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Anlage Beantwortung des Fragenkatalogs Bündnis 90/Die Grünen für Sondersitzung des Finanzausschusses am 29. Juli 2020 „Wir bitten um die Überstellung der Prüfberichte der Sonderprüfungen nach KWG § 44 mit weiteren Erläuterung über die Erkenntnisse und Ergebnisse der Sonderprüfung.“
Zur Bitte um Überstellung der Prüfberichte: Aus dem parlamentarischen Fragerecht ergibt
sich eine Pflicht der Bundesregierung, die ihr gestellten Fragen vollständig und
wahrheitsgemäß zu beantworten. Die Pflicht zur Herausgabe von Akten oder sonstigen
Dokumenten ist davon nicht umfasst. Das Bundesministerium der Finanzen ist an einer
schnellen und umfassenden Aufklärung des Sachverhalts interessiert. Dabei sind die Rechte
Dritter, insbesondere das Persönlichkeitsrecht und der Schutz von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen, zu wahren. Anhand der Bestimmungen zum Datenschutz, zur
Vertraulichkeit des Aufsichts- und Berufsrechts sowie des Insiderrechts war daher zu prüfen,
inwieweit die Gestattung der Einsichtnahme rechtlich zulässig ist und inwieweit eine
Anonymisierung von Angaben erforderlich ist. Nach inzwischen abgeschlossener Prüfung
werden die drei Prüfungsberichte zu den geldwäscherechtlichen Sonderprüfungen bei der
Wirecard Bank AG von KPMG (2010), BPG (2011) und BaFin (2019) sowie der
Prüfungsbericht der Bundesbank zu einer Sonderprüfung des Kreditgeschäfts (2017) vom
Bundesministerium der Finanzen zur Einsichtnahme in die Geheimschutzstelle des Deutschen
Bundestages eingestellt.
Die BaFin hat mit Schreiben vom 06.06.2017 eine Sonderprüfung gemäß § 44 Abs. 1 KWG
angeordnet. Gegenstand der Prüfung war die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation
im Sinne des § 25a Abs. 1 KWG. Anhand des Rundschreibens 10/2012 (BA) vom 14.12.2012
– Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) wurde geprüft, ob das Institut
(d.h. die Wirecard Bank AG) die Anforderungen an die Aufbau- und Ablauforganisation des
Kreditgeschäftes sowie die Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie
Überwachung und Kommunikation der Risiken einhält. Die Schwerpunkte lagen hierbei
neben der Prüfung der Prozesse zur Kreditvergabe auf der Bemessung des Adressenausfall-
risikos im Rahmen der Risikotragfähigkeit. Des Weiteren wurde geprüft, ob die Wirecard
Bank AG die Anforderungen zum (IT-)Auslagerungsmanagement erfüllt. Mit der Durch-
führung der Sonderprüfung wurde die Deutsche Bundesbank beauftragt.
Einer weiteren offenen Beantwortung stehen nach Abwägung mit dem Informationsinteresse
der Fragesteller die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen nach Artikel 12
des Grundgesetzes sowie Ermittlungsinteressen entgegen. Die Antwort erfolgt daher als
Verschlusssache mit dem Grad „VS-Vertraulich“ und ist in der Geheimschutzstelle des
Deutschen Bundestages hinterlegt.
Stand: 12. August 2020
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Nachfragen zur Ausschussdrucksache 19(7) - 548 Antwort auf die Berichtsbitten der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Bundestagsfraktion DIE LINKE. zu den TOPs 8 und 9 (Wirecard)
1. „Sind die in der Antwort auf die Fragen 3 - 5 erwähnten Analysen fortgeschritten und haben sich über die in der Antwort genannten Schwachstellen weitere Erkenntnisse ergeben?“
Die Bundesregierung treibt die Aufklärung im Fall Wirecard weiter voran. Anknüpfend
an die auf die Fragen 3 – 5 erwähnten Analysen wird innerhalb der Bundesregierung
derzeit der Entwurf eines Aktionsplans zur Bekämpfung von Bilanzbetrug und zur
Stärkung der Kontrolle über Kapital- und Finanzmärkte abgestimmt. Die Meinungsbil-
dung ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen.
2. „Hat die BaFin mittlerweile Antworten auf die Zustimmungsersuchen an andere Behörden zu den Fragen 34, 35, 36, 38 und 39 erhalten? Wenn ja, wann sind diese von welchen Aufsichtsbehörden eingetroffen und was waren die jeweiligen Antworten? Inwiefern können die in den entsprechenden Fragen abgefragten Informationen jetzt erteilt werden?“
Angaben zur Kommunikation mit ausländischen Aufsichtsbehörden sind aufgrund der
laufenden Verfahren gegenwärtig nicht öffentlich möglich. Die Informationen werden
daher als Verschlusssache mit dem Grad „VS-Vertraulich“ eingestuft und in der Geheim-
schutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt.
3. „Liegt das in Frage 55 erwähnte Stand-Alone Konzept mittlerweile vor? Ist auf dieser Grundlage nach Auffassung der BaFin die Weiterführung der Wirecard Bank möglich?“
Das Stand-Alone Konzept liegt noch nicht vor.
Zum Bericht der Anwaltskanzlei Rajah & Tann Singapore LLP
4. „Zu welchem Zeitpunkt hat die Bundesregierung über das Vorliegen und die Inhalte des (Zwischen-)Berichts der Anwaltskanzlei Rajah & Tann Singapore LLP zu Wirecard erstmals Kenntnis bekommen?“
Einer offenen Beantwortung stehen nach Abwägung mit dem Informationsinteresse der
Fragesteller Ermittlungsinteressen entgegen. Die Informationen werden daher als Ver-
schlusssache mit dem Grad „VS-Vertraulich“ eingestuft und in der Geheimschutzstelle
des Deutschen Bundestages hinterlegt.
Stand: 12. August 2020
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5. „Wurde der (Zwischen-)Bericht der BaFin oder anderen staatlichen Behörden durch Hinweisgeber in seinem Wortlaut zugespielt?“
Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.
6. „Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung einen Abschlussbericht der Anwaltskanzlei Rajah & Tann Singapore LLP zu Wirecard (vgl. https://ftalphaville.ft.com/2019/04/02/1554204454000/Wirecard--a--final--R-T-report- does-not-exist/9)?“
Es wird auf die Antwort auf Frage 38 verwiesen.
7. „Gibt es neben dem Zwischenbericht vom 04.Mai 2018 (https://ffj-online.org/wp- content/uploads/2019/06/Rajah-Tann.pdf) und den von den Wirecard veröffentlichten Auszügen (https://ir.wirecard.com/download/companies/wirecard/Stellungnahme/20190326_Letter.pdf) weitere Versionen des Berichts, die der Bundesregierung vorliegen und kann die Bundesregierung diese ggf. den Mitgliedern des Bundestages zugänglich machen?“
Am 26. März 2019 hatte die Wirecard AG eine Zusammenfassung der Feststellungen der
Untersuchung der Kanzlei Rajah & Tann Singapore LLP im Wege einer Ad-hoc-
Mitteilung veröffentlicht.
Einer weiteren offenen Beantwortung stehen nach Abwägung mit dem Informationsinte-
resse der Fragesteller Ermittlungsinteressen sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
entgegen. Die Informationen werden daher als Verschlusssache mit dem Grad
„VS-Vertraulich“ eingestuft und in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages
hinterlegt.
8. „Wurde der Bericht in der Folge auch an alle relevanten Stellen, einschließlich der APAS und der DPR weitergeleitet?“
Einer offenen Beantwortung stehen nach Abwägung mit dem Informationsinteresse der
Fragesteller Ermittlungsinteressen entgegen. Die Informationen werden daher als Ver-
schlusssache mit dem Grad „VS-Vertraulich“ eingestuft und in der Geheimschutzstelle
des Deutschen Bundestages hinterlegt.
Stand: 12. August 2020
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Zur Rolle des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi)
9. „Gab es zu einem Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode Gespräche zwischen den Leitungsebenen des BMWI und des BMF zum Thema Wirecard? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, zwischen wem und was war der Inhalt dieser Gespräche?“
10. „Gab es auf fachlicher Ebene eine Abstimmung zum Thema Wirecard zwischen BMWi und BMF? Wenn ja in welcher Form, in welcher Regelmäßigkeit, zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Themen?“
Die Fragen 9 und 10 werden gemeinsam beantwortet. Gespräche und Abstimmungen
zwischen Mitgliedern der Bundesregierung bzw. zwischen einzelnen Ressorts zu
laufenden Themen unterliegen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.
11. „Gab es direkte Gespräche zwischen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern der Wirecard AG und der Leitungsebene des Bundeswirtschaftsministeriums? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, zwischen wem und was war der Inhalt dieser Gespräche?“
Aufgabenbedingt pflegen Mitglieder der Bundesregierung, Parlamentarische Staatssekre-
tärinnen und Parlamentarische Staatssekretäre, Staatsministerinnen und Staatsminister
sowie Staatssekretärinnen und Staatssekretäre der Bundesministerien Kontakte mit einer
Vielzahl an Akteuren. Eine lückenlose Dokumentation über sämtliche Veranstaltungen,
Sitzungen und Termine nebst Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist nicht möglich. Daher
lässt sich insbesondere bei größeren Veranstaltungen (z. B. Festakten, Vorträgen) viel-
fach nicht mehr rekonstruieren, welche Personen konkret teilgenommen haben und wel-
che Gespräche anlässlich dieser Veranstaltungen im Einzelnen geführt worden sind. Dies-
bezügliche Daten sind somit möglicherweise nicht vollständig. Nach den vorliegenden
Informationen fanden keine bilateralen Gespräche und Gespräche in kleinem Rahmen der
BMWi-Leitung mit Vertretern von Wirecard seit Dezember 2013 statt. Nach vorliegen-
den Erkenntnissen hielt die Parlamentarische Staatssekretärin im BMWi Brigitte Zypries
am 28. April 2016 eine Rede bei der Wired-Money-Konferenz, wo als weiterer Sprecher
u.a. Christian van Hammel-Bonten, Vice President Global Product Strategy Wirecard
AG, zugegen war. Zudem waren Vertreter von Wirecard bei zwei Reden von Bundeswirt-
schaftsminister Peter Altmaier mit anschließender Diskussion anwesend:
10. Dezember 2018: Rede und Diskussion mit ca. 20 bis 25 Wirtschaftsvertretern aus
unterschiedlichen Branchen. Im Publikum u.a. Dr. Markus Braun, CEO Wirecard
AG.
15. Februar 2019: Rede und Diskussion mit zahlreichen Vertretern der Wirtschaft und
Wissenschaft im Rahmen der Münchener Sicherheitskonferenz. Im Publikum u.a.
Burkhard Ley, Advisor Wirecard AG.
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12. „Waren Vertreter des BMWi mit weiteren Akteuren mit Bezug zur Wirecard AG (z.B. Beratern im Auftrag der Wirecard AG) außerhalb der Bundesregierung zum Thema Wirecard in Kontakt? Wenn ja, mit wem? Wann fanden die Gespräche statt und was war Ziel der Gespräche?“
Am 9. Juli 2020 hat ein Gespräch zwischen Herrn Parlamentarischen Staatssekretär
Thomas Bareiß und dem Präsidenten sowie den Geschäftsführern der Wirtschaftsprüfer-
kammer (WPK) in Form einer Videokonferenz stattgefunden. Inhalt des Gesprächs waren
ein allgemeiner Austausch über den Fall Wirecard AG sowie mögliche Reformüberlegun-
gen.
13. „Wurde das BMWi von der BaFin, der DPR, der Bundesbank oder von anderer Stelle über die Vorkommnisse bei Wirecard unterrichtet? Wenn ja wann und zu welchen Themen?“
Das BMWi stellt ein ordentliches Mitglied im BaFin-Verwaltungsrat. Im Rahmen der
Sitzung am 29. Juni 2020 unterrichtete die BaFin auch über die Vorgänge rund um die
Wirecard AG.
14. „In welchem Austausch steht das BMWi mit der APAS? D.h. gibt es laufend oder spontane direkte Gespräche und/oder gemeinsame Sitzung zwischen APAS und BMWi? Lässt sich das BMWi über die Tätigkeit der APAS informieren und wenn ja auch welchem Weg?“
Im Rahmen der Rechtsaufsicht des BMWi über die APAS finden regelmäßige Austau-
sche über Rechts- und Auslegungsfragen zu nationalen und europäischen Themen statt.
Die APAS veröffentlicht regelmäßig Jahresberichte über ihre Tätigkeit. Darüber hinaus
informiert die APAS das BMWi einmal im Jahr schriftlich über die laufenden öffentlich-
keitswirksamen Berufsaufsichtsverfahren.
15. „Wie gewährleistet das BMWi die Einhaltung der Geschäfts- und Verfahrensordnungen der APAS?“
Das BMWi erlässt die Geschäftsordnung der APAS und genehmigt die Verfahrensord-
nung der APAS. Es ist Aufgabe der Leitung der APAS, für die Einhaltung der Geschäfts-
ordnung und der Verfahrensordnung Sorge zu tragen. Sofern dem BMWi Anhaltspunkte
für Tatsachen bekannt werden, dass die Geschäftsordnung und die Verfahrensordnung
nicht eingehalten werden, kann es im Rahmen der Rechtsaufsicht tätig werden und die
APAS zur Einhaltung von Geschäfts- und Verfahrensordnung anhalten.
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16. „Hat die Wirecard AG, die Wirecard Bank oder ein anderes Unternehmen im Konzernverbund an Programmen des BMWi teilgenommen, Hilfen in Anspruch genommen oder anderweitige Förderung erhalten? Wenn ja, wann und in welcher Form?“
Die Wirecard AG hat einmalig im Rahmen eines Programms zur Förderung des Absatzes
von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (Umweltbonus) im Jahr 2016 einen Zuschuss für
die Anschaffung eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs erhalten.
Einer weiteren offenen Beantwortung stehen nach Abwägung mit dem Informationsinte-
resse der Fragesteller die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen nach
Artikel 12 des Grundgesetzes entgegen. Die Informationen werden daher als Verschluss-
sache mit dem Grad „VS-Vertraulich“ eingestuft und in der Geheimschutzstelle des
Deutschen Bundestages hinterlegt.
17. „Wurde die Wirecard AG durch das BMWi als Beispiel für einen nationalen Champion verwendet? Wenn ja, bis wann?“
Soweit dies nachvollziehbar ist, hat BMWi die Wirecard AG nicht als Beispiel eines
nationalen Champions verwendet.
18. „Wann, durch wen und zu welchen Themen wurde der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu den Vorkommnissen bei Wirecard unterrichtet?“
Über die Vorgänge rund um Wirecard wurde der Bundeswirtschaftsminister durch die
Fachebene erstmals schriftlich am 19. Juni 2020 (zu den Entwicklungen im Zuge der am
18. Juni 2020 erneuten Verschiebung der Bilanzvorlage für 2019) unterrichtet. Seitdem
wird der Bundeswirtschaftsminister laufend über die aktuellen Entwicklungen rund um
Wirecard informiert.
19. „War der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bei den Entscheidungen zur Einführung eines temporären Leerverkaufsverbotes für Aktien der Wirecard AG beteiligt? Wenn ja, wann und in welcher Form?“
Das Leerverkaufsverbot für Aktien der Wirecard AG ging auf eine Entscheidung der
BaFin zurück. Der Bundeswirtschaftsminister wurde dabei nicht einbezogen.
20. „Sieht der Bundeswirtschaftsminister aufgrund der Erkenntnisse aus dem Fall Wirecard Veränderungsbedarf an der Regulierung der Wirtschaftsprüfung (Rotation, Haftungsgrenzen, Trennung von Beratung und Prüfung etc) und wenn ja, in welchem Bereich und was muss nach Auffassung des Ministers konkret geändert werden?“
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Der Bundeswirtschaftsminister ist offen für Änderungen bestehender Regelungen wie die
Verkürzung von Rotationsfristen, eine stärkere Trennung von Prüfung und Beratung
sowie eine Überprüfung der bestehenden Haftungsgrenzen, weist allerdings darauf hin,
dass die federführende Zuständigkeit für derartige Änderungen überwiegend beim
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz liegt.
21. „Sieht der Bundeswirtschaftsminister aufgrund der Erkenntnisse aus dem Fall Wirecard Veränderungsbedarf in anderen Bereichen der Regulierung und wenn ja, in welchem Bereich und was muss nach Auffassung des Ministers konkret geändert werden?“
Aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums ist zunächst eine gründliche und vollstän-
dige Sachverhaltsaufklärung erforderlich. Das Bundeswirtschaftsministerium wird die
Erfordernisse einer Stärkung der APAS sowie insbesondere das Zusammenwirken von
APAS und BaFin/DPR auf Verbesserungspotenzial prüfen.
Zur Rolle der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS)
22. „Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung Austausche zwischen der DPR und der APAS bezüglich der Wirecard AG?“ a. „Wenn ja, wann und in welcher Form, mit welchen Anliegen und mit welchem
Ergebnis fanden diese Austausche jeweils statt?“
Mit Schreiben vom 20. Juli 2020 informierte die DPR die APAS gemäß § 342b HGB
über ihre Fehlerfeststellung bezüglich des Konzernabschlusses 2018 der Wirecard
AG. Ferner übermittelte die DPR mit Schreiben vom 22. Juli 2020 auf Anfrage der
APAS den vollständigen Sonderuntersuchungsbericht der KPMG mit den nicht-
öffentlichen Anlagen. Die APAS kann nur dann vertrauliche Informationen an die
DPR übermitteln, wenn und soweit sie im Rahmen ihrer eigenen Aufsichtstätigkeit zu
der Auffassung gelangt, dass konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß des geprüften
Unternehmens gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen (§ 66c Abs. 1 Satz 2
WPO). Eine Unterrichtung der DPR durch die APAS über das am 16. Oktober 2019
eingeleitete berufsaufsichtsrechtliche Vorermittlungsverfahren gegen die Ernst &
Young GmbH WPG und die Überführung am 6. Mai 2020 in ein förmliches Berufs-
aufsichtsverfahren erfolgte insofern nicht.
b. „Waren das BMF oder das BMWI jeweils über die Austausche informiert oder darin eingebunden?“
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BMF und BMWi waren über den Austausch zwischen DPR und APAS nicht infor-
miert oder darin eingebunden.
23. „Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung direkte Gespräche zwischen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern der Wirecard AG und der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS)?“ a. „Wenn ja, wann, zwischen wem und was war der Inhalt dieser Gespräche?“
Nach Kenntnis der Bundesregierung gab es keine direkten Gespräche zwischen
Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern der Wirecard AG und der APAS. Die APAS
führt nicht die Aufsicht über Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 319a
Absatz 1 Satz 1 HGB.
24. „Wann hat die APAS nach Kenntnis der Bundesregierung das erste Mal Kenntnis über mögliche Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss und der Bilanzierung der Wirecard AG und den ausländischen Tochterunternehmen erhalten?“
Die APAS hat erstmals im Januar/Februar 2019 durch die Presseberichterstattung der
Financial Times Kenntnis von möglichen Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Wirecard
AG erhalten. Der APAS obliegt nicht die Prüfung und Feststellung von Unregelmäßig-
keiten im Zusammenhang mit Jahresabschlüssen und der Bilanzierung von Unternehmen
von öffentlichem Interesse nach § 319a Absatz 1 Satz 1 HGB.
25. „Hat die APAS nach Kenntnis der Bundesregierung anlasslose oder anlassbezogene Inspektionen der Jahres- oder Konzernabschlussprüfungen der Wirecard AG oder einer ihrer Konzerngesellschaften in der Vergangenheit durchgeführt?“ a. „Wenn ja, wann waren diese, wie lange haben sie gedauert und was waren die
Ergebnisse? Bei anlassbezogenen Prüfungen, was war der Anlass?“
Die APAS führt nach § 66a Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 WPO bei Wirtschaftsprüfern
und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprü-
fungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 319a Absatz 1 Satz 1
HGB durchführen, regelmäßig Inspektionen ohne besonderen Anlass durch. Die Ernst
& Young GmbH WPG führt gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfungen bei
Unternehmen von öffentlichem Interesse durch. Die Ergebnisse der Inspektionen
unterliegen der Verschwiegenheit (§ 66b Absatz 1 WPO).
Darüber hinaus leitet die APAS bei konkreten Anhaltspunkten für Verstöße gegen
Berufspflichten bei der Durchführung von Jahresabschlussprüfungen bei Unterneh-
men von öffentlichem Interesse nach § 66a Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 und 3 WPO
Berufsaufsichtsverfahren gegen Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesell-
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schaften durch. Die APAS hat am 16. Oktober 2019 ein berufsaufsichtsrechtliches
Vorermittlungsverfahren gegen die Ernst & Young GmbH WPG eingeleitet, das nach
Vorlage des KPMG-Sonderuntersuchungsberichts vom 28. April 2020 am
6. Mai 2020 in förmliche Berufsaufsichtsverfahren überführt wurde. Die Berufsauf-
sichtsverfahren dauern an. Gegenstand und Ergebnis eines Berufsaufsichtsverfahrens
unterliegen der Verschwiegenheit (§ 66b Absatz 1 WPO).
26. „Hat sich das BMWi über mögliche Prüfungen durch die APAS bei der Wirecard AG informieren lassen?“
Die APAS führt keine Prüfungen bei der Wirecard AG durch. Die APAS führt nicht die
Aufsicht über Unternehmen von öffentlichem Interesse und ihr obliegt nicht die Prüfung
und Feststellung von Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Jahresabschlüssen.
27. „Sollte es keine anlasslosen oder anlassbezogenen Inspektionen in Bezug auf die Abschlussprüfungen der Wirecard AG seitens der APAS gegeben haben, wie wird dies angesichts stetiger Vorwürfe der Bilanzmanipulation gegen das Unternehmen begründet?“
Es wird auf die Antwort zu Frage 25 verwiesen.
28. „Wie viele Mitarbeiter/innen der APAS waren mit der Prüfung von EY bei Wirecard beschäftigt und in welchem Zeitraum (bitte in Vollzeitäquivalenten angegeben)?“
Nach Einleitung der förmlichen Berufsaufsichtsverfahren gegen die Ernst & Young
GmbH WPG am 6. Mai 2020 und Vorlage der Arbeitspapiere durch die Ernst & Young
GmbH WPG Anfang Juli 2020 sind fünf Mitarbeiter der APAS (4,8 VZÄ) mit den
Berufsaufsichtsverfahren befasst.
29. „Gab es seitens der APAS einen konkret auf die Wirecard AG bezogenen Austausch mit der Wirtschaftsprüferkammer?“ a. „Wenn ja, wann fand dieser Austausch statt und welchen konkreten Anlass und
welche konkreten Ergebnisse hatte er?“ b. „Wenn nein, warum nicht?“
Die Zuständigkeit der APAS umfasst (ausschließlich) die Berufsaufsicht über Wirt-
schaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die gesetzlich vorgeschriebene
Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 319a Absatz 1
Satz 1 HGB durchführen, soweit diese Prüfungen betroffen sind (§ 66a Absatz 6 WPO).
Für die Berufsaufsicht über alle anderen Tätigkeiten von Wirtschaftsprüfern und Wirt-
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schaftsprüfungsgesellschaften ist die Wirtschaftsprüferkammer zuständig (§ 61a WPO).
Mit Schreiben vom 6. Juli 2020 und E-Mail vom 21. Juli 2020 hat die APAS die Wirt-
schaftsprüferkammer auf Presseberichterstattungen zu Beratungstätigkeiten durch einen
anderen Wirtschaftsprüfer bzw. eine andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als die Ernst
& Young GmbH WPG gegenüber der Wirecard AG hingewiesen. Für eine berufsauf-
sichtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes ist die Wirtschaftsprüferkammer (nicht die
APAS) zuständig, da es sich nicht um eine gesetzliche Abschlussprüfungsleistung für die
Wirecard AG handelt, sondern um eine Beratungstätigkeit durch einen Wirtschaftsprüfer
bzw. eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die APAS führt eine öffentliche fachbezo-
gene Aufsicht über die Wirtschaftsprüferkammer (§ 66a Absatz 1 Satz 1 WPO).
30. „War die Wirecard AG oder Prüfungen der Wirecard AG zu irgendeinem Zeitpunkt Thema im Fachbeirat der APAS?“ a. „Wenn ja, wann und was war der Anlass hierfür?“
Der Fachbeirat der APAS hat sich am 2. Juli 2020 ausführlich mit dem Thema
Wirecard AG befasst. Anlass hierfür war die laufende Presseberichterstattung zu dem
Fall Wirecard AG.
31. „Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt eine Qualitätskontrolle durch die Kommission für Qualitätskontrolle bei der WPK in Bezug auf die Abschlussprüfungen bei der Wirecard AG?“ a. „Wenn ja, wann und war die APAS hieran beteiligt?“
Nein. In Qualitätskontrollen der Kommission für Qualitätskontrolle der WPK bei
Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die auch Unternehmen
von öffentlichem Interesse prüfen, werden Abschlussprüfungen von Unternehmen
von öffentlichem Interesse nicht einbezogen. Diese können ausschließlich in die
anlasslosen Inspektionen der APAS nach § 66a Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 WPO
einbezogen werden. Insofern wird auch auf die Antwort zu Frage 25 verwiesen.
32. „Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund des Falles Wirecard Berufsaufsichtsverfahren in die Wege geleitet?“ a. „Wenn ja, wann, gegen wen und wie ist der Stand der Verfahrenen?“ b. „Wenn nein, warum ist dies nach Kenntnis der Bundesregierung bisher noch nicht in
die Wege geleitet oder geboten?“
Die APAS hat am 16. Oktober 2019 ein berufsaufsichtsrechtliches Vorermittlungs-
verfahren gegen die Ernst & Young GmbH WPG eingeleitet, das nach Vorlage des
KPMG-Sonderuntersuchungsberichts vom 28. April 2020 am 6. Mai 2020 in
förmliche Berufsaufsichtsverfahren überführt wurde. Die Berufsaufsichtsverfahren
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dauern an. Gegenstand und Ergebnis von Berufsaufsichtsverfahren unterliegen der
Verschwiegenheit (§ 66b WPO).
Zur Rolle der Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR)
33. „Wie viele Anlassprüfungen, Prüfungen auf Verlangen der BaFin und stichprobenartige Prüfungen hat die DPR nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 5 Jahren jeweils durchgeführt?“
Gemäß den öffentlich zugänglichen Tätigkeitsberichten der DPR
(https://www.frep.info/presse/taetigkeitsberichte.php) hat die DPR die aus der
nachfolgenden Tabelle ersichtliche Anzahl an Prüfungsverfahren abgeschlossen.
Jahr Stichprobe Anlass Verlangen Gesamt
2015 71 6 4 81
2016 87 7 2 96
2017 91 3 5 99
2018 80 3 1 84
2019 79 6 1 86
a. „Wie lange haben diese Prüfungen im Durchschnitt gedauert?“
Gemäß dem öffentlich zugänglichen Tätigkeitsbericht der DPR für das Jahr 2019
(https://frep.info/docs/jahresberichte/2019/2019_tb.pdf) wurde im Zeitraum 2016 bis
2019 ein Prüfverfahren im Durchschnitt nach 8,1 Monaten beendet. 40 Prozent der
Verfahren wurden zwischen 2016 und 2019 innerhalb von sechs Monaten abgeschlos-
sen, 43 Prozent innerhalb von sechs Monaten bis zu einem Jahr. Rund 17 Prozent der
Verfahren dauerten länger als ein Jahr. Je länger Prüfungen dauerten, desto höher war
die Wahrscheinlichkeit einer Fehlerfeststellung.
34. „Wann hat die DPR nach Kenntnis der Bundesregierung erstmals eine Bilanzkontrolle bei der Wirecard AG durchgeführt? Was war der Anlass? Wurden die zuständigen Bundesministerien oder die APAS darüber informiert?“
Erstmals führte die DPR bei der Wirecard AG eine Prüfung für den Konzernabschluss
zum 31. Dezember 2005 durch. Bei dieser Prüfung handelte es sich um eine Stichproben-
prüfung, die mit einer Fehlerfeststellung endete (s. die Veröffentlichung der Bekannt-
machung der Fehlerfeststellung vom 24. April 2008 im Bundesanzeiger, Bereich:
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Rechnungslegung/Finanzberichte, Titel: Veröffentlichung nach § 37q Abs. 2 Satz 1
WpHG).
Ob und ggf. an wen damals Informationen weitergegeben wurden, kann bei der BaFin
wegen abgelaufener Aufbewahrungsfristen nicht mehr nachvollzogen werden. Im Falle
einvernehmlicher Fehlerfeststellungen der DPR ist damals eine Weitergabe an das
Bundesministerium der Finanzen nach üblichem Ablauf nicht erfolgt. Sofern die DPR
damals Fehler in Abschlüssen mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk festgestellt
hat, wurde von ihr üblicherweise die zu diesem Zeitpunkt zuständige Wirtschaftsprüfer-
kammer informiert. Inwieweit noch archivierte Unterlagen seitens des BMF verfügbar
sind (Bundesarchiv), wird überprüft.
Die DPR führte ferner eine stichprobenartige Prüfung des Konzernabschlusses der
Wirecard AG zum 31. Dezember 2011 vom 4. Juli 2012 bis zum 6. Dezember 2012 und
eine stichprobenartige Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2014 vom
15. April 2015 bis zum 5. Dezember 2016 durch. Beide Prüfungen wurden ohne Fehler-
feststellung abgeschlossen.
35. „Hat die DPR nach Kenntnis der Bundesregierung zu irgendeinem Zeitpunkt von sich aus eine Anlassprüfung bei der Wirecard AG durchgeführt? Wenn ja, wann, was war der Anlass, wann war die Prüfung abgeschlossen und was war das Ergebnis?“
Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die DPR am 24. Juni 2020 eine Anlassprüfung
hinsichtlich des verkürzten Abschlusses zum 30. Juni 2019 eingeleitet; am gleichen Tag
hat die BaFin von der DPR eine entsprechende Prüfung verlangt. Im Übrigen hat die DPR
– soweit sich dies vor dem Hintergrund abgelaufener Aufbewahrungsfristen bei der
BaFin noch nachvollziehen lässt – nach Kenntnis der Bundesregierung keine Anlassprü-
fung bei der Wirecard AG durchgeführt.
36. „Hat die DPR nach Kenntnis der Bundesregierung zu irgendeinem Zeitpunkt eine Anlassprüfung bei der Wirecard AG diskutiert? Wenn ja, wann, was war der Anlass und was war das Ergebnis der Diskussion? Wenn nein, weshalb wurde nach Kenntnis der Bundesregierung eine Prüfung trotz vielfältiger medialer Berichte über Ungereimtheiten bei der Wirecard AG nicht durchgeführt?“
Zu etwaigen internen Diskussionen der DPR über die Einleitung einer Anlassprüfung bei
der Wirecard AG liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
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37. „Hat die DPR nach Kenntnis der Bundesregierung zu irgendeinem Zeitpunkt eine stichprobenartige Prüfung bei der Wirecard AG durchgeführt? Wenn ja, wann, wann war die Prüfung abgeschlossen und was war das Ergebnis?“
Es wird auf die Antwort auf Frage 34 verwiesen.
38. „Welche Prüfschritte/-vorgänge wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bei der DPR in Bezug auf die Wirecard AG nach dem Prüfverlangen der BaFin am 15. Februar 2019 und den verschiedenen Erweiterungen und Hinweisen jeweils in die Wege geleitet? Wann wurden die einzelnen Schritte abgeschlossen? Was waren die Zwischenergebnisse?“
Am 15. Februar 2019 beauftragte die BaFin die DPR mit der Prüfung des verkürzten
Konzernabschlusses zum 30. Juni 2018 (nebst Lagebericht) der Wirecard AG. Anlass für
die Beauftragung waren Vorwürfe im Zusammenhang mit Tochtergesellschaften der
Wirecard AG in Singapur und weiteren asiatischen Ländern in der Financial Times vom
30. Januar, 1. Februar und 7. Februar 2019.
Zum Sachverhalt Singapur berücksichtigte die DPR nach Kenntnis der BaFin in der
Prüfung des verkürzten Konzernabschlusses zum 30. Juni 2018 die Ergebnisse der mit
der Untersuchung der Vorwürfe beauftragten Rechtsanwaltskanzlei Rajah & Tann
Singapore LLP (dies betrifft sowohl den Preliminary Report vom 4. Mai 2018 als auch
die Summary of Updated Findings vom 26. März 2019 und den Final Report vom
5. April 2019).
Ebenfalls berücksichtigt wurden die im Konzernabschluss zum 31. Dezember 2018 (auf-
gestellt am 24. April 2019) vorgenommenen Fehlerkorrekturen gemäß IAS 8 (Umsatz-
korrektur für das Geschäftsjahr 2017 1,5 Mio. Euro, Geschäftsbericht 2018, Seite 163f.)
und die diesbezüglichen Erläuterungen des Abschlussprüfers EY im Bestätigungsver-
merk, laut derer von EY gegen die Fehlerkorrekturen „keine Einwendungen“ bestanden
haben.
Am 15. Oktober 2019 erhob die Financial Times Vorwürfe im Zusammenhang mit dem
Drittpartnergeschäft (Third Party Acquirer-Geschäft). Dies teilte die BaFin der DPR mit
und forderte sie zugleich zur Berücksichtigung in der laufenden Prüfung des verkürzten
Konzernabschlusses zum 30. Juni 2018 auf. Die DPR kündigte an, die in der Financial
Times erhobenen Vorwürfe in die laufende Prüfung miteinzubeziehen.
Die Wirecard AG ihrerseits beauftragte die KPMG mit der Durchführung einer Sonder-
untersuchung (im Zeitraum 31. Oktober 2019 bis 27. April 2020). Der Bericht wurde am
28. April 2020 veröffentlicht.
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Nach Erhalt des KPMG-Sonderuntersuchungsberichts hat die DPR die Wirecard AG
hierzu nach Kenntnis der Bundesregierung angehört.
Die BaFin hat die DPR am 30. April 2020 mit der Prüfung des Konzernabschlusses zum
31. Dezember 2018 nebst Konzernlagebericht und am 24. Juni 2020 mit der Prüfung des
verkürzten Konzernabschlusses zum 30. Juni 2019 der Wirecard AG beauftragt. Zudem
hat die BaFin am 25. Juni 2020 von der DPR die Prüfung des Konzernabschlusses zum
31. Dezember 2017 verlangt.
Die DPR ist zu der Einschätzung gelangt, dass die Rechnungslegung im verkürzten Kon-
zernabschluss zum 30. Juni 2018 und im Konzernabschluss zum 31. Dezember 2018
fehlerhaft ist. Beide Fehlerfeststellungen haben zum Inhalt, dass für den jeweiligen Ab-
schluss keine ordnungsgemäße Buchführung vorliegt und der Abschluss deshalb kein den
tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertrags-
lage vermittelt.
Die Wirecard AG, so die Information der DPR an die BaFin vom 20. Juli 2020, hat bei-
den Fehlerfeststellungen nicht zugestimmt und bei den Prüfungen des verkürzten Ab-
schlusses zum 30. Juni 2019 und des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2017 die
Mitwirkung an den DPR-Prüfungen verweigert.
Die BaFin hat am 24. Juli 2020 in allen vier Fällen Verfahren auf der zweiten Stufe des
Bilanzkontrollverfahrens eröffnet. Die Prüfungsanordnungen wurden am 4. August 2020
im Bundesanzeiger bekannt gemacht.
Zeitliche Abfolge der Prüfung des verkürzten Abschlusses zum 30.06.2018 gemäß der
Darlegung der DPR im Schreiben an die BaFin vom 24.06.2020:
15.02.2019: Bescheid der BaFin mit der Aufforderung, eine Verlangensprüfung
einzuleiten
18.02.2019: Mitwirkungsersuchen an die Wirecard AG verschickt
27.02.2019: Mitwirkungserklärung der Wirecard AG erhalten
26.03.2019: Ad-hoc-Mitteilung der Wirecard AG, dass externe Untersuchung ohne
wesentliche Auswirkung abgeschlossen sei
01.04.2019: 1. Fragerunde an die Wirecard AG versandt
23.04.2019: Teil-Lieferung der Antworten und Fristverlängerung für weitere Teile
23.05.2019: Lieferung des 2. Teils der Antworten
11.06.2019: Lieferung weiterer Ergänzungen zur 1. Fragerunde
18.06.2019: 2. Fragerunde an die Wirecard AG versandt
19.06.2019: 1. Zwischenberichterstattung des fallverantwortlichen Prüfers
Stand: 12. August 2020
- 15 -
01.07.2019: Wechsel des fallverantwortlichen Prüfers aufgrund des Ausscheidens von
[…Name entfernt aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes] und
nachfolgend Einarbeitung des neuen fallverantwortlichen Prüfers
12.07.2019: Erhalt der Antworten zur 2. Fragerunde
15.10.2019: Neue Anschuldigungen der FT im Zusammenhang mit Wirecard Dubai und
Irland
21.10.2019: Wirecard beauftragt KPMG als unabhängigen Sonderprüfer
24.10.2019: 2. Zwischenberichterstattung des fallverantwortlichen Prüfers; Erweiterung
des Prüfungsumfangs um weitere Sachverhalte
25.11.2019: Erhalt neuer Vorwürfe u.a. im Zusammenhang mit Unternehmenserwerb in
Indien
17.12.2019: Telefonische Anforderung des KPMG-Auftragsschreibens
21.01 .2020: Erhalt des KPMG-Auftragsschreibens
12.03.2020: 3. Zwischenberichterstattung des fallverantwortlichen Prüfers
28.04.2020: Erhalt des Berichts der KPMG vom 27.04.2020 über die unabhängige
Sonderuntersuchung
22.05.2020: 3. Fragrunde an die Wirecard AG versandt; die Themengebiete waren
Höhe und Existenz der Umsätze im Third Party Acquiring (TPA)
Ausweis der Escrow-Accounts als Zahlungsmittel bzw.
Zahlungsmitteläquivalente
Zwischenlageberichterstattung zum 30.06.2018
Berichterstattung über möglichen „Indian Round Trip"
04.06.2020: Teillieferung von Antworten durch das Unternehmen
10.06.2020: Teillieferung von Antworten durch das Unternehmen (vertrauliche
Kundendaten)
15.06.2020: Teillieferung von Antworten durch das Unternehmen (restliche Unterlagen).
39. „Wurde die DPR jemals auf die Dringlichkeit der Prüfung hingewiesen? Wenn ja, wann, von wem und in welcher Form?“
40. „Was waren die konkreten Punkte, die bei den in der Ausschussdrucksache 19(7)-553 genannten “Quartalsgespräch der BaFin mit der DPR, bei dem auch das Thema „Wirecard-Prüfung“ angesprochen wurde”, zum Thema Wirecard besprochen wurden?“
Die Fragen 39 und 40 werden aufgrund Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.
Nach Einleitung der Prüfung auf Verlangen am 15. Februar 2019 wurde die Prüfung der
DPR in sämtlichen Arbeitstreffen thematisiert:
Stand: 12. August 2020
- 16 -
29. Mai 2019:
Gegenstand waren die Ereignisse rund um die Vorwürfe zu Singapur (zum damaligen
Sachstand der Vorwürfe gegen die Wirecard AG und deren Berücksichtigung im Kon-
zernabschluss 2018 durch das Unternehmen sowie der diesbezüglichen Erläuterungen
von EY im Bestätigungsvermerk, siehe Antwort auf Frage 38).
03. September 2019:
Der Verfahrensstand wurde abgestimmt. Es ergaben sich keine neuen Erkenntnisse.
02. Dezember 2019:
Der Verfahrensstand wurde abgestimmt.
Hinsichtlich der Vorwürfe betreffend Drittpartnergeschäfte wies die BaFin auf die
Relevanz der Prüfung der Buchführungsunterlagen für die Untersuchung des Drittpart-
nergeschäfts hin. Die DPR informierte die BaFin, dass das Ergebnis der unabhängigen
KPMG-Sonderuntersuchung abgewartet werden solle.
28. April 2020:
Gesprächsthema war in Bezug auf die Überprüfung der Vorwürfe zum Drittpartnerge-
schäft die Ankündigung der Veröffentlichung des KPMG-Sonderuntersuchungsberichts
am gleichen Tag. Die DPR gab an, dass sie den gerade erschienenen KPMG-Sonder-
untersuchungsbericht zunächst auswerten müsse. Die DPR konnte zu diesem Zeitpunkt
noch keine Aussage dahingehend treffen, wann ihre Enforcement-Prüfung beendet sei.
09. Juli. 2020:
Die DPR teilt ihre Absicht mit, an diesem Tag die Fehlerfeststellungen für den verkürzten
Konzernabschluss zum 30.06.2018 und den Konzernabschluss zum 31.12.2018 an die
Wirecard AG zu versenden. Die Fehlerfeststellungen beträfen eine nicht ordnungsgemäße
Buchführung sowie einen Verstoß gegen IAS 1.15, da die Abschlüsse kein den tatsächli-
chen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermit-
teln würden.
Seit dem 29. Mai 2019 war die Prüfung bei der Wirecard AG damit in allen Treffen von
BaFin und DPR Thema der Arbeitsgespräche. Die Dringlichkeit war nach Darlegung der
BaFin allen Beteiligten auch aufgrund der Presseberichterstattung bewusst. Die Dring-
lichkeit der Prüfung erhöhte sich mit der Berichterstattung in der Financial Times vom
15. Oktober 2019, auf welche die DPR von der BaFin noch am selben Tag hingewiesen
wurde. Darüber hinaus hat die BaFin weitere Informationen an die DPR weitergegeben
und sich mit der DPR telefonisch mehrfach ausgetauscht (Näheres siehe Antwort auf
Frage 10 a) Kleine Anfrage 19/21113 der Fraktion DIE LINKE vom 16. Juli 2020).
Stand: 12. August 2020
- 17 -
Am 11. Juni 2020 und 23. Juni 2020 wies das im Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz zuständige Fachreferat und am 24. Juni 2020 das im Bundesministe-
rium der Finanzen zuständige Fachreferat Vertreter der DPR auf die Dringlichkeit hin,
die Prüfung zeitnah abzuschließen. Die DPR war sich der Dringlichkeit bewusst.
41. „Wann wurde erstmalig eine gesonderte Vereinbarung zwischen BaFin und DPR nach §3 des Anerkennungsvertrages mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e. V. getroffen? Wann wurde diese jeweils aktualisiert?“ a. „Was sind die wesentlichen Inhalte dieser gesonderten Vereinbarung?“
Mit Unterschriften vom 16. Juli 2010/10. August 2010 wurde eine „Gemeinsame
Absichtserklärung über die Zusammenarbeit der Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht, der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e.V. und deren
Prüfstelle bei der Überwachung von Unternehmensabschlüssen“ unterzeichnet. Sie ist
bis heute in unveränderter Form gültig und enthält Regelungen zur Zusammenarbeit,
zum Prüfverfahren sowie technische Rahmenbedingungen.
42. „Gab es nach §4 des Anerkennungsvertrages mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e. V. eine Sondervereinbarung die einen Bezug zum Fall Wirecard hat?“
Eine solche Vereinbarung gab es nicht.
43. „Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung Verbindungen von Entscheidern der DPR mit der Wirecard AG, Töchtern der Wirecard AG oder sonstigen verbundenen Unternehmen?“
Solche Verbindungen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung
weist darauf hin, dass nach den Vorgaben der Verfahrensordnung der Prüfstelle alle Per-
sonen, die in ein Prüfverfahren einbezogen werden sollen, vor Aufnahme ihrer Tätigkeit
eine Unabhängigkeitserklärung abzugeben haben, nach der Beziehungen geschäftlicher,
finanzieller oder persönlicher Art zu dem zu prüfenden Unternehmen, die die Besorgnis
der Befangenheit begründen würden, nicht bestehen. Als zu prüfendes Unternehmen gilt
neben dem Unternehmen selbst jedes mit dem Unternehmen verbundene Unternehmen.
44. „Welche Aufsichtsratsmandate hatten die Entscheidungsträger in der DPR in den letzten fünf Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils inne?“
Nach Kenntnis der Bundesregierung hatten mit Ausnahme des Präsidenten der Prüfstelle
(Amtsantritt: Juli 2011) weder die Vizepräsidentin der Prüfstelle (Amtsantritt: Juli 2013)
Stand: 12. August 2020
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noch weitere Mitglieder der Prüfstelle Aufsichtsratsmandate in den letzten fünf Jahren
inne. Die nachstehende Tabelle enthält eine Übersicht zu den Aufsichtsratsmandaten des
Präsidenten der Prüfstelle:
I. Laufende
Mandate
Firma Stadt Land Mitgliedschaft Erstbestellung
Ende des
Mandates
VONOVIA SE Bochum Deutschland
Aufsichtsrat
(stv.
Vorsitzender)
HV 06/2013 HV 2023
METRO AG Düsseldorf Deutschland Aufsichtsrat HV 02/2017 HV 2023
TUI AG Hannover Deutschland Aufsichtsrat HV 02/2011 HV 2021
II. Ehemalige
Mandate
Firma Stadt Land Mitgliedschaft Erstbestellung Ende des
Mandates
Österreichische
Post AG Wien Österreich Aufsichtsrat HV 04.2010 06.2013
Wincor Nixdorf
AG Paderborn Deutschland Aufsichtsrat HV 01.2012 01.2016
DMG MORI
SEIKI AG Bielefeld Deutschland Aufsichtsrat HV 05.2010 05.2017
Deutsche
Postbank AG Bonn Deutschland Aufsichtsrat HV 01.1999 2017
Zur Rolle der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY)
45. „Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen um die Prüfqualität des Wirtschaftsprüfungsunternehmens EY überprüfen zu lassen, nachdem dieses wohl über Jahre die Scheinbuchungen der Wirecard AG übersehen und deren Abschlüsse testiert hat?“
Stand: 12. August 2020
- 19 -
Die Ernst & Young GmbH WPG unterliegt regelmäßigen anlasslosen Inspektionen.
Darüber hinaus wurden bezogen auf die Konzernabschlüsse 2015 bis 2019 Berufsauf-
sichtsverfahren eingeleitet. Auf die Antwort zu Frage 25 wird verwiesen.
46. „Können nach Kenntnis der Bundesregierung eventuell Schadensersatzansprüche von Aktionären, Gläubigern, Kunden der Wirecard AG oder sonstigen Gruppen gegen EY geltend gemacht werden?“
47. „Auf welcher Rechtsgrundlage wäre dies gegebenenfalls möglich?“
48. „Gibt es Haftungsbeschränkungen und sind diese nach Auffassung der Bundesregierung hier einschlägig?“ a. „Wenn ja, auf welche Höhe ist die Haftung beschränkt?“
Die Fragen 46 bis 48 werden zusammen beantwortet.
Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers für Pflichtverletzungen
im Rahmen der gesetzlichen Abschlussprüfung bestimmt sich grundsätzlich nach
§ 323 Absatz 1 Satz 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB): Wer vorsätzlich oder fahr-
lässig seine Pflichten verletzt, ist der zu prüfenden Gesellschaft und, wenn ein ver-
bundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus
entstehenden Schadens verpflichtet. Gemäß § 323 Absatz 2 HGB ist die Ersatzpflicht
von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, dabei auf eine Million Euro für eine
Prüfung und bei der Prüfung einer Aktiengesellschaft, deren Aktien zum Handel im
regulierten Markt zugelassen sind, auf vier Millionen Euro für eine Prüfung be-
schränkt.
Neben dieser Haftung des gesetzlichen Abschlussprüfers gegenüber der geprüften
Gesellschaft nach § 323 HGB kann unter engen Voraussetzungen auch eine Haftung
gegenüber dritten Personen – wie beispielsweise Aktionären oder Gläubigern der
geprüften Gesellschaft – in Betracht kommen, die im Vertrauen auf einen uneinge-
schränkt bestätigten, aber fehlerhaften Abschluss für sie nachteilige vermögenswirk-
same Entschlüsse getroffen haben. Diese sog. Dritthaftung kann auf deliktsrecht-
licher, aber u. U. auch auf vertraglicher Grundlage beruhen. Als deliktsrechtliche
Anspruchsgrundlagen kommen in Fällen einer Drittschädigung von Aktionären oder
Gläubigern insbesondere § 823 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbin-
dung mit einem Schutzgesetz (z. B. der Verletzung der Berichtspflicht nach § 332
HGB) und § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) in Betracht. Daneben
ist ggf. eine Dritthaftung des Abschlussprüfers nach den Grundsätzen der von der
Rechtsprechung entwickelten Rechtsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung
zugunsten Dritter denkbar. Die Haftungshöchst-grenzen des § 323 Absatz 2 HGB
finden auf die genannten deliktsrechtlichen Ansprüche Dritter keine Anwendung. Ob
Stand: 12. August 2020
- 20 -
der Abschlussprüfer auch bei Schadensersatzansprüchen Dritter, die auf die
Rechtsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gestützt werden,
unbeschränkt haftet oder sich insoweit auf die Haftungshöchstgrenzen des § 323
Absatz 2 HGB berufen kann, ist in Rechtsprechung und Literatur noch nicht
abschließend geklärt.
Ob und ggf. in welcher Höhe im Fall der Prüfung der Abschlüsse der Wirecard AG
Haftungsansprüche dritter Personen gegen den gesetzlichen Abschlussprüfer
bestehen, werden letztlich die unabhängigen Gerichte zu entscheiden haben. Es ist
nicht Aufgabe der Bundesregierung, hierzu eine Prognose abzugeben.
Zur Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin
49. „Warum hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erst am 15. Februar 2019, also fast 4 Jahre nach der ersten Berichterstattung über Unregelmäßigkeiten bei der Wirecard AG im Rahmen der Artikelserie „House of Wirecard“ der Financial Times, eine Prüfung der Rechnungslegung durch die DPR gemäß §§ 108 Absatz 2, 107 Absatz 1 Satz 1 WpHG veranlasst?“ a. „Was hat die BaFin zu diesem konkreten Zeitpunkt zu diesem Schritt veranlasst?“
b. „Wurde die Möglichkeit einer Prüfung durch die DPR zu einem früheren Zeitpunkt
bereits von der BaFin in Erwägung gezogen und mit Vertretern des
Bundesministeriums der Finanzen diskutiert oder in den Berichten an das BMF
erwähnt?“
Die Fragen 49, 49 a) und b) werden zusammen beantwortet.
Zur Aufklärung der in den Berichten der Financial Times vom 30. Januar 2019,
1. Februar 2019 und 7. Februar 2019 erhobenen Bilanzvorwürfe hat die BaFin am
15. Februar 2019 von der DPR gemäß § 108 Absatz 2 des Wertpapierhandelsgesetzes
eine Prüfung des damals vorliegenden verkürzten Konzernabschlusses zum
30. Juni 2018 nebst zugehöriger Lageberichterstattung verlangt.
Bereits zuvor waren stichprobenartige Prüfungen von Konzernabschlüssen der
Wirecard AG von der DPR durchgeführt worden. Auf die Antwort zu Frage 34 wird
verwiesen. Darüber hinaus leitete die BaFin der DPR Pressartikel im Spiegel vom
30. April 2016 und im Manager Magazin vom 22. Februar 2017 mit den seinerzeit
erhobenen Vorwürfen zu, so dass die DPR diese bei ihrer Bewertung berücksichtigt
hat.
Stand: 12. August 2020
- 21 -
Vor diesem Hintergrund war von der BaFin vor dem 15. Februar 2019 eine Anlass-
prüfung nicht in Erwägung gezogen oder in Berichten an das BMF erwähnt worden.
50. „Gab es in den in der Ausschussdrucksache 19(7) – 553) dargestellten Sachstandsberichte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht aus der BaFin an das BMF zu den Entwicklungen bei der Wirecard AG Hinweise darauf, dass die Kompetenzen und die Befugnisse des BaFin nicht ausreichend sind, um eine wirkungsvolle Kontrolle und Aufsicht durchzuführen?“ a. „Wann konkret gab es Hinweise in diese Richtung?“
Die Frage 50 und Frage 50 a) werden zusammen beantwortet.
Derartige Hinweise gab es nicht.
51. „Hat sich die BaFin im Rahmen ihrer Untersuchung möglicher Marktmanipulationen mittels unrichtiger Bilanzen und Finanzinformationen durch die Wirecard AG an die APAS oder WPK gewandt?“ a. „Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form, mit welchen Anliegen und mit
welchem Ergebnis?“ b. „Waren das BMF oder das BMWI über den Austausch informiert oder darin
eingebunden?“
Die BaFin hat sich im Rahmen ihrer eigenen Untersuchung möglicher Marktmani-
pulationen nicht an die APAS oder die WPK gewandt.
Die APAS wurde erstmals Mitte Mai 2020 von der BaFin über den Fall Wirecard
informiert. Mit Schreiben vom 12. Mai 2020 (Eingang bei der APAS am
18. Mai 2020) hat die BaFin die APAS auf den auf der Internetseite der Wirecard AG
veröffentlichten Sonderuntersuchungsbericht von KPMG hingewiesen. Die BaFin
regte in ihrem Schreiben an zu prüfen, inwieweit die Erkenntnisse aus der Sonder-
untersuchung von KPMG für die Berufsaufsicht der APAS über die Abschlussprü-
fungsgesellschaft Ernst & Young GmbH WPG relevant sein könnten. Am
20. Mai 2020 fand ein Gespräch zwischen BaFin und APAS statt, bei dem fachliche
Einschätzungen zu den einzelnen Themenbereichen des KPMG-Berichts ausgetauscht
wurden und sich beide Seiten über den Stand der jeweiligen Verfahren informierten.
Darüber hinaus informierte die BaFin in diesem Gespräch die APAS erstmalig über
die Anordnung von Verlangensprüfungen bei der DPR in Bezug auf die Abschlüsse
der Wirecard AG zum 30. Juni und 31. Dezember 2018. Ferner übermittelte die
BaFin am 24. Juli 2020 auf Anfrage der APAS den vollständigen Sonderuntersu-
chungsbericht der KPMG mit den nichtöffentlichen Anlagen.
Stand: 12. August 2020
- 22 -
52. „Laut KPMG Bericht geht aus den Kreditbeschlüssen hervor, dass die Kreditvergabe aus „strategischen Überlegungen des Vorstands der Wirecard AG erfolgte“. So heißt es an einer Stelle zu einer Kreditvorlage „Die WDB (Wirecard Bank AG) sieht sich auch als Dienstleister für nahestehende Personen und Unternehmen der Wirecard AG, die auf anderen Geschäftsfeldern erfolgreich mit dem Konzern zusammenarbeiten“. Solche Vorgänge lassen den Schluss zu, dass die Wirecard AG die Bank kontrolliert und die Kreditvergabe der Bank teilweise selbst gesteuert hat. Daraus könnte ein Verstoß gegen Regeln nach MARisk (insb. BTO 1) erfolgt sein.“
Von der Wirecard Bank AG wurden in der Vergangenheit Kredite unter Berücksichti-
gung übergeordneter strategischer Ziele der Wirecard-Gruppe (sog. Kredite an strate-
gische Kunden) vergeben. Die Anbahnung dieser Geschäfte erfolgte durch die Vertriebs-
mitarbeiter der Wirecard AG. Wesentliches Element dieser Kreditvergabe war die Absi-
cherung von Kreditausfällen der Wirecard Bank AG durch selbstschuldnerische Höchst-
bürgschaften (=100%) der Wirecard AG. Die Vergabe von Krediten einer konzernei-
genen Bank für konzernstrategische Zwecke, d.h. Kreditengagements an strategische
Partner, wurde bei der MaRisk-Sonderprüfung 2017 durch die Bundesbank geprüft. Ein
Verstoß gegen die Regeln der MaRisk (insb. BTO 1) erfolgte von der Wirecard Bank AG
hierdurch nach derzeitigem Kenntnisstand nicht. Die Untersuchungen diesbezüglich sind
jedoch vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse noch nicht abgeschlossen.
a. „Wie und wann hat die BaFin auf diese mutmaßlichen Verstöße reagiert?“
Die Frage wird zusammen mit Frage 52 g. beantwortet.
b. „Wann genau lagen der BaFin die Anhänge zum KPMG-Bericht vor?“
Die Wirecard AG hat der BaFin am 19. Mai 2020 den KPMG-Bericht ohne Anony-
misierungen und mit allen Anlagen übermittelt.
c. „Hätte die Wirecard Bank Kredite dieser Größenordnung melden müssen?“
Die Wirecard Bank AG muss im Rahmen des bankaufsichtsrechtlichen Meldewesens
folgende Kreditvergaben anzeigen:
Großkredite gemäß Art. 392 CRR, d.h. Kredite, die insgesamt 10 Prozent der anre-
chenbaren Eigenmittel eines Instituts bzw. einer Institutsgruppe betragen oder über-
steigen. (Zum 31. Dezember 2019 verfügte die Wirecard Bank AG über Eigenmittel
i.H.v. 158 Mio. EUR, d.h. Kredite mit einem Volumen in Höhe von rd. 16 Mio. EUR
waren zum damaligen Zeitpunkt als Großkredite einzustufen und als solche anzuzei-
gen.);
Millionenkredite gemäß § 14 Abs.1 KWG i.V.m. mit der Großkredit- und Millionen-
kreditverordnung, die ein Volumen von einer Million Euro oder mehr betragen.
Stand: 12. August 2020
- 23 -
d. „Hat die BaFin Meldungen zu diesen Kreditvergaben erhalten? Wenn ja, von wem?“
Die BaFin hat entsprechend der unter c. genannten Anforderungen auch Meldungen
der Wirecard Bank AG über die strategischen Kreditvergaben erhalten.
e. „Hatte die BaFin einen kompletten Überblick über die wesentlichen Kreditvergaben
der Wirecard Bank in Asien?“
Die BaFin hat einen Überblick über die wesentlichen, nach den unter c. genannten
Anforderungen meldepflichtigen Kreditvergaben. Demnach stehen Kreditgeschäfte
der Wirecard Bank AG im Bereich der strategischen Kreditengagements, deren Besi-
cherungen sowie der Risikovorsorgebedarf unter Beobachtung.
f. „Sind Kredite dieser Größenordnung bei der Bilanzsumme der Wirecard Bank (1,584 Mrd. Euro zum 31.12.18) im Rahmen einer normal tätigen Bank?“
Die Volumina der Kreditvergaben der Wirecard Bank AG bewegten sich im üblichen
und gesetzlich zulässigen Rahmen. Verstöße gegen die geltenden
Großkreditvorschriften wurden von BaFin und Bundesbank nicht festgestellt. Die
Höhe der maximal zulässigen Kreditvergabe eines Instituts orientiert sich an den
anrechenbaren Eigenmitteln.
g. „Hat die BaFin diese Vorgänge untersucht? Wenn ja, durch welche konkreten Maßnahmen?“
Bei der MaRisk-Sonderprüfung 2017 der Bundesbank, bei der im Schwerpunkt die
Prozesse im Kreditgeschäft geprüft worden sind, wurden sechs sog. strategische
Kredite einbezogen. Anmerkungen der Bundesbank gab es hier bezüglich fehlender
bzw. nicht zielgerechter Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit oder einzelner
fehlender Jahresabschlussunterlagen. Im Ergebnis stellte die Bundesbank bei der
Kreditvergabe im Bereich strategischer Kredite keine schwerwiegenden Mängel (F4)
fest, traf aber eine gewichtige Feststellung (F3). Diese wurde im Rahmen der
Mängelabarbeitung zwischenzeitlich abgestellt.
h. „Ist die BaFin den wiederholt öffentlich bekannt geworden Fällen über kriminelle Aktivitäten im Ausland – unter anderem im Zusammenhang mit Online-Betrug durch binäre Optionen – der Wirecard Bank nachgegangen? Wenn ja, durch welche konkreten Maßnahmen?“
Die BaFin ist diesen Fällen in mehrfacher Hinsicht nachgegangen.
Einer weiteren offenen Beantwortung stehen nach Abwägung mit dem Informations-
interesse der Fragesteller die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen
Stand: 12. August 2020
- 24 -
nach Artikel 12 des Grundgesetzes sowie Ermittlungsinteressen entgegen. Die
Informationen werden daher als Verschlusssache mit dem Grad „VS-Vertraulich“
eingestuft und in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt.
i. „Zu welchen Zeitpunkten – und mit welchem Ergebnis – hat die BaFin in den vergangenen 10 Jahren geldwäscherechtliche Sonderprüfungen bei der Wirecard Bank veranlasst?“
Eine geldwäscherechtliche Sonderprüfung nach § 44 KWG fand vom
07.06.-29.06.2010 in Form einer sog. Anlassprüfung statt und wurde von KPMG nach
entsprechender Vergabe durchgeführt.
Die Ergebnisse der Sonderprüfung beziehen sich ausschließlich auf ein Einzelinstitut
und betreffen Betriebs- und Geschäftsgeheimisse des Instituts. Die Beantwortung
kann daher nicht öffentlich und nur zur Einsichtnahme in der Geheimschutzstelle des
Deutschen Bundestages erfolgen. Zwar können einfachgesetzliche Verschwiegen-
heitsregelungen wie § 9 KWG bzw. § 54 GwG den parlamentarischen Informations-
anspruch nicht beschränken (vgl. BVerfG-Urteil vom 7. November 2017), eine Be-
schränkung ist gleichwohl in bestimmten Fällen im Rahmen einer Güterabwägung
geboten, sofern gleich- oder höherwertige Güter von Verfassungsrang betroffen sind,
die mit dem Informationsanspruch kollidieren. Im Falle von Auskünften, die sich auf
die konkreten Ergebnisse von Sonderprüfungen beziehen, ist regelmäßig das
Betriebs- und Geschäftsgeheimnis (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung des jeweiligen Instituts betroffen und erfordert
eine entsprechend sorgfältige Güterabwägung, die hier eine Beschränkung des
parlamentarischen Informationsanspruchs gebietet.
Die Antwort erfolgt daher als Verschlusssache mit dem Grad „VS-Vertraulich“ und
ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt.
Im Folgejahr fand vom 12.09.-30.09.2011 eine zweite geldwäscherechtliche Sonder-
prüfung nach § 44 KWG (sog. Nachschauprüfung zu den Ergebnissen der Sonder-
prüfung 2010) statt und wurde von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BPG Krefeld
nach entsprechender Vergabe durchgeführt. Die Prüfung ergab, dass festgestellte
Mängel im Wesentlichen abgestellt wurden.
Eine weitere geldwäscherechtliche Sonderprüfung der Wirecard Bank AG fand vom
02.07.- 04.07.2019 nach § 44 KWG (sog. Vor-Ort-Prüfung) statt und wurde von der
BaFin selbst durchgeführt. Im Rahmen der Prüfung wurden in Bezug auf die von der
BaFin festgelegten Prüfungsschwerpunkte keine wesentlichen Mängel festgestellt.
Stand: 12. August 2020
- 25 -
j. „Hat die BaFin jemals eine Zuverlässigkeitskontrolle der Eigentümer der Bank – mithin der Wirecard AG – veranlasst? Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, weshalb nicht?“
Die Zuverlässigkeit der Wirecard AG und ihrer satzungsmäßigen Vertreter wurde
seitens der BaFin zuletzt im Inhaberkontrollverfahren (2. Halbjahr 2018, Entschei-
dung der EZB im Januar 2019) anlässlich des beabsichtigten Erwerbs der direkten
Anteile an der Wirecard Bank AG geprüft. Bei diesem Verfahren handelt es sich um
ein sog. common procedure zusammen mit der EZB gemäß der SSM-Verordnung.
Die Überprüfung ergab keine Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die
Wirecard AG und ihre (damaligen) satzungsmäßigen Vertreter nicht zuverlässig sind,
oder aus anderen Gründen nicht den Anforderungen genügen. Der Antrag wurde im
Januar 2019 abschließend positiv beschieden.
k. „Hat die BaFin in der Vergangenheit die Geschäftsleitung der Wirecard Bank überprüft? Wenn ja, was waren die Ergebnisse und welche Maßnahmen wurden ergriffen? Wenn nein, weshalb nicht?“
Alle Geschäftsleiter-Kandidaten wurden bezüglich ihrer persönlichen Zuverlässigkeit
und fachlichen Eignung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben durch die Aufsicht
geprüft. Bei den Geschäftsleitern ergaben sich zum Zeitpunkt der jeweiligen Prüfung
keine Untersagungsgründe hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit oder fehlenden fachli-
chen Eignung. Ebenso wurden mangels entsprechender Erkenntnisse auch keine
aufsichtlichen Maßnahmen erlassen.
Einer weiteren offenen Beantwortung stehen nach Abwägung mit dem Informations-
interesse der Fragesteller die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen
nach Artikel 12 des Grundgesetzes sowie Ermittlungsinteressen entgegen. Die Infor-
mationen werden daher als Verschlusssache mit dem Grad „VS-Vertraulich“ einge-
stuft und in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt.
53. „Im Dezember ist der langjährige Wirecard Bank-Vorstand Rainer Wexeler aus dem Amt ausgeschieden, während die KPMG-Prüfung noch lief, in dessen Rahmen er auch von KPMG befragt worden ist. Hat die BaFin das Gespräch mit Herrn Wexeler gesucht?“ a. „Wenn ja, mit welchem Ziel und mit welchem Ergebnis?“ b. „Wenn nein, weshalb nicht?“
Die Frage 53 a. und b. werden zusammen beantwortet.
Es hat ein sog. Exit-Gespräch am 31.12.19 zwischen der Bundesbank und Herrn
Wexeler stattgefunden, worüber die BaFin unterrichtet wurde. Die Gründe des
Stand: 12. August 2020
- 26 -
Ausscheidens von Herrn Wexeler wiesen keinen unmittelbaren aufsichtlichen Bezug
auf.
54. „Wie erklärt sich die BaFin die Zunahme der Einzelgeschäfte von BaFin- Beschäftigten mit Wirecard-Aktien von 2019 auf 2020 (Schriftliche Frage Nr. 127 Danyal Bayaz für den Monat Juli 2020) und welche Geschäfte mit Aktienderivaten für die Wirecard AG haben BaFin-Beschäftigte in den vergangenen fünf Jahren gemeldet?“
Nach Angaben der BaFin ist die Zunahme der Geschäfte von 2019 auf 2020 mit
Wirecard-Aktien oder Aktienderivaten im Vergleich zu anderen DAX-Werten, deren
Volatilität steigt oder zu denen es Medienberichterstattung bzw. ad hoc Informationen
gab, nicht ungewöhnlich bzw. nicht auffällig.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) verfügt über ein angemes-
senes internes Kontrollverfahren, um Verstößen gegen den Artikel 14 Marktmissbrauchs-
verordnung (MAR) entgegenzuwirken. Hierzu ist die BaFin nach § 28 Wertpapierhan-
delsgesetz (WpHG) gesetzlich verpflichtet.
Das interne Kontrollverfahren nach § 28 WpHG beinhaltet unter anderem, dass BaFin-
Beschäftigte private Finanzgeschäfte nach § 28 WpHG der BaFin melden müssen. Die
Meldungen werden gemäß § 28 WpHG dahingehend überprüft, dass meldende Beschäf-
tigte keine bestimmungsgemäße Kenntnis zu Insiderinformationen in Bezug auf ein von
ihnen durchgeführtes privates Finanzgeschäft hatten. Diese Überprüfung wird aufgrund
der fachlichen Kompetenz und der notwendigen beschäftigtenbezogenen dienstlichen
Kenntnisse durch die bzw. den Fachvorgesetzte(n) vorgenommen. Zusätzlich werden alle
gemeldeten Finanzgeschäfte anonymisiert auf einen bestehenden Zusammenhang zu den
in der BaFin vorliegenden Ad-hoc-Meldungen (gemäß MAR) überprüft. Bislang wurden
keine Verstöße der BaFin-Beschäftigten gegen das Verbot nach Artikel 14 MAR
festgestellt.
Alle im Jahr 2019 und im Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2020 gemeldeten privaten
Finanzgeschäfte nach § 28 WpHG wurden durch die Fachvorgesetzten genehmigt und
damit bestätigt, dass zu den durchgeführten privaten Finanzgeschäften keine bestim-
mungsgemäßen Kenntnisse über Insiderinformationen vorlagen.
Insgesamt haben in 2019 und 2020 (bis 30. Juni) ca. 20 % der Beschäftigten private
Finanzgeschäfte angezeigt.
Die Anzeigen der privaten Finanzgeschäfte der BaFin-Beschäftigten nach § 28 WpHG
werden nach zwei Jahren durch den Beauftragten für das interne Meldewesen der BaFin
Stand: 12. August 2020
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datenschutzkonform vernichtet. Somit liegen derzeit nur noch Informationen für die
Jahre 2018, 2019 und 2020 vor.
In 2018 waren 1,2%, in 2019 1,7% und vom 01.01.2020 bis 30.06.2020 2,4% aller ge-
meldeten privaten Finanzgeschäfte, Geschäfte mit Wirecard-Aktien oder Aktienderivaten.
Bezogen auf die Geschäfte in Aktienderivaten der Wirecard stellten im Jahr 2018 67%
Erwerbe und 32% Veräußerungen, im Jahr 2019 59% Erwerbe und 41% Veräußerungen
und vom 01.01.2020 bis zum 30.06.2020 58% Erwerbe und 42% Veräußerungen dar.
55. „Mit welchen Aktiengeschäften wurden von BaFin-Beschäftigten in den letzten fünf Jahren die größten Erlöse erzielt und in welchem Umfang tätigten BaFin-Beschäftigte in den letzten fünf Jahren Leerverkäufe (aufgeschlüsselt nach den zehn wichtigsten Unternehmen sowie für die Wirecard AG)?“
In dem Prüfprozess über die privaten Finanzgeschäfte ihrer Beschäftigten nach
§ 28 WpHG kontrolliert die BaFin, ob zum jeweiligen privaten Finanzgeschäft beim
meldenden Beschäftigten bestimmungsgemäße Kenntnisse zu Insiderinformationen vor-
lagen. Es werden nur die Informationen erhoben, die für die Zwecke dieses konkreten
Kontrollverfahrens erforderlich sind. Dazu gehören als Pflichtangaben der Name des/der
meldenden Beschäftigten, die Art des Geschäfts, die Art des Finanzinstrumentes, der
Emittent des Finanzinstrumentes, die Identifikation des Finanzinstrumentes (ISIN), die
Depot-Nummer, die BIC des depotführenden Instituts und das Datum des Auftrags sowie
optional ein Bemerkungsfeld. Angaben zu Stückzahlen, Investitionsvolumen oder Fi-
nanzergebnissen bzw. Erlösen werden nicht erhoben, da es zur Prüfung, ob Insiderinfor-
mationen verwendet wurden, auf diese Angaben nicht ankommt. Weitergehende Infor-
mationen dürfen somit auch gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) VO (EU) 2016/679 (Datenschutz-
Grundverordnung, DSGVO) nicht erhoben werden (bis Inkrafttreten der DSGVO am
25.05.2018 ergab sich dies aus § 3a BDSG a.F).
Eine Einstufung eines privaten Finanzgeschäftes als Leerverkauf ist für die Kontrolle
privater Finanzgeschäfte nach § 28 WpHG ebenfalls nicht erforderlich. Daher liegen
hierzu keine gesonderten Informationen vor.
Zur Rolle des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
56. „Waren Vertreter des BMF mit weiteren Akteuren mit Bezug zur Wirecard AG (z.B. Beratern im Auftrag der Wirecard AG) außerhalb der Bundesregierung zum Thema Wirecard in Kontakt?“
Stand: 12. August 2020
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a. „Wenn ja, mit wem? Wann fanden die Gespräche statt und was war Ziel der Gespräche?“
Es besteht keine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche und
Kontakte – einschließlich Telefonate –, und eine solche umfassende Dokumentation
wurde auch nicht durchgeführt. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen auf
Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und
Aufzeichnungen. Diesbezügliche Daten sind somit möglicherweise nicht vollständig.
Sofern nach Treffen der Bundesregierung mit weiteren Akteuren mit Bezug zur
Wirecard AG gefragt wird, wird die Frage dahingehend interpretiert, dass nur nach
Gesprächen und Treffen gefragt wird, bei denen ein Bezug zur Wirecard AG nach
außen hin erkennbar kommuniziert wurde.
Im Juni 2019 hat es ein Telefonat zwischen Dr. Ulf Gartzke, Partner bei Spitzberg
Partners, und dem im Bundesfinanzministerium u. a. für die Internationale Finanz-
und Währungspolitik zuständigen Staatssekretär Wolfgang Schmidt sowie eine
anschließende Email am 22. Juni 2019 von Dr. Gartzke an Staatssekretär Schmidt
gegeben (siehe auch die Antwort vom 29. Juli 2020 auf die schriftliche Frage von
Herrn Stefan Liebich, MdBs, sowie die Antwort vom 29. Juli 2020 unter 4. auf Seite
5 auf den Fragenkatalog der Bundestagsfraktion FDP zur Chronologie im Wirecard-
Skandal.)
57. „Welche konkreten Maßnahmen sieht der vom BMF vorgelegte Aktionsplan vor?“ a. „Welche der Maßnahmen können national und welche müssen europäisch umgesetzt
werden?“ b. „Welchen Zeitplan sieht das Ministerium für die Umsetzung vor?“
Die Fragen werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Der genannte Aktionsplan liegt gegenwärtig in einer Entwurfsfassung vor. Die Bun-
desregierung stimmt den Entwurf des Aktionsplans zur Bekämpfung von Bilanzbe-
trug und zur Stärkung der Kontrolle über Kapital- und Finanzmärkte zurzeit im
Ressortkreis ab. Mit einem Zeitplan für die Umsetzung ist zu rechnen, wenn die Mei-
nungsbildung zu den konkreten Maßnahmen des Aktionsplans innerhalb der Bundes-
regierung abgeschlossen ist.
58. „Gab es einen Zeitpunkt oder anderen Anhaltspunkt, an dem die Bundesregierung feststellte oder bemerkt hat, dass Kompetenzen für eine effektive Überwachung und Aufsicht über die Wirecard AG nicht ausreicht? Und gab es an irgendeinem Punkt der letzten 8 Jahre eine Diskussion über eine Erweiterung der Kompetenzen für die Aufsichtsbehörden, z.B. durch Gesetzesinitiativen auf EU-Ebene, Bundesebene oder Länderebene? Wenn ja, was wurde diskutiert und wie wurde entschieden?“
Stand: 12. August 2020
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Für eine Überwachung und Aufsicht über die Wirecard AG bestand keine Grundlage, da
die Wirecard AG, soweit bekannt, keine erlaubnispflichtigen Geschäfte tätigte und auch
sonst keine aufsichtsrelevanten Voraussetzungen erfüllte (zur Prüfung vgl. Antworten zu
Fragen 65 und 76). Dies galt auch bezüglich der Einbeziehung der Wirecard AG als
konzernangehöriges Unternehmen in die Beaufsichtigung der Wirecard Bank AG auf
Konzernebene, da die Tochterunternehmen der Wirecard AG weder ausschließlich noch
hauptsächlich als Institute bzw. Finanzinstitute laut BaFin und Bundesbank einzustufen
waren und deshalb der Tatbestand einer konsolidierungspflichtigen Finanzholdinggesell-
schaft gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 der EU-Eigenmittelverordnung Nr. 575/2013 für die
Wirecard AG nicht erfüllt war.
Der Fall Wirecard gibt allerdings Anlass, insbesondere aus bankaufsichtlicher Sicht zu
prüfen, ob die bestehenden (europarechtlichen) Regelungen ausreichend oder ggf. an-
zupassen sind.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung als eine der Prioritäten ihrer derzeitigen Ratsprä-
sidentschaft festgelegt, das von der Europäischen Kommission seit längerem angekündig-
te Digital Finance Package aktiv aufzugreifen. Der Inhalt des Digital Finance Package
wird u.a. einen Legislativvorschlag zur Digital Operational Resilience umfassen. Dabei
wird sich die Bundesregierung für erweiterte Prüf- und Zugriffsrechte nationaler Auf-
sichtsbehörden insb. auf Auslagerungs-Unternehmen der Technologiebranche einsetzen.
Im Rahmen der für 2021 angekündigten Evaluierung der PSD2-Richtlinie wird die Bun-
desregierung außerdem darauf hinwirken, die bestehenden Ausnahmen im Zahlungsver-
kehr für technische Dienstleister zu überprüfen.
Zur Rolle der Bundesbank
Hinweis: Die folgende Vorbemerkung sowie die Beantwortung der Fragen 59 bis 67 erfolgt
im Namen der Bundesbank.
In Deutschland wird die Bankenaufsicht gemeinsam von BaFin und Bundesbank als Teil
des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) wahrgenommen. Insbesondere die lau-
fende Überwachung der Kreditinstitute obliegt der Bundesbank. Aus dem Finanzstabili-
tätsgesetz geht das Mandat der Bundesbank zur Überwachung der Finanzstabilität in
Deutschland hervor (vgl. §1 Abs. 1 FinStabG), das sich auf die Funktionsweise und
Stabilität des Finanzsystems insgesamt bezieht. Die Bundesbank ist über ihre Mitglied-
schaft im Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) in die makroprudenzielle Politik auf
nationaler Ebene eingebunden. Mitglieder des AFS sind neben der Bundesbank das BMF
Stand: 12. August 2020
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und die BaFin. Die Bundesbank analysiert die für die Finanzstabilität maßgeblichen
Sachverhalte, bringt Vorschläge zu makroprudenziellen Maßnahmen in den AFS ein und
bewertet deren Wirksamkeit.
59. „Gab es zu einem Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode Gespräche zwischen den Leitungsebenen der Bundesbank und der BaFin zum Thema Wirecard?“ a. „Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, zwischen wem und was war der Inhalt dieser
Gespräche?“
In Hinblick darauf, dass es bei der Anfrage um eine Aufarbeitung des Zusammen-
bruchs der Wirecard AG geht, sind nachstehend die Gespräche auf Leitungsebene der
Bundesbank aufgeführt, die bis zum 25. Juni 2020 (Insolvenzantrag der Wirecard
AG) stattgefunden haben. Seit dem Insolvenzantrag gab es eine Reihe von Gesprä-
chen zwischen Bundesbank und BaFin bzw. Bundesfinanzministerium auf Leitungs-
ebene.
10.01.2019: Schriftliche Abstimmung der Freigabe von MdV Herrn Prof. Dr. Joachim
Wuermeling zum schriftlichen Entscheidungsverfahren im Supervisory Board des
Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM): Potenzieller Erwerb einer qualifizierten
Beteiligung, i.H.v 100% der Kapital- und Stimmrechtsanteile an Wirecard Bank AG
durch Wirecard AG von der Wirecard Acquiring & Issuing GmbH
15.02.2019: Telefonat zwischen Vizepräsidentin Prof. Dr. Claudia Buch und Frau
Elisabeth Roegele (BaFin), Inhalt: Von der BaFin geplante Allgemeinverfügung zum
Verbot der Begründung und Vergrößerung von Netto-Leerverkaufspositionen in
Aktien der Wirecard AG. Am 17. Februar 2019 hat die BaFin die Bundesbank über
den Stand der laufenden Prozesse in Kenntnis gesetzt. Eine Stellungnahme der Bun-
desbank zu der Allgemeinverfügung erfolgte nicht, da Fragen der Bedrohung der
Finanzstabilität nicht berührt waren und keine Zuständigkeit der Bundesbank hin-
sichtlich von Fragen zum Marktvertrauen besteht. Für weitere Informationen zu den
Hintergründen des Kontakts siehe die Antwort auf Frage 60.
29.06.2020: 38. Sitzung des Verwaltungsrates der BaFin; Bundesbank-Vertreter:
MdV Herr Prof. Dr. Joachim Wuermeling; Inhalt: Entwicklungen bei
Wirecard
29.06.2020: Telefonat MdV Burkhard Balz mit Raimund Röseler (BaFin); Inhalt:
Wirecard Bank AG
27.07.2020: Videokonferenz zwischen Bundesbank, BaFin, BMF und
Bundestagsabgeordneten: Bundesbank-Vertreter: MdV Herr Prof. Dr.
Stand: 12. August 2020
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Joachim Wuermeling; Inhalt: Wirecard, Aktueller Sachstand
60. „Gab es auf fachlicher Ebene eine Abstimmung zwischen Bundesbank und der BaFin zum Thema Wirecard?“ a. „Wenn ja in welcher Form, in welcher Regelmäßigkeit, zu welchem Zeitpunkt und zu
welchen Themen?“
Die fachliche Abstimmung zwischen Bundesbank und BaFin erfolgte in Bezug auf
die Wirecard Bank AG, die als weniger bedeutendes Institut (LSI) direkt von BaFin
und Bundesbank beaufsichtigt wird. Im Rahmen der aufsichtlichen Zusammenarbeit
übernimmt die Bundesbank hierbei die Aufgaben der laufenden Überwachung gemäß
KWG, wobei die BaFin nach den gesetzlichen Bestimmungen die hoheitsrechtlichen
Aufgaben wahrnimmt, d. h. insbesondere den Erlass von Verwaltungsakten und
Allgemeinverfügungen (weitere Details vgl. Antwort zu Frage 62).
Einer weiteren offenen Beantwortung stehen nach Abwägung mit dem Informations-
interesse der Fragesteller die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen
nach Artikel 12 des Grundgesetzes sowie Ermittlungsinteressen entgegen. Die Infor-
mationen werden daher als Verschlusssache mit dem Grad „VS-Vertraulich“ einge-
stuft und in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt.
Mit Anordnung vom 22.06.2020 hat die BaFin Sonderbeauftragte bei der Wirecard
Bank AG bestellt. Diese Sonderbeauftragte sind Beschäftigte der Bundesbank. Seit
Bestellung erfolgt ein täglicher Austausch der BaFin mit den Sonderbeauftragten
sowie der Laufenden Aufsicht der Bundesbank, insbesondere zur Liquiditätssituation
der Wirecard Bank AG unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen des Wirecard
Konzerns.
Darüber hinaus hat die BaFin die Bundesbank vor dem Erlass der am
18. Februar 2019 veröffentlichen Allgemeinverfügung zum Verbot der Begründung
und Vergrößerung von Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien der Wirecard AG am
15. Februar 2019 darüber informiert, dass sie beabsichtige, leerverkaufsbeschrän-
kende Maßnahmen für Aktien der Wirecard AG zu erlassen. Die gesetzliche Grund-
lage für derartige Maßnahmen ist Art. 20 der EU-Leerverkaufsverordnung (Verord-
nung (EU) Nr. 236/2012), die eine Beteiligung der Europäischen Wertpapier- und
Marktaufsichtsbehörde (ESMA) vorsieht. Im Rahmen der nationalen behördlichen
Zusammenarbeit gab es daraufhin zwischen Bundesbank und BaFin auf Fachebene
einen Austausch zu Fragen der Finanzstabilität in diesem Zusammenhang. Eine Stel-
lungnahme der Bundesbank zu dieser Allgemeinverfügung ist aufgrund fehlender
Zuständigkeit der Bundesbank schließlich nicht erfolgt, nachdem Fragen der Bedro-
hung der Finanzstabilität nicht berührt waren und keine Zuständigkeit der Bundes-
Stand: 12. August 2020
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bank hinsichtlich von Fragen zum Marktvertrauen besteht. Für weitere Informationen
vgl. die Antwort auf Frage 59.
61. „Gab es zu einem Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode direkte Gespräche zwischen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern der Wirecard AG und der Leitungsebene der Bundesbank?“ a. „Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, zwischen wem und was war der Inhalt dieser
Gespräche?“
04.09.2019: Treffen zwischen MdV Herrn Burkhard Balz und Herrn Markus Braun
(CEO Wirecard) in der Bundesbank Zentrale in Frankfurt, Inhalt:
Kennenlerngespräch und Meinungsaustausch über digitale Entwick-
lungen im Zahlungsverkehr. Herr Balz war in Begleitung eines Vertre-
ters des Zentralbereichs Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme.
62. „Welche Rolle kommt der Bundesbank allgemein bei der Aufsicht von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten und speziell bei der Aufsicht der Wirecard AG zu?“
Die Zusammenarbeit zwischen BaFin und Bundesbank bei der sog. laufenden Überwa-
chung der Institute ist gesetzlich in § 7 Abs. 1 KWG geregelt. Danach ist die Bundesbank
– auch aufgrund ihrer durch die Hauptverwaltungen gewährleisteten Präsenz in der
Fläche – für den ganz überwiegenden Teil der operativen Bankenaufsicht zuständig. Dies
umfasst u. a. die Auswertung der von den Instituten eingereichten Unterlagen, der Prü-
fungsberichte und der Jahresabschlussunterlagen sowie die Durchführung und Auswer-
tung der bankgeschäftlichen Prüfungen.
Bei der Wirecard AG handelt es sich nicht um ein von Bundesbank und BaFin beauf-
sichtigtes Institut. Innerhalb des Wirecard-Konzerns wird lediglich die Wirecard Bank
AG, eine (indirekte) Tochter der Wirecard AG, als CRR-Kreditinstitut und weniger
bedeutendes Institut (LSI) im Sinne des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) von
Bundesbank und BaFin beaufsichtigt (vgl. auch Antwort zu Frage 60).
63. Wann und in welcher Form hat sich die Bundesbank mit der BaFin zur Wirecard AG ausgetauscht?
Die Wirecard AG unterliegt, wie zuvor dargestellt, nicht der Bankenaufsicht. 2017 wurde
jedoch geprüft, ob die Wirecard AG als Finanzholding-gesellschaft einzustufen ist. Hier-
zu hat die Bundesbank im Februar 2017 eine Stellungnahme an die BaFin verfasst. Zu-
dem war die Bundesbank im Rahmen des Inhaberkontrollverfahrens nach § 2c KWG in
2018/2019, für das im SSM für alle Institute die EZB nach Art. 15 SSM-VO die aus-
Stand: 12. August 2020
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schließlich zuständige Behörde ist, eingebunden (beabsichtigter Erwerb einer bedeuten-
den Beteiligung an der Wirecard Bank AG unmittelbar durch die Wirecard AG) und hat
hierzu im Oktober 2018 eine Stellungnahme an die BaFin verfasst. Der Austausch zwi-
schen Bundesbank und BaFin findet im Rahmen der laufenden Überwachung fortlaufend
statt, dies gilt somit auch im Rahmen von durch die Bundesbank verfassten Stellungnah-
men (weitere Details vgl. Antwort zu Frage 60).
Hinsichtlich des Austauschs zwischen Bundesbank und BaFin über die Allgemeinverfü-
gung der BaFin vom 18. Februar 2019 zum Verbot der Begründung und Vergrößerung
von Netto- Leerverkaufspositionen in Aktien der Wirecard AG wird auf die Antworten zu
den Fragen 59 und 60 verwiesen.
64. „Ist davon auszugehen, dass die Bundesbank nach dem Grundsatz Abschnitt 2.1, Absatz 3 der Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank, kurz Aufsichtsrichtlinie https://www.bundesbank.de/resource/blob/597830/dff524802a575d18b754991cb392 21ef/mL/aufsichtsrichtlinie-data.pdf) “zu jeder Zeit über den gleichen Informationsstand” verfügte?“
Der genannte Grundsatz bezieht sich auf die Zusammenarbeit bei der gemeinsamen
Beaufsichtigung von bedeutenden Instituten (SIs) und ist damit für weniger bedeutende
Institute (LSIs), wie der Wirecard Bank AG, nicht einschlägig. Unabhängig hiervon
erfolgt eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit von BaFin und Bundesbank bei
der Beaufsichtigung von LSIs. Ziel der Aufsichtsrichtlinie im Bereich der LSIs ist es, die
Schnittstellen zwischen den Aufgaben der BaFin und den Aufgaben der Bundesbank so
abzugrenzen, dass die Verantwortlichkeiten klar zugeordnet und der für die Aufgaben-
erfüllung erforderliche Informationsfluss gewährleistet wird (siehe Präambel a.E.). Es ist
deshalb davon auszugehen, dass die Bundesbank den gleichen Informationsstand wie die
BaFin hat.
65. In welcher Form war die Bundesbank in die Diskussion, was die Einstufung der Wirecard AG als Technologieunternehmen angeht, eingebunden? Wenn sie nicht eingebunden war, warum nicht?
Die Bundesbank hat als Teil ihrer Aufgaben im Rahmen der laufenden Überwachung im
Februar 2017 eine Stellungnahme an die BaFin zu der Frage verfasst, ob die Wirecard
AG bankaufsichtsrechtlich als Finanzholdinggesellschaft einzustufen ist. Der Begriff
„Technologieunternehmen“, wie in der Frage formuliert, ist kein aufsichtsrechtlicher
Begriff und wird in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich genutzt.
Stand: 12. August 2020
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Bundesbank und BaFin kamen zu dem Schluss, die Wirecard AG nicht als Mutterfinanz-
holding-Gesellschaft im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Ziffer 30 CRR einzustufen, da sie nicht
die Kriterien für die Einstufung als Finanzholding-Gesellschaft nach Art. 4 Abs. 1 Ziffer
20 CRR erfüllt. Danach ist für die Bejahung einer Finanzholding-Gesellschaft
erforderlich, dass es sich bei den Tochterunternehmen der Holding-Gesellschaft
„ausschließlich oder hauptsächlich“ um Finanzinstitute handelt.
Im Ergebnis wurde das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „hauptsächlich“ im Sinne
der Definition der Finanzholding-Gesellschaft (Art. 4 Abs. 1 Ziffer 20 CRR) verneint.
Zur Auslegung des Kriteriums „hauptsächlich“ wurde die nicht bindende Q&A Nr. 796
der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA) aus dem Jahr 2014 herangezogen. Das
Tatbestandsmerkmal „hauptsächlich“ bezieht sich demnach auf eine Situation, in der
mehr als 50 % des Eigenkapitals, der konsolidierten Vermögensgegenstände, der
Umsätze, des Personals oder anderer Indikatoren, die von der für die Holding-Gesell-
schaft zuständigen Behörde als relevant erachtet werden, Tochtergesellschaften zugeord-
net sind, die Institut oder Finanzinstitut sind.
Auf Grundlage von Zulieferung der Wirecard Bank AG stellte die Bundesbank alle
gruppenangehörigen Unternehmen (per 31.12.2015: 41 Unternehmen) mit Angaben zu
Geschäftstätigkeit, Beteiligungsbuchwert, Beteiligungsquote und den Indikatoren für das
Tatbestandsmerkmal „hauptsächlich“ (Höhe des bilanziellen Eigenkapitals, Höhe der
Vermögensgegenstände (bilanziell und außerbilanziell), Jahresüberschuss, Umsatz und
Personalbestand per 31.12.2015) dar. Ausweislich der von der Wirecard Bank AG zur
Verfügung gestellten Angaben und Werte wurde die 50 % Schwelle bei den Kriterien
Eigenkapital, Umsätze und Personal deutlich unterschritten.
Lediglich die Vermögenswerte der Unternehmen, die Finanzinstitut oder Institut waren,
überschritten 50 % aller Vermögenswerte. Allerdings erfolgte die Analyse dieses Indika-
tors auf Basis nicht-konsolidierter Daten, während die EBA-Auslegung eine Verwendung
konsolidierter Daten aus der Konzernrechnungslegung vorsieht. Eine Aufstellung der um
Konsolidierungseffekte bereinigten Vermögenswerte für die Tochterunternehmen wurde
nicht nachgefordert. Angesichts der Haupttätigkeit des Wirecard-Konzerns als Techno-
logiedienstleister mit einem transaktionsorientierten Geschäftsmodell stellten die Vermö-
genswerte zudem nach Ansicht von Bundesbank und BaFin kein geeignetes Kriterium zur
Klassifizierung der Wirecard AG als Finanzholding-Gesellschaft dar. Denn die Aussage-
kraft der relativen Höhe der Vermögensgegenstände in Bezug auf die Bedeutung der
Einzelunternehmen der Gruppe mit Blick auf das Geschäftsmodell der Gruppe ist ins-
gesamt gering.
Stand: 12. August 2020
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Demgegenüber wurde 2017 die Zwischenholding Wirecard Acquiring & Issuing GmbH
(WCAI), die zu 100% der Wirecard AG gehört und ihrerseits zu 100% Eigentümer der
Wirecard Bank AG ist, als Finanzholding eingestuft. Denn zu ihr gehörten damals neben
der Wirecard Bank AG ausschließlich Finanzinstitute.
Allerdings hätte eine Konsolidierung auf Zwischenholdingebene (d.h. auf Ebene der
Wirecard Acquiring & Issuing GmbH) aus damaliger Perspektive geringen aufsichtlichen
Mehrwert gehabt, da es sich bei der Wirecard Acquiring & Issuing GmbH um eine reine
Holding ohne operatives Geschäft handelte, zu der neben der von der BaFin beaufsichtig-
ten Wirecard Bank AG nur die von der britischen Finanzaufsicht (FCA) beaufsichtigte
Wirecard Card Solutions Ltd. sowie ein kleines türkisches E-Geld Institut (Wirecard
Ödeme ve Elektronik Para Hizmetleri A.S.) gehörten. Außerdem befand sich BaFin
damals im laufenden Dialog mit der Wirecard AG wegen einer von dieser angestrebten
Umstrukturierung des Konzerns.
Diese Einstufung veranlasste die Wirecard AG, eine Umstrukturierung im Wege einer
„Umhängung“ der Wirecard Bank AG direkt unter die Mutter zu verfolgen. Die Zwi-
schenholding hätte dann den Charakter als Finanzholding verloren, weil kein beaufsich-
tigtes Institut mehr in ihrem Eigentum gewesen wäre. Bei der Wirecard AG hätte die
Umstrukturierung nicht zu einer Einstufung als Finanzholding geführt, weil sich der
Anteil der Finanzinstitute nicht erhöht hätte.
Die bankaufsichtliche Einstufung als Finanzholdinggesellschaft hätte allerdings nur dazu
geführt, dass die Finanzholdinggruppe auf konsolidierter Basis beaufsichtigt wird. In den
bankaufsichtlichen Konsolidierungskreis wären dabei nur Institute, Finanzinstitute und
Anbieter von Nebendienstleistungen (insbesondere Verwaltung von Immobilien und
Rechenzentren für Gruppenunternehmen) einbezogen worden. Unternehmen in der
Gruppe, die nicht darunterfallen, wären hingegen nicht in die bankaufsichtliche Konsoli-
dierung einbezogen worden. Die Aufsicht einer Finanzholdinggruppe auf konsolidierter
Basis beinhaltet insbesondere, dass die in den Konsolidierungskreis einbezogenen Unter-
nehmen die Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen auf konsolidierter Ebene einhal-
ten müssen. Bei der Beaufsichtigung auf konsolidierter Ebene wäre der testierte Jahresab-
schluss der Finanzholdinggruppe zugrunde gelegt worden. Falls die Wirecard AG als
Finanzholdinggesellschaft eingestuft worden wäre, wäre ohne konkreten Anlass auch
keine Prüfung der Konzernbilanz der Wirecard AG erfolgt, weil bankaufsichtliche
Prüfungen nicht die Rechnungslegung der Finanzholdinggesellschaft als solche betrach-
ten, sondern nur die Erfüllung der bankaufsichtlichen Anforderungen auf konsolidierter
Ebene zum Gegenstand haben. Hierbei wäre auch die Wirecard Bank AG als oberstes
Institut innerhalb der Gruppe für die Einhaltung der Verpflichtungen gegenüber der
Aufsicht verantwortlich gewesen.
Stand: 12. August 2020
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66. „War die Bundesbank bei der Anordnung, Zusammenstellung der Teams und Auswertung von Prüfungen nach § 44 KWG bei der Wirecard Bank beteiligt? Wenn nein, warum nicht?“
Die Bundesbank führte im Juli 2017 im Auftrag der BaFin eine Prüfung der Ordnungs-
mäßigkeit der Geschäftsorganisation der Wirecard Bank AG nach § 44 KWG durch.
Anhand des Rundschreibens 10/2012 (BA) vom 14.12.2012 – Mindestanforderungen an
das Risikomanagement (MaRisk) wurde geprüft, ob das Institut (d.h. die Wirecard Bank
AG) die Anforderungen an die Aufbau- und Ablauforganisation des Kreditgeschäftes
sowie die Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und
Kommunikation der Risiken einhält. Die Schwerpunkte lagen hierbei neben der Prüfung
der Prozesse zur Kreditvergabe auf der Bemessung des Adressenausfallrisikos im Rah-
men der Risikotragfähigkeit. Des Weiteren wurde geprüft, ob die Wirecard Bank AG die
Anforderungen zum (IT-)Auslagerungsmanagement erfüllt. Die Überprüfung der Abstel-
lung der Feststellungen im Rahmen der Prüfungsmängelnachverfolgung haben BaFin und
Bundesbank entlang ihrer jeweiligen Zuständigkeiten gemeinsam vorgenommen.
Im Juli 2019 führte die BaFin eine geldwäscherechtliche Prüfung nach § 44 KWG bei der
Wirecard Bank AG durch (vgl. Antwort auf die Frage 52i). Die BaFin hat die Bundes-
bank im Vorfeld und Nachgang hierzu informiert, eine rechtliche Zuständigkeit besitzt
die Bundesbank in diesem Bereich nicht.
67. Hätten der Bundesbank weitere Maßnahmen im Fall Wirecard zur Verfügung gestanden, von denen kein Gebrauch gemacht wurde?
Als CRR-Kreditinstitut darf die Wirecard Bank AG Zahlungsdienstleistungen erbringen
und unterliegt der Aufsicht nach KWG und ZAG durch BaFin und die Bundesbank. Die
Bundesbank hat die ihr nach dem Gesetz übertragenen Aufgaben der laufenden Überwa-
chung in Bezug auf die Wirecard Bank AG umfassend und sachgerecht wahrgenommen.
Da weder die Wirecard AG noch eine Konzerntochter ein Zahlungsverkehrssystem i.S.d.
Art. 2. Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 795/2014 betreibt oder als Verfahrenseigner eines
Zahlungsinstruments fungiert, unterliegt sie nicht der Zahlungsverkehrsüberwachung des
Eurosystems.
68. „Gibt es aus Sicht der Bundesregierung aufsichtliche Versäumnisse bei der Bundesbank im Fall der Wirecard AG, Wirecard Bank oder anderen verbundenen Unternehmen?“
Lediglich die Wirecard Bank AG obliegt als CRR-Kreditinstitut und als weniger bedeu-
tendem Institut (LSI) der Aufsicht durch BaFin und Bundesbank. Nach dem bisherigen
Kenntnisstand haben BaFin und Bundesbank jederzeit sachgerecht entsprechend ihres
gesetzlichen Mandates und ihrer Zuständigkeiten gemäß KWG gehandelt.
Stand: 12. August 2020
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69. „Gibt es aus Sicht der Bundesregierung Reformbedarf was die Rolle der Bundesbank im Aufsichtssystem angeht?“
Die Rolle der Bundesbank in der Bankenaufsicht – auch in Abgrenzung zur BaFin – hat
sich bewährt und passt sich gut in ihre gesetzlichen Aufgaben ein. Durch ihre Geschäfts-
beziehungen mit den Kreditinstituten und die dezentrale Durchführung der Bankenauf-
sicht durch die Hauptverwaltungen ist die Bundesbank nicht nur der Ansprechpartner vor
Ort, sondern sie verfügt durch ihre Marktnähe und Rolle als Notenbank auch über weit-
reichende Erkenntnisse aus dem Finanzsektor. Zudem hat sie durch die jahrzehntelange
Praxis bei der Wahrnehmung der laufenden Überwachung die hierfür notwendige Exper-
tise aufgebaut. Die Bundesregierung hat sich im Jahr 2014, als die notwendigen organi-
satorischen Anpassungen an den SSM vorgenommen wurden, auch für die Beibehaltung
der zwischen Bundesbank und BaFin bewährten Arbeitsteilung entschieden.
Vor dem Hintergrund der Aufarbeitung der Umstände im Fall Wirecard hat Bundesfi-
nanzminister Scholz in seinem Aktionsplan auch eine Überprüfung des Aufsichtsansatzes
der BaFin in Hinblick auf die Risiken komplexer Konzernstrukturen angekündigt. Dies
kann ggf. auch Auswirkungen auf die Rolle der Bundesbank im Aufsichtssystem haben.
Zur Rolle des Bundeskanzleramts
Vorbemerkungen:
Es wird grundsätzlich auf die Chronologie des Bundeskanzleramts vom 21. Juli 2020 verwie-
sen, die dem BT-FA am 29. Juli 2020 in Zusammenhang mit der Beantwortung des Fragen-
katalogs der Fraktion DIE LINKE vom BMF übermittelt wurde.
Sofern sich die Fragen nicht auf einen konkreten Zeitpunkt beziehen, wird für die Beantwor-
tung der Zeitraum auf die laufende Legislaturperiode begrenzt.
Sofern nach Treffen der Bundesregierung mit Vertretern der Wirecard AG gefragt wird, wird
die Frage dahingehend interpretiert, dass nur nach Gesprächen und Treffen gefragt wird, bei
denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens Wirecard AG im Rahmen ihrer
Tätigkeit für dieses Unternehmen und nach außen hin erkennbar teilgenommen haben.
Es besteht keine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche und Kontakte –
einschließlich Telefonate –, und eine solche umfassende Dokumentation wurde auch nicht
durchgeführt. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen auf Grundlage der vorliegenden
Erkenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und Aufzeichnungen. Diesbezügliche Daten sind
somit möglicherweise nicht vollständig.
Stand: 12. August 2020
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70. „Gab es zu einem Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode direkte Gespräche zwischen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern der Wirecard AG und Vertretern des Bundeskanzleramts?“ a. „Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, zwischen wem und was war der Inhalt dieser
Gespräche?“
Am 19. November 2018 nahm Frau StMin Bär an einer Betriebsbesichtigung der
Wirecard AG in Aschheim in Gegenwart von Dr. Markus Braun, CEO der Wirecard
AG, Burkhard Ley, Strategischer Berater des Vorstands der Wirecard AG und Jörn
Leogrande, Executive Vice President, teil.
Am 11. September 2019 fand ein Gespräch von Herrn Prof. Dr. Röller mit Herrn
Klaus-Dieter Fritsche, ehemaliger Beauftragter für die Nachrichtendienste des
Bundes, Alexander von Knoop, Finanzvorstand Wirecard AG, und Burkhard Ley,
Strategischer Berater des Vorstands Wirecard AG statt (siehe auch die Antwort auf
Frage 71). Das Gespräch diente in erster Linie dem gegenseitigen Kennenlernen.
Zudem informierte die Wirecard AG in allgemeiner Form über ihre Geschäfts-
aktivitäten in Fernost.
Am 13. Mai 2020 bat das Büro von Herrn Dr. Markus Braun telefonisch um einen
Termin für ein Telefonat mit Herrn Prof. Röller. Das Telefonat wurde für den
19. Mai 2020 vereinbart und kurzfristig auf den 20. Mai 2020 verschoben. In dem
Telefonat wies Herr Dr. Markus Braun den in der Presse zirkulierten Vorwurf der
Bilanzfälschung zurück und sicherte vollständige Aufklärung zu. Herr Prof. Dr.
Röller nahm die Ausführungen zur Kenntnis.
Am 10. Juni 2020 fand eine Videokonferenz der Bundeskanzlerin und des Chefs des
Bundeskanzleramts mit Vertretern der Dax-30-Unternehmen zur Vorstellung der
Corona-Warn-App statt, an der für die Wirecard AG Dr. Markus Braun teilnahm.
71. „Waren Vertreter des Bundeskanzleramts mit weiteren Akteuren mit Bezug zur Wirecard AG (z.B. Beratern im Auftrag der Wirecard AG) außerhalb der Bundesregierung zum Thema Wirecard in Kontakt?“ a. „Wenn ja, mit wem? Wann fanden die Gespräche statt und was war Ziel der
Gespräche?“
Am 13. August 2019 wandte sich Herr Klaus-Dieter Fritsche, ehemaliger Beauftrag-
ter für die Nachrichtendienste des Bundes, an das Bundeskanzleramt und bat um
einen Gesprächstermin für die Wirecard AG bei Herrn Prof. Dr. Röller am
11. September 2019. Am 2. September 2019 konkretisierte Herr Klaus-Dieter Fritsche
per E-Mail seine Terminanfrage bei Herrn Prof. Dr. Röller am 11. September 2019,
und informierte, dass für Wirecard Alexander von Knoop, Finanzvorstand Wirecard
Stand: 12. August 2020
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AG, und Burkhard Ley, Strategischer Berater des Vorstands Wirecard AG, teilneh-
men würden. Das Gespräch von Herrn Prof. Dr. Röller mit Herrn Klaus-Dieter
Fritsche, Alexander von Knoop, Finanzvorstand Wirecard AG, und Burkhard Ley,
Strategischer Berater des Vorstands Wirecard AG fand am 11. September 2019 statt.
Das Gespräch diente in erster Linie dem gegenseitigen Kennenlernen. Zudem
informierte die Wirecard AG in allgemeiner Form über ihre Geschäftsaktivitäten in
Fernost.
Die Bundeskanzlerin hat am 3. September 2019 mit Herrn Karl-Theodor zu
Guttenberg im Vorfeld ihrer Reise nach China gesprochen. In jeder Legislaturperiode
finden aufgabenbedingt regelmäßig Kontakte mit verschiedenen Akteuren auf Lei-
tungsebene statt. Dabei wird in der Regel eine Vielzahl von Themen angesprochen,
die nicht im Detail nachgehalten bzw. nachvollzogen werden können, zumal Ge-
sprächsinhalte grundsätzlich nicht protokolliert werden. Es entspricht der üblichen
Praxis, dass im Nachhinein Kontakte zur Fachebene bestehen. Dies betrifft auch das
Gespräch der Bundeskanzlerin am 3. September 2019 mit Herrn Karl-Theodor zu
Guttenberg.
Herr zu Guttenberg hat im Anschluss am 3. September 2019 Herrn Prof. Dr. Röller
per E-Mail (über Spitzberg Partners E-Mail-Account) über den beabsichtigten Markt-
eintritt von Wirecard in China unter Beifügung eines Kurzsachstandes unterrichtet
und um Flankierung im Rahmen der 12. China-Reise der Bundeskanzlerin gebeten
(5. bis 7. September 2019). Herr Prof. Dr. Röller hat Herrn zu Guttenberg nach der
Reise am 8. September 2019 per E-Mail informiert, dass das Thema bei dem Besuch
in China zur Sprache gekommen ist und weitere Flankierung zugesagt.
Mit Schreiben vom 10. März 2020 hat sich Herr Ole von Beust (von Beust und Coll.
Beratungsgesellschaft mbH & Co KG) an Herrn Prof. Dr. Röller im Auftrag der
Wirecard AG gewendet und um weitergehende Informationen zum unter der
deutschen EU-Ratspräsidentschaft geplanten EU-China-Gipfel in Leipzig (u.a. zu
einem eventuellen Begleitprogramm für Unternehmen) gebeten. Auf dieses Schreiben
hat Herr Prof. Dr. Röller Herrn von Beust mit Schreiben, abgesandt am 18. März
2020, geantwortet, dass die Vorbereitungsarbeiten für den Gipfel beim Präsidenten
des Europäischen Rates, Charles Michel, lägen und dass bisher noch keine konkreten
Pläne über eine Einbindung von Unternehmen bekannt seien.
72. „Waren Vertreter des Bundeskanzleramts mit weiteren Akteuren außerhalb der Bundesregierung in Bezug auf die Unterstützung der wirtschaftlichen Interessen in China oder anderen Ländern der Wirecard AG in Kontakt?“ a. „Wenn ja, mit wem, wann fanden die Gespräche jeweils statt und was war jeweils
Ziel der Gespräche?“
Stand: 12. August 2020
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Es besteht keine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche und
Kontakte – einschließlich Telefonate –, und eine solche umfassende Dokumentation
wurde auch nicht durchgeführt. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen auf
Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und
Aufzeichnungen. Diesbezügliche Daten sind somit möglicherweise nicht vollständig:
Es wird auf die Antwort zu Frage 71 verwiesen: Als Nachbereitung der China-Reise
der Bundeskanzlerin (5. bis 7. September 2019) hat Herr Prof. Dr. Röller sowohl mit
dem deutschen Botschafter in Peking als auch mit dem chinesischen Botschafter in
Berlin Kontakt gehabt und gebeten, die Anliegen der Wirtschaft (u.a. auch von Wire-
card) weiter zu verfolgen. Eine weitere Flankierung der Übernahme von AllScore
durch Wirecard durch das Bundeskanzleramt erfolgte nicht.
73. „Wann lagen welche Informationen zu Unregelmäßigkeiten bei der Wirecard AG im Bundeskanzleramt vor? Wann wurden die Informationen der Bundeskanzlerin jeweils zur Kenntnis gegeben?“ a. „Warum wurde die Bundeskanzlerin nicht vor ihrer Chinareise auf diese relevanten
Informationen aufmerksam gemacht?“
Dem Bundeskanzleramt lagen keine über öffentlich verfügbare Informationen
hinausgehende Erkenntnisse vor.
Das BMF übermittelte per Email am 23. August 2019 folgende Hinweise zu öffent-
lich verfügbaren Informationen an die Fachebene des Bundeskanzleramts:
(a) Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen:
- Kleine Anfrage 19/8256 der Fraktion DIE LINKE "Geldwäschevorwürfe und
Marktmanipulation" (März)
- Kleine Anfrage 19/8639 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"Elektronische und digitale Zahlungsdienstleistungen in der Bundesrepublik"
(März 2019)
- Kleine Anfrage 19/10960 der Fraktion der FDP "Leerverkaufsverbot der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht" (Juni 2019)
(b) Leerverkaufsverbot:
- Link zum Leerverkaufsverbot (inkl. Begründung):
https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verf
uegung/vf_190218_leerverkaufsmassnahme.html;jsessionid=7DB16A7295CB
CB6AD35AB349FB90728D.2_cid372?nn=9021442
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- Link zum Auslaufen des Leerverkaufsverbots:
https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Meldung/2019/mel
dung_190419_Allg_Vfg_Wirecard_Verbot_Leerverkaufspositionen.html
(c) Verweis auf aktuelle Presseberichterstattung, insbes. des Handelsblatts:
https://www.handelsblatt.com/24691268.html?share=mail
Seit 26. Juni 2020 findet ein intensiver Austausch zwischen Bundeskanzleramt und
BMF statt. Auf dieser Basis und vorhandener öffentlicher Informationen wurden die
Bundeskanzlerin und der Chef des Bundeskanzleramtes mit Leitungsvorlage vom
30. Juni 2020 über den Bilanzskandal und die Insolvenz des DAX-Unternehmens
informiert.
b. „Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung die Gefahr von Reputationsschäden bei ausländischen Akteuren durch ein Werben für die wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens bei dem aufgrund von Unregelmäßigkeiten bereits aufsichtliche Maßnahmen in die Wege geleitet wurden?“
Dem Bundeskanzleramt lagen zum Zeitpunkt der China-Reise keine Erkenntnisse zu
möglichen schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard vor.
Die Bundesregierung setzt sich in ihren bilateralen Kontakten mit anderen Ländern
regelmäßig auch für die wirtschaftlichen Interessen deutscher Unternehmen in diesen
Ländern ein. Das gilt insbesondere auch für China. Dort setzt sich Deutschland re-
gelmäßig allgemein und auch in Einzelfällen für die wirtschaftliche Öffnung z.B.
durch Aufhebung von Investitionsbeschränkungen ein. Im Kern bleibt das jeweilige
Anliegen aber eine unternehmerische Entscheidung in alleiniger Verantwortung des
jeweils unterstützten Unternehmens. Da es sich um privatwirtschaftliche Entschei-
dungen und Vorgänge handelt, kommentiert die Bundesregierung auch grundsätzlich
nicht die weitere Entwicklung von konkretem unternehmerischem Engagement im
Ausland.
Unternehmen und Finanzmärkte müssen zuverlässig und ordnungsgemäß arbeiten.
Der Fall Wirecard ist besorgniserregend. Um das Vertrauen in den deutschen Finanz-
markt dauerhaft zu stärken, müssen rasch die Vorkommnisse aufgeklärt und die erfor-
derlichen Konsequenzen gezogen werden. Innerhalb der Bundesregierung wird dazu
aktuell ein umfassender Maßnahmenkatalog abgestimmt.
74. „Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass durch den Fall Wirecard oder das Agieren der Bundesregierung in diesem Fall Reputationsschäden im In- oder Ausland für den Wirtschaftsstandort Deutschland, die Aufsichtsbehörden oder die Bundesregierung entstanden sind?“
Stand: 12. August 2020
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Auf die Antwort zu Frage 73 b wird verwiesen.
Zum Thema Einstufung Wirecard
75. „Wann erfolgte die Stellungnahme der EZB zur Einstufung der Wirecard AG als Technologieunternehmen? Was war Anlass der Stellungnahme und in welcher Form ist diese erfolgt? Auf Grundlage welcher Daten wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die Bewertung der EZB durchgeführt?“ Der Begriff „Technologieunternehmen“ ist im Aufsichtsrecht nicht gesetzlich definiert.
Er wird daher in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich genutzt. Die im
Falle von Wirecard vorgenommene Einstufung eines Unternehmens als „Technologie-
unternehmen“ dient vor allem der Abgrenzung zum aufsichtsunterworfenen Unterneh-
men. Dies wurde durch die BaFin und die Bundesbank im Rahmen eines Inhaberkontroll-
verfahrens gemäß § 2c KWG i.V.m. Artikel 15 SSM-VO erneut geprüft (2. Halbjahr
2018). Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein common procedure gemäß der SSM-
Verordnung. Hintergrund war ein Antrag der Wirecard Bank AG auf Genehmigung einer
Umstrukturierung in Bezug auf die Bank, der am 08. Mai 2018 ein Inhaberkontrollver-
fahren gemäß § 2c KWG i.V.m. Artikel 15 SSM-VO ausgelöst hatte. BaFin und Bundes-
bank kamen auf Basis der seinerzeit bestehenden aufsichtsrechtlichen Vorgaben überein-
stimmend zum Ergebnis, dass die Wirecard AG nicht als Finanzholding-Gesellschaft
einzustufen ist. Dieses Ergebnis ging in die Beschlussvorlage der BaFin an die EZB ein.
Die Entscheidung der EZB über diese Beschlussvorlage zu diesem Antrag fiel im
Januar 2019. Einzelheiten dieses Verfahrens können ohne Zustimmung der EZB nicht
preisgegeben werden.
76. „Wie bewertete die BaFin die Wirecard AG nach den Zukäufen 2014/15 und warum blieb sie bei der Einschätzung, die gesamte AG nicht als Finanzholding einzustufen?“
Die Einstufung der Wirecard AG als Finanzholding war Gegenstand verschiedener bank-
aufsichtlicher Überprüfungen seit dem Jahr 2014 im Rahmen einer umfassenden Über-
prüfung der geltenden bankaufsichtlichen Konsolidierungspflichten auf Ebene der
Zwischenholding und Mutter-Holdinggesellschaft (Zeitraum zwischen den Jahren 2014
und 2017), im Zusammenhang mit einem Inhaberkontrollverfahren (2. Halbjahr 2018,
Entscheidung der EZB im Januar 2019) und im Zuge nachhaltender Überprüfungen bis
zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Wirecard AG (Ende
Juni 2020). Nach einer umfangreichen, gemeinsamen Prüfung von BaFin und Deutscher
Bundesbank im Jahr 2017 und in Übereinstimmung mit einer erneuten Prüfung im Rah-
Stand: 12. August 2020
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men eines Inhaberkontrollverfahrens (Entscheidung durch die EZB im Januar 2019)
wurde die Wirecard AG aufgrund des Schwerpunkts ihrer Tätigkeit und der ihrer
Tochtergesellschaften nicht als Finanzholding-Gesellschaft eingeordnet (zur Prüfung vgl.
Antwort zu Frage 65).
Entsprechend wurden die Zukäufe 2014/15 bei den o.g. Prüfungen von der Bundesbank
in Abstimmung mit der BaFin im Hinblick auf die Frage, ob die Wirecard AG als Finanz-
holding einzustufen ist, berücksichtigt. Dies erfolgte vornehmlich auf Grundlage einer in
2016 von der Wirecard Bank AG angeforderten Zulieferung.
BaFin und Deutsche Bundesbank haben nach eigenen Aussagen die Frage der Finanz-
holding-Gesellschaft und der bankaufsichtlichen Konsolidierung in ihren Aufsichtsge-
sprächen mit der Wirecard Bank AG fortlaufend thematisiert und stetig nachgehalten,
auch mit Blick auf die Gegebenheiten beim Konzern als Ganzes. Nach eigenen Erkennt-
nissen der Deutschen Bundesbank, die insbesondere mit den Vor-Ort-Prüfungen befasst
war, bestanden keine Anhaltspunkte, die eine Revision der zuvor im Rahmen der Konso-
lidierungsprüfungen des Inhaberkontrollverfahren getroffenen Entscheidungen hätten
nach sich ziehen müssen. Weitere Überprüfungen im Lichte des Wachstums des
Wirecard-Konzerns wurden aus Anlass der Eröffnung des Insolvenzantrags bei der
Wirecard AG unterbrochen.
77. „Welche konkreten Veränderungen in der Struktur der Wirecard AG gab es seit der Überprüfung der Einstufung als Finanzholding im Jahr 2017 durch Zukäufe und interne Umstrukturierungen nach Kenntnis der Bundesregierung? Welche dieser Veränderungen hat die BaFin dazu bewogen eine erneute Prüfung zur Einstufung der Wirecard AG als Finanzholding durchzuführen?“
Ausweislich der von der Wirecard Bank AG im Rahmen der Konsolidierungsprüfung
2016 vorgelegten Unterlagen zum 27.05.2016 und der im Inhaberkontrollverfahren
vorgelegten Konzernübersicht zum 13.02.2020 hatten sich Änderungen der
Konzernstruktur ergeben.
Nach dem Organisation Chart der Wirecard Gruppe zum Stichtag 13.02.2020 sind
nachfolgend aufgelistete Gesellschaften gegenüber dem vorherigen Stand aus dem Jahr
2016 neu hinzugekommen:
Tochterunternehmen der Wirecard Acquiring & Issuing GmbH (Deutschland):
Wirecard Hong Kong Ltd. (Hong Kong)
Wirecard Payment Solutions Hong Kong Ltd. (Hong Kong)
Wirecard Australia A&I Pty Ltd. (Australien)
Wirecard SG Payment Solutions Pte. Ltd. (Singapur)
Stand: 12. August 2020
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Beijing Wirecard Technology Solutions.Co. Ltd. (China)
Wirecard Luxembourg S. A. (Luxemburg)
Wirecard U.S. Holdings Inc. (USA) sowie deren Tochterunternehmen WDB US Inc.
(USA)
Wirecard North America Inc. (USA)
Wirecard E-Money Philippines Inc. (Philippinen)
GI Technology Private Limited (Indien)
vorher TU der WC Sales International GmbH
Wirecard Brasil S.A. (frühere Moip Pagamentos S.A.) (Brazil)
vorher TU der WC Sales International GmbH
Tochterunternehmen der Wirecard Technologies GmbH (Deutschland):
Wirecard Solutions South Afrika (Pty) Ltd (Südafrika) mit Tochterunternehmen:
Wirecard Payment Services (Namibia) (Pty) Ltd. (Namibia)
Wirecard Issuing Technologies GmbH (Deutschland)
Wirecard Acceptance Technologies GmbH (Deutschland)
Wirecard Service Technologies GmbH (Deutschland)
Wirecard Slovakia s.r.o. (Slowakei)
Tochterunternehmen der Wirecard AG (Deutschland):
WD Invest S.àr.l. (Luxemburg)
Tochterunternehmen der Wirecard Sales International Holding GmbH (Deutschland):
Wirecard Global Sales GmbH (Deutschland)
PT Wirecard Technologies (Indonesien)
Wirecard Forex India Private Ltd. (Indien)
Wirecard (Vietnam) Limited Company (Vietnam), Tochterunternehmen der Wirecard
Singopore Pte (Singapur)
Wirecard Poland Sp Zo. o. (Polen)
Wirecard LLC (Russland)
Wirecard Thailand Co. Ltd. (Thailand)
Wirecard Mexico S.A. de C.V. (Mexiko)
Wirecard Romania S.A. (Rumänien) sowie deren Tochterunternehmen Romcard S.A.
und Supercard Solutions & Services S.R.L.
Nicht mehr im Organisation Chart der Wirecard Gruppe zum Stichtag 13.02.2020 sind
nachfolgend aufgelistete Gesellschaften:
Stand: 12. August 2020
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Tochterunternehmen der Wirecard Technologies GmbH (Deutschland):
Wirecard Africa Holding Proprietary Ltd. (Südafrika) sowie deren
Tochterunternehmen Wirecard South Africa Proprietary Ltd (Südafrika)
Tochterunternehmen der Wirecard Sales International Holding GmbH (Deutschland):
Systems @work (M) SDN BHD
Trans Infotech Pte. Ltd. (Singapur) mit den Tochterunternehmen Trans Infotech
(Laos) Ltd., Trans Infotech (Vietnam) Ld. und Card Techno Pte. Ltd.
PT aprisma Indonesia (Indonesien)
American Payment Holding Inc. (Kanada) mit dem Tochterunternehmen Payment
Technologies Ltd. (USA)
Star Global Currency Pte. Ltd (Indien)
Anhand der im Inhaberkontrollverfahren erhaltenen Unterlagen der Wirecard AG und des
Wirecard Konzerns (2. Halbjahr 2018, Entscheidung der EZB im Januar 2019) sowie der
zur Prüfung des Verlängerungsantrags (1. Halbjahr 2020) eingereichten Unterlagen
wurde festgestellt, dass sich die Konzernbilanzsumme und die Anzahl der
Tochterunternehmen deutlich gegenüber 2016 erhöht hat.
Weitere offene Fragen
78. „Wann und gegenüber wem haben sich Mitglieder der Bundesregierung jeweils bei welcher Gelegenheit (z.B. bei Auslandsreisen, Telefonaten mit Mitgliedern ausländischer Regierungen, etc.) für die wirtschaftlichen Interessen der Wirecard AG im Ausland eingesetzt? Was war jeweils das konkrete vorgebrachte Anliegen?“
Die Bundeskanzlerin hat das Thema der Übernahme von AllScore durch Wirecard bei
ihrer Chinareise (5. bis 7. September 2019) angesprochen. Im Übrigen wird darauf
hingewiesen, dass Gespräche mit Amtsträgern anderer Staaten vertraulich sind. Zu den
Inhalten dieser Unterredungen macht die Bundesregierung daher grundsätzlich keine
Angaben. Sie sind Akte der Staatslenkung und unterliegen dem Kernbereich der exeku-
tiven Eigenverantwortung.
Der damalige strategische Berater des Vorstands der Wirecard AG, Herr Burkhard Ley,
war einer der Unternehmensvertreter in der Wirtschaftsdelegation bei dem Besuch von
Bundesminister des Auswärtigen Heiko Maas in der Volksrepublik China im Novem-
ber 2018. Bundesminister Heiko Maas hat sich nicht gezielt für die Anliegen der
Wirecard AG eingesetzt.
Stand: 12. August 2020
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79. „Gab es zu den Vorkommnissen bei Wirecard Abstimmungen seitens der Bundesregierung? Wann fanden diese statt? Wer war an diesem Austausch beteiligt? Und was der Inhalt dieser Gespräche?“
Die Beantwortung wird auf Kommunikation und Gespräche des Leitungsbereichs
innerhalb der Bundesregierung bezogen.
Es besteht keine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche und Kon-
takte – einschließlich Telefonate –, und eine solche umfassende Dokumentation wurde
auch nicht durchgeführt. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen auf Grundlage der
vorliegenden Erkenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und Aufzeichnungen. Diesbe-
zügliche Daten sind somit möglicherweise nicht vollständig:
Seit 26. Juni 2020 findet ein intensiver Austausch zwischen Bundeskanzleramt und dem
Bundesministerium der Finanzen statt. Im Übrigen wird auf die Antworten zu Fragen 9,
10, 73 a verwiesen.
80. „Hat die Bundesregierung Kenntnisse über den aktuellen Aufenthaltsort von Jan Marsalek und was unternimmt die Bundesregierung um eine baldige Auslieferung zu bewirken?“
81. „Hat die Bundesregierung darüber hinaus Kenntnisse (und wenn ja, welche und seit wann) zu dem Spionageverdacht gegen Jan Marsalek und gibt es Erkenntnisse darüber, ob Jan Marsalek Spionagetätigkeiten gegen Deutschland durchgeführt hat? (vgl. https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/wirecard-milliardenbluff- spionagethriller-politaffaere-a-00000000-0002-0001-0000-000172071795)”
82. „Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Beschaffungsversuche und -vorgänge von Spionage Software seitens Jan Marsalek?“
83. „Gab es Kontakte und/oder Treffen deutscher Geheimdienstmitarbeitern mit Mitarbeitern der Wirecard AG oder Teilgesellschaften und wenn ja, welche?“
84. „Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Verstrickungen der Wirecard AG oder deren Führungspersonal mit Geheimdiensten im In- oder Ausland?“
Die Fragen 80 – 84 werden zusammenbeantwortet:
Der aktuelle Aufenthaltsort von Jan Marsalek ist der Bundesregierung nicht bekannt. Es
besteht eine weltweite Interpolfahndung zur Festnahme zwecks Auslieferung von Jan
Marsalek. Die Frage einer Auslieferung von Jan Marsalek im Rahmen des gegen ihn
geführten Ermittlungsverfahrens fällt in die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden
und der Gerichte.
Stand: 12. August 2020
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Im Übrigen äußert sich die Bundesregierung nicht zu den Einzelheiten laufender Ermitt-
lungsverfahren, um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden. Trotz der grund-
sätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche
des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der betrof-
fenen Belange das Informationsinteresse des Parlaments hinter die aus dem Rechtsstaats-
prinzip resultierende Pflicht zur Durchführung von Strafverfahren und die damit verbun-
denen berechtigten Geheimhaltungsinteressen in einem laufenden Ermittlungsverfahren
zurück. Das Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen
Strafrechtspflege und Strafverfolgung leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ab und hat
damit ebenfalls Verfassungsrang (vgl. dazu BVerfGE 51, 324 [343 f.]).
85. „Inwiefern muss, wie in Presseberichten dargestellt, damit gerechnet werden, dass der Insolvenzverwalter bereits entrichtete Steuern zurückverlangt? Mit Rückforderungen in welcher Höhe rechnet die Bundesregierung und hält sie diese Forderungen für begründet?“
Aufgrund des Steuergeheimnisses darf BMF Erkenntnisse aus dem Besteuerungsver-
fahren einzelner Unternehmen grundsätzlich nicht veröffentlichen.
Allgemein gilt:
Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind nach § 41 Abs. 2 Abgabenordnung für die
Besteuerung unerheblich. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft
verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgebend. Diese
Regelung ist Ausdruck der im Steuerrecht grundsätzlich geltenden „wirtschaftlichen
Betrachtungsweise“. Die Besteuerung orientiert sich an den wirklichen Gegebenheiten.
Wird in einem Steuerfall nachträglich bekannt, dass der Steuerfestsetzung Scheinge-
schäfte oder Scheinhandlungen zugrunde gelegt wurden, ist dies im Rahmen der verfah-
rensrechtlichen Möglichkeiten rückgängig zu machen. Dies kann je nach Sachlage Steu-
ernachforderungen, aber auch Steuererstattungen zur Folge haben. Im Übrigen werden
Buchführungs- und Gewinnermittlungsvorschriften durch ein Insolvenzverfahren nicht
berührt.
86. „Hat die Bundesregierung mit der Wirecard AG oder einer ihrer Teilgesellschaften zusammen gearbeitet bzw. hat die Wirecard AG die Bundesregierung beraten, fachlich unterstützt oder in anderer Form mit ihr zusammen gearbeitet (bitte auflisten)?“
87. „Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Wirecard AG oder eine ihrer Teilgesellschaften öffentlichen Behörden beraten, unterstützt oder in anderer Form mit diesen zusammengearbeitet?“
Die Fragen 86 – 87 werden zusammenbeantwortet:
Stand: 12. August 2020
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Der Bundesregierung sind keine Kooperationen bekannt.
88. „Hat die Wirecard AG oder eine ihrer Teilgesellschaften mit Kontakten zur Bundesregierung geworben?“
89. „Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass die Wirecard AG oder eine ihrer Teilgesellschaften mit Kontakten zu Landesregierungen oder anderen öffentlichen Behörden geworben hat?“
Die Fragen 88 – 89 werden zusammenbeantwortet: Es liegen keine Erkenntnisse i.S. der
Fragen 88 und 89 vor.
Stand: 12. August 2020