-und Feiertagsarbeit verpflichtet. Grenzen setzt dasArbeitszeitgesetz durch die Vorschrift, dass 15 Sonnta-ge im Jahr beschäftigungsfrei bleiben müssen. Außer-dem müssen die durchschnittlichen wöchentlichenHöchstarbeitsgrenzen insgesamt eingehalten werden.Für die Beschäftigung an einem Sonntag muss lt. ArbZGden Arbeitnehmer/innen ein Ersatzruhetag innerhalbvon zwei Wochen gewährt werden (§ 11 Abs. 3).

Bestimmte Schutzvorschriften wie die Einhaltung einer Ruhezeit von elf Stunden, wenn die werktägliche Arbeitszeitüber zwölf Stunden hinaus verlängert wird, können nicht per Dienstvereinbarung ausgehebelt werden. Für den Winter-dienst mit Rufbereitschaft stellt sich das Problem, dass die Rufbereitschaft arbeitszeitrechtlich keine Arbeitszeit dar-stellt, d. h. theoretisch kann die Rufbereitschaft den ganzen Winter über geleistet werden. Erst wenn die Arbeit inner-halb des Rufbereitschaftszeitraums aufgenommen wird, greift das Arbeitszeitgesetz mit Höchstarbeitsgrenzen undMindestruhezeiten.

Wird durch Dienstanweisungen von den Ausnahmeregelungen des Arbeitszeitgesetzes unter § 7 Abs. 2 Nr. 1 Gebrauchgemacht, gibt es keine Vorgabe der Mindestruhezeit im Gesetzestext. Hier ist davon auszugehen, dass die sonstigen Re-gelungen sowie die neuesten arbeitswissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisse herangezogen werden müssen.Ausdrücklich ist in § 5 Abs. 3 (ArbZG) zur Verkürzung der Ruhezeit in einem Ausschließlichkeitskatalog nur von Kranken-häusern und Pflege- und Betreuungseinrichtungen die Rede.

Was bedeutet eine derartige Verkürzung der Ruhezeit konkret?

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Arbeitszeit gesundheitsförderlich gestalten 27

Grundsätzlich kann Winterdienst in Bayern nicht allein durcheine saisonale Verlängerung der Arbeitszeit abgedeckt wer-den. Die Beschäftigten arbeiten tarifvertraglich durchschnitt-lich 39 Wochenstunden, d. h. ungefähr siebeneinhalb Stun-den pro Tag. Um Räum- und Streudienste zwischen fünf und21 Uhr abdecken zu können (16 Stunden), werden zwei kom-plette Schichten (8,45 Stunden) benötigt. Um längere Räum-dienstzeiten, Wochenenden, Krankheitsausfälle und norma-len Dienstbetrieb aufrecht erhalten zu können, sind dreiSchichten nötig. Dies ist oft wegen der geringen Personal-decke nicht möglich.

Grundsätzlich sollten für die Arbeitsorganisation und damitdie Arbeitszeitgestaltung im Winterdienst gelten:

1. Einhaltung aller Gesetze und Verordnungen, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen, Risiken für sie und die Bevölkerung zu vermeiden und Haftungs-fragen aus dem Weg zu gehen.

2. Wo Ausnahmen nötig werden, können sie nur mit den Beschäftigten und ihrer Vertretung ausgehandelt und in einer Dienstvereinbarung geregelt werden.

3. Dabei sind die neuesten arbeitsmedizinischen Erkennt-nisse zu Rate zu ziehen, besonders was Dauer und Lage der Arbeitszeit, der Rufbereitschaft und der Ruhezeit angeht.

4. Die Ausnahmen sollten unter der Prämisse zeitnahen Ausgleichs von Belastungen stehen und nicht grund-sätzlich finanzielle Kompensation verlängerter und ungünstiger Arbeitszeiten vorsehen.

5. Der Ausgleich von Belastungen muss sowohl kurzfristig als auch langfristig unter dem Gesichtspunkt alternsge-rechten Arbeitens gesehen werden.

6. Zusätzliche Kompensationen für das Leisten von Ruf-bereitschaft und Winterdienst mit hohen körperlichenund psychischen Belastungen können auch in Sport-, Weiterbildungsangeboten oder Gesundheitsmaßnahmen während der Arbeitszeit bestehen.

7. Freiwilligkeit geht vor Anordnung!

8. Verantwortlich für den Arbeits- und Gesundheitsschutz ist immer der Unternehmer, in dem Fall der Bauhofleiter und sein direkter Vorgesetzter. Die Verlagerung des Haftungsrisikos auf die Beschäftigten, selbst die Fahr-tüchtigkeit bzw. Einsatzfähigkeit nach zu kurzer Ruhezeit oder zu langer Arbeitszeit einschätzen zu müssen, ist nicht zulässig.

9. Freizeit muss auch im Winterdienst z. B. für ein ganzes Wochenende planbar sein, ohne zu einem Einsatz gerufen werden zu können.

10.Generelle Urlaubssperren während des Winterdienst-zeitraums sind nicht zulässig, da Winterdienst in Bayern Hauptaufgabe der kommunalen Bauhöfe zu dieser Jahreszeit ist.

Damit diese Maßnahmen realisierbar sind, muss es eine rea-listische Personalbedarfsplanung für den Winterdienst unterBerücksichtigung der Fehlzeiten und der Alterszusammen-setzung der Belegschaft geben, die langfristige Personalein-satzplanung in Form von Dienstplänen für Normalarbeit undWinterdienst ermöglicht und den Beschäftigten Planungs-sicherheit, was Zeiteinteilung, aber auch was den Mindest-verdienst betrifft, erlaubt. Dann wird aus der Verantwortungfür den Winterdienst und die Allgemeinheit keine Last, diedie Gesundheit der Beschäftigten auf Dauer schädigt. KD

[ ]„Verantwortlich für den Arbeits-und Gesundheitsschutz istimmer der Unternehmer bzw.der Vorgesetzte“

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28 Arbeitssicherheit im Winterdienst

[ ]kapitel 4

Arbeitssicherheit im Winterdienst

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Arbeitssicherheit im Winterdienst 29

D ie oft schwierigen Witterungs- und Straßenbe-dingungen im Winterdienst stellen beim Räum-

und Streudienst hohe Anforderungen an kommunaleFahrzeugführer. Beim Winterdienst von Hand oder mitKleingeräten muss ebenfalls mit hohen Belastungen undUnfallgefahren für die Bauhofarbeiter gerechnet werden.Nicht vergessen sollte man auch die Beschäftigten imBauhof, die die erforderlichen vorbereitenden Arbeitenwie Rüsten oder Be- und Entladen der Winterdienstfahr-zeuge ausführen müssen. In den Kommunen steht derBürgermeister/Oberbürgermeister hierbei in der Pflicht,für eine ausreichende Arbeitssicherheit im Winterdienstzu sorgen und eine dokumentierte Gefährdungsbeurtei-lung vorzulegen.

Verantwortung des UnternehmersDer Unternehmer hat die erforderlichen Maßnahmen zurVerhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten undarbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu treffen. In den§§ 2 bis 14 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze derPrävention“ GUV-V A1 sowie in staatlichen Arbeitsschutz-vorschriften, z.B. §§ 3 und 4 des Arbeitsschutzgesetzes(ArbSchG) sind die Pflichten des Unternehmers beim be-trieblichen Arbeitsschutz festgelegt. Insbesondere sind fol-gende Pflichten einzuhalten:

z Auswahl und Bestellung geeigneter verantwortlicher Personen

z Gestaltung sicherer Arbeitsplätzez Anweisungen für einen gefahrlosen Arbeitsverlaufz Überwachung der erteilten Anweisungenz Wirkungskontrollez Sicherstellung einer wirksamen Ersten Hilfez Bestellung von Fachkraft für Arbeitssicherheit,

Betriebsarzt, Sicherheitsbeauftragten

Der Unternehmer, in Kommunen der Bürgermeister/Ober-bürgermeister, trägt grundsätzlich die Verantwortung fürdas Arbeitsergebnis und die Arbeitssicherheit seiner Be-schäftigten. Da er aber in größeren Kommunen aus Zeit-gründen nicht allen Pflichten selbst nachkommen kann,besteht die Möglichkeit der Pflichtenübertragung aufgeeignete Mitarbeiter, z. B. Bauamtsleiter oder Bauhof-leiter. Diese Beauftragung muss den Verantwortungsbe-reich und die Befugnisse festlegen und ist vom Beauftrag-ten zu unterzeichnen. Oftmals werden Mitarbeitern inVorgesetztenpositionen bereits aufgrund ihrer Stellen-beschreibung bzw. ihres Dienstvertrages Unternehmer-pflichten übertragen. Wenn dadurch die Verantwortlich-keiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Beschäf-tigten geregelt wird, ist keine spezielle Pflichtenübertra-gung mehr notwendig.

4

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30 Arbeitssicherheit im Winterdienst

Nach Arbeitssicherheitsgesetz (ASIG) sind vom Arbeit-geber Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärztezu bestellen, die gegenüber dem Arbeitgeber eine Bera-tungsfunktion haben - insbesondere bei Planung, Aus-führung und Unterhaltung von Betriebsanlagen, bei derBeurteilung von Arbeitsbedingungen bzw. bei arbeitshy-gienischen Fragen und der Durchführung arbeitsmedizini-scher Untersuchungen. In Unternehmen bzw. Kommunenmit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten muss es nach

§ 22 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) einen Si-cherheitsbeauftragten geben. Seine Aufgabe ist es, aufUnfall- und Gesundheitsgefahren für die Beschäftigten inseinem unmittelbaren Wirkungskreis aufmerksam zu ma-chen. Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzteoder Sicherheitsbeauftragte haben alle trotz unterschied-licher Wirkungsbereiche nur eine beratende Funktion,die eine Übertragung von Unternehmerverantwortungausschließt.

Verantwortung für Arbeits- und Gesundheitsschutz im Unternehmen

[kapitel 4]

Vera

ntw

ortu

ng

UnternehmerArbeitgeber

Verantwortliche PersonenGeschäftsstellen- Abteilungsleiter

Beschäftigte bzw. Versicherte

Unterstützung Beratung

z Fachkräfte für Arbeitssicherheit

z Betriebsärzte

z Sicherheitsbeauftragte

z weitere Beauftragte

z Personalrat/Betriebsrat

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Arbeitssicherheit im Winterdienst 31

GefährdungsbeurteilungDer Arbeitgeber ist nach § 5 ArbSchG verpflichtet, die Ge-fährdungen zu ermitteln, denen die Beschäftigten bei ihrerArbeit ausgesetzt sind. Er kann auch fachkundige Personen(z. B. externe Fachkräfte, Abteilungsleiter, Bauhofleiter mitUnterstützung durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit undden Betriebsarzt) mit der Durchführung der Gefährdungs-beurteilung beauftragen. In der Beurteilung werden syste-matisch die Gefährdungen am Arbeitsplatz festgestellt undbewertet und erforderliche Maßnahmen veranlasst. DieGefährdungsbeurteilung ist durchzuführen bei

z Erstbeurteilung an bestehenden Arbeitsplätzenz betrieblichen Änderungenz Neubeschaffung von Maschinen und Gerätenz Unfallhäufigkeitz Änderung des Standes der Technikz in regelmäßigen Abständen

Durchführung der Gefährdungs-beurteilung

Ermitteln der Gefährdungenund Belastungen

Beurteilung

Festlegen vonMaßnahmenDurchführen der

Maßnahmen

Überprüfen derWirksamkeit

Dokumentation

Fortschreibung

>>

>

>>

>

>

Der Arbeitgeber muss bei der Gefährdungsbeurteilung sei-ner Dokumentationspflicht nachkommen. Es steht ihm aberfrei, in welcher Form und in welchem Umfang er dies macht.Dadurch ist es möglich, die Beurteilungen individuell anzu-passen und Aufzeichnungen, z. B. Protokolle von Betriebs-begehungen oder Betriebsanweisungen zur Dokumentationmit heranzuziehen.

Im Folgenden werden wesentliche Gefährdungen für Be-schäftigte in kommunalen Bauhöfen aufgeführt und Maß-nahmen gezeigt, die eine ausreichende Arbeitssicherheit imWinterdienst sicherstellen können. Zunächst wird auf dieim Winterdienst geeignete Persönliche Schutzausrüstungeingegangen und danach die Arbeitsbereiche „Arbeiten imBauhof“, „Winterdienst von Hand und mit Kleingeräten“sowie „Winterdienst mit Fahrzeugen“ behandelt. Selbst-verständlich sind bei jedem Bauhof je nach Beschäftigten-zahl, Ortsgegebenheit und unterschiedlichen Maschinen-bzw. Fuhrparks spezielle Gefährdungsbeurteilungen vorzu-nehmen und zu dokumentieren.

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32 Arbeitssicherheit im Winterdienst

[ ]kapitel 4

Der Unternehmer ist verpflichtet, geeignete persönlicheSchutzausrüstung zur Verfügung stellen. Er ist jedoch auchdafür verantwortlich, dass diese Ausrüstung während dergesamten Benutzungsdauer gut funktioniert und sich ineinem hygienisch einwandfreien Zustand befindet. Wichtigfür die Arbeit im Freien, nasse Bekleidung und Schuhe imBauhofgebäude trocknen zu können. Bei der Auswahl derPSA sind die Beschäftigten einzubeziehen. Für Arbeiten imWinterdienst ist die Persönliche Schutzausrüstung nacherfolgter Gefährdungsbeurteilung je nach Tätigkeit undGefährdung von der Kommune bzw. der Bauhofleitung fest-zulegen. Häufig verwendete PSA im Winterdienst sind:

Augen- oder Gesichtsschutz: z. B. beim Umgang mit Gefahrstoffen, bei Schleifarbeiten,beim Schweißen, bei Umgang mit Calciumchlorid-Staub Atemschutz:z. B. bei Arbeiten mit Strahlgeräten für körnige Strahlmittelund Farbspritzgeräten, Arbeiten mit gesundheitsschädli-chen Gasen, Dämpfen (Gasfilter) oder Stäuben (Partikel-filter)Schutzhandschuhe:Arbeitshandschuhe bei normalen Arbeiten, chemikalienbe-ständige Handschuhe bei Arbeiten mit Chemikalien, Winter-handschuhe für HandtruppSicherheitsschuhe:z Geeignete Sicherheitsschuhe gemäß Gefährdungs-

ermittlungz S2-Schuh im Werkstattbereichz S3-Schuh, wenn mit Eintreten in spitze oder scharf-

kantige Gegenstände zu rechnen ist z Schnittschutzeinlage bei MotorsägearbeitenGehörschutz:z muss zur Verfügung gestellt werden, wenn der Tages-

Lärmexpositionspegel 80 dB(A) überschreitetz Gehörschutz: Otoplastik, Kapselgehörschutz, Gehör-

schutzstöpselz bei Teilnahme am öffentlichen Verkehr darf nur dafür

zugelassener Gehörschutz getragen werdenWarnkleidung:z nach DIN EN 471z Warnanzug, bestehend aus Jacke und langer Hose

entsprechend Klasse 3

Persönliche Schutzausrüstung (PSA)Im Winterdienst ist eine Persönliche Schutzausrüstung un-verzichtbar, um Unfall- und Gesundheitsgefahren für dieBeschäftigten zu verhindern. Bei Arbeiten im Bauhof mussbei Werkstattarbeiten, z. B. Schleif- und Schweißarbeitenbei Winterdienstfahrzeugen, die richtige PSA getragen wer-den. Außerhalb des Bauhofes müssen die Bauhofbeschäf-tigten vor Kälte und Nässe oder Gefahren durch fließendenStraßenverkehr geschützt werden.

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Arbeitssicherheit im Winterdienst 33

Wetterschutzkleidung:z Wetterschutzkleidung mit hoher Wasserdampfdurchläs-

sigkeit bei gleichzeitiger Winddichtheitz Schutzkleidung gegen Kälte und Niederschläge: Über-

ziehjacken und – hosen, Handschuhe, Schuhwerk, Ohren- und Kopfschutz

z Wetterschutzkleidung ggf. als Warnkleidung

Arbeiten im BauhofGeräte und Ausrüstungen für den Winterdienst:Überprüfen der Geräte und Ausrüstungen vor Beginn desWinterdienstes auf ordnungsgemäßen Zustand und Funktion

Arbeiten an hochgelegenen Stellen an Winterdienstfahr-zeugen:Standflächen für Arbeiten sowie sichere Aufstiegsmöglich-keit vorsehenSalzlagerhalle:z Elektrische Anlagen und Betriebsmittel regelmäßig

kontrollierenz FI - Schutzschalter mit 30 mA verwendenUmgang mit Streusalz: Böschungswinkel des Streusalzes in der Lagerhalle nicht zusteil werden lassen, um zu verhindern, dass das Streugut ab-rutscht und den Arbeitsbereich des Beschäftigten verschüttet

Beladen mit Streusalz

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34 Arbeitssicherheit im Winterdienst

[ ]kapitel 4

Besondere Gefährdung beim Streuauto-mat: Bei laufender Schneckenförderein-richtung darf die Abdeckung des Streu-stoffbehälters (Gitter) nicht entferntwerden. Bei Verstopfungen sind geeig-

nete Werkzeuge (z. B. Holzstiel) zu verwenden. KeineReinigungsarbeiten nach Winterdiensteinsatz bei lau-fender Schnecke ohne Gitterabdeckung!

Mitgängergeführte Schneepflüge:Hand-Arm-Schwingungen mindern durch vibrationsdämp-fende Elemente zwischen Maschine und HandgriffenKleinschlepper:Neigung zum Umkippen durch geringe Spurweite, deshalbBordsteine möglichst nicht überfahren oder rechtwinkliganfahrenBesondere Gefährdung bei handgeführten Schneeschleudern:Verstopfungen im Auswurfkanal dürfen nur bei abge-schaltetem Antrieb und Stillstand der Geräte beseitigtwerden. Es ist ein geeignetes Werkzeug mitzuführen undzu benutzen – niemals mit bloßen Händen in den Aus-wurfkanal greifen.

Winterdienst mit FahrzeugenFahrzeugausrüstung:auf Vollständigkeit der Fahrzeugausrüstung achten, insbe-sondere Warnwesten, Warnleuchte, Warndreieck, Verbands-kasten, Feuerlöscher, leistungsfähiges Gebläse und Hei-zung, Winterreifen, SchneekettenAussteigen aus dem Führerhaus: z Benutzung von Haltegriffen und Trittstufen z nicht aus dem Führerhaus auf den Boden springen Rückwärtsfahren, Wenden, Abbiegen:z Beifahrer im Winterdienstfahrzeug (2. Mann) als Einweiser

beim Rückwärtsfahren, Wenden oder unübersichtlichen Abbiegen

z alternativ Ausrüstung des Winterdienstfahrzeuges mit Rückraum-Kameraanlage

Hohe Schwingungsbelastungen im Räum- und Streudienst:Einsatz von schwingungsdämpfenden luftgefederten SitzenEinsatz von Schneeschleudern und Schneefräsen:Schneeverstopfungen oder andere Störungen in den Aus-wurfeinrichtungen nicht bei laufendem Antrieb beseitigen,da sonst Gefahr von Finger- bzw. Handverletzungen Herablassen des Streutellers bei Streuautomaten:Bediener seitlich vom Streuteller aufstellen, damit er nichtvom Streuteller oder von auslaufender Sole getroffen wird.

Betanken mit Solelösung oder bei Staubeinwirkung von Cal-ciumchlorid:Atemschutz (Partikelfilter P2) tragenMontage eines Streuautomaten auf Trägerfahrzeug:Prüfen, ob das Trägerfahrzeug geeignet ist (Art der Ladungs-sicherung, ausreichende Stabilität der Ladefläche, Einhal-tung der zulässigen Achslasten und Gewichte)Abstellen von Streuautomaten:Geeignete und zugelassene Stützeinrichtungen verwendenWechseln der Schürfleisten von Schneepflügen:Maßnahmen ergreifen, damit Beschäftigte nicht vom um-kippenden Schneepflug oder von Anbauteilen getroffenwerden

Winterdienst von Hand und mit KleingerätenPersönliche Schutzausrüstung:Schutz gegen Kälte und Nässe sowie vor fließendem Stra-ßenverkehr – Schutzhandschuhe, geeignetes Schuhwerk,Wetterschutzkleidung und WarnkleidungWinterdienst von Hand:Bei Nassschnee Hilfsmittel wie Schneeschieber nutzen,Vorgaben der Rückenschule berücksichtigenUmgang mit auftauenden Salzen:Tragen von geeigneten Schutzhandschuhen, z. B. aus Nitril– oder Butylkautschuk, Hautschutz verwendenMitgängergeführte Geräte mit rotierenden Werkzeugen:Rotierende Werkzeuge von mitgängergeführten Gerätenmüssen beim Loslassen der Stellteile durch „Totmann-schaltung“ innerhalb von 10 sec stillstehen

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Arbeitssicherheit im Winterdienst 35

Beengte Platzverhältnisse im Kleinfahrzeug

Absturzgefahr beim Auf- und Abstieg

Besondere Gefährdung bei Winter-dienstfahrzeugen: Abstürze von hoch-gelegenen Stellen, wie Trittbretternoder Steigleitern kommen immer wie-der vor, insbesondere wenn Schnee

und Eis die Begehbarkeit beeinflussen. Oftmals feh-len auch geeignete Aufstiegsmöglichkeiten, so dassBeschäftigte, die zur Beseitigung von Störungenoder zur Kontrolle des Streustoffbehälters hochstei-gen müssen, Gefahr laufen, auszurutschen und herun-terzufallen. Auf geeignete, sicher zu begehende Auf-stiegsmöglichkeiten bei Winterdienstfahrzeugen istdeshalb besonders zu achten.

UnterweisungNicht alle Gefährdungen, die für Beschäftigte im kommuna-len Winterdienst auftreten können, sind hier benannt wor-den. Dies ist, wie bereits erwähnt, Aufgabe des jeweiligenArbeitgebers. Damit die Beschäftigten Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen erkennen und entsprechendhandeln können, müssen sie eine auf ihre Arbeits- undTätigkeitssituation zugeschnittene Unterweisung erhalten.Art und Weise einer Unterweisung sollten in einem ange-messenen Verhältnis zwischen Gefährdungsumfang undAusbildung bzw. Qualifikation des Beschäftigten stehen.Anlässe für eine Unterweisung können z. B. sein:

z Einstellung oder Versetzungz Veränderungen im Aufgabenbereichz Einführung neuer Arbeitsmittelz Ergebnisse von Betriebsbesichtigungenz Unfälle, Beinaheunfälle, Gesundheitsgefahren

Bei gleich bleibenden Gefährdungen ist die Unterweisungjährlich zu wiederholen, um den Beschäftigten die Möglich-keit zu geben, sich weiterhin sicherheits- und gesundheits-gerecht verhalten zu können. MB

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36 Was können Beschäftigte selbst tun?

[ ]kapitel 5

D er kommunale Winterdienst ist eine sehr verantwor-tungsvolle Aufgabe. Jedes Jahr sterben bei Winterein-

bruch Verkehrsteilnehmer bei Unfällen auf glatten Strasse,stürzen Fußgänger wegen Eis- und Schneeglätte auf Gehwe-gen. Mitarbeiter im Winterdienst sind sich ihrer hohen Ver-antwortung nur zu deutlich bewusst. Sie können ihre Arbeitnur professionell und gesundheitsgerecht leisten, wenneinerseits von betrieblicher Seite gute Rahmenbedingungengeschaffen werden. Doch sie müssen andererseits auchselbst auf ihre Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatzachten. Gesundheitsgefahren sollten ernst genommen wer-den, und sicheres Arbeiten muss selbstverständlich sein.

Die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erhalten,ist für Mitarbeiter jüngeren Alters meist noch kein Anliegen.Erst mit den ersten Bandscheibenbeschwerden oder anderengesundheitlichen Störungen wird einem stärker bewusst,dass Gesundheit ein wertvoller Zustand ist und dass manselbst etwas dafür tun kann und auch sollte. Dann ist es abermöglicherweise schon zu spät, weil Schädigungen da sind,die nicht mehr umkehrbar sind. In den Baubetriebshöfenfällt den jüngeren Mitarbeitern der Handdienst noch leicht,für sie sind die Anstrengungen kein größeres Problem.Anders ist es schon für die Mitarbeiter, die 30 oder 40 Jahreund älter sind. Sie achten mehr darauf, ihre Kräfte zu scho-nen und unnötige Belastungen zu vermeiden. Gesundheits-schutz, wie z. B. rückenschonendes Heben, das Tragen von

Gehörschutz etc., sollte man sich jedoch bereits zu Beginnseiner Arbeitslaufbahn zur Gewohnheit machen. Und vomArbeitgeber sollte eine alternsgerechte Arbeitsgestaltungpraktiziert werden.

Gesundheitsgerecht arbeiten und für einen gesundenRücken sorgenBeschäftigte in Baubetriebshöfen sind in ihrer Arbeit beimWinterdienst körperlichen Belastungen ausgesetzt, die zuRückenschädigungen führen können. In der Studie klagtenviele Beschäftigte über Probleme. Diese Belastungen las-sen sich teilweise technisch reduzieren, aber nicht vollstän-dig vermeiden. Dies ist die schlechte Nachricht. Die guteNachricht: Gegen Schäden an der Wirbelsäule wie z. B.einem Bandscheibenvorfall kann man relativ einfach und mitwenig Aufwand selbst etwas tun. Durch gezieltes Muskel-training kann die Stützmuskulatur im Becken und Bauch-bereich, aber auch entlang der Wirbelsäule so gestärkt wer-den, dass nicht nur ein wirksamer Schutz aufgebaut wird,sondern auch Beschwerden vermindert werden können.

Dieses Muskeltraining für Bauch- und Rückenmuskulaturmuss sehr gezielt gemacht werden und die Übungen solltenregelmäßig durchgeführt werden. Das kann im Fitnessstudioan Geräten sein, aber auch zuhause oder im Sportverein.Mitarbeiter im Winterdienst denken vielleicht, wie viele Be-schäftigte, die körperlich arbeiten, dass sie ihren Körper

Was können Beschäftigte selbst tun?

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Was können Beschäftigte selbst tun? 37

schon durch die Arbeit trainieren und nach Feierabend ausru-hen können. Dies ist nur teilweise richtig. Körperliche Belast-ungen am Arbeitsplatz, z. B. beim Heben von Gewichten,können kurzzeitig und dabei massiv einwirken, ohne dass

die Rückenmuskulatur dafür trainiert wäre. Bewegungen undKörperhaltungen am Arbeitsplatz sind in der Regel einseitigund können ein gezieltes Training der Stützmuskulatur zurVorbeugung von Rückenschäden nicht ersetzen.

5

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38 Was können Beschäftigte selbst tun?

[ ]kapitel 5

Um Rückenschädigungen zu vermeiden, ist es jedoch gleich-zeitig wichtig, die Bewegungen bei belastenden Tätigkeitenwährend der Arbeit so auszuführen, dass die Belastungen für den Rücken möglichst niedrig bleiben. Wichtig ist es z. B.beim Heben von Lasten immer die Knie zu beugen. Bei län-geren Fahrten im Räumfahrzeug wird der Rücken einseitigbelastet durch das lange Sitzen und die Vibrationen desFahrzeuges, die Erschütterungen durch Bodenuneben-heiten. Hier sind Ausgleichsübungen und Streckübungenhilfreich.

Persönliche Schutzausrüstung verwendenGesundheitsgerechtes Arbeiten heißt natürlich auch, dasspersönliche Schutzausrüstung getragen und eingesetztwird. Im Winterdienst ist warmes, wasserfestes und rutsch-festes Schuhwerk ebenso wichtig wie Schutzkleidung undgute Handschuhe. Sind geeignete Hilfsmittel wie z. B. Ge-hörschutz, der während des Fahrens getragen werden darf,nicht vorhanden, sind die Baubetriebshofleiter sicher damiteinverstanden, dass diese beschafft werden.

Sich informierenGesundheitsgerechtes und professionelles Arbeiten beginntdamit, sich zu informieren. So sollte man die gesetzlichenBestimmungen kennen. Was besagt die Arbeitsschutzge-setzgebung, welche internen und externen Vorschriften gibtes, welche Dienstanweisungen? Nur wer die gesetzlichenRegelungen kennt, ist in der Lage, Versäumnisse zu benen-nen und gegenüber dem Arbeitgeber die Einhaltung vonGesetzen anzumahnen. Es ist wichtig, Mängel zu melden,denn dadurch können Unfälle oder Erkrankungen vermiedenwerden. So sollte man Vorgesetzte über Mängel an Fahrzeu-gen, an Arbeitsmitteln oder der persönlichen Schutzaus-rüstung (Schuhe, Handschuhe etc.) informieren. Auch dieFachkraft für Arbeitssicherheit ist ein wichtiger Ansprechpart-ner für Fragen von Sicherheit und Gesundheit am Arbeits-platz. Wer Bedenken hat, kann sich auch vertrauensvoll anden Personalrat wenden.

Sicherlich kann der Arbeitgeber dazu motiviert werden, Ge-sundheitstage oder Fortbildungen zu organisieren, bei denenInformationen über gesundheitsgerechtes Arbeiten vermitteltwerden. Informationen und Wissen kann man sich auch an-eignen, indem man im Arbeitsschutzausschuss mitarbeitetoder sich zum Sicherheitsbeauftragten ausbilden lässt. Willman konkrete Verbesserungen in einzelnen Bereichen errei-chen und hat auch Ideen für Lösungsvorschläge, so sollteman das betriebliche Vorschlagswesen nutzen oder Kollegenoder Vorgesetzte für diese Ideen gewinnen.

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Was können Beschäftigte selbst tun? 39

Überlastung deutlich machenEs ist gegen das eigene Interesse und die eigene Gesund-heit, Überlastung durch ein ungünstiges Räumgebiet oderdurch überlange Arbeitstage stillschweigend zu akzeptie-ren. Damit nimmt man möglicherweise sogar eine Gefähr-dung anderer in Kauf. Wer übermüdet ist, sollte nicht mehram Straßenverkehr teilnehmen. Vorgesetzte nehmen dieÜberlastung ihrer Mitarbeiter am Arbeitsplatz nicht immerwahr oder sehen auch manchmal darüber hinweg, weil sie(auf den ersten Blick) keine Abhilfe wissen oder meinen,sich Sachzwängen beugen zu müssen. Daher ist es wich-tig, die Überschreitung der eigenen Leistungsgrenzen ge-genüber den Vorgesetzten anzusprechen und auch schrift-lich anzuzeigen. Manchmal fällt es schwer, sich die eige-nen Leistungsgrenzen einzugestehen und vor sich selbstanzuerkennen. Denn es scheint im Moment einfacher, denKonflikt zu vermeiden und den starken Mann zu mimen.Doch damit tut man weder sich selbst noch dem Arbeit-geber oder den Kollegen auf längere Sicht einen Gefallen.Überlastung kann zu Erkrankung führen, die die Situationim Betrieb weiter verschärft.

Wer bereits zehn Stunden ein Räumfahrzeug gefahren hat,wird ehrlicherweise eingestehen müssen, dass er nicht mehrvoll leistungsfähig ist. Auch die Sicherheit der anderen Ver-kehrsteilnehmer erfordert vom Mitarbeiter im Winterdienstgute mentale und körperliche Fitness. Schlafmangel undÜbermüdung bewirken, dass man ähnlich viele Fehler machtwie unter Alkoholeinfluss. Um der eigenen Sicherheit willensollte man daher auf die Einhaltung der Mindestruhezeitenpochen. Wenn die Ausführung einzelner Arbeiten und Auf-gaben offensichtlich sehr riskant erscheint, sollte man denVorgesetzten auf diesen Missstand hinweisen und die Fach-kraft für Arbeitssicherheit und den Personalrat informieren.Bergen Arbeiten nach eigener Einschätzung ein zu hohesRisiko, so ist man nicht verpflichtet, sie auszuführen.

Oft spielen finanzielle Interessen eine Rolle, wenn Mitarbei-ter mit überlangen Arbeitstagen einverstanden sind. Bei derEinführung von Schichtsystemen, die solche überlangenArbeitszeiten vermeiden helfen, bestehen daher zuweilenVorbehalte von Seiten der Beschäftigten. Sicherheit undGesundheit der Mitarbeiter wie auch die Sicherheit anderersollten jedoch klar Vorrang erhalten.

Sicheres und gesundes Arbeiten

n sich informieren über gesetzliche Bestimmungen und gesundheitsgerechtes Arbeiten

n sich über Gefahren am Arbeitsplatz unterweisen lassen

n Schutzkleidung, geeignetes Schuhwerk und Handschuhe tragen

n geeigneten Gehörschutz tragen

n Sicherheitshinweise an Fahrzeugen, elektrischen Anlagen etc. beachten

n Sicherheitsmängel und Gefahren an Vorgesetze melden

n Vorschläge für Verbesserungen einbringen

n Belastungsanzeigen machen, auch schriftlich

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40 Was können Beschäftigte selbst tun?

[ ]kapitel 5

Fairness im KollegenkreisJeder trägt zu einem guten Betriebsklima und einem fairenUmgang miteinander bei. Das Wohlbefinden am Arbeits-platz wird sehr stark durch das zwischenmenschliche Klimabestimmt. Wenn man sich mit den Kollegen versteht undgut miteinander auskommt, macht die Arbeit mehr Freu-de. Umgekehrt wird das Arbeiten zur Qual, wenn die Stim-mung schlecht ist und die Kollegen sich nur angiften. Hierist jeder gefordert, dazu beizutragen, dass man sich imKollegenkreis wohl fühlt. Jeder kann mithelfen, dass einkollegialer und offener Umgangston herrscht. Jeder kanndarauf achten, Kollegen nicht auszugrenzen. Wenn dieSpäße, Frozzeleien und dummen Sprüche in der Frühstück-pause gegen bestimmte Kollegen unter die Gürtelliniegehen, ist es manchmal wichtig, einzuschreiten. Ist manselber Ziel von Angriffen oder Bemerkungen, kann es hel-fen, klar zu sagen, dass man diese Angriffe nicht mehrlustig findet.

Umgang mit Angriffen von BürgernEin interessantes Ergebnis der Studie in den bayerischenBaubetriebshöfen war, dass für die Mitarbeiter im kommu-nalen Winterdienst die Beschwerden von Bürgern, aberauch die Angriffe von Anwohnern gr0ße Stressfaktoren sind.

Immer wieder sind aggressive Äußerungen und sogar tätli-che Angriffe von Seiten der Anwohner gegen Mitarbeiter imWinterdienst ein Problem. Anlass für diese Angriffe ist z. B.,dass beim Räumen der Straße Schnee auf bereits von An-wohnern leergeräumte Einfahrten oder Gehwege zurückge-worfen wird. Dies ist kaum vermeidbar, doch die Anwohnersehen die sachlichen Gründe nicht. So müsste erklärt wer-den, dass dieses „Zurückschaufeln“ des Schnees auf Geh-wege oder Einfahrten leider nicht vermeidbar ist. Denn derAnwohner, der gerade seine Einfahrt geräumt hat, nimmt esvielleicht als persönlichen Angriff, wenn kurz darauf derstädtische Winterdienst wieder Schnee in diese Einfahrt ein-bringt.

Der Umgang mit aufgebrachten Kunden oder Bürgern wirdauch in speziellen Seminaren geschult. Im Rahmen der be-trieblichen Gesundheitsförderung werden bei größerenKommunen Schulungen angeboten. Mitarbeiter, die so einTraining mitmachen, lernen, wie sie in Konfliktsituationenmit Bürgern besser umgehen und Besonnenheit und Ruhebewahren können. Die Mitarbeiter können auch anregen,dass in Rundschreiben der Gemeinde Informationen überdie Arbeit des Winterdienstes vermittelt werden.

Ressourcen wirken als Puffer gegen Stress

Ressourcen im Team:z gegenseitige Unterstützungz gemeinsame Zielez Verlässlichkeitz Fairnessz klare Strukturen

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Was können Beschäftigte selbst tun? 41

Mit Stress bewusst umgehenFür Mitarbeiter im Winterdienst ist generell die Auseinander-setzung mit dem Thema Stress lohnend. Was sind für michpersönlich Auslöser für Stress, in welchen Situationen gera-te ich in Stress, könnte ich dies vermeiden, wie könnte ich inder stressigen Situation eventuell anders handeln? Für Mit-arbeiter im Winterdienst sind z. B. oft parkende Fahrzeugeein Ärgernis, das Stress verursacht. Wie kann in der Situa-tion trotz der verengten Fahrbahn das eigene Fahrzeug si-cher die Stelle passieren, schafft man das ohne Schäden?Stress ist nicht nur durch äußeren Druck verursacht. Stressmacht man sich oft selbst, indem man zu perfektionistischherangeht, sich selbst mit hohen Ansprüchen das Lebenschwer macht. Wenn ein Fahrzeug im Weg steht, ist es viel-leicht möglich, anzuhalten, und den Fahrer zu bitten, beisei-te zu fahren.

0 20 40 60 80 100

Stressfaktoren in %

Wenig Verständnis der Anwohner

Geringe Anerkennung des Umfeldes

Wenig Anerkennung des Vorgesetzten

Unklare Anweisungen

21,2

30,1

37,2

19,5

14,2

11,5

37,2

28,3

44,2

13,3

20,4

46 11,5 26,5 15,9

23

Trifft nicht zu belastet nicht belastet belastet stark

Wer am Arbeitsplatz oftmals mit stressigen Anforderun-gen zu tun hat, sollte Sport machen, um für Ausgleich zusorgen und den Stress auch körperlich abzubauen. In vie-len Kommunen werden für die Mitarbeiter Kurse angebo-ten, die gesundheitliche Themen behandeln und kosten-günstig besucht werden können. Auch andere Angeboteder Betrieblichen Gesundheitsförderung sind oftmals inte-ressant, machen Spaß und verbessern das allgemeineWohlbefinden.JvK

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42 Schlusswort

D amit im kommunalen Winterdienst professionellesund gesundheitsgerechtes Arbeiten möglich ist, ist

die Zusammenarbeit einer Vielzahl von Akteuren erforder-lich. Zum einen sind die Beschäftigten selbst dafür verant-wortlich, bei ihrer Arbeit auf ihre Sicherheit und Gesund-heit zu achten. Dann haben Vorgesetzte und die Fachkraftfür Arbeitssicherheit oder Sicherheitsbeauftragte Gefähr-dungsanalysen durchzuführen, die körperliche und psy-chische Gefährdungen berücksichtigen. Werden hier Defi-zite deutlich, müssen sie behoben werden. Die verantwor-tungsvolle Arbeit des Winterdienstes kann nur dann zuver-lässig ausgeführt werden, wenn von betrieblicher Seite,

Schlusswort

[ ]schlusswort

d. h. von der Kommune, die notwendigen Ressourcen zurVerfügung gestellt werden. Der Baubetriebshof sollte bau-lich so gestaltet sein, dass gute und sichere Arbeitsbedin-gungen bestehen. Und das geschulte und erfahrene Perso-nal im Baubetriebshof sollte so bemessen werden, dass esbei einem Ausfall oder Krankheit von Mitarbeitern nichtgleich zur Überlastung der Kollegen kommt. Die Einführungeines Schichtsystems kann ein geeignetes Instrument sein,um den Problemen bei der Arbeitszeitgestaltung, wie etwaüberlange Arbeitstage in den Schneeperioden und Ein-schränkungen bei der Freizeit durch Regelungen bei denSchichtbereitschaften zu vermeiden. JvK

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Literaturhinweise 43

Gesund arbeiten - Gut leben mit gesundheitsverträglichen

Arbeitszeiten: ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

Bundesverwaltung, Ressort 2

Tarifpolitische Grundsatzabteilung

Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin

Redaktion Sylvia Skrabs

Hauptsache Gesundheit

Tarif- und betriebspolitisches Drehbuch zum Arbeits- und

Gesundheitsschutz:

ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

Bundesverwaltung, Ressort 2

Tarifpolitische Grundsatzabteilung

Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin

Redaktion Sylvia Skrabs

http://arbeitszeit.verdi.de

Anna Wirth: siehe Kapitel 3

Internetlink unter: http://oops.uni-oldenburg.de/volltexte/2010

Gesetztestexte abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de

Tarifvertrag (TVöD) abrufbar unter:

https://tarif-oed.verdi.de/tarifvertraege/tvoed

Broschüre der Unfallkasse des Bundes: Wegner, Björn (2009)

"Betriebliches Gesundheitsmanagement -in 6 Schritten zum Erfolg".

Download unter:

http://www.ukbund.de/downloads/Fachinfornationen%20AP/Leitf

aden_BGM1_pdf_Datei.pdf

Literaturhinweise

Ratgeber Badura, Bernhard; Ritter, Wolfgang; Scherf, Michael (1999):

"Betriebliches Gesundheitsmanagement - ein Leitfaden für die

Praxis" Hans-Böckler Stiftung, Berlin: Ed. Sigma

Illmarinen, Juhani (2011): Arbeitsfähig in die Zukunft. In: Giesert,

Marianne (Hrsg.)(2011): Arbeitsfähig in die Zukunft. Hamburg: VSA

Verlag, S. 20-29

Illmarinen, Juhani & Tempel, Jürgen: Erhaltung, Förderung und

Entwicklung der Arbeitsfähigkeit - Konzepte und Forschungs-

ergebnisse aus Finnland. In: Badura, Bernhard; Vetter, Christian;

Schellschmidt, Henner (Hrsg.) (2003): Fehlzeitenreport 2002.

Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag, S. 85-99.

DIN SPEC 91020 (DIN Spezifikation): Betriebliches Gesundheits-

management. Ausgabe 2012-07. Original-sprache Deutsch.

[ ]literatur

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Impressum

Autorin: Juliane von Krause (JvK), Sozialwissenschaftliche Beratung, München,

Kirsten Drenckberg (KD), ver.di, Fachbereich Gemeinden,

Yvonne Kupske (YK) und Michael Böttcher (MB), Kommunale Unfallversicherung Bayern

Herausgeber: Kommunale Unfallversicherung Bayern (KUVB), Ungererstraße 71, 80805 München

und ver.di Bayern, Fachbereich Gemeinden, Schwanthalerstraße 64, 80336 München

Redaktion: Ulrike Renner-Helfmann, Kommunale Unfallversicherung Bayern

Grafik: Porta Design, München

Druck: Weber Offset, München

Fotos: Titel: Daniel Bujack/Fotolia (re.), focus finder/Fotolia; S. 4: pe-foto/Fotolia; S. 25: auremar/Fotolia; S. 28 Dron/Fotolia; S. 43 Tripod/Fotolia;

Juliane von Krause, Michael Böttcher, Yvonne Kupske