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read.me Seite 1 Klare Kante gegen Studiengebühren! Seite 2 Seite 3 Seite 4 www.gew-bass.de Zeitung für Studierende Wintersemester 2012/13 Bologna – invention of tradition? Fortsetzung auf Seite 3 Bologna – invention of tradition? Fortsetzung von Seite 2 Seite 5 Seite 6 Seite 8 Tarifvertrag für studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte Ausbildung statt Ausbeutung Abgesagt und ignoriert www.gew.de Seite 7 Bundesweite Schwächung der Verfassten Studierendenschaften? Der Weg zum Doktorhut Gewerkschaft jugendlich besetzt Studierende in der GEW und die GEW für Studierende Fallen bei den nächsten Land- tagswahlen die verbliebenen Bastionen der Studiengebühren- befürworter/innen? Oder gelingt es der Koalition aus konser- vativen und neoliberalen Mei- nungsmachern, die Gebühren zu halten? Bundesbildungsminis- terin Schavan trommelt derzeit wieder für die Gebühren. Ob dies die letzten Zuckungen sind oder ein Zombie wiederkehrt, wird sich politisch entscheiden. D ass die politische Position zu Studiengebühren bei Landtagswahlen durchaus eine Rolle spielen kann, mag zu- letzt Baden-Württemberg gezeigt haben. Eine schwarz-gelbe Regie- rungskoalition, deren erklärte Poli- tik 500 Euro Studiengebühren waren, wurde hier von einer grün- roten Koalition abgelöst, die sich klar und deutlich für die Abschaf- fung der Gebühren positionierte. Überhaupt sind viele Länder, die ehemals Gebühren eingeführt haben, zwischenzeitlich wieder ge- kippt. Um zu verhindern, dass die Gebühren bundesweit endgültig fallen, wird von einigen Seiten gerade wieder Werbung gemacht. Niedersachsen und Bayern: Gebühren wegtreten! Wenn am 20. Januar in Nieder- sachsen und am 15. September 2013 in Bayern die Landtags- wahlen stattfinden, findet damit gleichzeitig eine Abstimmung über die Beibehaltung oder Abschaf- fung von Studiengebühren statt. Nachdem auch in Baden Würt- temberg die allgemeinen Studien- gebühren abgeschafft wurden, gibt es nur mehr zwei unverbesserliche (CDU-regierte) Bundesländer, die an der Campus-Maut festhalten. Die Gefahr einer schleichenden Einführung von Gebühren bleibt indessen bestehen. Zwar wurden in Hamburg, Hessen, Nordrhein- Westfalen und dem Saarland die allgemeinen Studiengebühren wie- der abgeschafft, jedoch tatsächlich den Hochschulen weitreichende Möglichkeiten für versteckte Stu- diengebühren gelassen. So gibt es an den Hochschulen in vielen Ländern Verwaltungsgebühren, Einschreibegebühren, Zweitstu- diengebühren, Gebühren für Gast- studierende oder auch Langzeit- gebühren. Meinungsmache pro Gebühren Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der starken Tendenz hin zur Abschaffung gibt es immer wieder gegenteilige Bestrebungen. Ende August äußerte sich Bundes- bildungsministerin Schavan in der Presse. Sie forderte die flächen- deckende Einführung von 500 Euro pro Semester und be- gründete dies mit den möglichen Mehreinnahmen für die Hoch- schulen, die durch die leeren Kassen der Bundesländer und da- mit verbundene Engpässe bei der Hochschulfinanzierung notwendig seien. Aber auch auf Länderebene findet man Tendenzen einer Ge- bührenpolitik. So hat der Freistaat Sachsen erst Ende Juli eine Novel- lierung zur Änderung des Hoch- schulgesetzes vorgelegt, in der neben einer Zwangsexmatrikula- tion bei Überschreitung der Regel- studienzeit von sechs Semestern auch noch Langzeitgebühren ab dem fünften Semester über der Regelstudienzeit vorgesehen sind. Soziale Selektivität bestätigt Dabei sind die Argumente gegen Studiengebühren immer noch gül- tig und haben sich im Laufe der vergangenen Jahre bestätigt. Stu- diengebühren schrecken junge Menschen von einem Studium ab. Sozialleistungen wie BAföG reich- en kaum aus, um den Lebens- unterhalt zu bestreiten, und schon jetzt arbeiten daher mehr als zwei Drittel aller Studierenden zu- sätzlich zu ihrem Studium. Durch allgemeine Studiengebühren könn- ten sich daher weniger junge Menschen ein Studium leisten. Dies bestätigten auch mehrere Studien, sowie ein – unter Ver- schluss gehaltenes – Gutachten des Landes Nordrhein-Westfalen. Es kam zu dem Schluss, dass über 17.000 Personen kein Studium in NRW aufnahmen, als es Studien- gebühren gab. Die von Gebührenbefürworter/ innen vertretene Behauptung, dass die Krankenschwester dem Arzt- sohn das Studium finanziere, kann auch einfach widerlegt werden. So zahlen Akademiker/ innen durch ihr höheres Ein- kommen, welches sie nach dem Studium erzielen, auch mehr Steuern. Die Kosten des Studiums werden damit mehr als kom- pensiert. Kampf gegen Gebühren geht weiter In Bayern formierten sich in letzter Zeit verschiedene Bündnis- se, um Unterschriften für ein Volksbegehren gegen Studienge- bühren zu sammeln. So sammelt die SPD für eine Petition, die Pira- tenpartei und Freien Wähler für ein Volksbegehren. Entsprechende Positionierungen in Bezug auf die Gebühren gab es in diesem Zu- sammenhang. Auch die Landes- studierendenvertretung Bayerns beteiligt sich aktiv im Kampf gegen die Gebühren. In Niedersachsen wird der Studiengebührenprotest ebenfalls maßgeblich von Studie- rendenschaften getragen, die im Vorfeld der Wahl eine landesweite Kampagne planen. Die Studieren- denvertreter beider Bundesländer planen für das Wintersemester ge- meinsame Aktionen, um auf die- sen Missstand aufmerksam zu machen. Die Studierenden der GEW werden sich auch weiterhin aktiv für ein gebührenfreies Studium einsetzen und insbesondere Ak- tionen in Bayern und Nieder- sachsen unterstützen, die dieses Ziel verfolgen. Marco Unger, Sprecher des GEW-Bundesausschusses der Studentinnen und Studenten Letzte Zuckungen oder Wiederkehr des Zombies? Karte kann als Poster beim fzs bestellt werden. Klare Kante gegen Studiengebühren!

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Die GEW-Studierendenzeitung read.me erscheint einmal im Semester und wird vom Studierendenausschuss der GEW (BASS) erstellt. read.me ist eine Zeitung von Studierenden für Studierende und greift aktuelle Themen aus dem Bereich Hochschule und Bildung auf. - Klare Kante gegen Studiengebühren! - Bologna - invention of tradition? - Prekarisierung per Praktikum - Tarifvertrag für studentische und wissenschaaftliche Hilfskräfte

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Klare Kante gegen Studiengebühren!

Seite 2 Seite 3 Seite 4

www.gew-bass.deZeitung für Studierende Wintersemester 2012/13

Bologna – invention of tradition?Fortsetzung auf Seite 3

Bologna – invention of tradition?Fortsetzung von Seite 2

Seite 5 Seite 6 Seite 8Tarifvertrag für studentische und wissenschaftlicheHilfskräfte

Ausbildung statt AusbeutungAbgesagt und ignoriert

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Seite 7Bundesweite Schwächung der VerfasstenStudierendenschaften?

Der Weg zum DoktorhutGewerkschaft jugendlich besetztStudierende in der GEW und die GEW für Studierende

Fallen bei den nächsten Land-tagswahlen die verbliebenen Bastionen der Studiengebühren -befür worter/innen? Oder gelingtes der Koalition aus konser-vativen und neoliberalen Mei -nungsmachern, die Gebühren zuhalten? Bundesbildungsminis -terin Schavan trommelt derzeitwieder für die Gebühren. Ob diesdie letzten Zuckungen sind oderein Zombie wiederkehrt, wirdsich politisch entscheiden.

Dass die politische Positionzu Studiengebühren beiLandtagswahlen durchaus

eine Rolle spielen kann, mag zu-letzt Baden-Württemberg gezeigt

haben. Eine schwarz-gelbe Regie -rungskoalition, deren erklärte Po li -tik 500 Euro Studiengebührenwaren, wurde hier von einer grün-roten Koalition abgelöst, die sichklar und deutlich für die Abschaf -fung der Gebühren positionierte.Überhaupt sind viele Länder, dieehemals Gebühren eingeführthaben, zwischenzeitlich wieder ge -kippt. Um zu verhindern, dass dieGebühren bundesweit endgültigfallen, wird von einigen Seitengerade wieder Wer bung gemacht.

Niedersachsen und Bayern:Gebühren wegtreten!Wenn am 20. Januar in Nieder-sachsen und am 15. September

2013 in Bayern die Landtags-wahlen stattfinden, findet damitgleichzeitig eine Abstimmung überdie Beibehaltung oder Abschaf -fung von Studiengebühren statt.Nachdem auch in Baden Würt -tem berg die allge mei nen Studien-gebühren abgeschafft wurden, gibtes nur mehr zwei unverbesserliche(CDU-regierte) Bun des länder, diean der Campus-Maut festhalten. Die Gefahr einer schleichendenEinführung von Gebühren bleibtindessen bestehen. Zwar wurdenin Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland dieallgemeinen Studiengebühren wie -der abgeschafft, jedoch tatsächlichden Hochschulen weitreichende

Mög lichkeiten für versteckte Stu -dien gebühren gelassen. So gibt esan den Hochschulen in vielenLändern Verwaltungsgebühren,Ein schreibe gebühren, Zweitstu -dien gebühren, Gebühren für Gast-studierende oder auch Langzeit-gebühren.

Meinungsmache pro GebührenTrotz – oder vielleicht geradewegen – der starken Tendenz hinzur Abschaffung gibt es immerwieder gegenteilige Bestrebungen.Ende August äußerte sich Bundes-bildungsministerin Schavan in derPresse. Sie forderte die flächen-deckende Einführung von 500Euro pro Semester und be-gründete dies mit den möglichenMehreinnahmen für die Hoch-schulen, die durch die leerenKassen der Bundesländer und da-mit verbundene Engpässe bei derHochschulfinanzierung notwendigseien. Aber auch auf Länderebenefindet man Tendenzen einer Ge-bührenpolitik. So hat der FreistaatSachsen erst Ende Juli eine No vel -lier ung zur Änderung des Hoch-schulgesetzes vorgelegt, in derneben einer Zwangsex ma tri ku la -tion bei Überschreitung der Regel-studienzeit von sechs Semesternauch noch Langzeitgebühren abdem fünften Semester über derRegelstudienzeit vorgesehen sind.

Soziale SelektivitätbestätigtDabei sind die Argumente gegenStudiengebühren immer noch gül -tig und haben sich im Laufe dervergangenen Jahre bestätigt. Stu -diengebühren schrecken jungeMen schen von einem Studium ab.Sozialleistungen wie BAföG reich -en kaum aus, um den Lebens-unterhalt zu bestreiten, und schonjetzt arbeiten daher mehr als zweiDrittel aller Studierenden zu-sätzlich zu ihrem Studium. Durchallgemeine Studiengebühren könn -ten sich daher weniger jungeMenschen ein Studium leisten.Dies bestätigten auch mehrere

Studien, sowie ein – unter Ver-schluss gehaltenes – Gutachten desLandes Nordrhein-Westfalen. Eskam zu dem Schluss, dass über17.000 Personen kein Studium inNRW aufnahmen, als es Studien-gebühren gab. Die von Gebührenbefürworter/innen vertretene Behauptung, dassdie Krankenschwester dem Arzt-sohn das Studium finanziere,kann auch einfach widerlegtwerden. So zahlen Akademiker/innen durch ihr hö heres Ein-kommen, welches sie nach demStudium erzielen, auch mehrSteuern. Die Kosten des Studiumswerden damit mehr als kom-pensiert.

Kampf gegen Gebührengeht weiterIn Bayern formierten sich inletzter Zeit verschiedene Bündnis-se, um Unterschriften für einVolksbegehren gegen Studienge -büh ren zu sammeln. So sammeltdie SPD für eine Petition, die Pi ra -ten partei und Freien Wähler fürein Volksbegehren. EntsprechendePo si tio nierungen in Bezug auf die Gebüh ren gab es in diesem Zu -sam men hang. Auch die Lan des - studierenden vertretung Bay ernsbe teiligt sich aktiv im Kampf ge gendie Gebühren. In Niedersachsenwird der Studienge büh ren protesteben falls maßgeblich von Stu die -rendenschaften getra gen, die im Vorfeld der Wahl eine landesweiteKampagne planen. Die Studie ren -den vertreter beider Bundesländerplanen für das Wintersemester ge-meinsame Aktionen, um auf die -sen Missstand aufmerksam zumachen.Die Studierenden der GEWwerden sich auch weiterhin aktivfür ein gebührenfreies Studiumeinsetzen und insbesondere Ak -tionen in Bayern und Nieder-sachsen unterstützen, die diesesZiel verfolgen.

Marco Unger,

Sprecher des GEW-Bundesausschusses

der Studentinnen und Studenten

Letzte Zuckungen oder Wiederkehr des Zombies?

Karte kann als Poster beim fzs bestellt werden.

Klare Kante gegenStudiengebühren!

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Ein Rückblick auf die Gründung der Institution Universität im Mittelalter

Bologna – invention of tradition?Unter dem Stichwort „inventionof tradition“ beschäftigten sichdie Historiker Eric Hobsbawmund Terence Ranger mit jenenDingen, die in der Gegenwarterfunden und als „Tradition“ ineine lange Vergangenheit zurückprojiziert wurden, um über einensolchen Ausweis an Autoritätkollektive Identitäten zuschmieden. Es mag zwar nichtjenes ausgeklügelte Prinzip sein,aber der Versuch einer Einheits-stiftung samt Markennamen ausTradition lässt sich auch in deraktuellen Hochschulreformfinden. Was dem Schotten seinKilt und dem Griechen seinSirtaki, das ist den Hochschul -reformern ihr Bologna.

Eine ausgewiesene Expertiseder Hochschulhistorie magman den 29 Bildungs-

ministern, die sich 1999 in einerStadt Oberitaliens trafen, nichtunbedingt attestieren. Darauf, wieman Politik macht, verstanden siesich dagegen sehr wohl. Wasnämlich der Erklärung an Ver-bindlichkeit fehlte, das wog dieSymbolträchtigkeit der Stadt anGewicht auf, unter deren Namenman hier einen europäischenStudienreformprozess aus derTaufe hob. Mit „Bologna“ bezogman sich doch auf eine der erstenUniversitäten überhaupt undeines von zwei Organisations-modellen, unter denen im Mittel-alter das gegründet wurde, wassich zur Institution Universitätausformen sollte. Hätte man sichbei dieser Bezugnahme ernsthaftam Institutionenmodell ausBologna orientiert, so müssten dieRektorinnen und Rektoren an denHochschulen fortan aus dem Kreisder Studierenden gewählt werden.Wenn dies auch nicht der Fall istund die Bezugnahme eher dieFunktion eines Markennamensübernahm, mag ein kleiner his-torischer Rückblick dennochinteressant sein. Gründete dasModell in Bologna doch auf einerausgesprochen starken Orien -tierung an den Lernenden, überdie es als Institution überhaupterst aufgebaut wurde.

Bologna: Scholaren-UniversitätEin genaues Datum lässt sich fürdiese Ausgründung streng ge nom -men nicht angeben, währendspätere Universitäten durchGründungsurkunden (ex privi le gio)geschaffen wurden. Ex consu etu -dine – aus der Gewohnheit heraus– entstand eine institutionelleForm für das, was zuvor bereitsPraxis war: der Zusammenschlussvon Lehrenden und Lernenden ineiner bestimmten Organisations-form. Aus Rechtsschulen und Aus-bildungseinrichtungen für ange -hen de Ärzte ging diese InstitutionEnde des 11. Jahrhunderts inBologna hervor. Entsprechend

konnte man hier Jura und Me di zinstudieren. Die Studierendenschaftsetzte sich aus der Oberschichtmit Aussicht auf Führungspo -sitionen zusammen. Sie wurdenach verschiedenen „Nationen“regionaler Herkunft unterteilt, diesich an der Universität Bolognaversammelten und die wiederumnach Leuten diesseits und jenseitsder Alpen eingeordnet wurden. Das Modell von Bologna orien -tierte sich an den Lernenden. DieStudierenden taten sich an derUniversität Bologna zusammen,um sich jeweils Lehrer auszusu-chen, einzustellen, sich vondiesen unterrichten zu lassen unddiese dann gegebenenfalls wiederzu wechseln. Als „Scholaren-Uni-versität“ wurde dieses Modellbezeichnet. Mit Scholaren warendie umherwandernden Lernendengemeint. Mobilität gehörte sogesehen damals klar und deutlichzu einem Bestandteil des Stu -diums an der Universität. Vondiesen Scholaren wurde das In-stitutionsmodell der Universitätvon Bologna organisiert. Auch derPosten etwa des Rektors wurdenach diesem Modell mit einer Per-son aus dem Kreis der Stu die ren -den besetzt.

Beruf – Praxis –QualifikationDas Modell Bologna zielte im wei-teren Sinne auf eine beruflichePraxis ab – für Verwaltungs- undRechtsberufe sowie für den Berufdes Arztes. Wenn man auch nichtvon so etwas wie Berufsbefähigungsprechen kann, war die Qua -lifikation, die man sich über dasLehrangebot in Bologna ver-schaffen konnte, doch durchausauf eine Berufstätigkeit als Arztoder in Rechts- und Verwaltungs-diensten zugeschnitten. Dasbedeutete etwa die Qualifikationin Rhetorik als ein technischesMittel für den juristischen Streitvor Gericht, aber auch die hand-werkliche Vorbereitung auf denArztberuf. Letztere indessenbrach te einen erheblichen Ein-schnitt in gängige Forschungs-weisen der vormaligen Zeit mitsich. Wenn auch die Obduktionvon Leichen noch klar mit einemTabu durch die Kirche belegt war,fanden jedoch allmählich die Vorführung von Körpern und ope -ra tiven Eingriffen an lebendenKör pern statt. Neben Wundversor -gung gehörte auch die Am pu -tation zu einem der gängigen Ein-griffe, die vorgenommen und an-gehenden Ärzten präsentiertwurden. Als räumlichen Rahmenfür eine solche Präsentation vonKörpern und medizinischen Ein-griffen verwendete man immedizinischen Unterricht einenHörsaal, der kreisrund und nachhinten hin erhoben war, unddessen Modell wir heute nochkennen als das „anatomischeTheater“.

Reglementierung desLehrbetriebsEine Vielzahl von Regle men tier -un gen des Lehrbetriebs ist aus derUniversität Bologna überliefert.Wenngleich Lehrende und Ver-waltung damals noch nicht übertechnische Spielzeuge wie Online-Anmeldeverfahren verfügten, istuns eine Menge an Vorschriftenund Regeln bekannt, über die Ab-läufe der Universität geregeltwerden sollten. Zur Frage etwa,wann Vorlesungen anzufangenund zu enden hatten, hielt die Ju-risten-Fakultät ebenso deutlicheAntworten fest wie sie Regelungfür den Ablauf von Vorlesungentraf: „Ferner verfügen wir, dasskein Professor des Zivilrechts oderdes Kirchenrechts seine Vor-lesungen am Morgen anfangendarf, bevor die Glocke von SanPietro mit dem Primärläuten auf-gehört hat. Bevor sie aufgehörthat, muss er in den Hörsälen oderderen Umkreis anwesend sein.Nachdem sie aufgehört hat, musser sofort anfangen, bei Strafe vonneun Bologneser Schilling fürjeden Verstoß. Über das Ende desTerzläutens hinaus kann und darfer seine Vorlesung nicht halten,fortsetzen oder abschließen, auchkeinerlei Erklärung beim Lesenaufheben, um sie nach diesemGlockenläuten noch zu verbessern,vorzulesen oder abzu schließen.Auch alle Studenten müssensofort hinausgehen, bei Strafe vonzehn Schilling für jeden Verstoßund jeden Betroffenen.“ „Wir verfügen, dass die Pro-fessoren am Ende jedes Punktsden Studenten den Abschnittankündigen müssen, mit dem sieweitermachen werden; mit demAbschnitt, den sie angefangenhaben, müssen sie bis zum Endedes Punktes fortfahren. Wenn esnützlich erscheint, wegen des Ver-gleichs von Erläuterungen oderTexten einen Abschnitt der Vor-lesung mit einem anderen zu-sammenzunehmen, muss das derProfessor den Studenten in dervorangehenden Vorlesung sagen,damit sich diejenigen darauf vor-bereiten können, die das wollen,bei Strafe von fünf BologneserSchilling für den zuwiderhan -delnden Professor bei jedem Ver-stoß. Wir befehlen, dass diesesStatut zu Studienbeginn in deneinzelnen Hörsälen bekannt ge -geben wird.“ (Arno Borst zit. n.Hans-Albrecht Koch: Die Univer-sität. Geschichte einer euro pä -ischen Institution. Darmstadt 2008,S. 39–41)Regelungen wie diese klingen nacheiner Vorlesung, in der haupt-sächlich Bücher vorgelesen undabgeschrieben wurden – undtatsächlich bestand zu Zeiten, indenen Bücher ein seltenes unddaher kostbareres Gut waren, eineganz wesentliche Aufgabe der Ar-beitsform in solchen Abschreibe-prozessen.

Wer aber meint, hierbei wäre nur„gepaukt“ worden, verkennt deneigentlichen Beitrag der Aus-gründung der Universitäten. Eswar gerade jene bloße Repro-duktion, über die man sich zudiesem Zeitpunkt hinauswagte.Über eine Reproduktion, die nurWiedergabe von (theologischen)Autoritäten war, wandte man sichjust zu diesem Zeitpunkt in denmethodischen Arbeitsweisen. ÜberLernvorgänge, die im bloßenNachplappern bestanden, begannman sich mehr und mehr lustig zumachen. Sie wurden als „Pa pa gei -en tum“ kritisiert. Die Stärkungdieses Wechsels wurde indessen

vor allem durch das zweite Modellder Institution Universität unter-stützt, das zur gleichen Zeit ent-standen war: die Universität inParis.

Paris: Magister-UniversitätAls Magister-Universität war dieUniversität in Paris genau andersherum aufgebaut wie die vonBologna: Sie wurde von Profes -soren organisiert, die Vorlesungenanboten und dafür Hörergeldereinsammelten. Entwickelt hattesich diese Institution in Parisstärker aus den mittelalterlichenDomschulen und war auch all-mählich aus einer Praxis der An-

Bild: Malerei von Laurentius de Voltolina, 2.Hälfte des 14.Jh.; Abb.: Wikimedia Commons nach Zenodot Verlagsgesellschaft mbH –GNU Free Documentation Licence.

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sammlung von Lehrenden undLernenden in einer großen Stadthervorgegangen. Es waren nichtdie Medizin und das Recht undeine damit verbundene Berufsaus-übung, die hier im Mittelpunktstanden. An der Universität Pariswurden die septem artes liberales,die sieben freien Künste, unter-richtet. Über besagtes Fächerspek-trum entwickelte sie ihr Cur ricu -lum gewissermaßen aus der Antike.

CurriculumAuf zwei Stufen wurde von allenLernenden ein Kanon von siebenFächern durchlaufen: zunächst imsogenannten Trivium die Fächer

Grammatik, Dialektik und Rhe to -rik, auf die im Quadrivium Arith -metik, Geometrie, Musik und As-tronomie folgten. Wer das Triviumabgeschlossen hatte, konnte denTitel „baccalaureus artium“ füh ren.Magister wiederum war für Leutemit einem abgeschlossenen „qua-drivium“ vorgesehen. Als Magisterkonnten Lehrveran stal tun gen imTrivium gegeben wer den. Unter -zog man sich wiederum als Ma-gister einer Disputation, so durfteman sich „doctor“ nennen. Dis-putation hieß, dass man einemündliche Prüfung ablegte, in derman sich dem Streit um einThema stellte und dabei sowohl in

Prüfung und Ausführung vonArgumenten methodisch saubervorging. Ebenso musste manbeweisen, theologisch auf demBoden der Kirche zu stehen. Nichtzu vergessen war die anschließ en -de Feier, deren Ausrichtung nichtwenige von der Promotion abhielt.

MethodikWas das methodische Vorgehenbetrifft, ergab sich die Arbeitsweisein der Gründungsphase der Uni-versität aus bestimmten Verfahrendes logischen Schließens. Orien -tier ten sich die Techniken des„Beweisens“ in den kirchlichenVorgängerinstitutionen an Verfah -

ren, in denen man sich auf Aus-sagen von Autoritäten bezog, sowurden im Übergang zur Univer-sität Verfahren logischen Schließensbegründet, innerhalb deren rich -tige von falschen Schlussfol ger un -gen geschieden wurden. In diesem Zusammenhang re -levant wurde zunächst der MönchAbaelard. Er hatte selbst in Parisstudiert und bei seinen Lehr-meistern an einer Domschuleeben die Verfahrensweise erlebt,die er als unproduktiv empfand.Was hier durch die Autoritätgesagt wurde, das galt als solche.Und schlimmer noch verstandman sich nicht darauf, mit sichwidersprechenden Aussagen ver-schiedener Autoritäten sinnvoll zuverfahren oder diese in einenargumentativen Streit zu führen.In biographischen Aufzeich nun -gen beschreibt Abaelard, was ervon einer Vorlesung hielt, die erbei einem Lehrer an einer PariserDomschule besuchte: „Zu diesemalten Mann ging ich also. Aber erhatte seinen Ruf mehr durch lang-jährige Übung als durch Intel -ligenz oder Gedächtnis er worben.Wenn jemand mit einer Frage beiihm anklopfte und unschlüssig beiihm eintrat, kam er noch un-schlüssiger wieder heraus. Vor denAugen von Hörern war er ja einewunderbare Erscheinung, aberangesichts von Fragestellern war ereine Null. Seine Wortgewandtheitwar erstaunlich, doch der Sinn-gehalt war armselig und unbe-gründet. Wenn er ein Feuer ent-zündete, füllte er sein Haus mitRauch, anstatt es mit Licht zu er-leuchten. (...) Allmählich besuchteich seine Vorlesungen immerseltener.“ (Ebd., S. 21)Auch in Abgrenzung davon ent-wickelt Abaelard sein Werk sic etnon, mit dem er sich für eine an -dere Vorgehensweise stark machte.Das „Richtige“ sollte nicht da-durch gesucht werden, dass Sätzebekannter Autoritäten zitiert undWahrheit aus diesen abgeleitetwurde, sondern es sollte im Kampfder Argumente logisch zwischenrichtigen und falschen Schlüssengeschieden werden. Die logischenSchriften des Aristoteles, derenlateinische Originale verloren ge-gangen waren und die zu diesemZeitpunkt über den arabischenSprachraum wieder nach Europaeinwanderten, wurden hierbei auf-gegriffen. Die anbrechende Scho -lastik leistete dabei kurz gesagt so-wohl das Aufgreifen dieser lo gi -schen Schriften, wie sie diese auchso in die Debatten integrierte, dasssie der damaligen Theologie nichtallzu gefährlich werden konnten.

Text – Material – KritikZeitgleich mit Verschiebungsbe -wegungen im methodischen Vor-gehen ergaben sich auch Än-derungen in der Anordnungsweisevon Text auf der Buchseite. IvanIllich hat sich in seinem Buch „Im

Weinberg des Textes“ damit be-schäftigt. Sowohl die Anordnungvon Text auf der Seite wie auch derUmgang mit diesem verändertesich. Während der Umgang mitText, den man in den Klöstern desfrühen Mittelalters gepflegt hatte,noch mehr von der Art einer Ver-köstigung einer durchlaufendenMelodie, bekam der Text nun erst-mals Überschriften und Rand -bemerkungen mit Leitfragencha-rakter. War die vormalige Lese kul -tur von einem Gang in den„Weinberg des Textes“ geprägt, indem man dem Wort (es war dasgöttliche gemeint) lauschte unddieses abschmeckte, so entstandennach und nach eine Lesekultur, dieden Text befragte. Noch im frühenMittelalter war es in Bibliothekenüblich murmelnd zu lesen. Soweitwir wissen, wird es um 400 imfrühen Mittelalter beim Lesen all-mählich stumm – in den Köpfenunterdessen werden Fragen laut.Methodisch und argumentativreagierte die Gründung der Insti -tu tion Universität auch auf diesenWandel von Lesekultur. Sie er-möglichte eine Form der Wissen-spraxis, in der eine Produktionvon Wahrheit möglich war, welchein den bestehenden Institutionenso nicht machbar war und die insich einen Freiraum für neueFormen der Kritik ermöglichte.Von den beiden Universitäts-modellen war es das Modell ausParis, das sich durchsetzen sollte.Für das, was sich später als Hoch-schule entwickelte, stellten dieTechniken sauberen Argumen -tierens, wie sie hier entwickeltwurden und die methodischenDurchbrüche entscheidende Wei -ch enstellungen. Historisch ge sehenkonnte sich das Modell aus Bo -logna demgegenüber nicht durch-setzen, sondern scheiterte.

Und heute?Für heutige Betrachtungsweisenkönnen wir uns weder auf dasModell von Bologna noch das vonParis so einfach berufen. Beide In-stitutionen waren hochgradig se l -ek tiv, nur ein verschwindend ge -ringer Anteil von Menschen hatteZugang zu ihnen. Zugleich eröff-neten sie als Institutionen imÜbergang für einen kurze ZeitRäume der Kritik. In der aktuellen Konstellationzwischen der Hochschulreformvon heute und der Zeit derGründung der Institution Univer-sität, gilt es an diesem Versprecheneines Raums der Kritik fest-zuhalten. Dass dies – heute mehrdenn je – als unabgegolten geltenmuss, spricht nicht dagegen. An-statt sich nämlich auf Traditionenunmittelbar zu berufen, ist esvielleicht sogar besser, sie gegenden Strich zu lesen.

Sven Lehmann,

Sprecher des GEW-Bundesauschusses

der Studentinnen und Studenten (BASS)

Uni im Mittelalter: DidaktischeQualitäten waren schon damals nichteines jeden Professoren Sache. Währendman in der ersten Reihe noch unbedarftmitschreibt, setzt ein versierter Studentin Reihe drei zum power nap an.

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Qualifikation und einenmöglichen Einstieg ins Berufs-leben – das erhoffen sich vieleStudierende von Praktika. Demgegenüber erweist sich dieRealität oft als ausgesprochenbitter: Viele Unternehmen nutzenPraktikant/innen als billigste Arbeitskraft. Praktikantinnenund Praktikanten als kostenlose„Reservearmee“, war das derSinn der Sache?

Viele werden das kennen:Man hat gerade das Stu -dium abgeschlossen und ist

auf der Suche nach einem Job.Vielfach stößt man dabei auf Ar-beitsstellen, die an ein vorherigesPraktikum geknüpft sind. Die Be-gründung seitens der Unter -nehmen lautet hierfür immerwieder, dass Hochschulab sol vent -/inn/en oftmals nicht über ge -nügend Berufserfahrung verfügenund in einem Praktikum erst ein-mal lernen und beweisen müssen,ob sie den Anforderungen desberuflichen Alltages gewachsensind. Zu einem solchen Lern- oderAusbildungszweck dienen auch

Praktika, wie das Landesarbeits-gericht Baden-Württemberg am08.02.2008 unter anderem ent-schied. Doch steht wirklich derAusbildungszweck im Vorder-grund oder leisten Hochschul -absol vent/inn/en eigentlich unterprekären Bedingungen vollwertigeArbeit? Dem ging 2011 eine Stu -die auf den Grund, die der DGBdurchführt. Ihr Name sprichtBände: „Generation Praktikum“.

Generation PraktikumZunächst erweist sich in dieserStudie die Behauptung, Hoch-schulabsolvent/inn/en verfügtenallgemein nicht über hinreichendepraktische Erfahrungen, als un-zutreffend: 32% der Absolvent/innen haben mindestens einPraktikum vor und 59 % habenmindestens eines während desStudiums absolviert. Dem Ausbildungszweck wider-spricht auch, dass 45% derPraktika länger als drei Monatedauern, bei einer durschnittlichenPraktikumszeit von 4,8 Monaten.Im Arbeitsalltag von Praktikant/inn/en steht dann oftmals nicht

das Lernen im Vordergrund: 81%der Praktikant/innen sind in denArbeitsablauf fest eingebundenund leisten vollwertige Arbeit. Siemüssen dabei auch noch allesmachen, was ihre fest angestellten,bezahlten Kollegen nicht machen,wie zum Beispiel dem Chef Kaffeekochen oder Frühstück zubereiten.Sie genießen daher oftmals we -niger Ansehen als fest Angestellte.Der Grund dafür liegt auf derHand: Bei vergleichbarer Arbeits-zeit wie beim festen Personalbeläuft sich der durchschnittlicheVerdienst der Praktikant/inn/ennach einem Hochschulabschlussauf 551 Euro. 40 % bekommenjedoch oftmals keinen Lohnwährend ihres Praktikums und69 % bekommen nicht mehr als400 Euro. Daher sind 61% derPraktikant/innen auch nach demHochschulabschluss zum Beispielauf die Unterstützung durch ihreEltern angewiesen, 43% leben vonErsparnissen. Ebenfalls 43% ge -hen neben dem Praktikum einerNebentätigkeit nach. Bei 36,5Stunden pro Woche reicht dasGeld daher oftmals nicht einmal

für den Lebensunterhalt. Dochdies ist nicht rechtens! Wer voll-wertige Arbeit leistet, hat aucheinen Rechtsanspruch auf vollenLohn! Dies geht zum Beispiel ausbesagtem Urteil vom Landes-arbeitsgericht Baden-Württemberghervor: Eine Diplomingenieurinfür Innenarchitektur absolvierteein halbjähriges Praktikum ineinem Fachverlag und erhielt einemonatliche Vergütung von 375Euro. Sie leistete aber ansonstendieselben Aufgaben wie ihre Ab-teilungsleiterin, der sie zuarbeiteteund konnte dies aufgrund ihrer Er-fahrungen bewerkstelligen. Daherkonnte sie auch dem Gericht glaub -haft machen, dass dieses Prak ti -kum nicht der Ausbildung diente.Deswegen musste der betreffendeFachverlag für die sechs Monatedes Praktikums 7.000 Euro nach-zahlen.Immerhin fühlen sich aber 52%der Hochschulabsolvent/inn/enangemessen betreut, 71% sind inden Betrieb integriert. Demgegen-über fühlen sich jedoch magere17% angemessen bezahlt!Wieso machen überhaupt so vieleHochschulabsolvent/inn/en beidie sen prekären Bedingungen einPraktikum? 76% wollen ihre Qua -lifikationen erweitern, die Hälfteerhofft sich, dass sie danach imjeweiligen Betrieb fest angestelltwerden. Dieser Plan geht jedoch inder Regel nicht auf, denn nur 22%werden übernommen!

Richtlinien für fairePraktika festlegen!Politische Maßnahmen gegensolche prekären Verhältnisse sindaus Sicht von drei Vierteln derHochschulabsolvent/inn/en staat -liche Kontrollen, ob reguläre Ar-beitsplätze durch Praktika ersetzenwerden, sowie die Festlegung einerMindestvergütung für Praktika.Eine mehrheitliche Zustimmungfindet sich ebenfalls für eine bun -desweite Anlaufstelle für Prakti -kant /inn/en, einen Tarifvertragund den inhaltlichen Ablauf einesPraktikums durch eine Ausbil -dungs ordnung verbindlich vor-zuschreiben. Generell stellt sichdie Frage, ob Praktika nach Stu -

dien abschluss nicht verboten wer -den sollten und durch Trainee-oder Berufseinstiegsprogrammeersetzt werden sollten (mit einerMindesvergütung von 8,50 Eurodie Stunde).Ein faires Praktikum unter den ak-tuellen rechtlichen bzw. politi -schen Verhältnissen erkennt manan Folgendem: Es liegt ein Vertragüber ein „Praktikum zu Ausbil -dungszwecken vor“. In diesem istFolgendes klar definiert: Prakti -kums beginn, Praktikumsdauer,Höhe der Vergütung, Anzahl derUrlaubstage, Wochenarbeitszeitnach Tarifvertrag oder Arbeits-zeitgesetz, Lohnfortzahlung imKrankheitsfall, Voraussetzungenfür eine Kündigung und schließ-lich ein Ausbildungsplan über Ab-lauf und Inhalt des Praktikums.Ebenfalls sollte man während desPraktikums angemessen betreutwerden und einen Arbeitsplatzerhalten. Alle Praktikant/inn/ensollten außer dem, wie §630 desBGB es vorschreibt, ein Zeugnisnach dem Praktikum erhalten, indem keine negativen Formu lier -ungen stehen, die sich auf künftigeArbeitsverhältnisse negativ auswir -ken können. Die Vergütung solltemindestens 300 Euro betragen, dasPraktikum sollte ferner nichtlänger als 3 Monate dauern.Wer unter prekären Bedingungenim Praktikum schuften muss undklagen will, sollte sich dringendeine Rechtsberatung einholen. DieHochschulinformationsbüros desDGBs und die Rechtsberatung derGewerkschaften sind hier für Ge-werkschaftsmitglieder wichtige An-laufstellen – vor allem auch dann,wenn man nicht auf den Kostenvon Rechtsstreitigkeiten sitzenbleiben will.

Ziad-Emanuel Farag, Student an der

Uni Heidelberg, Mitglied der dortigen

GEW-Kreisfachgruppe.

Prekarisierung per Praktikum

Weitere Infos zur Studie„Generation Praktikum“ des DGB findet ihr auf der folgenden Seite: www.dgb-jugend.de/themen/generation_praktikum

Einfach nicht reagieren – mehr scheint Bundesbildungs-ministerin Schavan zu den Pro-blemen an den Hochschulennicht einzufallen. Die für den 9. Oktober geplante Bologna-Konferenz wurde kurzfristigabgesagt.

Selbst der Präsident der Hoch-schulrektorenkonferenz(HRK), Horst Hippler, hatte

im Oktober in einem Interviewmit der Süddeutschen Zeitungscharfe Kritik an den Auswir kun -gen der aktuellen Stu dienreformgeübt. Aus den derzeitigen Stu -dienbedingungen an den meistenHochschulen lässt sich keineErfolgsstory schreiben, die sich gutin der Presse verkaufen ließe, so-viel zumindest ist klar. Möglicher-weise mag auch dies ein Grund fürdie Absage der Bo log na -Konferenz

gewesen sein: dass es kaum mehrmöglich schien, sie zu jenerwerbetauglichen Presseveran stal -tung zu machen, als die sie staats-politisch konzipiert war. Allzudeutlich wurde in den letztenJahren die dringende Notwendig-keit eines Kurswechsels. Wenig authentisch wirkt vor genaudiesem Hintergrund aber dieKritik der HRK. Nicht nur des-halb, weil sie als hochschulpo li ti -

sche Akteurin die Bewegungen wieauch die Blockierungen dessen,was sie hier kritisiert, mit zu ver-antworten hat. Was die Gestaltungvon Studienbedingungen betrifft,ist die Ebene der Hochschulenämlich keinesfalls so un we sent -lich, wie sie hier von der HRK dar-gestellt wird. Sie haben sehr wohleinen Gestaltungsspielraum. DieGEW setzt sich für eine Demo kra -tisierung der Hochschule als die ei-

gentliche Voraussetzung tatsäch-licher Verbesserungen ein. Einradikaler Kurswechsel im Bologna-Prozess ist notwendig und die Pro-bleme der Studierenden und Be-schäftigten an den Hochschulendürfen nicht einfach unter denTeppich gekehrt werden.

Sven Lehmann,

Sprecher des GEW-Bundesausschusses der

Studentinnen und Studenten (BASS)

Bologna-Konferenz fällt aus – Probleme an den Hochschulen bleiben bestehen

Abgesagt und ignoriert

Ausbildung statt Ausbeutung!

Interessiert, engagiert, ausgebeutet - so geht es einer Reihe vonPraktikant/innen.Unternehmen nutzen sie als kostenlose aka-demische Reservearmee.

Page 5: read.me 10/2012

read.me – Zeitung für Studierende 5

Drei Tage Bundesjugendkonferenz

Generationenwechsel war dasSchlagwort – und die über denGEW-Hauptvorstand mit JungerGEW und BASS organisierteVeranstaltung setzte ein Zeichenfür Möglichkeiten einer Ver-jüngungskur. Ob die auch ihreorganisationspolitischen Früchteträgt, wird sich in den nächstenJahren zeigen müssen.

Es ist kein großes Geheimnis,dass das Durchschnittsalterin der GEW in den meisten

Bundesländern jenseits der 50liegt. Um dem etwas entgegen zusetzen, hat die GEW wederKosten noch Mühe gescheut undvom 25. bis 28. Mai 2012 unterdem Titel „Occupy-Union“ dieerste Bundesjugendkonferenz füralle GEW-Mitglieder unter 35 ver-anstaltet.

Bunte VielfaltDie Konferenz fand im schönenRotenburg a. d. Fulda statt und

lockte mit einem reichhaltigenProgramm aus Workshops, Vor-trägen, Podiumsdiskussionen undFreizeitangeboten an die 150 jun-ge Gewerkschaftsmitglieder an.Für jede/n war etwas dabei. VonThemen wie Tarifarbeit über Mi-litarisierung der Hochschulen undBundeswehr an Schulen bis zumProblem der staatlichen Bekäm p -fung linker Politik. Einer derHöhepunkte war der Vortrag unddie anschließende Diskussion mitGeorge Alevizakis, dem Vize-Prä-sidenten der griechischen Gewerk-schaft OLME (Verband der Se-kundarschullehrer/innen an staat - lichen Schulen) zur derzeitigenSituation in Griechenland. Einweiterer Höhepunkt war auch dieDiskussion mit zwei der Initia -tor/innen des Frankfurter Occupy-Camps, innerhalb der unteranderem kontrovers debat tiertwurde, in was für einer Gesell-schaft wir jungen GEWler/innenleben wollen.

Die Stimmung auf der Konferenzwar großartig. Man verstand sichauf Anhieb, obwohl oft die ein-zige Gemeinsamkeit die Mit-gliedschaft in der GEW war. JungeMenschen aus verschiedenenBundesländern und verschiedenenBildungs- und Arbeitsbereichenkamen zusammen. Es wurde sichausgetauscht, vernetzt, neueFreundschaften entstanden undneue Mitstreiter/innen konntengewon nen werden. Unter den Teilnehmenden wareneinige Neumitglieder, die auf dieseWeise die GEW besser kennen-lernen wollten. Auch waren vieleMenschen angereist, die sich davorkaum oder gar nicht in der GEWengagiert hatten, durch die Kon-ferenz aber eine Motivationerfahren haben, sich nun mehr inder Gewerkschaft einzubringen.Dass dies aber nicht immer ein-fach ist, wurde auch von bereitsaktiven Mitgliedern geäußert. Sowurde beklagt, dass die jungen

Mitglieder vor Ort in ihren Stadt-oder Landesverbänden nichtgenug Unterstützung erhielten,obwohl von allen Seiten immerwieder auf die Notwendigkeit vonNachwuchsarbeit hingewiesenwird.

Generationenwechseleinfordern!Es bleibt abzuwarten, ob dieForderung nach einem Genera -tionenwechsel ein bloßes Lippen -bekenntnis bleibt. Die Bundes-jugendkonferenz war ein guter An-fang, jetzt geht die Arbeit erstrichtig los. Es müssen bessereBedingungen auf allen Ebenen ge-schaffen werden, damit jungeMenschen sich mit der GEWidentifizieren und ihre Interesseneinbringen können. Sie müssenmit ihren Anliegen ernst ge nom -men werden und Unterstützungerfahren. Die Beseitigung infor -meller Hierarchien ist geboten,um dies erreichen zu können.

Mehr Freiraum für Selbstor ga ni sa -tion und eigene Ideen sind das Ziel.

Arbeits- undStudienbedingungenDie Arbeitsbedingungen und Stu -dienbedingungen junger Men -schen werden immer prekärer.Dies muss die GEW in ihrer Ar-beit vermehrt aufgreifen. Eineideelle Unterstützung reicht abernicht aus, es muss auch eine per-sonelle Unterstützung vorhandensein: Ansprechpersonen, die sichkonkret um die Anliegen jungerund studierender Mitglieder küm -mern. Dies muss in der perso nel lenAufstellung unbedingt Berück-sichtigung finden. Wir wollen dieGEW nicht okkupieren, wir wol -len gleichberechtigt mitmachen!

Marius Klein

(Landesausschuss der Studentinnen und

Studenten der GEW Sachsen),

Elena Born (Landesausschuss der Studentinnen

und Studenten der GEW Bayern)

GEWerkschaft jugendlich besetzt

Studierendenpolitik ist Organisationspolitik!

Welche Studierendenarbeit gibtes in der GEW? Steht mit demGenerationenwechsel auch einorganisationspolitischer Kurs-wechsel bevor?

Über die Studierenden-gruppen an den Hoch-schulen vor Ort und die

Landesausschüsse der Studen -tinnen und Studenten (LASS) inder GEW gibt es eine Struktur,mit der sich innergewerkschaftlichStudierende in der GEW orga -nisieren. Sie treffen sich aufBundesebene im Bundesausschussder Studentinnen und Studenten(BASS) der GEW. Hier versuchen

wir, eure Interessen so gut alsmöglich zu vertreten und orga -nisationspolitisch für eine jungeund kämpferische Gewerkschaftmit Biss einzutreten.

OrganisationspolitikanpackenNeben der Mitorganisation derBundesjugendkonferenz „OccupyUnion“ haben wir bereits imletzten Jahr mit der Erarbeitungeines Strategiepapiers zur Arbeitstudentischer Aktiver einen erstenAufschlag für eine organisations-politische Diskussion um dieUnterstützung der Studierenden-arbeit gemacht. Eine Studieren -denarbeit, die nicht nur auf ein-malige Schlaglichtveranstaltungensetzt, sondern nachhaltige gewerk-schaftliche Arbeit leistet, findenwir ausgesprochen wichtig. DenGehalt einer soliden und kon-tinuierlichen Studier endenarbeit,wie wir sie von der GEW aus denletzten Jahren gewohnt sind,unterstreichen wir mit Nachdruck– und wollen sie gemeinsam miteuch noch verbessern. Wir planenaktuell eine Veranstaltung zu Per-spektiven in der Hochschulpolitikfür das kommende Frühjahr.In unserem Beitrag für eineorganisationspolitische Diskussionhaben wir festgehalten, dass wirdavon ausgehen, dass Studierendeeine eigene Gruppe in der Hoch-schule sind, die die Themen, mitdenen sie sich befassen wollen,selbst bestimmen müssen. Dazusollten sie die ihnen adäquaten

Mitbestimmungsstrukturen nutzenund definieren können.Studierende sehen sich nachunserem Eindruck mit einer Hoch-schule konfrontiert, in der sie zu-nehmend selektiven sozialenWirkungen ausgesetzt sind; eineAusweitung der Verunsicherung.Um hier einen Einsatz füralternative Entwicklungen leistenzu können, könnten die Gewerk-schaften eine Plattform bieten, aufder solidarisch gegen Ver-unsicherung und Vereinzelung an-gearbeitet werden kann. Nachdem Prinzip der Stellvertreter-politik wird eine solche Plattformaber nicht funktionieren. Daherhaben wir für uns festgehalten:„Jedwede Handlungsplattformmuss an den unmittelbaren Pro-blemen der Studierenden an -setzen. Sie müssen, wenn sie ihre

Interessen vertreten wollen, für dieIdee einer Hochschule in gesell-schaftlicher Verantwortung ein-treten und diese Idee leben. Dafürsteht Studierendenarbeit in undfür die GEW.“

GewerkschaftlicheErneuerung!Was für die Studierendenarbeitgilt, das gilt auch für dieOrganisationsarbeit der Gewerk-schaften im Gesamten: altbackeneoder gar sozialpartnerschaftlichhandzahme Politik war nie dieSache des BASS. Wenn die Ge-werkschaften erfolgreich sein wol -len, dürfen sie sich nicht in dieDefensive drängen lassen. Sie soll -ten mutiger werden. Anstatt sichin die Ecke der Klientelpolitikschieben zu lassen, sollten sie sichverstärkt auf ihre Rolle bei der

Demokratisierung von Gesell-schaft beziehen und dabei die ver-schiedenen Problembereiche derin die Krise gerate nen Gesell-schaftsformation ansprechen. Neben der Wiederaufnahme urge-werkschaftlicher Themen wie z. B.den Debatten um Produktkonver-sion oder Demokratisierung derWirtschaft steht nicht nur dieForderung nach mehr Arbeit aufdem Plan, sondern wären auchModelle gesellschaftlicher Arbeits-zeitverkürzung angesagt. Auch zuDiskussionen um politischenStreik könnten die Gewerkschaf -ten einen Anstoß geben undwieder stärker mit sozialen Be -wegungen zusammenarbeiten.

Sven Lehmann, Sprecher des Bundesauschusses

der Studentinnen und Studenten (BASS)

in der GEW

Studierende in der GEW und die GEW für Studierende

A-Team-Qualitäten scheinen den künftigen GEWerk-schafter/innen nicht fremd zu sein. Wir lieben es,wenn ein Plan funktioniert – und im Übrigen habenwir Großes vor!

Foto: Sheila Beringer

Mit Papier und Strohhalmen galt es auf

der Bundesjugendkonferenz ein rohes

Ei so zu verpacken, dass es unbeschadet

als Flugobjekt an den Start gehen

konnte. In Landesverbände eingeteilt

waren kreative Basteleien gefragt.

Foto: Hannes Haller

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read.me – Zeitung für Studierende6

Wissenschaftliches Sklaventum abschaffen

Warum muss ich Zeiten, in denenich krank war, nacharbeiten?Wieso habe ich als Hilfskraftkeinen Urlaubsanspruch? Dassind nur zwei Fragen, welche dieGEW nicht selten von Studie ren -den erreichen. An den Hoch-schulen wird über Arbeitsrechtleider oft ebenso wenig infor -miert wie dessen Grundlageneingehalten werden.

Wissenschaftliche Hilfs-kräfte mit und ohne Abschluss werden an

Hoch schulen umgangssprachlich„HiWi“ oder „WiHi“ genannt. Eshandelt sich dabei um Studierendeim Bachelor-, Magister-, Diplom-oder im Staatsexamensstudien-gang (wissenschaftliche Hilfskraftohne Abschluss) beziehungsweiseStudierende im Master oder nacheinem abgeschlossenen Studium.

FaktenlageAuch wenn dies die wenigstenwissen, haben auch wissenschaft -liche und studentische HilfskräfteUrlaubsanspruch. Leider stehtihnen dabei nur der gesetzlicheMindesturlaub zu.Wissenschaftliche und studen -tische Hilfskräfte haben – dasLand Berlin ausgenommen –keinen eigenen Tarifvertrag und

sind auch nicht von einemanderen Tarifvertrag umfasst. Esgibt eine Richtlinie, die einseitigvon den Länderfinanzministerngestaltet wird und als Stunden-lohn Höchstsätze festlegt. Diesestellen jedoch eine bloße Richt-linie dar, das heißt, sie könnenvon den Hochschulen unter-schritten werden – und zwar ohnedass diese dazu einen Grund an-geben müssten. Die Gewährung von Urlaubsgeldund anderen Sonderzahlungenkann einseitig von den Finanz-ministern abgelehnt werden. Für

Studierende mit Hochschulab -schluss (also zum Beispiel miteinem Bachelorabschluss) ist derStundenlohn 11 Prozent höher alsfür Studierende ohne Abschluss,deren Stundenlohn maximal 8,56Euro beträgt. Für Studierende mitMaster-, Diplom- oder Magister-abschluss liegt der Lohn bei 13Euro – allerdings nur, wenn derAbschluss an einer Universitäterworben wurde oder an einerFachhochschule, die akkreditiertist. Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler, die nach einemMaster einer solchen Tätigkeit

nachgehen, sind in der Regel Pro-movierende, für die es keine re-gulären Stellen gibt und die sichdadurch ein Zubrot verdienen.

Vorbild ÖsterreichIn Österreich gibt es einenKollektivertrag. Dieser schließt dieStudierenden ein und sieht für siedie gleichen Rechte wie für andereHochschulbeschäftigte vor – ledig-lich mit niedrigerem Stundenlohn.So gilt für Studierende bis zumStudienabschluss ein Stundenlohnvon 8,16 Euro, Urlaubsanspruchund Lohnfortzahlung im Krank-

heitsfall. Also all das, was man ei-gentlich auch hierzulande als eineSelbstverständlichkeit erwartenmüsste. Daher trafen sich AnfangSeptember in Herrsching amAmmersee, am Rande der Wissen-schaftskonferenz der GEW, dieStudierenden der GEW, um sichmit den Forderungen der Gewerk-schaft für studentische und wis sen -schaftliche Hilfskräfte zu beschäf -tigten.

Jetzt solidarisch aktivwerden!Ändern wird sich die derzeitigeLage nur, wenn wir solidarischund gemeinsam gegen Vereinzel-ungs- und Prekarisierungsten den -zen an den Hochschulen aktivwerden. Die Gewerkschaften undFinanzminister verhandeln allezwei Jahre über den Tarifvertragder Länder – den TVL. Dasnächste mal finden diese Verhand-lungen im Frühjahr 2013 statt. Als Kernforderung steht unserer-seits die Aufnahme in den Tarifver-trag. Dies würde einerseits einenUrlaubsanspruch von 28 Kalender-tagen pro Jahr bedeuten. Überdiesergäben sich damit auch eine Lohn-fortzahlung im Krankheitsfall, so -wie ein festge schrie be ner Stunden-lohn, der nicht einseitig von derHochschule oder den Finanzmi nis -ter/innen je nach Kas sen lage nachunten geschraubt werden kann.

Wir brauchen dich!Diese Verbesserungen werden abernicht von alleine Aufnahme in denTarifvertrag finden. Zum einenmüs sen die beteiligten Gewerk-schaften sich diese als wichtigeForderungen zu eigen machen.Zum anderen müssen die Finanz-minister/innen, die immer überknappe Kassen klagen, ebenfallsmehrheitlich zustimmen. Um die -sen Forderungen Nachdruck zuverleihen, wollen wir im Winter-semester gemeinsam aktiv werden!

Marco Unger,

Sprecher des GEW-Bundesausschusses der

Studentinnen und Studenten

Tarifvertrag für studentische undwissenschaftliche Hilfskräfte

Weitere Informationen zu Rechtenvon studentischen und wissen -schaftlichen Hilfskräften findet ihrin folgendem Ratgeber. Ihr könntdie Broschüre sowohl ü[email protected] bestellen, wie ihr die Datei auch über dieHomepage der GEW als pdf abrufen könnt:

www.gew.de/Binaries/Binary78539/Ratgeber%20Hiwis.pdf

Ratgeber Studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte an Hochschulen

In einer Studie der Max-Träger-Stiftunghaben sich Alexander Lenger, ChristianSchneickert und Stefan Priebe jüngst mitder Situation und den Prekarisierungs-tendenzen im Bereich der studentischenHilfskräfte beschäftigt. Auch diese könntihr über [email protected] bestellen, so wie sie euch online als pdf zur Ver-fügung steht:

www.gew.de/Binaries/Binary88494/Studentische_MitarbeiterInnen_online.pdf

Alexander Lenger, Christian Schneickert, Stefan Priebe:Studentische MitarbeiterInnen – Zur Situation und Lage vonstudentischen Hilfskräften und studentischen Beschäftigten andeutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen

Geld lässt sich mit einem Job als Hilfskraft meist nicht soviel verdienen.Es ist eher soziales Kapital, das hier gesammelt wird. Entsprechend handeltes sich um Tätigkeiten, welche dieleisten, die es sich leisten können.

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read.me – Zeitung für Studierende 7

In Baden-Württemberg wurdendie Verfassten Studierenden -schaften (VS) gerade erst wiedereingeführt, so dass mit Bayernnur noch ein Bundesland ohneVerfasste Studierendenschaftexistiert. Von konservativer Seitewird nun gegen die Demokrati -sierung mobil gemacht.

Anfang August forderte dieJunge Union die deutsch-landweite Abschaffung der

Verfassten Studierendenschaften,um „mehr Freiheit“ für die Stu -dierenden zu schaffen und möchtedies auf ihrem „Deutschlandtag“Anfang Oktober als Grundsatzfor -derung beschließen. Selbst dembun desweiten CDU-Studierenden-verband geht diese Forderungindessen zu weit, jedoch konnte ersich mit seiner Meinung innerhalbder CDU nicht durchsetzen. Umdem Vorschlag der Jungen Unionden Weg zu bereiten, hat, mittenin den Semesterferien, die sächs i -sche Koalition aus CDU und FDP Än de rungs anträge zu ihrem ei-genen Ge setzentwurf eingebracht.Am 7. Sep tember wurden mehrereAnträge im Wissenschaftsausschussdes Landtags eingereicht, einer davon könnte auch bundesweitfolgenreich sein.Der Antrag sieht die Austritts-möglichkeit aus der VerfasstenStudierendenschaft vor. Was aufden ersten Blick nicht sehr fol -

genreich klingen mag, ist beigenauerer Betrachtung hochpro-blematisch, läuft der Vorschlagdoch darauf hinaus, dass jemand,der unzufrieden mit der Politik derStudierendenschaft – einer Kör per -schaft des Öffentlichen Rechts – ist,aus dieser austreten kann. Manstelle sich zum Vergleich die Mög -lichkeit vor, dass jeder, der mit derLandespolitik unzufrieden ist, ausdem Bundesland austreten könnteund damit noch die Steuern undAbgaben, die an das Bundeslandfließen, sparen kann. Nichts an -deres sieht der Vorschlag einer Aus-trittsoption aus der Stu die ren -denschaft vor – und unterwandertdamit die Grundlage dessen, wasman Solidargemeinschaft nennt.

Unterhöhlung der VerfasstenStudierendenschaft?Begründet wird dies mit derTatsache, dass es eine Stärkung derFreiheit der Studierenden darstelle,da man sich aktiv für eine Mit-gliedschaft im Staat entscheidenmüsse. Als Folge werden in Zu-kunft alle solidarisch finanziertenSemestertickets abgeschafft werdenmüssen. Eine nun noch stärkere fi-nanzielle Belastung der Studie ren -den ist die Konsequenz. Der Abge-ordnete Macken rot (CDU) siehtindessen durch die „mit dem Aus-trittsrecht geschaffene Möglichkeitdes Verzichts auch im Hinblick aufdas Semesterticket ein Wahlrecht

und damit ein Stück zusätzlicherFreiheit für die Studierenden – esist nicht einzusehen, dass und warum etwa Studierende, die inCampusnähe wohnen, weiterhindas Semester ticket derjenigen mit-finanzieren sollen, die den Campus nur mit öffentlichenVerkehrsmitteln er reichen kön -nen.“ Gleich zeitig bedeutet diesfür die Stu die ren den schaftengroße finanzielle Unsicherheiten,so dass auch weitere Angebote wieBeratungen und Betreuungen, kulturelle Ver-anstaltungen aber auch die po li -tische Vertretung der Stu dierendennicht mehr in dem Maße gewähr-leistet werden könnten wie bisher.Der Ausschuss stimmte am 10. Sep tember, also nur drei Tagenach Einreichung und ohne Kon-sultation der Betroffenen oderAnhörung von Experten, diesemAntrag zu. Der Sächsische Landtagsoll sich am 26. und 27. Septemberin der zweiten und dritten Lesungmit dem Gesetz endgültig be fas -sen und beschließen (nach Redak-tionsschluss).Die heutigen Studierendenver-tretungen in Sachsen sind im Zugeder friedlichen Revolution Endeder 80er Jahre aus Räten vonStudierenden entstanden, die sichfür Systemveränderungen einsetz -ten. Dass diese nun ausgerechnetvon der so freiheitsliebendenCDU-FDP-Koalition abgeschafft

werden, ist blanker Hohn. Bleibtzu hoffen, dass der politische Sach-verstand wieder in die Gre mien derCDU-Jugend einkehrt. Zu fordern,man solle aus dem Staat austretendürfen, weil man selbst kaum inden Gremien der VerfasstenStudierendenschaft aktiv ist, oderweil man mit der Politik un-zufrieden ist, zeugt von einemgeringen Demokratieverständnis.Sollte dieser Antrag der JungenUnion angenommen werden, drohtin weiteren (CDU-regierten) Län -dern eine Schwä chung der Ver-

fassten Studieren denschaften undein Abbau von Mitsprache und Mit -bestimmungsmöglichkei ten, eben -so wie die Verschlech ter ung der so -zialen Lage der Stu die ren den.Die GEW wird sich aktiv für dieBeibehaltung und Wiederein führ -ung der Verfassten Studie ren den -schaften bundesweit einsetzen undunterstützt dem ent sprechende Ini-tiativen.

Marco Unger,

Sprecher des GEW-Bundesausschusses der

Studentinnen und Studenten

Bundesweite Schwächung der VerfasstenStudierendenschaften?

Es geht durch die Hochschulpolitik ein Geflüster

Sachsen-Anhalt:Austrittsmöglichkeit aus der Verfassten Studierendenschaftfrühestens im zweiten Semester. Das Bundesland finanziert dieStudierendenvertretungen mit einer staatlichen Grundfinanzierung.Dafür aber gibt es die Möglichkeit, weitgehend politische Po-sitionen zu vertreten.

Sachsen: Austrittsmöglichkeit aus der Verfassten Studierendenschaftfrühestens ab dem zweiten Semester vorgesehen. Beschränktes Auf-gabenfeld der Studierendenschaft.

Bayern: Keine Verfasste Studierendenschaft, die Vertretung innerhalb derHochschule und die Selbstorganisation der Studierendenschaft sindsehr stark verwoben, keine eigenen Finanzen. Geringe Möglich-keiten, über den Hochschulhaushalt Kosten erstattet zu bekommen.Nur geringe gesetzliche Aufgaben.

Baden-Württemberg: Neu eingeführte Verfasste Studierendenschaften, die sich bis zumnächsten Sommer konstituieren.

Sieht so „Einsamkeit und Freiheit“ aus? Die Sächsische Landesregierung hat da wohl Humboldt mit Hayek durch-einandergebracht. Sie legt die Axt an dieSolidargemeinschaft der Studierenden.

Page 8: read.me 10/2012

read.me – Zeitung für Studierende8

LASS Baden-Wü[email protected]/Studium_4.html

LASS [email protected]/index.php?id=348

LASS [email protected]/lass.htm

LASS Brandenburglass@studiberatung-potsdam.dewww.studiberatung-potsdam.de

LASS Bremengewstudishb.blogspot.comwww.gew-hb.de/Studierende.html

LASS [email protected]

LASS [email protected]/index.php?id=571

LASS Mecklenburg-Vorpommern(über den Landesvorstand)[email protected]

LASS [email protected]/lass

LASS [email protected]

LASS [email protected]/html/arbeits_personengruppen/studierende.php

LASS [email protected]

LASS [email protected]/node/7

LASS [email protected]/index.php?menuid=96

LASS [email protected]

LASS Thü[email protected]/Studierende_LASS.html

Herausgeber:Gewerkschaft Erziehung und WissenschaftHauptvorstandPostfach 90040960444 Frankfurt am MainTel.: 069/78973-0 Fax.: 069/78973-201 [email protected] www.gew.de

Redaktion:Dr. Andreas Keller (verantwortlich),Marius Klein,Sven Lehmann,Marco Unger

Gestaltung:Werbeagentur Zimmermann, Heddernheimer Landstraße 144 60439 Frankfurt am Main

Druck: apm AG, Darmstadt

Oktober 2012

Impressum Kontakt zu den GEW-Studis in Deinem Bundesland

Um junge Menschen imHochschulbereich zuunterstützen und at-traktive Veranstaltun -gen für sie anzubieten,gibt es im Vorstands-bereich Hochschuleund Forschung beimGEW-Hauptvorstandseit 2009 ein Projektzur Fortbildungvon Doktoran - dinnen undDoktoran den.

Zielgruppe sind Promotionsin te -ressierte und Promovierende alsdiejenige Gruppe, die mit ihrerEntscheidung für die Promotioneine Weichenstellung für die Wis -senschaft als Beruf getroffen ha -ben. Die Bedingungen für den wis -senschaftlichen Nachwuchs sind inDeutschland allgemein nicht ide al.Vor allem die An fangs phase derPromotion ist mit besonderen

Schwie rig kei ten ver-bunden. Wir wol lenden (zu künftigen)Pro mo vierendendies en Schritt er - leich tern und überdie wis sen schafts -poli ti sche Situationinfor mie ren.

Hierfür ha ben wir ein zielgrup -penspe zi fisches gewerk schafts po li -ti sches Veran stal tungs an gebot ent-wickelt, das wir sehr gerne auch inDeinem Landesverband an bie tenmöch ten. Die Informationsveran -stal tungen und Seminare werdenbereits in vielen Landesverbändenerfolgreich durch geführt. Die Mitglieder der bundesweitenMuliplikatorInnengruppe im Vor-standsbereich Hochschule undForschung, die die Veranstal tun -gen und Seminare durchführen,kennen als Promovie rende undPromovierte nicht nur die Proble meund Fallstricke der Promo tions -phase aus eigener Anschauung,sondern sind als langjährige Aktivein der GEW auch mit hoch schul -politischen Hintergründen und ge-werkschaftspolitischen Positionenvertraut. Bei Interesse könnt ihrger ne Kontakt [email protected] aufnehmen.

Mögliche Veranstal tungs angebotesind:Informationsveranstaltung:Nach dem Studium promovieren? Die Veranstaltung besteht auseinem Vortrag mit Diskussion undrichtet sich an Promotionsinteres-sierte als Zielgruppe. Der Vortragbietet Informationen zu den Ent-scheidungsprozessen und denRahmenbedingungen der Pro-motionsphase, vor allem zu denbestehenden Finanzierungsmo -del len für Promovierende und derdamit einhergehenden rechtlichenund sozialen Absicherung. Aufspezielle Themen kann, je nachInteressenslage der Teilnehmen -den, nach dem Vortrag einge-gangen werden.

Seminar: Studieren und dannpromovieren? (2 –3 Tage) Das Seminar „Studieren und dannpromovieren?“ richtet sich an Pro-motionsinteressierte und bietet dieMöglichkeit, sich mit den Ent-scheidungs- und Arbeitsprozessender Promotionsphase zu be-schäftigen. Die Einbeziehung per-sönlicher Themen und der Arbeits-und Lebenssituationen bietet dieGelegenheit, sich mit den kon-kreten Entscheidungen und derPlanung einer eigenen Promotionauseinanderzusetzen.

Schreibwerkstatt zur Exposé -erstellung (2 Tage) Das Exposé ist Voraussetzung fürdie Bewerbung um ein Promo -tionsstipendium, manchmal auchfür Stellen. Es ist nicht eben schnellgeschrieben, sondern fordert be-reits eine aktive Auseinanderset-zung mit dem gewählten Thema.Hierauf will dieses Angebot vor-bereiten.

Seminar: Begleitung des Promotionsprozesses (2 Tage) Das letzte Seminarangebot richtetsich an Doktorandinnen undDoktoranden. Eine Promotion isteine langwierige Angelegenheit,bei der Höhen und Tiefen durch-laufen werden. Krisen wird manwahrscheinlich nicht umgehenkönnen und es hilft zu wissen,dass auch Andere sie durchlaufen.Trotz alledem kann schon im Vor-und Umfeld viel getan werden,um sie zu meistern. Ein Aspektdabei ist, sich ein Arbeitsumfeldzu schaffen, um mit anderen Pro-movierenden und Wissenschaft-lerInnen in regelmäßigen Aus-tausch zu treten und unter-stützende Angebote zu nut zen.

Die nächsten Veranstaltungen:

17.10.2012, TU Chemnitz: Informationsveranstaltung

09.–11.11.2012, GEW Sachsen: Exposéschreibwerkstatt

22.–24.11.2012, GEW Berlin: Studieren und dann promovieren?

Veranstaltungsangebot für Promovierende und Promotionsinteressierte

Der Weg zum Doktorhut