PZ vom 17.03.1980 Seite 1

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pftn^kimct Leitung P 5597 AX J (0*2 3t) 1 32001-05 Verlag und Druck: J. Eßlinger 7530 Pforzheim - Poststraße 5 Montag, 17. März 1980 Nummer 65 70 Pfennig UNABHÄNQIOE UND ÜBERPARTEILICHE TAOEfZEITUNQ - MEISTOELESEN IM PPORZHElMER WIRTSCHAFTSRAUM Die Zuversicht des CDU-Spitzenkandidaten Ministerpräsident Späth rechts zusam- men mit Ehefrau Ursula bei der Stimmabgabe in Bietigheim-Bissingen, wo die CDU entgegen dem Landestrend nur 0,1 Prozent abnahm bestätigte sich: Er bleibt Regierungschef. Bild links: Nach der Wahl merkte man dem SPD-Landesvorsitzenden die Enttäuschung über das unerwartet schlechte Abschneiden seiner Partei an. Wahlber. Abg. St. Gült. St. 6 307119 4 550 014 4 512 861 lern in den Universitätsstädten über- durchschnittliche Gewinne erzielten, viele Stimmen von früheren SPD- und CDU-Wählern erhalten haben. Außer- dem — so die Untersuchungen — hat ein Großteil der Nichtwähler von 1976 für die Umweltbewegung gestimmt. Zum Abschneiden der FDP, die ohne Koalitionsaussage in den Landtags- wahlkampf gegangen war, sagte der FDP-Vorsitzende Genscher, die Wäh- ler hätten die Eigenständigkeit und die Sachaussagen im Programm der FDP honoriert. Der Landesgruppenchef der CSU in Bonn, Friedrich Zimmermann, sprach von einer gewissen Veränderung der Parteienlandschaft, mit der von nun an die etablierten Parteien zu rechnen hätten. Die CDU habe gegen drei Par- teien einen großartigen Erfolg er- rungen. 72,1 (75,5) Sitze (56,7) 68 (33,3) 41 (7,8) 10 (0,4) - - 6 (0,9) - (0,0) - CDU SPD FDP DKP Grüne NPD EZB 2 407 843 1 468 789 374 577 11829 241 176 2 339 4 025 53,4 32,5 8,3 0,3 5,3 0,1 0,1 Wahlkreis 42 Pforzheim Auch das Ergebnis von Baden-Würt- temberg bestätigt einen Trend, der der Union bei den letzten acht Landtags- wahlen mit Ausnahme von Berlin Stim- menverluste gebracht hat. Das 3,5 Pro- zent-Minus in Baden-Württemberg wurde nur durch die Wahl vom März des vergangenen Jahres in Rheinland- Pfalz übertroffen, wo die CDU 3,8 Pro- zent eingebüßt hatte. In beiden Bun- desländern hatte die CDU vor vier Jah- ren allerdings Spitzenergebnisse er- reicht. Wahlbet. CDU SPD FDP DKP Grüne KBW 72,5 48,5 38,1 8,3 0,3 4,8 0,1 (73,0) (52,6) (37,4) (8,2) (0,5) (0,1) 26 189 20 549 4 485 180 2 564 36 Reaktion auf Daume DDR-NOK droht Wahlkreis 44 Wahlbet. CDU SPD FDP DKP Grüne Enz 36 960 27 926 8 746 211 3 890 71,4 47,5 35,9 11,03 0,3 (5,0) (74,7) (51,7) (36,0) 10,3 (0,5) gewählt: Hans Roth (CDU) Demgegenüber kehrte sich für die SPD der Trend um. Während sie in den Landtagswahlen beginnend von Ham- burg im Juni 78 an siebenmal zulegen konnte, verzeichnete sie diesmal einen Stimmenverlust. Die FDP ist bei ihrer Berg- und Talfahrt nach den Stimmen- verlusten in Schleswig-Holstein und Bremen diesmal in Baden-Württem- berg in der Wählergunst etwas voran- gekommen. BERLIN. Das Nationale Olympische Komitee (NOK) der DDR hat mit nega- tiven Konsequenzen für die innerdeut- schen Sportbeziehungen gedroht, falls sich das NOK der Bundesrepublik auf Wunsch der Bundesregierung gegen ei- ne Teilnahme an den Olympischen Spielen in Moskau aussprechen sollte. Die amtliche DDR-Nachrichtenagen- tur ADN nahm mit dieser Meldung ge- stern abend bezug auf die Erklärung des bundesdeutschen NOK-Präsiden- ten Willi Daume, der gesagt hatte, das bundesdeutsche Komitee würde einer Empfehlung der Bundesregierung ge- gen eine Olympia-Teilnahme wahr- scheinlich folgen. Erste Analysen des Wahlergebnisses von Baden-Württemberg des Infas-In- stituts in Bad Godesberg lassen darauf schließen, daß die Grünen, die vor al- Für Sie notiert Glückwünsche für Vizeweltmeisterin Zum Abschluß der Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften in Dortmund gratulierte als Schirmherr Bundespräsident Carstens gestern allen erfolgreichen Aktiven, besonders herzlich der 21 Jahre alten Vizeweltmeisterin Dagmar Lurz (links). Aber Mehrheit der Engländer gegen den Thatcher-Kurs BONN. Das Nationale Olympische Komitee (NOK) wird sich nach Ein- schätzung von NOK-Präsident Willi Daume voraussichtlich gegen eine Teil- nahme der deutschen Sportler an den olympischen Sommerspielen in Mos- kau aussprechen, falls die Bundesre- gierung einen solchen Schritt empfeh- len sollte. Daume äußerte aber zugleich die Hoffnung, daß die politische Ent- wicklung eine Teilnahme der USA noch ermöglicht und damit alle anderen Boykottprobleme gelöst würden. Er bekräftigte zugleich die Auffas- sung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), nach der die Sowjet- union im Bezug auf die Zukunft Afgha- nistans und das Verbleiben der sowjeti- schen Truppen in diesem Land ein Zei- chen setzen müsse. Der Wunsch des Sports sei es nach wie vor, daß die Olympischen Spiele von Moskau mit der Beteiligung der ganzen Welt statt- finden könnten. In Großbritannien wurde gestern das Ergebnis einer Meinungsumfrage be- kannt, wonach die Mehrheit der Eng- länder gegen einen Boykott der Olym- pischen Spiele eingestellt ist. In einer von der Sonntagszeitung „The Obser- ver" veröffentlichten Umfrage spra- chen sich 69 Prozent der Befragten für die Entsendung eines englischen Teams nach Moskau aus. Nur 23 Prozent wa- ren dagegen. 67 Prozent meinten, es sei richtig, daß das IOC an den Spielen in Moskau festhalte. Diese Umfrage dürf- te die Olympia-Debatte heute im engli- schen Unterhaus erheblich angeheizt haben. Das englische Parlament will am späten Abend über den Antrag der Regierung abstimmen, die Olympi- schen Spiele zu boykottieren. Nach der Umfrage sind nur 34 Pro- zent aller Engländer der Auffassung, Premierminister Margaret Thatcher und der amerikanische Präsident Car- ter hätten mit ihrer Boykott-Forderung die richtige Entscheidung gefällt. 58 Prozent meinten, beide Politiker hätten unrecht. zuzurechnen, drei von ihnen allerdings bewarben sich auch auf der IRP-Liste. Der gefürchtete Revolutionsrichter Ayatollah Sadegh Khalkali, der in der heiligen Stadt Qom mit großer Mehr- heit gewählt wurde, wird sich aller Voraussicht nach der IRP anschließen. Vier Bewerber der Kurdisch-Demokra- tischen Partei (KDP) haben ebenfals im ersten Anlauf den Sprung ins Parla- ment geschafft. In 62 der ausgezählten Wahlkreise hat entweder kein Bewerber oder im Fall von Kreisen, die zwei und mehr Abgeordnete nur einer die erforder- liche Mehrheit erhalten. In diesen Be- zirken wird spätestens am 1. April eine Stichwahl zwischen jenen Kandidaten stattfinden, die am vergangenen Frei- Rentner nicht verunsichern MÖNCHENGLADBACH. Die Rentenversicherung darf nach Auf- fassung der Deutschen Angestell- ten-Gewerkschaft (DAG) „nicht zum innenpolitischen Wahlkampf- thema Nummer eins" werden. Bun- desregierung und die Parteien soll- ten auch die Rentner nicht mit neu- en sozialpolitischen Überlegungen weiter verunsichern, forderte der stellvertretende DAG-Vorsitzende Walter Quartier auf einer Konfe- renz seiner Organisation in Mön- t chengladbach. l „Tochter Schild freilassen" ! VATIKANSTADT. Daphne j Schild, die im August vergangenen Jahres zusammen mit ihrem Mann und ihrer 15jährigen Tochter auf Sardinien entführt worden war, wurde bereits vor acht Wochen frei- gelassen. Das gab Papst Johannes Paul II. gestern in Korn bekannt. Der Paps sagte, er habe diese Infor- mation von der Familie des aus Deutschland stammenden briti- schen Elektroingenieurs Rolf Schild erhalten. Johannes Paul ap- pellierte an die Entführer, nun auch Annabel, die Tochter der Familie Schild, freizulassen. gewählt: Hugo Leicht (CDU) STUTTGART/BONN. Die Grünen haben gestern bei den Landtags- wahlen in Baden-Württemberg mit 5,1 Prozent der Stimmen den Sprung in das zweite Landesparlament der Bundesrepublik geschafft. Nach Bremen — dort hatten sie vier Abgeordnete ins Parlament gebracht — ziehen sie nun mit wahrscheinlich sechs Vertretern in den Stuttgarter Landtag ein. Das ergaben die Hochrechnungen bis 21 Uhr. Die CDU behauptete trotz deutlicher Stimmenverluste von knapp vier Prozent mit etwa 53,2 Prozent ihre absolute Mehrheit. Die SPD mußte entgegen den Erwartungen weitere Einbußen im Südwesten hinnehmen und kam nur auf rund 33 Prozent (1976: 33,3). Die FDP gewann nach jahrelanger Talfahrt im Stammland Baden-Württemberg leicht hinzu, und zwar um etwa einen halben Prozentpunkt auf ca. 8,5 Prozent. \ Vorläufiges I Endergebnis i Landtagswahl 16. März 1980 An Behinderte denken LUDWIGSHAFEN. Für mehr | Solidarität mit den fast sechs Mil- \ lionen behinderten Menschen in der j Bundesrepublik hat der Präsident I der Bundesanstalt für Arbeit, [ Stingl, in Ludwigshafen die öffent- j! lichkeit aufgerufen. Die Arbeitslo- j sigkeit könne besonders für Behin- I derte gesundheitsschädigende Fol- l gen haben, da die wichtige Selbst- i bestätigung eines von Arbeit erfüll- ii ten Lebens wegfalle. Er bedauerte, j j daß bei den Behinderten die Ar- j j beitslosigkeit nicht in dem Maße l zurückgehe, wie die bei den Ge- i, sunden. „Wenn die Bundesregierung es wünscht" Daume: Nicht nach Moskau Ölpest kommt zum Stehen ST. BRIEUC. Die Verschmutzung der bretonischen Strände durch das j öl des vor einer Woche gesunkenen Tankers „Tanio" ist gestern zum Stehen gekommen. Noch am Sams- tag hatten starke Winde und Hoch- wasser zahlreiche Strände in der Nähe von Tregastel im Norden der Bretagne mit einer schmierigen öl- schicht überzogen. \ Dreiländerschule j BASEL. Das Paneuropa-Bil- > ' dungswerk hat jetzt das Projekt ei- \ ner zum Abitur führenden „Drei- | länderschule" in Riehen bei Basel ; Pädagogen, hohen Beamten der Un- j terrichtsbehörden und Kommunal- S Politikern aus dem Drei-Länder- ji Eck vorgestelt. Als Modell für grenzüberschreitende Schulen soll diese zweisprachig unterrichtende Ganztagsschule mit Internat alle Möglichkeiten zu gemeinsamer Er- ziehung von Kindern aus der Schweiz, Südbaden und dem Elsaß nützen. Roman/Fernsehen S. 17 Spitzenpolitiker der Bonner Parteien sahen in dem Ergebnis — und damit auch in dem Wahlerfolg der Grünen — keinen Test für die Bundestagswahl am 5. Oktober. Übereinstimmend er- klärten die Vorsitzenden von CDU, SPD und FDP — Kohl, Brandt und Genscher — bei der Bundestagswahl sei eine höhere Wahlbeteiligung (jetzt in Baden-Württemberg knapp 73 Pro- zent) zu erwarten und damit nicht si- cher, ob die Grünen auch den Sprung in den Bundestag schaffen. Brandt meinte außerdem, bei einer Bundestagswahl würden sich diejenigen anders ent- scheiden, die jetzt bei der Landtags- wahl geglaubt hätten, „es denen da oben zu zeigen." Kohl verwies darauf, daß in den Vor- stellungen der Grünen ein Stück Pro- test der Jugend stecke, der nichts mit Kernenergie zu tun habe. Unter Hin- weis auf die geringere Wahlbeteiligung warnte er davor, das Ergebnis von Ba- den-Württemberg auf andere Wahlen hochzurechnen. Für die Bundestags- wahl hätten CDU/CSU „eine gute Chance". STUTTGART. Der 34jährige Ober- studienrat und Vorsitzende der Grünen in Baden-Württemberg, Wolf-Dieter Hasenclever, hat das Landtagswahler- gebnis einen großen Erfolg für seine Partei genannt. Es werde der Umwelt- schutzbewegung Auftrieb geben. Seine Partei habe ihr Wahlziel erreicht, die „verkrustete Parteienlandschaft" auf- zubrechen. Dies sei ein entscheidender Schritt, der für die Zukunft der Bun- desrepublik nicht ohne Bedeutung sei. Gleichzeitig kündigte Hasenclever an, seine Partei werde bei einem Einzug in den Landtag den Rechtsweg beschrei- ten, wenn ihr kein Fraktionsstatus zu- gebilligt werden sollte. Nach der wieder errungenen absolu- ten Mehrheit der CDU in Baden-Würt- temberg gibt es für Ministerpräsident Späth „keine dramatischen personel- len Veränderungen in den Regierungs- ämtern". Der CDU-Landesvorsitzende erklärte gestern abend in Stuttgart, er habe jetzt für die Regierungsbildung „unheimlich viel Zeit". Auch lasse er sich von Niemandem zur Eile drängen. Der CDU-Politiker erklärte seine hohe Zufriedenheit mit dem von den Hoch- rechnungen genannten CDU-Ergebnis von 53,2 Prozent. Zur Abgabe von rund drei Prozent sagte er: „Wer soweit oben ist, der schmilzt schneller ab". Der baden-württembergische SPD- Vorsitgende Eppler wertete das Wahl- ergebnis auch als eine persönliche Nie- derlage. „Ich bin sehr enttäuscht, daß es uns nicht gelungen ist, vor allem die jungen Wähler an uns zu binden", sagte Eppler und deutete an, daß die Ent- scheidung der Wähler auch personelle Konsequenzen in der Parteiführung haben könnte. Der Vorsitzende der Liberalen im Südwesten, Jürgen Morlok, der dem FDP-Chef Genscher ausdrücklich ein persönliches Verdienst für das Ab- schneiden der Partei zusprach, hob sei- nerseits den Einsatz Genschers hervor, der zu den Stimmengewinnen beigetra- gen habe. Der frühere baden-württembergi- sche Ministerpräsident Filbinger, der 1976 bundesweit für die CDU mit 56,7 Prozent das bisher höchste Ergebnis bei einer Landtagswahl geholt hatte, erklärte in einer ersten Stellungnahme, die CDU in Baden-Württemberg pend- le sich wieder bei ihrem Ergebnis von 1972 ein. Filbinger zeigte sich zufrie- den, daß die CDU die absolute Mehr- heit erhalten habe. Damit könne man die Politik der Union in Baden-Würt- temberg weiter betreiben. CDU verliert drei Sitze Eppler hat in seinem Wahlkreis Rott- weil sein Mandat verteidigt. Obwohl er gegenüber 1976 an Stimmen verloren hatte, konnte er in der Zweitauszäh- lung die notwendige Stimmenzahl er- reichen. Fortsetzung Seite 2 Der Kommentar Überraschungen Von Georg Spranger Daß den Grünen unter ihrem rühri- gen Führungsmann Hans-Dieter Ha- senclever der Sprung ins Landesparla- ment gelungen ist, ist trotz deren teil- weise spektakulären Achtungserfolgen bei den Europa- und Kreistagswahlen in Baden-Württemberg und dem Ein- zug in die Bremer Bürgerschaft selbst für ihren Sprecher, den Oberstudienrat aus Tübingen, eine ziemliche Überra- schung. Ihr Einzug in das Parlament eines Flächenbundeslandes dürfte der Umweltschutzbewegung weiteren Auf- trieb geben und die These in Frage stellen, daß Lebens- und Naturbewah- rung allein bei den etablierten Parteien gut aufgehoben ist. Überraschend auch der deutliche Rückgang der CDU-Wählerstimmen, hatte die Partei doch mit dem „libera- len" neuen Ministerpräsidenten ihre Wechselwählerstimmen halten und mit Franz-Josef Strauß als Bonner Spit- zenkandidat die „große Wende" im Herbst anvisieren wollen. Immerhin kann Späth das Wahlergebnis als per- sönlichen Erfolg für sich verbuchen, denn er distanzierte sich merklich von einigen Überzogenheiten in der Union (Wahlslogan, Ekeltier-Debatte, Weis- kirch-Zensur). Nicht weniger erstaunlich ist das schlechte Abschneiden der SPD. Noch tiefer als 1976 glaubte man eigentlich nicht abrutschen zu können. Doch es kam anders. Erhard Eppler muß fürch- ten, daß innerhalb der SPD schlechte Zeiten für die von ihm vertretene poli- tische Strömung heraufziehen. Mit ge- sellschaftskritischer Politik, so werden seine parteiinternen Gegner argumen- tieren, sei eben kein Stimmenzuwachs zu erreichen. Obwohl diese Sicht der Dinge doch zu simpel ist. So waren die geringe Wahlbeteiligung und das erst- malige Stimmrecht für 530 000 Jung- wähler geradezu natürliche Verbünde- te der Grünen, und außerdem haben nicht die Sozial-, sondern die Christde- mokraten die meisten Stimmen an die Ökologen verloren. Wider Erwarten stehen die Liberalen als „Wahlsieger" da. Für die FDP, der vor wenigen Monaten kaum noch Chancen auf eine Rückkehr in den Landtag eingeräumt worden waren, hat sich offenbar bezahlt gemacht, sich gleichermaßen von dem „armseligen Tropf" Eppler (so Strauß) und dem „Strauß-Steigbügelhalter Späth" ab- gesetzt zu haben. Ihr Vorsitzender Mor- lok hatte sich bescheiden gegeben und erklärt, er sei froh, wenn wieder „alle Neune" in den Landtag einziehen. Jetzt sind es sogar zehn. In Bonn wird, nach den üblichen Rechnungen über Wählerverschiebun- gen und Auswirkungen dieser und je- ner Strategien, bei SPD und FDP jetzt allerdings eine Frage besondere Aktua- lität gewinnen: Wie soll der Union- Kanzlerkandidat Strauß noch gestoppt werden, nachdem die Umweltschützer, mit dem neuen Stuttgarter Selbstbe- wußtsein im Rücken, durchaus Chan- cen auf drei oder mehr Prozent bei der Bundestagswahl im Oktober haben. BELGRAD/HAMBURG/PARIS. Ei- ne Mißachtung der Politik Jugosla- wiens und ihrer „klaren und dauerhaf- ten Ausrichtung auf Blockfreiheit" hat das Belgrader Parteiblatt „Borba" der sowjetischen Presse vorgeworfen. Die Grundsätze dieser Außenpolitik seien jedoch „der Grenzstein, auf dem die guten Beziehungen zwischen Jugosla- wien und der Sowjetunion errichtet worden sind", schrieb die Zeitung ge- stern. Die „Borba" bezog sich damit erneut auf die Wiedergabe eines Auf- satzes der vietnamesischen Armeezei- tung „Kwan Doi Nan Dan" in der Mos- kauer Presse. Das vietnamesische Blatt hatte die „Belgrader Presse und einige verant- wortliche jugoslawische Funktionäre" kritisiert, sie stellten „im Chor mit Wa- shington und Peking" die Lage in Kam- bodscha und Afghanistan nach dem vietnamesischen und sowjetischen Ein- greifen falsch dar. Die Sowjetunion kann nach Ansicht des österreichischen Panzergenerals Wilhelm Kuntner Jugoslawien nicht aus dem Stand heraus angreifen. In einem Interview des Nachrichtenma- gazins „Der Spiegel" erklärte Kuntner, der als Kommandant der Landesvertei- digungsakademie den militärischen Führungsnachwuchs Österreichs aus- bildet und sich als Delegierter bei den KSZE-Konferenzen von Helsinki und Belgrad als Sprecher der Neutralen profilierte, für einen Angriff auf Jugo- slawien benötige die UdSSR minde- stens weitere 25 Divisionen im jugosla- wischen Grenzraum der Warschauer- Pakt-Staaten. Für die Verlegung dieser Truppen brauche die sowjetische Führung nach Ansicht des Generals etwa vierzehn Ta- ue Dies könne der Westen allein durch Satellitenaufklärung unschwer fest- stellen. Die wenigen Eisenbahnlinien ließen sich einfach beobachten, das gleiche gelte für den Fährbetrieb zwi- schen Odessa und Varna. Der in den Vereinigten Staaten le- bende frühere sowjetische Generalma- jor Pjotr Grigorenko (72) hält einen sowjetischen Angriff auf Westeuropa Ende dieses Jahres für wahrscheinlich. „Die Sowjetunion hat in Afghanistan interveniert, um die Reaktionen ver- schiedener westlicher Länder heraus- zufinden", sagte Grigorenko in einem Interview der französischen Zeitung „Figaro". TEHERAN. Bei den ersten nachrevo- lutionären Parlamentswahlen in Iran hat die konservative religiöse Islamisch Republikanische Partei (IRP) bisher die größten Erfolge verbuchen können. Zwei Tage nach dem ersten Wahlgang kristallisierte sich gestern heraus, daß sich die IRP in allen Teilen des Landes auf dem Vormarsch befand. Nach Auszählung von 120 der insge- samt 191 Wahlkreise zeichnete sich fol- gendes Bild ab: 60 Kandidaten sind bereits im ersten Wahlgang mit absolu- ter Mehrheit gewählt worden, davon 28, die auf der Liste der IRP um einen Sitz im Parlament kämpften. Zehn der mit absoluter Mehrheit gewählten sind dem Lager von Präsident Bani-Sadr tag der absoluten Mehrheit am näch- sten kamen. Unterdessen hat sich die Kritik an dem Wahlgang vom vergangenen Frei- tag verschärft. Der ehemalige Krisen- minister Dariush Foruhar (national- konservativ) hat seine Kandidatur aus Protest gegen die Wahlmanipulationen und Unregelmäßigkeiten, die er vor al- lem den Mitgliedern der IRP anlastete, zurückgezogen. Auch in Täbris prote- stierte ein Großteil der Bewerber aufs schärfste und forderte eine Wiederho- lung der Wahlen in der ost-aserbeid- schanischen Provinzhauptstadt. Präsi- dent Bani-Sadr erklärte der Agentur „Pars", daß „sehr viele Beschwerden" geprüft würden. Trotz drei Prozent Verlust weiter Ministerpräsident Späth hält absolute CDU-Mehrheit Grüne schaffen Sprung in Landtag Auch Eppler-SPD verliert — Stimmengewinne für Liberale unter Morlok Hasenclever über grünen Erfolg: „Umweltschutz gestärkt" Späth mit Wahlergebnis zufrieden — Eppler enttäuscht Presseangriffe zurückgewiesen Belgrad antwortet den Sowjets Militärexoerten schätzen Kreml unterschiedlich ein Bei den Parlamentswahlen: Partei der Mullahs in Persien vorn Kandidaten der Präsident Bani-Sadr stützenden Koalition nicht so erfolgreich PZ vom 17.03.1980

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J (0*2 3t)1 32001-05

Verlag und Druck : J . Eßlinge r7530 Pforzhei m - Poststraß e 5Montag, 17. März 1980Nummer 65 — 70 Pfennig

UNABHÄNQIO E UND ÜBERPARTEILICH E TAOEfZEITUNQ - MEISTOELESEN IM PPORZHElMER WIRTSCHAFTSRAUM

Die Zuversicht des CDU-Spitzenkandidaten Ministerpräsident Späth — rechts zusam-men mit Ehefrau Ursula bei der Stimmabgabe in Bietigheim-Bissingen, wo die CDUentgegen dem Landestrend nur 0,1 Prozent abnahm — bestätigte sich: Er bleibtRegierungschef. Bild links: Nach der Wahl merkte man dem SPD-Landesvorsitzendendie Enttäuschung über das unerwartet schlechte Abschneiden seiner Partei an.

Wahlber.Abg. St.Gült. St.

6 3071194 550 0144 512 861

lern in den Universitätsstädten über-durchschnittliche Gewinne erzielten,viele Stimmen von früheren SPD- undCDU-Wählern erhalten haben. Außer-dem — so die Untersuchungen — hatein Großteil der Nichtwähler von 1976für die Umweltbewegung gestimmt.

Zum Abschneiden der FDP, die ohneKoalitionsaussage in den Landtags-wahlkampf gegangen war, sagte derFDP-Vorsitzende Genscher, die Wäh-ler hätten die Eigenständigkeit und dieSachaussagen im Programm der FDPhonoriert.

Der Landesgruppenchef der CSU inBonn, Friedrich Zimmermann, sprachvon einer gewissen Veränderung derParteienlandschaft, mit der von nun andie etablierten Parteien zu rechnenhätten. Die CDU habe gegen drei Par-teien einen großartigen Erfolg er-rungen.

72,1 (75,5)

Sitze(56,7) 68(33,3) 41(7,8) 10(0,4) -

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CDUSPDFDPDKPGrüneNPDEZB

2 407 8431 468 789

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53,432,58,30,35,30,10,1

Wahlkrei s 42 Pforzhei m Auch das Ergebnis von Baden-Würt-temberg bestätigt einen Trend, der derUnion bei den letzten acht Landtags-wahlen mit Ausnahme von Berlin Stim-menverluste gebracht hat. Das 3,5 Pro-zent-Minus in Baden-Württembergwurde nur durch die Wahl vom Märzdes vergangenen Jahres in Rheinland-Pfalz übertroffen, wo die CDU 3,8 Pro-zent eingebüßt hatte. In beiden Bun-desländern hatte die CDU vor vier Jah-ren allerdings Spitzenergebnisse er-reicht.

Wahlbet .CDUSPDFDPDKPGrün eKBW

72,548,538,18,30,34,80,1

(73,0)(52,6)(37,4)

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26 18920 5494 485

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Reaktion auf Daume

DDR-NOK droh tWahlkrei s 44

Wahlbet .CDUSPDFDPDKPGrün e

Enz

36 96027 9268 746

2113 890

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11,030,3

(5,0)

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gewählt: Hans Roth (CDU)

Demgegenüber kehrte sich für dieSPD der Trend um. Während sie in denLandtagswahlen beginnend von Ham-burg im Juni 78 an siebenmal zulegenkonnte, verzeichnete sie diesmal einenStimmenverlust. Die FDP ist bei ihrerBerg- und Talfahrt nach den Stimmen-verlusten in Schleswig-Holstein undBremen diesmal in Baden-Württem-berg in der Wählergunst etwas voran-gekommen.

BERLIN. Das Nationale OlympischeKomitee (NOK) der DDR hat mit nega-tiven Konsequenzen für die innerdeut-schen Sportbeziehungen gedroht, fallssich das NOK der Bundesrepublik aufWunsch der Bundesregierung gegen ei-ne Teilnahme an den OlympischenSpielen in Moskau aussprechen sollte.Die amtliche DDR-Nachrichtenagen-tur ADN nahm mit dieser Meldung ge-stern abend bezug auf die Erklärungdes bundesdeutschen NOK-Präsiden-ten Will i Daume, der gesagt hatte, dasbundesdeutsche Komitee würde einerEmpfehlung der Bundesregierung ge-gen eine Olympia-Teilnahme wahr-scheinlich folgen.

Erste Analysen des Wahlergebnissesvon Baden-Württemberg des Infas-In-stituts in Bad Godesberg lassen daraufschließen, daß die Grünen, die vor al-Für Sie notiert

Glückwünsch e für Vizeweltmeisteri nZum Abschluß der Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften in Dortmund gratulierte alsSchirmherr Bundespräsident Carstens gestern allen erfolgreichen Aktiven, besondersherzlich der 21 Jahre alten Vizeweltmeisterin Dagmar Lurz (links).

Aber Mehrheit der Engländer gegen den Thatcher-KursBONN. Das Nationale Olympische

Komitee (NOK) wird sich nach Ein-schätzung von NOK-Präsident Will iDaume voraussichtlich gegen eine Teil-nahme der deutschen Sportler an denolympischen Sommerspielen in Mos-kau aussprechen, falls die Bundesre-gierung einen solchen Schritt empfeh-len sollte. Daume äußerte aber zugleichdie Hoffnung, daß die politische Ent-wicklung eine Teilnahme der USA nochermöglicht und damit alle anderenBoykottprobleme gelöst würden.

Er bekräftigte zugleich die Auffas-sung des Internationalen OlympischenKomitees (IOC), nach der die Sowjet-union im Bezug auf die Zukunft Afgha-nistans und das Verbleiben der sowjeti-schen Truppen in diesem Land ein Zei-chen setzen müsse. Der Wunsch desSports sei es nach wie vor, daß dieOlympischen Spiele von Moskau mitder Beteiligung der ganzen Welt statt-finden könnten.

In Großbritannien wurde gestern dasErgebnis einer Meinungsumfrage be-

kannt, wonach die Mehrheit der Eng-länder gegen einen Boykott der Olym-pischen Spiele eingestellt ist. In einervon der Sonntagszeitung „The Obser-ver" veröffentlichten Umfrage spra-chen sich 69 Prozent der Befragten fürdie Entsendung eines englischen Teamsnach Moskau aus. Nur 23 Prozent wa-ren dagegen. 67 Prozent meinten, es seirichtig, daß das IOC an den Spielen inMoskau festhalte. Diese Umfrage dürf-te die Olympia-Debatte heute im engli-schen Unterhaus erheblich angeheizthaben. Das englische Parlament wil lam späten Abend über den Antrag derRegierung abstimmen, die Olympi-schen Spiele zu boykottieren.

Nach der Umfrage sind nur 34 Pro-zent aller Engländer der Auffassung,Premierminister Margaret Thatcherund der amerikanische Präsident Car-ter hätten mit ihrer Boykott-Forderungdie richtige Entscheidung gefällt. 58Prozent meinten, beide Politiker hättenunrecht.

zuzurechnen, drei von ihnen allerdingsbewarben sich auch auf der IRP-Liste.

Der gefürchtete RevolutionsrichterAyatollah Sadegh Khalkali, der in derheiligen Stadt Qom mit großer Mehr-heit gewählt wurde, wird sich allerVoraussicht nach der IRP anschließen.Vier Bewerber der Kurdisch-Demokra-tischen Partei (KDP) haben ebenfals imersten Anlauf den Sprung ins Parla-ment geschafft.

In 62 der ausgezählten Wahlkreisehat entweder kein Bewerber oder — imFall von Kreisen, die zwei und mehrAbgeordnete — nur einer die erforder-liche Mehrheit erhalten. In diesen Be-zirken wird spätestens am 1. April eineStichwahl zwischen jenen Kandidatenstattfinden, die am vergangenen Frei-

Rentner nicht verunsichernMÖNCHENGLADBACH. Die

Rentenversicherung darf nach Auf-fassung der Deutschen Angestell-ten-Gewerkschaft (DAG) „nichtzum innenpolitischen Wahlkampf-thema Nummer eins" werden. Bun-desregierung und die Parteien soll-ten auch die Rentner nicht mit neu-en sozialpolitischen Überlegungenweiter verunsichern, forderte derstellvertretende DAG-VorsitzendeWalter Quartier auf einer Konfe-renz seiner Organisation in Mön-

t chengladbach.

l „Tochter Schild freilassen" !VATIKANSTADT . Daphne j

Schild, die im August vergangenenJahres zusammen mit ihrem Mannund ihrer 15jährigen Tochter aufSardinien entführt worden war,wurde bereits vor acht Wochen frei-gelassen. Das gab Papst JohannesPaul II. gestern in Korn bekannt.Der Paps sagte, er habe diese Infor-mation von der Familie des ausDeutschland stammenden briti-schen Elektroingenieurs RolfSchild erhalten. Johannes Paul ap-pellierte an die Entführer, nun auchAnnabel, die Tochter der FamilieSchild, freizulassen.

gewählt: Hugo Leich t (CDU)

STUTTGART/BONN . Die Grünen haben gestern bei den Landtags-wahlen in Baden-Württemberg mit 5,1 Prozent der Stimmen den Sprungin das zweite Landesparlament der Bundesrepublik geschafft. NachBremen — dort hatten sie vier Abgeordnete ins Parlament gebracht— ziehen sie nun mit wahrscheinlich sechs Vertretern in den StuttgarterLandtag ein. Das ergaben die Hochrechnungen bis 21 Uhr. Die CDUbehauptete trot z deutlicher Stimmenverluste von knapp vier Prozent mitetwa 53,2 Prozent ihr e absolute Mehrheit. Die SPD mußte entgegen denErwartungen weitere Einbußen im Südwesten hinnehmen und kam nurauf rund 33 Prozent (1976: 33,3). Die FDP gewann nach jahrelangerTalfahr t im Stammland Baden-Württemberg leicht hinzu, und zwar umetwa einen halben Prozentpunkt auf ca. 8,5 Prozent.

\ Vorläufige sI Endergebni si Landtagswahl 16. März 1980

An Behinderte denkenLUDWIGSHAFEN. Für mehr

| Solidarität mit den fast sechs Mil -\ lionen behinderten Menschen in derj Bundesrepublik hat der PräsidentI der Bundesanstalt für Arbeit,[ Stingl, in Ludwigshafen die öffent-j! lichkeit aufgerufen. Die Arbeitslo-j sigkeit könne besonders für Behin-I derte gesundheitsschädigende Fol-l gen haben, da die wichtige Selbst-i bestätigung eines von Arbeit erfüll-ii ten Lebens wegfalle. Er bedauerte, jj daß bei den Behinderten die Ar- jj beitslosigkeit nicht in dem Maßel zurückgehe, wie die bei den Ge-i, sunden.

„Wenn die Bundesregierung es wünscht"

Daume: Nich t nach Moskau

Ölpest kommt zum StehenST. BRIEUC. Die Verschmutzung

der bretonischen Strände durch dasj öl des vor einer Woche gesunkenen

Tankers „Tanio" ist gestern zumStehen gekommen. Noch am Sams-tag hatten starke Winde und Hoch-wasser zahlreiche Strände in derNähe von Tregastel im Norden derBretagne mit einer schmierigen öl-schicht überzogen.

\ Dreiländerschulej BASEL. Das Paneuropa-Bil->' dungswerk hat jetzt das Projekt ei-\ ner zum Abitur führenden „Drei-| länderschule" in Riehen bei Basel; Pädagogen, hohen Beamten der Un-j terrichtsbehörden und Kommunal-S Politikern aus dem Drei-Länder-ji Eck vorgestelt. Als Modell für

grenzüberschreitende Schulen solldiese zweisprachig unterrichtendeGanztagsschule mit Internat alleMöglichkeiten zu gemeinsamer Er-ziehung von Kindern aus derSchweiz, Südbaden und dem Elsaßnützen.

Roman/Fernsehen S. 17

Spitzenpolitiker der Bonner Parteiensahen in dem Ergebnis — und damitauch in dem Wahlerfolg der Grünen— keinen Test für die Bundestagswahlam 5. Oktober. Übereinstimmend er-klärten die Vorsitzenden von CDU,SPD und FDP — Kohl, Brandt undGenscher — bei der Bundestagswahlsei eine höhere Wahlbeteiligung (jetztin Baden-Württemberg knapp 73 Pro-zent) zu erwarten und damit nicht si-cher, ob die Grünen auch den Sprung inden Bundestag schaffen. Brandt meinteaußerdem, bei einer Bundestagswahlwürden sich diejenigen anders ent-scheiden, die jetzt bei der Landtags-wahl geglaubt hätten, „es denen daoben zu zeigen."

Kohl verwies darauf, daß in den Vor-stellungen der Grünen ein Stück Pro-test der Jugend stecke, der nichts mitKernenergie zu tun habe. Unter Hin-weis auf die geringere Wahlbeteiligungwarnte er davor, das Ergebnis von Ba-den-Württemberg auf andere Wahlenhochzurechnen. Für die Bundestags-wahl hätten CDU/CSU „eine guteChance".

STUTTGART. Der 34jährige Ober-studienrat und Vorsitzende der Grünenin Baden-Württemberg, Wolf-DieterHasenclever, hat das Landtagswahler-gebnis einen großen Erfolg für seinePartei genannt. Es werde der Umwelt-schutzbewegung Auftrieb geben. SeinePartei habe ihr Wahlziel erreicht, die„verkrustete Parteienlandschaft" auf-zubrechen. Dies sei ein entscheidenderSchritt, der für die Zukunft der Bun-desrepublik nicht ohne Bedeutung sei.Gleichzeitig kündigte Hasenclever an,seine Partei werde bei einem Einzug inden Landtag den Rechtsweg beschrei-ten, wenn ihr kein Fraktionsstatus zu-gebilligt werden sollte.

Nach der wieder errungenen absolu-ten Mehrheit der CDU in Baden-Würt-temberg gibt es für MinisterpräsidentSpäth „keine dramatischen personel-len Veränderungen in den Regierungs-ämtern". Der CDU-Landesvorsitzendeerklärte gestern abend in Stuttgart, erhabe jetzt für die Regierungsbildung„unheimlich viel Zeit". Auch lasse ersich von Niemandem zur Eile drängen.Der CDU-Politiker erklärte seine hoheZufriedenheit mit dem von den Hoch-rechnungen genannten CDU-Ergebnisvon 53,2 Prozent. Zur Abgabe von runddrei Prozent sagte er: „Wer soweit obenist, der schmilzt schneller ab".

Der baden-württembergische SPD-Vorsitgende Eppler wertete das Wahl-ergebnis auch als eine persönliche Nie-derlage. „Ich bin sehr enttäuscht, daß

es uns nicht gelungen ist, vor allem diejungen Wähler an uns zu binden", sagteEppler und deutete an, daß die Ent-scheidung der Wähler auch personelleKonsequenzen in der Parteiführunghaben könnte.

Der Vorsitzende der Liberalen imSüdwesten, Jürgen Morlok, der demFDP-Chef Genscher ausdrücklich einpersönliches Verdienst für das Ab-schneiden der Partei zusprach, hob sei-nerseits den Einsatz Genschers hervor,der zu den Stimmengewinnen beigetra-gen habe.

Der frühere baden-württembergi-sche Ministerpräsident Filbinger, der1976 bundesweit für die CDU mit 56,7Prozent das bisher höchste Ergebnisbei einer Landtagswahl geholt hatte,erklärte in einer ersten Stellungnahme,die CDU in Baden-Württemberg pend-le sich wieder bei ihrem Ergebnis von1972 ein. Filbinger zeigte sich zufrie-den, daß die CDU die absolute Mehr-heit erhalten habe. Damit könne mandie Politik der Union in Baden-Würt-temberg weiter betreiben.

CDU verlier t dre i Sitze

Eppler hat in seinem Wahlkreis Rott-weil sein Mandat verteidigt. Obwohl ergegenüber 1976 an Stimmen verlorenhatte, konnte er in der Zweitauszäh-lung die notwendige Stimmenzahl er-reichen. F o r t s e t z u ng S e i te 2

Der Kommentar

Überraschunge nVon Georg Spranger

Daß den Grünen unter ihrem rühri-gen Führungsmann Hans-Dieter Ha-senclever der Sprung ins Landesparla-ment gelungen ist, ist trotz deren teil-weise spektakulären Achtungserfolgenbei den Europa- und Kreistagswahlenin Baden-Württemberg und dem Ein-zug in die Bremer Bürgerschaft selbstfür ihren Sprecher, den Oberstudienrataus Tübingen, eine ziemliche Überra-schung. Ihr Einzug in das Parlamenteines Flächenbundeslandes dürfte derUmweltschutzbewegung weiteren Auf-trieb geben und die These in Fragestellen, daß Lebens- und Naturbewah-rung allein bei den etablierten Parteiengut aufgehoben ist.

Überraschend auch der deutlicheRückgang der CDU-Wählerstimmen,hatte die Partei doch mit dem „libera-len" neuen Ministerpräsidenten ihreWechselwählerstimmen halten und mitFranz-Josef Strauß als Bonner Spit-zenkandidat die „große Wende" imHerbst anvisieren wollen. Immerhinkann Späth das Wahlergebnis als per-sönlichen Erfolg für sich verbuchen,denn er distanzierte sich merklich voneinigen Überzogenheiten in der Union(Wahlslogan, Ekeltier-Debatte, Weis-kirch-Zensur).

Nicht weniger erstaunlich ist dasschlechte Abschneiden der SPD. Nochtiefer als 1976 glaubte man eigentlichnicht abrutschen zu können. Doch eskam anders. Erhard Eppler muß fürch-ten, daß innerhalb der SPD schlechteZeiten für die von ihm vertretene poli-tische Strömung heraufziehen. Mit ge-sellschaftskritischer Politik, so werdenseine parteiinternen Gegner argumen-tieren, sei eben kein Stimmenzuwachszu erreichen. Obwohl diese Sicht derDinge doch zu simpel ist. So waren diegeringe Wahlbeteiligung und das erst-malige Stimmrecht für 530 000 Jung-wähler geradezu natürliche Verbünde-te der Grünen, und außerdem habennicht die Sozial-, sondern die Christde-mokraten die meisten Stimmen an dieÖkologen verloren.

Wider Erwarten stehen die Liberalenals „Wahlsieger" da. Für die FDP, dervor wenigen Monaten kaum nochChancen auf eine Rückkehr in denLandtag eingeräumt worden waren,hat sich offenbar bezahlt gemacht, sichgleichermaßen von dem „armseligenTropf" Eppler (so Strauß) und dem„Strauß-Steigbügelhalter Späth" ab-gesetzt zu haben. Ihr Vorsitzender Mor-lok hatte sich bescheiden gegeben underklärt, er sei froh, wenn wieder „alleNeune" in den Landtag einziehen. Jetztsind es sogar zehn.

In Bonn wird, nach den üblichenRechnungen über Wählerverschiebun-gen und Auswirkungen dieser und je-ner Strategien, bei SPD und FDP jetztallerdings eine Frage besondere Aktua-lität gewinnen: Wie soll der Union-Kanzlerkandidat Strauß noch gestopptwerden, nachdem die Umweltschützer,mit dem neuen Stuttgarter Selbstbe-wußtsein im Rücken, durchaus Chan-cen auf drei oder mehr Prozent bei derBundestagswahl im Oktober haben.

BELGRAD/HAMBURG/PARIS. Ei-ne Mißachtung der Politik Jugosla-wiens und ihrer „klaren und dauerhaf-ten Ausrichtung auf Blockfreiheit" hatdas Belgrader Parteiblatt „Borba" dersowjetischen Presse vorgeworfen. DieGrundsätze dieser Außenpolitik seienjedoch „der Grenzstein, auf dem dieguten Beziehungen zwischen Jugosla-wien und der Sowjetunion errichtetworden sind", schrieb die Zeitung ge-stern. Die „Borba" bezog sich damiterneut auf die Wiedergabe eines Auf-satzes der vietnamesischen Armeezei-tung „Kwan Doi Nan Dan" in der Mos-kauer Presse.

Das vietnamesische Blatt hatte die„Belgrader Presse und einige verant-wortliche jugoslawische Funktionäre"kritisiert, sie stellten „im Chor mit Wa-shington und Peking" die Lage in Kam-bodscha und Afghanistan nach demvietnamesischen und sowjetischen Ein-greifen falsch dar.

Die Sowjetunion kann nach Ansichtdes österreichischen PanzergeneralsWilhelm Kuntner Jugoslawien nichtaus dem Stand heraus angreifen. Ineinem Interview des Nachrichtenma-gazins „Der Spiegel" erklärte Kuntner,der als Kommandant der Landesvertei-digungsakademie den militärischenFührungsnachwuchs Österreichs aus-bildet und sich als Delegierter bei denKSZE-Konferenzen von Helsinki undBelgrad als Sprecher der Neutralenprofilierte, für einen Angriff auf Jugo-slawien benötige die UdSSR minde-stens weitere 25 Divisionen im jugosla-wischen Grenzraum der Warschauer-Pakt-Staaten.

Für die Verlegung dieser Truppenbrauche die sowjetische Führung nachAnsicht des Generals etwa vierzehn Ta-ue Dies könne der Westen allein durch

Satellitenaufklärung unschwer fest-stellen. Die wenigen Eisenbahnlinienließen sich einfach beobachten, dasgleiche gelte für den Fährbetrieb zwi-schen Odessa und Varna.

Der in den Vereinigten Staaten le-bende frühere sowjetische Generalma-jor Pjotr Grigorenko (72) hält einensowjetischen Angriff auf WesteuropaEnde dieses Jahres für wahrscheinlich.„Di e Sowjetunion hat in Afghanistaninterveniert, um die Reaktionen ver-schiedener westlicher Länder heraus-zufinden", sagte Grigorenko in einemInterview der französischen Zeitung„Figaro".

TEHERAN. Bei den ersten nachrevo-lutionären Parlamentswahlen in Iranhat die konservative religiöse IslamischRepublikanische Partei (IRP) bisher diegrößten Erfolge verbuchen können.Zwei Tage nach dem ersten Wahlgangkristallisierte sich gestern heraus, daßsich die IRP in allen Teilen des Landesauf dem Vormarsch befand.

Nach Auszählung von 120 der insge-samt 191 Wahlkreise zeichnete sich fol-gendes Bild ab: 60 Kandidaten sindbereits im ersten Wahlgang mit absolu-ter Mehrheit gewählt worden, davon28, die auf der Liste der IRP um einenSitz im Parlament kämpften. Zehn dermit absoluter Mehrheit gewählten sinddem Lager von Präsident Bani-Sadr

tag der absoluten Mehrheit am näch-sten kamen.

Unterdessen hat sich die Kriti k andem Wahlgang vom vergangenen Frei-tag verschärft. Der ehemalige Krisen-minister Dariush Foruhar (national-konservativ) hat seine Kandidatur ausProtest gegen die Wahlmanipulationenund Unregelmäßigkeiten, die er vor al-lem den Mitgliedern der IRP anlastete,zurückgezogen. Auch in Täbris prote-stierte ein Großteil der Bewerber aufsschärfste und forderte eine Wiederho-lung der Wahlen in der ost-aserbeid-schanischen Provinzhauptstadt. Präsi-dent Bani-Sadr erklärte der Agentur„Pars", daß „sehr viele Beschwerden"geprüft würden.

Trotz drei Prozent Verlust weiter Ministerpräsident

Späth hält absolut e CDU-Mehrhei tGrün e schaffe n Sprun g in Landta gAuch Eppler-SPD verliert — Stimmengewinne für Liberale unter Morlok

Hasenclever über grünen Erfolg:

„Umweltschutz gestärkt"Späth mit Wahlergebnis zufrieden — Eppler enttäuscht

Presseangriffe zurückgewiesen

Belgra d antworte t den Sowjet sMilitärexoerten schätzen Kreml unterschiedlich ein

Bei den Parlamentswahlen:

Partei der Mullahs in Persien vornKandidaten der Präsident Bani-Sadr stützenden Koalition nicht so erfolgreich

PZ

vom 17.03.1980