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Psycho-Somatik – Zwei die sich verstehen? Die Eigensprache im Dialog 3. Selbsthilfekonferenz Sucht und Gesundheit am 24.10.2014 in Gunzenhausen Dr. Tilman Rentel Gesellschaft für Idiolektische Gesprächsführung Traubengasse 15 D-97072 Würzburg fon und fax 0931-73482 www.idiolektik.de Dr. med. Tilman Rentel Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Kommunikation und Supervision Universitätsstraße 50 91054 Erlangen [email protected]

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Psycho-Somatik – Zwei die sich verstehen?

Die Eigensprache im Dialog  

3. Selbsthilfekonferenz Sucht und Gesundheit

am 24.10.2014 in Gunzenhausen

Dr. Tilman Rentel

Gesellschaft für Idiolektische Gesprächsführung Traubengasse 15 D-97072 Würzburg fon und fax 0931-73482

www.idiolektik.de

Dr. med. Tilman Rentel Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Kommunikation und Supervision Universitätsstraße 50 91054 Erlangen [email protected]

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Allgemeines und Grundlegendes zur Idiolektik

Jeder Mensch spricht seine eigene Sprache. Sie ist geprägt von einem ganz bestimmten Vokabular, von besonderen Vorlieben, sprachlichen Bildern usw. Diese ist wie ein einzigartiger sprachlicher Fingerabdruck und wird im Bereich der Linguistik Idiolekt genannt. Wer genau hinhört, kann z.B. aus der oft bildhaften Schilderung eines Problems nicht nur viel über den Umgang mit diesem Problem heraushören, sondern auch über die Motive und Sehnsüchte dieses Menschen und über seine Ressourcen für mögliche Lösungen. Idiolektik ist die Kunst eines bewussten, präzisen, sorgfältigen, professionellen und achtsamen Umgangs mit der „Eigensprache“ einer Person. Eine idiolektisch ausgerichtete Gesprächsführung hat viele Vorteile: Sie sorgt für einen intensiveren Rapport zum Klienten, verbessert die Qualität der Diagnose und der Interventionen und macht Beratungs- und Therapieprozesse insgesamt effizienter. Idiolektische Gesprächsführung lässt sich ohne Weiteres in verschiedene Therapieverfahren integrieren und ist in allen erdenklichen Beratungssituationen von Nutzen, z. B. in Psychotherapie und Medizin, Coaching und Beratung, Sozialarbeit und Seelsorge u. v. m. Auch in Heil- und Pflegeberufen lässt sie sich gewinnbringend einsetzen. Die Eigensprachliche Methode (Idiolektik) wurde von A. D. Jonas, einem Psychiater, Psycho-analytiker und Verhaltensforscher im ausgehenden 20. Jahrhundert in Würzburg und Wien gelehrt und in seiner eigenen psychotherapeutischen Praxis angewendet. Idiolektik – die Lehre von der Eigensprache des Menschen als Hintergrund diagnostischen und therapeutischen Denkens – folgt zwei zentralen Prinzipien: 1. Jedes Lebewesen ist einzigartig und 2. jedes Lebewesen hat für sein Verhalten Gründe (gute Gründe). Diese Prinzipien führen zu einer respektvollen Haltung gegenüber unseren Gesprächs-partnern, die so zu Experten ihrer eigenen Lebenssituation werden. Durch die so möglichen authentischen Äußerungen kommt in ihrer Eigensprache (Idiolekt) die Gesamtheit ihrer Person zum Ausdruck. In diesen authentischen Äußerungen entdeckt der Sprechende seine Gründe, sich so und nicht anders zu verhalten, sich so und nicht anders zu äußern und in bestimmten Fällen diese und nicht andere Körperreaktionen (Symptome) zu generieren. Dieses jedem Menschen innewohnende selbstorganisierende Prinzip hat A. D. Jonas „innere Weisheit“ genannt. An die Stelle von vermeintlichen Defiziten treten Verstehen und Annehmen der aktuellen körperlich-seelischen Phänomene und der gewählten Lösungen zu bestimmten Lebenssituationen. Sind die seelischen und körperlichen „Aussagen“ (Symptome) eines Organismus so „gehört“ und „verstanden“ worden, müssen sie nicht weiter wiederholt werden. Unter günstigen Umständen kann das dazu führen, dass „Symptome dahinschmelzen wie der Schnee an der Sonne“ (mündliche Mitteilung Jonas 1984). Berater, Psychologen und Ärzte, ernüchtert von der Wirkung direktiven Verhaltens, finden und berichten über eine neu gestaltete Möglichkeit, ihre anspruchsvolle Aufgabe sinnvoll und effizient zu lösen und sich aus festgelegten Gewohnheiten ihres Alltages zu befreien. Sie wirken dabei gewissermaßen als Katalysatoren – sie bewirken durch ihre „qualifizierte“ Anwesenheit Reaktionen, ohne die Absicht, ihre Geschwindigkeit zu beeinflussen, ohne die neu entstehenden Prozesse in vom Behandler intendierte Bahnen zu lenken. Therapeutisches, beratendes und pädagogisches Denken und Handeln werden so neu geprägt, sind zum Ursprung echter menschlicher Begegnung zurückgekehrt „Ich kenne kein anderes Modell in der Psychotherapie, das so prägnant die ‚Logik‘, Sinnhaftigkeit und Klugheit einer Bildersprache und archaischer Prozesse nutzbar macht wie die Idiolektik.“ Gunther Schmidt „Das Konzept der Idiolektik ist äußerst anregend und wertvoll, sich intensiv damit zu beschäftigen. Vor allem scheint mir der Ansatz sehr respektvoll und nicht so besserwisserisch wie so manches in der Psychotherapie.“ Luise Reddemann Aus dem Klappentext und Vorwort der Buches „Schlüsselworte – Idiolektische Gesprächsführung in Therapie, Beratung und Coaching“ im Carl-Auer-Verlag erschienen.

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Idiolektik in Stichpunkten

Idiolekt

Die Sprachmuster, die eine Person verwendet, inkl. All ihrer phonetischen, grammatikalischen und die Wortwahl betreffenden Vorlieben. Ein Sprecher kann im Rahmen seines Idiolekts verschiedene Sprachstile haben, wobei er jeweils eine Version seiner Sprachmuster für einen bestimmten sozialen Kontext einsetzt. Darüber hinaus bilden die verschiedenen Idiolekte einer Gruppe von Sprechern, sei dies nun regional oder einer sozialen Schicht, einen bestimmten Dialekt. Aus: Encyclopaedia britannica

Idiolektik

Idiolektik ist der methodische Umgang mit der Eigensprache im persönlichen Gespräch. Sie umfasst die Beziehungen und das Wechselspiel zwischen der Eigensprache als Äußerung einer Person, ihrem Inhalt und ihrer Wirkung auf den Gegenüber.

Die „Volkacher Axiome“ der Idiolektischen Gesprächsführung

1. Sowohl im Klienten als auch im Therapeuten besteht ein selbstorganisierendes Prinzip = „innere Weisheit“. Diese innere Weisheit schafft unter den gegebenen Umständen aktuelle optimale Verhaltensweisen um zu leben. 2. In der Eigensprache, im Idiolekt, kommt der andere in seiner Gesamtheit zum Ausdruck. 3. Idiolektik ermöglicht durch ausschließliche Fokussierung auf die Eigensprache des anderen die Akzeptanz des selbstorganisierenden Prinzips = innere Weisheit. Die innere Weisheit ist die einzige Kraft, die Veränderung ermöglicht.

Kurz:

Jeder Mensch ist einzigartig und hat seine guten Gründe, sich in der dargestellten Form zu äußern. Das Loslassen eigener Ideen, Wertvorstellungen und Konzepte im Gespräch durch das wertfreie und zieloffene Fragen ermöglicht dem Gesprächspartner, selbst zu entscheiden, wie viel er und was er in welcher Form erzählen möchte, um sich und sein eigenes Weltbild zu erkennen. Das Anschauen dessen was ist, gibt Kraft, Veränderungsmöglichkeiten zu erkunden.

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Technische Elemente der Idiolektischen Gesprächsführung

Beobachten und Wahrnehmen von Eigensprache (was habe ich gesehen, gehört und gespürt?)

verbal Schlüsselworte, Themen, Inhalte nonverbal Gestik, Mimik, Körperhaltung, Atmung, Gesichtsfarbe paraverbal Intonation, Art und Weise, Tempo, Modulation der Stimme,

Sprechpausen, Auslassungen Gesprächsfluß flüssig, sprunghaft, stockend ... Gesprächsebene Konkret / Abstrakt Kontakt Nähe / Distanz Resonanz (präverbal) eigene Gefühle, Empfindungen, Bilder, eigenes Erleben

Frageinhalte (was frage ich?)

• im Umfeld des Gesagten nachfragen (Themenwechsel geschehen durch den Gegenüber) einzelne Begriffe, Worte und Redewendungen („Schlüsselworte“) beschreiben lassen

„Wie könnten wir uns das Wort Druck vorstellen, das man es sichtbar vor Augen hätte?“

• nach positiv besetzten, Ressourcen orientierten und Resilienz basierten Themen fragen (Der andere bestimmt, ob und inwieweit er die problematischen Themen ansprechen möchte)

„Was gefällt Dir daran?“, „Was war dabei hilfreich?“, auch Polarisieren, die (positive) Kehrseite der Medaille betrachten:

„Was wäre das Gegenteil?“, „Wie wäre es angenehmer?“ Oder die Bewältigung und Resilienz des Gesprächspartners fokussierend „Wie schaffen Sie das?“, „Wie kann das gelingen“, Was braucht es?“ , Was möchten Sie,

dass geschieht?“ • vermeintlich nebensächliche Themen aufgreifen

(der andere bestimmt die Nähe zum Fokus selbst) • Aufgreifen non-verbaler Signale

(ihre Wahrnehmung ermöglicht, im Fluß zu bleiben) Körperhaltung, Gestik, Mimik, Atemfrequenz, Hautfärbung, Tonlage u. Modulation der Stimme. Nonverbale Signale in Fragerichtung einfliessen lassen oder indirektes Ansprechen (nicht konfrontierend).

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Frageformen (wie frage ich?) • möglichst offene oder öffnende Fragen

„Wie? Was? Wo? Wann? Wohin? Woher? Wer? Können Sie mir beschreiben, ...?“ (keine warum-Fragen, da diese kognitiver Erklärungen bzw. Rechtfertigungen abfragen)

• Konkretisieren lassen

Einsteigen in die Welt des inneren Erlebens mit allen Sinnen (statt fokussieren abstrakter Konzepte) „Kannst Du mir ein Beispiel geben.“ („Kanal-Arbeit“: sehen, hören, spüren, schmecken …)

• sich bildhafte Beschreibungen geben lassen (Einsteigen bzw. Entwickeln von Metaphern)

„kannst Du mir beschreiben“ , „Was gehört noch dazu?“, „Wie kann ich mir … vorstellen?“ Diese Bilder durch Nachfragen mit Details anreichern lassen

• Fokussieren auf Verben statt auf Substantive

Umsetzung von Substantiven in Handlungen. „Wie funktioniert das?“, „Wie macht man das?“ (Gespräch bleibt damit auf einer konkreten aktionalen und sinnesnahen Ebene, nicht logisch-abstrakt) Was wir tun und was wir beobachten müssen, um die definierte Sache in den Bereich der eigenen Erfahrungen zu bringen (Bsp. Schmerz) („was müsste man mit mir tun, damit ich das spüren könnte/ mir vorstellen könnte …“)

• Dissoziieren, externalisieren, experimentell distanzieren

Z.B. Einführung einer aussenstehenden Person und erkunden ihrer Gefühle, Vorstellungen und Handlungsmöglichkeiten: „Angenommen Du siehst jemanden das tun, was geht in ihm vor?“

Idiolektische Basistechnik

1. Achtsames Zuhören unter Beachtung der Schlüsselworte welches sind die wichtigsten Wörter / Tätigkeiten/ konkrete Themen?

2. Wahrnehmung der individuellen Bedeutung der Schlüsselworte

Welches sind die unverfänglichen, positiv besetzten, Ressourcen orientierten Themen? (nonverbale Signale beachten!)

3. Kurze offene Frage zu einem dieser Schlüsselworte / Themen.

Assoziative Fragen und Benutzung der metaphorischen Ebene.