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Prozesse gemeinsam gestalten. Teilhabe ermöglichen. Migrations- beratung für erwachsene Zuwanderer ( MBE )

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Prozesse gemeinsam gestalten. Teilhabe ermöglichen.

Migrations- beratung für erwachsene Zuwanderer ( MBE )

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Herausgeber :

DRK Generalsekretariat

Carstennstraße 58

12205 Berlin

Berlin, im August 2013

Autor_innen :

Ulrike Bendrat, Bremer Medienbüro

Klaus Drewlo, DRK-Landesverband Sachsen-Anhalt e. V.

Sabine Goldmann, DRK-Generalsekretariat

Habib Hamdard, BRK-Kreisverband München

Ute Linck, Bayerisches Rotes Kreuz Landesgeschäftsstelle

Christa Majer-Kachler, DRK-Kreisverband Ludwigsburg e. V.

Christine Müller, BRK-Kreisverband München

Thomas Rüdesheim, DRK-Landesverband Rheinland-Pfalz e. V.

Uta Franziska Schmidt, DRK-Generalsekretariat

Ulrich Schulte, DRK-Landesverband Westfalen-Lippe e. V.

Gabriele Wiemer, DRK-Kreisverband Gelnhausen e. V.

Fachbeitrag :

Dr. Mark Terkessidis

Redaktion :

Ulrike Bendrat, Bremer Medienbüro

Uta Franziska Schmidt, DRK-Generalsekretariat

Gestaltung :

Drei Dreizehn Werbeagentur GmbH, Berlin

Druck :

KEHRBERG Druck Produktion Service

Bildnachweise:

Ulrike Bendrat : Titelseite rechts oben, links unten, S. 16, 17

DRK : S. 4 T. Malesa, S. 41 A. Zelck

Yesim Färber : S. 51, 52

Fotolia : Titelseite oben Mitte © rupbilder, rechts unten © Igor Mojzes,

links Mitte © Contrastwerkstatt, S. 3 © peshkova, S. 27 © Jürgen Hüls,

S. 34 © Contrastwerkstatt, S. 36 © Sandra Thiele

Habib Hamdard : S. 25 oben

iStockphoto.com : Titelseite links oben, rechts Mitte, unten Mitte,

S. 7, 8, 11, 15, 19, 25, 28, 30, 40, 43, 44, 45, 47

Privat : S. 13

Thinkstock : S. 20, 32

Vatter + Vatter GbR; Agentur für Werbung und Kommunikation: S. 18

Gefördert durch:

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Inhalt

4 Vorwort Dr. Rudolf Seiters 6 Das Bundesprogramm „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer“ ( MBE ) Uta Franziska Schmidt

13Zum Anspruch von Integrations-politik und zu den Rahmenbe-dingungen von Beratungsarbeit Dr. Mark Terkessidis

16Fünf Menschen, fünf Schicksale: Portraits von Ratsuchenden der MBE Ulrike Bendrat 21 Case Management in Theorie und Praxis Sabine Goldmann 24 Der Interkulturelle Ansatz in der Beratung Christine Müller 27 Beratung und Begleitung im Anerkennungsverfahren auslän-discher Abschlüsse und

Qua li fikationen durch die MBE Uta Franziska Schmidt

29 Die Grundlagen der Anerken-nungsberatung in der MBE Christine Müller 31MBE und ehrenamtliches sozia-les Engagement im DRK-Kreis-verband Gelnhausen Gabriele Wiemer 33Interview mit Sezgin Yilmaz, MBE-Beraterin beim Kreis-verband Friedberg Ulrike Bendrat 35Interview mit Christian Stock, MBE-Berater beim Kreisverband Göppingen Ulrike Bendrat

37 Die MBE-Fachkraft : Wer ist sie – und wenn ja, wie viele? Christa Majer-Kachler

39 Kompetenzprofil von Berater_innen Christine Müller

42 Netzwerkmanagement : Ziele und Ergebnisse der achtjährigen Pionierarbeit Habib Hamdard, Christine Müller 45 Das Münchner MBE-Netzwerk Habib Hamdard, Christine Müller 48 Mitwirkung bei der Interkulturellen Öffnung der Regeldienste und Verwaltungs behörden Klaus Drewlo

50 DRK-Migrationsarbeit auf Lan-desebene: Landesprogramme zur Förderung der Integration von Migrant_innen und Migranten Klaus Drewlo, Ute Linck, Thomas Rüdesheim, Ulrich Schulte

55Ausblick Uta Franziska Schmidt

56 Migrationsberatungstellen des Deutschen Roten Kreuzes

59 Literatur und Links

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Vorwort

Dr. rer. pol. h. c. Rudolf Seiters Präsident des Deutschen Roten Kreuzes Bundesminister a. D.

Das Deutsche Rote Kreuz übernimmt für Menschen mit Migrationshintergrund eine beson-dere Verantwortung. Mit der Strategie 2020 hat sich das Deutsche Rote Kreuz verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, Integration als gesamtgesellschaftlichen Prozess voranzubringen und auch die interkulturelle Öffnung des eigenen Verbands zu befördern. Die Unterstüt-zung einer Kultur der Vielfalt und der dafür notwendigen Voraussetzungen der gegensei-tigen Wertschätzung und Anerkennung stehen dabei im Mittelpunkt unserer Bemühungen.

Die Migrationarbeit leistet dazu seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag. Sie befördert die Chancengleichheit und Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund und setzt sich für die Durchsetzung ihrer Rechte ein.

Der bundesgeförderte Beratungsdienst „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer“ (MBE) unterstützt diesen Prozess wesentlich. Die MBE-Beratungsstellen haben sich zu anerkannten Anlaufstellen und zu einem wichtigen Grundpfeiler des kommunalen Integra-tionsmanagements entwickelt. Dies ist vor allem dem täglichen Engagement der Berater-innen und Berater zu verdanken.

Mehr als 80 der bundesweit etwa 600 Migrationsberatungsstellen befinden sich in Träger-schaft des Deutschen Roten Kreuzes. Diese beraten Migratinnen und Migranten zu vielen Themen, beispielsweise zum Aufenthalt oder zum Erwerb der deutschen Sprache und sind auch bei Fragen zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen oder des Zugangs zum Arbeitsmarkt und der sozialen Sicherung zumeist die erste Anlaufstelle für Ratsuchende. Im Mittelpunkt steht dabei immer die individuelle Beratung und Unterstüt-zung. Darüber hinaus sind die Migrationsberatungsstellen ein wichtiger Integrationsakteur vor Ort, vor allem auch durch ihre vielfachen Bestrebungen um die interkulturelle Öffnung der Regeldienste.

Wie wichtig und erfolgreich das Engagement der MBE ist, hat sich beispielsweise im Rah-men des Modellprojekts „Integration verbindlicher gestalten – Integrationsvereinbarungen erproben“ der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration, der Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer, gezeigt: Die durch die Migrationsdienste etablierten Netzwerk- und Kooperationsstrukturen tragen ganz entscheidend dazu bei, gelingende Teilhabe vor Ort zu befördern.

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Bestätigt wurde auch, dass die individuelle Arbeit mit den Ratsuchenden in den Migra-tionsdiensten nach hohen fachlichen Standards und zur großen Zufriedenheit der Rat-suchenden erfolgt. Das zeigt : Die „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer“ ( MBE ) ist ein unerlässliches Angebot, das durch die umfassenden Kenntnisse und Erfahrungen, aber vor allem durch das unermüdliche Engagement der vielen Beraterinnen und Berater getragen wird.

Das Engagement des Deutschen Roten Kreuzes in der Migrationssozialarbeit ist einge-bettet in richtungsweisende nationale und internationale Beschlüsse. So verpflichteten sich bereits im Jahr 2002 die Nationalen Rotkreuz-und Rothalbmondgesellschaften auf der Europäischen Regionalkonferenz zu bedarfsgerechten und zielgerichteten Maßnahmen, zu einer Kultur der Integration sowie zu einer ausgewogenen Einbindung von Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft entsprechend der kulturellen Vielfalt.

Wegweisend für das DRK war der 2009 gefasste Beschluss unseres Präsidiums, das Thema Integration, Migration und Interkulturelle Öffnung über alle Bereiche vernetzt mit messbaren Zielen für 2010 und über die gesamte nächste Wahlperiode des Präsidiums auszugestalten. All diesen Beschlüssen und dem daraus folgenden Engagement des DRK liegt dabei ein Verständnis von Integration als einem gesamtgesellschaftlichen Prozess zu-grunde. In allen Bemühungen muss es dabei vor allem darum gehen, die Bedürfnisse aller Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben, ernst zu nehmen : Gegenseitige Wertschät-zung und Anerkennung, Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung, Ausbildung und zum Arbeitsmarkt, zur gesundheitlichen Versorgung, aber auch zu sozialem und politischem Engagement sind zutiefst menschliche Bedürfnisse und die Voraussetzung für die Durch-setzung von Rechtsgleichheit und Partizipation aller Menschen.

Die Migrationsberatungsstellen tragen mit ihrem profunden Wissen, ihren fachlichen Kompetenzen und ihrer langjährigen Erfahrung entscheidend zu diesem Prozess bei. Sie beraten und unterstützen Menschen mit Migrationshintergrund und engagieren sich für Ihre Anliegen. Mit der vorliegenden Broschüre möchten wir die vielfältigen Aufgaben des Deutschen Roten Kreuzes bei der Umsetzung der MBE vorstellen und den Blick auf zukünftige Herausforderungen und Chancen richten.

Herzlich danken möchte ich allen Autorinnen und Autoren für Ihre Beiträge. Mein besonde-rer Dank gilt den Beraterinnen und Beratern. Sie tragen mit ihrer Arbeit ganz wesentlich zur gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte bei.

Herzliche Grüße, Ihr

Rudolf Seiters

Berlin, im August 2013

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Das Bundesprogramm „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer “ ( MBE )

Uta Franziska Schmidt

Die „Migrationsberatung für erwachsene Zuwande-rer“ ist das Nachfolgeprogramm der in den 1970 er Jahren eingerichteten Bundesprogramme „Sozia-le Beratung und Betreuung von Aussiedlern“ und „Ausländersozialberatung“. Mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 erfuhren die durch den Bund geförderten Integrationsangebote mit der Einführung der „Migrationserstberatung“, seit 2009 „Migra tions beratung für erwachsene Zuwan-derer“ ( MBE ), eine Neuausrichtung, deren Grund-lage die „Neukonzeption der Migrationsberatung“ 1 ist. Am 1. März 2010 sind die „Förderrichtlinien zur Durchführung einer MBE“ in Kraft getreten, die das Bundes ministerium des Innern ( BMI ) im Januar 2010 erlassen hat.

Was ist Migrationsberatung ? Das Beratungsprogramm wird vom BMI geför-dert. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ( BAMF ) verantwortet die Durchführung des Pro-gramms 2. Die Spitzenverbände der Freien Wohl-fahrtspflege 3 und der Bund der Vertriebenen ( BdV ) sind als Bundeszentralen der Träger mit der Durch-führung des Bundesprogramms vor Ort betraut. Die kontinuierliche Begleitung und Weiterentwick-lung des Programms wird durch den regelmäßigen Austausch zwischen dem BAMF und den Bundes-zentralen der Träger gesichert. Bundesweit werden unter Erbringung von Eigenmitteln durch die Verbän-de etwa 600 Beratungsstellen für die MBE gefördert, in denen insgesamt ca. 800 Mitarbeitende tätig sind.

Der Bund beteiligt sich mit jährlich rund 25,7 Millio-nen Euro an den Kosten der Migrationsberatung.

Ziele der MigrationsberatungZiel des Beratungsdienstes ist die Beratung und Begleitung erwachsener Einwanderer über 27 Jahre vor, während und nach den Integrationskursen. Rat-suchende unter 27 Jahren können den Beratungs-dienst in Anspruch nehmen, sofern ihre Lebenssitu-ation typische Probleme erwachsener Zuwanderer aufweist, und für sie damit nicht der Jugendmigra-tionsdienst ( JMD ) zuständig ist. Die Träger der MBE sind dabei gemäß den Förderrichtlinien zur projekt-begleitenden Erfolgskontrolle ( Controlling ) verpflich-tet. Dafür werden Daten aus dem Beratungsgesche-hen erhoben und dem BAMF zur Auswertung zur Verfügung gestellt. Bis 2011 wurden die Daten mit-tels Quartalsstatistiken erhoben und ausgewertet. Dieses Verfahren wurde 2011 durch die Einführung eines Controllingsystems für alle MBE-Beratungs-stellen abgelöst. Damit wurde die internetbasier-te Datenerhebung zur Erhebung weiterer Daten im Beratungsgeschehen eingeführt. So kann beispiels-weise die Dauer der Beratung, die berufliche Situ-ation, die Weitervermittlung an andere Akteure und Dienste oder auch die Beratung zu Fragen der An-erkennung der im Ausland erworbenen schulischen und / oder beruflichen Abschlüsse abgebildet werden.

Das Beratungsangebot der MBE richtet sich dabei sowohl an Neueingewanderte als auch an bereits

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länger in Deutschland lebende Eingewanderte, die – im Zuge der nachholenden Integration – einen ent-sprechenden Beratungsbedarf haben. Im Mittelpunkt des bundesweiten, ( nahezu ) flächendeckenden Beratungsangebots steht die einzelfallbezogene, individuelle Förderung von Zugewanderten mit dem Ziel, sie in ihrer Fähigkeit zur eigenverantwort-lichen Lebensführung zu unterstützen und zu stärken sowie ihre Lebenssituation langfristig zu verbessern.

Die Schwerpunkte der Aufgabenwahrnehmung der MBE liegen gemäß den „Förderrichtlinien zur Durch-führung einer Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer ( MBE )“ 4:

• auf der Durchführung einer bedarfsorientierten Einzelfallberatung auf Grundlage des Case- Mana ge ment-Verfahrens sowie

• auf der sozialpädagogischen Betreuung der Zu-wanderer und einer Hilfestellung bei der Vermitt-lung von Kinderbetreuungsangeboten während der Integrationskurse.

Das Case Management versetzt die Berater_innen in die Lage, die Kompetenzen und Ressourcen so-wie den individuellen Unterstützungsbedarf der Ratsuchenden zu ermitteln. Dabei ermöglichen der konsequente Fokus auf die individuelle Beratungs-situation und eine auf die heterogenen Lebenslagen von Menschen mit Migrationshintergrund ausgerich-tete Arbeitsweise sehr gute Zugänge zur Zielgruppe.

Die Arbeit der MBE mit den Ratsuchenden erfolgt nach hohen fachlichen Standards und zur großen Zufriedenheit der Ratsuchenden. 5

Weitere Kernaufgaben der MBE liegen gemäß der Förderrichtlinien darüber hinaus in :

• der Mitarbeit in kommunalen Netzwerken zur Förderung eines bedarfsgerechten Integrations-angebots,

• der Mitwirkung bei der Interkulturellen Öffnung der Regeldienste und Verwaltungsbehörden und

• einer aktiven Öffentlichkeits arbeit.

Die MBE leistet damit einen wichtigen Beitrag zur gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund. Sie berät nicht nur die Rat-suchenden individuell, sondern öffnet auch Zugänge zu wichtigen Informationen über Netzwerke und Strukturen und setzt sich darüber hinaus für die Interkulturelle Öffnung von Diensten und Verwaltung ein. Dabei tritt die MBE aufgrund ihrer Kenntnis der migrationsspezifischen Lebenslagen gleichzeitig als Interessenvertretung für ihre Zielgruppen ein.

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass das Angebot der Beratungsstellen vor Ort rege in Anspruch genommen wird. Die MBE verfügt über einen hohen fachlichen Standard, über zentrale Kom-petenzen und langjährige Erfahrung in der Migra-tionsberatung und hat sich bundesweit auch als ein wichtiger kommunaler Integrationsakteur etabliert.

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Die MBE als Netzwerkakteurin Eine zentrale Voraussetzung für die Erfüllung dieser vielfältigen Auf gaben ist die enge Zusammenarbeit der MBE mit allen örtlichen Integrationsakteuren.

Dafür bedarf es ganz konkreter Absprachen zur Zusammenarbeit, um den Zugang zu Unterstützungs-angeboten und sozialen Diensten für die Ratsuchen-den zu erleichtern und bedarfsgerechte Problem-lösungen zu befördern. Die für die MBE relevanten Akteure in der Kooperations- und Netzwerkarbeit sind vor allem die Ausländerbehörden, Leistungs-träger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Agenturen für Arbeit, Integrationskursträger, An-erkennungsstellen, Migrantenorganisationen, Bil-dungsträger und Fachberatungsstellen wie Schwan-gerschaftsberatungsstellen, Suchtberatungsstellen, Schuldnerberatungsstellen etc. Die MBE ist eng mit den Integrationskursträgern vernetzt. Berater_innen und Kursleiter_innen arbeiten dabei häufig in lokalen Gremien zusammen. Vielerorts sind Strukturen des regelmäßigen Informationsaustausches etabliert. Das Beratungsangebot der MBE wird regelmäßig in Integrationskursen vorgestellt und es werden Sprechzeiten in den Räumen der Integrationskurs-träger vorgehalten.

Die MBE ist dabei mit ihrer umfassenden Bera-tungszuständigkeit sehr gut in lokalen Strukturen vernetzt und wird als Netzwerk akteur geschätzt.

Die MBE leistet einen bedeu-tenden Beitrag zur gleichberech-tigten Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund.

Die MBE trägt aufgrund ihrer profunden Erfahrungen, ihrer vielfältigen Kontakte und ihrer Fachkompe-tenz entscheidend zur Umsetzung des Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen bei, das am 1. April 2012 in Kraft getreten ist. Der Zu-gang zum Arbeitsmarkt und zur Berufsausbildung ist ein zentraler Integrationsauftrag; die berufliche Integration und die damit verbundene Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen sind somit Kernthemen der MBE. Hier leisten die Bera-ter_innen vor Ort eine kontinuierliche Begleitung des Gesamtprozesses, die sowohl die Interessen der Zugewanderten und ihre mitgebrachten Kompe-tenzen als auch die Anforderungen für die Anerken-nung der Qualifikation im Blick hat.

Die MBK im DRK Das Deutsche Rote Kreuz ( DRK ) verfügt bundesweit über 73 Beratungsstellen für Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer ( MBE ) und rund 49 mobi-le Beratungseinrichtungen, in denen 86 Migrations-berater_innen mit rund 53 Vollzeitstellen tätig sind. Im Jahr 2012 haben die Migrationsberater_innen dabei insgesamt 15.142 Ratsuchende beraten. 63 % davon waren Frauen, 37 % Männer.

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Das Herkunftsland der am stärksten vertretenen Gruppe der Ratsuchenden in der MBE war 2012 die Russische Föderation, gefolgt von Kasachstan und der Türkei. Die Mehrzahl der Fälle wurde im Case-Management-Verfahren begleitet. Dabei war knapp die Hälfte der im Jahr 2012 beratenen Personen für die Teilnahme an einem Integrationskurs vorgesehen; 15 % hatten bereits vor Beratungsbeginn einen Inte-grationskurs absolviert, ein Drittel aller Ratsuchen-den besuchte im Laufe des Beratungsprozesses einen Integrationskurs.

2012 wurden durch die MBE 1.324 Ratsuchende an eine der bundesweiten Anerkennungsstellen ver-mittelt. In 259 Fällen konnte eine formale Anerken-nung erreicht werden ( siehe Seite 10, Grafik 3 ). Ein Großteil der Klient_innen befand sich bei Aufsuchen der MBE-Beratungsstelle in einer prekären Lebens-lage, d. h. in einer wirtschaftlichen, gesundheitlichen, familiären und / oder psychosozialen Notsituation. Bei 90 % der Fälle, bei denen die Beratung durch die MBE eine Verbesserung der Notlage erzielen konnte, war ein Kooperationspartner eingebunden ( s. Seite 10, Grafiken 1 und 2 ).

Steuerung und Controlling der MBE Die Zentralstelle zur Umsetzung des Bundes-programms ist das DRK-Generalsekretariat, dem die Verantwortung für die korrekte Umsetzung des Programms obliegt. Dabei ist es für alle konzeptio-nellen Fragen sowie für die Abstimmung mit den an-deren Trägerverbänden zuständig. Alle Zentralstel-len der MBE und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ( BAMF ) tauschen sich vierteljährlich in gemeinsamen Quartalsgesprächen zur Umsetzung des Bundesprogramms aus. Dazu gehört auch die Abstimmung gemeinsamer Berichte und konzep-tioneller Fragen im Zusammenhang mit dem Con-

trolling. Die Zentralstelle zeichnet sich somit auch verantwortlich für die technische Umsetzung des Controllings und die damit verbundenen Fragen, Mitteilungen und Änderungen der Beratungsstellen sowie für den rechnerischen Verwendungsnachweis und die Berechnung von Umwidmungen bei Perso-naländerungen.

Seit 2011 arbeitet das DRK ebenso wie die anderen Trägerverbände mit der internetbasierten Datenerhe-bung. Dafür werden die Controllingdaten der MBE-Beratungsstellen des DRK halbjährlich dem BAMF zur Verfügung gestellt. Aufgabe der Zentralstelle ist es, die Statistiken vor der Weiterleitung an das BAMF auf ihre Plausibilität zu prüfen.

Bei der Umsetzung des Programms arbeitet das DRK-Generalsekretariat eng mit den DRK-Landesverbän-den zusammen. Dabei werden die Landesverbände fortlaufend über die Entwicklungen des Bundespro-gramms und über Änderungen beim Controlling informiert, die sie dann an die Beratungsstellen wei-terleiten. Die Landesverbände sind zudem wichtige Ansprechpartner für die Zentralstelle bei der Abstim-mung von Umwidmungen und Personal änderungen sowie für Informationen über die Entwicklungen und Bedarfe der Beratungsstellen vor Ort.

Das DRK-Generalsekretariat stellt als MBE-Zentral-stelle weiterhin die Fortbildung und Schulung der Be-rater_innen durch jährliche Tagungen sicher. Dabei liegt der Fokus neben dem Austausch zu aktuellen migrations- und integrationsrelevanten Themen vor allem auf der Förderung der Kompetenz der Bera-ter_innen, beispielsweise im Rahmen der Anerken-nungsberatung und dem Wissenserwerb zu rele-vanten Beratungsgegenständen oder zu rechtlichen Grundlagen.

Das Bundesprogramm „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer “ ( MBE )

Fallzahlen absolut in % mannlich in % weiblich in %

Fälle insg. 15.142 100 5.623 37,14 9.519 62,86

Übernahmen 7.725 51,02 2.819 18,62 4.906 32,4

Neuaufnahmen 7.417 48,98 2.804 18,52 4.613 30,46

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Anzahl der Fälle, diean eine anerkennende

Stelle weitergeleitetwurde

Anzahl der Fälle, dieeine anerkennende

Stelle aufgesucht hat

Eine formale Anerkennung konnte

erreicht werden

Eine formale Anerkennung konntenicht erzielt werden

1324

724

259358

Grafik 3 Begleitung im Anerkennungsverfahren in der MBE

5000

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5040

5060

5080

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Fälle mit prekärerwirtschaftlicher

Situation

Fälle mit prekärer gesundheitlicher,familiärer oder psychosozialer

Situation

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1000

1500

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3000

3500

Anzahl der Fälle mit Verbesserung der prekären

Situation mitKooperationspartner

Anzahl der Fälle mit Verbesserung der prekären

Situation ohneKooperationspartner

2979

68

Grafik 1 Prekäre Lebenslagen der Ratsuchenden

5120

5130

5140

5150

5160

Fälle mit prekärerwirtschaftlicher

Situation

Fälle mit prekärer gesundheitlicher,familiärer oder psychosozialer

Situation

5135

5162

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2500

3000

3500

Anzahl der Fälle mit Verbesserung der prekären

Situation mitKooperationspartner

Anzahl der Fälle mit Verbesserung der prekären

Situation ohneKooperationspartner

2979

68

Grafik 2 Verbesserung der prekären Lebenslage der Ratsuchenden durch die MBE

Das Bundesprogramm „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer “ ( MBE )

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Interkulturelle Öffnung Einen besonderen Stellenwert nimmt die Interkul-turelle Öffnung in der Arbeit des DRK ein. Im März 2009 hat das Präsidium des DRK den Beschluss zur Interkulturellen Öffnung des Verbandes gefasst.

Im Rahmen der Umsetzung des Beschlusses wurden bisher eine bundesweite Bestandsaufnahme der Interkulturellen Öffnung ( IKÖ ) in den Mitgliedsver-bänden sowie eine Qualifizierungsmaßnahme für Fach- und Führungskräfte zum / zur „IKÖ-Mana-ger /-in der Sozialwirtschaft“ durchgeführt. Darü-ber hinaus werden die Lehr- und Lernmaterialien des DRK überarbeitet und kultursensibel gestaltet. Begleitet wird der interkulturelle Öffnungsprozess durch eine bundesweite Steuerungsgruppe unter der Leitung des DRK-Vizepräsidenten Dr. Volkmar Schön. Somit ist die Interkulturelle Öffnung eine wichtige Aufgabenstellung aller Dienste und Einrich-tungen des DRK und auch der Beratungsdienste. Die Berater_innen werden bei der Umsetzung ihrer Aufgabe, die interkulturellen Öffnungsprozesse der öffentlichen Einrichtungen und Regeldienste zu be-fördern, unterstützt und können in ihrer Beratungs-arbeit somit auf diese Expertise und die erworbenen interkulturellen Kompetenzen zurückgreifen.

Warum eine Broschüre zur MBE ? Mit der vorliegenden Broschüre soll die Migrations-beratung für erwachsene Zuwanderer ( MBE ) im Deutschen Roten Kreuz ( DRK ) vorgestellt werden. Wir möchten dabei die vielfältigen Aufgaben und Anforderungen an den Beratungsdienst darstellen und den Fokus auch darauf richten, wie die MBE die Ratsuchenden konkret unterstützt, über wel-che Kompetenzen die Berater_innen verfügen und welche Erfolge und Herausforderungen der Be-ratungsalltag mit sich bringt. Die Broschüre soll darüber hinaus verdeut lichen, dass die MBE als freiwilliges Grundberatungsangebot mit ihren viel-fältigen Kontakten und ihrer Fachkompetenz vie-lerorts eine maßgebliche Rolle in der kommunalen Politikgestaltung spielt. Vor allem aber möchten wir auch einen Ausblick wagen, welche Beiträge die MBE in den nächsten Jahren leisten kann und wel-chen Herausforderungen sie sich gegenübersieht.

Uta Franziska Schmidt, Referentin für Grundlagen Integration und Migration

Berlin, im August 2013

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1 Stand 1.12.2004.2 Gemäß § 75 Nr. 9 in Verbindung mit § 45 Abs. 1 des Auf ent-

haltsgesetzes und § 9 Abs. 5 Buchst. b des Ge setzes über

die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge.3 Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege sind die

Arbeiterwohlfahrt ( AWO ), der Paritätische Gesamtverband,

das Deutsche Rote Kreuz ( DRK ), die Diakonie Deutschland,

der Deutsche Caritasverband und die Zentralwohlfahrtsstelle

der Juden in Deutschland ( ZWST ).

4 vgl. http: // www.bamf.de / SharedDocs / Anlagen / DE /

Downloads / Infothek / Migrationserstberatung /

mbe-foeri_pdf. pdf ?__blob=publicationFile.5 vgl. Endbericht der wissenschaftlichen Begleitung

des Modellprojekts „Integration verbindlicher machen –

Inte grationsvereinbarungen erproben“, S. 46, Abb. 9.

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Zum Anspruch von Integrationspolitik und zu den Rahmenbedingungen von Beratungsarbeit

Dr. Mark Terkessidis

Jahrzehntelang wurde die Mi gra tion in Deutschland als Ausnahme betrachtet. In der Zeit zwischen dem ersten Anwerbevertrag für „Gastarbeiter“ aus Italien im Jahre 1955 und der Anerkennung der „Unumkehr-barkeit“ der Einwanderung 1998 galten „Ausländer“ als Personen, die sich nur vorübergehend „bei uns“ aufhalten. Die Gesellschaft schien wie eine Fami-lie zu funktionieren, zusammengehalten durch das „Recht des Blutes“ – erst im Jahr 2000 wurde dieses „ius sanguinis“ im Staatsangehörigkeitsrecht aufge-weicht. Ein Blick auf die Statistik allerdings zeigt, wie sehr die liebgewonnenen Sichtweisen der Vergan-genheit den Blick auf die Realität verstellt haben.

Migration als gesellschaftliche Realität Zwischen 1952 und 2002, stellt das Europäische Forum für Migrationsstudien fest, sind 50,5 Millio-nen Menschen über die Grenzen der Bundesrepublik gewandert. Migration ist also keineswegs die Aus-nahme, sondern gehört zum normalen Funktionieren der Gesellschaft ebenso wie die Sesshaftigkeit.

Derzeit leben wir in einem Deutschland, das „post-migrantisch“ geworden ist : Heute sind alle Bereiche der Gesellschaft von den Folgen der Einwanderung betroffen. Seitdem die Statistik das Kriterium des Migrationshintergrunds erfasst, kann die Dramatik des demographischen Wandels nicht mehr geleug-net werden – bei den unter Sechsjährigen in den deutschen Städten sind die Kinder mit einer Ein-wanderungsgeschichte in der Mehrheit; für Stutt-gart, Frankfurt am Main oder Nürnberg ergeben sich

Anteile von an-nähernd 70 %. „Postmigran-tisch“ bedeutet allerdings nicht das Ende der Migration. Das Wanderungs-geschehen ist deutlich kom-plizierter ge-worden. Wäh-rend in den 1960 er Jahren hauptsächlich Bewerberinnen für das untere Seg-ment des Arbeitsmarktes gesucht wurden, findet heute Migration durch alle Schichten hindurch statt – die jüngsten Ankömmlinge aus Griechenland oder Spanien etwa sind im Durchschnitt hoch qualifi-ziert. Zudem gibt es eine zunehmende Anzahl von Personen, deren Status aus unterschiedlichen poli-tisch-ökonomischen Gründen nicht eindeutig fest-zulegen ist. Heute leben in den Städten „Ausländer“ mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von fast 19 Jahren; „Pendler“, die im Durchschnitt für ein halbes Jahr bleiben; „Geduldete“, deren Aufenthalts-perspektive nach einem Jahrzehnt immer noch bei einem halben Jahr liegt, „Papierlose“, die als Tou-risten eingereist sind und deren Existenz von der offiziellen Statistik ganz geleugnet wird. Man findet zahlreiche Studenten aus anderen Ländern, die eine bestimmte Zeit in der Stadt bleiben; „Expatriates“

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Zum Anspruch von Integrationspolitik und zu den Rahmenbedingungen von Beratungsarbeit

jeglicher Couleur, die wegen Arbeit, Liebe oder einer neuen Lebensperspektive in die betreffende Stadt gezogen sind; Zweitwohnungsbesitzer, deren Familie in einer anderen Stadt lebt, oder auch Touristen, die mit ihren wiederholten Wochenendtrips und ihrem Szenewissen auf eine noch nie dagewesene Weise ins Gewebe der Stadt eindringen.

Migration eröffnet und verbindet Räume Diese Personengruppen stellen sämtlich eine „anwe-sende Abwesenheit“ dar – sie sind da, aber gleich-zeitig noch an einem anderen Ort. Diese neue Mobi-lität hat die geographischen Verhältnisse von Nähe und Ferne, aber auch von Nachbarschaft völlig ver-ändert. So existieren in der Stadt Orte, die nur noch lose mit ihrer Umgebung korrespondieren. In den Niederlassungen transnatio naler Unternehmen etwa ist die Umgangssprache längst nicht mehr Deutsch, sondern Englisch, und die Mitarbeitenden stammen aus vielen verschiedenen Ländern und werden viel-leicht schon bald an einen anderen Ort versetzt. Die-se Büros haben mehr mit dem globalen Kommuni-kationsraum des Unternehmens zu tun als mit ihrer direkten Nachbarschaft. Zugleich haben die Städte unsichtbare Vororte, die geographisch weit entfernt liegen und dennoch eher wie eine Nachbarschaft funktionieren. Viele Arbeitsmigrant_innen, die ur-sprünglich nur für „ein, zwei Jahre“ nach Deutsch-land gehen wollten und sich doch ansiedelten, haben gleichzeitig in ihrem Herkunftsland Häuser gebaut oder Wohn eigentum erworben – ohne tatsächlich zu-rückzukehren. So existieren auch außerhalb von Eu-ropa, etwa in Marokko, ganze Stadtviertel, die sich im Sommer mit Auswander_innen füllen. Im jedem Fall bewohnen Personen mit Migrationshintergrund einen familiären Raum, der Netzwerke über die na-tionalen Grenzen hinweg spannt. Im Übrigen haben in ähnlicher, aber ganz anderer Weise auch viele Touristen und „Rentenauswanderer“ an der euro-päischen Sonnenperipherie, etwa in Spanien, Häu-ser oder Wohnungen erworben. Sie bewohnen dort Siedlungen, die veritable „Parallelgesellschaften“ darstellen und mit ihrer physischen Nachbarschaft wiederum nur sehr lose Verbindungen aufweisen. Es handelt sich ebenfalls um verkappte Vororte west-europäischer Städte. Diese Vielheit lässt sich nicht

mehr auf Einheit und Eindeutigkeit reduzieren – sie ist nachhaltig durch Polyglottie und transnationale Verbindungen charakterisiert.

Perspektivwechsel und GrenzöffnungenMit den herkömmlichen Vorstellungen von Integration kommt man heute nicht mehr weiter. Auch wenn der Begriff Integration unterdessen pragmatischer ver-standen wird, transportiert er unausgesprochen nor-mative Ideen aus den 1970 er Jahren. So erscheinen Einwanderer weiterhin oft als defizitäre Personen, die durch kompensatorische Sondermaßnahmen an eine angebliche Norm herangeführt werden müssen. Doch was ist die Norm, wenn etwa im schweize-rischen Zürich unterdessen 60 % der Einwohner ei-nen Migrationshintergrund haben? Dennoch hat der „nationale Integrationsplan“ eine positive Wirkung entfaltet, da Institutionen und Einrichtungen zum er-sten Mal schriftlich verpflichtet wurden, sich auf die Einwanderungsgesellschaft einzustellen. Die Ziele blieben aber oft unklar definiert. Vor allem scheint es häufig weiterhin, als müsse man etwas „für“ Grup-pen von Migrant_innen tun. Wenn Migration zur Normalität der Gesellschaft gehört, dann liegt es jedoch im ureigensten Interesse der Einrichtungen, sich entsprechend neu auszurichten. Es braucht ei-nen Perspektivwechsel. Anstatt den Blick unentwegt auf die Reform der „Problemkinder“ zu richten, steht vielmehr eine Überprüfung der bestehenden Instituti-onen, Organisationen und Einrichtungen an : Sind sie „fit“ für die Vielheit ? Wie spiegelt sich diese im Per-sonalbestand und in der Organisationskultur ? Inwie-fern berücksichtigt der Regelbetrieb in Sachen Bil-dung, Gesundheit, Arbeitsvermittlung oder Kultur die unterschiedlichen Voraussetzungen, Hintergründe und Referenz rahmen der Individuen und unterstützt sie dabei, ihr Potenzial auszuschöpfen?

Eine solche Selbstbefragung bedeutet, die Heraus-forderung der Einwanderungsgesellschaft anzuneh-men und den gesellschaftlichen Wandel als Anlass für Innovation zu nehmen. Heute findet sich etwa in den Schulen die „Parallelgesellschaft“ keineswegs in den Klassenzimmern oder auf dem Pausenhof, son-dern im Lehrerzimmer. Wenn ein Drittel der deutschen Schüler_innen einen Migrationshintergrund besitzt,

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Tendenz steigend, dann darf unter den Lehrer_innen keine Homogenität herrschen. In allen Einrichtungen muss der Personalbestand die Vielheit abbilden.

Gleichzeitig muss sich aber auch die „Kultur“ der Organisation ändern. Oftmals wird ein gefühltes „Deutsch-Sein“ weiterhin ganz selbstverständlich als Maßstab verwendet. „Wir“ halten uns für diejenigen, die alles bereits wissen, während „sie“ ständig etwas lernen müssen. Zudem zeigen alle Untersuchungen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung sogenannte Vorurteile hat, also als „fremd“ wahrgenommene Personen ausschließlich als Vertreter der jewei-ligen Herkunftskultur betrachtet und zudem der betreffenden Gruppe bestimmte, häufig negative Eigenschaften zuschreibt. Tatsächlich erscheint es sinnvoller, von rassistischen Wissensbeständen zu sprechen. Dieses Wissen wird zumeist nicht mit böser Absicht eingesetzt, sondern kommt auch aus Unwissenheit zum Tragen. Die Untersuchung „Meier. Müller. Shahadat. Migranten bei der Feuer-wehr und dem Roten Kreuz“ ( 2010 ) hat das exem-plarisch gezeigt. Diese Wissensbestände sorgen in einer vielheitlichen Gesellschaft aber für Störungen im normalen Funktionieren der Einrichtungen. Kontextwissen und OrganisationsentwicklungIn diesem Sinne muss das Personal daraufhin be-fragt werden, ob es über die notwendigen Vorausset-zungen verfügt, um solche Störungen zu vermeiden. In den letzten Jahren hat sich der Begriff „interkul-turelle Kompetenz“ eingebürgert, um die neuen An-forderungen zu charakterisieren. Doch teilweise wird in den entsprechenden Trainings der Faktor Kultur überschätzt und eine Art „Ethno-Rezeptwissen“ ver-breitet. Notwendig ist vielmehr ein den jeweiligen Arbeitsabläufen angepasstes „Kontextwissen“, das möglichst „on the job“ vermittelt wird und nicht in abstrakten Lehrgängen.

Dieses Kontextwissen umfasst nicht nur kulturelle Hintergründe, sondern auch Informationen über die Geschichte der Migration, über die Ausländer-gesetzgebung, die weiterhin das Leben von 7 Millio-nen Menschen regelt, sowie über die sozioökono-mischen Lebensumstände. Dabei soll es stets um

Individuen gehen, nicht länger um Gruppen. Um das Funktionieren der Institutionen und Einrichtungen zu gewährleisten, müssen alle Abläufe im Sinne eines „Mainstreaming“ immer aufs Neue überprüft werden, ob sie der Vielheit gerecht werden und nicht doch unbeabsichtigte Diskriminierungseffekte haben.

Zurzeit sind weiterhin sehr viele der Maßnahmen in Sachen „Integration“ in Sondermaßnahmen ausgela-gert. Das hat auch mit den Förderstrukturen zu tun – Zuschüsse gibt es immer für einzelne Programme mit der Betonung auf „Hilfe“, aber so gut wie nie für Organisationsentwicklung oder auch Koopera-tion mit anderen Trägern. Wenn man die Migration konsequent als Normalfall betrachtet, dann muss es um die sukzessive Zurückdrängung dieser Son-dermaßnahmen gehen. Man sollte aufhören, ständig etwas „für sie“ tun zu wollen, sondern dafür sorgen, dass die Institutionen für alle besser arbeiten. Damit ist selbstverständlich nicht die schlichte Kürzung solcher Maßnahmen gemeint, sondern eine Art Ein-gliederung. So stellt sich auf lange Sicht auch die Frage, ob die „Migrationsberatung“ nicht selbst der „Integration“ bedarf. Das Know-how der Berater_in-nen sollte nicht fernab der Ämter und Einrichtungen aufbewahrt werden, sondern gehört auch personell direkt in die Institutionen hinein.

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Fünf Menschen, fünf Schicksale : Portraits von Ratsuchenden der MBE

Ulrike Bendrat

Diesen sehr verschiedenen Menschen haben Berater_innen des Deutschen Roten Kreuzes ( DRK ) im Rahmen der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer ( MBE ) dabei geholfen, sich in Deutschland zu orientieren und Fuß zu fassen.

Ganna W. ( Ukraine )

Die 25-jährige Ganna W. kam im November 2010 aus Kam- janez-Podilskyj in der West-Ukraine nach Deutschland. Hier hat sie ihren heutigen Ehemann, einen Spät aussiedler aus Kasachstan, geheiratet und lebt jetzt im hessischen Bieber-gemünd bei Gelnhausen.

Natalia G. ( Russland )

Auch die 33-jährige Natalia G., die aus der russischen Stadt Saratow an der Wolga stammt, ist im November 2010 in Deutschland angekommen. Sie ist selbst Abkömmling eines Spätaussiedlers. Bis auf ihre Mutter lebte schon „fast die ganze Familie“ in Deutschland. Ihre Großeltern sind vor acht Jahren nach Deutschland übergesiedelt. Heute lebt Natalia G. mit ihren beiden Kindern in Sangerhausen in Sachsen-Anhalt.

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Fünf Menschen, fünf Schicksale: Portraits von Ratsuchenden der MBE

Ayda und Mustafa G. ( Irak )

Das Ehepaar Ayda und Mustafa G. ( 44 bzw. 51 Jahre alt )lebt von den hier vorgestellten Klient_innen am längsten in Deutschland : Sie flüchteten 1997 aus der irakischen Haupt-stadt Bagdad. Mustafa G., der nicht im Iran-Irak-Krieg kämp-fen und töten wollte und ein Gegner Saddam Husseins war, hatte vor der Flucht schon zehn Jahre lang im Irak im Ver-borgenen gelebt. Für seine Frau und seine Kinder wurde diese Situation allerdings zu gefährlich, so dass die Familie nach Deutschland floh. Hier erhielten die G.s politisches Asyl. Heute leben sie in Halle an der Saale.

Abdullah M. ( Afghanistan )

Aus seinem Heimatland fliehen musste auch Abdullah M. Der 31-Jährige stammt aus der Region Herat in Afghanistan. Er lebt seit dem Jahr 2009 in Deutschland, wohin er über die Türkei geflohen ist. Sein Antrag auf politisches Asyl wurde anerkannt. Damit konnte er seine Frau und seine Kinder aus Afghanistan nach Deutschland nachholen. Seither lebt er mit seiner Familie in München.

Ähnliche Erfahrungen in und mit DeutschlandSo unterschiedlich die Lebensgeschichten dieser Menschen sind, so ähnlich sind einige Erfah rungen, die sie in und mit Deutschland gemacht haben :

Für alle waren Sprache, Kultur und Gesetze sehr fremd und schwierig zu verstehen. Alle fünf ha-ben im Integrationskurs miterlebt, dass für einige Migrant_innen das Lerntempo zu hoch ist und kein Unterschied gemacht wird zwischen gut ausgebil-

deten Menschen, die Übung im Spracherwerb haben, und denjenigen, die nur eine sehr geringe Schulbil-dung mitbringen, auf die sie zurückgreifen könnten. Die fünf Ratsuchenden haben alle eine abgeschlos-sene Berufsausbildung oder ein Hochschulstudium absolviert und wollen gerne arbeiten. Zunächst müs-sen dafür aber ihre Abschlüsse anerkannt werden, wobei einige Hürden zu überwinden sind.

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Fünf Menschen, fünf Schicksale: Portraits von Ratsuchenden der MBE

Verschiedene StartschwierigkeitenGanna W., eine studierte, unabhängige Frau, musste erleben, dass sie nach ihrer Ankunft in Deutschland und mit ihren zunächst geringen Sprachkenntnissen plötzlich abhängig von ihrem Mann war und nicht einmal alleine einkaufen gehen konnte. Für Abdul-lah M., der unter anderem in Indien und Bangla-desch Finanz- und Marketing-Management studiert hat und für internationale Hilfsorganisationen beim wirtschaftlichen Aufbau in Afghanistan tätig war, war das Ticketsystem der Münchener U-Bahn so fremd, dass er versehentlich mit einer ungültigen Fahrkarte fuhr. Ganz zu schweigen vom deutschen Behörden-apparat.

Mit seinen „Migrationskurssets“ hat das DRK in Baden-Württemberg Materialien entwickelt, die das Angebot und

Beratungsspektrum der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer ( MBE ) vorstellen. Die Banner und Tafeln

dienen dabei zur Veranschaulichung der verschiedenen Beratungsbereiche für Migrant_innen, wie beispielsweise

aufenthaltsrechtliche Fragen, Fragen zur Gesundheit, Hilfe bei der Wohnungssuche, bei Beruf und Ausbildung oder

Sprache. Genutzt werden die Materialien vor allem bei der Vorstellung der MBE in den Integrationskursen.

Als Ayda G. eine Zeit lang in einem deutschen Kran-kenhaus liegen musste, bekam sie fürchterlichen Ärger mit ihrer Zimmergenossin, als sie einmal das Fernsehprogramm verstellte. Ihr in Deutschland geborener Sohn Motip bekommt im Kindergarten manchmal zu hören, er dürfe nicht mitspielen, „weil er nicht blond ist“, und dass er ein „Zigeuner“ sei. Natalia G. musste erleben, dass sie selbst zwar als Abkömmling eines Spätaussiedlers keine Schwie-rigkeiten hatte, nach Deutschland zu kommen, die hiesigen Behörden ihre Kinder aber als „Ausländer“ betrachteten. Die Konsequenz : Es war schwierig, die zuständige Behörde zu finden, bei der Natalia G. den Anspruch auf Sicherung des Lebensunterhalts für ihre „ausländischen“ Kinder in den ersten drei Mona-ten des Aufenthalts geltend machen konnte.

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Lebenssituationen und Perspektiven : als Betriebswirtin zur Luftfahrt ?Ganna W. hat eines geschafft : Ihr Betriebswirt-schaftsstudium ist anerkannt worden. Zusätzlich hat sie schon den B 2-Sprachkurs in Deutsch abge-schlossen und will nun den C1-Kurs absolvieren. Sie hat bereits erste Erfahrungen in einem Aushilfsjob vorzuweisen, hat also erste Einblicke in die deutsche Arbeitswelt gewonnen. Jetzt bewirbt sie sich sowohl als Einzelhandels- als auch als Industriekauffrau. Außerdem überlegt sie, ob eine Tätigkeit als Boden-stewardess in der Luftfahrt möglich ist, wo sie ihr Russisch gut einsetzen könnte. Ihre MBE-Beraterin Gabriele W. in Gelnhausen brauchte ihr lediglich ei-nige Hinweise zu geben, wo sie online ihr Studium anerkennen lassen muss, und geht nun mit ihr die Bewerbungsschreiben durch. Den Rest bewältigt die junge Frau allein. Um bessere Berufsperspektiven zu haben, hat sie den Führerschein gemacht. Von der MBE erfuhr sie, als ihre jetzige Beraterin in ihren Integrationskurs kam und dort von der Beratung berichtete. Kurze Zeit später kam Ganna W. zum ersten Beratungsgespräch. Mehrere Sprachen, ehrenamtliches Engagement und ein langer AtemAls die Familie G. nach Deutschland kam, gab es weder Integrationskurse noch die MBE. Mustafa und Ayda G. sagen über sich selbst, sie „haben Deutsch

auf der Straße und mit dem Fernsehen gelernt“. Bei einem Moschee-Besuch haben sich die MBE-Bera-terin Helga H. und Ayda G. kennengelernt. Helga H. bot der Frau aus dem Irak an, in die MBE zur Beratung zu kommen, um sie in ihrer beruflichen Entwicklung zu unterstützen. Ayda G. hat ein Lehramtsstudium abgeschlossen und hat neben ihrer Muttersprache Arabisch auch Kenntnisse in Türkisch, Kurdisch und Deutsch, womit sie schon seit 2001 ehrenamtlich als Kulturmittlerin und Dolmetscherin tätig ist. Trotz-dem ringt sie derzeit noch um die Zulassung zu einer Ausbildung.

Mustafa G. hat schon kurz nach seiner Ankunft in Deutschland mit seinen Englischkenntnissen als Dolmetscher im Asylbewerberheim ausgeholfen und jahrelang in Halle anderen Migrant_innen ehrenamt-lich beratend zur Seite gestanden. Der fromme Mus-lim war außerdem als Imam tätig. Er hat einen Ab-schluss als Lehrer im Irak erworben und würde gern in Deutschland als Sozialarbeiter arbeiten. Für ihn ist das Problem, wie er zu einem Abschluss in diesem Be-ruf kommen kann und wer diese Ausbildung finanziert.

Die Mutter Deutsche, die Kinder „Ausländer“Natalia G. hat ihre Übersiedlung nach Deutschland als sehr schwierig und kompliziert erlebt : Sie ist Ab-kömmling eines Spätaussiedlers, die Kinder sind „Ausländer“, weil sie in den Aufnahmeantrag ihres Urgroßvaters erst nach seiner Aussiedlung nach Deutschland einbezogen wurden.

Eine erste Orientierungshilfe fand Natalia G. bei ihren Familienangehörigen. Schon bald waren sie aller-dings von der schwierigen Situation überfordert, dass Natalia G.s Kinder als Ausländer galten. Ihre Tante schickte sie zur MBE-Beratungsstelle des DRK in Sangerhausen. Seitdem steht ihr die Beraterin Svetlana M. bei Behördenkontakten und der Ent-wicklung ihrer Berufsperspektive bei. Als Natalia G.s Kinder eingeschult werden sollten, sprachen sie kein Wort Deutsch. Vor allem der heute 13-jährige Andrej schämte sich anfangs, weil er nicht verstand, was die anderen Kinder sagten, und hatte große Probleme in der Schule. Mittlerweile fühlt er sich aber in seinem Sportverein sehr wohl. Seine kleine Schwester Ange-

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lina hat in der Grundschule und im Hort schnell Deutsch gelernt. „Sie spricht schon besser Deutsch als Russisch“, sagt ihre Mutter. Sie kann ihren Kin-dern nicht mehr bei den Hausaufgaben helfen, die deutsche Sprache fällt ihr trotz des absolvierten Inte-grationskurses noch schwer. MBE-Beraterin Svetla-na M. unterstützt Natalia G. nun dabei, einen spezi-ellen Deutschsprachkurs für Medizinberufe zu be - kommen und anschließend einen Anpassungslehr-gang zu absolvieren, denn als ausgebildete Kranken-schwester mit Berufserfahrung in der Psychiatrie und Chirurgie sollte Natalia G. gute Perspektiven haben.

Das wirtschaftliche Engagement galt als „unislamisch“Abdullah M. steckt voller Ideen und Tatendrang : In seinem Heimatland Afghanistan hat er dafür gearbei-tet, dass es wirtschaftlich bergauf geht. Der 30-Jäh-rige hat im Auftrag von internationalen Organisati-onen in der Region von Herat Mikrokredite an Frauen vergeben. Und rund 1.000 Obst- und Gemüsebauern hat er dort mit seiner Marketingkompetenz geholfen, ihre Produkte nach Dubai zu exportieren. Das Problem : Mullahs und einige andere Menschen in Afghanistan sahen seine Aufbauarbeit als „unisla-misch“ an. Er wurde bedroht, überfallen und geschla-gen. M. musste fliehen.

Im Asylbewerberheim in München verstand kein Be-rater die Sprachen, die er beherrscht : Paschtu und Dari, Hindi, Bengalisch und Englisch. Von einem be-freundeten Afghanen erfuhr M., dass bei der MBE des BRK ein Berater aus Afghanistan stammt. Mit Habibullah H. konnte der junge Mann sich schließlich verständigen. Der Berater sorgte dafür, dass M. alle Fris ten einhielt, damit er seine Frau und seine Kin-der aus Afghanistan nach Deutschland holen konn-te. Außerdem unterstütze er ihn bei bürokratischen Hürden und gab ihm Tipps für die Wohnungssuche in München. Jetzt steht ihm der Berater bei dem An-erkennungsverfahren seines Abschlusses als „Finan-cial and Marketing Manager“ zur Seite. Auf seinen Rat hin hat M. auch den Führerschein gemacht. Als Nächstes will der Marketing- und Finanzexperte ei-nen berufsbezogenen Sprachkurs absolvieren, denn einen Job in Deutschland zu finden bleibt für ihn schwierig. Er hofft, dass er sein jahrelang beruflich genutztes Englisch beispielsweise an einer Hotelre-zeption einsetzen kann und ihm nicht nur ein Putzjob bleibt, wie manch einem zugewanderten Hochquali-fizierten. M. fände es hilfreich, wenn es ein Büro zur Vermittlung von Jobs bei international agierenden Firmen gäbe, bei denen vor allem Englisch und an-dere Sprachkenntnisse gefragt sind.

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Case Management in Theorie und Praxis

abgeschlossene Fälle im CM

abgeschlossene Fälle außerhalb CM

39% 61%

Sabine Goldmann

In der Migrationsberatung für erwachsene Zuwande-rer ( MBE ) ist das Case-Management-Verfahren ein bedarfsgerechtes, auf den Einzelfall zugeschnittenes Beratungsangebot. Es zielt darauf ab, Ratsuchen-de zu unterstützen und ihre Lebenssituation lang-fristig zu verbessern, um ein selbstbestimmtes und eigenständiges Leben in der neuen Heimat führen zu können. In den seit 2005 geltenden Förderrichtlinien zur Durchführung der Migrationsberatung ist des-sen Anwendung fest verankert; die Berater_innen in der MBE sind verpflichtet, die Case-Management- Methode in ihrer Beratungsarbeit anzuwenden. In der Regel soll die Beratung nicht länger als drei Jah-re dauern. Der zeitliche Verlauf sowie die Methoden und Inhalte sollten sich dabei immer an den jewei-ligen Bedürfnissen der Ratsuchenden orientieren. Anhand einiger exemplarischer Fallbeschreibungen aus der MBE-Praxis soll das Verfahren nachfolgend veranschaulicht werden. Die Mehrzahl der Fälle wer-den im Case-Management-Verfahren begleitet.

Das Erstgespräch

In der Beratungsstelle des Kreisverbands München des Bayerischen Roten Kreuzes ( BRK ) führt die MBE-Beraterin Christine M. ein Erstgespräch mit Debra S.6

( 36 Jahre ) aus Äthiopien. Debra S. kann sich bereits sehr gut auf Deutsch verständigen. Die Beraterin bringt während dieses ersten Kontakts möglichst viel über das bisherige Leben von Debra S. in Erfahrung, seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Oromo so-wie sein politisches Engagement für die Oromo, was ihn schließlich zur Flucht nach Deutschland zwang. Debra S. formuliert im Gespräch, was er sich von der

Beratung verspricht, mit welchen Erwartungen und Zielsetzungen er in die Beratungsstelle kommt. Nach-dem er erfolgreich ein Asylverfahren in Deutschland durchlaufen hat, möchte er sich nun beruflich inte-grieren und in absehbarer Zeit seine achtjährige Tochter aus Äthiopien nachholen. Um sich in Deutschland ein unabhängiges Leben aufzubauen und einen qualifizierten Beruf zu finden, suche er Hilfe und Rat in der MBE-Beratungsstelle.

Im Erst- bzw. Sondierungsgespräch verschaffen sich die Berater_innen zunächst einen Überblick über die individuelle Lage der Ratsuchenden, über deren Lebenssituation in Deutschland und über soziale, sozial-rechtliche, berufliche, familiäre oder andere relevante Aspekte.

Dieser erste Schritt ist aufwändig und gestaltet sich oft schwierig, weil viele Klient_innen noch mangeln-de Deutschkenntnisse haben. Verfügt ein Migrant über ausreichende Sprachkenntnisse, dann sollte er möglichst seine Situation in freier Rede erzählen. Die Selbstpräsentation des Ratsuchenden schafft eine Gesprächsatmosphäre, in der er sich nicht ausgefragt fühlt. Aus freien Erzählungen lassen sich beratungs-relevante Themen zudem leichter ermitteln als bei geschlossenen Fragestellungen. Dennoch erfordert es ein hohes Maß an kommunikativem Geschick, auf die Schwierigkeiten des Klienten zu schließen und an entscheidenden Stellen im Gesprächsverlauf zu intervenieren und nachzufragen. Oftmals bedarf es mehrerer Sondierungsgespräche, um die Lage des Migranten einschätzen zu können. Relevante Daten hält die Beraterin fest.

Für den Beratungserfolg ist es wichtig, dass die Ratsuchenden während des gesamten Beratungs-prozesses das Gefühl haben, ihre Anliegen mit einer Person ihres Vertrauens besprechen zu kön-nen. In einer offenen Gesprächsatmosphäre wird den

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Case Management in Theorie und Praxis

Klien t_innen das Gefühl vermittelt, auch etwas von ihrem Wissen weitergeben zu können, wie im Fall von Debra S., der über die Geschichte und Sprache seiner Volksgruppe erzählt. Die MBE im Deutschen Roten Kreuz versteht den Beratungsprozess als ein wechselseitiges Geben und Nehmen von Wissen, wodurch ein Gefühl von Gleichrangigkeit zwischen Berater und Zugewanderten entsteht.

Sozial- und Kompetenzanalyse

Ist das Erstgespräch erfolgt, werden in einem weite-ren Schritt Schwierigkeiten und Ressourcen definiert. Dafür erstellen Berater_in und Klient_in eine individu-elle Sozial- und Kompetenzanalyse, die Aufschluss darüber gibt, wie viele Schritte oder Teilschritte not-wendig sind, um ein längerfristiges Ziel zu erreichen. Bereits in den ersten Gesprächen muss es gelingen, den Ratsuchenden für die aktive Mitarbeit an der Erreichung seiner Ziele zu gewinnen. Je motivierter, ernsthafter und offener er sich auf den Beratungs-prozess einlässt, desto zielführender ist die Bera-tung. Neben der Motivation hängt der Erfolg des Case-Managements auch von den individuellen Ressourcen der einzelnen Klient_innen ab.

In der MBE-Beratungsstelle des DRK-Kreisverbands Städteregion Aachen verwendet der Berater Kasimir B. eine sogenannte Ressourcen- und Netzwerkkar-te, mit der die persönlichen, materiellen und sozialen Ressourcen der Zuwanderer ermittelt werden, um in einem zweiten Schritt einen Förderplan zu erarbeiten. Damit kann der Berater die Situation seiner Klient_in-nen besser einschätzen. Einer seiner Klienten ist Vik-tor K. ( 48 Jahre ), Ehemann einer Spätaussiedlerin und gelernter Schweißer. Viktor K. möchte möglichst schnell in seinem Beruf eine feste Anstellung finden. Ausgehend von den ermittelten Ressourcen wird schnell klar, dass dazu viele kleine Teilschritte not-wendig sind. Viktor K. verfügt zu diesem Zeitpunkt noch über geringe Deutschkenntnisse, was seinen Weg in den ersten Arbeitsmarkt behindert. Sein Be-rufsabschluss als Schweißer wird zudem in Deutsch-land nicht anerkannt.

Förderplan

Sind die Ressourcen aufgezeigt, die Probleme und Bedürfnisse der Klient_innen ermittelt, werden die Maßnahmen definiert und in einem Förderplan schriftlich fixiert. Ein Muster-Förderplan / Integrati-onsvereinbarung wird allen Beratungsstellen durch das DRK zur Verfügung gestellt und kann nach Be-darf genutzt werden.7 Der Förderplan beinhaltet die zu bearbeitenden Themen, die gemeinsamen Ziel-formulierungen und Strategien, die notwendig sind, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Prioritäten und Dringlichkeiten werden darin festgehalten sowie zeit-liche Fristen gesetzt. Wichtig ist immer die Mitwir-kung beider Seiten an diesem Prozess, sowohl bei der gemeinsamen Festlegung der Zielformulierungen als auch bei der anschließenden Umsetzung der ( Teil- )Ziele. Ein Exemplar des Förderplans stellt die Beraterin dem Klienten zur Verfügung.

Im Förderplan hat die Beraterin des DRK-Kreisver-bandes München mit Debra S. mehrere Teilschritte formuliert, die für die Erreichung des längerfristigen Ziels, einen qualifizierten Beruf auszuüben, wich-tig sind. Debra S. hat sich im Laufe des Beratungs-prozesses zu einer Umschulung in einem Pflegebe-ruf entschlossen. Beide Seiten beschließen, dass Debra  S. einen Termin mit der Arbeitsvermittlung vereinbart, um an einem Qualifizierungsprogramm teilnehmen zu können. Zudem soll er sich selbststän-dig darum bemühen, sein Abschlusszertifikat von der Sprachschule einzufordern, das ihm bis dato noch nicht vorliegt. Kommt Debra S. nicht weiter, wird sei-ne Beraterin aktiv. Sie schaltet sich beispielsweise ein, als die Schule sich nicht kooperativ zeigt und das Zertifikat zurückhält.

Es sind oftmals Interventionen seitens der Berater, die helfen, wenn Ratsuchende in anderen Institu-tionen oder Diensten mit ihren Anliegen nicht wei-terkommen oder die Behörden die Rechtssituation nicht im Sinne der Ratsuchenden auslegen. Darüber hinaus können sie bei der beruflichen Orientierungs-suche behilflich sein und bei der Auswahl einer ge-eigneten Umschulung beraten.

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Case Management in Theorie und Praxis

Im Fall von Viktor K. in Aachen haben er und sein Berater Kasimir B. sich darauf verständigt, dass Vik-tor K. sich eigeninitiativ um Fortbildungsmöglich-keiten kümmert. Da sein Berufsabschluss in Deutsch-land nicht anerkannt ist, hat er nur mit einer Zusatz- qualifizierung Aussicht auf eine feste Anstellung. Als die Arbeitsgemeinschaft von Agentur für Arbeit und kommunalem Träger ( ARGE ) die Teilnahme an einem Qualifizierungskurs zum Elektroschweißer zunächst nicht befürwortet, ist es Kasimir B., der den Fall-Ma-nager des Jobcenters von der Notwendigkeit einer Teilnahme überzeugen kann. Schließlich wird Viktor K. die Weiterqualifizierungsmaßnahme genehmigt.

Im Laufe des Beratungsprozesses überprüft die Be-ratungsfachkraft regelmäßig die Zielsetzungen des Förderplans : Orientiert sich der Zuwanderer noch daran? Passen die eingeschlagenen Wege noch zur Situation und den Zielen des Zuwanderers? Sollten Veränderungen notwendig sein, so wird der Förder-plan entsprechend angepasst.

Netzwerkarbeit

Das Beratungsangebot erfolgt in den meisten Fällen in Zusammenarbeit mit anderen Diensten ( Jobcenter, Ausländerbehörde, Sprachkursträger etc. ), wobei dies von der MBE initiiert und gesteuert wird.Die Berater_innen in der MBE nutzen Kontakte inner-halb ihrer Netzwerke, um ihre Klient_innen weiterzu-vermitteln oder um Angebote zu schaffen, die ihren Klient_innen neben der beruflichen Entwicklung auch die soziale Integration ermöglichen.

Ein Beispiel bietet Maria Z. ( 31 Jahre ) aus Polen, die sich an die Beratungsstelle des DRK-Kreisverbandes Neubrandenburg wandte. Maria Z. zog nach der Hei-rat zu ihrem deutschen Ehemann nach Deutschland, hier wurde ihr Diplom als Ökonomin nicht anerkannt. Die Arbeitslosigkeit beider Eheleute hatte eine zuneh-mende soziale Isolation zur Folge, die Maria Z. auch in den Beratungsgesprächen mit ihrer MBE-Berate-rin thematisiert. „Maria Z. war enttäuscht, dass sich ihre Erwartungen bisher nicht erfüllt hatten. Dadurch, dass auch ihr Mann nach wie vor arbeitslos war, ver-misste sie eine aktive, kontinuierlich-stabile Alltags-

gestaltung“, so die Beraterin Sylvia H. Neben dem gemeinsam entwickelten Förderplan zur Entwicklung einer beruflichen Perspektive gibt Sylvia H. der Kli-entin Anregungen, wie sie soziale Kontakte knüpfen kann. Maria Z. zeigte sich aufgeschlossen und ging auf die Vermittlungsvorschläge ein. Schließlich fand sie Anschluss in einer multikulturellen Initiativgruppe, die sich regelmäßig trifft und Austausch und Unter-stützung bietet. Zudem übernimmt sie mittlerweile ehrenamtlich die Leitung einer Seniorensportgruppe in einer DRK-Begegnungsstätte.

Evaluation / Abschlussgespräch

Am Ende der Beratung bewerten Klient und Berater den Beratungsprozess. Im Rahmen eines Abschluss-gesprächs reflektieren sie, ob der Ratsuchende seine Ziele erreicht hat oder ob weitere, längerfristige Maß-nahmen anstehen. Hier kommt es darauf an, dass beide Sichtweisen dargestellt werden. Was hat aus Sicht des Klienten gut funktioniert, was hätte er sich besser gewünscht? Wie zufrieden ist der Berater mit dem Verlauf und mit dem Ergebnis der Beratung ?Zu den Dokumentationspflichten der DRK-Berater_innen gehört seit Anfang 2011 auch die projektbe-zogene Erfolgskontrolle ( Controlling ). Dafür werden regelmäßig anonymisierte Daten aus dem Bera-tungsgeschehen erhoben, die dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Auswertung zur Verfü-gung gestellt werden.

6 Die Namen der Klient_innen wurden aus Anonymitätsgründen

geändert.7 Der Muster-Förderplan / Integrationsvereinbarung wurde im

Nachgang zu den Ergebnissen des Modellprojekts „Integration

verbindlicher machen – Integrationsvereinbarungen erproben“

der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge

und Integration, Prof. Dr. Maria Böhmer, zwischen den Verbän-

den abgestimmt. Der Abschluss von Förderplänen /

Integrationsvereinbarungen ist ebenso freiwillig wie Unterschrif-

ten unter Förderpläne / Integrationsvereinbarungen.

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Der interkulturelle Ansatz in der Beratung

Christine Müller

Beratung findet immer im Gespräch zweier Perso nen statt. Was die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer ( MBE ) jedoch von anderen Beratungs-formen unterscheidet, ist ihr per se interkultureller Charakter. Die Dialogpartner gehören unterschied-lichen Kommunikationsgemeinschaften mit vonein-ander abweichenden Wissensbeständen und sprach- lichen Handlungsformen an. Häufig verwendet ei-ner der Beteiligten nicht die eigene Sprache, son-dern Deutsch ist nur die Zweitsprache. Selbst wenn Berater_in und Klient_in die gleiche Sprache spre-chen, so ist es doch die Beratungsfachkraft, die über deutsches Institutionenwissen verfügt. Jede Beratungsfachkraft, die schon einmal Begriffe wie „Mitwirkungsverpflichtung“ oder „Kompetenzfest-stellungsverfahren“ übersetzen musste, kann ein Lied davon singen.

Schon die Bezeichnung „Migrationsberatung für er-wachsene Zuwanderer“ betont die Differenz Inländer-Ausländer. Sie ist ein Sonderdienst für neu einwan-dernde sowie andere Menschen mit vergleichbarem Sprachlernbedarf. Sie bezieht ihre Existenzberech-tigung aus der „interkulturellen Ungeöffnetheit“ der Regeldienste. Stärker als andere Beratungsformen ist sie ergebnisoffen : Es braucht großes kommunikatives Geschick, um herauszufinden, welches die Anliegen der Klient_innen sind und wie diese gemeinsam be-arbeitet werden können, weil die Wissensbestände und sprachlichen Mittel so unterschiedlich sind.

Perspektiven öffnen und übernehmenDie Besonderheit der Aufgabe besteht darin, Anders-sein zuzu lassen, ohne Andersartigkeit zuzuweisen.8

Aus diesem Dilemma kommen Berater_innen nur heraus, wenn sie für eine Gesprächsatmosphäre sor-gen, die eine Selbstdarstellung zulässt. Grundlage dafür ist der eigene Standortwechsel, indem es ihnen gelingt, mittels Sprache die Perspektivenübernahme zu signalisieren.

Marjan H. war im Herkunftsland Juristin und TV-Moderatorin. Noch während des Integrationskurses nahm sie Kontakt zur Otto-Benecke-Stiftung ( OBS ) für hoch qualifizierte Zuwanderer auf, verschob den Beratungstermin jedoch immer wieder. Im Integrati-onskurs fehlte sie plötzlich tageweise. Die Lehrerin berichtete, dass sie Psychopharmaka einnehme, die stark blutdrucksenkend wirkten, bis hin zur Ohn-macht. Als der Berater Zeuge einer solchen Ohn-macht wurde, vermittelte er den Kontakt zu einem Psychiater und riet zu einer kurzfristigen Kursunter-brechung, damit die Stunden nicht ungenutzt verstrei-chen. Nachdem eine Besserung des Gesundheits- zustands erreicht war, setzte Frau H. den Kurs an einer anderen Schule fort und ging zur Beratung der OBS. Die Stiftung bewilligte ihr einen Fachsprachkurs und eine Studienergänzung. Als sie zur MBE kam, um die entsprechenden Anträge auszufüllen, eskalierte die Krise. Sie wolle die Studienergänzung eigentlich gar nicht, schließlich sei sie 31 Jahre alt und müsse eine Familie gründen. Wenn sie mit dem Studium fer-tig sei, wäre sie schon zu alt und kraftlos und würde sicher gleich sterben.

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Der Berater erzählte ihr daraufhin ein Gleichnis, in dem ein Mann einen anderen nach dem Weg fragt, aber keine Antwort bekommt, bis er weitergeht, weil der Gefragte zur Beantwortung der Frage erst sehen musste, wie schnell der Frager laufen kann. Der Be-rater fragte die Klientin, ob sie die Geschichte für ihre Situation nutzen könne. Sie bejahte dies und begann nun, ihre Situation als Teufelskreis darzustellen. Sie wolle einen guten Mann finden, was ohne Perspek-tive aber unmöglich sei. Auch eine Wohnung fände sie ohne Arbeit nicht und die wiederum nicht ohne Deutschkenntnisse. Als sie schließlich selbst zu dem Schluss kam, dass sie mit dem Stipendium sowohl eine Perspektive finden und auch das Wohnungs-problem für längere Zeit lösen würde – am Kursort gibt es ein Wohnheim – änderte sie ihr Vorgehen. Sie schloss den Integrationskurs zügig und sehr erfolg-reich ab und trat das Stipendium an. Erzählerische Elemente setzen die meisten Bera-ter_innen in der MBE ein, um verfahrene Situationen zu öffnen : Sprichwörter, Fabeln, Geschichten und Gleichnisse sind ein wichtiges Mittel der Gesprächs-führung, da sie in fast allen Herkunftsländern ver-breiteter sind als in Deutschland. Die Vertrautheit mit ihnen stellt Vertrauen her – in die MBE und in die ei-genen Problemlösungsfähigkeiten. Sie ermöglichen es den Klient_innen, enttäuschte Erwartungen zu überwinden und die ersten Schritte zu gehen, die im Planungsgespräch vereinbart wurden. Das können sie nun, weil sie sich durch die Beratung eine Verbes-serung ihrer Lebensbedingungen bildlich vorstellen können.

Spezielle Interventionstechniken in den verschie-denen Phasen eines Beratungsgesprächs, die Orga-nisation der Gespräche selbst und die Anerkennung von Mehrsprachigkeit ( zum Beispiel, indem mehr-sprachige Materialien vorliegen ) entscheiden mit über den Beratungserfolg. Doch genauso wichtig ist es, Angebote zu machen, die eine Selbstpräsentati-

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8 Mecheril, P.: „Beratung in der Migrationsgesellschaft.

Paradigmen einer pädagogischen Handlungsform“.

In: Treichler, A. / Cyrus, N. ( Hrsg.): Handbuch soziale Arbeit

in der Einwanderungsgesellschaft.

Grundlinien – Konzepte – Handlungsfelder – Methoden.

Brandes und Apsel, Frankfurt am Main 2004.

on auch ohne Sprache ermöglichen – besonders in der Arbeit mit Analphabeten oder lernungewohnten Menschen : Das Beratungsziel, die Handlungsfähig-keit der Klient_innen wiederherzustellen, stößt häufig in den Institutionen, deren Mitarbeit bei der jeweiligen Themenstellung relevant ist, an seine Grenzen. Doch wie kann man die Behörden interkulturell öffnen ?

Transkulturelle Beratungskulturen schaffenDie Mitarbeitenden der MBE des Deutschen Roten Kreuzes verfolgen einen transkulturellen Ansatz, von dem andere Einrichtungen profitieren können : Sie entwickeln eine neue Beratungskultur durch eine veränderte Kommunikation, die verschiedene Ele-mente westlicher und östlicher Kommunikationsstile integriert – das sind alles wissenschaftlich fundierte und erfahrungsbasierte Beratungsmethoden. Die Be-rater_innen wissen, welche Phasen des Gesprächs besonders kritisch sind und wie sie Störungen wirk-sam begegnen. Sie kennen die Auswirkungen insti-tutioneller Routinen auf Gesprächsverläufe. Sie ver-suchen Verbindlichkeit nicht durch Formalisierung zu erzielen, sondern indem sie die Selbstpräsenta-tion ihrer Ratsuchenden zulassen und thematisieren : Wie sehen diese sich selbst, wie bewerten sie ihre bisherigen Lebenserfahrungen ? Darauf aufbauend ermuntern sie die Klient_innen, ihre Probleme und Ziele selbst zu definieren. Die meisten Berater_in-nen geben ihr Wissen an soziale Dienste und die Ar-beitsvermittlung, aber auch an Krankenhäuser oder Ehrenamtliche in Form von kollegialer Beratung, Hospitationen, gemeinsamen Sprechstunden und in-terkulturellen Trainings weiter. Wünschenswert wäre jedoch eine stärkere Einbeziehung auf der sozialpla-nerischen Ebene : Die MBE kennt die Bedarfe von Neuzuwanderern besser als jede andere Institution.

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Beratung und Begleitung im Anerkennungsverfahren ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen durch die MBE

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Uta Franziska Schmidt

Der Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Berufsausbil-dung ist ein zentraler Integrationsauftrag. Die beruf-liche Integration und die damit verbundene Anerken-nung ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen sind somit Kernthemen der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer ( MBE ). Bereits 2010 wurde in einer Umfrage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ( BAMF ) die MBE als wichtige unterstüt-zende Instanz in den Verfahren zur Anerkennung aus-ländischer Qualifikationen genannt. In der Auswer-tung stellt das BAMF zusammenfassend fest : „Eine Vielzahl von Ratsuchenden wendet sich mit diesbe-züglichen Fragen an die MBE. Die Formen reichen von einer Verweisberatung zu Anerkennungsfragen bis hin zu einer komplexen Überblicksberatung zur beruflichen Integration.“ Wie wichtig das Thema An-erkennung ausländischer Abschlüsse ist, zeigte auch der MBE-Controlling-Bericht 2011. Demnach spielt in der Beratung bei einem Viertel aller im Case Ma-nagement beratenen Personen ( ca. 12.000 ) ein aus-ländischer Abschluss eine Rolle, der in Deutschland formal nicht anerkannt ist.

Als nahezu flächendeckendes, dauerhaftes Bera-tungsangebot bildet die MBE ein weitreichendes Netzwerk mit Anlauf- und Beratungsstellen für Men-schen mit Migrationshintergrund, das besonders beim Zugang zum Arbeitsmarkt unterstützend wirkt. Zudem ist der fallbezogene und fallübergreifen-de Austausch mit den Einrichtungen der jeweiligen Kommune und auch untereinander bei der Arbeits-suche bzw. -vermittlung hilfreich.

Dank ihrer auf die einzelnen Ratsuchenden und ihre Lebenslagen ausgerichteten Arbeitsweise verfügen die Beratungsstellen der MBE über sehr gute Zugän-ge zur Zielgruppe und genießen Vertrauen, sie wir-ken bei der Vernetzung und Interkulturellen Öffnung der zuständigen Behörden und Stellen mit, treffen Absprachen mit den Agenturen für Arbeit und ande-ren relevanten Partner_innen in den Netzwerken und kooperieren mit diesen.

Den Anerkennungsprozess begleitenAufgrund ihrer umfassenden Erfahrungen, ihrer viel-fältigen Kontakte und ihrer Fachkompetenz trägt die MBE entscheidend zur Umsetzung des Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen ( BQFG ) bei, das am 1. April 2012 in Kraft getreten ist. Die Beratung zur Anerkennung ausländischer Abschlüs-se und Qualifikationen durch die MBE ist Bestandteil des Case Management. In diesem Rahmen leisten

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Beratung und Begleitung im Anerkennungsverfahren ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen durch die MBE

die Berater_innen vor Ort eine kontinuierliche Beglei-tung des Gesamtprozesses. Sie haben dabei sowohl die Interessen der Zugewanderten und ihre mitge-brachten Kompetenzen als auch die Anforderungen für die Anerkennung der Qualifikation im Blick.

Einen Teil der Ratsuchenden führen die Migrations-berater_innen an das Thema Anerkennung aus-ländischer Abschlüsse heran, der andere Teil der Rat suchenden kommt explizit mit Fragen zur Aner-kennung ihrer ausländischen Abschlüsse in die Bera-tungsdienste. Die angebotene Beratung umfasst eine erste Bestimmung von beruflichen Kompetenzen und Qualifikationen sowie eine erste Einschätzung, ob und für welchen Zweck ( Berufstätigkeit, Fortset-zung einer Ausbildung ) die Anerkennung notwendig oder hilfreich ist.

Weitere Bestandteile der Anerkennungsberatung in der MBE sind die Erstberatung zu Antragsmöglich-keiten und zum Antragsverfahren sowie Informatio-nen zum BQFG, zu entsprechenden Landesgeset-zen und zu Anerkennungsverfahren. Darüber hinaus informieren die Berater_innen die Anerkennungs-suchenden über ihre Rechtsansprüche und leisten organisatorische Unterstützung bei der Zusammen-stellung der erforderlichen Unterlagen.

Die MBE berät und begleitet bei der beruflichen Orientierung und den persönlichen Zielsetzungen in enger Kooperation mit der Berufsberatung der Agen-tur für Arbeit bzw. den Jobcentern und dem Netzwerk „Integration durch Qualifizierung ( IQ )“. Sie vermit-telt an weitere Einrichtungen und Bildungsträger für Kompetenzfeststellungen, Nach- und Anpassungs-quali fizierungen sowie gegebenenfalls an entspre-chende Leistungsträger. Darüber hinaus vermitteln die Beratungsstellen die Anerkennungssuchenden an die für sie zuständigen Anerkennungsstellen, zum Beispiel Ministerien und Kammern, und begleiten sie während des gesamten Anerkennungsverfahrens. Unterstützt wird dies beispielsweise mit Verabre-dungen in Zielvereinbarungen. Auch die Vermittlung und Begleitung von Praktika und weiteren Qualifizie-rungsmaßnahmen in Kooperation mit der Arbeits-verwaltung sowie die Beratung im Hinblick auf den

Erwerb von Kompetenzen in Deutsch und anderen Sprachen umfassen das Angebot der Anerken-nungsberatung in der MBE. Sie ist somit ein wich-tiger Beratungs gegenstand der MBE. Viele Berater_innen verfügen über sehr gute Kenntnisse in diesem Bereich.

Die MBE-Beratungsstellen tragen darüber hinaus dazu bei, den Bedarf an einer flächendeckenden und unabhängigen Beratung und Begleitung im An-erkennungsverfahren dauerhaft zu decken und die mit dem BQFG zu erwartende wachsende Nach frage nach Anerkennungsberatung nicht nur quantitativ, sondern auch in einer angemessenen Qualität zu bewältigen.9

9 vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege,

Fachausschuss Migration und Integration: „Beratung

und Begleitung im Anerkennungsverfahren ausländischer

Ab schlüsse und Qualifikationen durch MBE und JMD“,

Berlin im September 2012

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Die Grundlagen der Anerkennungsberatung in der MBE

Christine Müller

Die Anerkennungsberatung ist fester Bestandteil der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer ( MBE ) im Deutschen Roten Kreuz ( DRK ). Mit ihrer Hilfe lernen die Klient_innen die verschiedenen Wege in den Beruf kennen oder erfahren von der Möglich-keit, eine Ausbildung fortzusetzen – ganz im Sinne des Zurechtfindens in der neuen Heimat.

Erfolgreiche Anerkennungsberatung entsteht durch hochwertige Arbeit der Beratenden, des Trägers und die engagierte Mitarbeit der Ratsuchenden. Diese werden in ihren individuellen Bildungs- und Lern-voraussetzungen, ihrem persönlichen und sozialen Umfeld wahr- und in ihren Anliegen ernst genommen.

Was ist der Maßstab für gute Anerkennungs-beratung ? Die Anerkennungsberatung ist dann gelungen, wenn die Teilnehmenden einen Kompetenzgewinn in Be-zug auf ihre berufliche Orientierung in Deutschland erleben und die weiteren Schritte zur Qualifikation oder Arbeitsaufnahme sowie die formalen Proze-duren kennen. Die Bera ter_innen erkennen das Gelingen daran, dass die Unterstützungsangebote als nutzbringend wahrgenommen werden, die Rat-suchenden sich gut beraten fühlen und ent-sprechende Rückmeldungen geben.

Wann setzt die Anerkennungsberatung an ? Im Beratungszyklus ist sie eng mit der Sozial- und Kompetenzanalyse verknüpft. Wenn die Beratenden feststellen, dass ein Klient oder eine Klientin über

einen Schulabschluss und eine – mindestens zwei-jährige – Ausbildung verfügt, folgt eine Erstinforma-tion über den Nutzen und das Verfahren einer Gleich-wertigkeitsprüfung.

Vielen Ratsuchenden ist dies völlig unbekannt, wie das Beispiel Arif A.s ( 46 Jahre ) zeigt :1989 verließ er sein Herkunftsland Afghanistan, um in Bulgarien Elektrotechnik zu studieren. Nach dem Studium kehrte er zurück, musste aber schon wenige Monate später vor den Taliban fliehen und kam 1997 nach Deutschland. Hier arbeitete er über ein Jahr-zehnt in diversen gering qualifizierten Tätigkeiten. Nach seiner Anerkennung als Flüchtling 2001 be-suchte Herr A. einen Deutschkurs. 2005 folgte die Einbürgerung, 2010 die Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer schweren Erkrankung. 2012 wurde er vom Job-center an die MBE verwiesen, mit der Aufforderung, einen geeigneten Integrationskurs für ihn zu suchen. Im Erstgespräch fiel sein gehobener Wortschatz auf. Als die Beraterin dies thematisiert, erzählte Herr A. seine Lebensgeschichte.

Als Ziel wird neben dem Besuch des Deutschkurses in der Beratung nun auch vereinbart, dass Herr A. zum nächsten Gespräch seine Bildungsnachweise mitbringt. Nur sechs Wochen später hat Herr A. trotz seiner Krankheit das Sprachniveau B 1 erreicht. Im Gespräch, in dem eine Handlungsempfehlung für die Übergabe an die Arbeitsvermittlung erarbeitet wer-den soll, stellt sich heraus, dass Herr A. inzwischen mit der bulgarischen Botschaft Kontakt aufgenom-

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men hat und alle Dokumente beschaffen konnte. Am nächsten Tag nimmt er mit Hilfe der Beraterin Kontakt zur Zentralstelle für ausländisches Bildungs-wesen auf. Die Gleichwertigkeit kann innerhalb weni-ger Wochen bestätigt werden. „Ich habe überhaupt nicht gewusst, dass so etwas geht. Hätte ich nur früher diese Information gehabt !“, sagte Herr A. dazu.

Einige Wochen später hat sich sein Gesundheitszu-stand stabilisiert. Die Arbeitsvermittlerin erkennt die Möglichkeit einer nachhaltigen Arbeitsmarkteinglie-derung Herrn A.s an. Sie bewilligt ihm einen berufs-bezogenen Deutschkurs für Akademiker und wird versuchen, ihn in eine berufsnähere Tätigkeit als zuvor zu vermitteln. In diesem Beispiel hat die Unterstützung im Anerken-nungsprozess einen regelrechten Motivationsschub ausgelöst und den Case-Management-Prozess be-schleunigt. Sehr häufig jedoch scheuen Ratsuchen-de vor den Anforderungen und der Dauer des Verfah-rens sowie den finanziellen Belastungen zurück. Sie zweifeln an ihrer eigenen Selbstwirksamkeit, dem Nutzen der Prozedur oder sie wollen schlicht irgend-eine Arbeit aufnehmen, um von Leistungen unabhän-gig zu werden.

Interkulturelle Kommunikationskompetenz als ErfolgsfaktorBerater_innen benötigen deshalb spezielle gesprächs-rhetorische Fähigkeiten, um solche Ratsuchenden zu motivieren, neue Wege zu beschreiten. Die DRK-Berater_innen wurden in einer mehrjährigen Fort-bildungsreihe in den erforderlichen Gesprächs-führungsmethoden und der Erweiterung ihres Deu tungs repertoires geschult. Im Vordergrund stan-den dabei :

• die strukturellen Besonderheiten interkultureller Beratung und der einzelnen Beratungstypen und -schritte ( Sondierung, Sozial- und Kompetenz-analyse, Anerkennungsberatung, Zielverein-barung und Förderplanung ),

• die jeweils damit verbundenen Anforderungen an die Gesprächsführung,

• die kommunikativen Verfahren,

• die Reflexion der Chancen und Risiken verschie-dener Verfahren anhand verschriftlichter Ge-sprächsausschnitte,

• die Reflexion institutioneller Rahmenbedingungen und Asymmetrien,

• die praktische Handlungsorientierung aufgrund gesprächsanalytischer Befunde, über pädago-gische und psychologische Beratungsmodelle hinaus,

• die ethischen Grundsätze des Beratungshandelns in der DRK-MBE.

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MBE und ehrenamtliches soziales Engagement im DRK-Kreisverband Gelnhausen

Gabriele Wiemer

Mit etwa 400.000 Ehrenamtlichen ist das Deutsche Rote Kreuz ( DRK ) eine der größten Freiwilligenorga-nisationen in Deutschland. Auch für viele Migrant_in-nen kann freiwilliges soziales Engagement eine gute Möglichkeit sein, in der neuen Gesellschaft schneller Fuß zu fassen.

Jenseits von wirtschaftlichem Denken und bezahlter Arbeit erleben Menschen durch ehrenamtliches und soziales Engagement Teilhabe am Gemeinwesen. Es fördert und stärkt das Selbstwertgefühl. Menschen mit und ohne Migrationshintergrund erfahren durch ihr Ehrenamt Anerkennung und Wertschätzung, knüpfen neue Kontakte und lernen auf andere zu-zugehen. Ehrenamtliches und soziales Engagement kann somit zu einem zentralen Baustein der Integra-tion werden. Nicht zu unterschätzen sind auch der Erwerb und die Vertiefung beruflicher Kompetenzen. Ehrenamtlich engagierte Migrant_innen helfen damit nicht nur anderen, sondern möglicherweise auch sich selbst.

Im DRK-Kreisverband Gelnhausen gibt es dafür verschiedene Beispiele : Frau S. ( 45 Jahre ) kommt aus Kolumbien und lebt seit 2008 in Deutschland. Sie hat keinen Schulab-schluss und keine Ausbildung. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind gering und für sie persönlich sehr unbefriedigend. Aber sie spricht gut Deutsch.

In der Migrationsberatung für erwachsene Zuwande-rer ( MBE ) suchte sie Unterstützung bei der Arbeits-suche, die sich sehr schwierig gestaltete. Mehrere Gespräche führten zu der Idee, sich parallel zur Ar-beitssuche ehrenamtlich einzubringen. Seit Juni 2011 engagiert sich Frau S. nun bei den ehrenamtlichen Besuchsdiensten des DRK-Kreisverbandes Gelnhau-sen und leistet hilfsbedürftigen Menschen in ihrem häuslichen Umfeld Gesellschaft. Mittlerweile hat sie auch erfolgreich einen Pflegehelferkurs absolviert und somit bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Frau S. ist nun auf der Suche nach einer sozialversi-cherungspflichtigen Arbeitsstelle. Ihr ehrenamtliches soziales Engagement will sie aber nicht aufgeben, denn die Kontakte, die sie hier auch zu den anderen Ehrenamtlichen geknüpft hat, und die regelmäßigen Treffen zur Reflexion ermöglichen einen Gedanken-austausch und freundschaftliche Beziehungen.

„Ich bin nicht ohnmächtig.Ich kann nicht gar nichts.Ich bin nicht allmächtig.Ich kann nicht alles.Ich bin teilmächtig : Ich kann, was ich kann.“

Ruth C. Cohn, Psychologin und Pädagogin

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Ein weiteres Beispiel ist das neue VIP-Projekt ( „Visi-ting Immigrant Parents“, aufsuchende Elternschule ) des DRK-Kreisverbands Gelnhausen, in dem sich Mütter mit Migrationshintergrund engagieren. Das Projekt richtet sich an Familien mit Kindern im Vor-schulalter. Durch Hausbesuche, Gruppentreffen und Informationsveranstaltungen bekommen die Eltern Unterstützung bei der Stärkung der Sprachkompe-tenzen ihrer Kinder und Anregungen zur Förderung ihrer Kinder im Spiel. Für dieses Projekt hat der DRK-Kreisverband Gelnhausen mittlerweile fünf Frauen gewonnen. Sie kommen aus Marokko, Russland, Kasachstan, der Türkei und Polen und engagieren sich als Hausbesucherin im VIP-Projekt. Damit brin-gen sie nicht nur ihre Talente ein und fördern Mütter und Kinder, sondern erfahren selbst ein hohes Maß an Wertschätzung. Frau E. ( 35 Jahre ) aus Marokko sagte am Ende der jährlich stattfindenden Advents-feier für alle Ehrenamtlichen der Sozialarbeit im DRK Gelnhausen : „Endlich habe ich eine Aufgabe gefun-den, mit der ich auch mal zurückgeben kann, was ich schon so viel erhalten habe.“

Ein drittes Beispiel ist der Fall von Frau R. ( 52 Jahre ), die schon vor 2005 in die Beratungsstelle kam und nach beruflichen Ideen und Möglichkeiten suchte. Frau R. kommt aus Kasachstan und ist Grundschul-lehrerin, ein Abschluss, der in Deutschland nicht an-erkannt wird. Da sie zum damaligen Zeitpunkt noch drei kleine Kinder hatte, wollte sie kein ergänzendes Studium absolvieren. Frau R. wollte aber auch nicht nur zu Hause sitzen.

In der Beratung wurde ihre Begabung im Umgang mit Menschen schnell erkannt. Seit mehr als zehn Jahren engagiert sich Frau R. nun schon ehrenamtlich in der Gruppenarbeit mit Migrant_innen, in der Sozialbera-tung und als Dolmetscherin für die MBE. Durch ihr Ehrenamt und ihr soziales Engagement konnte Frau R. mittlerweile als gesetzliche Betreuerin beruflich aktiv werden.

Diese Beispiele zeigen, wie Menschen im Ehrenamt durch soziales Engagement Verantwortung über-nehmen und sich für andere und für das Gemein-wohl einsetzen. Ehrenamtliche und sozial engagierte Menschen sammeln stets neue Erfahrungen, bauen ihr persönliches Netzwerk aus und gewinnen neues Selbstbewusstsein, womit sie auch soziale und be-rufliche Kompetenzen erwerben können. Diesen Mehrwert gilt es auch in der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer zu erkennen, zu unterstüt-zen und zu fördern.

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Interview mit Sezgin Yilmaz, MBE-Beraterin beim DRK-Kreisverband Friedberg

Sezgin Yilmaz ist 40 Jahre alt und arbeitet seit Mai 2005 für die Migrati-

onsberatung für erwachsene Zuwanderer ( MBE ) des Deutschen Roten

Kreuzes. Die studierte Diplom-Sozialwissenschaftlerin ist Media torin und

hat in Jena eine berufsbegleitende Ausbildung zur Interkulturellen Trai-

nerin absolviert. Ihre Beratungserfahrung ist groß. Sie hat schon über

800 Menschen beraten, seit sie in der MBE arbeitet.

Frau Yilmaz, gibt es einen typischen „Beratungsalltag“ ?Nicht in dem Sinne, dass jeder Beratungstag sehr ähnlich ist. Das hängt davon ab, wie viele Klient_in-nen und mit welchen Themen sie in die Beratung kommen und ob ich Termine außerhalb habe. Außer-dem gehört zur MBE ja mehr als die reine Beratung : Wir sind auch für die Initiierung und Weiterentwick-lung der Netzwerke zuständig und arbeiten an der Interkulturellen Öffnung, so dass meine Arbeit sehr vielfältig ist.

Gibt es Beratungsthemen, die immer wieder vorkommen ?Bei fast allen Menschen stehen am Anfang des Be-ratungsprozesses die Aufenthaltsverfestigung in Deutschland und der Spracherwerb. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist ebenfalls ein großes Problem sowie Fragen bei der Wohnungssuche. Ich glaube, alle meine Klient_innen haben die Erfahrung ge-macht, dass sie wegen ihres ungewohnt klingenden Namens eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz nicht bekommen haben.

Das klingt nach Unterstützung und Rückhalt bei Diskriminie rungserfahrungen und bei organisatorischen Problemen ?Oftmals kommen die Menschen mit den genannten Problemen in die Beratung und erst nach einer Wei-le kommen die schwierigen Themen auf den Tisch. Wenn im Laufe der Beratung das Vertrauen gewach-sen ist, geht es um Fragen, die nicht in der Integra-tionsdebatte aufgegriffen werden : Die Menschen bekommen immer zu hören, dass sie die Sprache lernen und arbeiten sollen. Das machen sie auch. Aber daneben haben sie dieselben Probleme, wie die Mehrheitsgesellschaft auch : Gesundheitspro-bleme, Probleme in der Familie, Schulprobleme der Kinder, Umgang mit Behinderung, Suchtproblema-tik, manchmal auch Gewalt und Scheidung. Aber unsere Klient_innen kennen die entsprechenden Be-ratungsstrukturen in Deutschland nicht. Und da die Regeldienste noch nicht interkulturell geöffnet sind, können sie Migrant_innen nicht da abholen, wo sie stehen.

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Interview mit Sezgin Yilmaz, MBE-Beraterin beim Kreisverband Friedberg

Können Sie ein Beispiel dafür nennen, wo die fehlende Interkulturelle Öffnung besonders gravierend ist ?Ein großes Manko ist beispielsweise, dass es keine Therapieangebote und psychosoziale Beratung für Migrant_innen in ihrer Muttersprache gibt. Ich habe im Integrationskurs eine Frau kennengelernt, die Deutsch gelernt hat und aufenthaltsrechtliche Anlie-gen hatte. Sie wollte unbedingt, dass ich ihre Familie kennenlerne. Als eine Vertrauensbasis entstanden war, habe ich erfahren, dass sie sich große Sorgen um ihren schwer kranken Mann machte und selbst gleichzeitig sehr darunter litt, dass sie ihre Familie in der Türkei seit vielen Jahren nicht gesehen hatte, weil sie in Deutschland nicht eingebürgert war. Sie war seit Jahren psychisch krank. Ich habe sie irgend-wann in eine psychiatrische Klinik gebracht, weil sie zusammengebrochen ist. Sie musste und wollte im Anschluss Hilfe annehmen, aber es gab keine Thera-pie für sie in ihrer Muttersprache.

Welche Rolle spielt es, dass Sie selbst einen Migrationshintergrund haben ?Manche Klient_innen erwarten sehr viel von mir, weil sie das Gefühl haben, „das ist eine von uns, die ver-steht uns“. Manchmal scheint es mehr Vertrauen zu schaffen, etwa, wenn die Kinder Probleme in der Schule haben. Dann erkläre ich den Eltern, was die

Schule von ihnen erwartet und begleite sie in Ge-spräche mit dem Lehrer. Ich kann nicht sagen, wo-ran es liegt, aber wenn ich dabei bin, „funktionieren“ solche Gespräche gut.

Ein Kollege aus einer anderen Beratungsstelle, nicht aus der MBE, hatte zum Beispiel schon mehrfach versucht, einem Klienten klar zu machen, wie wichtig es ist, an einem Integrationskurs teilzunehmen, als Zugangsvoraussetzung in ein Arbeitsmarktförder-programm. Aber der Mann hat darauf nicht reagiert. Mein Kollege bat mich um Hilfe. Vielleicht habe ich es anders formuliert, als ich mit dem Klienten gespro-chen habe, vielleicht hatte der Kollege nicht klar ge-nug gesagt, dass über die Kursteilnahme nicht mehr zu verhandeln ist. Jedenfalls hat mir der Klient geant-wortet: „Alles klar, kein Problem, wo muss ich mich zu dem Kurs anmelden?“ Später im Kurs berichtete er mir stolz, er habe sogar noch einen Freund von der Teilnahme am Integrationskurs überzeugen können. Ich glaube, oft sind es nicht die eigentlichen Sprach-schwierigkeiten oder kulturelle Missverständnisse, sondern es ist die Frage, wie man miteinander kommuniziert. Ein Dialog auf Augenhöhe und klare Ansagen sind wichtig.

Das Interview führte Ulrike Bendrat

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Interview mit Christian Stock, MBE-Berater beim DRK-Kreisverband Göppingen

Christian Stock hat Sozialpädagogik studiert und arbeitet seit 1991 für

das Deutsche Rote Kreuz, zunächst in der Jugendverbandsarbeit, die

auch damals schon punktuell thematische Berührungspunkte mit „Aus-

länderarbeit“ und „Asylarbeit“ hatte. Zur Migrationsberatung für erwach-

sene Zuwanderer ( MBE ) kam er durch interne Umstrukturierungen im

Jahr 2005. Allein im Jahr 2012 hat er 194 Familien in 478 Gesprächen be-

raten, 65 Personen sind im Case-Management-Verfahren.

Herr Stock, wie haben Sie damals ihren Einstieg Dafür ist das Case Management ein guter Ansatz, um sich Ziele zu setzen oder eine Perspektive zu geben, aber es bildet nur einen Teil der Realität ab. Denn es gibt immer wieder „Störungen“, beispielsweise fami-liäre Krisen. Was macht man dann ? In den seltensten Fällen läuft der Plan des Case Management gradlinig durch.

Stichwort Anträge, Behördenformulare : Was liegt da im Argen ?Die Behördensprache ! Manche Klient_innen bringen 20-seitige Papiere von der Behörde mit. Die sind ja sogar für Muttersprachler_innen recht anspruchsvoll zu verstehen. Und darin werden existenzielle Dinge geregelt, ohne dass die Betroffenen recht wissen, wie sie geregelt werden. In der ganzen Integrations-debatte heißt es immer „fördern und fordern“. Aus meiner Perspektive kommt das Fördern dabei aber zu kurz. Es heißt so stereotyp : „Ihr seid jetzt 20 Jahre hier, jetzt integriert euch mal.“ Vor 20 Jahren hat sich niemand mit solchem Nachdruck darum gekümmert, wie gut jemand Deutsch lernt.

in die MBE erlebt ? Es war am Anfang schon eine große Herausforde-rung : 2005 gab es mit dem Zuwanderungsgesetz und der Neustrukturierung des Sozialgesetzbuchs II immense Veränderungen, die eine Neuorientierung in der Beratung zwingend nötig machten. Da musste ich mich als Einsteiger erst einmal gründlich einarbeiten. Gut war, dass ich damals schon in ein Berater-Netz eingebettet war. Die Kolleginnen des DRK in den anderen Beratungsstellen und der anderen Verbän-de in Göppingen waren eine große Hilfe. Ebenfalls sehr hilfreich waren die DRK-Fortbildungen, die mir gleich am Anfang das theoretische Handwerkszeug mitgegeben haben, etwa das Case-Management-Verfahren.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Case Management gemacht ?Das Case Management bezieht sich meist auf den Spracherwerb oder auf die berufliche bzw. Ausbil-dungsschiene : Da gibt es bestimmte Potenziale, die gefördert, geplant und gelenkt werden können.

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Interview mit Christian Stock, MBE-Berater beim Kreisverband Göppingen

Ist Sprache ein Schlüssel zu Integration und Partizipation ? Die Sprachbeherrschung ist zwar nicht der einzige Schlüssel zur Teilhabe an unserer Gesellschaft, aber ein sehr wichtiger. Deshalb bieten wir unseren Klient_innen eigene kostenlose Sprachtrainings an, um die Voraussetzungen für verbesserte Zugänge in unsere Gesellschaft zu schaffen. Seit 2007 gibt es „Deutsch aktiv“, ein Konversationstraining für Migrant_innen. Außerdem haben wir in diesem Jahr zum ersten Mal „KOMM“ auf die Beine gestellt, ein „Kommunikati-onstraining für Männer mit Migrationsgeschichte“. Und an fünf Grundschulen engagieren sich 16 Ehren-amtliche im Projekt „Gemeinsam sprechen. Gemein-sam lernen ( GS.GL )“ : Jede Woche üben sie zwei Stunden lang mit insgesamt 40 bis 50 Grundschü-ler_innen Deutsch. Zusätzlich konnten wir 2013 eine Teilzeitstelle für die schulische Elternberatung von Zuwanderern einrichten.

Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht, dass die Beratung auf drei Jahre begrenzt ist ?Ich begleite zum Beispiel eine Frau aus Afrika, die längerfristig auf Beratung angewiesen ist : Sie ist ge-schieden und alleinerziehend, hat einen Putzjob, ihr Ex-Mann zahlt keinen Unterhalt und hat sich ins Aus-land abgesetzt, und sie ist mit drei Kindern und den gemeinsamen Schulden allein. Sie braucht Beglei-tung, um ihre Existenz zu sichern. Da kann man nicht sagen : „So, drei Jahre sind um, jetzt ist Schluss.“

Wenn Sie zu entscheiden hätten, was würden Sie an Ihrer Arbeit oder den Bedingungen ändern ? Die Sprachförderung und die Berufsqualifikations-möglichkeiten müssten verbessert werden, das sehe ich als Hauptbaustelle.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit besonders ? Es gibt kaum eine Woche, in der nicht etwas Neues passiert. Und es kommen interessante Menschen ! Meine Arbeit lässt mir Gestaltungsspielraum, man kann eigene Impulse setzen. Und natürlich ist es schön, wenn man etwas erreicht, wenn sich eine Lebenssituation verbessert.

Das Interview führte Ulrike Bendrat

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Die MBE-Fachkraft : Wer ist sie – und wenn ja, wie viele ?

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Christa Majer-Kachler

Als „Netzwerkerin“ arbeitet sie gemeinsam mit Migrationsberater_innen anderer Verbände, mit sämt-lichen für die Arbeit relevanten Stellen und Behör-den zusammen und nimmt an den entsprechenden Arbeitskreisen aktiv teil.

Als „Fachkraft für Dokumentation und Verwal-tung“ beherrscht sie Dokumentationssysteme wie KIBnet und führt Klientenakten, anhand derer sich ihre Arbeit nachvollziehen lässt. Sie ist in der Lage, Sachberichte zu verfassen, Statistiken zu erstellen und zu interpretieren.

Als „Gesprächspartnerin“ spricht sie ein gut ver-ständliches Deutsch und beherrscht optimalerweise mehrere andere Sprachen. Sie spricht langsam, ver-steht auch gebrochenes Deutsch und kulturtypische Gesten und beherrscht nonverbale Kommunikation sowohl passiv als auch aktiv.

Als „Expertin“ informiert sie sich regelmäßig über klientenrelevante Sachverhalte, besucht Fortbil-dungen und verfolgt neue Entwicklungen ( nicht nur ) im Ausländer-, Sozial-, Miet- und Arbeitsrecht.

Als „Vermittlerin“ kennt sie die Sozialleistungen und Angebote, die für ihre Klient_innen in Frage kommen. Sie kennt die Regeldienste und verweist ihre Klient_innen bei Bedarf weiter. Sie weiß, wer wo welche An-träge mit welchen Formularen stellen kann, informiert entsprechend, kann beim Ausfüllen helfen, versteht und erklärt auch die jeweiligen Bescheide.

Als „Anwältin“ kennt sie die Rechte und Pflichten ihrer Klient_innen, informiert sie darüber und setzt sich für die Wahrung dieser Rechte auch gegenüber Behörden usw. ein. Sie informiert ihre Klient_innen, welche Schritte notwendig sind, um diese Rechte gegebenenfalls vor Gericht durchzusetzen.

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Die MBE-Fachkraft : Wer ist sie – und wenn ja, wie viele?

Als „Coach“ unterstützt sie Klient_innen dabei, sich ihrer Ressourcen bewusst zu werden und Probleme möglichst selbstständig bearbeiten und lösen zu können. Sie trainiert mit Klient_innen Verhaltens- und Ausdrucksweisen für Situationen wie Bewerbungs-gespräche oder Wohnungssuche.

Als „Case-Managerin“ beherrscht sie die fachliche Methodik und kann einschätzen, für wen sich sich Case Management eignet. Sie arbeitet und koope-riert effizient und ressourcenorientiert im Rahmen des Case Management.

Als „Eingeborene“ verkörpert sie eine Willkommens-kultur und informiert über die Sitten und Gebräuche, die Normen und Werte der Einheimischen ebenso, wie sie sich für die Traditionen der Herkunftsländer ihrer Klient_innen interessiert.

Oder :

Als „Mensch mit Migrationshintergrund“ kann sie ihre eigenen Migrationserfahrungen einbringen und verkörpert die Möglichkeit, als Migrantin in Deutsch-land erfolgreich einen Beruf auszuüben. Als „Detektivin“ setzt sie verschiedene, oft bruch-stückhafte oder schwer verständliche Informationen zusammen, bis sich ein verständliches Bild ergibt und die Anliegen der Klient_innen bzw. die Ausgangssitu-ationen deutlich werden. Sie sucht mit den Klient_in-nen nach möglichen Ressourcen aus Vergangenheit und Gegenwart, die bei der Problembewältigung helfen könnten.

Als „Kooperationspartnerin“ findet sie sich damit ab, dass sie trotz Case Management keinerlei Ent-scheidungsbefugnis ( zum Beispiel über Fortbildungs-angebote ) hat und von Institutionen oft nur wider-willig toleriert wird. Sie agiert stets unter Beachtung des nötigen Datenschutzes.

Als „Werbebotschafterin“ besucht sie regelmäßig Sprachkurse und stellt sich und ihre Arbeit vor.

Als „Humoristin“ nimmt sie die Unwegsamkeiten der Arbeit und die Probleme der Klient_innen zwar ernst – aber nicht tierisch ernst und bringt ihre Klient_innen auch mal zum Lachen.

Als „Troubleshooter“ befasst sie sich sehr kurzfristig mit Problemen und Fristen, die unmittelbar anstehen bzw. bereits abgelaufen sind, und versucht mit den Klient_innen zu retten, was zu retten ist.

Als „Multi-Tasker“ versucht sie Ämter telefonisch zu erreichen, recherchiert parallel dazu im Internet, studiert Bescheide, befragt gleichzeitig Klient_innen, hält deren Kinder vom Umbau des Beratungsraums ab und dokumentiert zugleich alles.

Als „Migrationsberaterin“ hat sie das Rollenreper-toire eines mittleren Theaters, gekoppelt mit einem nicht üppigen Gehalt, um dessen Finanzierbarkeit immer wieder neu gekämpft werden muss.

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Kompetenzprofil von Berater_innen

Christine Müller

Die Rollen von MBE-Berater_innen

Berater_innen haben in der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer ( MBE ) nie nur eine Rolle, im Alltag müssen zahlreiche verschiedene Rollen beherrscht werden : Typisch ist die An-waltsrolle, insbesondere bei der Unterstützung der Ratsuchenden gegenüber Behördenvertreter_in-nen. Die Coach- / Lehrer_innenrolle tritt deutlicher hervor, wenn es um Fragen der beruflichen Aner-kennung geht.

Betrachtet man die klientenzentrierte Netzwerk-arbeit, so verwandeln sich Berater_innen in Kul-turdolmetscher_innen in mehrere Richtungen : Die Arbeitskultur der MBE, ihre Verfahrensweisen, die Ausbildung und Laufbahnpläne der Ratsuchenden müssen beispielsweise der Arbeitsvermittlung er-läutert werden. Umgekehrt muss ein Berater seinem Mandanten erklären, dass Arbeitsvermittler nicht aus persönlicher Abneigung handeln, sondern weil sie unter dem Druck stehen, ihre Kund_innen möglichst schnell in Arbeit zu vermitteln.

Berater_innen „übersetzen“ in beide Richtungen und wirken mäßigend, in dem sie die Absichten der jewei-ligen Akteure offenlegen und erklären. Berater_innen sind Kulturdolmetscher_innen auch im engeren Sinne des Wortes : Sie interpretieren die deutsche Alltags- und institutionelle Kultur, die neu

entstandenen Kulturen der verschiedenen Einwan-derergenerationen und die Herkunftskultur.

In der klientenübergreifenden Netzwerkarbeit werden aus Berater_innen „Signalisierende“: Sie bringen Dilemmata, die nicht nur einen Einzelfall betreffen, sondern strukturell bedingt sind, generali-siert in die zuständigen Gremien ein.

An dieser Rolle wird deutlich, dass nicht die ver-schiedenen beteiligten Nationalkulturen, sondern vielmehr die Organisationskulturen Probleme berei-ten. Behördenvertreter_innen fehlt oft das Bewusst-sein von Machtasymmetrien und strukturellen Diskri-minierungen : Wer seinen Hochschulabschluss nicht dabei hat, gilt als ungelernt.

Einige Berater_innen bieten interkulturelle Übungs-einheiten für Behördenmitarbeiter_innen an. Damit erweitert sich das Aufgabenspektrum um die Rolle der Trainerin / des Trainers.

An vielen Orten sind die MBE-Mitarbeitenden Initiator_innen von Integrationsnetzwerken, die sie beispiels-weise im Rahmen des Modellprojekts „Integration verbindlicher gestalten – Integrationsvereinbarungen erproben“ der Integrationsbeauftragten des Bundes steuerten. Die Netzwerkmoderator_in entwickelt sich zunehmend zur zweiten Hauptrolle der MBE.

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Großstädtische Fachdienste – stärker und vielfältiger im Team

In vielen größeren Städten haben sich mittler weile Fachteams etabliert. Unter ihrem Dach versam-meln sich verschiedene Migrationsdienstleistungen. Je nachdem, welche Dienste ein Bundesland oder eine Kommune ergänzend zur MBE fördert, sind die Fachteams unterschiedlich zusammengesetzt.

In Nordrhein-Westfalen etwa arbeiten Migrationsbe-rater_innen Hand in Hand mit Mitarbeiter_innen der Integrationsagenturen, wobei Letztere sich vor allem der Interkulturellen Öffnung von Regelangeboten widmen. Im Kreisverband München des Bayerischen Roten Kreuzes besteht zum Beispiel der Migrations-dienst aus der MBE, einem Jugendmigrationsdienst, einer Beratungsstelle für Flüchtlinge und langjährig in Deutschland lebende Migrant_innen, einer Sozial-beratung für Asylsuchende sowie einer Koordina-tionsstelle für Integrationskursteilnehmer_innen, die Kinderbetreuungsmöglichkeiten für unter Dreijäh-rige vermittelt, und einer Sprachschule, die Kurse für Neuzuwanderer, Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge anbietet.10

Multiprofessionalität statt „ ethni scher Passung “11

Welche Bedürfnisse teilen der afghanische Bau-ingenieur aus Kabul, der keine Arbeitserlaubnis bekommt, weil er nur einen ungesicherten Aufent-

haltstitel hat, und die asylberechtigte, aber nicht al-phabetisierte Familie aus dem afghanischen Süden? Letztere braucht Hilfe bei der Wohnungssuche, der Suche nach einem Deutschkurs, einer Schule für die Kinder, einem Kindergarten, Ärzten, Ämtern und vielem mehr, was zur ersten Orientierung am neu-en Wohnort beiträgt. Doch der Ingenieur tritt gleich den Marsch durch die Institutionen der beruflichen Anerkennung und der Arbeitsförderung an : Er sucht nach Strategien, einen Akademiker-Sprachkurs zu finanzieren und ein gängiges Konstruktionspro-gramm zu lernen.

Die vielfältigen Bedürfnisse und die oft plötzliche Ver-änderung der Bleibeperspektive, der Familienstruk-turen und Geschlechterrollen spiegeln sich in der Zusammensetzung der größeren Beratungsteams : Unterschiedliche Spezialisierungen sowie die Kom-bination verschiedener Berufe und Weiterbildungen sind üblich. So finden sich in größeren Städten Kollegien, die aus Diplom-Sozialpädagogen sowie Geistes- und Sozialwissenschaftlern verschiedener Disziplinen bestehen.

Nicht die jeweilige Sprache oder Ethnie steht bei der Organisation der Fachdienste im Vordergrund, son-dern die Passgenauigkeit des Beratungsangebots. Um die Integration zu unterstützen und die Ghettoi-sierung von Fachwissen und Dienstleistungen zu ver-meiden, halten sich viele großstädtische Beratungs-stellen an folgende Regel : Höchstens die Hälfte der Beratungszeit mit Menschen aus der Sprachgemein-schaft verbringen, deren Sprache die Beratenden selbst am besten sprechen !

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„Ethnic matching („ethnische Passung“ ) ist auch in der internationalen Literatur ein mittlerweile höchst umstrittenes Konzept. Denn es unterstützt nach-weislich nicht die Integration. So haben in England und den Niederlanden viele Professionelle, die selbst aus einer Migrantenpopulation stammen, die aus-drückliche Auflage erhalten, nicht mehr als 50 Pro-zent ihrer Zeit für die eigene ethnische Gruppe zur Verfügung zu stellen“.12

So werden beispielsweise in München rund 50 % der afghanischen Ratsuchenden an die Berater_innen überwiesen, die keine der afghanischen Sprachen sprechen. Der aus Afghanistan stammende Bera-ter arbeitet entsprechend mit Spätaussiedlern und Bürgern aus den neuen EU-Ländern. Mandanten, die durch das Jugendamt vermittelt werden, werden auch in gemischten Teams beraten.

Organisatorische und persönliche Herausforderungen auf dem Land

Der ländliche Raum bietet weniger Möglichkeiten zur Bildung spezialisierter Fachkollegien. Hier sind die Mitarbeitenden häufig auf sich allein gestellt und vernetzen sich mit Kolleg_innen der anderen Verbän-de oder Gemeinden und Landkreise. Die Landes-verbände des Deutschen Roten Kreuzes ( DRK ) sind eine wichtige Stütze für die Beratungsdienste, be-sonders die mit nur einer Stelle. Sie organisieren den kollegialen Austausch, Supervision und Fortbildung auf der Landesebene und sind zentraler Ansprech-partner für alle migrationsspezifischen Fragen. Das

Spannungsdreieck aus den Handlungsmöglichkeiten der Beratenden, den Grenzen ihrer Zuständigkeit und der persönlichen Fürsorge für sich selbst soll an folgendem Beispiel illustriert werden :

Frau A. betreut zwei benachbarte Gemeinden. In der einen gibt es eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge, aber keine Flüchtlingsberatungsstelle. Neben Neuzuwanderern betreut sie auch Flücht-linge, wenn diese einen Aufenthaltsstatus erlangt haben. Das macht sie persönlich in der Unterkunft bekannt, und es kommen immer mehr Asylsuchende in ihre Beratung, da sich sonst niemand ihrer Sorgen annimmt. Auch der Hinweis an die Heimleitung, dass sie keine Flüchtlinge beraten dürfe, ändert nichts. Die Rotkreuz-Grundsätze gebieten Frau A., niemanden abzuweisen, und so leistet sie zumindest Verweis-beratung an Angebote für Flüchtlinge in der nähe-ren und weiteren Umgebung. Sie fürchtet jedoch, zu wenig Zeit für die Neuzuwanderer zu haben. Deshalb legt sie dem Landratsamt dar, welche Migrant_innen sie beraten darf und welche nicht, und bittet auch den DRK-Landesverband, sich für eine Flüchtlings-beratungsstelle im Landkreis stark zu machen.

10 Link zum Münchener Migrationsdienst: http: // www.brk-muen-

chen.de / wir-sind-fuer-sie-da / mit-integrations-und-sprachfoer-

derung11 Damit ist die Ausrichtung eines Dienstes auf eine bestimmte

ethnische Gruppe und /oder Herkunftssprache gemeint.12 Hegemann, T. / Oesterreich, C.: Einführung in die interkulturelle

systemische Beratung und Therapie. Carl-Auer Verlag,

Heidelberg 2009.

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Netzwerkmanagement : Ziele und Ergebnisse der achtjährigen Pionierarbeit

Habib Hamdard und Christine Müller

Was ist Integration? Hierauf geben die Mitarbeiter_innen der Migrationsberatung für erwachsene Zu-wanderer ( MBE ) im Deutschen Roten Kreuz ( DRK ) eine klare Antwort : Die „Wiederherstellung eines Ganzen“. Denn erwachsene Einwandernde bringen ihre Biographie und ihren Erfahrungsschatz mit. Je-doch können sie, besonders wenn die sprachlichen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, ihre Potenziale kaum entfalten und damit ihre neue Le-benssituation nur schwer meistern. Hier setzt die Netzwerkarbeit der MBE an.13 Sie stellt ihr professio-nelles Netzwerk Menschen zur Verfügung, die inner-halb der deutschen Gesellschaft noch nicht über die Kontakte verfügen, die den eigenen Eingliederungs-bemühungen zum Erfolg verhelfen können.

Das erste Ziel : den Zugang zur MBE sicherstellenDazu müssen die Menschen jedoch erst einmal den Weg in die Beratung finden. Die Erstanlaufstelle für Migrant_innen ist die Ordnungsbehörde. Hier er-halten sie neben ihrer Meldebestätigung und ihrem ersten Aufenthaltstitel meist auch die Integrations-kursverpflichtung oder -berechtigung mit einer Liste der Kursträger – und bleiben oft mit einer Reihe von Fragen zurück. In den meisten deutschen Kommu-nen und Landkreisen hat sich seit der Einführung der MBE im Jahr 2005 die Zusammenarbeit zwischen MBE und Ausländerbehörde bzw. Meldestelle ver-stetigt und institutionalisiert. So weisen vielerorts die Behörden per Merkblatt auf das Angebot der

MBE hin. In Saarbrücken etwa bekommen Neuan-kömmlinge Lotsen für die ersten Schritte zur Seite gestellt und werden anschließend zur MBE begleitet. In vielen Städten hält die MBE Sprechstunden in der Behörde ab, um eine notwendige erste Orientierung am neuen Wohnort zu bieten. In Berlin arbeitet die MBE beispielsweise in der Clearingstelle der Lan-desarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspfle-ge mit, die in der Regel von allen Neueingereisten aufgesucht wird. So können die Ratsuchenden das Angebot der MBE kennenlernen und oftmals schon im ersten Gespräch wichtige Anliegen besprechen.

„ Die Tür ist ja offen ! “Offene Türen im Amt – zu Beginn der Kooperation wunderten sich nicht nur Klient_innen, wenn die Mit-arbeitenden der MBE so freundlich ins Beratungs-zimmer baten und dabei womöglich auch noch die Sprache des Klienten oder eine Lingua franca spra-chen. Schnell entstand eine Atmosphäre, die dazu führte, dass das Angebot immer häufiger angenom-men wurde. Aber auch Behördenmitarbeiter_in-nen staunten, wenn sie plötzlich Menschen bei der Arbeit sahen, die sie sonst nur als Kunden kannten – MBE-Berater_innen mit ( sichtbarem ) Migrations-hintergrund. Erste Auswertungen ergaben, dass die Beratung vor Ort eine Entlastung für die Sachbear-beiter_innen bedeutete – und das Angebot wurde zur festen Einrichtung : So gibt es an vielen Orten nun zum Beispiel Kooperationsvereinbarungen, einen Jour fixe zur Besprechung aktueller rechtlicher oder organisatorischer Veränderungen, teilweise wird die

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Netzwerkmanagement : Ziele und Ergebnisse der achtjährigen Pionierarbeit

MBE bei bestimmten Anlässen sogar in das Informa-tionssystem der Ausländerbehörde aufgenommen und umgekehrt. In größeren Städten hat sich der Ak-tionsradius erweitert : So werden Einwohnermelde-ämter und Staatsangehörigkeitsstellen einbezogen, um EU-Bürger und langjährig in Deutschland leben-de Migrant_innen mit besonderem Integrationsbe-darf auf das MBE-Angebot aufmerksam zu machen.

Die MBA als Brückenbauerin zu Migranten-organisationen …Wie erreicht man jedoch Neuankömmlinge, die selbst eine geöffnete MBE-Tür nicht als Einladung anneh-men? Viele stellen ihren Reisekoffer sprichwörtlich zuallererst an einem Ort namens Migrantenorganisa-tion ab, zum Beispiel in ihrem Kultur- oder Moschee-verein. Dort ist meist nicht nur für eine erste Über-nachtungsmöglichkeit oder eine Mahlzeit gesorgt, sondern auch das mitgebrachte „Gepäck“ erfährt Wertschätzung : Werte, Emotionen, Wissen, Spra-che, Sozialisation, Erfahrungen, Traditionen, Welt-anschauungen, Religion und Moralvorstellungen, persönliche und soziale Kompetenzen.

Herr M., ein Journalist und Schriftsteller, kam aus politischen Gründen nach Deutschland und erhielt politisches Asyl. Erste Kontakte knüpfte er über eine Begegnungsstätte, die schon länger hier leben-de Landsleute aufgebaut hatten. Ihnen erzählte er, dass er innerhalb von drei Wochen ein Buch über Deutschland schreiben wolle. Nach drei Monaten sah er sich außerstande, auch nur eine Zeile zu Pa-pier zu bringen. Nach drei Jahren vermittelte ihn die MBE in einen berufsbezogenen Deutschkurs mit dem Zielniveau B 2 / C1, den er erfolgreich absolvierte. Ge-genüber der MBE äußerte er, keine Ahnung von der deutschen Gesellschaft zu haben. Er zweifelte daran, hier jemals publizistisch arbeiten zu können. Die MBE stellte auf seinen Wunsch hin Kontakt zur Arbeits-gruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und Entwicklungszusammenarbeit her, die ihm eine gut bezahlte Arbeitsstelle in seinem Beruf vermittelte – bei einer internationalen Organisation, in der er seine Fremdsprachenkenntnisse zur Geltung bringen konnte.

Das Beispiel zeigt, dass die erste praktische und moralische Unterstützung der eigenen ethnischen Gemeinschaft nicht immer hilft, um erfolgreich am neuen Wohnort Fuß zu fassen. Außerdem ist sie ab-hängig von Unwägbarkeiten, beispielsweise von den Schlüsselpersonen und der weltanschaulichen Rich-tung, die bei den jeweiligen Vorstandswahlen die Oberhand gewinnt, schließlich von den Ressourcen ihrer Mitglieder.

Hier setzt die MBE an – indem sie Angebote in die Migrantenvereine hineinträgt. Der Erstkontakt zu Herrn M. war zustande gekommen, weil die MBE den Vorstand des betreffenden Vereins dafür gewonnen hatte, direkt in den Räumlichkeiten der Begegnungs-stätte Integrationskurse abzuhalten. Diese waren ursprünglich für Neuankömmlinge mit besonderem Integrationsbedarf ( Frauen mit mehreren Kindern, Analphabet_innen ) angeboten worden, im Laufe der Zeit kamen immer weitere Angebote hinzu – so auch eine Informationsveranstaltung über berufsbezogene Deutschförderung am Wohnort.

… und als „Tafelbringerin “ ?Seine Erfahrungen mit der Begegnungsstätte und seinen Integrationsverlauf fasste Herr M. schließlich wie folgt bildhaft zusammen :

„Ich wollte die fremde Sprache druckreif lernen. Ein sehr betagter Herr, den ich hier kennenlernte, hatte immer eine kleine Tafel dabei. Ich sagte zu ihm: ‚Bitte schreiben Sie irgendetwas auf die Tafel‘. Er schrieb ein paar schwierige Wörter darauf und gab mir die Tafel. Zu Hause habe ich die Wörter immer laut gele-

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Netzwerkmanagement : Ziele und Ergebnisse der achtjährigen Pionierarbeit

sen. Nach einiger Zeit traf ich ihn in Begleitung eines anderen Mannes. Im Gespräch sprach ich irgendein deutsches Wort falsch aus, und der andere lachte. Ich sagte ihm, dass ich es falsch ausgesprochen habe, weil ich mein Täfelchen zu Hause vergessen hatte. Letztlich war es die MBE, die – große ! – Tafeln in unseren Verein gebracht hat. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Das zweite Ziel : die sozialpäda-gogische Begleitung von Kurs-teilnehmenden gewährleistenUm die Beratung während des Integrationskurses sicherzustellen und Kursabbrüche zu verhindern, arbeitet die MBE mit Integrationskursträgern zusam-men. In Großstädten mit mehreren Dutzend Anbietern erfordert dies einen erhöhten Koordinationsaufwand. Die Abstimmungsprozesse werden in der Regel von MBE-Steuerungskreisen initiiert. Besonders im länd-lichen Bereich bezieht die MBE-Kursträger und die Regionalkoordination des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ( BAMF ) ein, um individuelle Lösungen für die Kursinteressenten und -teilnehmenden zu fin-den, etwa weil vor Ort keine Kinderbetreuungsmög-lichkeiten bestehen oder spezielle Kurstypen ( zum Beispiel Alphabetisierungskurse ) nicht angeboten werden. Wenn Kursabbrüche auftreten, so hat dies häufig finanzielle Gründe oder steht in zeitlichem Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes. Um solche Lücken zu schließen, sind an fast allen MBE-Standorten Netzwerke entstanden, die über die ge-nannten Akteure hinaus auch die Jugendämter und

die Sozialverwaltung sowie weitere Dienste umfas-sen, meist in Form einer fallbezogenen Kooperation. Im DRK finden sich ferner Kooperationsverbünde, zum Beispiel von Kursträgern, MBE und Kinderbe-treuungseinrichtungen oder Fachberatungsstellen. So hat etwa die MBE des Kreisverbands Oberallgäu des Bayerischen Roten Kreuzes ( BRK ) am Integra-tionskursort in Kempten regelmäßige Sprechtage zur beruflichen Anerkennung mit der Otto-Benecke- Stiftung ( Bildung und Beruf der Inneren Mission München ) eingerichtet.

Das Ziel Nummer zwei ist untrennbar mit dem folgenden verbunden:

Das dritte Ziel : ein bedarfs-gerechtes Willkommens- und Beteiligungsangebot fördernDas Klient_innen übergreifende, sozialplanerisch ausgerichtete Wirken der MBE erfordert institutio-nalisierte Kooperationen und Netzwerkarbeit mit di-versen Bundes-, Landes- und kommunal geförderten Diensten und Steuerungsgremien. Ohne sie kann die MBE keine Integrationsbegleitung im Sinne eines abgestimmten Unterstützungsprozesses leisten. Dementsprechend ist es häufig die MBE, die lokale Netzwerke gemeinsam oder alleine vor Ort initiiert.

Wie vielfältig – in organisatorischer wie thematischer Hinsicht – Integrationsnetzwerke aufgebaut sein kön nen, zeigt das derzeit größte und am weitesten ausdifferenzierte Netzwerk Deutschlands.

13 Die laut Förderrichtlinie des Bundesministeriums des Inneren

15 % der Beratungszeit ausmachen sollte.

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Das Münchner MBE- NetzwerkHabib Hamdard und Christine Müller

Die Steuerungsgruppe der Münchner MBE und der Jugendmigrationsdienste ( JMD ) konstituierte sich mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes als „Trägerkreis“. Sein Ziel ist es, die Arbeit der sechs Wohlfahrtsverbände und der weiteren Träger ( In-ternationaler Bund, Landsmannschaft der Russ-landdeutschen und Bund der Vertriebenen ) zu ko-ordinieren. Der Trägerkreis suchte sogleich den Kontakt zur Regionalkoordination, den Kursträgern und kommunalen Stellen:

• Kreisverwaltungsreferat – Ausländerbehörde,

• Sozialreferat – Amt für Wohnen und Migration, Abteilung „Integrationshilfen nach Zuwanderung“,

• Direktorium – Stelle für Interkulturelle Arbeit,

• Jobcenter München.

Die Kontakte entwickelten sich schnell zu Projekten, von denen die folgenden zwischen 2006 und 2010 mit bilateralen Kooperationsvereinbarungen abge-schlossen wurden:

• Erstanlaufstelle der MBE /JMD in der Ausländer-behörde : Vereinbarung über die ständige Zusam-menarbeit auf Grundlage eines gemeinsamen Eckpunktepapiers,

• Integrationskursträger : Leitfaden „Qualitätsstan-dards für die Zusammenarbeit zwischen Erstbe-ratungsdiensten und Integrationskursträgern“ ( unter Federführung der „Stelle für Interkulturelle Arbeit“ ),

• Kooperationsprojekt „ARGE–JMD“ : Einrichtung fester Sprechzeiten der Jugendmigrationsdienste in ausgewählten Sozialbürgerhäusern, vertraglich vereinbart14, als Pilotprojekt auch für die Koopera-tion zwischen Arbeitsverwaltung und MBE.

Die Herausforderungen der Zukunft

Verbindliche Formen der Zusammenarbeit schaffen München war ein Standort des bundesweiten Mo-dellprojekts „Integration verbindlicher gestalten – In-tegrationsvereinbarungen erproben“ der Integrati-onsbeauftragten des Bundes. Der Schwerpunkt in München : die Vervollkommnung der schon vorhan-denen Netzwerke.

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Das Münchner MBE-Netzwerk

Zeitgleich und im inhaltlichen Zusammenhang zum Modellprojekt begann im Januar 2011 das sogenann-te Zuleitungsprojekt mit dem Ziel, einen schriftlichen Vertrag zu fixieren. Inhalt des Vertrages ist, dass das Jobcenter München alle erwachsenen Hartz-IV-Empfänger, deren Deutschkenntnisse noch unter dem B1-Level liegen, sofort an die MBE überweist.Beteiligt waren anfangs die JMD- und MBE-Träger, das Referat für Arbeit und Wirtschaft, die kommunal finanzierten Integrationsberatungszentren „Sprache und Beruf“, das Sozialreferat ( Amt für Wohnen und Migration, Abteilung „Integrationshilfen nach Zuwan-derung“ ) und das Jobcenter München.

Förderketten optimierenZiel des Zuleitungsprojektes ist der Aufbau und die Verbesserung einer arbeitsteiligen Struktur zwi-schen der Arbeitsvermittlung und der MBE /JMD einerseits und den Integrationsberatungszentren „Sprache und Beruf“ andererseits. Das Kernstück ist die verbindliche Definition einer bruchlosen Förderkette von der Einreise ( bzw. der Feststel-lung eines nachholenden Integrationsbedarfs ) bis zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Das Projekt zielt auf die passgenaue und zügige Vermittlung zugewanderter ALG-II-Empfänger durch abge-stimmte Leistungsangebote, wobei die jeweiligen Kernkompetenzen der Beteiligten zum Tragen kom-men sollen.

Die Aufgaben der MBE sind hier :

• die schnelle Vermittlung in Integrationskurse, die dem Leistungsniveau und der individuellen Situa-tion entsprechen,

• das Vorbereiten weiter gehender Schritte ( Förder-planung, Einleiten des beruflichen Anerkennungs-prozesses ) in enger Abstimmung mit der Arbeits-verwaltung.

Defizitäre Strukturen abbauen – Kinderbetreuung in Integrationskursen sicherstellenWie kann eine Migrantin mit einem Kleinkind über-haupt zügig in einen Kurs vermittelt werden, wenn über 1.000 Kinder auf der Warteliste für einen Krip-penplatz stehen? Diese Frage stellte sich seit 2010, als das Stadtjugendamt und die Regierung von

Oberbayern die kursbegleitende Kinderbetreuung beendeten, da diese nicht den Erfordernissen für eine Betriebserlaubnis genügte. Womit eine Kapazi-tät von 570 kursbegleitenden Kinderbetreuungsplät-zen verloren ging.

Die MBE des BRK-Kreisverbands München dis-kutierte die Frage mit den Verbänden und interve-nierte bei den einschlägigen kommunalen Gremien und Referaten. Die Ausländerbehörde sicherte zu, die betroffenen Eltern bei der Aufenthaltsverlänge-rung nicht zu sanktionieren, und die BAMF-Regio-nalkoordination versprach, Kursberechtigungen zu verlängern, falls diese wegen fehlender Betreuung verfallen waren. Doch damit war ein neues Problem entstanden: Viele Eltern fielen aus dem Integrations-monitoring von Kursträgern und MBE, weil sie nach dem Erstbesuch in der Ausländerbehörde – mangels Aussicht auf einen Kursplatz mit Kinderbetreuung – einfach zu Hause blieben.

Ende 2011 bewilligte der Münchener Stadtrat die Ein-richtung einer „Koordinationsstelle Kinderbetreuung für Integrationskursteilnehmer /-innen“, die auf die Verbände und das Referat für Bildung und Sport auf-geteilt wurde.

Die halbe Stelle für die Verbände wurde organisato-risch an die BRK-MBE angebunden, die das Projekt initiiert hatte. Die BRK-MBE informierte den Träger-kreis über aktuelle Entwicklungen und neu entste-hende Platzkapazitäten. In umgekehrter Richtung wurde die konzeptionelle Weiterentwicklung der Stel-le vorangetrieben: So werden seitdem auch Eltern in das Monitoring einbezogen, die im Anschluss an den Integrationskurs einen berufsbezogenen Sprachkurs besuchen werden, in dem per se keine Kinderbetreu-ung vorgesehen ist.

Bedarfsgerechte Angebote und Innovationen ent-stehen zudem über die Anbindung an thematische Netzwerke des MBE-Aufgabenspektrums, wie zum Beispiel :

• Arbeitskreis Kooperation in der interkulturellen Ar-beit mit den Schwerpunkten „Partizipation von Migrantenorganisationen“ sowie „Austausch über

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Das Münchner MBE-Netzwerk

aktuelle Probleme der Migration und Inklusion“ ( zum Beispiel Zuwanderung von EU-Bürgern aus Süd- und Osteuropa oder Anschlussqualifizierung und Anwerbung zugewanderter Erzieherinnen zur Verbesserung der prekären Kinderbetreuungs-situation )

• Arbeitskreis Interkulturelle Altenhilfe, in dem zum Beispiel spezielle Deutschkurse für ältere Immi-grant_innen konzipiert wurden,

• Arbeitskreis Behinderung und Migration, in der sich Akteure der kommunalen und freien Migra-tions- und Behindertenarbeit vernetzen, um kul-tursensible Angebote für Einwanderer mit Behin-derung zu schaffen.

Fazit : Wert und Mehrwert der Netz werkarbeit

Der Nutzen für die Ratsuchenden ist offenkundig : Sie bekommen Zugang zu den Angeboten, die sie in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung voranbringen. Wenn die Schnittstellen zwischen den einzelnen Dienstleistern genau definiert sind, weiß der Ratsuchende, welches Angebot er wo bekommt. Für die Behörden bedeutet die Zusammenarbeit mit der MBE eine Entlastung. Selbst hohe Investi-tionskosten, etwa für Umbaumaßnahmen oder für die Ausstattung eines Beratungsraums in der Aus-länderbehörde, amortisieren sich schnell, wenn die Sachbearbeiter_innen weniger Zeit für aufwändige Erklärungen oder die Koordination und Bezahlung von Dolmetschdiensten brauchen.

Für viele Migrantenorganisationen ist die Zu-sammenarbeit mit der MBE der erste Schritt hin zu einer Öffnung zum Gemeinwesen und damit zur Partizipation. Sie profitieren sowohl von den Ange-boten als auch vom Know-how-Transfer der MBE. Für die MBE ergibt sich die Möglichkeit eines ver-besserten Marketings : Die Mundpropaganda und die Zugangswege anderer Institutionen können stärker genutzt werden. Ein erfreulicher Nebeneffekt guter Netzwerkarbeit ist, dass sie die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit für die Zielgruppen unterstützt.

Für Netzwerke auf kommunaler Ebene ergibt sich ein zusätzlicher ungeplanter Nutzen : Interkulturelle Öffnung mal anders – die Münchner Sozialplanung richtet ihr Augenmerk nun stärker auf die Versorgung mit Kinderbetreuungsangeboten für Migranteneltern. Gelingt es der MBE, an der Einrichtung von Monito-ringsystemen mitzuwirken, geht kein Neuzuwande-rer mehr verloren. Es können bisher nicht erkannte Bedarfe in der Kommune sichtbar gemacht und die Prozessketten und Weiterleitungsmodalitäten von einer Stelle zur anderen klar und transparent ge-staltet werden. Integration und Partizipation werden dadurch verbindlicher, wovon letztlich die gesamte Gesellschaft profitiert.

14 Die ARGE für Beschäftigung ist zwischenzeitlich in das Job-

center München über gegangen. Das Pilotprojekt wurde mit

dem JMD begonnen, da es eine Schnittstellenempfehlung für

JMD und Arbeitsverwaltung zwischen dem Bundesministerium

für Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium für Fami-

lie, Senioren, Frauen und Jugend gibt, jedoch noch keine für

MBE und Arbeitsverwaltung.

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Die Mitwirkung der MBE bei der Interkulturellen Öffnung der Regeldienste und Verwaltungsbehörden

Klaus Drewlo

„Interkulturelle Öffnung nahm ihren Ausgangspunkt in der öffentlichen Verwaltung und in den sozialen Dien-sten. Hintergrund war zum einen die Wahrnehmung, dass vor allem Ausländer_innen oft von den Dienstlei-stungen der Verwaltung ausgeschlossen waren, dass Missverständnisse nicht nur Konflikte verursachten, sondern auch gewohnte Abläufe behinderten. Inter-kulturelle Öffnung war damit zunächst der Versuch, in Teilsystemen einer sich verändernden Gesellschaft eine neue Normalität zu erreichen. Interkulturelle Öff-nung entwickelte sich aber vor allem als Konsequenz aus dem Bekenntnis zur Einwanderungsgesellschaft. Sie ist Ergebnis eines jahrelangen Engagements zivilgesellschaftlicher Akteure gegen Rassismus und Ausgrenzungsstrukturen.“ Heinz Knoche, DRK-Generalsekretariat

Förderrichtlinie MBE Vor dem Hintergrund dieser gesellschaftlichen Ent-wicklungen ist auch die Aufnahme des Themas Inter-kulturelle Öffnung in die Förderrichtlinien des Bundes und der Länder zu sehen.

Die Förderrichtlinie des Bundesinnenministeriums zur Durchführung einer Migrationsberatung für er-wachsene Zuwanderer ( MBE ) legt unter dem Punkt „Aufgaben“ fest, dass auch die Mitwirkung bei der Interkulturellen Öffnung der Regeldienste und Ver-waltungsbehörden Aufgabe der MBE ist.

Diese Mitwirkung ist innerhalb der Förderrichtlinie neben der Mitarbeit in kommunalen Netzwerken und einer aktiven Öffentlichkeitsarbeit die einzige, die sich nicht grundsätzlich an erwachsene Zuwanderer über 27 Jahre richtet. Vielmehr geht die Richtlinie damit von einer Zielgruppe aus, die in ihr selbst nicht beschrieben ist. Ebenso wenig erläutert die Richt-linie, was „Mitwirkung“ bedeutet.

Interkulturelle Öffnung im DRK

Der Bundesverband des Deutschen Roten Kreuzes ( DRK ) befasst sich seit Mitte der 1990 er Jahre mit dem Thema der Interkulturellen Öffnung und damit wesentlich früher als die meisten Regeldienste. 2009 hat das DRK-Präsidium beschlossen, dass „das Thema Integration, Migration und Interkulturelle Öff-nung […] über alle Bereiche vernetzt mit messbaren Zielen für 2010 und die gesamte nächste Wahlperi-ode des Präsidiums ausgestaltet werden“ soll. Die Steuerungsgruppe des DRK-Präsidiums „Interkul-turelle Öffnung im DRK“, die der Vizepräsident des DRK, Dr. Schön, leitet, koordiniert die Umsetzung der Interkulturellen Öffnung im DRK und unterstützt darüber hinaus die vielfältigsten Initiativen, Projekte und Maßnahmen aller Gliederungen im DRK.

Interkulturelle Öffnung im Verständnis des DRK ist ein selbstverantworteter, systematischer und zielgerich-teter Entwicklungsprozess von privaten und öffent- lichen Organisationen und von Staat und Gesellschaft. Dieser Prozess hat das Ziel, die Bedingungen für eine umfassende und gleichberechtigte Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund herzustellen.

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Die Mitwirkung der MBE bei der Interkulturellen Öffnung der Regeldienste und Verwaltungsbehörden

Interkulturelle Öffnung hat eine gesellschaftliche und eine gesellschaftspolitische Dimension. Sie sieht eine Verantwortung bei der Mehrheitsgesellschaft und deren Institutionen und Organisationen. Interkul-turelle Öffnung bedeutet insbesondere für diese In-stitutionen und Organisationen einen Organisations- und Personalentwicklungsprozess. Dieser Prozess kann nicht von außen importiert werden. Jede Insti-tution und jede Organisation muss den Prozess der Interkulturellen Öffnung selbst wollen und sich selbst dafür entscheiden. Das setzt voraus, dass es sich um eine Führungs- und Querschnittsaufgabe handelt, die von der Leitungsebene getragen wird.

Interkulturelle Sensibilisierung

Der Prozess der Interkulturellen Öffnung beinhaltet im Rahmen der Personalentwicklung eine interkul-turelle Sensibilisierung aller Mitarbeiter_innen der Regeldienste und Verwaltungsbehörden. Mögliche Themen der interkulturellen Sensibilisierung sind :

• Vermittlung von Handlungskompetenzen,

• interkulturelles Konfliktmanagement,

• die Rolle der Mitarbeiter_innen bei der Inter kulturellen Öffnung der Organisation.

Mitwirkungsmöglichkeiten der MBEIm Bereich der interkulturellen Sensibilisierung sieht das DRK den Platz und die Möglichkeit der Mit-wirkung durch die Mitarbeiter_innen der MBE. Sie können das Wissen um die Lebenswelten von Mi - gran t innen und das Fachwissen über aufenthalts-rechtliche Fragen vermitteln.

Praxisbeispiel: MBE Stendal im Jobcenter1. Aufenthaltsstatus und daraus resultierende

Leistungsansprüche :

Hier vermitteln MBE-Berater_innen leistungsrecht-liche Sachverhalte, um die soziale Situation der Migrant_innen zu verdeutlichen

2. Vorstellung des Netzwerkes

Die MBE-Berater_innen stellen den Jobcenter-Mitarbeiter_innen die Netzwerkpartner vor, die Arbeitsweise des Netzwerkes und zeigen Mög-lichkeiten der Zusammenarbeit auf.

3. Rollenspiel „verkehrte Welt“ – Selbsterfahrung des Jobcenter-Mitarbeitenden als „Auslän der_in“ :

Die Teilnehmer_innen des Jobcenters nehmen die Rolle eines Antrag stellenden Migranten ein und müssen im Flur warten und im Büro sitzen Migrant_innen, die in ihrer Heimatsprache das Gespräch mit den Teilnehmenden führen. Diese Selbsterfahrung regt die Teilnehmenden an, ihr Verhalten in Beratungsgesprächen zu reflektieren.

4. Kommunikation und Interaktion zwischen Be-hördenmitarbeiter_innen und Migrant_innen : In diesem Teil üben die Jobcenter-Mitarbeiter_in-nen die angemessene Nutzung der deutschen Sprache ( verständlich und einfach ).

Schlussfolgerung Eine Mitwirkung der MBE an interkulturellen Sensi-bilisierungsprozessen weiterer lokaler Regeldienste ist empfehlenswert. Dies fördert auch die Wahrneh-mung der Kompetenzen der MBE, da hier die „Rol-len“ vertauscht werden. So war es auch in Stendal. Die MBE wurde mit einer anderen Kompetenz wahr-genommen, was in der alltäglichen Beratungsarbeit eine Erleichterung bedeutete, da sich die beteili-gten Akteure nun anders und besser kannten. Ein-zelne Teilnehmer_innen des Trainings im Jobcenter wurden auch sensibler in ihrer Fallbearbeitung. Das Wissen um die Schicksale der Migrant_innen lässt zwar im Einzelfall keine andere Entscheidung bei der Antragsbearbeitung zu, aber auch die Verkündung eines ablehnenden Bescheides kann ermutigen oder demotivieren.

Aufgrund der genannten positiven Erfahrungen sollte der Weg der Mitwirkung der MBE an interkultu-rellen Sensibilisierungsprozessen in anderen lokalen Regeldiensten weiter beschritten werden.

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DRK-Migrationsarbeit auf Landesebene : Landesprogramme zur Förderung der Integration von Migrant_innenKlaus Drewlo, Ute Linck, Thomas Rüdesheim, Ulrich Schulte

Die DRK-Landesverbände als Ansprechpartner der Migrations-beratungsstellenMigrationsarbeit findet auch in vielen Landesverbän-den des Deutschen Roten Kreuzes statt. Die Steu-erung des Bundesprogramms „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer“ ( MBE ) ist ein Bestand-teil der Koordinierungsaufgaben auf Landesebene. Die „Referent_innen Migration“ sichern und steuern das Antrags- und Zuwendungsverfahren, sind fach-liche Ansprechpartner_innen der Berater_innen und organisieren Arbeitstreffen und Fortbildungen. Darü-ber hinaus kooperieren sie mit den für die Integrati-onspolitik zuständigen Ministerien in den jeweiligen Bundesländern und sind in den migrationspolitischen Gremien der Landesarbeitsgemeinschaften der Frei-en Wohlfahrtspflege und anderen Netzwerken aktiv.

Aufgaben der Landesarbeits-gemeinschaften der Freien Wohlfahrtspflege Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspfle-ge sind in den Bundesländern in Landesarbeitsge-meinschaften der Freien Wohlfahrtspflege zusam-mengeschlossen, die meistens als LIGA bezeichnet werden. Die Fach- oder Arbeitsausschüsse für Mi-gration dieser Landesarbeitsgemeinschaften befas-sen sich neben allgemeinen integrationspolitischen Themen auch mit aktuellen und zukünftigen Heraus-

forderungen struktureller wie inhaltlicher Art, die die Migrationsberatungsstellen betreffen. Hierbei han-delt es sich zum Beispiel um die regionale Verteilung der Beratungsstellen, die flächendeckende Versor-gung, das Controlling, die Umsetzung und Beglei-tung von Projekten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder die Vernetzung der Akteure, die in der Anerkennungsberatung tätig sind. Auch träger-übergreifende Fachtagungen für Migrationsberater_innen organisieren die Landesarbeitsgemeinschaften in einigen Bundesländern und führen sie durch.

Landesprogramme zur Förderung der Integration von Migrant_innen

Da Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor einen geringeren Anteil an anerkannten quali-fizierten Berufsabschlüssen haben, stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind und die Teilhabe in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens noch nicht ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht, ist es weiterhin notwendig, passende Integrationsange-bote auf Bundes- und auf Landesebene zu schaffen, umzusetzen und weiterzuentwickeln.

In einigen Bundesländern führt die Freie Wohlfahrts-pflege mit Fördermitteln aus Landesprogrammen er-gänzende migrationsspezifische Angebote für Zuge-wanderte durch. Beispielhaft werden hier Programme aus den Bundesländern Bayern, Nordrhein-Westfa-len, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt vorgestellt.

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Bayern

Neben der bundesgeförderten MBE besteht in Bayern auch ein ergänzendes Beratungsangebot für Menschen mit Migrationshintergrund, das durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gefördert wird, so dass die Freie Wohlfahrtspflege nahezu flächen-deckend Migrationsberatung anbietet. Grundlage der Förderung war in den vergangenen Jahren eine sogenannte Migrationsberatungsrichtlinie, die 2012 in Zusammenarbeit mit dem Fachausschuss Migra-tion aktualisiert und 2013 in „Integrationsrichtlinie“ umbenannt wurde. Ziel der Förderung ist es, den Integrationsprozess von Menschen mit Migrations-hintergrund zu stärken, um die Teilhabechancen und das gelebte Miteinander vor Ort zu verbessern.

Das ebenfalls gemeinsam erstellte ergänzende Rah-menkonzept beinhaltet neben der individuellen und bedarfsgerechten Integrationsberatung und -beglei-tung verschiedene zusätzliche Aufgaben wie zum Beispiel bedarfsorientierte Projektarbeit unter be-sonderer Berücksichtigung spezieller Migrantenmili-eus, interkulturelle Arbeit im sozialen Nahraum und Gemeinwesenarbeit unter Einbeziehung der einhei-mischen Bevölkerung, Gewinnung und Begleitung von Ehrenamtlichen, Gruppenarbeit und aufsuchen-de Beratung.

Darüber hinaus fördert das bayerische Sozialmini-sterium nach der „Asylsozialberatungs-Richtlinie“

soziale Beratungsstellen der Freien Wohlfahrts-pflege, die Flüchtlinge in Bayern beraten und betreu-en. Die enge Vernetzung dieser Beratungsstellen mit der MBE ermöglicht es, dass Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung als Asylberechtigte mit dauerhaftem Bleiberecht die Beratungsangebote der MBE zeitnah wahrnehmen können.

Nordrhein-Westfalen

Mit der Etablierung von Integrationsagenturen im Jahr 2007 wurde in Nordrhein-Westfalen ein kon-zeptionell völlig neues und bundesweit einzigartiges Programm aufgelegt. An die Stelle der bis dahin tätigen landesgeförderten Migrationsfachdienste traten Integrationsagenturen. Sie haben den Auf-trag, aktivierende, vernetzende, strukturgestaltende und gemeinwesenorientierte Integrationsarbeit zu leisten. Die Förderung und Begleitung bürgerschaft-lichen Engagements, die Interkulturelle Öffnung, die sozialraumorientierte Arbeit im Lebensumfeld von Zugewanderten sowie die Antidiskriminierungs-arbeit sind die zentralen Eckpunkte für die Arbeit der Integrationsagenturen. Das DRK ist Träger von der-zeit 15 landesgeförderten Integrationsagenturen.

Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales hat das im Februar 2012 in Kraft getretene „Gesetz zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration“ in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht. Kernstücke des Gesetzes sind zum einen die Interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung und

Teilnehmende des Projekts „Mit Migranten für Migranten – Interkulturelle Gesundheit in Bayern“

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DRK-Migrationsarbeit auf Landesebene: Landesprogramme zur Förderung der Integration von Migrant_innen

die stärkere Förderung von zivilgesellschaftlichen Or-ganisationen, wie freien Trägern und Migrantenorga-nisationen, zum anderen die Einrichtung und finanzi-elle Förderung von kommunalen Integrationszentren in allen 54 kreisfreien Städten und Kreisen Nordrhein-Westfalens. Das Gesetz wird, so die Hoffnungen und Erwartungen der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen, auch dazu beitragen, die MBE weiterhin inhaltlich und strukturell zu stärken, indem integrationsfördernde Angebote nicht nur strategisch vernetzt und neu gebündelt, sondern auch um ent-scheidende Innovationen ergänzt werden.

Wichtige Kooperationspartner stellen für die MBE ebenfalls die im Rahmen des Landesprogramms „Soziale Beratung von Flüchtlingen“ geförderten Ein-richtungen und Angebote der Freien Wohlfahrtspfle-ge und anderer freier Träger dar. Klient_innen der lan-desgeförderten Flüchtlingsberatungsstellen werden, sofern sie ein dauerhaftes Bleiberecht erlangt haben und die Zielgruppenkriterien der MBE erfüllen, an die MBE-Einrichtungen verwiesen.

Nicht zuletzt bei der Aufnahme, Beratung und Be-gleitung irakischer Kontingentflüchtlinge aus Syrien und Jordanien in den Jahren 2009 und 2010 hat sich die Zusammenarbeit mit den Flüchtlingsberatungs-stellen als sinnvoll und nützlich erwiesen.

Rheinland-Pfalz

Im Jahr 2007 legte das Land Rheinland-Pfalz ein neues Integrationskonzept vor. Ziel ist es, die gleich-berechtigte Teilhabe von Migrant_innen in allen Lebensbereichen zu erreichen, den gesellschaft-lichen Dialog zu intensivieren und die Partizipation an politischen Entscheidungen zu verbessern. Dabei spielen auch die vom Land geförderten Migrations-fachdienste eine Rolle.

Die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrts-pflege Rheinland-Pfalz hat im Jahr 2012 gemeinsam mit dem Land die Arbeit der Migrationsfachdienste neu ausgerichtet. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass für eine bessere Integration von Migrant_innen eine individuelle Integrationsförderung nicht ausrei-cht, sondern dass es vermehrt gilt, strukturelle Hin-dernisse abzubauen. Die neue Schwerpunktsetzung in der Arbeit der Migrationsfachdienste zielt daher darauf ab, neben der Förderung der Integration durch individuelle Beratung nun auch stärker die Aspekte einer strukturellen Integrationsförderung zu berück-sichtigen. Dadurch sollen die Migrationsfachdienste zukünftig dazu beitragen, dass Integrationschancen und -probleme besser erkannt und benannt werden. Dann soll in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den freien und öffentlichen Trägern und Migranten-

Teilnehmende des Projekts „Mit Migranten für Migranten – Interkulturelle Gesundheit in Bayern“

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organisationen nach Unterstützungsmöglichkeiten und Lösungen gesucht werden.

Dabei gilt es für die Migrationsfachdienste – ent-sprechend den lokalen Bedürfnissen und ihrer Res-sourcen –, vier Aspekte besonders zu beachten : die Einbeziehung des Sozialraums, die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements ( auch bei den Mi-grant_innen ), die Interkulturelle Öffnung aller gesell-schaftlichen Bereiche und die Antidiskriminierungs-arbeit. Explizit sind in der neuen Konzeption jetzt auch Asylbegehrende und Flüchtlinge als Zielgruppe benannt. So kann die landesgeförderte Migrations-sozialarbeit in Rheinland-Pfalz die bundesgeförderte MBE weiterhin sinnvoll ergänzen.

Sachsen-Anhalt

Im Aufnahmegesetz und Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichgesetzes des Landes Sachsen-An-halt vom 21. Januar 1998 wurde die „Gesonderte Beratung und Betreuung“ ( GBB ) als alternatives und ergänzendes Landesprogramm zu den bundesge-förderten Migrationsberatungsstellen beschlossen. In diesem Programm dürfen – im Unterschied zur MBE – sowohl bleibeberechtigte wie auch nichtblei-beberechtigte Personen beraten und betreut werden. Bemerkenswert ist, dass dieses Programm für jeden Landkreis bzw. jede kreisfreie Stadt mindestens eine Vollzeitstelle mit Personal- und Sachkosten fördert. In Abhängigkeit von der Aufnahmequote des Land-kreises können bis zu zwei Vollzeitstellen gefördert werden.

In Erlassen regelt das zuständige Ministerium, letzt-malig am 29. April 2008, auch die Arbeitsschwer-punkte der Berater_innen. Zur damaligen Zeit waren folgende Schwerpunkte ergänzend zur MBE for-muliert : Gruppenarbeit, Wahrnehmung sozialpäda-gogischer Aufgaben, aufsuchende Begleitung in Krisensituationen und Maßnahmen zur nachho-lenden Integration.

Besonders deutlich werden die Unterschiede zwi-schen der MBE und der GBB in dem Tätigkeitsbe-reich, der wie folgt beschrieben wurde: Initiierung und Organisation – auch unter Einbeziehung anderer

Träger und ehrenamtlich Tätiger – von Maßnahmen zur Verbesserung der Toleranz zwischen Flüchtlingen und Deutschen, von Maßnahmen und Aktionen gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sowie Präventionsarbeit und von Kultur- und Freizeitprojekten.

Ergänzende Integrationsmaß-nahmen und Projekte

Die Migrationsberatungsstellen des DRK kooperie-ren mit den Integrationsmaßnahmen und Projekten, die über Landesprogramme gefördert werden. Durch die vielfältigen Angebote werden die Teilha-bechancen von Migrant_innen verbessert und der Integrationsprozess intensiviert. Im Folgenden wer-den beispielhaft Projekte aus drei Kreisverbänden vorgestellt.

BRK Augsburg-StadtDer Kreisverband Augsburg-Stadt des Bayerischen Roten Kreuzes ( BRK ) ist sowohl Träger einer lan-desgeförderten MBE als auch seit 2009 einer der neun Standortprojektpartner des Gesundheitspro-jektes „Mit Migranten für Migranten – Interkulturelle Gesundheit in Bayern“, das auch in neun anderen Bundesländern erfolgreich durchgeführt wird. Der Migrationsberater ist eng vernetzt mit der Projekt-koordinatorin, begleitet das Projekt und vermittelt wichtige Kontakte für die Schulung der insgesamt 40 Menschen mit Migrationshintergrund, die zu in-terkulturellen Gesundheitsmediator_innen ausgebil-det wurden. Durch das Projekt soll bei Migrant_innen die Eigenverantwortung für ihre Gesundheit gestärkt und die Teilhabe an gesundheitlichen Maßnahmen verbessert werden.

Großes Interesse finden die von den Mediator_in-nen durchgeführten kultursensibel orientierten, mehrsprachigen Informationsveranstaltungen zu Gesundheitsthemen wie Vorsorgeuntersuchungen, seelische Gesundheit oder Diabetes. Die Gesund-heitskampagnen finden vor allem in den Lebens-welten von Migrant_innen ( Migrantenorganisati-onen, Moscheen ) statt und erreichen dadurch einen großen Personenkreis.

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DRK-Kreisverband HammDer DRK-Kreisverband Hamm ist Träger einer MBE, einer landesmittelgeförderten Integrationsagentur und einer Vielzahl kommunal geförderter Projekte. Diese Dienste kooperieren insbesondere im Be-reich der nachholenden Integration. Diese enge Zu-sammenarbeit initiiert Projekte zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Die Integrati-onsagentur koordiniert sie. Seit 2012 führt der Kreis-verband Hamm als Träger zum Beispiel das durch das DRK-Generalsekretariat geförderte Projekt „Stark für Erfolg“ durch. Im Rahmen dieses Projektes werden haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter_innen des Kreisverbandes Hamm qualifiziert, um im Be-reich der „aufsuchenden Elternbegleitung“ tätig zu werden. Ziel ist es, Eltern mit und ohne Migrations-hintergrund dabei zu unterstützen, den Bildungser-folg ihrer Kinder positiv zu beeinflussen.

DRK-Regionalverband Magdeburg – Jerichower LandDer DRK-Regionalverband Magdeburg – Jerichower Land ist sowohl Träger der MBE als auch der landes-geförderten „Gesonderten Beratung und Betreuung“ ( GBB ). Die Mitarbeiterin der GBB des Landkreises Jerichower Land nimmt am „Runden Tisch gegen Rechts – für Toleranz und Menschlichkeit“ des Land-kreises teil. Die Mitarbeiterin nutzt den Runden Tisch einerseits zum Netzwerken, anderseits kann sie hier wertvolle Hinweise, fachliche Inputs, Fakten und ört-liche Besonderheiten für die alltägliche Arbeit gewinnen.

Darüber hinaus wird in das von der Aktion Mensch e. V. geförderte Projekt „Jugend und Demokratie auf dem Weg ins 21. Jahrhundert“ entwickelt, welches sich an Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund richtet. Ein Schwerpunkt ist neben anderen die Auf-klärung, Darstellung und Diskussion über die Moti-vationen extremistischer Organisationen, sich be-sonders an Jugendliche zu richten. Im Projekt sollen die Jugendlichen Grundregeln des demokratischen Miteinanders erlernen und als Multiplikatoren für an-dere Jugendliche wirken. An diesem Beispiel ist gut zu erkennen, was eine Mitwirkung in verschiedenen gesellschaftlichen Netzwerken auch für die Arbeit im eigenen Verband bewirken kann und welche Impulse die Berater_innen aufnehmen und umsetzen können.

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AusblickUta Franziska Schmidt

Die vorliegende Broschüre zeigt: Die Migrationsbe-ratung für erwachsene Zuwanderer ( MBE ) hat sich in den letzten Jahren nicht nur zu einem zentralen Grundberatungsangebot entwickelt, sondern nimmt aufgrund ihrer profunden Erfahrungen, ihrer vielfäl-tigen Kontakte und ihrer Fachkompetenz auch eine maßgebliche Rolle in der kommunalen Politikgestal-tung ein. So sind beispielsweise vielerorts Berate r_ innen an der Entwicklung und politischen Ausgestal-tung von Integrationskonzepten beteiligt.

Dabei hat sich die MBE in den vergangenen Jahren sowohl konzeptionell geöffnet, beispielsweise im Hinblick auf die Mitwirkung und Gestaltung lokaler Netzwerk- und Kooperationsstrukturen, als auch mit ihrem Beratungsangebot auf veränderte Zielgruppen reagiert. Richtete sich das Programm zu Beginn im Jahr 2005, damals noch unter dem Titel „Migrations-erstberatung“, vor allem an Neueingewanderte, wur-de in den Beratungsstellen festgestellt, dass in erster Linie bereits länger in Deutschland lebende Einwan-derer den Beratungsdienst nutzen, somit auch die sogenannte nachholende Migration eine wichtige Aufgabe der Angebote der Migrationsberatung ist. In den letzten Jahren hat sich zudem gezeigt, dass sich die Zielgruppen, die die MBE anspricht, verändern. So nehmen zum Beispiel verstärkt auch Unionsbür-ger_innen den Beratungsdienst in Anspruch. Darüber hinaus hat die MBE neue Aufgaben übernommen, so die Beratung von Ratsuchenden, die im Rahmen des sogenannten Resettlement-Programms nach Deutschland kommen. Für die Berater_innen bedeu-tet dies, neben der Zunahme der Beratungsfälle und der wachsenden inhaltlichen Anforderungen an die Beratung auch auf die immer komplexer werdenden Anfragen und Problemlagen mit entsprechender Expertise und Kompetenzen reagieren zu können.

Zudem wird der Bedarf an einer flächendeckenden und unabhängigen Beratung und Begleitung im Anerkennungsverfahren dauerhaft fortbestehen, da langfristig mit weiterer Einwanderung zu rechnen ist. Das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifi-kationen selbst lässt darüber hinaus eine Zunahme der Anerkennungsberatung erwarten. Dabei nehmen

die Kernkompetenzen der MBE eine relevante Funk-tion ein. Zwar sind mit den regionalen Netzwerken „Integration durch Qualifizierung ( IQ )“ in größeren Städten Erstanlaufstellen zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen entstan-den, diese werden aber nur bis 2014 gefördert; daher ist es umso wichtiger, die MBE als wichtigen Akteur in der Anerkennungsberatung zu berücksichtigen. Entscheidend ist dabei vor allem, dass die MBE als Beratungsdienst die Prozessbegleitung während der Anerkennungsberatung übernimmt. So verfügen viele Berater_innen nicht nur über sehr gute Kennt-nisse im Bereich der beruflichen Integration und der Anerkennung beruflicher Abschlüsse, sondern si-chern auch die individuelle Beratung und Begleitung während des Anerkennungsprozesses.

Neben dem profunden ausländerrechtlichen Wis-sen sowie dem Spezialwissen, das in anderen Regeldiensten zumeist nicht vorgehalten werden kann, zeichnet vor allem die Profilierung der MBE als relevanter Netzwerkakteur vor Ort die Arbeit des Beratungsdienstes aus. Die Aufgaben, die dem Beratungsdienst dabei als Netzwerkakteur zukom-men, werden auch zukünftig ein wichtiger Pfeiler ( kommunaler ) Integrationspolitik sein. Vor allem durch die Aktivitäten zur Interkulturellen Öffnung der örtlichen Dienste nimmt die MBE eine wichtige ge-meinwesenbildende Funktion ein.

Um den Beratungsdienst weiterhin bedarfsgerecht und nahezu flächendeckend ausrichten zu kön-nen, muss die Migrationsberatung für erwachse-ne Zuwanderer nachhaltig finanziert sowie nach fachlichen Vorgaben und mit geringem Verwal-tungsaufwand gesteuert werden. Nicht zuletzt ist eine finananzielle Absicherung der Haushaltsmit-tel der MBE auch deshalb dringend geboten, um den neuen und zukünftigen Anforderungen an die Migrationsberatung entsprechen zu können. Eine besondere Herausforderung wird darüber hi-naus vor allem sein, das kommunale Integrations-management und die Vernetzungsstrukturen vor Ort zu stärken. Befördert werden muss dabei vor allem auch der thematische Diskurs darüber, wie sich die Angebote der MBE gestalten, wenn die Regeldienste interkulturell geöffnet sind und die MBE ihre zukünf-tigen Aufgaben definieren will.

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Migrationsberatungstellen des Deutschen Roten Kreuzes *

MECKLENBURG-VORPOMMERN

BRANDENBURG

SCHLESWIG-HOLSTEIN

NIEDERSACHSEN

SACHSEN-ANHALT

THÜRINGEN

HESSEN

RHEINLAND-PFALZ

BADEN-WÜRTTEMBERG

BAYERN

NORDRHEIN-WESTFALEN

SACHSEN

Neubrandenburg

Rostock

Oranienburg

Berlin

WeißwasserTorgau

Leipzig

Halle

Sangerhausen

Grimma

Chemnitz

Burg (b. Magdeburg)

Stendal

Kiel

Eutin

Neumünster

Hamburg

Bremen

Cloppenburg

Aurich

Lingen

Hannover

Soltau

Friedland

MünsterCoesfeld

Hamm

Bielefeld

Detmold

Dinslaken

Dortmund

Düsseldorf

Hagen

Bochum

Mülheim a. d. Ruhr

Köln

Mönchengladbach

Aachen

Euskirchen

Bonn

Altenkirchen

Idar-Oberstein

Mainz

Kaiserslautern

LandstuhlZweibrücken

Saarbrücken

Ludwigsburg

Tauber-bischofsheim

Obernburg, Miltenberg

Büdingen

Gelnhausen

Heppenheim

Friedberg

Dieburg

Frankenberg

Darmstadt

Göppingen

Reutlingen

Wolfach

Emmendingen

Freiburg

Müllheim

Biberach

RavensburgKonstanz

Friedrichshafen

Altötting

CoburgHaßberge

Kempten

München

Nürnberg

Weiden

* Auf der Karte sind ausschließlich die durch Bundesmittel geförderten Migrationsberatungsstellen eingezeichnet.

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MECKLENBURG-VORPOMMERN

BRANDENBURG

SCHLESWIG-HOLSTEIN

NIEDERSACHSEN

SACHSEN-ANHALT

THÜRINGEN

HESSEN

RHEINLAND-PFALZ

BADEN-WÜRTTEMBERG

BAYERN

NORDRHEIN-WESTFALEN

SACHSEN

Neubrandenburg

Rostock

Oranienburg

Berlin

WeißwasserTorgau

Leipzig

Halle

Sangerhausen

Grimma

Chemnitz

Burg (b. Magdeburg)

Stendal

Kiel

Eutin

Neumünster

Hamburg

Bremen

Cloppenburg

Aurich

Lingen

Hannover

Soltau

Friedland

MünsterCoesfeld

Hamm

Bielefeld

Detmold

Dinslaken

Dortmund

Düsseldorf

Hagen

Bochum

Mülheim a. d. Ruhr

Köln

Mönchengladbach

Aachen

Euskirchen

Bonn

Altenkirchen

Idar-Oberstein

Mainz

Kaiserslautern

LandstuhlZweibrücken

Saarbrücken

Ludwigsburg

Tauber-bischofsheim

Obernburg, Miltenberg

Büdingen

Gelnhausen

Heppenheim

Friedberg

Dieburg

Frankenberg

Darmstadt

Göppingen

Reutlingen

Wolfach

Emmendingen

Freiburg

Müllheim

Biberach

RavensburgKonstanz

Friedrichshafen

Altötting

CoburgHaßberge

Kempten

München

Nürnberg

Weiden

Brandenburg

DRK-KV Oranienburg e. V. im Landkreis Oberhavel, Bürgerzentrum Albert Buchmann Str. 17 16515 Oranienburg

Berlin

DRK-LV Berlin e. V. Antonienstr. 50 a, 13403 Berlin

DRK-LV Berlin e. V. Bundesallee 73, 12161 Berlin

Baden-Württemberg

DRK-KV Müllheim e. V. Südring 13 b 79189 Bad Krozingen

DRK-KV Biberach e. V. Rot Kreuz Weg 27 88400 Biberach

DRK-KV Emmendingen e. V. Mundingenstr. 14 79312 Emmendingen

DRK-KV Freiburg e. V. Komturstr. 36, 79106 Freiburg

DRK-KV Bodenseekreis e. V. Rotkreuzstr. 2 88046 Friedrichshafen

DRK-KV Göppingen e. V. Grabenstraße 32 73033 Göppingen

DRK-KV Wolfach e. V. Hauptstr. 82 c, 77756 Hausach

DRK-KV Landkreis Konstanz e. V. Steinstr. 20, 78467 Konstanz

DRK-KV Ludwigsburg e. V. Alt-Württemberg-Allee 41, 71638 Ludwigsburg

DRK-KV Ravensburg e. V. Ulmer Straße 95 88212 Ravensburg

DRK-KV Reutlingen e. V. Obere Wässere 1 72764 Reutlingen

DRK-KV Tauberbischofsheim e. V. Mergentheimer Straße 30 97941 Tauberbischofsheim

Bayern

BRK-KV Altötting Mühldorfer Str. 16 c 84503 Altötting

BRK-KV Coburg Sally-Ehrlich-Str. 16 96450 Coburg

BRK-KV Haßberge Industriestr. 20 97437 Haßfurt

BRK-KV Oberallgäu Haubenschloßstraße 12 87435 Kempten

BRK-KV München Internationales Beratungszentrum Goethestr. 53, 80336 München

BRK-KV Nürnberg Stadt DLZ für Migration Siebenkeesstraße 4 90459 Nürnberg

BRK-KV Miltenberg-Obernburg Römerstraße 93 a 63785 Obernburg

BRK-KV Weiden und Neustadt /WN Ulrich-Schönberger-Straße 11 92637 Weiden i. d. Opf.

Bremen

DRK-KV Bremen-Mitte e. V. Mathildenstraße 2 28203 Bremen

Hessen

DRK-KV Büdingen e. V. Vogelsbergstr. 94 63654 Büdingen

DRK-KV Darmstadt-Stadt e. V. Mornewegstr. 15 64293 Darmstadt

DRK-KV Dieburg e. V. Albinistr. 23, 64807 Dieburg

DRK-KV Frankenberg e. V. Auestr. 25, 35066 Frankenberg

DRK-KV Friedberg e. V. Homburger Str. 26 61169 Friedberg

DRK-KV Gelnhausen e. V. Frankfurter Str. 34 63571 Gelnhausen

DRK-KV Bergstraße e. V. Werlestr. 5, 64646 Heppenheim

Hamburg

DRK-KV Hamburg-Harburg e. V. Maretstraße 26, 21073 Hamburg

KV Hamburg Altona u. Mitte e.V., Bornheide 99, 22549 Hamburg

Mecklenburg-Vorpommern

DRK-KV Neubrandenburg e. V. Weidengang 7 17034 Neubrandenburg

DRK-KV Rostock e. V. Zum Lebensbaum 16 18147 Rostock

Niedersachsen

DRK-KV Aurich e. V. Schmiedestraße 13 26603 Aurich

DRK-KV Cloppenburg e. V. Hofkamp 2 49661 Cloppenburg

DRK-LV Niedersachsen e. V. Heimkehrerstraße 18 37133 Friedland

DRK-KV Hannover-Stadt e. V. Karlsruher Str. 2 c 30519 Hannover

DRK-KV Emsland e. V. Jahnstraße 2 – 4 49808 Lingen

DRK-KV Soltau e. V. Harburger Str. 77 29614 Soltau

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Nordrhein-Westfahlen

DRK-KV Aachen e. V. Städteregion Aachen Robensstr. 49, 52070 Aachen

DRK-KV Bielefeld e. V. August-Bebel-Str. 8 33602 Bielefeld

DRK-KV Bochum e. V. An der Holtbrügge 8 44795 Bochum

DRK-KV Bonn e. V. Endenicher Str. 131 53115 Bonn

DRK-KV Coesfeld e. V. Bahnhofstr. 128 48653 Coesfeld

DRK-KV Lippe e. V. Hornsche Str. 29 u. 31 32756 Detmold

DRK-KV Dinslaken e. V. Heinrich-Nottebaum-Str. 24 46535 Dinslaken

DRK-KV Dortmund e. V. Beurhausstr. 71 44137 Dortmund

DRK-KV Düsseldorf e. V. Potsdamer Str. 41 40599 Düsseldorf

DRK-KV Euskirchen e. V. Jülicher Ring 32 b 53879 Euskirchen

DRK-KV Hagen e. V. Feithstr. 36 58095 Hagen

DRK-KV Hamm e. V. Pferdekamp 11 59075 Hamm

DRK-KV Köln e. V. Vorgebirgsstraße 22 50677 Köln

DRK-KV Mönchengladbach e. V. Mühlenstraße 33 41236 Mönchengladbach

DRK-KV Mülheim a. d. Ruhr e. V. Löhstr. 18 45468 Mülheim a. d. Ruhr

DRK-KV Münster e. V. Hamannplatz 38 48157 Münster

Rheinland-Pfalz

DRK-KV Birkenfeld e. V. Schönlautenbach 17 55743 Idar-Oberstein

DRK-KV Kaiserslautern-Stadt e. V. Augustastr. 16 – 24 67655 Kaiserslautern

DRK-KV Landstuhl e. V. Am Feuerwehrturm 6 66849 Landstuhl

DRK-KV Mainz-Bingen e. V. Mitternachtsgasse 6 55116 Mainz

DRK-KV Zweibrücken e. V. Bleicherstraße 8 a 66482 Zweibrücken

Schleswig-Holstein

DRK- KV Ostholstein e. V. Waldstr. 6 23701 Eutin

DRK-KV Kiel e. V. Kurt-Schumacher-Platz 7 24109 Kiel

DRK-KV Kiel e. V. Klaus-Groth-Platz 1 24105 Kiel

DRK-KV Neumünster e. V. Christianstr. 33 24534 Neumünster

Saarland

DRK-LV Saarland e. V. Vollweidstraße 2 66115 Saarbrücken

Sachsen

DRK-KV Muldental e.V. Bahnhofstraße 5 04668 Grimma

DRK-KV Leipzig Stadt e.V. Brandvorwerkstr. 36 a 04275 Leipzig

DRK-KV Weisswasser e. V. Fr.-Bodelschwingh-Str. 15 02943 Weisswasser

Sachsen-Anhalt

DRK-KV Jerichower Land e. V. In der Alten Kaserne 13 39288 Burg

DRK-KV Halle-Saalkreis- Mansfelder Land e. V. Beratungszentrum Richard-Paulick-Str. 16 06124 Halle

DRK-KV Sangerhausen e. V. W.-Koenen-Straße 35 06526 Sangerhausen

DRK-KV Östliche Altmark e. V. Moltkestrasse 33 39576 Stendal

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Literatur und Links

Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrts-pflege, Fachausschuss Migration und Integration: „Beratung und Begleitung im Anerkennungsverfah-ren ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen durch MBE und JMD“, Berlin im September 2012

Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege ( BAGFW ) zum Projekt „Inte-gration verbindlicher machen – Integrationsverein-barungen erproben“, Berlin, 23. 4. 2013

Mecheril, P.: „Beratung in der Migrations-gesellschaft. Paradigmen einer pädagogischen Handlungsform“. In: Treichler, A. / Cyrus, N. ( Hrsg.): Handbuch soziale Arbeit in der Einwanderungs-gesellschaft. Grundlinien – Konzepte – Hand- lungsfelder – Methoden. Brandes und Apsel, Frank-furt am Main 2004.

Hegemann, T. / Oesterreich, C.: „Einführung in die in-terkulturelle systemische Beratung und Therapie“, Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2009.

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ( BAMF ) http : // www.bamf.de /

Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflegehttp : // www.bagfw.de /

DRK-Generalsekretariathttp : // www.drk.de /

Interkulturelle Öffnung im DRKhttp : // drk-ikoe.de /

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