Roman u Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher Einführung in die relativistische...

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.rororovieweg-wirdvomRowohltTaschenbuchVerlag inZusammenarbeitmitdemVerlagViewegherausgege- ben .DasProgrammumfaßtdieGebieteMathematik, Physik,ChemieundBiologieundwirdabgerundetdurch dieBände=Basiswissen,indenenfachübergreifende ThemenundwissenschaftstheoretischeGrundlagenbe- handeltwerden.DieStudienkomplexedereinzelnenFä- chergliedernsichinGrundkurse,Aufbaukurseundbe- gleitendeKompendien,indenenderStoff«griffbereit= dargestelltist . =rororovieweg=wendetsichvorallemandenStuden- tendermathematischen,naturwissenschaftlichen und technischenFächer,aberauchandenSchülerderSe- kundarstufeII,dersichaufseinStudiumvorbereiten will .Darüberhinausmöchte«rororovieweg=auchdem Mathematiker,Naturwissenschaftlerund Ingenieurin LehreundPraxisdieMöglichkeitbieten,seinWissen anhandeinerorganischaufgebautenArbeitsbibliothek ständigzuergänzenundesüberdaseigeneSpezialge- biethinausaufdemneuestenStandzuhalten .

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Die Entdeckung von Quasaren, Pulsaren, schwarzen Löchern und der kosmischenHintergrundstrahlung hat die allgemeine Relativitätstheorie und die relativistischeAstrophysik in den letzten Jahren zu zentralen Themen physikalischer Forschunggemacht.

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.rororo vieweg- wird vom Rowohlt Taschenbuch Verlagin Zusammenarbeit mit dem Verlag Vieweg herausgege-ben. Das Programm umfaßt die Gebiete Mathematik,Physik, Chemie und Biologie und wird abgerundet durchdie Bände =Basiswissen, in denen fachübergreifendeThemen und wissenschaftstheoretische Grundlagen be-handelt werden. Die Studienkomplexe der einzelnen Fä-cher gliedern sich in Grundkurse, Aufbaukurse und be-gleitende Kompendien, in denen der Stoff «griffbereit=dargestellt ist .

=rororo vieweg= wendet sich vor allem an den Studen-ten der mathematischen, naturwissenschaftlichen undtechnischen Fächer, aber auch an den Schüler der Se-kundarstufe II, der sich auf sein Studium vorbereitenwill. Darüber hinaus möchte «rororo vieweg= auch demMathematiker, Naturwissenschaftler und Ingenieur inLehre und Praxis die Möglichkeit bieten, sein Wissenanhand einer organisch aufgebauten Arbeitsbibliothekständig zu ergänzen und es über das eigene Spezialge-biet hinaus auf dem neuesten Stand zu halten .

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Themenplan Physik

Physik griffbereit

GrundkursExperimentalphysikMechanikElektrodynamik 1 -GrundlagenElektrodynamik II - Materieeigenschaften und OptikThermische PhysikAtom- und QuantenphysikKernphysikEinführung in die Festkörperphysik

Elemente der Theoretischen PhysikBd. 1 : Klassische Mechanik. QuantenmechanikBd. 2: Felder und Wellen . Kinetik

AufbaukursElektrodynamikThermodynamikQuantenphysikQuantenmechanikStatistische PhysikKernphysikKernenergiegewinnung und KernstrahlungPlasmaphysikElementarteilchenphysikHochpolymerenphysikTieftemperaturphysikRelativitätstheorieEinführung in die relativistische AstrophysikBiophysikGeophysik

(Über die bereits erschienenen Titel informiertdas neueste Rowohlt-Verzeichnis)

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Roman und Hannelore Sexl

Weiße Zwerge -schwarze LöcherEinführung in dierelativistische Astrophysik

Mit 79 Abbildungen und10 Tabellen

PhysikAufbaukurs

rororo vieweg

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Prof. Dr. Roman Sexl ist Vorstand amInstitut für Theoretische Physik der Universität Wien undAbteilungsleiter am Institut für Weltraumforschung derösterreichischen Akademie der Wissenschaften

Dr. Hannelore Sexl unterrichtet Physik und Mathematikan einem Wiener Gymnasium

Redaktion: Verlag Vieweg, Braunschweig

1 .- 8 . Tausend April 19759.-13 . Tausend Januar 1977

Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH,Reinbek bei Hamburg, April 1975© Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1975Alle Rechte vorbehaltenUmschlagentwurf Werner RebhuhnSatz Vieweg, BraunschweigDruck Clausen & Bosse, Leck/SchleswigPrinted in Germany .980-ISBN 3499270145

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort 1

1 . Die Grundlagen der allgemeinen Relativitätstheorie 31 .1 . Das Eötvös-Dicke Experiment 41 .2 . Inertialsysteme 41 .3 . Das Äquivalenzprinzip 71 .4 . Die allgemeine Relativitätstheorie 8

2 . Die klassischen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie 9

2.1 . Die Rotverschiebung 92.2 . Die Lichtablenkung 122.3 . Die Perihelverschiebung 16

3 . Die gekrümmte Raum-Zeit 21

3 .1 . Das Verhalten von Uhren 213 .2. Das Hafele-Keating-Experiment 233 .3 . Das Verhalten von Maßstäben 263.4. Lichtablenkung und Raum-Zeit-Geometrie 303 .5 . Das Shapiro-Experiment 313 .6. Der gekrümmte Raum und die Anschauung 333.7. Anhang : Uhren im Gravitationsfeld - anders betrachtet 37

4. Sterne und Planeten 38

4 .1 . Sternentstehung und Gleichgewichtsbedingung 384.2. Der Massendefekt 424.3 . Nichtentartete Sterne 444.4. Die Zustandsgleichung entarteter Materie 454.5 . Die Theorie weißer Zwerge 494.6 . Monde, Planeten und weiße Zwerge 524.7 . Neutronensteme 554.8. Strukturen im Kosmos 58

5. Pulsare 62

5 .1 . Die Entdeckung der Pulsare 625.2 . Magnetfeld und Strahlungsmechanismus 67

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6 . Gravitationskollaps und schwarze Löcher 686 .1 . Gravitationskollaps 686.2. Schwarze Löcher 726.3 . Das Gravitationsfeld schwarzer Löcher 756.4 . Rotierende schwarze Löcher 78

7 .Die Suche nach schwarzen Löchern 807 .1. Methoden zur Entdeckung schwarzer Löcher 817 .2 . Epsilon Aurigae 827.3 . Doppelsternsysteme als Röntgenquellen 867.4 . Hercules Xl - ein Neutronenstern 907.5 . Cygnus Xl - ein schwarzes Loch 92

8. Gravitationswellen 958 .1 . Die Aussendung von Gravitationswellen 958 .2 . Die Messung von Gravitationswellen 988 .3 . Die Resultate und ihre Deutung 100

9 . Kosmologie 1029.1 . Das kosmologische Prinzip 1029.2 . Das unendliche, homogene und statische Universum 1039.3 . Kinematik des Universums : Hubble-Gesetz und Welthorizont 1049.4. Dynamik des Universums: Expansion und Urknall 1089.5 . Geometrie des Universums : die Krümmung des Weltraums 1129.6 . Entscheidung zwischen Universen: Ist das Weltall endlich? 115

10. Kosmogonie und das frühe Universum 12010 .1 . Die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung 12010.2 . Strahlung im Universum 12210.3 . Das frühe Universum 12410.4. Die Entstehung der Strukturen 12610.5 . Zufall oder Notwendigkeit : Sonnensystem und Leben 130

Anleitung zur Lösung der Übungsaufgaben 132

Literaturverzeichnis 140

Bildquellenverzeichnis 142

Personenregister 143

Sachregister 144

Kurzbiographie der Autoren und Veröffentlichungen 149

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Vorwort

Die Entdeckung von Quasaren, Pulsaren, schwarzen Löchern und der kosmischenHintergrundstrahlung hat die allgemeine Relativitätstheorie und die relativistischeAstrophysik in den letzten Jahren zu zentralen Themen physikalischer Forschunggemacht. Aber auch die Fortschritte der Meßtechnik haben dazu geführt, daß diefrüher dem Experiment fast unzugänglichen Vorhersagen von Einsteins Theoriedurch eine Fülle neuer Untersuchungen untermauert und bestätigt wurden . Demallgemeingebildeten Naturwissenschaftler ist es aber kaum möglich, sich über dieseaufregenden neuen Entdeckungen hinreichend zu informieren, da die Lektüre derFachzeitschriften das Eindringen in die komplizierten mathematischen Technikender allgemeinen Relativitätstheorie zur Voraussetzung hat . Andererseits gibt es eineReihe von sehr populären Darstellungen der Ideenwelt der Einsteinschen Theorie,die aber wegen ihrer qualitativen Beschreibungsweise die physikalischen Zusammen-hänge nur erahnen lassen .

Für uns war vor allem die Situation des Lehrers Anlaß zur Entstehung diesesBuches : Von seinen Schülern über neue Entdeckungen befragt, kann er auf Grundder populären Darstellungen nur sehr unzureichend Auskunft geben . Auch bietetdie übliche Ausbildung des Lehrers, Experimentalphysikers, Astronomen oderMathematikers an den Hochschulen kaum jemals Gelegenheit, die faszinierendeGedankenwelt der allgemeinen Relativitätstheorie an der Grenze von Mathematik,Physik, Astronomie und Erkenntnistheorie kennenzulernen. Um diesem Mangelabzuhelfen, haben wir vor einigen Jahren begonnen, Kurse und Vorlesungen einzu-richten, die die physikalischen Argumente und Probleme der relativistischen Astro-physik korrekt, aber doch ohne höhere Mathematik darstellen . Die Organisationdieser Kurse wurde wesentlich durch Herrn Ministerialsekretär Dr.Eduard Szirucsekangeregt, dem wir an dieser Stelle für seine Unterstützung herzlich danken .

Die Lektüre dieses Buches verlangt vom Leser Vorkenntnisse im Ausmaße einerEinführungsvorlesung in die Physik . Zu den Übungsaufgaben, die den Text ergänzen,ist vielleicht zu sagen, daß nur ein Teil der Einübung des Formalismus dient, währendandere (wie etwa die Aufgaben 8-11) zur Reflexion über die hier dargestelltenIdeen anleiten sollen. Ferner ist anzumerken, daß vor allem in den Abschnitten 7und 8 Probleme abgehandelt werden, die derzeit Gegenstand intensiver Diskussionensind . Es ist durchaus möglich, daß die weitere Entwicklung zu einer teilweisenRevision der hier dargestellten Ergebnisse führt . Wir haben uns dennoch entschlossen,diese Ergebnisse aufzunehmen, da der Leser sonst nicht in der Lage wäre, die weitereEntwicklung mitzuverfolgen .

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Vorwort

Der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung hat unsere Arbeitjahrelang in großzügigster Weise unterstützt . Die internationalen Kontakte mitanderen Forschungsgruppen, unter anderem in gemeinsamen Seminaren mitMünchen und Triest, waren für das Zustandekommen dieses Buches unentbehrlich.Dank schulden wir aber auch der Österreichischen Akademie der Wissenschaft, dieim Rahmen des Instituts für Weltraumforschung die Anstellung eines weiterenMitarbeiters und den Besuch der internationalen Kongresse über Relativitäts-theorie in New York und Tel-Aviv ermöglichte . Für die Fertigstellung des Bucheswaren auch die angenehmen Arbeitsbedingungen während eines Forschungs-aufenthaltes im Europäischen Kernforschungszentrum CERN (Genf) wesentlich .

Für die Durchsicht des Manuskripts und viele Ratschläge sind wir den HerrenProf. Dr . J. Ehlers, Prof. Dr. W. Thirring, Dr. E. Streeruwitz und Dr . H. Urbantkezu Dank verpflichtet, den Herren H. Prossinger und Dr. R. Beig für ihre Hilfe beider Anfertigung der Abbildungen . Frau F. Wagner und Fräulein E. Klug haben diemühevolle Anfertigung der verschiedenen Manuskriptversionen besorgt. UnserDank gilt auch den Hörern jener Kurse und Vorlesungen, in deren Verlauf ausersten didaktischen Versuchen allmählich ein Buch entstand .

Wien

Roman undHannelore Sexl

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1 . Die Grundlagen der allgemeinen Relativitätstheorie

In der Physik des 20. Jahrhunderts gibt es drei unbestrittene Höhepunkte, diedurch die Jahreszahlen 1905, 1915 und 1925 charakterisiert werden können : 1905schuf Albert Einstein die spezielle Relativitätstheorie, 1915 entstand die allgemeineRelativitätstheorie, und 1925 nahm schließlich die Quantenmechanik ihre endgültigeForm an. Seitdem hat die Physik zwar viele Fortschritte gemacht, jedoch keineTheorien mehr gefunden, die in ihrer Bedeutung mit den drei genannten verglichenwerden könnten.

Ab 1930 wurden Quantenmechanik und spezielle Relativitätstheorie zur speziell-relativistischen Quantenfeldtheorie vereint . Dieser Ansatz führte zu einer teilweisenErklärung der Gesetze und Wechselwirkungen der Elementarteilchenphysik, einProzeß, der auch heute noch nicht abgeschlossen ist .

Nur eine Wechselwirkung scheint eine geheimnisvolle Ausnahme zu bilden : Umdie Gravitationskraft zu verstehen, mußte Einstein im Jahre 1915 einen Weg ein-schlagen, der ihn weit über die Ideen der speziellen Relativitätstheorie hinausführte .Er erklärte die Gravitationskraft durch eine Krümmung der Raum-Zeit, währendalle anderen Kräfte durch Wechselwirkungen von Teilchen in der flachen Raum-Zeitder speziellen Relativitätstheorie zustande kommen .

Die so entstandene Theorie des Gravitationsfeldes, die allgemeine Relativitäts-theorie, hat lange Zeit eine sehr isolierte Stellung in der Gesamtphysik eingenommen .Der Grund dafür liegt teils in dem mathematischen Aufbau der Theorie, der sich aufgeometrische Konzepte (Riemannsche Geometrie) stützt, die sonst in der Physikkeine wesentliche Rolle spielen . Daher muß allein zur Erlernung der allgemeinenRelativitätstheorie ein ziemlich komplizierter mathematischer Apparat aufgebautwerden, der sonst keine Verwendung in der Physik findet .

Der zweite Grund für die Isolation der Relativitätstheorie im Rahmen der Gesamt-physik lag in der Schwierigkeit, Experimente zu ihrer Verifizierung zu finden . DieNewtonsche Theorie gab eine für alle praktischen Zwecke hinreichend genaue Be-schreibung des Gravitationsfeldes . Lange Zeit konnten außer den drei klassischenTests der allgemeinen Relativitätstheorie, die in Abschnitt 2 erläutert werden, keineweiteren Möglichkeiten zur experimentellen Oberprüfung der relativistischen Gravi-tationstheorie gefunden werden.

Auch die Expansion des Universums, die von Hubble 1929 entdeckt wurde,änderte die Situation nicht wesentlich . Das experimentelle Material war viel zuungenau, um die Aufstellung eines sinnvollen kosmologischen Modells unseresUniversums zu ermöglichen . Daher erlosch für einige Jahrzehnte, von etwa 1930bis 1960, das Interesse an der allgemeinen Relativitätstheorie fast völlig .

Erst um 1960 trat eine Wende ein, da neue technische Möglichkeiten und neueIdeen Wege zur experimentellen Verifizierung der Relativitätstheorie eröffneten,

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1. Die Grundlagen der allgemeinen Relativitätstheorie

die vorher unzugänglich waren . Das vergangene Jahrzehnt brachte eine Fülle vonexperimentellen und theoretischen Untersuchungen zur allgemeinen Relativitäts-theorie, die zu einer neuen Blüte der Forschung auf diesem Gebiet geführt haben .Der Höhepunkt dieser Entwicklung ist wohl die Physik schwarzer Löcher, die inden Abschnitten 6 und 7 ausführlich dargestellt werden soll .

Wir wollen in diesem Buch versuchen, einen Überblick über alte und neue Pro-bleme und Resultate der relativistischen Astrophysik zu geben . Es wird dabei wedermöglich noch notwendig sein, den mathematischen Apparat der allgemeinen Relativi-tätstheorie voll zu entwickeln. Die dafür benötigte Mathematik wäre zu komplexund umfangreich . Alle zu besprechenden Effekte lassen sich jedoch ihrer Größen-ordnung nach (also bis auf etwa einen Faktor 3 oder 5 genau) mit einfachen physika-lischen Argumenten erfassen .Das Verständnis des physikalischen Inhalts vonEinsteins Theorie ist durchaus auch ohne höhere Mathematik möglich .

1.1 . Das Eötvös-Dicke-ExperimentBereits in den ersten Wochen des Physikunterrichts lernt man gewöhnlich eine

Grundtatsache über die Schwerkraft : Alle Körper fallen im Gravitationsfeld mit dergleichen Schwerebeschleunigung, oder, anders ausgedrückt : träge und schwere Massestimmen stets überein (besser : sind einander proportional).

Wie genau gilt diese Feststellung? Einfache Experimente wurden bereits vonGalilei angestellt, der zeigte, daß die Schwingungsdauer von Pendeln nicht vomMaterial, sondern nur von der Pendellänge abhängt. Sehr exakt wurde die Material-unabhängigkeit der Schwerebeschleunigung in einer berühmten Reihe von Versuchenin den Jahren 1890-1922 von Baron Eötvös gezeigt : Er konnte die Präzision seinerExperimente im Verlaufe von 30 Jahren so sehr steigern, daß er 1922 die Überein-stimmung von träger und schwerer Masse mit einer Genauigkeit von 10 -9 beweisenkonnte . 1960 bis 1963 wurde das Eötvös-Experiment in Princeton von Dicke undseinen Mitarbeitern wiederholt. Dabei wurde die Materialunabhängigkeit der Schwere-beschleunigung sogar mit einer Genauigkeit von 10 - ' r bewiesen.

Aufgabe 1 . Zum Eötvös-Dicke-ExperimentIn einem Gedankenexperiment werden zwei Kugeln zum Erdmittelpunkt fallen gelassen .

Mit welcher Genauigkeit bleiben die Schwerpunkte dabei gemäß dem Eötvös-Dicke-Experimentauf gleicher Höhe?

1 .2. InertialsystemeDie Übereinstimmung von träger und schwerer Masse ist, wie wir gesehen haben,

eine der am längsten bekannten und am genauesten überprüften Grundtatsachender Physik . Da die Newtonsche Theorie der Gravitation dieses experimentelleFaktum korrekt wiedergibt, fiel lange Zeit niemandem auf, daß hier eigentlich einbemerkenswerter Tatbestand vorliegt.

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1 .2. Inertialsysteme

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Wie bemerkenswert die Materialunabhängigkeit der Fallbeschleunigung wirklichist, wird klar, wenn man sich den komplexen Aufbau der Materie in Erinnerungruft : Komplizierte Atomkerne, aus Protonen und Neutronen aufgebaut, werdenvon reich strukturierten Elektronenhüllen umgeben, die für die Fülle der chemischenReaktionen verantwortlich sind .

Dennoch fällt jedes Material mit dergleichen Schwerebeschleunigung ün Gravi-tationsfeld Sollte es nicht einen Grund für diese Tatsache geben? Ist die Theorieder Gravitation nicht so aufzubauen, daß träge und schwere Masse bereits vom An-satz her ununterscheidbar sind?

Dies sind die Fragen, die Einstein zur allgemeinen Relativitätstheorie geführthaben. Dabei ist der Ausgangspunkt zunächst eine Analyse der Konsequenzen desEötvös-Dicke-Experiments . Diese' Konsequenzen wurden am besten in den Fernseh-übertragungen aus Raumschiffen, die die Erde umkreisen bzw . auf dem Weg zumMond waren, klargemacht . In Raumschiffen, die frei im Schwerefeld der Erde bzw.des Erde-Mond- (und auch Sonnen-) Systems fallen, herrscht Schwerelosigkeit : Daalle Körper die gleiche Schwerebeschleunigung erfahren, macht sich das Vorhanden-sein eines Gravitationsfeldes im Innern des Raumschiffes in keiner Weise bemerkbar.

Alle Körper gehorchen im Raumschiff vielmehr dem ersten Newtonschen Axiom(Tmgheitsgesetz), da sie sich geradlinig gleichförmig bewegen . Es ist aber gerade dasCharakteristikum von Inertialsystemen, daß sich kräftefreie Körper darin unbe-schleunigt bewegen .

Wir können den Grundgedanken der allgemeinen Relativitätstheorie nunmehrfolgendermaßen formulieren :

In einem Gravitationsfeld frei fallende Bezugssysteme sindInertialsysteme .

Allerdings kann diese Aussage nur in sehr kleinen Raum-Zeit-Bereichen gelten, wieBild 1 zeigt . In Bild 1 a schweben frei in einem kleinen Raumschiff 3 durch Punkteangedeutete Gegenstände, während das Raumschiff die Erde umkreist . In Bild lbdagegen fallen die Gegenstände, die sich unterhalb des Schwerpunktes eines riesigen

Bild 1Raumschiffe und Inertialsysteme

a) b)

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6 1. Die Grundlagen der allgemeinen Relativitätstheorie

Raumschiffes befinden, der Erde zu, die Gegenstände, die oberhalb des Schwerpunktes)gelegen sind, werden allmählich von der Erde wegbeschleunigt . Das Riesenraumschiffbildet daher kein Inertialsystem .

Newton

Ein großes, globales Inertialsystemexistiert. Darin wirken Gravitations-kräfte, die durch die Massenvertei-lung (Erde) bewirkt sind.Auf fallende Körper wirkt eine Kraft .

Einstein

Frei fallende Bezugssysteme sindInertialsysteme im Kleinen . DieMassenverteilung (Erde) bestimmtdie Relation der Inertialsystemezueinander.Fallende Körper bewegen sich kräfte-frei.

Bild 2. Newtons und Einsteins Auffassung des Gravitationsfeldes

In Bild 2 ist die Newtonsche Auffassung des Gravitationsfeldes mit der Einstein-schen verglichen. Bild 2 zeigt, daß die gegenseitige Relation der kleinen Inertial-systeme zueinander durch die Massenverteilung bedingt ist und im allgemeinensehr kompliziert sein wird . Anders als in der Newtonschen Theorie (und in derspeziellen Relativitätstheorie) werden sich die vielen lokalen Inertialsysteme zukeinem großen, globalen Inertialsystem vereinen lassen .

Ein einfacher, aber sehr wesentlicher Vergleich mag dies weiter erläutern : InBild 3 ist eine gekriimmte Fläche gezeigt . In jedem kleinen Flächenelement giltdie Geometrie der Ebene . Die kleinen ebenen Flächen lassen sich aber zu keinergroßen Ebene vereinen, sondern haben eine komplizierte Relation zueinander, diedurch die Krümmung der Fläche bestimmt wird. Diese Krümmung der Flüche ent-spricht gerade dem Einfluß der Masse in der allgemeinen Relativitätstheorie, währendie kleinen ebenen Flächen die Inertialsysteme bedeuten . Diese Analogie werdenwir in Abschnitt 3 bei der Besprechung des Raum-Zeit-Konzeptes der allgemeinenRelativitätstheorie wieder aufnehmen .

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1 .3. Das Äquivalenzprinzip

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frei fallendes Labor :Inertialsystem

Bild 3. Im Kleinen gilt auf einer gekrümmten Fläche die Geometrie der Ebene . Die Relationder infinitesimalen Ebenen zueinander ist durch die Krümmung der Fläche bestimmt .

1 .3. Das Äquivalenzprinzip

Im Gravitationsfeld frei fallende Systeme sind Inertialsysteme im Kleinen . Diesist die Schlußfolgerung von Abschnitt 1 .3, die wir hier noch in anderer Weiseillustrieren wollen .

Labor imfreien Raum

Bild 4. Ein auf der Erde befindliches Labor ist gegen das frei fallende Inertialsystem be-schleunigt. Die physikalischen Phänomene sind die gleichen wie in einem von einer Raketekonstant beschleunigten Labor!

Bild 4 zeigt ein auf der Erde ruhendes Labor . Dieses Labor ist gegenüber demdaneben gezeigten, frei fallenden Labor beschleunigt . Es stellt also kein Inertial-system, sondern ein beschleunigtes Bezugssystem dar . Die physikalischen Phänomenesollten darin folglich die gleichen sein, wie sie in einem Labor beobachtet werden,das auf andere Weise - etwa durch eine Rakete - beschleunigt wird .

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1 . Die Grundlagen der allgemeinen Relativitätstheorie

Dies ist das Äquivalenzprinzip :

Die Vorgänge in beschleunigten Bezugssystemen und in Gravitationsfeldernsind einander äquivalent. Durch Messungen innerhalb eines Labors kannman nicht unterscheiden, ob sich dieses in einem Gravitationsfeld befindetoder aus einer anderen Ursache (Rakete) konstant beschleunigt wird.

Damit wird die Übereinstimmung von träger und schwerer Masse zur Selbstverständ-lichkeit. Die träge Masse gibt definitionsgemäß den Widerstand eines Körpers gegenBeschleunigungen an . Das Gravitationsfeld wird aber gerade durch die Beschleuni-gung gegen das frei fallende Inertialsystem hervorgerufen!

Träge und schwere Masse sind in Einsteins Theorie prinzipiell nicht unterscheid-bar.

Aufgabe 2. Träge und schwere MasseNehmen Sie an, daß ein Molekül entdeckt wird, bei dem sich träge und schwere Masse unter-

scheiden. Wie stellt man dies fest? Welche Konsequenzen hätte diese Tatsache für die Newton-schen und Einsteinschen Gravitationstheorien?

1 .4. Die allgemeine RelativitätstheorieAuf das Äquivalenzprinzip und die Analogie (Bild 3) mit gekrümmten Flächen

aufbauend, war es Einstein in fast zehnjähriger Arbeit möglich, eine vollständigeTheorie des Gravitationsfeldes, die allgemeine Relativitätstheorie, anzugeben .

Seine Hauptaufgabe war es dabei, die Feldgleichungen zu finden, die es gestatten,das Gravitationsfeld (d . h. die Relationen der lokalen Inertialsysteme zueinander)aus der Materieverteilung zu bestimmen .

Die Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie stimmen (soweit sie dasSonnensystem betreffen) im allgemeinen mit denjenigen der Newtonschen Theorieüberein. Nur in wenigen Punkten ergeben sich Korrekturen, die das Verhalten vonLicht bzw. die Bewegung von Körpern im Gravitationsfeld betreffen . Diese neuenEffekte sind die berühmten Tests der allgemeinen Relativitätstheorie, die imnächsten Abschnitt besprochen werden sollen .

Die Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie folgen nicht eindeutigaus dem Äquivalenzprinzip . Sie sind vielmehr die einfachsten Gleichungen, die mitden hier dargelegten Grundideen vereinbar sind . In den Jahrzehnten, die seit derAufstellung von Einsteins Theorie vergangen sind, wurde eine Reihe andererTheorien der Gravitation vorgeschlagen (am bekanntesten ist die Skalar-TensoroderDicke-Brans-Theorie, deren Grundgedanke auf Pascual Jordan zurückgeht),die alle auf Einsteins Grundidee, dem Äquivalenzprinzip, aufbauen . Diese Theorienpostulieren aber andere, und zwar kompliziertere Zusammenhänge zwischen Materie-verteilung und Gravitationsfeld .

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2 .1. Die Rotverschiebung

In der folgenden Besprechung der Experimente zur allgemeinen Relativitäts-theorie werden wir jeweils unterscheiden, ob die Messungen die physikalischeBasis der Theorie, das Äquivalenzprinzip, testen oder ob sie auch Aufschluß überden speziellen Zusammenhang geben, den die Feldgleichungen der allgemeinenRelativitätstheorie zwischen Massenverteilung und Gravitationsfeld vorhersagen .

2. Die klassischen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie

In diesem Abschnitt sollen die drei klassischen Tests der allgemeinen Relativi-tätstheorie besprochen werden. Wir werden uns dabei von der Newtonschen Analogieleiten lassen und die drei Effekte nur der Größenordnung nach, aber nicht mit denkorrekten numerischen Faktoren herleiten. Zu einer Herleitung auch der korrektenFaktoren bedürfte es nämlich der vollen Feldgleichungen und des aufwendigenRaum-Zeit-Konzeptes der allgemeinen Relativitätstheorie .

2.1 . Die RotverschiebungDie Rotverschiebung von Lichtstrahlen im Gravitationsfeld der Erde ist der-

jenige Test der allgemeinen Relativitätstheorie, der am längsten bekannt und amleichtesten zu berechnen ist . Betrachten wir einen Lichtstrahl, der in einem Gravi-tationsfeld aufsteigt. Das Licht habe die Frequenz v, so daß die Energie einesPhotons im Lichtstrahl E = hv ist (h ist das Plancksche Wirkungsquantum) . DieserEnergie entspricht eine Masse

E hv&

(2.1)c2

des Photons (m ist natürlich keine Ruhemasse!) .

Die Arbeit, die der Lichtstrahl beim Aufsteigen im Gravitationsfeld zu leistenhat, ist

A = MAU,

(2.2)

wobei AU die Differenz der Gravitationspotentials zwischen Anfang und Ende desLichtweges ist .

Die Photonen kommen daher oben mit der verminderten Energie

E'= E-A

(2.3)

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2. Die klassischen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie

an. Der Energie E' entspricht eine verminderte Frequenz v', die nach den Gin .(2 .2) und (2.3) durch

Diese Frequenzverschiebung wurde seit 1911, als sie Einstein erstmals theoretischvorhersagte, vielfach experimentell untersucht . Man versuchte dabei, die Rotver-schiebung der Spektrallinien des Sonnenlichtes bzw . der Spektrallinien von be-sonders dichten Sternen (weißen Zwergen) zu messen . Dabei ist das NewtonscheGravitationspotential an der Sternoberfläche (R ist der Sternradius)

U(R) _ - RM

(2.6)

und das Potential im Meßpunkt (Erdoberfläche) ist U - 0. Daher ist AU = GM/R,so daß sich aus Gl. (2 .5)

Ov GMv Rc 2

ergibt.e

Da die linke Seite von Gl. (2 .7) dimensionslos ist, muß dies auch für die rechteSeite gelten . Die Größe

61=2 GMc2

0v RV 2R

muß demnach von der Dimension einer Länge sein . Es ist dies der Schwarzschild-radius der Masse M, der in der allgemeinen Relativitätstheorie eine zentrale Rollespielt. Die Rotverschiebung (Gl. (2 .7)) des Sternenlichtes nimmt damit die einfacheForm

(2.9)

an. Das Verhältnis von Schwarzschildradius zu Radius eines Objektes ist daher fürdie Rotverschiebung ausschlaggebend, und es wird sich zeigen, daß dieses Verhältnis

\v' = v 1-

AUcz

(2.4)

gegeben ist . Wenn wir die Rotverschiebung durch den Frequenzunterschied0 v = v - v' ausdrücken, folgt

Ov AURotverschiebung: v = z (2 .5)

c

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2.1 . Die Rotverschiebung

auch die anderen relativistischen Effekte bestimmt . Die Kenntnis der Größenordnungvon 6i./R ist somit für eine Abschätzung relativistischer Phänomene unerläßlich .

In Tabelle 1 sind die Massen, Radien, Schwarzschildradien und das VerhältnisR/R für verschiedene Körper eingetragen (2G/c 2 = 1,5 . 10-27 m/kg).

Tabelle 1

Die Tabelle zeigt, daß für weiße Zwergsterne eine Rotverschiebung v/v _ 10-4zu erwarten ist, ein Effekt, der leicht meßbar sein sollte . Es erwies sich jedoch alsein experimentell äußerst schwieriges Problem, die durch die Gravitations-Rotver-schiebung bewirkten Effekte von der Dopplerverschiebung zu trennen, die von derzunächst unbekannten Eigenbewegung des Sterns herrührt .

Genaue Messungen der Rotverschiebung wurden erst 1965 möglich, als esPoundund Snider gelang, die Rotverschiebung von Spektrallinien im Erdschwerefeld mitHilfe des Mössbauer-Effektes bei einem Höhenunterschied von nur 20 m zu messen .Dabei beträgt die relative Frequenzverschiebung äv/v nur 2,5 . 10-15 . Die Frequenzeines sichtbaren Lichtstrahls wird daher nur um etwa 1 Hertz abgeändert . DasExperiment von Pound und Snider wurde seither einige Male wiederholt, wobeies gelang, die Genauigkeit der Messung bis auf 1 % zu steigern . Die Rotverschiebungvon Spektrallinien ist damit einer der genauesten Tests der allgemeinen Relativitäts-theorie .

Leider ist gerade dieser Test nicht sehr aussagekräftig . Die Formel (2.5) istnämlich ein (fast) exaktes Resultat'), das wir ohne Kenntnis der allgemeinenRelativitätstheorie nur aus Gründen der Energieerhaltung herleiten konnten . Auchdie quantentheoretischen Annahmen, die wir der Einfachheit halber bei der Ab-leitung von GI . (2 .5) benützten, sind nicht wirklich notwendig . Das PlanckscheWirkungsquantum h, das für die Quantentheorie charakteristisch ist, erscheint janicht in der Endformel (2 .5) .

1) Es gilt exakt für R/R <C 1, da es den ersten Term einer Entwicklung in 6t/R darstellt ; dieFormel für beliebige Werte von tR/R ist in Abschnitt 6 angegeben .

11

Objekt Masse (kg) Radius (m) «(m) 6i/RAtomkern 10 -26 10-15 10-53 10-38

Atom 10 -26 10-10 10-53 10-43

Mensch 10 2 1 10-25 10-25

Erde 6 . 1024 6 . 106 9 . 10-3 10-9Weißer Zwergstern 2 . 10 30 107 3 . 103 3 . 10 -4Neutronenstern 2 . 1030 104 3 . 103 0,3Sonne 2 . 10 30 7 . 108 3 . 103 10 -6Galaxis 10 4 ' 102 1 10 14 10 -7

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12

2. Die klassischen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie

Aufgabe 3. Pound-Snider-ExperimentBerechnen Sie die Rotverschiebung für Lichtstrahlen, die im Erdschwerefeld (das als homogei

genähert werden kann) aufsteigen. Verifizieren Sie die angegebene Größe der Rotverschiebungim Pound-Snider-Experiment. Welche Rolle spielt der Mössbauer-Effekt bei den Rotverschiebungmessungen?

2.2 . Die Lichtablenkung

Wenn sich Licht im Schwerefeld einer Masse bewegt, wird die Bahn des Licht-strahls durch den Einfluß der Schwerkraft gekrümmt: Auch Licht ist der Schwereunterworfen, wie wir bereits festgestellt haben . Beim Durchgang durch das Gravi-tationsfeld eines Sterns (üblicherweise der Sonne) wird das Licht - wie Bild 5 zeigt- äus seiner geraden Bahn um den Winkel S abgelenkt .

Lichtstrahl

Bild 5Bahn eines Lichtstrahlsim Schwerefeld eines Sterns

Diese Lichtablenkung ist fast ebenso einfach zu diskutieren wie die Rotver-schiebung der Spektrallinien im Gravitationsfeld. Allerdings können wir hier dasexakte Resultat nicht mehr aus einfachen Überlegungen herleiten, sondern nur dieGrößenordnung und Art der betrachteten Effekte abschätzen. Daran zeigt sich, daßdie Lichtablenkung ein echter Test der allgemeinen Relativitätstheorie ist und nichtohne Kenntnis dieser Theorie genau vorhergesagt werden kann . Tatsächlich hat hierEinstein einen bekannten Fehler gemacht, da er versuchte, die Lichtablenkung ohnvollständige Theorie zu berechnen, und sie zuerst (1911) um einen Faktor 2 zu gevorhergesagt hat . Der Grund dafür ist, daß die Newtonsche Theorie nur für Ge-schwindigkeiten anwendbar ist, die klein verglichen mit der Lichtgeschwindigkeitsind .

Um die Lichtablenkung an der Sonne zu berechnen, benützen wir eine einfacheNäherung, die in Bild 6 erklärt ist .

Auf seinem Weg durch das Schwerefeld erfährt der Lichtstrahl die größte Bahn-krümmung in der Sonnenumgebung. Die dort wirkende Schwerebeschleunigungkönnen wir näherungsweise g - MG/R' setzen (streng gilt dies genau am Sonnen-rand). Wir wollen ferner näherungsweise annehmen, daß diese Gravitationsbeschlegung auf einer Strecke 2R, also entlang des Sonnendurchmessers, wirksam ist,

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2 .2 . Die Lichtablenkung

13

2R

x

P

Gerade

\Y

Bild 6 . Zur Berechnung der Lichtablenkung

während sich der Lichtstrahl im übrigen geradlinig bewegt (siehe Bild 6) . Der Licht-strahl wird dadurch in einer Wurfparabel abgelenkt, die durch

y =2

t2 , x = ct

(2.10)

gegeben ist.

Dabei konnten wir einfach x = ct setzen, da die Geschwindigkeit in dery-Rich-tung sehr klein ist. Bild 6 zeigt, daß die Lichtablenkung 8 durch den Anstieg vony(x) an der Stelle x = 2R gegeben ist:

Y(x) = 2C2 x2

GM2R2 c2x2

y= R2M x, 6 = y'(2R) = R2 .

Wir erhalten damit das Resultat

2 GM 6isx Rc2 R

(2.11)

(2.12)

Wieder ist das Verhältnis von Schwarzschildradius zu Radius für die Größe desEffektes ausschlaggebend . Der Index N bei 8 zeigt an, daß es sich hier um denNewtonschen Wert für die Lichtablenkung handelt, der erstmals von Söldner 1801berechnet wurde und der von Einstein 1911 ursprünglich auch erhalten wurde .Unsere einfache Näherungsrechnung hat diesen Wert exakt ergeben, da wir dieGravitationsbeschleunigung zwar etwas zu groß angenommen haben, andererseitsaber die Anziehungskraft nur auf der kleinen Strecke des Sonnendurchmessersberücksichtigt haben . Die beiden Fehler, die dadurch entstehen, heben sich geradeauf, so daß das korrekte Newtonsche Resultat aus unserer Rechnung folgt .

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14

2 . Die klassischen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie

Die allgemeine Relativitätstheorie ergibt demgegenüber eine Lichtablenkung, dieum einen Faktor 2 größer ist als Gl . (2 .12), also :

(2 .13)

Bis vor wenigen Jahren war die Lichtablenkung ein nicht sehr zuverlässiger Testder allgemeinen Relativitätstheorie . Während die Einsteinsche Formel (2 .13) denWert (Ro = 7 . 105 km ist der Sonnenradius)

2 3 km= 8,57 . 10-6 = 1,75"

(2.14)- 7 . 105 km

für die Ablenkung eines Lichtstrahls, der am Sonnenrand entlang streift, vorhersagt,ergaben Messungen, die bei verschiedenen Sonnenfinsternissen') ausgeführt wurden,Werte zwischen 1 .5" bis 2,2" .

Lichtablenkung : S = SE= 261R

0.5Bild 7 . Historische Messung der Lichtablenkung (1922)

1) Die Messung der Position von Sternen in der Sonnenumgebung ist nur während einerSonnenfinsternis möglich .

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2.2 . Die Lichtablenkung

15

In Bild 7 sind typische Meßresultate gezeigt, die während der Sonnenfinsternisdes Jahres 1922 von Campbell und Trumper gewonnen wurden . Das Bild entstehtdurch tYbereinanderlegen zweier Photos. Man photographiert einmal die Sterne derSonnenumgebung während einer Sonnenfinsternis und später das gleiche Sternen-feld bei Nacht. Der Effekt der Lichtablenkung besteht darin, daß die Sterne währendder Sonnenfinsternis nach außen verschoben erscheinen, wie aus Bild 8 ersichtlichist. Diese Verschiebungen sind durch die Striche in Bild 7 ausgedrückt . Dabei ist zubeachten, daß die Verschiebungen stark vergrößert eingezeichnet wurden (siehe diebeiden Maßstäbe), da sie sonst mit freiem Auge nicht erkennbar wären .

Bild 8Effekt der Lichtablenkungauf Sternbilder

1Bild 9 zeigt die Auswertung der Daten der historischen Messungen von 1922 und

1929 . Danach sind die strichliert eingetragenen Vorhersagen der allgemeinen Relativi-tätstheorie (S = 1,75" bei R = Ro) mit den Daten vereinbar, eine gemittelte Kurve(strichpunktiert) führt jedoch auf S - 2,3" für den Sonnenrand .

Während die hier dargestellten Messungen in den nächsten Jahrzehnten nur ge-ringfügig verbessert werden konnten, wurden wesentliche Fortschritte ab 1969auf radioastronomischem Weg erzielt. Alljährlich am 8 . Oktober wird der Quasar3C 279 von der Sonne verdeckt, wobei die Ablenkung der von diesem Objekt aus-gehenden Radiowellen (kurz vorher und kurz nachher) gemessen werden kann .

Das gemittelte Meßresultat der letzten Jahre ist

5 = 1,73" ± 0,05" .

(2.15)

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16

24• 2,2•

20• 1,8

1,61,4

m 1,2c 1,0~, 0,8c Q6•

0,40,2

2. Die klassischen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie

PotsdamLick

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13Abstand R in Einheiten des Sonnenradius

Bild 9. Lichtablenkung als Funktion des Abstandes von der Sonne (historische Daten 1922und 1929)

Damit ist die von Einstein vorhergesagte Lichtablenkung (Gl . (2 .13)) aufetwa 3genau gemessen.

Eine weitere experimentelle Studie des Verhaltens elektromagnetischer Wellenim Gravitationsfeld werden wir in Abschnitt 3 diskutieren . Auch bei diesem neuenExperiment, dem Shapiro-Experiment, ist eine auf wenige Prozent genaue Über-prüfung der allgemeinen Relativitätstheorie gelungen .

Aufgabe 4 . Was ist gerade?Da Lichtstrahlen im Gravitationsfeld gekrümmt verlaufen, erhebt sich die Frage, wie eigent-

lich „gerade" definiert ist . Diskutieren Sie diese Frage mit Kollegen, und notieren Sie die Ant-wort . Wir kommen auf das Problem noch zurück. Hier soll die Aufgabe nur zur vorläufigenOrientierung dienen und auf ein Problem hinweisen .

•0

2.3. Die Perihelverschiebung

Die bisherigen Überlegungen haben sich mit dem Einfluß des Schwerefeldes aufdie Lichtausbreitung beschäftigt. Der große Erfolg der Newtonschen Theorie liegtdagegen in der Beschreibung der Bewegung von Massen, speziell der Planeten, imGravitationsfeld . Da die Newtonsche Theorie diese Bewegung sehr genau beschreibt,kann es sich bei den Vorhersagen der Relativitätstheorie nur um eine kleine Korrektian den klassischen Resultaten handeln.

Diese Korrektur ist die Perihelverschiebung . Nach dem 2 . Keplerschen Gesetz be-wegen sich die Planeten in Ellipsen, in deren einem Brennpunkt sich die Sonne be-findet. Die allgemeine Relativitätstheorie korrigiert diese Aussage insofern, als sie

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2.3 . Die Perihelverschiebung

Aphel

Bild 10Die Perihelverschiebung

eine rosettenförmige Planetenbahn vorhersagt (Bild 10) . Der sonnennächste Punktder Planetenbahn, dasPerihel, dreht sich demnach allmählich um die Sonne . DieserEffekt hat zwei Ursachen, die heuristisch folgendermaßen zu verstehen sind :

Erstens ist bei der genauen Berechnung der Planetenbahn die speziell relativistischeMassenzunahme

17

_ mmD

- u2/c 2

(m ist die Ruhemasse des Planeten) zu berücksichtigen . Diese Massenzunahmeliefert einen Beitrag zur Perihelverschiebung .

Der zweite Beitrag zur Periheldrehung ist noch interessanter . Die Sonne ist voneinem Gravitationsfeld umgeben . Diesem Gravitationsfeld entspricht eine Energie-dichte und - nach E = mc2 - folglich auch eine Massendichte, die zur Anziehungs-kraft der Sonne beiträgt. Wir können diesen Effekt durch Vergleich mit den be-kannten Verhältnissen beim elektrischen Feld abschätzen .

(2.16)

Der Vergleich zeigt, daß die Formeln der Gravitationstheorie aus denen der Elektro-statik durch Ersetzung der Ladung Q durch die Masse M und der Dielektrizitäts-konstanten e0 des Vakuums durch -1/4TrG hervorgehen. Der Vorzeichenunterschiedberücksichtigt, daß sich Massen anziehen, während sich gleichnamige Ladungen ab-stoßen . Einsetzen der Gravitation-Feldstärke

MG x9 =- r2 ., (2 .19)

Elektrostatik Gravitation

Potential Vg = - GM (2 .17)Qo rVe = 4

E = - grad Ve

e 0E2

Feldstärke g = - grad Vgg2

Ee = 2 Energiedichte des Feldes Eg = -BrrG

(2 .18)

Page 24: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

18

liefert für die Energiedichte (Gl. (2 .18)) des Gravitationsfeldes

E _ - 1 M2G

(2.20)e

8Ir ra

(x ist der Abstandsvektor des betrachteten Punktes von der Masse M, r = 1 x I ) .

2 . Die klassischen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie

Die negativeFeldenergievermindertdie Sonnenanziehung

Die Sonnenanziehung ist für den weiteraußen kreisenden Planeten noch mehrverringert . Daher nimmt M, nach innen zu .

Auf einem Planeten, der die Sonne auf einem Kreis mit Radius r umkreist(Bild 11) wirkt daher nicht die volle Sonnenmasse M (die auf einen im Unendlichenkreisenden Planeten wirken würde), sondern eine Masse M r , die durch

00

00r

Mr =M-~J d

3xEg =M+81 f cMGr,Z dr =M+2 MzzG (2.21)

r

Jr

gegeben ist . (Mr ist größer als M, da ein Teil der negativen Feldenergie nicht aufden Planeten wirkt.)

Der zur Berechnung der Planetenbahnen üblicherweise herangezogene Energie-satz ist daher folgendermaßen zu modifizieren :

mDv2

-mDM`G

= E.

(2 .22)2

r

Kinetische Energie Potentielle EnergieSowohl die kinetische als auch die potentielle Energie ist zu korrigieren . Um dieGrößenordnung der zur Periheldrehung führenden Korrekturen abzuschätzen, be-nützen wir folgenden Trick : Für Kreisbahnen (alle Planetenbahnen sind in guterNäherung Kreise) gilt

mal MGm=rz

(2.23)T

Bild 11Zur Periheldrehung

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2 .3. Die Perihelverschiebung

oder anders ausgedrückt

MGmmv2 = r

Entwicklen wir die in Gl. (2.16) vorkommende Wurzel und setzen wir den Aus-druck für Mr ein, so erhalten wir

MU2 m u° _ mMG_ GmM u2 _ MM2 G22 +

_4 c2

r

2r c2 2r2c2 = E .

(2.25)

In dem kleinen Korrekturterm, der proportional zu 1/c 2 ist, können wir die Ge-schwindigkeit näherungsweise mit Hilfe von Gl . (2 .24) eliminieren, und es ergibtsich

mv2 _ mMG_ 3mM2G 22

r

4r2c2= E.

Die relativistische Massenzunahme und der Beitrag der Gravitationsenergie zurSonnenmasse führen zu Korrekturen gleicher Größenordnung im Energiesatz. Dierelativistischen Korrekturen ergeben somit ein Zusatzpotential

_ 3 mM2 G2Vz

4 r2c2 '

(2.27)

das zum üblichen Newtonschen Potential VN = -MmG/r hinzutritt .

Wir können die Größe der Perihelverschiebung leicht abschätzen, die durch dasZusatzpotential bewirkt wird. Während das Newtonsche Potential zur üblichenKepler-Ellipse führt, also zu einer Drehung des Radiusvektors des Planeten um 2irzwischen aufeinander folgenden Periheldurchgängen, führt das Zusatzpotential zu,einer weiteren kleinen Drehung, zur Periheldrehung . Die Größe der zusätzlichenDrehung wird sich zur Normaldrehung 21r etwa so verhalten, wie das zusätzlichePotential zum normalen Pote~itial, also :

>V N 3mM2G2 / mMG21r

4r2c2

r

3MG 3 6?(2 28)

2ir~4rc2 8r.

Diese Formel gilt allerdings nur der Größenordnung nach. Die genauere Rechnungaufgrund der Einsteinschen Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorieführt zu folgendem Ausdruck für die Periheldrehung IE :

Periheldrehung :

E = 3MG =1,5-

21r

r6i

rc

19

(2 .24)

(2 .26)

(2.29)

Page 26: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

20

2. Die klassischen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie

Unsere einfache Rechnung hat das Resultat größenordnungsmäßig richtig wieder-gegeben . Auch die Abhängigkeit vom Bahnradius r haben wir korrekt erhalten(genauer ist für Ellipsenbahnen für r der Wert r = a (1 - e2 ) einzusetzen, wobei edie Exzentrizität der Bahn und a ihre große Halbachse ist) . Charakteristisch ist, daßder Effekt wieder vom Verhältnis von Schwarzschildradius zu Radius abhängt, wo-bei diesmal nicht der Radius der Sonne, sondern der Bahnradius für r einzusetzenist. Die hier betrachteten Effekte sind deshalb noch viel kleiner als die Lichtab-lenkung, da z . B . der Radius der Erdbahn mit 150 .000.000 km etwa 200mal sogroß ist wie der Sonnenradius . Allerdings ist die Periheldrehung ein kumulativerEffekt, da sich, Umdrehung auf Umdrehung, das Perihel immer weiter dreht. Da-durch kann die Fülle der über Jahrzehnte gemachten astronomischen Beobachtungenzur experimentellen Verifikation des Effektes ausgenützt werden .

In Tabelle 2 sind die experimentellen Daten mit den theoretischen Vorhersagenverglichen. Dabei ist die jeweils innerhalb von 100 Erdjahren zu erwartende Perihel-verschiebung angegeben.

Tabelle 2

(a ist die große Halbachse der Planetenbahn ; e ihre Exzentrizität ; >V E die Perihel-drehung (Gl . (2 .29)) pro Umlauf; N die Zahl der Bahnumläufe pro Erdjahrhundert ;\th die theoretische und texp die gemessene Periheldrehung pro Erdjahrhundert.)

Die Genauigkeit der oben angegebenen Meßresultate ist umso bemerkenswerter,als z . B . die gemessene Periheldrehung des Merkur >L (Merkur) = 5600,73 ± 0,41"beträgt. Dabei ist ~ (Störung) = 5557,62 ± 0,20 auf bekannte Ursachen zurückzu-führen, so daß der oben angegebene Wert 43,11 ± 0,45" als relativistischer Effektverbleibt.

Die Periheldrehung des Merkur war bereits seit etwa 1860 bekannt . Ihre Erklärudurch die allgemeine Relativitätstheorie war 1915 der größte Triumph der neuenTheorie .

1) Icarus ist ein 1949 entdeckter Kleinplanet . Bemerkenswert ist die große Exzentrizität seineBahn.

Planet a (106 km) e 'PE N '9th tpexpMerkur 57,91 0,2056 0,1038" 415 43,03 43,11 ±0,45Venus 108,21 0,0068 0,058" 149 8,6 8,4 ±4,8Erde 149,60 0,0167 0,038" 100 3,8 5,0 ± 1,2Icarust) 161,0 0,827 0,115" 89 10,3 9,8 ± 0,8

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3. Die gekrümmte Raum-Zeit

Die Überlegungen des vorigen Abschnitts erwecken den Anschein, als ließe sichdie allgemeine Relativitätstheorie völlig ohne das Konzept der gekrümmtenRiemannschen Raum-Zeit verstehen, das bei ihrer Diskussion üblicherweise imMittelpunkt des Interesses steht .

In diesem Abschnitt soll der Zusammenhang mit den geometrischen Überlegungenhergestellt werden, die Einstein an die Spitze seiner Ausführungen gestellt hat unddie es ihm 1915 ermöglichten, die oben beschriebenen Effekte (Rotverschiebung,Lichtablenkung und Periheldrehung) nicht nur qualitativ zu berechnen, sondernauch mit den korrekten Zahlenfaktoren anzugeben .

3.1 . Das Verhalten von UhrenUnser Ausgangspunkt ist die Theorie der Rotverschiebung. Nehmen wir zwei

Atome, die im Gravitationsfeld an zwei verschiedenen Orten ruhen (Bild 12) . Dasuntere Atom sende dabei Licht aus, das beim oberen Atom gemäß

Ov DUv

c2

rotverschoben ankommt, wobei DU wie zuvor den Unterschied im Gravitations-potential bedeutet .

Atom 8

Lichtwellen

Bild 12Zum Verhalten von Atomen (Uhren)im Schwerefeld

21

(3 .1)

Page 28: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

22

3 . Die gekrümmte Raum-Zeit

Die Frequenz Po, mit der das Licht das Atom A verläßt, bzw . - im BohrschenBild - die Frequenz, mit der das Elektron den unteren Atomkern umkreist, kannals Frequenzstandard für eine in A angebrachte Atomuhr dienen : Jedesmal, wenndas Elektron (bildlich gesprochen) an einer bestimmten Stelle seiner Umlaufbahnangekommen ist, sendet es einen Wellenberg aus und rückt den Zeiger der Atomuhrum 1 weiter.

Das Atom in B sei das gleiche wie das in A und ebenfalls mit einer Atomuhr ge-koppelt. Um den Gang der Uhren in A und B zu vergleichen, sendet nun A jedes-mal ein Signal nach B, wenn der Zeiger von A um 1 weitergerückt ist, z . B. denoben beschriebenen Wellenberg . In B werden die von A abgesandten Signale mitden von der Uhr in B ausgehenden Signalen (Vorrücken des Zeigers) verglichen . Eszeigt sich dabei gemäß Gl . (3 .1), daß das von A ausgegangene Signal eine geringereFrequenz vi = vo -,äv hat als das von B emittierte Vergleichssignal . Da auf demWeg von A nach B kein Wellenberg verloren gehen kann, muß sich der Zeiger derUhr in A (dessen Vorrücken das Signal anzeigt) langsamer bewegen als der Zeigerder Uhr B .

Diese Tatsache können wir auch folgendermaßen formulieren :

In der Umgebung schwerer Massen ist der Gang von Uhren verlangsamt .

Während die Uhr B vo Wellenlängen aussendet und somit für B die Zeit TB = 1 sverstreicht, empfängt B nur v l = vo - Av Wellenberge, die das Vorrücken der Zeigervon A anzeigen. Die Uhr A zeigt daher die Zeitdifferenz

TA = voyowTB= (1 - w)TB=(1 -jc

)TB

an, während in B die Zeit TB vergeht .

Als einfaches Beispiel betrachten wir eine im Unendlichen (U = 0) ruhende UhrB und eine im Gravitationspotential U = - GM/R ruhende Uhr A . Nach Gl. (2.9)ist in diesem Fall w/v = 6t/2R, so daß

TA =(1- 2R)TB .

Eine auf der Sonnenoberfläche ruhende Uhr geht demnach um etwa 10 -6 langsamesals eine auf der Erdoberfläche (wo U - 0) befindliche!

Fassen wir nochmals zur Verdeutlichung zusammen : Atome sind Uhren (in „Ateuhren" werden sie auch tatsächlich zu diesem Zweck verwendet) . Die Rotverschiebtder Spektrallinien zeigt an, daß die Uhr „Atom" auf der Oberfläche schwerererKörper langsamer geht als in großer Entfernung von schweren Massen

(3 .2)

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3.2. Das Hafele-Keating-Experiment

23

Dieses fundamentale Resultat wird im Anhang zu diesem Abschnitt nochmalsauf andere Weise hergeleitet, und es wird gezeigt, daß Formel (3.3) unabhängig vonder Art der benützten Uhr gilt .

Wesentlich bei-den obigen Überlegungen ist, daß man den Gangunterschied derbeiden Uhren nicht dadurch messen kann, daß man A auf das Niveau von B hebt.Dann fällt ja der Potentialunterschied zwischen A und B weg, und die beiderUhren gehen gleich schnell (wäre das nicht der Fall, so hätte man keine zwei gleichgebauten Uhren vor sich).

Der Effekt (Gl . (3 .3)) kann dagegen gemessen werden, indem man zwei Uhrenzunächst am gleichen Ort miteinander vergleicht und einreguliert . Dann bringt manA auf einige Zeit in ein Gravitationsfeld und vergleicht die Uhren A und B späterwieder . Die Zeitdifferenz (Gl . (3 .3)) spiegelt sich im Uhrenstand wider.

Ein derartiges Experiment wurde 1971 tatsächlich ausgeführt .

3.2. Das Hafele-Keating-Experiment

Direkte Messungen des Einflusses des Erdschwerefeldes auf den Gang von Uhrenschienen noch vor wenigen Jahren ausgeschlossen, da Uhren mit der nötigen Gang-genauigkeit nicht verfügbar waren . Als etwa um 1960 die Genauigkeit der Caesium-uhren so weit gesteigert werden konnte, daß sogar eine Kontrolle der Irregularitätender Erddrehung möglich wurde, wurden eine Reihe von Vorschlägen für den Einbaudieser Uhren in Erdsatelliten gemacht und auch Vorbereitungen für Messungen vonGI . (3 .2) getroffen . Bild 13 zeigt eine derarige Meßanördnung, bei der eine auf derErde ruhende Normaluhr A mit der Uhr B in einem Satelliten verglichen werdensoll .

Satellitmit Uhr B Bild 13

Messungen des Uhrengangsin Satelliten

Da die Satellitenuhr B weiter von der Erde entfernt ist als A, geht B schnellerals A . Wenn der Satellit nicht allzu hoch fliegt, können wir den Potentialunter-schied A U = gH setzen, wobei H die Flughöhe ist. Daher gilt nach Gl . (3 .2)

HTA = ~1 -g2

)TB .

(3.4)

Page 30: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

24

3. Die gekrümmte Raum-Zeit

Dabei ist allerdings angenommen, daß sowohl die Uhr A als auch die Uhr B ruht .Wegen der Erddrehung bzw . der Bewegung des Satelliten ist dies nicht der Fall, sodaß noch ein weiterer Effekt auftritt: Die spezielle Relativitätstheorie sagt voraus,daß eine bewegte Uhr um einen Faktor ./1- u2 /c 2 langsamer geht als ruhendeUhren . Die von Uhr A tatsächlich angezeigte Zeit ist infolgedessen

tA =V1-C2TA~)TA ,

( 3 .5)

wobei VA - 1667 km/h die Geschwindigkeit der Erddrehung ist . Analog gilt

2

tB _ (1 - 2 ) TB

(3.6)

für die von der Satellitenuhr angezeigte Zeit tB . Setzen wir dies in Gl . (3 .4) ein, so

wird')

tB B)TB + )( 1- uB)TA2c

c

2c(3.7)

gH uÄVB1 +

c2+ 2c2 - 2c2 ) tA .

Der Zeitvergleich zwischen Erduhr und Satellitenuhr läßt daher sowohl die speziellrelativistische Zeitdilatation als auch die Effekte des Gravitationsfeldes erkennen .

Während die Vorbereitungen für die komplizierten und teuren Satellitenversuchezur Überprüfung von Gl. (3 .') nur langsam vorangingen, planten die beiden PhysikeiJoseph Hafele (der als derzeitige Adresse das Research Department der CaterpillarTractor Co ., Peoria Illinois angibt) und Richard Keating von der Time ServiceDivision des U.S. Naval Observatory in Washington in aller Stille eine Art „wissen-schaftliches Lausbubenstück" : Sie stellten nämlich fest, daß die Ganggenauigkeitder Caesiumuhren inzwischen so gestiegen war, daß der Einfluß von Geschwindigke :und Schwerefeld auf Uhren bereits in gewöhnlichen Verkehrsflugzeugen meßbar seisollte .

Im Oktober 1971 flogen sie, mit 4 Caesiumuhren ausgerüstet, einmal in west-licher und einmal in östlicher Richtung um die Erde (Bild 14) . Die dabei erwarteterrelativistischen Zeitunterschiede sind in Tabelle 3 angegeben .

Tabelle 3 . Vorhergesagte relativistische Zeitunterschiede (n s)

1) Wir benützen die Näherung (1-x) - ' x 1 +x für x G 1 .

Effekt Ostflug B Westflug B'

Gravitation 144 ± 14 179 ± 18Geschwindigkeit -184 ± 18 96±10Summe - 40±23 275 ± 21

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3.2. Das Hafele-Keating-Experiment

25

Erde

Die Tabelle gibt den vorhergesagten Zeitunterschied zwischen der im Flugzeug be-findlichen Uhr B und der in Washington aufbewahrten Normaluhr A in Nanosekundenan. Zu ihrer Berechnung ist eine genaue Kenntnis der Flughöhe, Zeiten usw . der be-nützten Flüge notwendig (daher stammen auch die in der Tabelle angeführten ge-schätzten Fehler) .

Die Tabelle zeigt, daß der erwartete Einfluß der Gravitation auf die Uhr für beideFlüge etwa gleich ist, wobei die im Flugzeug transportierte Uhr weniger Gravitations-potentiale verspürt und daher schneller geht .

Auf dem Ostflug bewegt sich die Uhr B schneller als die Uhr A (gegen einInertialsystem, in dem die Erde näherungsweise ruht, siehe Bild 14) und geht dabeilangsamer als A (- 184 n s) . Der Effekt wird jedoch vom Gravitationseinfluß bis auf40 n s wieder aufgehoben . Auf dem Westflug addieren sich dagegen die Effekte vonGeschwindigkeit und Gravitation zu 275 n s . Die Flüge, die ohne allzuviel Vorberei-tung in normalen Verkehrsmaschinen der PanAm, TWA und AA zurückgelegt wurden,brachten folgende Ergebnisse (in n s) .

Tabelle 4 . Meßresultate von Hafele und Keating

Erddrehung

Bild 14Uhren im Hafele-Keating-Experiment

Die mit einfachsten Mitteln durchgeführte Messung bestätigte daher die Vorher-sagen der Theorie auf etwa 10 %genau .

Seriennummer der Uhr Ostflug Westflug

120 - 57 277361 - 74 284408 - 55 266447 -51 266

Mittel -59±10 273 ± 7Theorie -40 ± 23 275 t 21

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26

3 . Die gekrümmte Raum-Zeit

Damit war sowohl der allgemein relativistische Einfluß von Gravitationspotentialauf Uhren als auch das speziell relativistische „Uhrenparadoxon" erstmals mittelsgewöhnlicher, makroskopischer Uhren überprüft . Die Resultate der geplantenSatellitenversuche sind dagegen noch immer ausständig!

Aufgaben

5 . Hafele-Keating-Experiment

Überprüfen Sie die Größenordnung der Werte der Tabelle 3, indem Sie in Gl . (3 .7) füruB = uA ± uF einsetzen, wobei uF z 900 km/h eine durchschnittliche Fluggeschwindigkeitbedeutet. Ebenso sind für H übliche Flughöhen einzusetzen . Welche Ganggenauigkeit von Uhreiist zur Überprüfung von GI . (3 .7) erforderlich, falls der relativistische Effekt auf 1 % genau ge-messen werden soll?

6 . Das Zwillingsparadoxon

Der Einfluß der Bewegung auf den Uhrengang wird oft auch auf den Menschen verallgemeinEin mit fast Lichtgeschwindigkeit reisender Raumfahrer sollte demnach bei seiner Rückkehrwesentlich weniger gealtert sein als sein auf der Erde verbliebener Zwilling . Ist es gerechtfertigt,auch den Menschen als Uhr zu betrachten, oder erscheint Ihnen dies problematisch? Wie würdeman Zeitdilatationseffekte am Menschen feststellen? Ab welchen Größenordnungen wären siemeßbar?

3.3. Das Verhalten von Maßstäben

Während der Einfluß des Gravitationspotentials auf Uhren aus dem Äquivalenz-; prinzip herzuleiten war, ist das Verhalten von Maßstäben im Gravitationsfeld nichtmit einfachen Argumenten deduzierbar . Wir müssen uns hier darauf beschränken,das von der allgemeinen Relativitätstheorie angegebene Resultat zu studieren .

Die Einsteinschen Feldgleichungen der Gravitation (die das Analogon zu denMaxwellschen Gleichungen des Elektromagnetismus sind) sagen nämlich nicht nurden Einfluß (Gl . (3 .2)) des Gravitationspotentials auf Uhren, sondern auch einenanalogen Effekt für Maßstäbe voraus (Bild 15) .

Ein im Gravitationsfeld befindlicher Maßstab schrumpft um den Faktor1 - AU/c2 , so daß seine Länge

DULA = (1-

c z)LB

(3.8)

beträgt.

Speziell ist

LA = (1 - 2R )LB

(3.9)

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3 .3 . Das Verhalten von Maßstäben

Der Maßstab schrumpft in der'~ Umgebung der Masse.

ILA

Bild 15 . Einfluß des Gravitationspotentials auf Uhren und Maßstäbe

die Länge eines im Abstand R von einer Masse befindlichen Maßstabes, der im Unend-lichen (d . h. weit von der Masse) die Länge LB hat .

Das Schrumpfen eines Maßstabes kann man nicht dadurch nachweisen, daß maneinen zweiten Maßstab an die gleiche Stelle des Raumes bringt und vergleicht, dennder zweite Maßstab schrumpft an der gleichen Raumstelle genauso wie der erste undwie alle weiteren, die man hinbringen könnte . Genauso wenig konnten wir die Ver-langsamung des Uhrenganges durch Heranbringung weiterer Uhren an den gleichenOrt überprüfen, da auch hier der Effekt universell ist, d . h . alle Uhren gleichermaßenbetrifft .

Wie es aber bei den Uhren durch Vergleich des Ganges entfernter Uhren dochmöglich war, die Verlangsamung im Gravitationsfeld meßbar zu machen, so kannauch bei Maßstäben der Effekt des Gravitationspotentials (zumindest im Prinzip)sichtbar gemacht werden .

Dazu benützen wir die Tatsache, daß Maßstäbe um so stärker schrumpfen, jenäher man sie an schwere Massen heranbringt . Bild 16 zeigt, wie etwa in der Um-gebung der Sonne (der Einfachheit halber nehmen wir an, man könne auch imSonneninneren messen) die Geometrie des Raumes mit Maßstäben ermittelt werdenkönnte .

In Bild 16 ist eine Fläche gezeigt, die die Sonne und den umgebenden Raum inzwei genau gleiche Teile schneidet . Auf dieser Schnittfläche ist eine Reihe von Maß-stäben aufgelegt, die dazu dienen, Umfang und Radius eines Kreises zu vermessen .

Bild 16 zeigt deutlich, daß zur Messung des Radius mehr Maßstäbe erforderlichsind, als es dem Kreisumfang normalerweise entspricht. Liest man Radius a undUmfang u des Kreises wie üblich an der Anzahl der aufgelegten Maßstäbe ab, soergibt sich ein Verhältnis u/a < 2rr .

Man kann dieses Resultat auf zwei Arten deuten : Wir sind davon ausgegangen,daß die Schnittfläche eine Ebene ist, in der Maßstäbe schrumpfen . Wir haben damit

27

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3 .3. Das Verhalten von Maßstäben

a)

b)

Bild 17a) Ebener Raum und schrumpfende Maßstäbe oderb) gekrümmter = Riemannscher Raum und konstante Maßstäbe

29

Raumes ist das gebräuchlichere, da im Falle dynamischer, also zeitlich veränderlicherRaum-Zeit-Metriken das Bild schrumpfender Maßstäbe und langsam gehender Uhrensehr kompliziert und unübersichtlich wird .

Da das Konzept des gekrümmten Raumes für alles weitere grundlegend ist, wollenwir nochmals durchdenken, was Bild 17 bedeutet . Die Sonnenumgebung wurdedurch eine Schnittfläche in zwei genau gleiche Teile getrennt . Aus Symmetriegründenmuß die Schnittfläche die üblichen Charakteristika der Ebene aufweisen und kannweder „nach oben" noch „nach unten gekrümmt" sein . Beobachter, die auf derSchnittfläche stehen und sich umsehen, haben genau den visuellen Eindruck einerEbene. Messen sie jedoch die geometrischen Verhältnisse auf der Schnittfläche nach,so finden sie u/a < 21r . Um dieses Resultat in ein einfaches physikalisches Modellzu übersetzen, können sie Bild 17b benützen') .

Bild 18 . Beobachter, die sich auf der Schnittfläche befinden, sehen diese optisch als eben an

~) Das heißt, sie konstruieren eine gekrümmte Fläche im Kleinen (wo der Raum euklidischeStruktur aufweist), auf der die gleichen geometrischen Verhältnisse vorliegen wie auf derSchnittfläche durch die Sonne.

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30

3. Die gekrümmte Raum-Zeit

Aufgabe 7 . Was ist eine Ebene?

Wie würden Sie die Frage beantworten : Ist die Schnittfläche wirklich eine Ebene, ja oder neinLäßt sich eine derartige Frage, die in ähnlicher Form oft gestellt wird, einfach beantworten?

3.4 . Lichtablenkung und Raum-Zeit-Geometrie

Das Schrumpfen von Maßstäben in der Umgebung der Sonne, oder anders ausge-drückt, die Krümmung des Raumes ist die Ursache des vorher unerklärt gebliebenenFaktors 2 in der Lichtablenkung .

Nach dem Fermatschen Prinzip folgt ein Lichtstrahl derjenigen Bahn, die ihn amschnellsten vom Anfangspunkt A zum Endpunkt B bringt (Bild 19) . Die Verlangsa-mung des Uhrenganges in der Umgebung der Sonne bewirkt, daß auch die Lichtge-schwindigkeit dort herabgesetzt erscheint . (Dies ist natürlich an Ort und Stelle nichtfeststellbar, da die langsamen Uhren genau die gleiche Lichtgeschwindigkeit wiesonst überall anzeigen!) Der Lichtstrahl weicht daher der Sonnenumgebung mög-lichst aus, um den Punkt B schnell zu erreichen .

Bild 19. Das Verhalten von Lichtstrahlen in der Umgebung der Sonne

Daraus ergibt sich eine Krümmung des Lichtstrahls, die analog zu den bekanntenPhänomenen gekrümmter Lichtwege in Medien mit veränderlichem Brechungsindexist (z . B . in Gasen veränderlicher Dichte ; die Fata Morgana entsteht auf diese Weise!

Allerdings erklärt das Verhalten von Uhren die Lichtablenkung nur zur Hälfte,die andere Hälfte ist auf das Verhalten von Maßstäben zurückzuführen . Wie Bild 19zeigt, bewirkt die Raumkrümmung eine weitere Herabsetzung der Lichtgeschwindig .keit in der Sonnenumgebung, die auf die Verlängerung des Lichtweges zurückzu-führen ist : Sie liefert den gesuchten Faktor 2, der die Einsteinsche Theorie von derNewtonschen unterscheidet.

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3 .5. Das Shapiro-Experiment

31

In den letzten Jahren ist ein weiteres Experiment möglich geworden, das die inBild 19 gezeigte Raumkrümmung bzw . das Schrumpfen von Maßstäben in sehrdirekter Weise aufzeigt.

3.5 . Das Shapiro-Experiment

Im Jahre 1965 hat I. I. Shapiro einen neuen Test der allgemeinen Relativitäts-theorie vorgeschlagen, der durch die Fortschritte der Radartechnologie und dieExistenz genauer Atomuhren ermöglicht wurde . Shapiros Experiment ist im Prin-zip sehr einfach: Ein Radarsignal geht von der Erde aus, wird an der Venus odereinem anderen Planeten reflektiert und kehrt wieder zur Erde zurück, wobei dieLaufzeit Erde-Venus-Erde gemessen wird . Die Überlegungen von Abschnitt 3 .4zeigen, daß die Laufzeit des Radarsignals größer als nach der Newtonschen Theorieist, wenn das Signal auf seinem Weg von der Erde zur Venus und zurück knapp amSonnenrand vorbeigeht. Sowohl die Verlangsamung von Uhren als auch der in Bild 19gezeigte verlängerte Lichtweg tragen zu diesem Effekt bei') .

Um die Verlängerung der Laufzeit zu berechnen, ist es günstig, die in Bild 17agezeigte Sprechweise zu benützen : Da Maßstäbe in der Umgebung der Sonneschrumpfen und Uhren langsamer gehen, erscheint die effektive Lichtgeschwindigkeitin der Sonnenumgebung auf

zc = (1- ) c~

(1-~

)c

(3 .10)

verringert . Es sei nochmals betont, daß man ce nicht durch Messungen in der Um-gebung der Sonne bestimmen kann, da der Einfluß des Gravitationsfeldes auf Maß-stäbe und Uhren den Effekt (3 .10) gerade kompensiert, so daß für die Lichtge-schwindigkeit wieder c resultiert . Die Verringerung der effektiven Lichtgeschwindig-keit läßt sich nur durch einen Vergleich mit außerhalb des Gravitationsfeldes ange-brachten Meßgeräten ermitteln . Das geschieht gerade bei der Zeitmessung auf derErde, da das Sonnenschwerefeld in der Erdumgebung etwa 200 mal schwächer istals am Sonnenrand und auch das Erdschwerefeld gegen das Gravitationsfeld amSonnenrand vernachlässigt werden kann. Nach der Einsteinschen Theorie beträgtfolglich die Laufzeit tE eines Lichtsignals im Sonnensystem

tE _ ('dxx _fc(1 dxbq/r) .fdx+6t f dx =tN +At .

(3.11)

~) Die früher für Licht angestellten Überlegungen gelten auch für Radarsignal, die sich von Lichtja nur durch ihre geringere Frequenz unterscheiden .

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32

3. Die gekrümmte Raum-Zeit

Oaf

Bild 20. Zur Berechnung des Shapiro-Effekts

Dabei ist dx das Element der Weglänge entlang der Bahn des Lichtstrahls, so daßtN = f dx/c die gemäß der Newtonschen Theorie erwartete Lichtlaufzeit ist . Füreinen Lichtstrahl, der knapp am Sonnenrand entlang läuft, ergibt sich für At (sieheBild 20)

Ot =( 26t)

av dx

l c

,~ JR2 +xzaE

(3 .12)

wobei aE und av die Abstände der Erde und der Venus von der Sonne sind und derzusätzliche Faktor 2 den Hin- und Rückweg des Lichtes berücksichtigt . Die Aus-wertung des Integrals ergibt

~t = ( 261ln

x/R2 +aE +aE _ 26t In4aEav1 c ) (~R2

+av _av ~ " c

R2

(3 .13)

(bei der Vereinfachung des Logarithmus wurde R < aE , av zur Entwicklung derQuadratwurzeln benützt) .

Mit Hilfe der Tabelle 2 berechnet man

At =(2,1) .11,9 =(2) • 36 km = 240µs .

(3.14)

Die Laufzeitvergrößerung entspricht daher einer scheinbaren Vergrößerung des Ab-standes Erde-Venus um 36 km .

Bild 21 zeigt Shapiros Messungen von At aus dem Jahre 1970. Die Laufzeitver-zögerung &t ist als Funktion der Zeit r angegeben . Dabei ist für r = 0 die in Bild 21skizzierte Situation realisiert, d . h . die Sonne befindet sich genau zwischen Erde uniVenus („obere Konjunktion") . Für r i` 0 nimmt die Laufzeitvergrößerung ab, dasich Erde und Venus weiterbewegen und der Radarstrahl in immer größerer Ent-fernung von der Sonne verläuft.

Shapiros Experimente zeigen, daß die Einsteinsche Formel (3 .13) innerhalb derMeßgenauigkeit von 3 % gültig ist, und sie sind damit eine neue Bestätigung desKonzeptes der gekrümmten Raum-Zeit der allgemeinen Relativitätstheorie .

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3.6. Der gekrümmte Raum und die Anschauung

33

200

obere

/160 -

Konjunktion25 .1 .1970

120-

-300 -200

-100

0

100

200Zeit in Tagen -+

Bild 21 . Shapiros Messungen der Laufzeitverzögerungen eines Radarstrahls, der von der Venusreflektiert wird.

Da der relativistische Effekt (3 .14) nur einer scheinbaren Abstandsänderung von36 km entspricht, bedeutet eine 3 % genaue Messung eine Bestimmung des AbstandesErde- Venus auf 1 km! Hier liegt zugleich die Grenze des Meßverfahrens, da die Un-regelmäßigkeiten der Venusoberfläche eine genauere Entfernungsbestimmung ver-hindern .

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die Laufzeit von Funksignalen auchmit Hilfe der Marssonden Mariner 6 und Mariner 7 gemessen werden konnte, wobeiEinsteins Vorhersage (Gl. (3 .13)) wiederum auf etwa 3 % genau verifiziert wurde .

3.6 . Der gekrümmte Raum und die AnschauungIn den ersten Jahren nach der Aufstellung der allgemeinen Relativitätstheorie

durch Einstein war es vor allem das Konzept des gekrümmten Raumes, das größtesAufsehen hervorrief. Kann man sich einen derartigen Raum überhaupt vorstellen?Ist der Raum nicht eine Vorbedingung der Erkenntnis (a priori)? Wie kann er dannim nachhinein aus empirischen Messungen zu ermitteln sein?

Die Experimente der letzten Jahre haben gezeigt, daß Einsteins Konzept der Raum-Zeit innerhalb der bereits recht hohen Meßgenauigkeit mit der Erfahrung überein-stimmt. Allerdings sind die Abweichungen von der euklidischen Geometrie von derGrößenordnung 10 -6 und können daher nur mit empfindlichen Meßgeräten nachge-wiesen werden . Was wäre aber, wenn wir auf einem Neutronenstern oder gar in der

300

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34

3. Die gekrümmte Raum-Zeit

Umgebung eines schwarzen Loches lebten? Wir werden in Abschnitt 4 zeigen, daßdort die Abweichungen vom flachen Raum von der Größenordnung 1 sind .

Die Krümmung der Raum-zeit wird dann nicht nur mit empfindlichen Meß-instrumenten, sondern auch im Alltagsleben feststellbar . Wie würde sich das Lebenin einem derart gekrümmten Raum abspielen? Unsere Beschreibung dieses Ge-dankenexperimentes wird zugleich die Frage beantworten, ob wir uns einen ge-krümmten Raum vorstellen können . Denn „vorstellen" heißt, diejenigen Empfin-dungen beschreiben, die das Leben in einem (stark) gekrümmten Raum in uns aus-lösen würde .

Das ist nicht schwer . Dazu brauchen wir nur die früher diskutierten Experimentemillionenfach vergröbern und so aus dem Bereich der Präzisionsmessungen in denLebensbereich des Alltags bringen.

Was hat die Verlangsamung von Uhren in der Nähe des Sternes für AuswirkungenJe näher man am Neutronenstern lebt, desto weniger altert man . Eine Art Jung-brunnen ist gefunden : Der Keller eines Hauses oder ein Bergwerk . Alle Vorgängespielen sich dort im Zeitlupentempo ab . Allerdings nur aus großer Höhe betrachtet,etwa von einem Berg oder einem Hochhaus . Denn in der Nähe des Sternes selbstmerke ich nichts davon, daß die Zeit fast stillsteht . Die Verlangsamung betrifft dortalles Geschehen gleichmäßig und kann daher an Ort und Stelle nicht festgestelltwerden . Darum nützt ein längeres Leben auch nur wenig : Sein Erlebnisgehalt istder gleiche wie sonst auch .

Blicke ich allerdings auf zu Bergbewohnern oder zu den armen Leuten, die inden höchsten Teilen der Wolkenkratzer wohnen müssen, so spielt sich dort alles inrasendem Tempo ab . Dinge, die rasch erledigt werden müssen, werden dort gemach'Man kann auch selbst auf einen Berg fahren . Dann erledigt man eine Tagesarbeitund ist zurück, nachdem erst einige Minuten zu Hause vergangen sind . Allerdingsist man müde wie nach der Arbeit eines vollen Tages und auch um einen Tag gealtea

Das Leben auf dem Neutronenstern ist auch voll neuer Farbenspiele, die auf dieRotverschiebung des Lichtes zurückgehen. Ein roter Apfel, der zu meinen Füßenliegt, wird grün, wenn ich ihn aufhebe : Nur die Rotverschiebung war es, die mir deiApfel reif erscheinen ließ .

Verkehrsampeln sind auf dem Neutronenstern besonders einfach gebaut . Siehaben drei rote Lampen, die verschieden hoch hängen (Bild 22) . Das Licht derobersten Lampe wird durch die Blauverschiebung grün gesehen, das der mittlerenLampe gelb!

Auch sonst ist das Leben auf dem Neutronenstern voll interessanter Effekte, dieauf die Krümmung von Lichtstrahlen zurückzuführen sind .

Die Lichtablenkung erlaubt es uns, Gegenstände zu sehen, die auf der anderenSeite unseres Sternes liegen . Die* Dinge erscheinen dann zum Ring, zum Heiligen-schein deformiert. Im Extremfall kann man sogar um den Stern herumsehen, da dieLichtstrahlen vom Schwerefeld zu einem Kreis gebogen werden können .

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den Proportionen vergrößert : Wir sehen ihn in jeder Entfernung und unter allenBeleuchtungsverhältnissen gleich als Löwen, was offensichtlich von großer praktischBedeutung ist (zumindest, wenn man in Afrika lebt) .

Nicht räumliche Relationen, sondern identifizierbare und vertraute Objekte sindes, die unser Raumempfinden bestimmen . Nicht umsonst mußte die wissenschaftlichPerspektive in der Renaissance „entdeckt" werden .

Die gleichen Leistungen würde unser Wahrnehmungsapparat vermutlich auch beirLeben auf dem Neutronenstern erbringen. Die Effekte der Raumkrümmung blieben .zunächst unbeobachtet, verdeckt durch unser vitales Interesse, den GegenständenIdentität zu verleihen.

Erst die Verwissenschaftlichung des Alltags, die Notwendigkeit, Technik und Radmessung zu entwickeln, und die dadurch hervorgerufene Bewußtseinsänderungließen allmählich die Effekte der Raumkrümmung entdecken . Der Beginn der Physilwäre ein ungeheuer mühsames Unterfangen . Begriffe, die in der Physik unseresPlaneten zunächst naiv dem Erfahrungsschatz des Alltags entnommen werden, wieder Begriff der Gerade, der Ebene usw ., müßten hier gleich bei Beginn einer kritisclyPrüfung untefzogen werden .

Erkenntnistheoretische Argumente spielten vermutlich von Anfang an in derNaturwissenschaft eine große Rolle . Was ist gerade, was ist krumm? Einfache Fragefür die irdische Physik - zumindest auf naivem Niveau . Quelle unendlicher Streit-schriften dagegen für Physiker auf Neutronensternen . Erst langsam lassen sichmathematische Modelle konstruieren, die die Fülle der Erscheinungen einfach wiedtgeben und durch einfache Konstruktion beschreiben - so das Modell des gekrümmtRaumes in Bild 19.

AufgabenB. Nochmals: Was ist gerade?

Studieren Sie nochmals Aufgabe 4 . Sind Sie mit Ihrer ersten Antwort zufrieden oder haben,sich hier neue Aspekte ergeben? Berücksichtigen Sie die Resultate aus Aufgabe 7!

9. Leben auf NeutronensternenWelche Effekte werden durch das Schrumpfen von Maßstäben im Alltagsleben auf dem Neu

tronenstern hervorgerufen?

10.Raumkrümmungseffekte auf NeutronensternenVersuchen Sie, die Effekte, die durch das Schrumpfen von Maßstäben auf Neutronensterne

hervorgerufen werden, graphisch darzustellen .

11 . Zivilisation auf NeutronensternenVersuchen Sie, die Geistesgeschichte einer Zivilisation zu entwerfen, die auf einem Neutron

stern entsteht . Wie stellen Sie sich die Entwicklung von Geometrie und Physik dort vor?

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3 .7 . Anhang : Uhren im Gravitationsfeld - anders betrachtet

37

3.7 . Anhang: Uhren im Gravitationsfeld - anders betrachtet

Das Verhalten von Uhren soll hier von einem anderen Standpunkt betrachtetwerden, der den Zusammenhang mit dem Äquivalenzprinzip hervortreten läßt .

f©0

00 ©o0(2)

Erde

Bild 25 . Zur Herleitung des Uhrengangs aus dem Äquivalenzprinzip

Betrachten wir zwei Uhren in einem Aufzug, der sich beschleunigt nach oben be-wegt (Bild 25) und daneben eine ruhende Kontrolluhr C . Im Augenblick, in demdie Uhr B an C vorüberfliegt, habe diese die Geschwindigkeit UB , so daß - wegender speziell relativistischen Zeitdilatation - von C gesehen B verlangsamt erscheint,also die Zeit

2TB =TC 1-UB

(3.15)C

anzeigt. Etwas später fliegt A an C vorüber, wobei UA > UB wegen der Beschleuni-gung des Systems ist . Die auf A abgelesenen Zeitintervalle sind von C gesehen

_/

u2TA = TC

cz

(3 .16)

Im zweiten Teil des Bildes ist eine nach dem Äquivalenzprinzip gleichwertige Situa-tion aufgebaut . Hier ruht der Aufzug in einem Gravitationsfeld, und die Uhr C fälltfrei daran vorbei . Uhr C befindet sich - wie zuvor - in einem Inertialsystem, so daßdie Gln. (3.15 und 3.16) wieder gelten . Division der beiden Formeln und Entwickelnder Quadratwurzel liefert

TB Jl - V2 1C2 _ 1 - v' /2C2

1 + (U^ - UB)

(3.17)TA Jl - Up/CZ ~ 1 - U ZA/2c2

2C2

®1©

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4 . Sterne und Planeten

Die Fallgeschwindigkeit von C bestimmt sich aus dem Energiesatz2

2 + U(x) = m = const .

(3.18)

Daher wird

(v -v) _ U(XB)-U(XA) _ DU2C2

c2

c2

oder

TB =TA (1-~cU) .

(3 .19)

Dies ist aber gerade das früher angegebene Resultat (Gl . (3 .2)) .

4. Sterne und Planeten

Relativistische Effekte sind von der Größenordnung des Verhältnisses vonSchwarzschildradius zu Radius eines Sternes und betragen für die Sonne etwa 10 -6 .Das ist eines der wichtigsten Resultate der Untersuchungen der Abschnitte 2 und 3,,

Wodurch ist aber das Verhältnis 6t/R bedingt? Um diese Frage zu beantworten,'müssen wir die Theorie des Aufbaues von Sternen untersuchen, da R/R offensicht-lichlich durch die Struktur der Sterne, in unserem Fall der Sonne, festgelegt ist .

Wir werden daher in diesem Abschnitt die elementare Theorie des inneren Auf-baues der Sterne besprechen . Dabei ergeben sich einige Querverbindungen vonAstrophysik und Elementarteilchenphysik .

4.1 . Sternentstehung und Gleichgewichtsbedingung

Wie man in elementaren Vorlesungen über statistische Physik lernt, füllt jedesGas das ihm zur Verfügung stehende Volumen gleichmäßig aus . Dieser Satz istallerdings nicht in voller Allgemeinheit gültig, sondern nur unter Laboratoriums-bedingungen . Gaswolken kosmischer Größe tendieren im Gegensatz dazu, instabilzu sein, und statt den Behälter - das Universum - gleichförmig zu füllen, ziehen sisich auf Teilvolumen zurück und bilden Sterne (Bild 26) . Die verschiedenen Phasendieser Instabilität, die Kontraktion und das Aufleuchten eines Sternes gehören zuden faszinierendsten Kapiteln der Astrophysik und konnten in den letzten Jahren ivielen Details geklärt werden.

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4 .1 . Sternentstehung und Gleichgewichtsbedingung

Labor

Kosmos

Während für das Einsetzen der Instabilität das Jeans-Kriterium maßgeblich ist(siehe die Aufgaben 13 und 14), haben wir hier die Frage zu beantworten, wanndie Kontraktion der Gaswolke beendet ist und ein stabiles Gleichgewicht erreichtwird .

00:)

dr

Gravitation

Bild 26Gaswolken inLabor und Kosmos

dp=- ~r g (r)dr

Bild 27 . Zur Berechnung des Drucks im Sterninnern

Wie Bild 27 zeigt, wird das Gleichgewicht im Stern dadurch aufrecht erhalten,daß der Druck dem Gravitationsfeld entgegenwirkt. Die Druckzunahme dp imSterninneren ist daraus zu bestimmen, daß sie in der Lage sein muß, die zusätzlichemassenerfüllte Kugelschale der Dicke dr zu tragen . Da der Druck die Kraft proFlächeneinheit ist, haben wir das Gewicht einer Säule vom Querschnitt 1 und derHöhe dr zu berechnen und dieses Gewicht gleich dp zu setzen :

dp --GM(r) p dr,

(4.1)r

wobei M(r) der innerhalb des Radius r liegende Teil der Sternmasse ist :

.

r

M(r) = 41r f r'2 p(r')dr' .

(4.2)J0

(Nach einem bekannten Theorem der Mechanik geben die äußeren Kugelschalenkeinen Beitrag zur Kraft auf das betrachtete Volumenelement .)

39

Page 44: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

40

4. Sterne und Planeten

Mit Gl . (4 .1) haben wir eine Differentialgleichung erhalten, die den Druck alsFunktion des Radius bestimmt

dp _ _ GM(r)dr

rP (r)

Bei der Berechnung realistischer Sternmodelle ist zu berücksichtigen, daß die Dichteim Sterninneren nicht konstant ist, sondern eine Funktion p (r) . Die Differential-gleichung (4 .3), die den Druck im Sterninneren bestimmt, enthält damit die Dichteals Funktion des Radius als weitere Unbekannte . Zur Lösung der Differentialglei-chung muß die Zustandsgleichung vorgegeben sein, die den Druck als Funktion derDichte und der Temperatur ausdrückt :

(4.4)p = p (P, r)Die Relationen (4 .2-4.4) bestimmen den Sternaufbau in der Newtonschen

Gravitationstheorie .

p=0 dp p(R)-p(0)dr

Rp(0)

p_- R R

Bild 28Zur Berechnung desDrucks im Sterninnern

(4 .3)

Um die Größenordnung des Druckes im Sterninneren zu bestimmen, nähern wirgemäß Bild 28 den Differentialquotienten dp/dr durch den Differenzenquotienten-p/R an, wobei p ein mittlerer Druck im Stern und R der Sternradius ist. Fernernähern wir

P(2r)GM(r)

R 2 (4 .5)wobei die (gemittelte) Dichte p mit der Gesamtmasse M des Sternes nach

(4 .6)M=4rr

R

f p(r) r2 dr~•p R3.0

zusammenhängt .Setzen wir diese Näherungen in Gl. (4.3) ein, so folgt

(4 .7)p x GMR R2 P •

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Aufgabe 12 . Dichte und Druck im Inneren von Erde und SonneBerechnen Sie den mittleren Druck im Erd- und Sonneninneren nach Gl. (4 .9). Vergleichen

Sie die Resultate mit den Standardmodellen in Bild 29 .

4.2. Der MassendefektBevor wir auf die Bestimmung der Funktion f eingehen, soll die zentrale Be-

deutung des Verhältnisses 6t/R noch von einem anderen Gesichtspunkt her er-läutert werden .

Wenn eine Gaswolke in sich zusammenstürzt und ein Stern entsteht, wird Energifrei, die Gravitatibns-Bindungsenergie . Um deren Größenordnung abzuschätzen(wobei wir auf genaue Zahlenfaktoren wieder keinen Wert legen), denken wiruns den Stern aus zwei Halbkugeln der Größe M° /2 zusammengesetzt. Da dasGravitationspotential der Masse M° /2 in der Entfernung R etwa durch

V(R) - -G°

(4.11).

gegeben ist (exakt gilt dies allerdings nur für kugelförmige Massenverteilungen,näherungsweise aber auch für die hier betrachtete Halbkugel), erhält man für dieBindungsenergie E, die sich durch Heranführung der zweiten Massenhälfte M°/2

inn die Entfernung R (für die wir näherungsweise den Kugelradius einsetzen könnenwie Bild 30 zeigt) ergibt,

E - V(R) M0G

GMö 2

4R

R

(4.12)

4. Sterne und Planeten

Bild 30Zur Berechnung der Bindungsenergie einer Massenkugel

Dieses Resultat gibt wieder nur die Größenordnung der Bindungsenergie richtigwieder (daher haben wir auch den Faktor 1/4 gestrichen ; der exakte Faktor wäre3/5 gewesen), was jedoch für alle weiteren Überlegungen völlig ausreicht .

Die Formel (4.12) erlaubt es, die bei der Sternentstehung frei werdende Energitfür verschiedene Sternarten zu berechnen . Zum besseren Verständnis des Resultats

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dingung für den Stern zeigt, daß dieses Verhältnis wiederum durch p/pc2 bedingtist. plpc2 ist schließlich durch die Zustandsgleichung f(p, T) festgelegt :

w AM

P=f(P, 7)v NM R P c2

Aufgaben

13 . Das Jeans-KriteriumEine Gaswolke wird instabil, wenn die Gravitationsenergie die thermische Energie der Mole-

küle übersteigt :GM2

3EB R i EKin = / 2

kTM

Dabei ist 3/2 kT die thermische Energie eines Moleküles und M/µ die Zahl der Moleküle in derGaswolke, wenn µ die Molekülmasse bedeutet.

Zeigen Sie, daß obiges Resultat auch in der Form3

M > 3,7\µ G 2 -

(4.17):P

geschrieben werden kann (Der Zahlfaktor 3,7 wurde exakteren Rechnungen entnommen).

14. SternentstehungSterne entstehen zunächst durch Kondensation von H I-Wolken (Wolken neutralen Wasser-

stoffgases) mit einer Dichte von etwa 100 Atomen pro Kubikzentimeter und einer TemperaturT ti 100 K. Schätzen Sie die Mindestmasse der unter diesen Verhältnissen instabil werdendenGaswolken ab . Diskutieren Sie die Bedeutung dieses Resultates für die Theorie der Sternent-stehung (siehe dazu die Anleitung zur Lösung der Übungsaufgaben) .

4.3. Nichtentartete Sterne

Für „normale" Sterne (Hauptreihensterne) wie etwa die Sonne kann die Zu-standsgleichung sehr genau durch die eines idealen Gases angenähert werden :

pV =RGT.

(4.18)

wobei RG die Gaskonstante ist. Das Molvolumen V kann durch die Gasdichte pausgedrückt werden

VLµ

= p ,

(4.19)

wobei L = 6 . 1023 die Loschmidtsche Zahl ist und µ die Masse eines Gasmoleküls.

4. Sterne und Planeten

(4 .16)

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4.4 . Die Zustandsgleichung entarteter Materie

45

Da normale Sterne größtenteils aus Wasserstoff bestehen, werden wir µ üblicher-weise p 1,6 . 10-27 kg setzen . Aus den GIn . (4 .18) und (4.19) erhalten wir

p _ RG T_ TP L R - k µ'

(4.20)

wobei k = RG/L = 1,38 . 10-23 J/K die Boltzmann-Konstante ist .

Daraus ergibt sich die gewünschte Form der Zustandsgleichung des idealen Gaseszu

(4 .21)= kfp, T) = 2 C2 = AI)PP

Für ein ideales Gas hängt die Funktion f(p, T) nur von der Temperatur T des Gasesab und gibt das Verhältnis von mittlerer kinetischer Energie (kT) zu Ruhenergie(µc2 ) der Gasmoleküle an .

Das Verhältnis 4t/R und damit die Größe der relativistischen Effekte ist durchdie Temperatur T im Sterninnern bedingt (für T ist in Übereinstimmung mit derhier benützten Näherung eine mittlere Sterntemperatur zu verwenden) .

Die Temperatur im Steminnern ist wiederum durch die Bedingung festgelegt,daß Kernreaktionen die auf der Hauptreihe des Hertzsprung-Russell-Diagrammsbefindlichen Normalsterne gleichmäßig zum Leuchten bringen, was bei Temperaturenvon einigen 10' K der Fall ist . Es ist dann kT - 10 -16 J x 10 3 eV = 1 keV, wennwir die in der Kern- und Elementarteilchenphysik üblichen Energieeinheiten ver-wenden (1 eV = 1,6 . 10-19 J) . Da das Energieäquivalent der Masse des wichtigstenMoleküls (= Atoms) der Sternmaterie, des Wasserstoffatoms, pc 2 ~• 1 GeV beträgt,gilt für normale Sterne

6? _ kT _ 1 keV-10 -6

R 'µc2 1 GeV(4.22)

Relativistische Effekte sind für Normalsterne von der Größenordnung 10 -6. DieseGrößenordnung ist auf kernphysikalische Ursachen zurückzuführen, da die Kern-physik die Temperaturen im Sterninnern und damit den Druck bedingt .

Es ist bemerkenswert, daß die relativistischen Effekte unabhängig von der Größeder Gravitationskonstante sind .

4.4 . Die Zustandsgleichung entarteter Materie

Abschnitt 4.3 hat gezeigt, daß für normale Sterne, die ihren Kernbrennstoff gleich-mäßig und stationär auf der Hauptreihe des Hertzsprung-Russell-Diagramms ver-brennen, das Verhältnis von Schwarzschildradius zu Radius durch das Verhältnis

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4. Sterne und Planeten

von thermischer Energie zu Ruhenergie der Moleküle bedingt ist . Bei den im Stern-innern herrschenden hohen Temperaturen können die Wechselwirkungen der Teil-chen gegen die thermische Energie vernachlässigt werden, und die Materie verhältsich wie ein ideales Gas . Wenn aber ein Stern seinen Wasserstoff verbraucht hat undam Ende des normalen Sternenlebens angelangt ist, kann die hohe Temperatur unddamit der Druck im Sterninnern nicht mehr aufrechterhalten werden .

Wenn der Stern abkühlt, wächst sein Radius an, da R nach Gl . (4 .22)

R = 61kT

(4.23)

im Gleichgewicht umgekehrt proportional zur Temperatur ist . Der Stern wird zumroten Riesen, in dessen Zentrum zunächst Helium und dann schwerere Elementedie Kernreaktionen aufrechterhalten .

Kühlt der Stern weiter ab, so kann er die Energie bald nicht mehr aufbringen,die notwendig ist, um zu neuen Gleichgewichtszuständen zu gelangen . Denn dazumüßte er nach Gl. (4.23) weiter gegen sein Gravitationsfeld expandieren .

Nach einigen weiteren, ziemlich komplizierten Entwicklungsphasen (die obigeDarstellung ist eine sehr vereinfachte Schilderung überaus komplexer Vorgänge)fällt der Stern schließlich in sich zusammen . Dabei werden sehr hohe mittlereDichten im' Sterninnern erreicht, und es zeigt sich, daß unter diesen Umständenwieder besonders einfache Verhältnisse vorliegen .

Um die Gleichgewichtskonfigurationen des Sterns nach Ausbrennen des Kern-brennstoffes zu finden, müssen wir die Zustandsgleichung herleiten . Dabei könnenwir uns auf die Temperatur T = 0 beschränken, da bei hohen Dichten auch Tempe-raturen von einigen Millionen Grad keinen Einfluß auf die Zustandsgleichung haben .Während ein ideales Gas dadurch charakterisiert werden kann, daß die in Gl . (4.10)definierte Funktion f nur von der Temperatur abhängt, wird bei hohen Dichtenf= f(p) bei allen für Sternmodelle in Betracht kommenden Temperaturen . In diesemFall bezeichnet man die Materie als entartet:

(4 .24)

In entarteter Materie ist nicht die kinetische Energie der Moleküle, sondern die-jenige der Elektronen für den Druck verantwortlich . Setzt man ein Material - dabeiist es ziemlich gleichgültig, wovon man ausgeht - Drucken von einigen MillionenAtmosphären aus, so nimmt das Material metallische Eigenschaften an, und dieElektronen verhalten sich im wesentlichen wie ein freies Elektronengas .

Der hohe Druck des Elektronengases ist darauf zurückzuführen, daß Elektronendem Pauliprinzip genügen, d .h. keine zwei Elektronen können sich im gleichen

1

f(7) ideales Gas

f(p) entartete Mf(P,~ =peZ =

aterie

Page 49: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

28

Schnittebene durch die Sonne

die Struktur des Raumes axiomatisch festgelegt und suchen im Experiment Aus-kunft über das Verhalten von Maßstäben zu erhalten .

Eine andere Art, die Resultate unseres Gedankenexperimentes zu veranschau-lichen, ist für viele Zwecke jedoch bequemer . Da das Schrumpfen von Maßstäbennicht direkt durch Heranbringen weiterer Maßstäbe meßbar ist können wir alter-nativ definieren, daß ein Maßstab immer die gleiche Länge hat unabhängig davon,wo er sich befindet .

In dieser Deutung gibt das Experiment nicht Auskunft über das Verhalten vonMaßstäben, sondern über die Struktur des Raumes. Da u/a < 21r ist, können dieRegeln der euklidischen Geometrie auf der Schnittfläche nicht gelten . Die metri-schen Verhältnisse auf der Schnittfläche werden vielmehr durch die RiemannscheGeometrie beschrieben, die eine Verallgemeinerung der euklidischen Geometrieist. Dann ist das Resultat u/a < 2Tr dadurch zu veranschaulichen, daß die Schnitt-fläche nicht eben, sondern gekrümmt ist (Bild 17) . Dies ist das berühmte Konzeptdes gekrümmten Raumes der allgemeinen Relativitätstheorie, das wir bereits ein-leitend (Bild 17) vorweggenommen haben : Im kleinen ist der Raum oder dieRaum-Zeit der allgemeinen Relativitätstheorie ein ebener euklidischer (oderMinkowski-) Raum, so daß die spezielle Relativitätstheorie in freifallenden Bezugs-systemen anwendbar ist . Im großen ist der Raum dagegen ein Riemannschgr Raum,dessen Krümmung durch die Massenverteilung bedingt ist .

Es ist zu bemerken, daß in Lehrbüchern der allgemeinen Relativitätstheorie durchweg der Standpunkt von Bild 17b eingenommen wird . Das Bild des Riemannschen

3. Die gekrümmte Raum-Zeit

Page 50: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

3 .6 . Der gekrümmte Raum und die Anschauung

Bild 22Verkehrsampel auf einen Neutronenstern(Üblicherweise leuchtet nur eine derLampen!)

Licht!

Bild 23Die Lichtablenkung macht aus einer ein-fachen Lampe einen Lichtring um denStern!

Bild 24Auf dem Stern braucht man keinen Spiegel,um den eigenen Hinterkopf zu sehen.

Meist sind aber die optischen Effekte nicht so spektakulär wie die hier beschrie-benen. Verzerrungen und Deformationen aller Art gehören aber zum Alltagslebenauf dem Neutronenstern, und eine Welt voller Fata Morganas tut sich vor uns auf .

Wahrscheinlich würde man diese Erscheinungen gar nicht bewußt bemerken . Auchauf dem Planeten Erde gibt es optische Erscheinungen, die wir üblicherweise nichtzur Kenntnis nehmen . Gegenstände wechseln ihre Farbe durch verschiedene Beleuch-tungsverhältnisse, werden aus verschiedensten Blickrichtungen und Entfernungengesehen . Trotzdem sind wir in der Lage, sie sofort zu identifizieren . Dies ist einesehr bemerkenswerte Leistung unseres Wahrnehmungsapparates, die für unser täg-liches Leben von größter Bedeutung ist : Ein Löwe erscheint uns aus großer Ent-fernung nicht als kleines Kätzchen, das sich erst beim Näherkommen zu ersChrecken-

35

Page 51: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

4 .1 . Sternentstehung und Gleichgewichtsbedingung

41

Division durch pc2/R ergibt

p GMpc2 ' Rc2

.

Die rechte Seite von Gl . (4 .8) ist bis auf den (vernachlässigbaren) Faktor 2 geradedas Verhältnis von Schwarzschildradius 6t zu Radius des Sterns. Damit erhaltenwir als Gleichgewichtsbedingung:

(4.9)

Diese fundamentale Beziehung zeigt, daß das Verhältnis von Schwarzschildradiuszu Radius der Größenordnung nach durch das Verhältnis von mittlerem Druck zumittlerer Ruhenergiedichte (pc2 ) im Stern gegeben ist. p/pc 2 ist aber wiederumdurch die Zustandsgleichung bestimmt, die wir in der (dimensionslosen) Form

(4 .10)

schreiben können . Die durch Gl . (4 .10) definierte Funktion f(p, 7) charakterisiertdabei die Sternmaterie.

Die Theorie des Sternaufbaus läuft daher in der von uns verwendeten einfachenNäherung auf die Bestimmung von f als Funktion von Dichte und Temperaturhinaus .

p apc 2 R

pp2 = f(p, T)

Ig p (N/m 2 )

Ig g (kg/m3 ) ,

p (1011 N/m2)

g(103 kg/m 3 )

Sonne

c

Erde

0

Q2

Q4

Q6

0,8

1,0

6

5

4

3

2

1Abstand vom Mittelpunkt(Sonnenradien)

Tiefe (in Tausend Kilometer)

Bild 29 . Druck und Dichte in Sonne und Erde

(4.8)

Page 52: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

4 .2 . Der Massendefekt

ist es jedoch zweckmäßig, von der Bindungsenergie zum Massendefekt M über-zugehen, der mit E nach E = AM • c2 zusammenhängt . Die Masse AM wird beider Sternentstehung in Form von Lichtstrahlen, Neutrinos usw . abgestrahlt, undder Stern hat folglich eine Masse, die geringer ist als die Masse Mo des ursprünglichvorhandenen Gases:

M=M° -E ,rMO- G~c2

Rc2(Damit wird auch das negative Vorzeichen in Formel (2.20) verständlich.) DurchEinführung des Schwarzschildradius kann Gl . (4.13) weiter vereinfacht werden :

43

(4 .13)

Die in Tabelle 1 angegebenen Verhältnisse von Schwarzschildradius zu Radius einesKörpers geben also auch den bei der Bildung des Körpers in Form von Energie freiwerdenden relativen Massendefekt an.

Der Tabelle ist zu entnehmen, daß der Gravitation-Massendefekt der Sonneetwa 10-6 beträgt. Er ist daher als Energiequelle gegenüber den Kernkräften, die .zu Massendefekten von 1 % führen, vemachlässigbar klein. Das ist der Grund dafür,warum im 19 . Jahrhundert eine nur geringe Lebensdauer für die Sonne errechnetwurde. Während die Sonne aufgrund der Kernenergie ihre Strahlung von Lo ~ 1026

Watt etwa 10 Milliarden Jahre lang aufrechterhalten kann, ist sie mit Hilfe derGravitation-Bindungsenergie nur imstande, diese Strahlung einige Millionen Jahrelang zu emittieren (Kelvinsche Kontraktionszeit) .

Auch bei weißen Zwergen, die in der Tabelle angeführt sind, überwiegt dieKernenergie noch gegenüber der Gravitationsenergie . Erst bei Neutronensternenbeginnt die Kernenergie gegenüber der Gravitation-Bindungsenergie unwichtigzu werden. Bei der Bildung eines Neutronensterns (Pulsars) können einige Prozentder ursprünglichen Masse interstellaren Gases in Energie umgewandelt werden . Dader NeutronensternmasseM x 10 30 kg eine Energie von _ 1047 J entspricht, wirdbei der Bildung eines Neutronensterns eine Bindungsenergie von etwa 1045 J frei .Dies ist die Energiequelle der Supernovaausbrüche

Unsere bisherigen Resultate können wir in Form einer bemerkenswerten Gleichungs-kette zusammenfassen: Lichtablenkung S, Rotverschiebung v/v und MassendefektOM/M eines Sternes sind durch das Verhältnis 6R/R gegeben . Die Gleichgewichtsbe-

M=Mo (1 - RM0)xMo (1-R) .

(4.14)

Der Massendefekt AM = Mo-M ist nach Gl . (4 .14)

Massendefekt :AM -

(4 .15)Mo R

Page 53: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

4 .4 . Die Zustandsgleichung entarteter Materie

\\\\\~~~

\\~\

~\~\~

\\\\1\

~~II~I~~~Bereich

großer Aufenthaltswahrscheinlichkeit. - --~\\\1 \1

~'\ \~ Atomkerne

der Elektronen

mittlerer Atomabstand

Bild 31 . Elektronenverteilung im Fermigas

Quantenzustand befinden . In einem freien Elektronengas können die verschiedenenQuantenzustände durch den Impuls der Elektronen oder - wie man zeigen kann,

äquivalent - auch durch den Ort der Elektronen charakterisiert werden .

Um die einzelnen Elektronen durch ihren Ort zu charakterisieren, müssen ihre

Wellenfunktionen auf Gebiete der Größe d3 konzentriert sein, wobei d der mittlere

Abstand zweier Elektronen ist (Bild 31) .

Schränkt man aber Teilchen auf Gebiete der Größe d ein, so erhalten diese Teilchenaufgrund der quantenmechanischen Unschärferelation einen Impuls PF, der aus,

PFd - h

47

(4 .25)

berechnet werden kann. Durch die wechselseitige Restriktion der Elektronen aufkleine Raumgebiete erhalten diese einen mittleren Impuls und damit eine mittlere

kinetische Energie

EF _ pF

h22m md2'

(4.26)

die sogenannte Fermienergie. Je kleiner das Gebiet ist, das einem Elektron zur Ver-

fügung steht, um so stärker steigt die Fermienergie an . In einem hochdichten Elektro-nengas ist die kinetische Energie der Elektronen nicht durch die Temperatur, sonderndurch die Dichte des Gases bedingt . Dies wird stets dann der Fall sein, wenn

eF > kT

(4.27)

gilt . Man nennt das Fermigas (Elektronengas) dann entartet .

Zur Herleitung der Zustandsgleichung eines entarteten Fermigases kann man(wenn man wieder von numerischen Faktoren absieht) die kinetische Energie kTder Teilchen des idealen Gases einfach durch EF ersetzen :

p

EFh2 (4.28)pc2 µc2 mpdzc2 •

Page 54: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

48

4. Sterne und Planeten

Bei gegebenem mittlerem Teilchenabstand d haben stets die leichtesten Teilchendie größte Fermienergie (da EF «

m_')und tragen am meisten zum Druck bei.

Wenn wir etwa an hochdichte Sternmaterie denken, die aus Elektronen und Protonen'zusammengesetzt ist, so wird nach Gl . (4.26) der Druck des Protonengases gegenüberdem Druck des Elektronengases zu vernachlässigen sein . Während für den Druck dieMasse m der Elektronen ausschlaggebend ist, wird für die Ruhmassendichte die vielgrößere Protonenmasse p verantwortlich sein . Daher hängt auch die Dichte p mitdem Teilchenabstand d nach

P md3p ^ d3

(4.29)

zusammen. Setzt man dies in Gl. (4.28) ein, so ergibt sich als Zustandsgleichung

2

2

PC2 m

2

µ3c2 h (PC)3

Dabei ist

µ (4.31)PC= (h/mc) 3

diejenige Dichte, bei der der mittlere Abstand der Protonen (und damit auch derElektronen) gerade auf die Elektron-Compton-Wellenlänge Xe = h/mc - 4 . 10 -13 mgesunken ist . Numerisch ist PC - 3 . 1010 kg/m 3 .

Die oben gegebene Formulierung der Zustandsgleichung (4 .30) hat den Vorteil,zwei Dinge klar zu machen : Erstens bringt der Faktor m/p zum Ausdruck, daß derDruck durch die Elektronen (Masse m), die Ruhmassendichte p dagegen durch die,Protonen (Masse µ) bewirkt ist . Zweitens tritt aber gerade bei der Dichte P C eineentscheidende Änderung ein : Setzen wir nämlich den in diesem Fall gegebenenmittleren Abstand d ~ Xe = h/mc der Elektronen in Gl. (4.25) ein, so folgt

pnc - h, p - mc .

(4.32)

Die Bewegung der Elektronen erfolgt in diesem Fall fast mit Lichtgeschwindigkeit,ist also relativistisch, so daß wir den aus der speziellen Relativitätstheorie folgendenZusammenhang zwischen Energie und Impuls zu verwenden haben . Dieser lautet')

FF ~- p *C.

(4.33)

1) Die folgende Relation gilt allerdings nur für extrem relativistische Teilchen, wir können siein unserer näherungsweisen Behandlung aber auch für Elektronen im relativistischen Grenz-bereich (Gl . (4.32)) verwenden.

(4 .30)

Page 55: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

4 .5 . Die Theorie weißer Zwerge

Setzt man dies in Gl. (4.28) ein, so ergibt sich nach kurzer Rechnungi3

PC2 µ (PC)

P > PC .

Unsere bisherigen Resultate können wir damit folgendermaßen zusammenfassen :Die Zustandsgleichung für entartete Materie lautet

f(P) = -.m µ

nP 3

PC

M/Mo

1

49

(4.34)

(4.35)

wobei n = 2 für p < PC ~ 3 . 10 10 kg/m3 und n = 1 für p > pC ist . Mit Gl. (4.35)haben wir eine Zustandsgleichung gefunden, die in dem Gebiet104 kg/m 3 < p < 10 13 kg/m 3 mit exakteren Rechnungen gut übereinstimmt (sieheBild 33).

4.5. Die Theorie weißer Zwerge

Wir können nun daran gehen, Sternmodelle im Dichtebereich 10 4 kg/m 3 bis1013 kg/m3 zu konstruieren. Es werden dies die weißen Zwerge sein, deren Masse,Dichte und Radius wir berechnen können . Unser Ausgangspunkt ist die Gleichungs-kette (4.17)

Bild 32Die Massen-Dichte-Beziehungfür weiße Zwerge

wobei

61 _ GM _R Rc2

f(p) durch

ppc2 = f(P),

Gl . (4 .35) gegeben ist . Wegen M - pR 3 wird

(4.36)

2 1GM GM

GM-3p3

oder,

f(P) ~ zcR i ~ 2c2(M/p)3

C(4.37)

nachM aufgelöst,

3f(P)2 c 3

M(P) - - 3 .

IIP G3(4 .38)

Page 56: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

50

4. Sterne und Planeten

Setzen wir f(p) aus Gl . (4 .35) ein, so können wir die Masse der weißen Zwerge alsFunktion ihrer mittleren Dichte p berechnen

3

n 3M(p)

~~ µ I z (PC)z

G23

(mc- ) 2 '~

P < PC

(4 .39)Gµ

PC

M(P) _3

(mc2) 2

1Gµ

Dieses Massenspektrum ist in Bild 32 mit den Vorhersagen exakter Berechnungenverglichen .M(p) hat nach Gl . (4 .39) eine obere Grenze, die Chandrasekhar-Grenze Mc , diefür p = PC erreicht wird . Setzen wir PC aus Gl . (4 .3 1) in Gl . (4 .39) ein, so ergibtsich für MC

3

3

3Mc _(mc2)2 1

P > PC

(mc2)2( h) 2 1Gµ fC Gµ m c f

3tic 2

Chandrasekhar-Grenze MC =

z µGµ )

(4 .40)

Da µ ebenso wie MC die Dimension einer Masse hat, muß der Klammerausdruck inGl . (4 .40) dimensionslos sein .

Tatsächlich istz

aC= hc

~ 6 . 10-39

eine dimensionslose Konstante, die Feinstrukturkonstante der Gravitation. aGcharakterisiert die Stärke der Gravitationswechselwirkung, ebenso wie die Sommer-feldsche Feinstrukturkonstante

e2

1a

41re 0 hc 137

die Stärke elektromagnetischer Wechselwirkungen angibt (e ist die elektr. Elementaladung) .

Setzen wir Gl. (4.41) in Gl. (4.40) ein, so folgt3

MC -«G 2p - 2 . 1O57µ - 3 . 10 30 kg - 1,5M, .

(4.42)

(4 .41)

Page 57: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

4.5. Die Theorie weißer Zwerge

Gl . (4.40) zeigt, daß MC auch h enthält. Daraus folgt :

Tatsächlich könnte man das Plancksche Wirkungsquantum gemäß Gl . (4 .40) derGrößenordnung nach aus der Kenntnis der Sonnenmasse bestimmen!

Die Resultate, die wir hier gewonnen haben, sind von größter Bedeutung fürunser Verständnis des Universums, da sie zeigen, daß die Sterne nicht zufällig dieeine oder andere Größenordnung haben . Wir können vielmehr die Struktur derHimmelskörper (zumindest der weißen Zwerge) systematisch aus den bekanntenGesetzen der Physik herleiten . Wie weit dies allgemein möglich ist, werden wir inAbschnitt 10 beim Studium der Kosmogonie näher untersuchen .

Die Radien weißer Zwerge folgen aus

R \P)3-(PC)3(MC)3(PC)3

(4.43)

und der aus Gl . (4.39) abgeleiteten Beziehung

zu

Das Plancksche Wirkungsquantum h bestimmt nicht nur die Struktur derAtome, sondern auch die Massenskala und den inneren Aufbau der Sterne .

M=MC(PPC )

2

1

1

R =RC ( PCP) 6

RC (PC ) 3'

(4.45)

wobei Rc der Radius des schwersten weißen Zwerges ist . Mit

3MC «G Zu, PC x IJXe

erhalten wir

iRC ~Xe aG2~10'm

Die typische Größe weißer Zwerge ist somit einige tausend Kilometer .Aus den Gln . (4 .44) und (4 .45) folgt eine weitere bemerkenswerte Beziehung

MR 3 --MCRC

51

(4.44)

(4 .46)

(4 .47)

Page 58: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

52

Die Radien weißer Zweige fallen mit steigender Masse. Relativistische Effekte sindfür weiße Zwerge von der Größenordnung

2_w AM R p

m_( P

10l 3

aS v

M

R ^ pc2 rf(P) r µ \Pcl x

Po ^ 3 ^8000 kg/m3

B

4. Sterne und Planeten

(4.48)

Die Größenordnung von Lichtablenkung und Rotverschiebung an weißen Zwergenist vor allem durch das Verhältnis von Elektron- zu Protonmasse bestimmt. Es istinteressant zu sehen, wie hier Elementarteilchenphysik, allgemeine Relativitäts-theorie und Astrophysik ineinandergreifen!

Der bekannteste weiße Zwerg ist Sirius B, der 1834 von Bessel zur Erklärung deiBahnbewegung des Sirius (sinusförmig pendelnd) postuliert wurde und 18 Jahrespäter von Clark entdeckt wurde . Seine Daten sind

Masse

1,02M0Dichte

3 . 109 kg/m3Radius

5400 kmRotverschiebung

2,7 . 10-

Sinus B wurde zunächst für einen gewöhnlichen, sehr lichtschwachen Stern gehalterSpektroskopische Untersuchungen zeigten aber 1914, daß Sirius B sehr hohe Ober-flächentemperatur (24 000 K) aufweist und daher weiß leuchtet . Die Lichtschwächvon Sirius .B war nicht auf niedere Temperatur, sondern auf die kleine Oberflächedieses Sterns zurückzuführen .

In der Folge wurde eine große Zahl weißer Zwerge entdeckt . Ihre Dichte in derErdumgebung schätzt man auf etwa 0,001 weiße Zwerge/Kubiklichtjahr, was einenmittleren Abstand von 10 Lichtjahren entspricht . Weiße Zwerge sind damit einwesentlicher Bestandteil unserer Galaxis.

4.6. Monde, Planeten und weiße ZwergeIn Abschnitt 4.5 haben wir die obere Massengrenze Mc für weiße Zwerge herge

leitet, der eine untere Grenze der Radien dieser Sterne entspricht . Hier werden wirdie untere Schranke Mp der Massen weißer Zwerge kennenlernen, die den Bereichder Sterne von demjenigen der Planeten trennt .

Dazu wird zunächst die Zustandsgleichung (4 .35) im Bereich kleiner Dichten zuverbessern sein . Während Gl. (4.35) p - 0 für p -* 0 vorhersagt, ist die Dichtekalter Materie auch bei verschwindendem Druck endlich . Zwar hängt der Wert vonp(p = 0) = po von der chemischen Zusammensetzung der Materie ab, doch ist dieGrößenordnung

(4 .491

für alle Planeten und deren Monde, aber auch für irdische Dinge charakteristisch .

Page 59: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

4.6 . Monde, Planeten und weiße Zwerge

53

Dabei ist

ÄerB =

- 0,5 . 10-10 m

(4.50)

der Bohrsche Radius (a = 1/137 ist die bereits erwähnte Feinstrukturkonstanteund X, - 10 -12 m die Compton-Wellenlänge des Elektrons) .

Den genannten Objekten ist gemeinsam, daß ihr atomarer Aufbau durch elektro-magnetische Wechselwirkungen bestimmt ist . Der durch die Schwerkraft bedingteDruck beeinflußt die innere Struktur nur unwesentlich . Wenn die Masse und damitder Druck jedoch einen Schwellenwert überschreiten, bricht die atomare Strukturzusammen, und die in Abschnitt 4 .4 gegebene Beschreibung der Materie wird an-wendbar .

Dieser Schwellenwert bildet die Grenze zwischen Planeten und weißen Zwergen .Um ihn zu berechnen, soll die Zustandsgleichung (4 .35), wie in Bild 33 gezeigt, ver-bessert werden.

19

17

15

13

11

8, 9

7

5

-03I '7

11

15

19

23Laborp0

weiße ZwergePlaneten

lgp(N/m2)27

31

35PC keine stabilen Sterne Neutronen-"

''Sterne

'

Bild 33 . Verbesserte Zustandsgleichung : Für p <p o setzen wir p = po, für p > po ist p durchGl. (4 .35) gegeben. Der Vergleich mit exakten Resultaten (Harrison-Wheeler-Zustandsgleichung)zeigt, daß die naive Theorie eine ausgezeichnete Näherung ist!

Für kleine Drücke nähern wir die Dichte p(p) durch den konstanten Wert p(p) = po ,während für p > po die Funktion p (p) durch Gl . (4 .35) gegeben ist . Der Übergangs-punkt p 0 , an dem der atomare Aufbau zusammenbricht, ist dabei durch den Schnittder Geraden p = po mit der durch Gl. (4 .35) gegebenen Kurve definiert .

Page 60: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

54

Die Relation zwischen Radius und Masse ist wegen p = p o für p < po durch

gegeben . Dagegen ist für p > p o die für weiße Zwerge gültige Beziehung (4 .47)

. MR3 =McRC

anzuwenden.Zur Berechnung von p o stellen wir die Gln . (4.5 1) und (4 .52) in einem Massen-

Radius-Diagramm dar (Bild 34) .

Mc

MP

M ~ poR3 (P < Po)

(P > Po)

4. Sterne und Planeten

Bild 34Massen-Radius-Beziehung fürPlaneten und weiße Zwerge

Der Schnittpunkt der beiden Kurven liefert die maximale Masse Mp und denmaximalen Radius RP , den ein Planet haben kann . Zugleich istMP die gesuchteuntere Massengrenze weißer Zwerge .

Zur Berechnung von Mp setzen wir p = p o in der Massenformel (4 .44) für weißeZwerge und erhalten unter Benützung der Gln . (4.49) und (4 .50)

(4 .51)

(4.52)

Der Massenbereich, der p = p o entspricht (P < po ), ist dagegen enorm : Er reichtvom einzelnen Wasserstoffatom mit Masse p bis zu MP - 10"p - 2 . 1027 kg.

In Bild 35 sind die Ergebnisse der hier hergeleiteten einfachen Theorie denResultaten detaillierter Rechnungen (bei denen auch die chemische Zusammen-setzung berücksichtigt wird) gegenübergestellt . Die ebenfalls in Bild 35 angegebenenDaten der Monde und Planeten des Sonnensystems und einiger benachbarter weißerZwerge zeigen die ausgezeichnete Übereinstimmung von Theorie und Beobachtung .

t

MP = Mc (pc)2 ;e

Mc • a2 - 2 . 1027 kg . (4 .53)

Weiße Zwerge können nur in dem engen Massenbereich (4 .54)Mc - 3 . 1030 kg > M > 2 . 1027 kg - MP existieren .

Page 61: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

4 .7 . Neutronensterne 55

Bild 35 . Massen-Radien-Beziehung für weiße Zwerge, Planeten und deren Monde nach Dehnen .Die drei theoretischen Kurven beziehen sich auf Körper, die aus Wasserstoff (H), Helium (He)bzw . Eisen (Fe) bestehen .

Aufgaben15. Hochdruckphysik

Berechnen Sie den Druck po numerisch, bei dem die atomare Struktur zusammenbricht .Zeigen Sie, daß dieser Druck - wie in Bild 33 angegeben - etwa eine Größenordnung über denin Laborexperimenten erreichten Drücken liegt . Ist das Zufall?16 . Planetenradien

Berechnen Sie die obere Grenze Rp des Radius, den Planeten bzw . weiße Zwerge habenkönnen . Vergleichen Sie das Ergebnis mit dem Radius des Jupiter!

4.7. NeutronensterneEine der wesentlichsten Entwicklungen der Astronomie der letzten Jahre war

die Entdeckung der Pulsare durch Hewish und seine Mitarbeiter im Jahre 1968 undihre darauf folgende Identifizierung mit Neutronensternen .

Bevor wir auf diese Entdeckung näher eingehen, wollen wir hier die ebensointeressante theoretische Herleitung der Eigenschaften von Neutronensternen geben,die auf Landau (1932) und Oppenheimer und Volkoff (1939) zurückgeht .

Dazu müssen wir zunächst die in Gl . (4.35) hergeleitete Zustandsgleichung aufden Dichtebereich 1013 kg/m3 < p < 1020 kg/m3 erweitern . Charakteristisch fürdiesen Dichtebereich ist, daß die Fermienergie der Elektronen so stark steigt, daßinverser ß-Zerfall

e+p->n+ve

(4.55)

stattfindet (e = Elektron, p = Proton, n = Neutron, ve = Neutrino) .

Page 62: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

56

4 . Sterne und Planeten

Die Neutronen sind zwar um 1 MeV (also etwa 2 Elektronenmassen) schwererals die Protonen, doch wird wegen des Wegfalls der Fermienergie eF der Elektronenbei der obigen Reaktion Energie frei') . Immer mehr Neutronen entstehen beisteigender Dichte und bauen zunächst sehr neutronenreiche schwere Atomkerneauf.

Die durch den inversen ß-Zerfall bedingte Verringerung der Zahl der Elektronenbewirkt, daß der Druck mit der Dichte nicht wie in Gl . (4 .35) angegeben ansteigt,sondern schwächer wird. Das führt zu dem in Bild 32 eingetragenen Abfallen derGleichgewichtsmasse M(p) mit der Dichte .

Überschreitet p aber 1016 kg/m3, so beginnen sich die individuellen Atomkerneaufzulösen, und einheitliche Neutronenmaterie resultiert . Nun steigt allmählichauch der Druck wieder stärker an, da die Neutronen die Rolle der Elektronen über-nehmen und ihre Fermienergie mit wachsender Dichte ansteigt .Umf(p) in diesem Dichtebereich zu ermitteln, brauchen wir nur in allen vor-

hergehenden Formeln die Elektronenmasse m durch die Neutronenmasse u (dieetwa gleich der Protonenmasse ist) zu ersetzen . Als Zustandsgleichung ergibt sich dadann an Stelle von Gl . (4 .35)

p, ist die Dichte, bei der die Neutronen infolge ihrer Fermienergie relativistischeGeschwindigkeit v - c annehmen . Führen wir die Ersetzung m -> µ auch in Gl.(4.39) aus, so folgt

M(P) =

~(C 2 l32 ~ _

I\G/ Pi Mc Pi P < Pi

Mc

P>Pi

(4.58)

Die obere Massengrenze für Neutronensterne, die für p = p i erreicht wird, ist diegleiche wie für weiße Zwerge, da m in die Chandrasekhar-Grenze (Gl. (4.40)) nichteingeht.

1) Ähnliche Gründe sind dafür maßgeblich, daß Neutronen im Atomkern nicht zerfallen : Dasentstehende Proton müßte einen energetisch so ungünstigen Energieeigenwert im Kern be-setzen, daß der Zerfall nicht zustande kommt .

n

f(P) = PP 3 n=2 p<Pi

pc2 Pi n=1 p>Pi (4 .56)

p - 1020 kg/n,3. (4.57)P i =

3(h/pC)

Page 63: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

2,0

1,5

1,0

a5

4M/M0

8

Bild 36 . Massenspektrum entarteter Sterne; Vergleiche der elementaren Theorie mit exaktenRechnungen.

Das vollständige Spektrum entarteter Sterne hat daher die in Bild 36 gezeigteForm .

Bild 36 zeigt außer den Resultaten unseres elementaren Modells auch die Ergeb-nisse „exakter Rechnungen" . Die Kurven (a, b, c) resultieren aus verschiedenenModellannahmen über das Verhalten von Materie bei hohen Drücken . Ihre starkeUnterschiedlichkeit rührt von der Schwierigkeit her, die in der Kernmaterie vorherr-schende „starke Wechselwirkung" zwischen den Elementarteilchen theoretisch zu er •fassen . Unsere einfachen Näherungsannahmen geben aber das Verhalten der KurveM(p) zumindest qualitativ wieder (Bild 36) .

9 9 •6s "!9 3

Bild 37 . Im Bereich, in dem die Gleichgewichtskurve abfällt, gibt es keine stabilen Sterne!

57

Page 64: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

58

4. Sterne und Planeten

Im Dichtebereich 1011 kg/m 3 < p < 10 16 kg/m 3 gibt es keine stabilen Sterne.Der Grund dafür ist leicht einzusehen : Beginnt ein Stern dieser Dichte zu schwingenund kollabiert dabei etwas (so daß p -- p + bp), so ist bei der vergrößerten Dichtenurmehr die Masse M(p + Sp) < M(p) stabil (Bild 37) . Der Stern kollabiert daherweiter, bis er den Neutronenstern-Ast des Bildes erreicht. Beginnt dagegen einNeutronenstern oder ein weißer Zwerg zu oszillieren, so erreicht er bei p + Sp einenDichtebereich, bei dem sogar eine größere Masse M(p + S p) > M(p) stabil ist . DerStern kehrt daher zur Ausgangsdichte p zurück . Schwingt der Stern umgekehrt zup - bp, d . h . expandiert er etwas, so ist bei der geringeren Dichte nurM(p -Sp) <M(p) stabil . Der Stern fällt daher zur ursprünglichen Dichte zurück .

Die Radien der Neutronensterne folgen aus Gl . (4 .46) bzw. Gl. (4 .47), indemwir Xe durch die Compton-Wellenlänge des Neutrons X - 10-16 m ersetzen . Esist

(4.59)

(4.60)

Neutronensterne sind demnach nur einige Kilometer große Objekte, die aber etwaSonnenmasse aufweisen.

Das Verhältnis von Schwarzschildradius zu Radius und damit die Größenordnungrelativistischer Effekte ist nach Gl . (4 .56) bzw . (4 .17)

(4 .61)

Während bei normalen Steinen das Verhältnis der Energieniveau-Abstände im Atomkern der kleine Parameter war und bei weißen Zwergen das Verhältnis von Elektron_zu Protonmasse die relativistischen Effekte nicht allzu bedeutend werden läßt,tritt bei Neutronensternen kein derartiger Parameter auf :

MR3 -McRn

1R n - A„ ac z - 10 km

z

S ^ Ov ;e AM6q

P -f(P) , -P 3 ~ 1v M R pc2

Relativistische Effekte sind für Neutronsterne von der Größcnordnungeins.

4.8. Strukturen im Kosmos

Die in diesem Abschnitt gewonnenen Resultate lassen sich in einprägsamer Weisein einem Bild zusammenfassen, das einen Überblick über die Strukturen gibt, diewir im Kosmos vorfinden .

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4.8. Strukturen im Kosmos

SY

4Ig M(kg)54

48

40

32

24

16

8

0

-8

-16

-24

-8

~~

4111,Golaxien~0.

o Kugelhaufen

rSonnensystem

a%tiI

Planeten und Monde des ' Sonnensystemsr y

De

91111e

0

thermische Stabilisierung~. durch Stem-(Planeten-)Bewegung stabili quantenmechanisch stabilisiert

NS : NeutronensterneWZ: weiße ZwergeHRS :Hauptreihensterne

.8

.16

.24

.32

Bild 38 . Massen-Radius-Diagramm der Strukturen im Kosmos

Die in Bild 38 als „quantenmechanisch stabilisiert" bezeichneten Strukturenwaren Gegenstand der Überlegungen dieses Abschnitts. Diese Strukturen sind da-

durch charakterisiert, daß sie auch bei Temperatur T - 0 und ohne jede Rotation

stabil sind .

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60

4. Sterne und Planeten

Die strichliert eingetragenen Hauptreihensterne und Riesen sind dagegenthermisch stabilisiert . Diese Gebilde sind nur solange stabil, als sie ihre innereTemperatur aufrecht erhalten können . Bild 38 wirft dabei eine bedeutende Frageauf : Für entartete Sterne (Neutronensterne und weiße Zwerge) ist die ChandrasekharGrenze Mc zugleich obere Massenschranke und charakteristische Größenordnung.Warum finden sich auch normale Sterne im Massenbereich M - Mc ? Speziell isth wesentlich für die Berechnung von Mc . Wie geht h in die Struktur normalerSterne ein? Diese Fragen sollen in Aufgabe 17 beantwortet werden .

Die in Bild 38 schraffiert eingetragenen Gebilde verdanken ihre Stabilität derkinetischen Energie der in ihnen enthaltenen Sterne (Planeten) . Sonnensysteme,Sternhaufen und Galaxien sind hierher zu zählen .

Den Sinn der Angaben über das Universum werden wir in Abschnitt 9 erörtern .Bild 38 ist durch die Gleichungskette

1 kT

10-6 HRSµc 2

2

8 ~ Ov ~ M ~R ~Pp2

=f(P, T) = µ (po)3 ^ 10 -' WZ (4 .62).

2(pi) 3

1

NS

zu ergänzen, die die Größenordnung der relativistischen Effekte angibt.

Die Grundfragen der Kosmogonie, die von Bild 38 nahegelegt werden,lauten :Warum gibt es gerade diese Strukturen im Kosmos?Wie sind diese Strukturen im Kosmos entstanden?Wie häufig sind diese Strukturen?Gibt es noch andere Strukturen im Universum?

Die erste Frage haben wir teilweise in diesem Abschnitt beantworten können .Die Massen der quantenmechanisch und thermisch stabilisierten Strukturen konntenwir auf einfache Weise theoretisch bestimmen .

Viel schwieriger ist es, die durch Rotation stabilisierten Gebilde zu verstehen .Sonnensystem, Galaxien und Sternhaufen sind heute erst ansatzweise erklärbar .Wir werden dieses Thema in Abschnitt 10 wieder aufnehmen und dort versuchen,die gegenwärtige Diskussion der Grundfragen der Kosmogonie in ihrer Problematikzu skizzieren .

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4 .8 . Strukturen im Kosmos

61

Aufgaben17. Die Massen der Hauptreihensterne

Für entartete Sterne haben wir den Massenbereich 10 - 3M® G M << 2M® als stabilen Bereichgefunden, wobei die Sonnenmasse als charakteristische Einheit wesentlich durch h bestimmt ist.Es ist bemerkenswert, daß auch die (nicht entarteten) Hauptreihensterne einen ähnlichenStabilitätsbereich aufweisen, etwa 10 - 2MG < M G 60M® . Die untere Grenze ist durch dieMindestgröße bedingt, die für das Einsetzen von Kernrekationen benötigt wird .

Die obere Schranke ist dagegen dadurch gegeben, daß der Strahlungsdruck(kf4

PR ^ (hc)3

größer als der Gasdruck p im Sterninnern wird, was Instabilitäten zur Folge hat . Zeigen Sie,daß die Bedingung PR <p unter Weglassung aller numerischen Faktoren aufM <Mp führt .(Korrekt wäreM G 100M® .)

18. Planeten und MondePlaneten und Monde unterscheiden sich von kleineren Körpern dadurch, daß ihre Bindungs-

energie Eg durch die Gravitation bestimmt wird und nicht durch Festkörpereffekte (wie z . B.Meteore). Zeigen Sie, daß dies für Massen

32

M>Mm -=Mp(~0Z2mc2) X10-5Mp--1022 kg

der Fall ist, wobei e = 1 eV die Bindungsenergie pro Atom ist, die durch Festkörpereffekte-bewirkt wird, und A x 50 die Massenzahl der Atome . Mm ist die minimale Masse einesPlaneten bzw. Mondes, wie die folgende Aufgabe noch näher illustriert .

19. Formen und KugelnWährend der Marsmond Phobos (siehe Bild) deutlich von der Kugelgestalt abweicht, ist

der Erdmond fast rund . Der Grund dafür ist in der höheren Masse des Erdmondes zu suchen :Ab einer gewissen Grenzmasse sind geometrische Formen, die von der Kugel abweichen, wegender übergroßen Schwerkraft nicht möglich. Diesen Effekt können wir abschätzen (Bild 39),indem wir die maximal mögliche Höhe von Bergen auf Planeten berechnen .Die Errichtung eines Berges der Höhe H und Masse m erfordert die Aufbringung einer potentiellenEnergie der Größenordnung (g ist die lokale Schwerebeschleunigung)

E~em •g •H =N•µ•A •H •g .

Der Berg wird stabil sein, falls diese Energie kleiner als die Bindungsenergie des Berges E B --N • cist :

EB N e>NA H I MR2)'\Zeigen Sie, daß diese Bedingung auf

2

R< M

3 \R_/2

führt . Gebilde mit M 'Mm können keine wesentliche Abweichung von der Kugelgestalt auf-weisen .

Page 68: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

62

5 . Pulsare

5.1 . Die Entdeckung der Pulsare

Im Sommer 1967 begann das neue Radioteleskop in Cambridge zu arbeiten . Essollte Szintillationen der Radiogalaxien studieren, die durch Plasmawolken imSonnenwind bedingt sind. Man sucht dabei nach Schwankungen des Radiosignals,die unregelmäßig mit charakteristischen Zeiten von Sekundenbruchteilen auftreten .

Im Laufe des Jahres 1967 zeigte sich aber, daß das Radioteleskop aus einer be-stimmten Himmelsrichtung ein völlig regelmäßiges Signal empfing, das etwa einmalje Sekunde mit einer Dauer von etwa 20 Millisekunden auftrat .

Da Signale mit einer Dauer von r = 2 . 10-2 s nur von Objekten kleiner alsR < cr = 3 . 108 •2 . 10-2 m = 6 . 106 m = 6000 km emittiert werden können,

5 . Pulsare

Bild 39Der Marsmond Phobos, photo-graphiert von Mariner 9 imJahre 1971 . Der Marsmond zeigtdeutliche Abweichung von derKugelgestalt

N AtomeH

Iavder MasseAy

Bild 39aZur Höhe von Bergen

Page 69: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

5 .1 . Die Entdeckung der Pulsare

63

dachte man zunächst an Planeten und an unbekannte neue Zivilisationen, die ver-suchen, mit uns in Kontakt zu treten. Folglich wurden die ersten 4 Pulsare inCambridge mit LGM 1, 2, 3 und 4 bezeichnet, was "Little Green Men" bedeutet(Einwohner anderer Planeten sind aus irgendeinem Grund immer als grün zu denken) .

Tatsächlich legt die komplizierte Form der von den Pulsaren ausgehenden Radio-pulse die Idee strukturierter Signale nahe (Bild 40).

Imov

4" I

12,

j ,

13r(m?r

14 ~ W~t'

15rti~+w"J/'«"

:X1Bild 40Reihe aufeinander fol-gender Pulse von CP 1919

Nachdem die Interpretation der Pulsare als Signale entfernter Zivilisationenwegen der enormen Energie der beobachteten Strahlung nicht aufrechterhaltenwerden konnte, zerfiel das Problem der Erklärung der Pulsarsignale bald in zweiTeilprobleme :

Grundprobleme der Pulsarphysik:

Welche Körper sind imstande, die beobachteten Signale auszusenden?

Was ist der Mechanismus der Emission der Strahlung?

Während das zweite Problem noch als weitgehend ungelöst betrachtet werdenmuß, konnte sehr bald Einigung darüber erzielt werden, daß es sich bei den Pul-saren um Neutronensterne handelt.

Ein wesentliches Argument dafür liegt in der Kürze der Pulsarperioden, derenkleinste, die des Pulsars im Crab-Nebel (NP 0532), r = 0,033 s beträgt . Wenn wir

Page 70: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

64

5. Pulsare

annehmen, daß die Periodizität der Signale durch die Rotation des Pulsars zustande-kommt, so kann die Umfangsgeschwindigkeit des Objektes die Lichtgeschwindigkeitnicht überschreiten. Der Radius muß daher nach 2rrR/r < c kleiner als

rc

3 . 10-2 . 3 . 10sR<2~<

21rm~700km

(5.1)

sein . Objekte dieser Größe, die intensive elektromagnetische Strahlung aussenden(dadurch sind planetenartige Gebilde ausgeschlossen), müssen aber Neutronen-sterne sein.

Dafür spricht auch die große Regelmäßigkeit der zeitlichen Aufeinanderfolgeder Pulse. Wie Tabelle 5 zeigt, konnte die Periode P einiger Pulse auf 10 Stellengenau bestimmt werden. Derart präzise Signale können aber nur von einemHimmelskörper mit sehr starrer Struktur ausgesendet werden .

Tabelle 5 . Pulsarparameter. Die Perioden beziehen sich auf den Schwerpunkt des Sonnensysteme

Bemerkenswert ist, daß sich die Periode der Pulsare im Laufe der Zeit langsamvergrößert, also P = dP/dt > 0 ist. Die entsprechenden Daten sind ebenfalls inTabelle 5 enthalten.

Wenn wir die Pulse auf die Rotation des Objektes zuiückführen, bedeutet dies,daß sich diese Rotation allmählich verlangsamt, wobei eine charakteristische Zeitt durch

t = P/P

(5.2)

definiert werden kann. Während t für die ersten 4 in der Tabelle angeführtenPulsare bei etwa 1014S - 107 Jahre liegt, ist t - 10 11 s - 3000 Jahre beim Crab-Pulsar NP 0532. Dies deutet darauf hin, daß sich der Crab-Pulsar innerhalbhistorischer Zeiträume wesentlich verändert hat. Er wird tatsächlich mit der vonden Chinesen beobachteten Supernova des Jahres 1054 in Zusammenhang gebracht .Eine Supernova entsteht nämlich dann, wenn ein normaler Stern von einigen Sonnetmassen seinen Kernbrennstoff verbraucht hat, wodurch Temperatur und Druck imSterninnern zusammenbrechen . Der Stern fällt dann in sich zusammen, wobei ereinen Teil seiner Masse in einer ungeheuren Explosion abstößt (Nebel rund um dieSupernova) und ein Neutronenstern als Relikt übrigbleibt .

Periode P (s) P (10-1 5 s/s)

CP- 0834 1,2737631515 5,0 ± 0,8CP 0950 0,2530650372 0,3 t 0,1CP 1133 1,1879109795 4,1 # 0,5CP 1919 1,337301109 1,1 ±O,5NP 0532 0,03309114 350

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5 .1 . Ure r .nraecrcung aer ruisare oa

Dabei sind zwei Punkte besonders wesentlich: Während des Kollapses bleibt derDrehimpuls des Sterns, der von der Größenordnung

L -MRZ w

(5.3)

ist, erhalten .Dabei bedeutet M die Sternmasse, R den Sternradius und w die Kreisfrequenz

der Sterndrehung. Für die Sonne sind die relevanten Daten

M - 2 . 1030 kg, R - 7 . 10 8 m, w -- 3-10-6S-1 .

(5.4)

Die Erhaltung des Drehimpulses bedeutet, daß R 2w = const . sein muß, und daherbei der Entstehung eines Neutronensterns mit Radius R r - 5 . 104 m die Drehfre-quenz den Wert w r - 104 s-1 annimmt . Ein vorher langsam rotierender Stern be-ginnt sich beim Kollaps ungeheuer schnell zu drehen, was eine Erklärung für diebei den Pulsaren beobachteten kurzen Perioden liefert .

Die Rotationsenergie des Sterns

ERot - MR' w 2

(5.5)

nimmt während des Kollapses stark zu . Setzt man nämlich die Daten für einentypischen Stern wie die Sonne in Gl. (5 .5) ein, so folgt

ERot - 1037 J

Normalstern .

(5.6)

Für den Neutronenstern, der beim Kollaps entsteht, ergibt sich dagegen bei Ein-setzen von R, bzw. w r

ERat - 1045 J

Neutronenstern .

(5.7)

Die Rotationsenergie ist damit etwa von der gleichen Größenordnung wie die ge-samte Energie, die ein Normalstern (innerhalb von Milliarden Jahren) durch Kern-fusion freimachen kann.

Man darf daher annehmen, daß die langsame Abbremsung der Drehung desNeutronensterns (Pulsars) im Zentrum des Crab-Nebels die Energie für die Strah-lung des gesamten Nebels liefert. Da man die allmähliche Verlangsamung derPulsarperiode und damit die Abbremsung des Sterns kennt, kann man auch densekundlichen Verlust an Rotationsenergie des Crab-Pulsars berechnen . Er stimmtder Größenordnung nach mit der gesamten Energieemission des Crab-Nebels über-ein und erhärtet so die Entstehung dieses Nebels durch Supernovaexplosion undNeutronensternbildung .

Aufgaben20. Rotation

Zur Abschätzung der Grenzfrequenz, mit der ein starrer Körper rotieren kann, haben wirin Gl. (5 .1) die Bedingung herangezogen, daß die Oberflächengeschwindigkeit die Lichtge-

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66

schwindigkeit nicht überschreiten darf. Tatsächlich folgt aber eine weit stärkere Einschränkungdaraus, daß die Oberflächengeschwindigkeit sogar die Bedingung

5 . Pulsare

geschrieben werden kann . Welche untere Grenze ergibt sich daraus für die Rotationsdauerweißer Zwerge? Auf welche Körper von Bild 38 ist die Bedingung (5 .10) anwendbar? Warumnicht auf alle?

21 . Schallgeschwindigkeit und PulsationenDie Helligkeitsschwankungen vieler veränderlicher Sterne sind nicht durch Rotation, sonderr

durch Pulsationen der Sterne verursacht. Um die Pulsationsdauer eines Sterns abzuschätzen undzu sehen, ob Pulsare nicht auch durch rasche Expansion und Kontraktionen weißer Zwerge er-klärt werden können, berechnen wir zunächst die Schallgeschwindigkeit in der Sternmaterie .Zeigen Sie, daß die Schallgeschwindigkeit

abgeschätzt werden kann und von der gleichen Größenordnung ist wie die höchstmöglicheRotationsgeschwindigkeit eines Körpers. Da Pulsationen eine Schwingung eines Sterns bedeutenund sich im Sterninnern mit Schallgeschwindigkeit ausbreiten, folgt, daß Pulsationsdauernetwa durch

R

1T le

-US e (Gp) 2

(5 .13)

gegeben sind . Sie sind somit von der gleichen Größenordnung wie TRot . Bei den Pulsaren kannes sich folglich nicht um pulsierende weiße Zwerge handeln . Allerdings könnten Pulsare (wieauch der Name nahelegen würde) pulsierende und nicht rotierende Neutronensterne sein. Es halsich aber bisher als unmöglich erwiesen, die intensive elektromagnetische Strahlung der Pulsareauf diese Art theoretisch befriedigend zu erklären .

22. Veränderliche Sternet

Die Beziehung T cxp 2 zwischen Pulsationsperiode und mittlerer Dichte wird für vieleveränderliche Sterne tatsächlich beobachtet. Dabei hat die Konstante b in

T = b V -p

(5 .14)

u2 -_<RG (5.8)

erfüllen muß, damit sich nicht Teile von der Sternoberfläche ablösen .

Zeigen Sie, daß diese Bedingung als

c2

25R (5 .9)

oderR

t

TRot V > (Gp) 2 (5 .10)

VS = ö (5 .11)

durch2uS r 63

c2 R (5 .12)

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5.2. Magnetleid und stramungsmecnamsmus 01

(po = 1400 kg/m3 ist die mittlere Dichte der Sonne) für die wichtigsten Klassen veränderlicherSterne die folgenden experimentell ermittelten Werte :

Vergleichen Sie diese Werte mit der theoretischen Relation (5 .13)!

5.2 . Magnetfeld und StrahlungsmechanismusRotationsenergie und Winkelgeschwindigkeit eines Sterns sind nicht die einzigen

Größen, die sich beim Kollaps in charakteristischer Weise ändern . Auch das Magnet-feld nimmt infolge der Erhaltung des magnetischen Flusses

BR2 = const .

(5 .15)

bei der Entstehung eines Neutronensterns auf das etwa 10 8 fache des ursprünglichenWertes zu . Man erwartet bei Pulsaren Magnetfelder (magnetische Induktion) bis zueiner Stärke von

B z 108 Tesla.

Bild 41 . Zwei Modelle des Strahlungsmechanismus von Pulsaren

(5 .16)

C6 - Cepheiden 0,041 TageCW - Cepheiden 0,160 TageRR - Lyrae-Sterne 0,145 Tageß - Can-Maj-Sterne 0,027 Tage

Page 74: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

68

6. Gravitationskollaps und schwarze Löcher

Die Vorgänge, die sich in einem Magnetfeld dieser Intensität abspielen, sind derzeitnoch weitgehend ungeklärt. Daher können auch über den Mechanismus der Strah-lungsaussendung der Pulsare nur sehr allgemeine Aussagen gemacht werden . Diemeisten Pulsarmodelle postulieren, daß die Achse des magnetischen Dipolfeldes an-nähernd senkrecht auf der Rotationsachse des Pulsars steht . Das mit dem Sternrotierende Dipolfeld ist dann Quelle einer intensiven elektromagnetischen Welle,die mit der Rotationsfrequenz des Sterns emittiert wird . Die Emission der Strahlungführt zur Bremsung des Pulsars. Wahrscheinlich überträgt diese elektromagnetischeWelle auch die Energie auf den umgebenden Nebel und bringt ihn zum Leuchten .

Den Pulsarmechanismus selbst, also die Aussendung des regelmäßigen Signalsdurch den Stern, kann man sich vermutlich so vorstellen, daß die beiden Magnet-pole des Pulsars wie die Lampen eines Leuchtturms wirken. Bei ihrer Drehungemittieren sie ein Lichtbündel, das von ein oder zwei Polen ausgehend die Erdetrifft und somit beobachtet werden kann . Darüber, wie nahe oder wie weit vomPulsar entfernt diese Strahlung wirklich entsteht, ist derzeit eine intensive Diskussioim Gange, die noch nicht abgeschlossen ist (Bild 41) .

6. Gravitationskollaps und schwarze Löcher

In Abschnitt 4 haben wir uns mit den Gleichgewichtskonfigurationen von Materibeschäftigt und dabei außer den normalen Sternen der Hauptreihe zwei Familienentarteter Sterne kennengelernt. Für ihre Masse hat sich die Chandrasekhar-Grenzeals obere Schranke ergeben . Was geschieht aber, wenn ein schwererer Stern amEnde seiner thermonuklearen Entwicklung anlangt? Keine neue Gleichgewichts-konfiguration endlicher Dichte ist möglich, und der Stern kollabiert zu einer„Singularität", die von einem „schwarzen Loch" umgeben ist . Dieser Vorgang sollhier im Detail analysiert werden .

6.1. GravitationskollapsWährend bei Sternen der Druck im Inneren den Gleichgewichtszustand normaler

weise aufrechterhält, ist es z . B . bei der Milchstraße nicht unmittelbar ersichtlich,warum sie nicht in sich zusammenfällt. Die einzelnen Sterne sind so weit vonein-ander entfernt, daß sie keinen nennenswerten Druck aufeinander ausüben .

Allerdings könnte ein hypothetischer Kollaps der Milchstraße zu langsam vorsich gehen, um während der Lebensdauer des Universums zu beobachtbaren Effektezu führen . Um diese Möglichkeit auszuschließen, berechnen wir die Dauer des freienKollapses eines Körpers konstanter Dichte p . Für t < 0 sei'der Körper (Stern,Milchstraße usw .) durch den inneren Druck stabilisiert . Zur Zeit t = 0 soll dieser

Page 75: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

6 .1 . Gravitationskollaps

bY

Druck schlagartig auf Null absinken (es ist dies ein einfaches Modell des Versiegensder Kernenergievorräte eines Sterns), worauf das Objekt im freien Fall in sich zu-sammenbricht .

Die Bewegungsgleichung eines beliebig herausgegriffenen Atoms an der Ober-fläche der kollabierenden Masse lautet

d2R MGm

dtx = - Rxm.

(6.1)

Dabei ist M = a3p R 3 = const. die als kugelförmig angenommene Gesamtmasse,während m die Masse des betrachteten Atoms ist. Nach Kürzung durch m undMultiplikation mit dR/dt folgt aus Gl . (6.1) der Energiesatz

x

dt L2 (dt

RGi= 0

(6.2)

oderx MG

2 dt ) R = const . _ -RG.

(6.3)0

Die durch Gl. (6.3) definierte Konstante R o ist der Radius des Objektes vor demKollaps, da für R = R o aus der obigen Gleichung dR/dt = 0 folgt .

Die Differentialgleichung (6.3) kann einfach integriert werden

t-to=fdtdR

(6.4)=fJ2GM(1/R-1/R o)

Dieses Integral findet sich in jeder Integraltafel :

t(R) 1/RR2MG -R) +Ro

V 8MGarc cos(R - 1) .

(6.5)0

Damit haben wir den Radius R des kollabierenden Objektes als Funktion der Zeitt zumindest in impliziter Form bestimmt . Die Integrationskonstante t o wurde inGl . (6 .5) so gewählt, daß der Kollaps zur Zeit t = 0 einsetzt, also t(R o ) = 0 ist .

Wenn wir in Gl. (6.5) R = 0 setzen, so erhalten wir die Zeit t K , die ein Objektbraucht, um unter der Wirkung seiner eigenen Schwerkraft im freien Fall voll-ständig (d . h . bis auf einen Punkt) zu kollabieren :

Bemerkenswerterweise hängt die Kollapszeit nur von der mittleren Dichte p, abernicht vom Radius des betrachteten Objekts ab .

Page 76: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

70 6 . Gravitationskollaps und schwarze Löcher

\\\

\\

rT = (Gp) 2

(6.7)

Kürzeste Rotationsdauer tR eines stabilen Objekts (fürtR < T löst sich Material von der Oberfläche) .Aufgabe 20

Pulsationsfrequenz eines stabilen Sterns (Grund-schwingung) . Aufgabe 21

Umlaufdauer eines Satelliten, der an der Sternoberflächeentlangstreift .

Kollapszeit tK eines nichtrotierenden Objekts, das nicht`

durch inneren Druck stabilisiert wird.

Rotationsfrequenz eines nicht durch Druck stabilisiertenObjekts, die zur Verhinderung des Gravitationskollapseserforderlich ist . Aufgabe 23

durch Druck stabilisierte Materie (z . B. Festkörper)Materie ohne inneren Druck

Gl. (6.6) zeigt eine weitere Bedeutung der bereits in Abschnitt 5 mehrfach er-wähnten Zeit T - (Gp)- 112 auf. Das Diagramm im Anschluß an Gl . (6 .7) gibt eineÜbersicht über die verschiedenen physikalischen Situationen, für die die ZeitskalaT _ (Gp)-1'2 relevant ist (siehe dazu auch die Übungsaufgaben zu diesem Ab-schnitt) .

Die letzte der genannten Bedeutungen von T ist es, die uns die Stabilität derMilchstraße verstehen läßt . 1/T ~e (Gp) 1/2 gibt (siehe Aufgabe 23) die Frequenzan, mit der ein nicht durch inneren Druck stabilisiertes Objekt rotieren muß, umkeinen Gravitationskollaps zu erleiden .

Für die Milchstraße ist M 10 11Mo - 10"4g, R = 3 . 1020 m, folglichp ~• 10"20 kg/m3 , so daß

)r

tK - T - (GP) 2 - 10 15 s - 100 Millionen Jahre .

(6.8)

Ohne Rotation würde die Milchstraße in etwa 10 8 Jahren in sich zusammenfallen.Die Drehung der Milchstraße (erstmals von L Kant in seiner AllgemeinenNaturge-schichte und Theorie des Himmels postuliert) stellt sich als Notwendigkeit heraus .

Page 77: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

6 .1 . Gravitationskollaps

11

Ihre Dauer, die astronomisch zu tR -- 200 Millionen Jahren bestimmt wurde, kannaus Gl. (6 .7) einfach abgeschätzt werden und wird in Aufgabe 24 weiter analysiert.

Nach diesen Vorbemerkungen wenden wir uns dem Kollaps von Sternen zu . Wasgeschieht, wenn ein normaler Stern am Ende seiner thermonuklearen Entwicklungangekommen ist, seinen Kernbrennstoff also völlig verbraucht hat?

Die Temperatur und auch der Druck im Sterninneren können dann nicht längeraufrechterhalten werden. Eine komplizierte Altersphase des Sterns beginnt, die wirin einem stark vereinfachten Modell folgendermaßen verstehen können .

Nehmen wir an, daß das Versiegen der Energiequellen des Sterns schlagartig vorsich gehe und auch Druck und Temperatur im Sterninneren plötzlich auf Null ab-sinken . Der zuvor stabile Stern kollabiert dann im freien Fall, wobei wir ausGl . (6 .7) die Dauer des Kollapses für p - 10 3 kg/m3 (Dichte der Sonne) abschätzenkönnen :

1

tK - (GP) z 3 . 103 s _ 1 Stunde .

(6.9)

Wie weit geht der Kollaps des Sterns? Gibt es eine neue Gleichgewichtskonfiguration,oder fällt der Stern tatsächlich völlig in sich zusammen?

Stabile entartete Sterne, also solche, die durch quantenmechanische Effekte undnicht durch thermischen Druck aufrechterhalten werden, gibt es bis zu Mc - 1,5 Mo .Allerdings haben die Überlegungen von Abschnitt 4 gezeigt, daß diese Obergrenzetheoretisch nicht ganz genau bekannt ist und für Neutronensterne eventuell bei3Mo liegen könnte .

Kollabiert ein Stern mit M < Mc nach Erlöschen seiner Vorräte an Kernenergie,so kann er eine neue Gleichgewichtskonfiguration erreichen : Als weißer Zwergbeendet der Stern, allmählich abkühlend, seinen Entwicklungsweg .

Für Sterne mit M >Mc kann der Kollaps nicht so einfach zu einer neuenstabilen Konfiguration führen . Man nimmt an (exakte Rechnungen sind schwerdurchführbar), daß für M 5 IOM® während des Kollapses durch Schockwellen,die durch den Stern hindurchgehen, genügend Masse abgestoßen werden kann, umdie Entstehung eines Neutronensterns zu ermöglichen . Es ist dies wahrscheinlichder Vorgang, der sich bei Supernovaexplosionen ereignet. Die ausgestoßenen Gas-massen umgeben den Stern als Nebel . Das beststudierte Beispiel dazu ist der inAbschnitt 5 beschriebene Crab-Nebel

Aufgaben

23 . RotationSchätzen Sie ab, wie schnell ein nicht durch inneren Druck stabilisiertes Objekt rotieren

muß, um gegen die Wirkung der eigenen Schwerkraft stabilisiert zu werden . Welche Form mußdas Objekt haben? Wie hängt die Rotationsdauer tR und die Rotationsgeschwindigkeit u vonder Entfernung vom Mittelpunkt ab?

Page 78: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

72

250

200

150

100

50

0

24. Rotation der MilchstraßeBild 42 zeigt die Rotationsgeschwindigkeit der Milchstraße als Funktion des Abstandes

vom galaktischen Zentrum. Wie ist diese Kurve zu erklären? Kann man daraus die Masse derMilchstraße bestimmen? Wie wird die angegebene Kurve experimentell bestimmt?

6.2 . Schwarze Löcher

Für Sterne mit M S lOM® führt der Kollaps nach Ausbrennen der Kernenergie-vorräte (wahrscheinlich) auf einen neuen stabilen Endzustand, einen weißen Zwergbzw. Neutronenstern . Dagegen ist für M ~ IOM® weder der Druck der Elektronennoch der Druck der Neutronen in der Lage, den Kollaps des Sterns zu stoppen . DieNewtonsche Gravitationstheorie sagt in dieser Situation voraus, daß der Stern bis zteinem Punkt unendlicher Dichte - einer Singularität - in sich zusammenfällt.

Die allgemeine Relativitätstheorie bestätigt überraschenderweise dieses Resultat,'präzisiert und ergänzt es aber in wesentlicher Weise . Die theoretischen Vorher-sagen lassen sich am besten aus Bild 43 ablesen . Es lohnt sich, dieses Bild eingehendzu studieren, da es fast alles in einprägsamer Form zusammenfaßt, was über Ent-stehung und Eigenschaften schwarzer Löcher von Bedeutung ist.

Das Bild stellt den Gravitationskollaps in einem Raum-Zeit-Diagramm dar, dasden Zusammenbruch eines Sterns und die Entstehung eines schwarzen Lochs vonunten nach oben fortschreitend zeigt . Es ist dabei der Kollaps eines Querschnittsdurch den Sternmittelpunkt gezeigt, also das Verhalten einer aus dem Stern herausgeschnittenen (infinitesimal dünnen) Kreisscheibe .

vR, (k m/s)

10

20

30

40

50

60

Entfernung vom Zentrum (in Einheiten von 1000 Lj)

6. Gravitationskollaps und schwarze Löcher .

Bild 42Die Rotationsgeschwindigkeit derMilchstraße als Funktion der Ent-fernung vom galaktischen Zentrum

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6 .2 . Schwarze Löcher

/i

.I1

Alp

r

Du apsb ittKollegin

n

tK ^ (GP) 2

---„,-_-schwarzes Loch

fSingularität= kollabierterStern

D

Weltlinie des im Raumruhenden Beobachters

Bild 43 . Raum-Zeit-Diagranun des kollabierenden Sterns = Entstehung eines schwarzen Lochs

Die Linie im Zentrum des Bildes ist die Weltlinie des Sternmittelpunktes . Sieist von Kreisen umgeben, die den Rand der aus dem Stern herausgeschnittenenKreisscheibe andeuten. Während des Kollapses (nach oben fortschreitend) wirdder Kreis kleiner und erreicht schließlich zur Zeit

(6.10)

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74

6 . Gravitationskollaps und schwarze Löchej

auch gemäß den Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie einen Punkt, dasheißt, es bildet sich eine Singularität unendlicher Dichte aus, die beliebig lange be-stehen bleibt (zentrale Linie im Bild) .

Allerdings haben wir früher gesehen, daß Zeitintervalle davon abhängen,wieweit eine Uhr von schweren Massen entfernt ist . Für welche Uhren hat derKollaps die oben angegebene Dauer? Die allgemeine Relativitätstheorie zeigt,daß sich tK auf den auf der Sternoberfläche mitfallenden Beobachter ® bezieht,',der auf seiner Uhr die Eigenzeit (Gl. (6 .10)) abliest, die vom Beginn des Kollapsesbis zu seinem Ende in der Singularität vergeht.

Für einen im Außenraum verbleibenden Beobachter stellt sich die Situationvöllig anders dar . In Bild 43 ist rechts die Weltlinie eines Beobachters () einge-tragen, der in sicherer und konstanter Entfernung das katastrophale Ende desSterns mitansieht . Um die Eindrücke von 0 wiederzugeben, müssen wir zunächst,das Verhalten von Lichtstrahlen in der Umgebung der kollabierenden Masse unter-suchen. Dazu trägt man zweckmäßigerweise in einigen Punkten den Lichtkegel ein ;der die Ausbreitung von Lichtstrahlen angibt, die von diesem Punkt ausgehen .

In großer Entfernung vom Stern ist der Lichtkegel einfach durch 1 x I = ctgegeben, also mit seiner Öffnung nach oben gerichtet, da dort das Gravitationsfeld'.]die Lichtausbreitung nicht beeinflußt . In der Umgebung des Sterns ist der Licht- ''kegel geneigt, da das Licht unter dem Einfluß der Schwerkraft dazu tendiert, nachtinnen zu fallen . Im Inneren des Schwarzschildradius ist der Lichtkegel völlig nachinnen geneigt : Dies ist der Ausdruck für die bereits erwähnte Tatsache, daß Lichtaus diesem Bereich nicht entweichen kann .

Um den Verlauf des Kollapses dem Beobachter 02 mitzuteilen, entsendet (lin regelmäßigen Abständen - gemessen in seiner Eigenzeit - Lichtsignale an (2 .Diese Lichtsignale sind in der Figur mit A, B, C, D, E bezeichnet und werden von~i radial von der Sternoberfläche weg abgesendet . Bild 43 zeigt, daß die SignaleA und B annähernd mit der gleichen Zeitdifferenz bei 23 eintreffen, mit der sievon (l abgesendet werden . Signal C trifft wesentlich später ein als erwartet, dahier bereits die Wirkung des starken Gravitationsfeldes (Neigung des Lichtkegels)deutlich wird . Signal D, von l) gerade beim Kreuzen des Schwarzschildradiusabgesendet, kommt nie bei 2® an, sondern bleibt in r = 6i stecken (senkrechteLinie!) . Signal E schließlich hat keine Chance mehr, aus r < 6i zu entweichen,und fällt selbst nach kurzer Zeit in die Singularität r 0. Vom Außenraum ge-sehen, verlangsamt sich also der Kollaps immer mehr, bis er beim Erreichen desSchwarzschildradius völlig zum Stillstand kommt : Das Signal, das von dort ausentsendet wird, erreicht den in endlicher Entfernung befindlichen Beobachter erstnach unendlicher Zeit (genauer : Ein Signal, das von j beim Radius r = 6i(1 + e)e << l, abgesendet wird, erreicht © zur Zeit r ~ -(6T/c)ln e) .

Von O2 gesehen, erreicht daher der kollabierende Stern nie den Schwarzschildradius, er wird nie zu einem völlig „schwarzen Loch", aus dem keine Signale mehr

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6 .3 . Das Gravitationsfeld schwarzer Löcher

75

an die Umwelt übermittelt werden können. Allerdings nimmt die Helligkeit desSterns rapide ab, da das Licht immer stärker rotverschoben wird, je näher dieEmission am Schwarzschildradius stattfindet . Außerdem treffen die von 1) ingleichen Zeitabständen emittierten Photoneu in immer größeren Intervallen bei 2®ein, was eine weitere Verminderung der Helligkeit des kollabierenden Sterns be-wirkt. Detaillierte Rechnungen zeigen, daß die Leuchtkraft L des Sterns in derEndphase des Kollapses durch

rL = tonst . e r

(6.11)

gegeben ist, wobei die charakteristische Zeit T = 6t/c beträgt . Für einen Stern mitM IOM® ist 6l ~ 30 km und r 10-4 s. Wenngleich der kollabierende Sternvom Außenraum gesehen nie völlig in sich zusammenfällt, sondern unendlich langeam Schwarzschildradius zu verharren scheint, so nimmt doch die Leuchtkraft inSekundenbruchteilen praktisch auf Null ab und rechtfertigt somit die Bezeichnung„schwarzes Loch", die in der westlichen Physikliteratur gebräuchlich ist . Dierussische Literatur bevorzugt dagegen den Namen „gefrorener Stern", der das Ver-harren des Sterns am Schwarzschildradius zum Ausdruck bringt .

Alle Vorgänge, die sich innerhalb des Schwarzschildradius ereignen, bleiben fürden Beobachter im Außenraum prinzipiell unzugänglich, da er aus diesem Bereichkein Signal empfangen kann. Daher kann 20 auch niemals die Singularität, alsoden zu einem Punkt kollabierten Stern sehen . Diese Singularität wird durch dasschwarze Loch völlig vom Außenraum abgeschirmt .

Aufgaben

25 . Ist die Singularität vermeidbar?Bei den obigen Überlegungen haben wir vorausgesetzt, daß der Stern im freien Fall kollabiert.

Wenn die Dichte des Sterns ansteigt, treten Kräfte (z . B . Elektronendruck, Neutronendruck usw .)auf, die den Verlauf des Kollapses modifizieren werden. Zeigen Sie, daß die Entstehung einerSingularität (das heißt der Kollaps bis zu einem Punkt) auch durch beliebig starke Kräfte nichtvermieden werden kann, wenn der Stern einmal innerhalb seines Schwarzschildradius angelangtist. Anleitung : Beachten Sie, daß Kräfte die Weltlinie eines Teilchens nur innerhalb des Licht-kegels (u <c!) verändern können.

26 . Dichte beim SchwarzschildradiusFertigen Sie eine Tabelle an, die zeigt, bei welcher Dichte eine gegebene Masse ihren

Schwarzschildradius erreicht . Wie groß ist diese Dichte für eine Galaxis? Welche Folgerungenkann man aus der Tabelle ziehen?

6.3. Das Gravitationsfeld schwarzer LöcherNach dem exponentiellen Abklingen der elektromagnetischen Strahlung des

kollabierenden Sterns verbleibt das Gravitationsfeld als einzige Wirkung desschwarzen Lochs auf seine Umgebung . Allerdings wird das Gravitationsfeld in der

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76

6. Gravitationskollaps und schwarze Löchq

Umgebung des Schwarzschildradius durch die Newtonsche Theorie nicht exakt be=schrieben . Es zeigt sich aber, daß eine einfache Modifikation der Theorie ausreicht,um die von der allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Phänomene korrektwiederzugeben .

Rekapitulieren wir zunächst die übliche Darstellung der Bewegung eines Körper(Masse m) im Schwerefeld eines Sterns . Diese Bewegung wird in Polarkoordinatenr, ¢ durch den Flächensatz

rz ¢ = 1 = const .

(6.12)

und den Energiesatzz

2 + VN (r) = m

(6.13)

beschrieben, wobei Punkte Zeitableitungen bedeuten . Dabei ist 1 der (auf dieMasseneinheit bezogene) Drehimpuls des Körpers, E seine Energie und m seineMasse . Das effektive Potential

VN (r) _ - GM+2rz

(6.14)

besteht aus Gravitationspotential und Zentrifugalterm .Die allgemeine Relativitätstheorie modifiziert diese Aussagen insofern, als die

Zeitableitungen (Punkte) durch Ableitungen nach der Eigenzeit s (das heißt nachder Zeit, die durch eine vom Körper mitgeführte Uhr angezeigt wird) zu ersetzen siund ein abgeändertes effektives Potential

VE (r) _ - GM+Zr~

---

(6 .15

der Rechnung zugrunde zu legen ist. Die Gleichungen (6.12), (6 .13) und (6.15)ermöglichen unter anderem die exakte Berechnung der in Abschnitt 1 diskutierten'Perihelverschiebung .

BildaaEffektives Potential in Newtonscherund Einsteinscher Gravitationstheoril

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6 .3 . Das Gravitationsfeld schwarzer Löcher

77

Bild 44 zeigt die Gegenüberstellung der effektiven Potentiale VN und VE derNewtonschen und Einsteinschen Gravitationstheorie . Dabei ist 1 # 0 vorausgesetzt,da für 1 = 0 VN = VE gilt. Für den radialen Fall in das Zentrum (für den der Dreh-impuls 1 = 0 ist) gelten die Newtonschen Formeln exakt, nur ist die absolute Zeitdurch die Eigenzeit s des fallenden Körpers zu ersetzen . (Dieses Resultat haben wirim vorigen Abschnitt bei der Diskussion des Kollapses bereits vorweggenommen .)In Bild 44 ist links strichliert auch die Energie eingetragen, die eine Ellipsenbahncharakterisiert, die zwischen den beiden Radien A und B hin und her pendelt,während rechts die zu einer Kreisbahn führende Energie aufgetragen ist, die nurmit einem Wert von r (Punkt C) verträglich ist') .

Bei gegebenem Drehimpuls 1 (das heißt gegebenem Potential VE ) hat die Kreis-bahn die tiefste Energie . Wie tief kann diese Energie sein? Diese Frage ist von Be-deutung, da ein um das schwarze Loch kreisender Körper eben diese Bindungs-energie in Form von Strahlung nach außen abgeben kann . (Konkret hat man sichvorzustellen, daß ein zunächst in großer Entfernung um das schwarze Lochkreisender Körper Strahlung emittiert und durch den Energieverlust langsam nachinnen spiralt.)

Die Rechnung (siehe Aufgabe 27) zeigt, daß die höchstmögliche Bindungs-energie eines Teilchens der Masse m auf einer Kreisbahn gemäß der EinsteinschenTheorie E _ - 0,055 mc 2 beträgt. Nur 5,5 % der Ruheenergie können während desHineinspiralens zum Zentrum (schwarzes Loch) abgestrahlt werden, dann wird -bei r = 36Z - die Kreisbewegung unstabil, und das Teilchen stürzt in das Zentrum(Bild 45) .

Bei Erreichen von r_ 3 O2fällt das Teilchen fast radial in dasZentrum (schwarzes Loch),dakeine stabilen Kreisbahnen möglich sind.

Geladenes Teilchen strahltelektronische Wellen undspimlt dabei wegen desEnergieverlustes einwärts

Bild 45 . Bewegung eines Teilchens in der Umgebung eines schwarzen Lochs

1) Selbstverständlich gibt es auch für VN Kreisbahnen und für VE Ellipsenbahnen . Der Voll-ständigkeit halber sei erwähnt, daß das Maximum von VE(r) einer instabilen Kreisbahnentspricht, die bei kleinsten Störungen zu einer einwärts oder auswärts spiralenden Be-wegung führt .

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78

6. Gravitationskollpas und schwarze Löcher

Dieses Resultat steht völlig im Gegensatz zu den Vorhersagen der NewtonschenTheorie . Dort kann durch Wahl kleiner 1 eine Kreisbahn mit beliebig kleinem r

erreicht werden und damit auch ein beliebig Vielfaches der Ruheenergie mc2während des Spiralen in das Zentrum abgestrahlt werden!

Dem Fall eines Teilchens im Gravitationsfeld eines Massenpunktes käme klassischdie Bedeutung eines Perpetuum Mobile zu, da damit eine unerschöpfliche Energie-quelle erschlossen wäre . Wie diese Situation in der allgemeinen Relativitätstheorievermieden wird, ist Gegenstand der folgenden Übungsaufgaben.

Aufgaben

27 . Kreisbahnen um schwarze LöcherFür eine Kreisbahn ist E = VE (r), da r = 0, und ferner d VE/dr = 0 (Potentialminimum) .

Zeigen Sie, daß die letzte Bedingung auf Iz = c2 6ir2 (2r- 3 6'rr führt, der Drehimpuls alsonur für r >3/2 6i endlich ist . Für E ergibt sich nach Einsetzen von Iz

E(r) =-mcz •6r-26t2r-36U

Für stabile Kreisbahnen muß außerdem d2VE/drz>0 sein . Zeigen Sie, daß dies nur für r>36ierfüllt ist und E(3 6) _ - mc2/18 die größtmögliche Bindungsenergie eines Teilchens auf einer'stabilen Kreisbahn ist .

28 . Radialer FallKlassisch läßt sich beliebig viel Energie gewinnen, indem man ein Teilchen an einer Schnur

langsam im Gravitationsfeld eines Massenpunktes hinabläßt, da dann die potentielle Energie

MG mc2 6iER(r)=-m = 2

frei wird, die für r -+0 divergiert. Warum geht dies relativistisch nicht, und welche Grenzeexistiert für ER(r)?

6.4 . Rotierende schwarze LöcherDie Überlegungen, die wir bisher zur Theorie schwarzer Löcher angestellt haben,

sind in einer wesentlichen Hinsicht zu kritisieren : Der Kollaps eines kugelsymmetri•sehen, nichtrotierenden Sterns ist ein Idealfall, der in der Natur niemals realisiert

sein wird. Wieweit sind die Aussagen, die wir in dem Idealfall gewonnen habentypisch fürden realistischen Kollapsvorgang

Überraschenderweise hat sich in den letzten Jahren gezeigt, daß sich der reali-stische Kollaps von seiner Idealisierung nur geringfügig unterscheidet . Der Grund

dafür liegt - bildlich gesprochen - in der Stärke des Gravitationsfeldes, die diemeisten Strukturen zum Einsturz bringt . So hat ein Neutronenstern beispielsweise

ein sehr intensives Magnetfeld. Ein schwarzes Loch kann dagegen prinzipiell keinMagnetfeld mehr aufweisen, da dieses Feld unter der Wirkung der Schwerkraft in

das schwarze Loch stürzt und damit in Sekundenbruchteilen auf Null absinkt .

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6 .4 . Rotierende schwarze Löcher

Ähnlich kann man auch zeigen, daß Abweichungen des Sterns von der Kugelform(bzw. für rotierende Sterne von der Geoidform) dem Gravitationsfeld keinenWiderstand leisten können und in sich zusammenfallen .

Diese Beispiele mögen genügen, um anzudeuten, daß ein schwarzes Loch einsehr einfach strukturiertes Gebilde ist, das nur wenige Eigenschaften aufweisenkann. Ein (allerdings noch nicht in aller Strenge bewiesenes) Theorem besagt :

Das allgemeinste schwarze Loch ist durch die Parameter

Masse, Drehimpuls, elektrische Ladung

eindeutig charakterisiert. Alle anderen Eigenschaften gehen währenddes Kollapses verloren .

Masse und Ladung äußern sich darin, daß das schwarze Loch nach außen durch seinGravitationsfeld bzw . sein elektromagnetisches Feld wirkt . Wie aber läßt sich derDrehimpuls eines schwarzen Lochs im Außenraum ablesen? Welche Änderung derEigenschaften, wie z . B . der Bahnen der Teilchen, bewirkt er? Aufgrund der Er-fahrungen, die wir bei der Entstehung von Pulsaren gemacht haben, ist anzunehmen,daß gerade der Drehimpuls eine wichtige Rolle beim Kollaps spielt .

Die Antwort auf diese Fragen wird durch die (sehr idealisierte!) KonstruktionBild 46 gegeben .

V1 rotierendesschwarzesLoch

9 m

Bild 46. Effekte in der Umgebung eines schwarzen Lochs

Nehmen wir an, ein rotierendes schwarzes Loch sei irgendwo im Raum gefunden.Um seine Eigenschaften zu bestimmen, baut man ein Stahlgerüst darum herum, das„im Unendlichen" verankert wird, so daß es weit weg vom schwarzen Loch einInertialsystem angibt .

Durch Vermessung der Länge der Streben des Gerüsts kann man nur die räum-liche Geometrie in der Umgebung des schwarzen Lochs bestimmen und so die Er-

79

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$0

7. Die Suche nach schwarzen Löchern

gebnisse von Abschnitt 2 überprüfen. Eine Reihe von Uhren erlaubt es außerdem,den Einfluß der Masse auf den Uhrengang festzustellen. Kleine Massen m, anSpiralfedern angebracht, messen das lokale Gravitationsfeld, ebenso wie die Test-ladungen e es erlauben, eine etwaige elektrische Ladung des kollabierenden Sternszu ermitteln.

Schließlich sind auch eine Reihe kleiner Kreisel in dem starren Stahlgerüst ange-bracht . Kreisel haben üblicherweise die Eigenschaft, eine fixe Richtung im Raumbeizubehalten . Auf dieser Eigenschaft beruht bekanntlich der Kreiselkompaß . Inder Umgebung des rotierenden schwarzen Lochs aber dreht sich die Kreiselachsegegenüber dem starr im Raum verankerten Stahlgerüst . Dabei folgt nach Rechnungenvon Thirring und Lense (Thirring-Lense-Effekt, 1919) ihre Winkelgeschwindigkeitw zu

G 3(Lx)x-Lr2w =

~3

r2

wobei L der Drehimpuls des schwarzen Lochs ist . Das lokale Inertialsystem, dessenAchsen durch die Kreisel angezeigt werden, dreht sich also in der Umgebung desschwarzen Lochs gegenüber dem Stahlgerüst, das die globale Raumstruktur an-deuten soll . Dieser Effekt ist eine der interessantesten Vorhersagen der allgemeinenRelativitätstheorie und gilt nicht nur für rotierende schwarze Löcher, sondern ganzallgemein für beliebige rotierende Objekte, wie z . B . die Erde .

Wichtig für die Versuche, schwarze Löcher experimentell zu entdecken, ist ferneidaß die Bindungsenergie E einer Masse m, die um ein rotierendes schwarzes Lochkreist, bis zu 42 % der Ruheenergie betragen kann (E = 0,42 nw2 ) . Wenn Materiein ein rotierendes schwarzes Loch fällt, so kann bis zu 42 % der Ruhemasse inEnergie verwandelt werden!

7 . Die Suche nach schwarzen Löchern

Während die Theorie des Gravitationskollapses und der Entstehung schwarzerLöcher in den Jahren 1963-1973 konkrete Form annahm, wurden Versuche, dieExistenz dieser Objekte auch empirisch nachzuweisen, erst 1969 ernsthaft begonneipZunächst mußten Methoden entwickelt werden, wie man schwarze Löcher mitastronomischen Hilfsmitteln Emden kann . Denn die Suche nach Objekten, derenCharakteristik es ist, kein Licht auszustrahlen, ist keine einfache Aufgabe . Es zeigtsich allerdings, daß sich Gas bereits vor dem Erreichen des Schwarzschildradiusstark aufheizt, wenn es in ein schwarzes Loch fällt . Die dabei emittierte Strahlunghat 1972/73 zur Entdeckung des ersten schwarzen Lochs, Cygnus X1, geführt .

(6 .16)

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Sprüche vom Geld

«Und wer a uf der Welt . . .

Page 88: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

. . . der wie ein Mann denkt und fühlt, kann es denn ertragen, daß die daim Reichtum schwimmen, den sie verschwenden, um ins Meer hinauszu-bauen und Berge einzuebnen, daß uns aber die Mittel sogar zum Not-wendigsten fehlen? Daß sie zwei oder mehr Häuser nebeneinander bau-en können, wir aber nirgendwo ein eigenes Heim besitzen? Obwohl sieGemälde, Plastiken, Treibarbeiten aus edlem Metall aufkaufen, Neu-bauten wieder einreißen und anderes dafür hinhauen, kurz, auf allemöglichen Arten ihr Geld verschleudern und vertun, können sie trotzmaßloser Genußgier ihren Reichtum doch nicht kleinkriegen . Wir dage-gen haben zu Hause Not, auswärts Schulden, eine schlimme Gegenwart,eine noch viel härtere Zukunft ; kurz, was haben wir überhaupt nochaußer einem erbärmlichen Dasein?»

(Catilina in Sallusts «Die Verschwörung des Catilina» .)

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7 .1 . Methoden zur Entdeckung schwarzer Löcher

$1

7.1 . Methoden zur Entdeckung schwarzer LöcherDrei Methoden wurden in den letzten Jahren zur Suche nach schwarzen Löchern

vorgeschlagen (Bild 47) :

b)

c)

a) Ein Doppelsternsystem, das aus einem normalen Stern und einem schwarzenLoch besteht, die einander in großer Entfernung (d . h . groß gegen den Sterndurch-messer) umkreisen, kann durch die Dopplerverschiebung der Spektrallinien desSterns festgestellt werden . Diese Methode soll an Hand des bestuntersuchtenBeispiels, e-Aurigae, im Abschnitt 7 .2 dargestellt werden .

b) Falls der Stern und das schwarze Loch in einer Entfernung kreisen, die ver-gleichbar mit dem Sternradius ist, tritt ein neues Phänomen ein : Gas beginnt vomStern auf das schwarze Loch überzuströmen . Dieses Gas heizt sich dabei auf einigeMillionen Grad auf und emittiert Röntgenstrahlung . Diese Strahlung kann mit denMitteln der Röntgenastronomie nachgewiesen werden . Hier sind 1972/73 neueResultate erzielt worden, die in den Abschnitten 7.3-7.5 besprochen werden .

c) Auch einzelne schwarze Löcher verraten ihre Anwesenheit dadurch, daß siedas interstellare Gas allmählich einfangen . Das Gas heizt sich dabei auf und sendetLicht aus. Dieses Licht wird ausgestrahlt, bevor das Gas den Schwarzschildradiuserreicht, so daß kein Widerspruch zu der früher gegebenen Charakterisierungschwarzer Löcher besteht . Die geringe Dichte des interstellaren Mediums (inRegionen ionisierten Wasserstoffs ist p

10-21 kg/m3) bewirkt allerdings, daß nicht

i

Bild 47 . Methoden zur Entdeckung schwarzer Löcher

a) Stern und schwarzes Loch: Optische Sucheb) Stern und unmittelbar benachbartes

schwarzes Loch : Gaseinfang und Röntgen-strahlungsemission

c) Einzelnes schwarzes Loch im interstellarenMedium: Gaseinfang und Lichtemission

Page 90: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

82

7 . Die Suche nach schwarzen Löchern

so spektakuläre Erscheinungen auftreten wie in dem unter b) skizzierten Doppel-sternsystem. Das gleichmäßig in das schwarze Loch strömende interstellare Gaserreicht nun einige Tausend Grad, bevor es hinter dem Schwarzschildradius ver-schwindet . Die dabei ausgesandte Strahlung entspricht für ein schwarzes Loch vonetwa zehn Sonnenmassen in Intensität und Spektralverteilung ziemlich genau der-jenigen eines Typs von weißen Zwergsternen (DC-Zwerge) . Es wäre daher möglich,daß einige der bisher als weiße Zwerge klassifizierten Objekte tatsächlich schwarzeLöcher sind, die sich von interstellarem Gas „ernähren" . Wegen der großen Ähnlich.keit der Strahlungscharakteristiken ist hier keine Entscheidung und damit auch keinschlüssiger Nachweis schwarzer Löcher möglich.

7.2. Epsilon Aurigae

Die in Bild 47a skizzierte Methode scheint der offensichtlichste Weg zur Ent-deckung schwarzer Löcher zu sein . Wenn wir ein Doppelsternsystem finden, indem nur eine Komponente sichtbar ist und die andere schwerer ist als die obereMassengrenze für Neutronensterne, so kann es sich dabei nur um ein schwarzesLoch handeln. Denn die Massen erkalteter weißer Zwerge oder Neutronensternemüssen unterhalb der Chandrasekhar-Grenze liegen, wie wir in Abschnitt 4 festge-stellt haben.

Diese Überlegungen klingen sehr überzeugend . Um zu sehen, warum dieseMethode doch nicht so gut funktioniert, wie man erwarten würde, wenden wiruns dem bestuntersuchten Beispiel, e-Aurigae, zu .

e-Aurigae ist ein Stern der Größe m = 3,1, der mit freiem Auge zu sehen undin jeder Steinkarte eingezeichnet ist . Der Stern weist eine periodische Dopplerver-schiebung seiner Spektrallinien auf, was zeigt, daß er Teil eines Doppelsternsystem$mit unsichtbarer zweiter Komponente ist . Die Verschiebung der Spektrallinienerlaubt es, die Bahngeschwindigkeit des Sterns zu

v, = 14 km/s

(7.1)

zu bestimmen. Die Periode r der Bewegung ist

r = 9883 Tage = 27,1 Jahre .

(7.2~

Bild 48Berechnung der Massenfunktioneines Doppelsternsystems(SP = Schwerpunkt)

Page 91: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

7 .2. Epsilon Aurigae

83

Aus diesen beiden Daten kann die sogenannte Massenfunktion des Doppelstern-systems berechnet werden (Bild 48) . Die beiden Sterne (von denen nur einer sicht-bar ist, während der andere eventuell ein schwarzes Loch ist) bewegen sich um dengemeinsamen Schwerpunkt SP auf Bahnen, deren große Halbachsen a 1 bzw . a 2 imVerhältnis

a 2 :a 1 =M1 :M2 =v 2 :v 1 (7 .3)

stehen . Die beobachtete Geschwindigkeit u 1 kann durch a 1 und die Periode r aus-gedrückt werden :

2 rra 1u l =

r sin i

(7.4)

Dabei ist i der (unbekannte) Winkel zwischen Bahnebene und Beobachtungsrichtung(Erde ; Bild 49) . Die einfache Relation (7 .4) gilt zwar nur für Kreisbahnen exakt, eszeigt sich jedoch, daß die hier zu besprechenden Systeme alle annähernd kreisförmigeBahnen aufweisen.

Erde-

Bild 49

Geometrie der Doppelsternbahn

Weitere Information über das System folgt aus dem Keplerschen Gesetz3

1

r = 2Tra2(GM 1 +GM2) 2 > a =a1 +a2 .

(7.5)

Aus den Gln. (7 .3) und (7 .4) erhalten wir

M2a 1 = a

(7.6)M1 +M2

und

2rra M2_v 1 r M1 + M2

sin i. (7 .7)

Wenn wir a aus den Gin. (7.5) und (7 .7) eliminieren, ergibt sich die Massenfunktiondes Systems

M3

3

U l_

r~i

(Ml +M2)2sin i = 2~G .

(7.8)

Da die Massenfunktion nun v l und r enthält, kann sie bereits aus der Beobachtungeines Partners eines Doppelsternsystems berechnet werden . Für e-Aurigae ist

Page 92: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

84

7 . Die Suche nach schwarzen Löchern

M2 12-18 Mo .

3,33,4

3,3$

3,73,83,9

4,0Yrn 4,1

4,2

434,4400 600 800 1000 1200 1400

Zeit in Tagen1956

Bild 50. Helligkeiten von e-Aurigae während der Verfinsterungen der Jahre 1929 und 1956(Die Kurven sind das Ergebnis des Modells von Wilson, s.u .) .

= 3,12Mo . Wenn die Masse M, der sichtbaren Komponente des Systems ausspektroskopischen Daten ermittelt wird und andererseits Rückschlüsse auf sin imöglich sind, so kann die Masse M2 des unsichtbaren Objekts aus Gl. (7 .8) be-rechnet werden .

Für e-Aurigae schätzt man aus dem Spektraltyp auf eine Masse M, ~ 12-25MoSehr enge Grenzen für sin i folgen ferner aus der Tatsache, daß e-Aurigae eineBedeckungsveränderliche ist . Alle 27 Jahre wird der Stern von seinem Partnerteilweise verdeckt, wie die Lichtkurven in Bild 50 zeigen . Während dieser Verfinsterungen fällt die Helligkeit des Sterns etwa um einen Faktor 2 ab und bleibt etwa360 Tage lang gleichmäßig niedrig .

Die Existenz der Verfinsterungen zeigt, daß sin i 1 sein muß, da nur dann diebeiden Sterne des Systems einander verdecken können. Setzen wir dies in Gl . (7 .8)ein und berücksichtigen wir die Abschätzung von M,, so folgt für die Masse desunsichtbaren Objekts

(7 .9)

Da M2 wesentlich größer ist als die Chandrasekhar-Grenze, ist man versucht anzu-nehmen, daß das unsichtbare Objekt ein schwarzes Loch ist .

Allerdings sind schwarze Löcher sehr kleine Objekte . Ein schwarzes Loch mitM2 = 15M® hat einen Radius von nur 45 km, so daß es unmöglich einen wesent-lichen Teil von e-Aurigae verdecken kann .

Um diesen Widerspruch aufzulösen, müssen wir annehmen, daß das schwarzeLoch von einem Ring semitransparenten Materials umgeben ist (Bild 51)-

Page 93: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

7 .2. Epsilon Aurigae

85

`\E-Aurigae

Stern oderschwarzes Loch?

zurErde

Diese zunächst willkürliche Annahme (die auf Studien von Wilson und Cameronzurückgeht) löst das Problem der ungewöhnlichen Lichtkurven von e-Aurigae .Wenn wir nämlich annehmen, daß ein zweiter (dunkler) Stern die Verfinsterungenverursacht (und nicht ein von einem Ring umgebenes schwarzes Loch), so folgendaraus Lichtkurven, die ganz anders verlaufen als die beobachteten Kurvenin Bild 50, die sehr ungewöhnlich für Bedeckungsveränderliche sind (siehe Bild 52).Dagegen kann das Modell des schwarzen Lochs mit dem semitransparenten Ringdie Verfinsterung von e-Aurigae sehr gut erklären, wie die theoretischen Licht-kurven zeigen, die in Bild 50 eingetragen sind.

Ein schwarzes Loch, das von einem Ring umgeben ist, ist damit ein möglichesModell für e-Aurigae . Aber ist dieses Modell eindeutig? Gibt es keine andere Er-klärung der Verfinsterungen? Leider enthalten die obigen Argumente tatsächlicheine Lücke . Wenn sich nämlich die Helligkeiten zweier Partner eines (spektroskopi-schen) Doppelsternsystems um mehr als einen Faktor 10 unterscheiden, so ist stetsnur eine Komponente sichtbar, da die andere überstrahlt wird . Kann der unsicht-bare Partner von e-Aurigae ein Normalstern sein, der 10-mal lichtschwächer ist alsder Hauptstern? Dies könnte tatsächlich der Fall sein, falls beide Sterne an derObergrenze des Massenintervalls liegen, d . h . Ml = 25Mo , M2 = 18Mo . In diesemFall ist M2 soviel kleiner als M r , daß der Unterschied in der Leuchtkraft denFaktor 10 erreicht .

Wie können wir zwischen schwarzem Loch und Normalstern als Partner vone-Aurigae unterscheiden? Die Antwort könnte in Bild 50 verborgen sein . Währenddie Verfinsterung des Jahres 1929 eine Lichtkurve mit sehr flachem Minimum zeigt,steigt die Helligkeit 1956 nach einem anfänglichen Minimum wieder an (dies istdurch eine kleine Änderung der Transparenz der Scheibe erklärbar) und zeigt einenkurzen, scharfen Abfall in der Mitte der Kurve . Dieser Abfall wird durch das Modellin Bild 51 nicht vorhergesagt und könnte auf einen Stern zurückzuführen sein, deranstelle des schwarzen Lochs im Zentrum der Scheibe steht.

Erst die Verfinsterung des Jahres 1983 wird es vielleicht erlauben, hier weitereEntscheidungen zu treffen und zu sagen, ob tatsächlich ein schwarzes Loch denunsichtbaren Partner von e-Aurigae bildet.

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86

m0.0

02

0.4

06

081'

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

a) zwei gleichgrobe und gleichhelle Sterne . Neigung 90°m0 .0-0.1 -0.2-0 .3-0.4 _0 .5 _

m0 .00,2

0,40,60.81,0

m0 .0-0 ._

0 .4-0 .6 -

0 .8-1 .0-

1 .0

P

b) zwei gleichgrobe und gleichhelle Sterne . Neigung kleiner als 90

P 0.0

0.2

0.4

0,6

0.8

1 .0 P

c) zwei ungleichgrobe und verschieden helle Sterne . Neigung kleiner als 90 °

7. Die Suche nach schwarzen Löchern

1' 0 .0

0.2

0,4

0.6

0.8

1 .0 P

d) zwei ungleichgrolie und verschieden helle Sterne . Neigung 90 °

Bild 52 . Die typischen Lichtkurven von Bedeckungsveränderlichen unterscheiden sich grund-legend von den Kurven in Bild 50

07.3. Doppelsternsysteme als RöntgenquellenWenn der Abstand der Partner eines Doppelsternsystems mit dem Sternradius

vergleichbar ist, also ein enges Doppelsternsystem vorliegt, tritt ein neues Phänomeauf: Gas strömt von einem Partner zum anderen über . Dieser Massenaustausch wirdin zahlreichen Doppelsternsystemen beobachtet und kann bis zu 10 -6 Mo pro Jalnerreichen .

Page 95: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

~ .i . uuppeisIeinsysteme als nuingenquenen

Wenn nun ein Teil des Doppelsternsystems ein Neutronenstern oder ein schwarzesLoch ist, so werden beim Massenaustausch gewaltige Energien auf kleinstem Raumfrei . Das Gas wird auf einige Millionen Grad aufgeheizt und emittiert Röntgen-strahlung . Diese Situation ist in Bild 53 gezeigt .

Bild 53Gasströmungenin einemDoppelsternsystem

Das Gas strömt vom normalen Stern durch den „Lagrange-Punkt" L l zum anderenStern über. Dort schwenkt das Gas durch Corioliskräfte auf eine Kreisbahn ein, sodaß sich ein Ring rund um den zweiten Stern (bzw . das schwarze Loch) bildet .Das Geschwindigkeitsprofil in diesen Ringen (engt "accretion disk") ist sehr ähn-lich demjenigen, das wir bei der Rotation der Galaxis kennengelernt haben, so daßdie Geschwindigkeit durch

v 2 = GM2r

gegeben ist . Da v « r'12 , liegt keine starre Rotation des Rings vor (für diese wärev « r), sondern die inneren Teile rotieren weit schneller als die äußeren . Durch dieentstehende Reibung heizt sich das Gas auf und sendet Licht und Röntgenstrahlungaus .

Dieser Energieverlust führt dazu, daß das Gas allmählich nach innen spiralt. Derinnere Rand R, des Gasrings wird entweder durch die Oberfläche des zweitenSterns gebildet (falls nicht schon vorher Instabilitäten auftreten) oder, im Falleeines schwarzen Lochs, durch den Radius der kleinsten stabilen Kreisbahn .

Die Leuchtkraft des Rings hängt von der pro Sekunde einströmenden Masse abund auch davon, welcher Bruchteil e dieser Masse nach E = mc2 in Energie ver-

Page 96: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

$$

7. Die Suche nach schwarzen Löcherry

wandelt werden kann. Um e abzuschätzen, verwenden wir die Resultate des Ab-schnitts 6 .3 . Die Bindungsenergie E eines Teilchens m, das sich auf einer Kreisbahnmit Radius R l in einem Gravitationsfeld bewegt, ist

E~e •mc 2 ~(Rl ) mc 2 ,

wobei 6t der Schwarzschildradius der Masse M2 ist . Diese Energie kann in Formvon elektromagnetischer Strahlung freigesetzt werden, während das Teilchen all-mählich auf Spiralbahnen zu Radius R1 gelangt .

Wieder ist es das Verhältnis von Schwarzschildradius zu Radius, das e bestimmt.

Demnach kann ungefähr das 10-6 -fache des Massensterns in Strahlung umgesetztwerden, falls es sich um eine Gasscheibe und um einen normalen Stern handelt ; das;10-4 -fache, falls ein weißer Zwerg vorliegt ; das 10-1 -fache, falls ein Neutronensternder Partner im Doppelsternsystem ist ; und zwischen 5 % und 40 % für ein schwarzeLoch .

Wenn wir annehmen, daß etwa 10 9 Mo pro Jahr vom Normalstern überströmen(diese Annahme kann man noch weitergehend begründen), so folgt daraus Tabelle ifür die Leuchtkraft L der Gasscheibe (10_

9Mo pro Jahr entspricht eine Strahlung!

Leistung von 1031 W bei vollständiger Umwandlung in Energie, e = 1).

Tabelle 7

e10 610 -410 -1

0.05-0.40

Objekt

NormalsternWeißer ZwergNeutronensternSchwarzes Loch

Das Strahlungsspektrum kann grob abgeschätzt werden, indem wir annehmen,daß schwarze Strahlung (thermisches Spektrum) ausgesendet wird . Dann ist dieLeuchtkraft der Scheibe durch

L = oR 2 T4

L (Watt)

102510 2710301030

gegeben, wobei o = 5,67 . 10-$ W/m2 die Stefan-Konstante ist und R ein Charakterstischer Radius der Gasscheibe, für den wir den etwa 5-10-fachen Sternradius ein-setzen können . Wenn wir die obige Gleichung durch Lo aRöTo dividieren(diese Relation verbindet Leuchtkraft und Temperatur der Sonne), so erhalten wir

o - \ Ro/

2

\ 0/4 .

(7.11)

(7.10)

Page 97: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

7 .3 . Doppelsternsysteme als Röntgenquellen

89

Da L aus Tabelle 7 bekannt ist und auch die Radien der Größenordnung nach ab-geschätzt werden können, ermöglicht es Gl. (7.11), die Temperatur der Gasscheibeanzugeben . Da die mittlere Energie Ey der Photoneu in der thermischen Strahlungproportional zur Temperatur ist (Wiensches Verschiebungsgesetz) und für die SonneEyo 1 eV beträgt (Frequenzen vo 1015 Hz aus E)o = hvo ), folgt

t

tE7

v1 eV

vo

T N L a /Ro\ 2 .

(7.12)To Lo R

Setzen wir die Leuchtkraft L gemäß Tabelle 7 ein und verwenden die erwähnteAbschätzung für R, so folgt Tabelle B .

Tabelle 8

Charakteristisch für die Gasscheibe um Neutronensterne undschwarze Löcher ist die Emission von Röntgenstrahlen imkeV-Bereich.

Derartige Röntgenstrahlen können weder beim Einfang des Gases durch Normal-sterne noch durch weiße Zwerge entstehen, da diese Objekte sehr groß und ihreGravitationsfelder zu schwach sind . Daher gilt :

Doppelsternsysteme, die starke Röntgenstrahlung aussenden, müssenein schwarzes Loch oder einen Neutronenstern enthalten.

Damit sind wir bei der Suche nach schwarzen Löchern um einen wesentlichenSchritt weitergekommen. Wie können wir aber zwischen Neutronensternen undschwarzen Löchern unterscheiden? Dies ist in der folgenden Gegenüberstellunganalysiert .

Gaseinfang und Röntgenemission durchNeutronenstern

Schwanes LochMasse stets M< 3Mp

Massen >3M® möglich und erwartetStarkes Magnetfeld

kein MagnetfeldRegelmäßige Röntgenpulse durch

unregelmäßige Schwankungen derLeuchtturmeffekt wie bei Pulsaren .

Röntgenemission .

Objekt L (Watt) R (m) E

Normalstern 1025 109 1 eVWeißer Zwerg 1027 107 10 eVNeutronenstern 1030 105 1 keVSchwarzes Loch 10 30 105 1 keV

Page 98: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

90

7. Die Suche nach schwarzen Löchern

Die Masse der Röntgenquelle und die Regelmäßigkeit der emittierten Strahlunggeben uns damit 2 Kriterien, um zwischen den beiden Möglichkeiten zu unter-scheiden .

Die experimentellen Resultate der Röntgenastronomie haben gezeigt, daßbeide Arten von Quellen, irreguläre und gepulste, existieren. In den Abschnitten7 .4 und 7 .5 werden wir jeweils ein Beispiel einer derartigen Quelle diskutieren .

7.4. Hercules X1 - ein NeutronensternBis vor wenigen Jahren war die Erdatmosphäre für die Röntgenastronomie ein

unüberwindliches Hindernis . Bild 54 zeigt, daß gerade Strahlung im keV-Bereichbereits in großen Höhen über der Erde absorbiert wird . Dies ist zwar für die Existenzvon Röntgenastronomen sehr wesentlich (irdisches Leben könnte ohne die strahlen-absorbierende Wirkung der Atmosphäre nicht bestehen), aber für ihre Berufsaus-übung unerwünscht . Röntgenastronomie im keV-Bereich wurde somit erst möglich,,als Raketen und Satelliten zur Verfügung standen, wobei nur Satelliten länger-dauernde Messungen und genaue Richtungsbestimmung der Quelle der Strahlungzulassen.

Photonenenergie1eV)10-810-410-210°102 0 108

ii

10-8adm 10-8

90

'.10-2Lu

10m

1cm

10-3cm

100AWellenlänge

Bild 54 . Höhe in der Erdatmosphäre (bzw . Bruchteil der Erdatmosphäre), in der die einfallend)Strahlung gegebener Wellenlänge auf 1/10 der Intensität abgeklungen ist .

Von besonderer Bedeutung ist dabei der am 12 . Dezember 1970 gestartet ..Satellit Uhuru, der bereits über 100 Röntgenquellen am Himmel entdeckt hat, vondenen 2 hier im Detail beschrieben werden sollen .

0,1A 10A

1010150120

Page 99: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

7 .4 . Hercules X1 - ein Neutronenstern

9 1

18

1614

ö 12

°10

7 öE 6

.c 2

N 0

1

1

1

1

l L

r = 1,700167 Tagen

U

Bild 55 . Das Röntgensignal von Hercules Xl

Die spezielle Quelle, die hier diskutiert werden soll, ist Hercules X1 . Ihr Röntgen-signal ist in Bild 55 gezeigt . Das Röntgensignal zeigt klar die typischen Charakteri-stiken eines Pulsars . Die Impulse treffen regelmäßig mit einer Periode von

r 1 = 1,23782 s

(7.13)

ein, die wir als Rotationsperiode des Neutronensterns (analog zu den übrigenPulsaren) zu identifizieren haben .

Die Röntgensignale weisen noch eine zweite Periodizität auf. Nach jeweils

lt

1

M

1

5

10

15

20

s

(7.14)

setzen die Pulse für einige Stunden aus . Offenbar ist die Röntgenquelle Teil einesDoppelsternsystems, dessen normale Komponente die Röntgenquelle periodischverdeckt! Die große Präzision, mit der r 1 gemessen werden konnte, ermöglichtees, in der Folge auch Dopplerverschiebungen in der Periodizität dieser Signale fest-zustellen, die auf die Bahnbewegung der Röntgenquelle mit einer Geschwindigkeit

v2sin i = 169 km/s

(7.15)

zurückzuführen sind . Aus den Gln. (7 .14) und (7 .15) kann die Massenfunktion desSystems

Mi(M1

MM2)2sin 3i = 0,85 Mo

(7.16)

berechnet werden . Dabei ist M2 die Masse der Röntgenquelle . Der daraus be-stinunte (projizierte) Radius der Bahn ist

a sin i = 4 . 109 m

(7.17)

Page 100: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

92

7 . Die Suche nach schwarzen Löchert

mit Sternradien (vgl . Ro = 7 . 10$ m) vergleichbar. Es liegt daher ein enges Doppel-sternsystem vor, wie wir es im vorigen Abschnitt behandelt haben .

Nachdem diese Daten feststanden, begann eine fieberhafte Suche nach demStern, um den die Röntgenquelle kreist . Im September 1972 konnten John undNeta Bahcall schließlich zeigen, daß der Stern HZ Herculis Lichtschwankungenund Farbänderungen aufweist, deren Periode genau mit Gl. (7 .14) übereinstimmt .

Bild 56Modell des Systems

MZ 0,9Mo

Damit war der gesuchte Stern gefunden, und auch die Ursache der Helligkeits- undFarbänderungen war sehr bald klar : Die intensive Röntgenstrahlung des Pulsarsheizt eine Seite von HZ Herculis auf. Diese Seite leuchtet stark und eher bläulich,'während die andere Seite lichtschwächer und rot ist. Nachdem auch die Masse vonHZ Herculis zu etwa M, = 1,6 - 2,5 Mo auf spektroskopischem Wege bestimmtwar, führten detaillierte Studien (die den Neigungswinkel i der Bahn ermittelten)auf die Masse

für Hercules X1 (Schätzungen verschiedener Autoren reichen dabei von 0,5 bis1,3 Mo) . Dies ist die erste Massenbestimmung für einen Neutronenstern!

Aus dem Spektraltyp läßt sich auch die Entfernung von HZ Herculis von derErde bestimmen, sie ist etwa 20.000 Lichtjahre . Daraus kann wieder die Helligkeitder Röntgenquelle abgeschätzt werden ; sie beträgt

L ~ 103°W

im Einklang mit den früher angestellten Überlegungen .

7.5. Cygnus X1 - ein schwarzes Loch

Die Röntgenquelle Cygnus Xl liegt im Sternbild des Schwans. Das von ihm aus'gehende Signal unterscheidet sich grundlegend von den regelmäßigen Impulsen det

(7 .18

Page 101: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

7 .5 . Cygnus Xl - ein schwarzes Loch

93

Bild 57Das Röntgensignalvon Cygnus Xl

Hercules-Quelle (Bild 57) . Das Signal weist keine erkennbaren Periodizitäten aufund fluktuiert stark innerhalb von Tausendstelsekunden . Dies weist bereits aufeine sehr kompakte-Quelle hin .

Cygnus Xl zeigt keine Bedeckungsveränderlichkeit . Dies und das nichtperiodi-sche Röntgensignal lassen nicht einmal erkennen, ob es sich bei dieser Quelle umein Doppelsternsystem handelt oder nicht.

Erst nachdem die Position der Röntgenquelle in einer Reihe von Präzisions-experimenten genau bestimmt werden konnte, zeigte es sich, daß ein Stern 13 . Größe,HDE 22 6868 (dies ist eine Nummer eines Sternkataloges), an der angegebenenStelle zu finden war (Bild 58), der tatsächlich eine Dopplerverschiebung aufwies!Die Messungen ergaben für HDE 22 6868

u 1 = 75 km/s, r = 5,6 Tage,

so daß die Massenfunktion des Systems

3

(M~+ZM2)2sin 3 i = 0,242Mo

beträgt.

Die Untersuchung des Spektrums von HDE 22 6868 läßt auf einen Überriesender Masse M1 ~ 20-25M® schließen. Setzt man dies in Gl . (7 .20) ein, so folgtdaraus M2 als Funktion von sin i . Das Minimum von M2 ergibt sich dabei fürsin i = 1 zu 5,5Ma , so däß

M2 5,5Mo

(7.19)

(7 .20)

(7 .21)

Page 102: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

94

7. Die Suche nach schwarzen Löchern ;

M2 14M®

,o°

Bild 58 . Positionsbestimmung der Röntgenquelle Cygnus Xl . Negativplatte aufgenommen amMount Wilson. Nach den Satellitenmessungen der Forschungsgruppen von MIT (Mass. Inst. ofTechnology), ASE (American Science and Engineering) und LRL (Lawrence RadiationLaborstory) sollte die Röntgenquelle in dem jeweils markiertem Gebiet liegen. Tatsächlich istHDE 22 6868 - um den Cygnus Xl kreist - der helle Stern im Durchschnitt von MIT und AS~(siehe Ausschnittvergrößerung in der SW-Ecke) .

Diese Masse liegt deutlich über den oberen Massengrenzen für Neutronensterne!Da sin i = 1 unverträglich mit der Tatsache ist, daß Cygnus X1 keine Verfinsterun-gen aufweist, muß M2 stark über der unteren Grenze (Gl . (7 .21)) liegen . DetailliertStudien des Systems führen auf die Abschätzung

und ferner auf i - 27°, einen Abstand von 6000 Lichtjahren von der Erde und eiMIntensität der Röntgenstrahlung von etwa 103° W. Daraus folgt:

Es ist sehr wahrscheinlich, daß Cygnus X1 ein schwarzes Loch ist .

Alle Daten stimmen mit unseren Erwartungen überein : Unregelmäßiges Röntgen.signal, Masse über 3Mo und schließlich auch die Intensität der Röntgenstrahlung .

Page 103: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

8.1 . Die Aussendung von Gravitationswellen

9$

Noch sind jedoch Fragen offen : Wie kann ein Stern den Gravitationskollapserreichen und zum schwarzen Loch werden, ohne daß dadurch das Doppelstern-system zerstört wird? Mehr noch, die Dopplermessungen weisen auf eine fast kreis-förmige Bahn des Systems hin, wogegen man zumindest eine sehr stark exzentrischeBahnkurve erwarten würde, wenn ein Doppelsternsystem durch den Gravitations-kollaps eines seiner Partner erschüttert wird.

Die relativistische Astrophysik verspricht jedenfalls eines der interessantestenForschungsgebiete der nächsten Jahre zu werden!

B . Gravitationswellen

Gravitationswellen sind kleine Schwingungen der Raum-Zeit, die sich mit Licht-geschwindigkeit ausbreiten . Sie wurden von Albert Einstein aufgrund der allge-meinen Relativitätstheorie 1920 theoretisch vorhergesagt . Er hielt jedoch ihreMessung für praktisch unmöglich, da alle erdenklichen Laborexperimente zu unmeß-bar kleinen Effekten führten . In den Jahren 1920-1960 wurden daher zwar zahl-reiche theoretische Spekulationen über Gravitationswellen veröffentlicht, ihreMessung jedoch nicht ernstlich versucht .

1960 begann Prof. Joseph Weber (University of Maryland) seine anfänglich alsaussichtslos geltenden Experimente mit dem Ziel, Gravitationswellen zu messen,die eventuell von Quellen innerhalb unserer Milchstraße ausgehen könnten . Umdiese Experimente richtig einschätzen zu können, müssen wir zunächst auf ihretheoretische Grundlage eingehen .

8 .1 . Die Aussendung von GravitationswellenUm Gravitationswellen zu beobachten, müssen wir wie bei elektromagnetischen

Schwingungen die Bedingungen ihrer Entstehung und ihres Empfanges studieren .Dabei können wir uns weitgehend von der Analogie mit der Elektrodynamik

leiten lassen . Grundlegend ist dort die Tatsache :

Beschleunigte Ladungen strahlen elektromagnetische Wellen ab, wobeipro Zeiteinheit die Energie

2 ~ 2P 3c3

Paa=t

abgestrahlt wird (Strahlungsleistung) .

Page 104: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

96

B. Gravitationswellen

Dabei ist

pa = I d3 xp(x, t)xa (a = 1, 2, 3)

(8.2)

das Dipolmoment der Ladungsverteilung und p (x, t) die Ladungsdichte . Zeitab-leitungen sind in Gl . (8 .1) wie üblich durch Punkte bezeichnet.

Beispiele für die Anwendung obiger Formel sind Radiosender; die Bremsstrahlung(beim Abbremsen von Elektronen geeigneter Energie wird Röntgenstrahlung er-zeugt) ; Synchrotronstrahlung (von Teilchen emittiert, die sich auf Kreisbahnen imMagnetfeld bewegen) . Die Formel (8 .1) und ihre Verallgemeinerungen (quanten-mechanisch zur Berechnung der diskreten und kontinuierlichen Spektra der Atome, .klassisch für kompliziertere Ladungs- und Antennenanordnungen) bilden die Grund-lage der Theorie aller elektromagnetischen Strahlungsvorgänge .

Analog erhält man aus den Grundgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie:'das Resultat:

(8 .4)

das Quadnrpolmoment der Massenverteilung und p(x, t) die Massendichte ; b~ist das Kronecker-Symbol (S = 1 für a = ß, S = 0 für a # ß) .

Das Quadrupolmoment einer Massenverteilung gibt die Abweichung der Massevon der Kugelform ab. Für kugelförmige Massen verschwindet Q,, und derartigeMassenverteilungen strahlen keine Gravitationswellen ab .

Wir werden nun die Größenordnung der von periodisch bewegten Systemen(z . B . Erd-Sonnensystem) emittierter Gravitationswellen abschätzen, wobei numeri-sche Faktoren vernachlässigt werden sollen. Wegen der periodischen Zeitabhängig-keit « sin wt führt jede Zeitableitung zu einem Faktor w, so daß

P cs wb E Q

(8.5j

wird. Nach Gl . (8 .4) ist Q etwa für das Erd-Sonnensystem von der Größenordnul

Q . mr2 ,

(8.6)

Beschleunigte Massen strahlen Gravitationswellen ab, wobei pro Zeit-einheit die Energie

P = Scs ~ Qäßa,ß=r

abgestrahlt wird (P = Strahlungsleistung) .

Dabei ist

Q(t) = Ip (x, t) (xaxß - s Saßr2 ) d 3x

Page 105: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

8 .1 . Die Aussendung von Gravitationswellen

97

wobei m die Masse der Erde und r der Abstand Erde-Sonne ist . (Da die Sonne imUrsprung des Koordinatensystems ruht, trägt ihre Masse nicht zum Quadrupol-moment bei.)

Setzen wir Gl . (8 .6) in Gl. (8.5), so wird

P ~ G wb m2 ra .c

Diese Formel kann auch zur Abschätzung der von anderen periodisch bewegtenSystemen (rotierenden Stäben usw.) emittierten Gravitationswellen herangezogenwerden. Der kleine Faktor G/c s , der in Gl . (8 .7) enthalten ist, läßt bereits ahnen,daß in Laborexperimenten keine nennenswerte Emission von Gravitationswellenstattfmdet (siehe Übungsaufgaben) .

Um einen allgemeinen Überblick über die Strahlungsleistung verschiedenerastronomischer Objekte zu bekommen, wollen wir Gl . (8 .7) noch etwas umformen.

Setzen wir zunächst w = 2ir/T, wobei T die Umlaufszeit des Systems ist . Dannwird

_ Grcs12Trr

cGs(2rrr e m 2

P

)em2ra - T ) r2 .

Da 2trr der Umfang der Bahn (z . B . Erdbahn) ist, ist v = 2irr/T die Geschwindig-keit der Bahnbewegung. Für Kreisbahnen im Gravitationsfeld gilt aber die bereitsfrüher benützte Gleichgewichtsbedingung

u2 = G ,

(8.9)

wobei M die Masse des Zentralkörpers (z . B . Sonne) ist . Setzen wir dies in Gl . (8 .8)ein, so folgt für die Strahlungsleistung

Gbm2 G MG 3 m2

P ~ ~s u rz = ~s ~r ~ rz(8 .10)

_ c s M_G 3 % m_G 2P G \rc2 ) \ rc2 )

6i t = 2MG/c2 und 612 = 2mG/c 2 sind die Schwarzschildradien der beidenMassen, so daß wir als Endresultat

P ^ G (~ 1 3 ( 6 \ 2)

Page 106: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

98

B. Gravitationswellen'

erhalten. Da die beiden Klammerausdrücke in Gl . (8 .11) dimensionslos sind, muß

c5/G die Dimension einer Leistung haben :

sc z 1052 Watt.

(8 .12)G

Verglichen mit der Leuchtkraft der Sonne (10 26 Watt) ist dies eine ungeheure

Strahlungsleistung, die allerdings nur von Systemen mit 6i 1 ~ 6i 2 r abgestrahlt

werden könnte . Derartige Systeme sind etwa zwei Neutronensterne, die einanderumkreisen, oder ein Neutronenstern (Pulsar), der infolge einer Asymmetrie des

Kollapses nicht die ideale Kugelgestalt hat . Bei der Entstehung von Neutronen-sternen oder auch schwarzen Löchern können Gravitationswellen höchster Intensi-tät emittiert werden. Allerdings kann die enorme Energieemission (Gl. (8 .12)) nur

Bruchteile einer Sekunde aufrechterhalten werden .

Die zu erwartenden Wellenlängen der Gravitationsstrahlung kann man aus den

charakteristischen Größen des betrachteten Systems ablesen : Schwarzschildradien

bzw. Radien von Neutronensternen sind von der Größenordnung von einigen Kilo-

metern, die zu erwartenden Wellenlängen also etwa

X = 10 km v 100 km,

(8.13)

da die entscheidende Endphase des Kollaps mit u ~ c/10 vor sich geht . Die ent-

sprechenden Frequenzen errechnen sich aus Av = c zu

v 3000 Hz.

(8.14)

Die Suche nach Gravitationswellen wurde aufgrund dieser Überlegungen zunächt

im Kilohertz-Bereich aufgenommen .

Aufgaben

29. Erzeugung von GravitationswellenBerechnen Sie mit Hilfe von Gl. (8 .7) die Gravitationsstrahlung, die von typischen Versuchs

anordnungen (rotierenden Stäben usw.) im Labor ausgeht. Nach welcher Zeit verlieren dieseKörper einen merklichen Bruchteil ihrer Energie durch Strahlung?

30. Gravitationswellen im SonnensystemBerechnen Sie die Energie, die von der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne in Form von

Gravitationswellen abgestrahlt wird ; ebenso für den Mond auf der Bahn um die Erde. Nachwelcher Zeit haben diese Körper 1 % der kinetischen Energie ihrer Bahnbewegung abgestrahlt?

8.2 . Die Messung von Gravitationswellen

Da Gravitationswellen nennenswerter Intensität nur von Systemen ausgesandtwerden, die nahe an ihren Schwarzschildradien sind (also Neutronensternen und

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8 .2. Die Messung von Gravitationswellen

99

schwarzen Löchern), ist es nicht möglich, eine Sender-Empfänger-Anordnung imLabor aufzubauen . Der Versuch, Gravitationswellen zu entdecken, muß sich daraufbeschränken, die von astronomischen Objekten emittierte Strahlung im Labor zuregistrieren . Die Frequenz der zu erwartenden Signale ist dabei durch Gl . (8 .14) ge-geben, falls kollabierende Sterne von etwa Sonnenmasse die Wellen hervorrufen .Als Signaldauer erwartet man Bruchteile einer Sekunde .

Weber begann 1960 mit der Konstruktion eines Gravitationswellenempfängers,der auf eine Frequenz von 1660 Hz anspricht . Im Prinzip ist diese Aufgabe sehreinfach .

So wie jede schwingungsfähige Anordnung von elektrischen Ladungen zumEmpfang von elektromagnetischen Wellen benützt werden kann, so kann jedeschwingungsfähige Anordnung von Massen als Gravitationswellenempfänger dienen

In jedem Fall ist es wesentlich, Resonanzphänomene auszunützen, um zuempfindlichen Detektoren zu gelangen .

Weber verwendet in seiner Versuchsanordnung - die in den letzten Jahren vonrund einem Dutzend anderen Forschungsteams mit verschiedenen Änderungennachgebaut wurde - einen zylindrischen Detektor (Bild 59) von 153 cm Längeund 50 cm Durchmesser. Der Zylinder besteht aus Aluminium, sein Gewicht be-trägt etwa 1 Tonne. Wenn eine Gravitationswelle ungefähr senkrecht zur Zylinder-achse einfällt, so beginnt die Masse zu schwingen, wobei die Resonanzfrequenzdes Detektors bei 1660 Hz liegt. Die Bandbreite ist äußerst gering, nur 0,03 Hz, sodaß der Detektor nur ein sehr schmales Frequenzband aus der einfallenden Strah-lung ausblendet .

Bild 59Der Webersche Detektor

Der Empfänger spricht an, falls innerhalb dieser Bandbreite mindestens 10 W/m 2an Gravitationswellen einfallen . Die Amplitude der Schwingung des Zylinders be-trägt dann 10-16 m!

Es war die große experimentelle Leistung Webers, eine derart kleine Schwingungexperimentell nachzuweisen . Dazu verwendet Weber piezoelektrische Quarze, dieauf dem Umfang des Zylinders befestigt sind (Bild 59) . Die Schwingungen des

Page 108: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

100

B. Gravitationswellet

Zylinders geben zu elektrischen Spannungen in den Quarzen Anlaß, die gemessenwerden können . Die Schranke der Empfindlichkeit wird dabei durch das thermischiRauschen gebildet . Es sind daher Experimente in Berkeley geplant, bei denen derEmpfänger bei 0,003 K arbeiten soll .

8.3. Die Resultate und ihre Deutung

Die Resultate von Webers Experimenten sind derzeit Gegenstand intensiverDiskussionen, die noch keinesfalls abgeschlossen sind . Die folgenden Überlegungenkönnen daher nur als Anhaltspunkt dafür dienen, welche Problematik zur Debattesteht .

6 iII

Koinzidenzausschlag

(Argonne)

Koinzidenzausschlag

(Maryland)

Bild 60Registrierung derGravitationswellen-empfänger

Weber hat mehrere der oben beschriebenen Detektoren in Washington undChicago aufgestellt, also in einer Entfernung von 2000 km voneinander . Meistbeobachtet man auf den Registrierstreifen dieser Geräte nur thermisches Rauschetdoch manchmal sprechen die Geräte an beiden Orten gleichzeitig an (Koinzidenze!wie Bild 60 zeigt . Die Dauer der beobachteten Signale beträgt weniger als eineSekunde. Pro Tag wurden in unregelmäßigen Abständen oft mehrere Koinzidenzenbeobachtet.

Zwei Fragestellungen sind für die weitere Analyse ausschlaggebend :Sind die Koinzidenzen echte Effekte, die eindeutig über den thermischen Hintd

grund hinausgehen?

Page 109: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

8 .3 . Die Resultate und ihre Deutung

101

Sind die Koinzidenzen auf Gravitationswellen zurückzuführen, oder könntenandere Effekte, wie Fehler der Elektronik, kosmische Strahlen oder elektro-magnetische Wellen, dafür verantwortlich sein?

Die experimentelle Situation ist derzeit unklar, da in verschiedenen Kontroll-experimenten in anderen Labors die von Weber angegebenen Effekte nicht repro-duziert werden konnten . Andererseits konnte Weber bisher auch kein Fehler beiseinen Überlegungen nachgewiesen werden . Vielleicht wird aber 1975/76 Klarheitzu erzielen sein, wenn neue und bessere Gravitationswellenempfänger zur Ver-fügung stehen werden .

Ein wesentlicher Punkt in der Deutung der Weberscheu Daten soll hier noch er-wähnt werden : Das Problem der Quelle der Strahlung erweist sich als theoretischunlösbar. Weber hat Anhaltspunkte dafür vorgelegt, daß die von ihm beobachtetenSignale aus dem Zentrum der Galaxis kommen . Um die Detektoren anzuregen, istein Energiefluß von etwa 10 J/m2 innerhalb der Bandbreite (d. h. Resonanzbereich)der Empfänger erforderlich . Da man nicht annehmen kann, daß die Wellen nur aufdas schmale Band konzentriert sind, in dem Weber mißt (1660 ± 0 .03 Hz), mußder Energiefluß - integriert über alle Wellenlängen - etwa 106 J/m 2 betragen (da-bei gehen wir von der Annahme aus, daß die Gravitationswellen über einen Fre-quenzbereich von einigen Tausend Hertz verteilt sind) . Wenn die Strahlung vomZentrum der Milchstraße annähernd gleichmäßig in alle Raumrichtungen emittiertwird, so folgt für die gesamte Energie E, die vom Zentrum der Milchstraße proEreignis (Koinzidenz) ausgestrahlt werden muß (A = 2 . 1020 m ist der Abstandder Erde vom Zentrum der Milchstraße)

E = 4rrA2 . 10 6 J/m2

1047 J .

(8.15)

Diese Energie entspricht einer Masse E/c2 ~ IOM® ! Da Weber einige hundertKoinzidenzen jährlich beobachtet (und viele Ereignisse wegen ungünstiger Detektor-stellung, statistischer Effekte usw. unbeobachtet bleiben), so folgt ein jährlicherMassenverlust unserer Galaxis von ~ 105 Mo . Dies ist aber mit allen anderenastrophysikalischen Evidenzen unvereinbar . Die Milchstraße würde ihre Gesamt-masse innerhalb der (astrophysikalisch gesehen kurzen) Zeit von einer Million Jahrenvöllig in Gravitationsenergie umwandeln müssen .

Wenn auch die hier angegebenen Argumente nur sehr rohe Abschätzungen dar-stellen, so zeigen sie doch bereits klar die Gründe auf, warum derzeit die Resultateder Gravitationswellenastronomie mit Skepsis betrachtet werden .

Die neue Generation tiefgekühlter Detektoren (T = 0,003 K) sollte dagegenauch nach den Erwartungen der theoretischen Astrophysiker zur eindeutigen Ent-deckung von Gravitationswellen führen . Mit diesen Empfängern sollte es möglichsein, die Gravitationsstrahlung nachzuweisen, die bei Sternzusammenbrüchen imVirgo-Haufen von Galaxien (Abstand von unserer Milchstraße ~ 6 . 10' Lichtjahre)entstehen.

Page 110: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

102

9 . Kosmologie

Die Frage nach Struktur, Ursprung und Ziel des Universums hat die Menschheitseit jeher beschäftigt. Schon die babylonische und griechische Philosophie undAstronomie haben versucht, Antworten auf diese Grundfragen zu finden .

Auch in der europäischen Geistesgeschichte spielte das Problem der Strukturdes Weltalls eine bedeutende Rolle . Den wichtigsten Schritt in der historischenEntwicklung bildet dabei die „Kopernikanische Revolution", die das Ende derVorstellung von der Erde als Zentrum des Universums bedeutete . Später folgtedie Erkenntnis, daß auch die Sonne nur ein Stern unter vielen ist, und im 19 . Jahr-hundert ließen die Fortschritte der Astronomie die Frage nach der Struktur desUniversums konkrete Form annehmen .

Ist das Universum im wesentlichen mit unserer Milchstraße zu identifizieren,die einsam als „Weiteninsel" im unendlichen Kosmos schwebt? Ober sind dienebelartigen Gebilde am Himmel Milchstraßen wie unsere eigene, und der Bereichder Sterne erstreckt sich bis ins Unendliche? Erst um 1920 erlaubte es die Ent-wicklung großer Fernrohre, diese Frage empirisch zu entscheiden und zu zeigen,daß auch die Milchstraße nur eine von zahllosen Galaxien ist, deren jede etwa100 Milliarden Sterne enthält .

Dieses Resultat des historischen Erkenntnisprozesses bildet in der Form deskosmologischen Prinzips die Grundlage der relativistischen Kosmologie, die einerder faszinierendsten Beiträge der Physik zur Geistesgeschichte des 20 . JahrhunderUist. Hier haben sich durch die Erkenntnis, daß der Raum eine dynamische, ver-änderliche Größe ist, völlig neue Denkmöglichkeiten aufgetan .

9 .1 . Das kosmologische Prinzip

Versucht man, das Weltall als ganzes zu studieren, so ist es notwendig, vonDetails abzusehen, die das Bild verwirren würden . Um zu einer überschaubarenTheorie zu gelangen, muß man die Strukturen, die das Universum erfüllen, durchein möglichst einfaches Modell nähern . Am einfachsten ist es, die Materie durchein Gas räumlich konstanter Dichte zu beschreiben .

Zwar ist die Materie im Universum in Sternen, die wieder zu Galaxien zusammengefaßt sind, enthalten. Wenn man jedoch über Regionen mittelt, die groß gegenübedem Abstand von Galaxien sind, so erhält man ein Gas einheitlicher Dichte . Eszeigt sich, daß diese Dichte im ganzen unserer Beobachtung zugänglichen Weltalletwa konstant ist (homogenes Universum) und nicht von der Richtung abhängt, inder wir beobachten (isotropes Universum) . Dies legt die Vermutung nahe, daßjeder Punkt im Weltall jedem anderen Punkt gleichwertig ist . Diese Vermutungwird im kosmologischen Prinzip formuliert, das der relativistischen Kosmologiezugrundeliegt.

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9 .2. Das unendliche, homogene und statische Universum

Die Erde hat keinen privilegierten Platz im Weltall ; das Weltall bietetvon jeder Stelle aus den gleichen Anblick .

Diese einfache Annahme liegt allen kosmologischen Modellen zugrunde . Wirwollen davon ausgehend zunächst die Modelle der Kosmologie in NewtonscherNäherung aufstellen und dann später die von der allgemeinen Relativitätstheoriegeforderten Abänderungen dieser Modelle besprechen .

Aufgaben

31 . Kosmologisches Prinzip

Überlegen Sie, ob und in welcher Form das kosmologische Prinzip experimentell überprüft

werden könnte. Welche Schwierigkeiten werden sich dabei ergeben?

32. Extraterrestrisches Leben

Bereits bei der Diskussion der Pulsare wurde die Möglichkeit erwähnt, daß Signale andererZivilisationen die Erde erreichen . Legt das kosmologische Prinzip auch nahe, daß auf anderen

Sternen bzw . deren Planetensystemen Leben existiert, oder halten Sie dies für eine zu weit-reichende Extrapolation? Welche Fachwissenschaften müssen zur Beantwortung der Fragennach extraterrestrischem Leben zusammenarbeiten und welche Teilprobleme sind zu klären?Wissen Sie, wo Sie sich über diese Probleme informieren können und ob praktische Forschungs-

arbeit in dieser Richtung geleistet wird?

9.2 . Das unendliche, homogene und statische Universum

Das kosmologische Prinzip legt die Vorstellung eines unendlich ausgedehnten,homogen und statisch mit Sternen erfüllten Universums nahe . Diese Vorstellungführt zu Widersprüchen, die bereits um 1800 als Argument gegen ein unendlichesund ewiges Weltall formuliert wurden . Woher sollte die Energie stammen, um dieStrahlung der Sterne unendlich lange aufrecht zu erhalten? Auch ergibt sich ausder Unendlichkeit des Weltalls ein tagheller Nachthimmel (Olberssches Paradoxon,Bild 61) .

dr

dr

Sterne

Erde Lichtintensitätrt 1/r2

Bild 61 . Zum Olbersschen Paradoxon

••

• Zahl der•

Sterne zwischenrI undr.dr ist

' ü rzdr

103

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104

9. Kosmologij

Die Lichtintensität, die die Erde von einem Stern erreicht, nimmt proportionalzu 1/r 2 ab . Da die Zahl der Sterne in der Kugelschale zwischen r und r + dr jedochwie r2 dr ansteigt, tragen die Sterne dieser Kugelschale zur Helligkeit des Nacht-himmels proportional zu (1/r2)r2 dr = dr bei . Integration über alle r vom nächsteStern (ro) bis r r W liefert

00

ro

Die Gesamthelligkeit des Sternenhimmels wäre demnach sogar unendlich! DieserSchluß ist allerdings auch theoretisch unrichtig, da die nähergelegenen Sterne dasLicht der entfernteren abschirmen. Der korrekte Schluß ist, daß ein unendlichesund ewiges Universum im thermischen Gleichgewicht sein müßte und alle Körperdie gleiche Temperatur annehmen : Die Erde wäre durch die einfallende Strahlungauf tausende Grad erhitzt und würde in den Himmel, der den Unterschied zwischeTag und Nacht nicht kennt, ebensoviel abstrahlen, wie sie an Strahlung empfängt .(Diesem „Wärmetod" des statischen, unendlichen Universums steht der „Kältetodder „Welteninsel" gegenüber . Die einsame Galaxis im unendlichen Weltraum strahlständig Energie ab und kühlt dabei aus .)

Die Argumente gegen das statische, unendliche Universum können noch durchStabilitätsbetrachtungen ergänzt werden : Bei der kleinsten Störung explodiert einederartige Welt, oder sie fällt in sich zusammen .

Aufgabe 33. Zum Olbersschen Paradoxon

Wäre das Olberssche Paradoxon auch ein Argument gegen das unendliche, homogene Weltawenn man annimmt, daß alle Sterne erst vor einigen Milliarden Jahren zu leuchten begonnenhaben?

9.3. Kinematik des Universums : Hubble-Gesetz und Welthorizont

Unseren ersten Versuch, ein Modell des Universums zu konstruieren, müssen wals gescheitert betrachten. Das statische, homogene Universum ist kein möglichesWeltmodell . Welche unserer Annahmen haben wir abzuändern? Heute erscheintes klar, daß ein statisches, unveränderliches Universum unmöglich ist . Das SonnenSystem kann in seinem jetzigen Zustand nur einige Milliarden Jahre lang existierthaben, die Lebensdauer anderer Sterne ist von ähnlicher Größenordnung .

Unserer Anschauung nach ist jedoch der Fixsternhimmel ein Symbol der Unveänderlichkeit, der „Ewigkeit" . Es war daher .ein wissenschaftsgeschichtlich sehrschwieriger Schritt, (der von Darwin auf dem Gebiet der Biologie bereits frühervollzogen worden war), die „Evolution des Universums" zu erkennen .

Page 113: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

9 .3 . Kinematik des Universums : Hubble-Gesetz und Welthorizont

105

Entscheidend war die Entdeckung der Expansion des Universums durch E . Hubbleim Jahre 1929 . Die vonHubble gemessene Rotverschiebung der Spektrallinienzeigte, daß sich entfernte Galaxien mit einer Geschwindigkeit v von uns wegbe-wegen, die proportional zu ihrer Entfernung x von der Erde ist :

v(t) = H(t)x(t).

(9.1)

Dieser Effekt ist in Bild 62 illustriert . Die Abhängigkeit des Proportionalitäts-faktors H(t) von der Zeit t ermöglicht es, die Änderung der Expansion des Univer-sums im Laufe der Zeit zu berücksichtigen, wobei wir die entsprechenden Gesetzenoch abzuleiten haben .

Bild 62. Das Hubblesche Expansionsgesetz

Das Hubble-Gesetz (9.1) erweckt zunächst den Eindruck, die Erde stünde imMittelpunkt des Weltalls, da sich alle Galaxien von uns entfernen . Man kann aller-dings leicht zeigen, daß jeder beliebige Stern bei Vorliegen eines Expansionsgesetzes(9.1) den scheinbaren Mittelpunkt der Expansion (Explosion) bildet . Setzen wir

x(t) =y(t)+X(t),

(9.2)

wobei X(t) die Koordinate einer beliebig herausgegriffenen Galaxis ist, die sichmit der Geschwindigkeit

V(t) = H(t) X(t) (9 .3)

von uns wegbewegt . Dann gilt für die Geschwindigkeit

u '(t) = u(t) - V(t) (9 .4)

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106

9. Kosmologij

der Expansion in bezug auf diese beliebige Galaxis ebenfalls ein Gesetz der Form(9 .1) :

u '(t) = H(t) y (t),

wie man sofort durch Einsetzen sieht . Jede beliebige Galaxis kann sich also alsMittelpunkt der Expansion des Universums betrachten . Daher erfüllt ein Expansiongesetz der Form (9 .1) das kosmologische Prinzip . Von der in Gl. (9 .1) auftretendeFunktion H(t) ist allerdings nur ihr Wert zur jetzigen Zeit t° , die Hubble-KonstanH(t0) = H° , bekannt . Nach Gl . (9 .1) hat H° die Dimension einer inversen Zeit .Messungen der Rotverschiebung der Spektrallinien entfernter Galaxien ergeben fürsH° den Wert

K' = 2 . 10 10 Jahre = 6 . 10" s .

(9 .6y

Dieser Wert ist zugleich eine obere Grenze für das Alter des Universums, wie dasStudium der Dynamik der Expansion zeigen wird .

Der Bestimmung der Hubble-Konstante kommt daher fundamentale Bedeutungzu. Tatsächlich sind in den 45 Jahren seit Hubbles Entdeckung der Expansion desUniversums große Anstrengungen unternommen worden, um zu verläßlichen Aus-sagen über H° zu kommen. Dabei ist die Messung der Rotverschiebung und damit

Bild 63 . Die Rotverschiebungs-Entfernungsrelation nachSandage (1972) . Als Ordinateist der Logarithmus der Flucht-geschwindigkeit, als Abszissedie scheinbare Helligkeit(m = Magnitudo) der hellstenGalaxien von 84 Haufen bzw .deren Abstand von der Erdeangegeben .

65

179 460 1240 3260 8500Entfernung (Millionen Lichtjahre)

(9.5)

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9 .3 . Kinematik des Universums: Hubble-Gesetz und Welthorizont

107

der Geschwindigkeit (wahrscheinlich) nicht problematisch, sondern vor allem dieEntfernungsbestimmung, die in Gl . (9 .1) eingeht.

Bild 63 zeigt die von Sandage 1972 angegebenen Daten . Im Bild sind die Rot-verschiebungen derjenigen Galaxien aufgetragen, die die jeweils hellsten in 84Haufen von Galaxien sind. Falls die hellste Galaxis jedes Haufens etwa die gleicheabsolute Helligkeit hat, die aus der Beobachtung der uns benachbarten Galaxien-haufen bestimmt werden kann, so kann man aus der scheinbaren Helligkeit derGalaxis auf die Entfernung schließen und so die Hubble-Konstante bestimmen . DieErmittlung von Entfernungen im Kosmos gehört damit zu den wichtigsten, aberauch kompliziertesten Aufgaben der Kosmologie .

Hier wollen wir abschließend einen anderen Aspekt des Hubble-Gesetzes be-sprechen, der weitreichende Konsequenzen für die Grundlagen und Möglichkeitenkosmologischer Forschung hat . Da die Geschwindigkeit, mit der sich Galaxien vonuns wegbewegen, proportional zur Entfernung ist, muß es einen Abstand geben, andem die Geschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit erreicht und sogar überschreitet .Dies ist der Welthorizont (Bild 64) .

Der Welthorizont A ist nach Gl . (9 .1) durch c = HA (A = I x I) gegeben oder

A = H = 21026 m 2 . 10 10 Lichtjahre

unsichtbar! ,

f

Lcht// 1 / //i

iiB ild 64 . Zur Definition des Welthorizonts

l / I

Page 116: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

108

Galaxien, die am Welthorizont oder weiter entfernt liegen, sindunsichtbar.

Selbst wenn das Weltall unendlich groß ist, kann nur ein Ausschnittgesehen werden, der einige Milliarden Lichtjahre Durchmesser hat .

9. Kosmologie

Die Rotverschiebung steigt zum Welthorizont hin immer stärker an . Da jedesPhoton wegen E = hv = hc/X durch die Rotverschiebung Energie verliert, kommtdas Licht aus großer Entfernung immer mehr geschwächt an . Im Abstand A wirddie Rotverschiebung sogar unendlich, die Energie, die uns von dort erreicht, folg-lich Null .

Die Situation ist diesbezüglich sehr ähnlich derjenigen, die wir bei der Physikschwarzer Löcher kennengelernt haben . Auch dort ist ein Horizont aufgetreten,der Schwarzschildradius . Licht kann aus dem Inneren des schwarzen Lochs nichtentweichen, da es wegen des starken Gravitationsfeldes stets wieder zurückfällt .Hier kann uns Licht aus dem Äußeren des Welthorizonts nicht erreichen, da dieExpansion so schnell erfolgt, daß auch Licht dort „mitgerissen" wird . Darausfolgt:

Aufgabe 34 . Überlichtgeschwindigkeit und RelativitätstheorieWir haben festgestellt, daß Galaxien, die weiter als A von uns entfernt sind, sich mit Über-

lichtgeschwindigkeit wegbewegen. Wie ist diese Tatsache mit den Grundlagen der speziellenRelativitätstheorie in Einklang zu bringen?

9.4. Dynamik des Universums : Expansion und Urknall

Die Bewegung einer beliebig herausgegriffenen Galaxis wird durch ihren Ab-stand x(t) von uns beschrieben . Wir setzen

x(t) = R(t)x 0 ,

(9.8)

wobei R (t) die zeitliche Veränderung des Abstands der Galaxis von uns angibt,während x o die Ausgangslage der Galaxis zu irgendeiner beliebigen Zeit ist . DieBewegungsgleichung für R (t) wird nach Gl . (9 .1)

dR (t)~

H(t) R (t) .

(9.9)

Wir müssen diese rein kinematische Relation nun durch eine dynamische Bewegunggleichung ergänzen, die den Einfluß der Gravitationskräfte auf die Bewegung ent-fernter Galaxien angibt. Wie Bild 65 zeigt, führt die zwischen der Erde und derbetrachteten Galaxis befindliche Masse zur Beschleunigung der Galaxis in Richtungzur Erde und bremst damit die kosmische Expansion.

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9 .4 . irynamn aes Universums: i xpansion und Urxnaü

Die Masse außerhalbder Kugel trägt nicht zurKraft auf die Galaxis bei!

d 2R 4rrdt2

+3

Gp(t)R=0

eine Konstante ist.

Bild 65 . Zur Herleitung der Grundgleichung der Kosmologie

Die Bewegungsgleichung der herausgegriffenen Galaxis lautet daher

du

GM(r) xm-t =-m

r2 r,

wobei

M(r) = 3- p(t)r 3 ,

v (t)

Masse innerhalb derKugel : M(r)=3 . g(t)r 3

iv,

(9 .10)

Setzen wir Gl . (9 .1) bzw. Gl . (9 .8) in Gl. (9 .10) ein, so erhalten wir mit

u = HRxo =dR

xo

(9.1.1)

die Bewegungsgleichung für R(t)

(9 .12)

Gl . (9 .12) enthält zwei unbekannte Funktionen, nämlich R(t) und p (t), die zu be-stimmen sind . Die fehlende Gleichung wird durch die Erhaltung der Gesamtmassegegeben . Das Gesetz der Massenerhaltung lautet

p(t)R 3(t) = p(to)R .

ö (9.13)

Setzt man dies in Gl. (9 .12) ein, so ergibt sich

d 2R C2--++ R2 = 0, (9 .14)

wobei8nG 3

C=3p(to)Ro (9 .15)

Page 118: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

110

9 . Kosmologü

Aus der Bewegungsgleichung (9.14) kann wie üblich ein Energiesatz hergeleitetwerden, der die Konstanz der Energie bei der durch Gl . (9 .14) beschriebenen Be-wegung ausdrückt :

~ ~z -R-+k=0

Durch Differenzieren nach der Zeit kann man sich leicht überzeugen, daß aus Gl .(9 .16) wieder Gl . (9 .14) folgt . Die Friedmann-Gleichung (9 .16) ist die Grund-gleichung der Newtonschen Kosmologie und gilt auch in der allgemeinen Relativi-tätstheorie unverändert. In Gl. (9 .16) ist k eine Integrationskonstante, die die Be-deutung einer negativen Energiedichte hat . Diese Integrationskonstante wird inder relativistischen Kosmologie eine völlig veränderte Bedeutung annehmen undmit der Krümmung des Raumes in Verbindung zu bringen sein . Die Differential-gleichung (9.16) läßt sich durch Separation der Variablen leicht lösen. Schreibenwir sie zunächst in der Form

dR

C-kdt

R

so folgt daraus sofort

RfdR' =d t = t .

(9 .17)J ',/C/R' - k J0

Dieses Integral ist in jeder Integraltafel zu finden und hat für die verschiedenenWertebereiche von k folgende Formen

(9 .16)

Das Verhalten der Lösungen für die verschiedenen Werte von k ist in Bild 66 ge-zeigt . Während alle 3 Kurven für kleine Werte von R ein ähnliches Verhaltenzeigen, beginnen sie sich später zu unterscheiden : Für k > 0 (negative Energie)nimmt der Abstand benachbarter Galaxien, der durch R gegeben ist, zunächst zu,um aber dann nach Erreichung eines maximalen Wertes wieder auf 0 abzusinken .

kt =

I R(1-2C ) -2~arccos kR z k>0C I' C

3C z

t z3( C/

k=0 (9.18),C

Iklt 1(R\ 2

(21kIR+~kl

arc cos

1 k<0.C

C +C

C

2~/ I k l

Page 119: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

9 .4 . Dynamik des Universums: Expansion und Urknall

111

-t

Dies bedeutet, daß die ursprüngliche Explosion (Urknall) nicht genügend Energiehatte, um die Expansion des Universums für alle Zeiten aufrecht zu erhalten, unddas Universum nach Erreichung einer Höchstausdehnung in sich zusammenfällt .Wir werden sehen, daß dieses Verhalten in der relativistischen Kosmologie einemgeschlossenen Universum zukommt .

Für k = 0 (Gesamtenergie = 0) und k < 0 (positive Gesamtenergie) ergibt sichfür alle Zeiten eine unbeschränkte, ins Unendliche laufende Expansion des Uni-versums. Dieses Verhalten wird nach der relativistischen Kosmologie für nichträumlich geschlossene, unendlich große Universen charakteristisch sein.

Bild 66Expansion des Universumsfür verschiedene Werte von k

Urknall

Trigonometrie : tg et = R° = R°/rHubble-Gesetz :R°=H° R°pr= ö=210 10 Jahre Bild 67

Zur Deutung derHubble-Konstanten

Die wichtigste Folgerung aus der Dynamik des Universums ist zweifellos derUrknall Aus Bild 66 liest man ab, daß die Expansion des Universums zur Zeitt = 0 in einem unendlich dichten Zustand begonnen hat, für den R(0) = 0 war .Die Kenntnis der Hubble-Konstanten erlaubt es abzuschätzen, wieviel Zeit seit demUrknall, also seit der Entstehung des Universums, vergangen ist . Bild 67 zeigt, daßr = K' etwas größer ist als das jetzige Alter t° des Universums, so daß sich ein

Page 120: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

112

9. Kosmologie

Weltalter to von etwa 7-15 Milliarden Jahren ergibt . Die Gründe für die relativgroße Unsicherheit dieser Angaben sollen im Abschnitt 9.7 erörtert werden.Aufgaben35. Newtonsehe Kosmologie

Ist die Herleitung von Gl . (9 .12) in der Newtonschen Kosmologie wirklich einwandfrei?Welche Annahmen werden dabei stillschwelgend gemacht?36. Frühes Universum

Zeigen Sie, daß die drei Expansionsgesetze (9 .18) für kleine Zeiten (frühes Universum)übereinstimmend

2R=C %3rl 3\2C/

ergeben . Der Beginn der Expansion hängt daher nicht von der Raumkrümmung k ab . Warumist das der Fall? .

9.5. Geometrie des Universums : die Krümmung des WeltraumsUnsere bisherigen Überlegungen zur Kosmologie beruhten auf der Newtonschen

Physik . Der Zusammenhang (Gl . (9 .16)) zwischen Massendichte und Expansiondes Universums gilt aber auch unverändert in der relativistischen Kosmologie, inder die Dynamik des Universums aufgrund der Einsteinschen Feldgleichungen derGravitation berechnet wird . Allein die Konstante k erfährt eine neue Deutung, dasie die Krümmung des Weltraums bestimmt . Um dies zu erläutern, müssen wir unszunächst kurz mit Räumen konstanter Krümmung beschäftigen .

Ausgangspunkt unserer Überlegungen zur Kosmologie war das kosmologischePrinzip, das die Gleichberechtigung aller Punkte im Weltall postuliert . Das Weltallbietet demnach von jedem Punkt (sieht man von lokalen Unregelmäßigkeiten ab)den gleichen Anblick. Wenn wir daran gehen, die Geometrie des Weltalls im großenzu untersuchen, so muß dieses Prinzip auch hier Ausgangspunkt unserer Überle-gungen sein .

Um die folgenden Überlegungen anschaulich zu gestalten, gehen wir analog zuAbschnitt 3 .3 vor .

Lichtstrahl

Bild 68Ein Astronom sieht sichim Weltall in einer Ebene um.

Page 121: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

9 .5 . Geometrie des Universums: die Krümmung des Weltraums

113

In Bild 68 ist ein Astronom gezeigt, der sich im Weltall umsieht und dabei alleSterne und Galaxien betrachtet, deren Licht bei ihm in einer Ebene ankommt . Imgroßen gesehen, schneidet die im Bild gezeigte Fläche das Universum in zwei genaugleiche Teile - die Erde ist in den kosmologischen Betrachtungen ja als unwesent-liche Störung zu vernachlässigen .

Die physikalische Situation ist die gleiche wie bei der früher betrachteten Schnitt-

fläche durch die Sonne. Auch hier müssen wir fragen, welche Geometrie die Schnitt-fläche aufweist, wenn wir darangehen, sie (auf noch zu besprechende Weise) mitMaßstäben zu vermessen . Diese Geometrie werden wir, genau wie im Abschnitt 3 .3,

veranschaulichen, indem wir eine Modellfläche konstruieren, die die gleichengeometrischen Verhältnisse aufweist wie die in Bild 68 angedeutete „kosmische

Schnittfläche" . Das kosmologische Prinzip wird uns dabei helfen, die Fülle dertheoretischen Möglichkeiten auf einige einfache Alternativen zu reduzieren .

Wenn eine Reihe von Astronomen in verschiedenen Galaxien das Experimentdurchführen, so müssen nach dem kosmologischen Prinzip alle zum gleichen Bildder Geometrie des Weltalls gelangen, da keine Milchstraße von der anderen ausge-zeichnet ist .

Bild 69Die Ebene ist ein mögliches Modellfür die Schnittfläche durch das Welt-all, da alle Punkte auf ihr gleichbe-rechtigt sind .

Bild 70Die Geometrie der Schnittfläche kann nicht die eines Kegelssein, da hier die (abgerundete) Spitze einen ausgezeichnetenPunkt darstellt . Ein derartiges Modell widerspricht dem kosmo-logischen Prinzip .

Bild 71Die Kugelfläche ist mit dem kosmo-logischen Prinzip verträglich : AlleGalaxien sind gleichberechtigt .

Page 122: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

114

Diese Bedingung wird offenbar von der in Bild 69 gezeigten Ebene erfüllt, je-doch nicht von dem in Bild 70 dargestellten abgestumpften Kegel . Hier ist ein-deutig diejenige Galaxis ausgezeichnet, die sich an der abgerundeten Kegelspitzebefindet .

Welche geometrischen Konfigurationen außer der Ebene sind mit dem kosmolo~gischen Prinzip verträglich? Die Krümmung der gesuchten Fläche muß offensicht-lich in allen Punkten und in jeder Richtung die gleiche sein. Derartige Flächenkonstanter Krümmung sind in voller Allgemeinheit klassifizierbar . Außer derEbene in Bild 69 ist die Kugel die einfachste Fläche, die mit dem kosmologischenPrinzip vereinbar ist.

Nachdem wir erste Beispiele von Schnittflächen konstruiert haben, die mit dem'kosmologischen Prinzip in Einklang stehen, müssen wir feststellen, wie die bisherangegebenen Möglichkeiten - Kugel und Ebene - experimentell unterschiedenwerden können. Die Grundidee ist in Bild 72 gezeigt .

Bild 72 . Galaxienverteilung im Universum

Stellen wir uns die Galaxien der Einfachheit halber regelmäßig im Universumverteilt vor, wobei der Abstand zwischen zwei Galaxien jeweils a betragen soll .Falls die Schnittfläche durch das Universum die in Bild 69 gezeigte Geometrie derEbene aufweist, so werden sich im Abstand a von uns etwa 6 Galaxien befinden(wenn wir 2Tr 6 nähern). Falls die Schnittfläche die Geometrie der Kugel auf-weist, so werden weniger Galaxien im Abstand a zu finden sein, als es einer ebenedFläche entspricht. Wir können daher das Ausmessen der Fläche mit Maßstäben(was bei der kosmischen Schnittfläche offensichtlich unmöglich ist) durch eineZählung der Galaxien als Funktion der Entfernung ersetzen . Der etwa konstanteAbstand von Galaxien im Universum setzt von selbst die Maßstäbe für uns!

In Bild 72 ist ferner der dritte Grundtyp einer Fläche konstanter Krümmunggezeigt . Die Fläche negativer Krümmung wäre der Anschauung nicht ohne weiteres

k=0 k=-1

9 . Kosmologij

Page 123: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

9 .6 . Entscheidung zwischen Universen : Ist das Weltall endlich?

11$

zu entnehmen. Der mathematische Formalismus zeigt jedoch, daß auch eine der-artige Fläche konstanter Krümmung möglich ist, wobei hier die Zahl der Galaxienals Funktion der Entfernung stärker ansteigt als auf der Ebene .

Kehren wir nun von den zweidimensionalen Schnittflächen zum dreidimensio-nalen Raum zurück! Ein Raum, dessen Schnittflächen alle Ebenen sind, ist derEuklidische Raum . Falls die Schnittflächen dagegen die Geometrie von Kugelnaufweisen, so liegt ein geschlossener, sphärischer Kosmos vor . Die dritte Möglich-keit ist schließlich das unendliche hyperbolische Universum, dessen Schnittflächendie Geometrie von Sattelflächen aufweisen .

Die Entdeckung der Denkmöglichkeit einer nichteuklidischen Struktur desUniversums war eine der wichtigsten Leistungen der allgemeinen Relativitäts-theorie . Das sphärische Universum, das von Einstein 1917 in den berühmten„Kosmologischen Betrachtungen zur allgemeinen Relativitätstheorie" dargestelltwurde, hat die Möglichkeit eines geschlossenen, endlichen und doch unbegrenztenRaums aufgezeigt. Alle (optisch flachen) Schnittflächen sind in diesem UniversumKugeln. Geht man in Kurven geradeaus in eine Richtung, so kehrt man nach end-licher Zeit wieder zum Ausgangspunkt zurück! Das sphärische Universum hat end-liches Volumen und ist von endlich vielen Galaxien erfüllt .

Aufgabe 37 .

Modelle des Universums .

Die in Bild 72 gezeigten Flächen können entweder als Schnittflächen durch das Universumbetrachtet werden (wie wir es getan haben) oder als zweidimensionale Modelle des Universums,wie dies in vielen populären Büchern dargestellt wird. Was halten Sie für die didaktischen Vor-und Nachteile der beiden Darstellungsarten?

9.6 . Entscheidung zwischen Universen : Ist das Weltall endlich?Die Überlegungen des vorigen Abschnitts haben gezeigt, daß das kosmologische

Prinzip nur drei Alternativen für die Geometrie des Weltalls zuläßt : Euklidischer,sphärischer oder hyperbolischer Raum . Zugleich haben wir gesehen, wie eine Unter-scheidung zwischen den Weltmodellen durch Zählung der Galaxien als Funktionder Entfernung möglich ist : Steigt ihre Zahl im Raume wie r2 an, so ist das Uni-versum euklidisch, bei schwächerem Ansteigen hat man ein sphärisches, beistärkerem ein hyperbolisches Universum vor sich .

Leider lassen sich derartige direkte Entscheidungen experimentell derzeit nichttreffen. Der Grund dafür liegt in einem Effekt, den wir noch nicht berücksichtigthaben: Der Blick ins All ist zugleich ein Blick zurück in frühere Phasen des Uni-versums. Denn je weiter eine Galaxis von uns entfernt ist, umso länger ist das Lichtvon dort zur Erde bereits unterwegs. Infolge der Expansion des Universums warauch die Krümmung damals anders als heute (Bild 73) . Dieser Effekt läßt sich beider Nebelzählung unschwer berücksichtigen und ändert die Resultate qualitativnicht .

Page 124: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

116

Krümmung nimmt abKrümmung stets null

Zeit

dild 73 . Entwicklung der Krümmung des Universums infolge der Expansion (der Einfachheithalber ist nur das Euklidische und das sphärische Universum gezeigt) .

Ein anderer Effekt dagegen ist wesentlich und kann leider noch nicht quantitativerfaßt werden : Wie hat sich die Leuchtkraft der Galaxien im Laufe der kosmischenEvolution verändert? Falls wir in großer Entfernung mehr Galaxien sehen, als esdem Anstieg mit r2 entspricht, so könnte diese Tatsache auch dadurch zu erklärensein, daß Galaxien früher größere Leuchtkraft hatten . Dadurch würden auch kleinenGalaxien sichtbar, die die Statistik verfälschen könnten . Daher können aus Galaxieiyzählungen derzeit keine Rückschlüsse über Endlichkeit oder Unendlichkeit des Uni-versums gezogen werden.

Ein anderer Weg, die Entscheidung zwischen verschiedenen Weltmodellen herbeizuführen, ist das Studium der Korrekturen zur Rotverschiebungs-Entfernungs-relation. Diese Korrekturen haben folgende Ursache : Im geschlossenen Universumhat jede Galaxis weniger Nachbarn als im Euldidischen Raum, auf jede Nachbar-galaxis fällt folglich etwas mehr Licht . Die Galaxis wird daher heller gesehen, alses ihrer Entfernung entspricht . Da man aber die Entfernung der Galaxis aus ihrerHelligkeit abschätzt, so führt ein sphärisches Universum zu einer Unterschätzung,ein hyperbolisches zu einer Überschätzung von Entfernungen . Dadurch ergebensich Korrekturen zum Hubble-Diagramm, die in Bild 74 zusammen mit den Meß-daten angegeben sind .

Die Meßdaten deuten auf ein geschlossenes Universum hin . Aber auch hiermachen es Evolutionseffekte unmöglich, die Krümmung des Weltalls zu bestimmen

9 . Kosmologie

Page 125: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

9.6 . Entscheidung zwischen Universen : Ist das Weltall endlich?

5,4

5,0

4,6

E 4,2

3,8

3,4

3,0

geschlossenesUniversum

offenesUniversum

10

12

14

16

18

20

Helligkeit ( Q1 )

65

179 460 1240 3260 8500

Entfernung (Millionen Lichtjahre)

Grenzfall

117

Bild 74Die Korrekturen zur Rotverschie-bungs-Entfernungsrelation für ver-schiedene Universen

Offensichtlich kann eine Änderung der Helligkeit von Galaxien ebenfalls zu Ab-weichungen vom Hubble-Gesetz führen . Falls wir annehmen, daß Galaxien früherheller waren als heute, so würde man ihnen zu große Entfernung zuschreiben, einenEffekt, den wir zuvor auf die Krümmung des Raumes zurückführen wollten . Wiebeim Versuch, die Zahl der Galaxien als Funktion der Entfernung zu bestimmen,erwiesen sich auch hier Evolutionseffekte und Krümmungseffekte als vorläufigununterscheidbar. Erst wenn wir über bessere Kenntnisse der Entwicklung vonGalaxien verfügen, können wir erwarten, hier Fortschritte zu machen (siehe dazuauch Abschnitt 10) .

Der dritte Versuch, offenes und geschlossenes Universum zu unterscheiden,stellt die Verbindung mit den dynamischen Überlegungen des Abschnitts 9 .4 her.Die Friedmann-Gleichung (9 .16), die die Expansion des Universums beschreibt,enthält den Radius R(t) und den Parameter k. In der relativistischen Kosmologiegilt die Friedmann-Gleichung unverändert, R(t) und k nehmen aber neue, geome-trische Bedeutung an . Wegen der fixierten Raumstruktur der Newtonschen Theoriewar dort keine geometrische Interpretation der verschiedenen Terme möglich .Tabelle 9 gibt die geometrischen Entsprechungen wieder .

Page 126: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

118

Tabelle 9

R (t) I

9. Kosmologie

R (t)

.t

Die kleinen Diagramme in der Tabelle deuten das Verhalten des „Weltradius"R(t) an, das aus Gl . (9 .16) folgt .

Für k = 1 erhalten wir das Bild eines geschlossenen, endlichen Universums, dasvor etwa 10-15 Milliarden Jahren in einem Urknall (R = 0) entstanden ist. DasUniversum verlangsamt seine Expansion und fällt nach Erreichen einer maximalenGröße wieder in sich zusammen .

k = 0 entspricht einem unendlichen, stets weiter expandierenden UniversumEuklidischer Geometrie .

k = -1 ist ein unendliches hyperbolisches Universum, dessen anfänglicheExplosion im Urknall so vehement war, daß die wechselseitige Massenanziehungdie Expansion nicht zu stoppen vermag . Das Universum expandiert, wie im Fallk = 0, unbegrenzt weiter.

Eine einfache physikalische Idee erlaubt es, die einzelnen Fälle zu unterscheidenDie Verlangsamung der Expansion ist auf die Massenanziehung im Universum zu-rückzuführen . Nur eine genügend große mittlere Massendichte wird in der Lage seindie Expansion so sehr zu bremsen, daß sie sich umkehrt und das Universum kolla-biert . Ein geschlossenes Universum setzt eine Miedest-Massendichte im Weltallvoraus.

t

Euklidische (unendliche) k=0 R (t) ist ein mittlerer Abstand

Welt zwischen

R (t)Galaxien

Hyperbolisches (unendliches) k=-1 R (t) ist der Krümmungsradius des

Weltall Universums .

Geometrie des Universums k R (t)Sphärisches (geschlossenes) k=1 R (t) ist der Radius des Universums,

Weltall d. h . der kugelförmigen Schnitt-flächen .

Page 127: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

Setzen wir R = Ro , spezialisieren wir die Gleichung also auf den heutigen Zustanddes Universums, so folgt mit Ho = R0/R0

8~rG

k

(9.20)- 3P(to) _'R2 .0

Das Universum ist also geschlossen (endlich), falls

8nG<3P(to)>

(9.21)

da nur dann die linke Seite von Gl . (9.20) negativ wird, so daß k = 1 möglich wird.Die gesuchte minimale Dichte für ein geschlossenes Universum wird nach Gl . (9 .21)

Die Ungleichung (9.22) ist daher nicht erfüllt, so daß man auf ein offenes Universumschließen würde. Allerdings ist nicht gesichert, ob Gl. (9 .24) wirklich die Dichte imUniversum korrekt beschreibt, da viele Formen unsichtbarer Masse einen wesent-lichen Beitrag zur Massendichte geben könnten . Um ein geschlossenes Weltall zuzu-lassen, müßte die Massendichte allerdings etwa 20 bis 100 mal größer sein als diezunächst angegebene Schätzung (Gl . (9.24)) . Ob dies zutrifft oder nicht, ist nochnicht entschieden .

Die Frage nach der Struktur des Weltalls im großen ist damit ungelöst . Endlichesoder unendliches Weltall - eine Entscheidung ist derzeit nicht möglich .

3p(t o)>-I4 (9 .22)

8r

Setzen wir den Wert (9 .6) für Ho ein, so folgt

P(to) > 5 . 10 -27kg/m3 . (9 .23)

Der beobachtete Wert der Dichte des Universums ist dagegen

p (t0 ) ^ 3 . 10 -28 kg/m3 . (9 .24)

9 .6 . Entscheidung zwischen Universen : Ist das Weltall endlich? 119

Um diese Dichte herzuleiten, dividieren wir die Friedmann-Gleichung (9 .16)durch R2 :

R2 8irG P(to)Rö

kR2 -3 R3 =- R2 . (9.19)

Page 128: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

120

10 . Kosmogonie und das frühe Universum

Im Abschnitt 4 haben wir einen systematischen Überblick über die Strukturengegeben, die wir im Weltall vorfinden : Planeten, Sterne, Sternhaufen, Galaxienund Haufen von Galaxien . Dabei konnten wir einsehen, warum es für Sterne einecharakteristische Masse gibt, die etwa der Sonnenmasse entspricht . Auch die Radiqvon Planeten, Hauptreihensternen, weißen Zwergen und Neutronensternen konnteaus der einfachen Theorie gefolgert werden. Andere Fragen blieben aber unbeant-wortet: Wodurch ist die Masse der Galaxien bestimmt? Wie sind die Strukturenim Kosmos - als Beispiel kann das Sonnensystem dienen - entstanden? Kannman die chemische Zusammensetzung der Sterne verstehen? Viele ähnliche Pro-bleme drängen sich auf.

Es sind dies Fragen der Kosmogonie, der Lehre von der Entstehung der StrukNim Kosmos . Wir werden in diesem Abschnitt einige Grundprobleme der Kosmogoqdiskutieren, wobei besonders die Theorie des frühen Universums im Vordergrundstehen wird . Der Terminus „frühes Universum" bezieht sich dabei auf die erstenSekunden, Stunden, Jahre und Jahrmillionen (aber nicht Jahrmilliarden) nach derEntstehung unseres Universums im Urknall . Vielleicht am überraschendsten istdabei, daß über diesen Zeitraum überhaupt sinnvolle physikalische Aussagen mög-lich sind . Wie so vieles in der Geschichte der Wissenschaft ist auch diese Tatsachezum Teil einem glücklichen Zufall zu verdanken .

10 .1 . Die Entdeckung der kosmischen HintergrundstrahlungIm Jahre 1965 gelang den beiden amerikanischen Wissenschaftlern Penzias und

Wilson zufällig eine Entdeckung, die die weitere Geschichte der Kosmologie undKosmogonie veränderte : Bei dem Versuch, Satellitensignale zu beobachten, fandensie eine elektromagnetische Strahlung, die auf keine bekannten Quellen im Uni-versum zurückgeführt werden konnte und die isotrop aus allen Richtungen auf die'Erde einfiel. Die Untersuchung der Spektralverteilung ergab in den nächsten Jahredaß es sich um eine thermische Strahlung mit einer Temperatur von 2,7 K handelt'(Bilder 75 und 75a).

Die Existenz einer derartigen Strahlung, der kosmischen Hintergrundstrahlung,war bereits etwa 20 Jahre früher von Gamov und seinen Mitarbeitern vorgeschlagenworden. Sie postulierten, daß das Universum zum Zeitpunkt seiner Entstehung(Urknall) sehr heiß gewesen war und intensive Kernreaktionen in der Frühzeit desWeltalls stattgefunden hatten . Gamov vermutete, daß diese Kernreaktionen zurEntstehung eines Teils der chemischen Elemente geführt haben . Aufgrund dieserTheorie versuchte auch R. M. Dicke (Princeton University), Reste der kosmischenHintergrundstrahlung zu finden, wobei ihm jedoch die Zufallsentdeckung vonPenzias und Wilson zuvorkam.

Page 129: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

10 .1 . Die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung

121

I0

/

Spektrum eines schwarzenStrahlers bei _' .7 K

/~1

0.1

0.01

0.001

0.0001

Wellenlänge (in)

Bild 75aR . Wilson und A . Penziasvor der Hornantenne, mit dersie die kosmische Hinter-grundstrahlung im Jahre1965 entdeckten(Photo Bell Laboratories) .

Bild 75Spektrum der kosmischenHintergrundstrahlung

Page 130: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

122

10.2 . Strahlung im Universum

Das Verhalten von Strahlung im Universum unterscheidet sich in charakteri-stischer Weise von demjenigen der Materie . Während für Materie das Gesetz derMassenerhaltung (9 .13) gilt, müssen wir die für elektromagnetische Strahlunggültigen Gesetze gesondert herleiten .

10 . Kosmogonie und das frühe Universun

Bild 76Zur Herleitung des Verhaltensvon Strahlung im Universum

Dazu betrachten wir ein Photon, das zur Zeit t 1 von einer Galaxis emittiertwurde und zur Zeit to auf der Erde empfangen wird . In Bild 76 ist diese Situationveranschaulicht, wobei die Galaxis das Zentrum des Koordinatensystems bildetund die Erde sich mit der Geschwindigkeit u = H • ro (Hubble-Gesetz) wegbewegt .Das Photon, das bei der Aussendung die Wellenlänge X 1 hatte, wird auf der Erdemit der Wellenlänge

~o = (1+)x 1

(10 .1)1

empfangen . Während das Photon unterwegs ist, vergrößert sich der Radius desUniversums gemäß

Ro r o _ c

u ~o (10.2)

Durch die Expansion des Universums tritt eine Rotverschiebung auf, bei der dieWellenlänge proportional zum Radius des Universums ist. Wird- das Universumzwischen Aussendung und Empfang der Strahlung doppelt so groß, so verdoppeltsich auch die Wellenlänge jedes Lichtquantes . (Unsere Herleitung gilt allerdingsnur für v/c << 1, d . h. X 0 /A1

1 . Die strenge Theorie zeigt jedoch, daß das ange-gebene Endresultat für beliebige Geschwindigkeiten und damit Rotverschiebungen

Page 131: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

10 .2 . Strahlung im Universum

123

gültig ist.) Da aber ein Lichtquant doppelter Wellenlänge (also halber Frequenz)nur die halbe Energie des ursprünglichen Lichtquants hat, so verringert sich dieGesamtenergie der im Universum vorhandenen elektromagnetischen Strahlungs-energie umgekehrt proportional zum Radius des Universums :

1EStrahlung a R

Da die Energie mit der Dichte der Strahlung nach

4 rr 3EStrahlung = Ps 3 R

(10.4)

zusammenhängt, folgt daraus für elektromagnetische Strahlung

Ps (t) R 4 (t) = Ps (t0) R 4 (t0) .

(10.5)

Die Dichte elektromagnetischer Strahlung nimmt schneller ab als die Energiedichte(Massendichte) anderer Materie .

Das Stefan-Boltzmann-Gesetz erlaubt es, aus der Temperatur die Energiedichtew und damit die Massendichte p s der Strahlung zu bestimmen :

Derzeit ist p s gegen die Materiedichte im Universum vernachlässigbar. Wenn wiraber die Geschichte des Kosmos zurückverfolgen, so erreichen wir wegen des stärkerenAnsteigens der Strahlungsdichte bei kleiner werdendem Universum bald einen Zeit-punkt, zu dem die Strahlungsdichte die Materiedichte erreicht bzw . überschreitet .

Bild 77

Strahlungsdichteund Materiedichteim Universum

10

0

-l0

-20

-30

(10.3)

Ps = z - 3c - \c a l T4

(o = 2rr s k4/15 h3c 2 ist die Stefan-Konstante ; ihr numerischer Wert ista = 5,67 10 -$ W/m 2 • K4) . Für T = 2,7K erhalten wir

p5(to) = 4,5 . 10-31 kg/m3 .

(10 .6)

(10 .7)

Page 132: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

124

10. Kosmogonie und das frühe Universal

Das Universum ist dann strahlungsdominiert. Die Erhaltungssätze (9.13) und (103)zeigen, daß dieser Punkt erreicht war, als das Universum eine etwa 1000 malkleinere Ausdehnung als heute hatte (Bild 77) .

Aus dem dynamischen Verhalten des Universums (Friedmann-Gleichung) folgt,daß diese Phase in der Entwicklung des Kosmos, das frühe Universum, etwa1 Million Jahre dauerte (siehe Aufgabe 38) .

Aufgabe 38 . Dauer des frühen UniversumsInder Herleitung der Friedmann-Gleichung (9 .16) wurde vom Erhaltungssatz (9 .13) Ge-

brauch gemacht. Da Gl . (9.13) nur für Materie gilt, ist Gl . (9 .16) nicht auf das frühe Universumanwendbar. Um die Expansion in der ersten Phase des Kosmos zu berechnen, gehen Sie vonGl . (9.12) aus und setzen p(t) = p s(to) Rö/R4 ein . Zeigen Sie, daß die resultierende FriedmaqGleichung

2

21-1 --+k=0

(10.8)\dt/

R2

lautet, wobei A2 = 2irGpS(to)Rö/3 . Integrieren Sie diese Gleichung, wobei Sie k gegen A2/R~ivernachlässigen können (da R klein ist) . Zeigen Sie, daß

wobeii

8,r

2tS -[ 3 GpS(to)

(10.10)

Berechnen Sie t S und daraus die Dauer des frühen Universums, indem Sie aus Bild 77R/Ro = 10 als Ende der strahlungsdominierten Zeit entnehmen .

10.3 . Das frühe Universum

Wie haben wir uns die erste Million Jahre der Evolution unseres Weltalls vorzu-stellen? Was bedeutet es, daß das Universum damals strahlungsdominiert war?

Bei der Beantwortung dieser Fragen müssen wir berücksichtigen, daß dieStrahlung im frühen Universum nicht nur wesentlich dichter, sondern auch wesent-lich heißer war als heute. Da für die Strahlungsdichte die beiden Relationen

p o` T4, p « R-4

(10.11)

gelten, ist die Temperatur umgekehrt proportional zum Radius R des Universums :

T=2,7K • ( R°) .

( 10.12)

Wenn wir die Geschichte des Universums von Anbeginn an verfolgen, so lassensich gewisse Epochen unterscheiden, die durch ihre Temperatur charakterisiertwerden können. Diese Epochen sind in Tabelle 10 angegeben .

r

2Ro \tSl(10.9)

Page 133: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

10 .3- Das frühe Universum

Tabelle 10

Zeitalter der Hadronen

In den ersten 10 -4 s der Existenz des Universums war demnach die Temperaturso hoch, daß die im Universum enthaltenen Elementarteilchen (Proton, Neutron,usw.) relativistische Geschwindigkeiten erlangten und in ständigen Stößen immerneue Teilchen erzeugten, die sich allerdings sehr bald wieder vernichteten . In dieserchaotischen Epoche war ein ständiges Gleichgewicht der Erzeugung und Vernichtungvon Materie und Antimaterie gegeben . Nach etwa 10 -4 s sank die Temperatur desUniversums so weit ab, daß die Protonen und Neutronen nichtrelativistische Ge-schwindigkeiten erlangten . Erzeugung von Antiteilchen ist unter diesen Verhält-nissen nicht mehr möglich. Es finden aber sehr intensive Kernreaktionen statt, dadie Temperaturen noch immer größer als einige Milliarden Kelvin sind . Dieses Zeit-alter der Kernreaktionen dauert bis zu etwa 1000 Sekunden nach dem Urknall,wonach die Temperatur auf etwa 100 Millionen Kelvin abgesunken ist .

Während man im Zeitalter der Hadronen (also bis zu 1(_4 s nach dem Urknall)

noch nicht von chemischen Elementen sprechen kann, bilden sich im Zeitalter derKernreaktionen allmählich individuelle Atomkerne, wobei man die Entstehung der

~-2

rn

3 .10 9

109

3 .108

Temperatur 1K)

Neutronen

11

10 i

102

10 3

Deuterium

10 4 Zeitls)

125

Bild 78Elemententstehungbeim Urknall

Zeit Radius

Dichte Temperatur

10 17 Jahre 1026m

10-27kg/m3 3 KZeitalter der Sterne

106 Jahre 1023m

10'1 8 kg/m3 10 4 KZeitalter der Strahlung

1000 s 10 17m

1 kg/m 3 108KZeitalter der Kernreaktionen

10-4 s 10'4m

1018 kg/m3 10'2K

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126

10. Kosmogonie und das frühe Universui

chemischen Elemente genau verfolgen kann. Bild 78 zeigt die Erzeugung vonHelium und Deuterium beim Urknall . Allerdings findet man, daß nur die leichtenElemente (Helium und Deuterium) in diesen ersten Sekunden der Lebensdauerdes Universums entstehen . Die schwereren Elemente müssen dagegen in Kern-reaktionen, die später in Sternen oder Supernovaexplosionen stattfanden, ent-standen sein.

Die dritte Epoche, die in Tabelle 10 angegeben ist, ist das Zeitalter der StrahlungIn dieser Zeit, den ersten Millionen Jahren nach der Entstehung unseres Universumdominiert die Strahlung über die Materiedichte. Da die Temperatur noch immerziemlich hoch war (größer als 10000 K), hat man sich die Materie in dieser Zeitals hochionisiertes Plasma vorzustellen .

Im folgenden Zeitalter der Sterne kam es allmählich zur Kondensation indivi-dueller Sterne und zu ihrer Gruppierung zu Galaxien . Dieser Prozeß, die Ent-stehung diskreter Strukturen, soll in den Abschnitten 10.4 und 10 .5 besprochenwerden .

10.4. Die Entstehung der Strukturen

In Abschnitt 4 .8 haben wir versucht, einen systematischen t)berblick über dieStrukturen zu geben, die wir im Universum vorfinden. Dabei war es in einigenFällen möglich, gewisse Eigenschaften dieser Objekte aus ihrem atomaren Aufbauzu deduzieren: So konnten wir die in Bild 38 dargestellte Massen-Radien-Beziehungfür Monde, Planeten, weiße Zwerge und Neutronensterne herleiten .

Dagegen können wir die Frage nach der Häufigkeitsverteilung dieser Strukurennicht aus ihrem Aufbau heraus beantworten : Warum sind weiße Zwerge in unsererGalaxis zahlreich vertreten? Wieviele Neutronensterne gibt es?

Vor allem sind aber selbst die grundlegenden Eigenschaften von Sternhaufenund Galaxien aus deren Aufbau heraus unverständlich : Was bestimmt die Größeder Galaxien? Warum enthalten kugelförmige Sternhaufen etwa 10 6 Sterne?

Derartige Fragen können nicht von der Struktur, sondern nur von der Geschichtider Objekte her verstanden werden. Diese Geschichte ist die Kosmogonie, derenerster Teil, das frühe Universum, in den vorhergehenden Abschnitten skizziertwurde.

Welche Aussagen macht die Kosmogonie über die Entstehung der Strukturen?Um dies zu untersuchen, sollen hier typische Beispiele herausgegriffen werden .

Betrachten wir zunächst die in Bild 79 dargestellte Häufigkeitsverteilung derElemente im Kosmos. Wie kam es zu dieser Verteilung? Eine Teilantwort habenwir bereits in Abschnitt 10 .3 erhalten: Leichte Elemente, vor allem He, sind ver-mutlich bereits in der ersten Stunde der Geschichte des Universums entstanden .

Page 135: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

10.4. Die Entstehung der Strukturen

127

12

10

50 100 150

200Massenzaht4

Bild 79 Häufigkeitsverteilung der Elemente

Die Rechnung zeigt aber, daß schwerere Elemente auf diese Art nicht gebildetwerden können.

Der Grund dafür ist das Fehlen stabiler Elemente mit den Massenzahlen 5 und B .Weder durch Reaktionen von H mit He noch von He mit He können schwerereElemente aufgebaut werden . Hier schien dem Verständnis der Entstehung derchemischen Elemente eine zunächst unüberwindliche Schranke gesetzt . EdwinSalpeter konnte jedoch 1952 zeigen, daß der Beryllium Kern Be b , der in denReaktionen He 4 + He° Be $ entsteht, zwar nur etwa 10 -16 s existiert, diese Zeitjedoch ausreicht, um stets eine kleine Anzahl von Be-Kernen in einem Stern zuerzeugen . In der Reaktion 3He 4 Be b + He4 C 12 entsteht dann ein Kohlenstoff.kern, und damit ist die Grundlage für die Fusion schwererer Elemente geschaffen .Reaktionen wie C 12 + He4 - 016, 016 + He4 - Ne20 bauen im Sterninneren beiTemperaturen von einigen 100 Millionen Kelvin die Atomkerne bis zu einer Massen-zahl im Bereich von etwa 40 auf. Der Abfall der Häufigkeitskurve (Bild 79) indiesem Bereich erklärt sich dadurch, daß es mit zunehmender Ladung immerschwieriger wird, die Coulombbarriere des Atomkerns bei der Fusion zu durch-dringen.

Page 136: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

12$

10. Kosmogonie und das frühe UniversumIi

Sehr auffällig in Bild 79 ist das starke Maximum der Häufigkeitskurve bei Eisen .Auch dies ist zunächst qualitativ verständlich : Da Eisen die höchste Bindungs-energie pro Nukleon hat (das heißt der Kern ist relativ am stärksten gebunden),kann weder durch Fusion noch durch Spaltung von Eisenkernen Energie gewonnenwerden. Ein einmal gebildeter Eisenkern kann nur unter Energiezufuhr in anderechemische Elemente umgewandelt werden .

Schließlich sei noch angedeutet, wie man auch die starken Schwankungen derVerteilungskurve für schwere Elemente verstehen kann .

Schwere Elemente können nicht bei den üblichen Kernreaktionen in Sternenentstehen. Die Temperaturen, die hierfür erforderlich sind, lassen jeden Sterndurch den Strahlungsdruck unstabil werden - vermutlich in der Form einer Super-

novaexplosion . In derartigen Katastrophen ist wahrscheinlich der Ursprung derschweren Elemente zu suchen. Dabei führt Neutroneneinfang zum Aufbau immer

massenreicherer Atomkerne . Die Änderung der Konzentration NA der Atomkerne

mit Atomgewicht A ist proportional zu

dNA «-aA NA +OA _ INA_ 1i

OANA = QA _ 1NA _ 1 .

(10 .13)

wobei UA der Wirkungsquerschnitt des Atomkerns A für Neutroneneinfang ,ist . Da

der Einfang von Neutronen durch A zum Aufbau von Kernen mit Massenzahl A + l lführt, tritt der Term aANA in Gl . (10.13) mit negativem Vorzeichen auf (ver-mindert die Konzentration von A), während der Einfang von Neutronen durch

die in Konzentration NA _ 1 vorhandenen Atomkerne der Massenzahl A- 1 zum

Aufbau von A führt . Im Gleichgewicht ist dNA = 0,

(10.14)',,

Das Produkt des Neutroneneinfangquerschnitts 0A mit der relativen Häufigkeit

NA sollte folglich eine von A unabhängige Konstante sein, was tatsächlich an-

nähernd der Fall ist . Dies läßt vermuten, daß der Prozeß des Neutroneneinfangsfür die Entstehung und Häufigkeitsverteilung der schweren Elemente verantwort-lich ist.

Nach dieser Skizze der Elemententstehung wenden wir uns der Sternentstehung

zu: Die Grundlagen der Theorie sind in Abschnitt 4 .1 und von den Übungsauf-

gaben 13 und 14 gelegt worden. Fassen wir kurz zusammen: Das Jeans-Kriterium

(Gl. (4.17)) besagt, daß Massen

3%kTlz 1

M Z \Gµ/(10.15)

unter der Wirkung der eigenen Schwerkraft unstabil werden . Die Dichte und Tem-peratur des interstellaren Gases führen zur Kontraktion von Gaswolken von einigen

Page 137: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

10.4. Die Entstehung der Strukturen

129

tausend Sonnenmassen. Wenn die Dichte der kontrahierenden Wolke steigt (ohnedaß sie sich zunächst stark erhitzt), wird nach Gl . (10 .15) die instabile Masse kleiner,und Teilwolken von einigen Sonnenmassen beginnen sich zu ersten Sternen zuformen. Diese Sterne heizen das umgebende Restgas auf etwa 10 4K auf, so daßWolken ionisierten Wasserstoffgases (11-11-Wolken) entstehen. In den H-II-Regionenherrscht wegen der erhöhten Temperatur auch hoher Druck, der diese Regionenexpandieren läßt und das nichtionisierte Wasserstoffgas zu „Globulen" zusammen-preßt, aus denen dann neue Sterne hervorgehen. Die quantitative Durchrechnungdieser allgemeinen Ideen ist bereits recht weit vorgeschritten, so daß die Theorieder Sternentstehung heute in ihren Grundzügen als geklärt gelten kann .

Auch für die Theorie der Kugelhaufen (kugelförmige Sternhaufen) liegen An-

sätze vor. Diese Gebilde, die je rund eine Million Sterne enthalten und etwa 10Milliarden Jahre alt sind, umgeben die Milchstraße. Sie sind jedoch nicht wie dieanderen Sterne im wesentlichen auf die Milchstraßenebene beschränkt . Wie sind

Kugelhaufen entstanden, und warum enthalten sie etwa 106 Sterne? Das großeAlter der Sterne in den Kugelhaufen zeigt, daß diese Gebilde sehr früh in der Ge-schichte des Universums entstanden sind .

Bei Beginn des Zeitalters der Sterne, 1 Million Jahre nach dem Urknall, warnach Tabelle 10 die Dichte auf 10 -18 kg/m 3 abgesunken, und die Temperaturbetrug etwa 104 K. Setzen wir diese Werte in Gl. (10 .15) ein, so folgt, daß zudieser Zeit Massen der Größenordnung M Z 10 6 Mo unstabil waren. Damit istzumindest ein erster Anhaltspunkt zur Erklärung von Masse und Alter von Kugel-haufen gegeben .

Die Entstehung von Galaxien und Haufen von Galaxien ist dagegen ein Problem,das in den letzten Jahren zu einer großen Zahl von Hypothesen Anlaß gegeben hat.Hier ist es noch nicht gelungen, eine Theorie zu finden, die die beobachteten Daten(Masse, Drehimpuls) in befriedigender Weise aus der kosmologischen Entwicklungheraus erklärt.

Nur ein allgemeines, qualitatives Bild ist möglich : Vor etwa 10 MilliardenJahren ist unsere Galaxis aus einer annähernd kugelförmigen, turbulenten Gas-wolke entstanden. Ein Bruchteil der Masse kondensierte zu dieser Zeit in kleinenWolken, den Kugelhaufen.

Allmählich zog sich die Gaswolke zusammen . Der anfänglich vorhandene Dreh-impuls bewirkt eine Abplattung der Gaskugel zur Scheibe . Auch die Geschwindig-keitsverteilungen der Sterne in der Galaxis, die Existenz des galaktischen Kerns unddie Spiralstruktur lassen sich qualitativ unschwer verstehen . Unklar bleibt die An-nahme, mit der wir begonnen haben: Warum ziehen sich gerade Gasmassen von10 11 Mo zusammen? Was bestimmt ihren Drehimpuls?

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130 10. Kosmogonie und das frühe Universum :

10.5 . Zufall oder Notwendigkeit : Sonnensystem und Leben

Die Ergebnisse der vorangehenden Abschnitte sind eigentlich sehr überraschend :Aus einem homogenen, heißen Wasserstoffgas entstehen in der Geschichte des

iUniversums von selbst differenzierte Strukturen, wie komplexe Atomkerne, Sterne ; ;und Galaxien. Dies steht in Widerspruch mit unserer sonstigen Erfahrung . Üblicher-;1weise führen thermodynamische Prozesse nicht zum Aufbau, sondern zum Abbauvon Strukturen : Gase verteilen sich gleichmäßig auf Behälter, Wärmeunterschiedewerden ausgeglichen ; Schwingungen sind gedämpft und Bewegungen kommen durcReibung zum Stillstand . Widerspricht die Entwicklung des Weltalls, widersprichtdie Entstehung der Strukturen der Thermodynamik? Dies kann offenbar nichtder Fall sein, da thermodynamische Argumente die Grundlage unserer Überlegungengebildet haben . Tatsächlich hat man in den vergangenen Jahren - vor allem durchdie Arbeiten der belgischen Schule um Prigogine - gelernt, die Bedingungen zu

'analysieren, unter denen dissipative (Entropie erzeugende) Prozesse Strukturenhervorrufen, anstatt sie zu zerstören . Manfred Eigen (Nobelpreis für Chemie) hatversucht diese Theorie auf die Entstehung des Lebens anzuwenden und zu zeigen,daß Lebensvorgänge auf die „Selbstorganisation" der Materie zurückzuführen sindund damit einen Höhepunkt in der Kette spontaner Strukturentstehungen dar-stellen, die im vorhergehenden Abschnitt beschrieben wurden . Jaques Monodversucht hingegen in seiner berühmten Studie über Zufall und Notwendigkeit zuargumentieren, daß Leben etwas überaus unwahrscheinliches sei . Nur einem unge-heuren Zufall sei es zu verdanken, daß es im gesamten Universum überhaupt einenPlaneten gebe, auf dem Lebewesen zu finden seien . Viel wahrscheinlicher wäreein Universum, das sinnlos und für niemanden expandiert und eventuell kontrahiertin dem Sterne entstehen und vergehen, eine riesige „Weltmaschine", die, einmalin Gang gesetzt, nach ihren eigenen Gesetzen und doch ziellos abläuft .

Gibt es Leben nur auf der Erde? An einer einzigen Stelle im Universum, dasMilliarden Lichtjahre groß ist und etwa 1022 Sterne enthält? Könnte es nicht zahl-lose andere Zivilisationen im All geben, die darauf warten, mit uns in Kontakt zutreten, oder dies vielleicht bereits aktiv versuchen? Welche Teilprobleme sind zuklären, welche Experimente anzustellen, bevor wir daran gehen können, derartigeProblemstellungen mit wissenschaftlichen Mitteln zu untersuchen?

Hier wollen wir einen Aspekt herausgreifen, der eng an unsere früheren Über-legungen anschließt : Leben kann nur auf Planeten entstehen, die geeignetethermische, atmosphärische und andere Bedingungen erfüllen. Wieviele Sterneaber haben Planeten? Ist die Entstehung eines Planetensystems ein Zufall, oderentsteht es fast notwendig bei der Kontraktion einer Gaswolke zu einem Stern?

Die Theorie der Genesis unseres Sonnensystems hat zwischen beiden Auffassun-gen geschwankt. Nach ersten Ansätzen von Descartes haben Kant und, in etwas

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10 .5. Zufall oder Notwendigkeit : Sonnensystem und Leben

131

modifizierter Form, Laplace versucht, die Entwicklung des Sonnensystems ineiner Form zu verstehen, die an das früher beschriebene Bild der Galaxienent-stehung gemahnt: Eine Gaswolke kontrahiert, beschleunigt dabei ihre Rotationund löst sich allmählich in Teilwolken auf, die schließlich zu Planeten führen .Henri Poincare hat versucht, diese Theorie mathematisch exakter durchzuformen,was zum Teil gelang . Ein Problem blieb aber ungelöst : Warum rotiert die Sonneso langsam? Bei der Kontraktion des „Urnebels" sollte der innerste Teil weitschneller rotieren, als wir dies heute an der Sonne beobachten .

Der schwedische Physiker und Chemiker Arrhenius hat daher um 1900 eineandere Theorie vorgeschlagen : Beim Zusammenstoß der Sonne mit einem anderenStern sollten Gezeitenkräfte Teile der Sonnenmaterie in den Raum geschleuderthaben . Diese Materie hat vor einigen Milliarden Jahren das Sonnensystem geformt .Diese Theorie wurde in der Folge von Jeans ausgearbeitet und konnte vor allemdas Problem der langsamen Sonnenrotation lösen.

Allerdings sind Zusammenstöße zwischen Sternen überaus selten . In der Ge-schichte des gesamten Universums haben wahrscheinlich nicht allzuviele derartigeElementarkatastrophen stattgefunden. Daher wäre nach der Theorie von ArrheniusundJeans die Entstehung von Planetensystemen ein ungeheurer Zufall, währendsie nach Kant und Laplace die Sternentstehung fast mit Notwendigkeit begleitet .

In der Folge haben Theorie und Beobachtung zugunsten von Kant und Laplaceentschieden : In verbesserter Form wurde ihre Hypothese von Weizsäcker, Lüstund anderen weiterentwickelt. Das Problem der langsamen Rotation der Sonneerwies sich durch die Entdeckung des „Sonnenwindes" zumindest qualitativ lös-bar, und wenn die Theorie auch viele Detailfragen noch unbeantwortet läßt, soist sie ein wahrscheinlich in ihren Grundzügen korrektes Bild der Genesis desSonnensystems .

Aber auch Beobachtungen entkräften die Zusammenstoß-Hypothese vonArrhenius: Messungen der Bahnbewegung von Barnards Stern haben gezeigt, daßdieser Stern von mindestens einem Planeten umkreist wird . Da Barnards Sternmit 6 Lichtjahren Abstand einer der sonnennächsten Sterne ist, können Planeten-systeme nicht auf außergewöhnliche und seltene Ursachen wie Sternzusammen-stöße zurückzuführen sein .

Damit scheint die Existenz von Planeten - eine Grundvoraussetzung der Lebens-entstehung - in großer Zahl im Universum überaus wahrscheinlich . Als ersten An-satz könnten wir etwa annehmen, daß von den 10 22 Sternen des sichtbaren Uni-versums 1020 oder 1021 von einem Planetensystem umgeben sind . Auf wievielendavon könnte sich Leben entwickelt haben? Haben wir uns dieses Leben auf derBasis von Kohlenwasserstoffverbindungen (wie auf der Erde) vorzustellen? Oberdiese und ähnliche Fragen wurden in den letzten Jahren viele Spekulationen undauch manche Experimente angestellt . Eigens Rechnungen stellen erste Versuchedar, von qualitativen Hypothesen zu quantitativen Theorien zu gelangen .

Page 140: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

132

Anleitung zur Lösung der Übungsaufgaben

Wie könnte man empirisch entscheiden, ob es auch auf den Planeten andererSterne Leben gibt, ob es vielleicht sogar intelligentes Leben gibt, andere Zivilisa-tionen, mit denen Kontakte möglich wären? Diese Fragestellungen erinnern sehran utopische Literatur, und doch kann man auch mit wissenschaftlichen Mittelnan sie herantreten und sie zu beantworten suchen . Die Strahlung, die aus demBereich der sonnennächsten Sterne zu uns kommt, wurde in den letzten Jahrennach möglichen Signalen anderer Zivilisationen durchforscht . Das Resultat warnegativ . Andere Experimente sind in Vorbereitung, um die Frage nach der Ver-breitung des Lebens einer Lösung näherzubringen .

Aufgabe 39 . Zufall oder Notwendigkeit: das Titius-Bode-Gesetz

Die Entfernung der Planeten von der Sonne genügt einer einfachen Regel, die 1772 vonTitius und Bode aufgestellt wurde. Wenn wir die Entfernung Erde-Sonne als Längeneinheitwählen, so genügen die Abstände der Planeten von der Sonne in guter Näherung der Regel

rn = 0,4 + 0,3 . 2 n ,

n = - 1, 0, 1,2 . . . B.

Für n = 3 existiert allerdings kein Planet, aber einige Jahre nach der Aufstellung des Titius-Bode-Gesetzes wurden genau in der für n = 3 vorhergesagten Entfernung von der Sonne diePlanetoiden gefunden. Halten Sie das Titius-Bode-Gesetz für einen numerischen Zufall oderfür ein notwendiges Gesetz, das aus der Theorie der Entstehung des Planetensystems her zuerklären ist?

Anleitungen zur Lösung der Übungsaufgaben

1 . Zum EötvösDicke-ExperimentWenn wir die Variation der Schwerkraft im Erdinnern der Einfachheit halber vernachlässige

(das Resultat ändert sich dadurch qualitativ nicht), gilt x . gt2/2 für die Fallstrecke undoz Agt2 /2 für den Höhenunterschied der Schwerpunkte . Division der Gleichungen ergibtAx/x Ag/g 10-rr . Da x 10 7 m ist, folgt Gx = 10 -4 m .

2. Träge und schwere MasseDie Entdeckung eines Moleküls, bei dem sich träge und schwere Masse unterscheiden, würd

durch eine geringe Modifikation der Newtonschen Theorie berücksichtigt werden können . DieEinsteinsche Theorie dagegen sagt voraus, daß träge und schwere Masse stets gleich sein müssetund kann nicht in der erwähnten Weise modifiziert werden . Die „Vorhersagekraft" (predietivepower) von Einsteins Theorie ist daher größer als diejenige von Newtons Theorie .

3. Pound-Snider-ExperimentAllgemein gilt 1v/ v = U/c2 . Im Erdschwerefeld ist G U = gH. Für H = 20 m folgt

w/v = 10 . 20/10'

2 . 10' 15. Der Mössbauer-Effekt ist für das Experiment von Bedeutung,da er zu sehr scharfen Spektrallinien führt, deren Rotverschiebung gut gemessen werden kann .

Page 141: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

Anleitung zur Lösung der Übungsaufgaben

133

4. Was ist gerade?Siehe dazu Aufgabe B .

5. Hafele-Keatrog-ExperimentDie erforderliche Ganggenauigkeit der Uhren ist AT/T 1 n s/10 5 s 10-14.

6. Das ZwillingsparadoxonZweifellos ist auch der Mensch als eine, wenn auch nicht sehr präzise, Uhr zu betrachten .

So kann z . B. die Zahl der Herzschläge als Zeitmaß herangezogen werden . Der Zusammenhangdieser Zahl mit dem in der Aufgabe erwähnten „Altern" ist allerdings bestimmt nicht eindeutig,und gerade die Bedingungen der Raumfahrt würden den Alterungsprozeß sicher stark beein-flussen . Daher könnte der relativistische Effekt erst nachgewiesen werden, wenn er eindeutigüber der ziemlich großen Gangungenauigkeit der Uhr „Mensch" liegt, wenn die Effekte alsodie Größenordnung 30 % erreichen oder überschreiten .

7 . Was ist eine Ebene?Um die Frage zu beantworten, ob die Schnittfläche eine Ebene ist oder nicht, müssen wir

zuerst analysieren, welche Eigenschaften man von einer „Ebene" erwartet . So kann man1 . fordern, daß die Fläche „eben aussieht", das heißt, Licht als Charakterisierung heran-ziehen . Andererseits kann man 2 . auch straff gespannte Seile dazu verwenden um eine Flächeals Ebene zu erweisen, oder 3 . die Fläche mit Maßstäben ausmessen und feststellen, ob dieGeometrie der Ebene (Winkelsumme im Dreieck usw.) anwendbar ist . Alle diese Kriteriensind im Alltagsleben gleichwertig, unterscheiden sich aber, wie Abschnitt 3 .3 zeigt, in derUmgebung schwerer Massen voneinander . Bevor die Frage beantwortet werden kann, ob eineFläche eine Ebene ist oder nicht, muß daher zunächst geklärt werden, welches Kriterium zurEntscheidung dieser Frage benützt werden soll. So ist die Schnittfläche durch den Sonnen-mittelpunkt nur nach Kriterium 1 . eine Ebene.

B. Nochmals : Was ist gerade?Auch der Begriff „Gerade" ist im Alltagsleben auf verschiedene, äquivalente Weisen definier-

bar. Im gekrümmten Raum könnten wir eine dieser Definitionen verwenden, um auch dort von„Geraden" zu sprechen. So wäre es z . B. möglich zu definieren, daß die Bahn eines Lichtstrahlsstets gerade ist. Die Diskussion der Lichtablenkung zeigt jedoch, daß dies keine zweckmäßigeSprechweise darstellt . Der wissenschaftliche Sprachgebrauch vermeidet daher, den Begriff der„Geraden" in irgendeiner Weise auf den gekrümmten Raum zu übertragen. Man spricht zweck-mäßigerweise von „Geodäten", die die kürzest mögliche Verbindung zweier Punkte der Raum-Zeit darstellen. Dieser Begriff bildet eine offensichtliche Verallgemeinerung des üblichenKonzeptes einer Geraden.

9 . Leben auf NeutronensternenZu dieser und den folgenden Übungsaufgaben ist zu bemerken, daß alle bekannten Lebens-

formen durch die übergroße Schwerkraft auf dem Stern nicht existieren könnten . Auch Bau-werke auf Neutronenstemen müßten aus hypothetischer „Supermaterie" bestehen, um nichtvom enormen Schwerefeld zum Einsturz gebracht zu werden .

Das Schrumpfen der Maßstäbe bleibt so lange unbemerkt, als sich das „Leben" im wesent-lichen auf die Oberfläche des Neutronensterns beschränkt und weder Tief- noch Hochbautenerrichtet werden und auch keine Flugzeuge in Verwendung stehen . Erst wenn z . B. ein Tunneldurch den Mittelpunkt des Neutronensterns (der ja nur etwa 20 km Durchmesser hat) gebohrtwird, stellt sich z . B . heraus, daß dieser Tunnel wesentlich länger ist, als der Umfang des Sternses vermuten läßt.

Page 142: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

134

Anleitung zur Lösung der Übungsaufgaben

12 . Dichte und Druck im Inneren von Erde und SonneAus der mittleren Dichte p 1000 kg/m3 folgt mit GL (4 .9)

p x pc2 R x (i031017)106N/m2

-= 1014 N/m2 .

Da für die Erde /R 10-9 ist und die mittlere Dichte der Erde p . 5000 kg/cm3, folgtp ,.51011N/m2.

Diese Werte geben die Größenordnung des Drucks in Sonne bzw . Erde recht gut wieder(Bild 29) .

14. SternentstehungAus dem Jeans-Kriterium (Gl . (4 .17)) folgt mit p 10-19 kg/m3 und T ti 100 K die Be-

dingung M > 104 Mo . Dieses Resultat zeigt, daß Sterne nicht einzeln entstehen können,sondern in Assoziationen . Wenn eine Gaswolke von 104 Mp instabil wird und langsam kon-trahiert, so steigt darin zunächst die Dichte an, so daß nach GL (4 .17) immer kleinere Masseninnerhalb der großen Gaswolke für sich instabil werden. Die Gaswolke zerfällt dadurch ineine Anzahl kleinerer Teilwolken, die zur Entstehung einzelner Sterne führen . Diese erstenSterne heizen dann den Rest der Gaswolke auf und ionisieren dadurch den Wasserstoff(H-11-Region) . Die weitere Entwicklung der Wolke und der darin eingebetteten Sterne istin den Standardwerken zur Astronomie und Astrophysik ausführlich dargestellt (sieheLiteraturverzeichnis) .

15 . HochdruckphysikAus GL (4 .35) folgt für p = po

2m

(Po)3=mPo = µ Poc2 Pc

µ poc2a2 10'3 N/m2 •

Diese Drücke können im Laborexperiment nicht erreicht werden, da dann auch die atomareStruktur der Meßanordnung zerstört würde .

16 . PlanetenradienAus M p0R3 folgt

1Rp r

)3,. lOam.

Der Radius des Jupiter ist 7 . 107 m .

17. Die Massen der HauptreilrensterneDa für einen stabilen Stern der Strahlungsdruck kleiner als der Gasdruck sein muß, gilt

a TPR ""( )3 <P= µ P

(1)

oderk_T 3() <p/s.

(2)

Page 143: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

3

3Eh1' 2

2

E

2

M>(µ2AGa2mc1µ-Mca

(Aa2mc2)

Da a2mc2 = 27 eV die doppelte Bindungsenergie des Grundzustandes des Wasserstoffatomsist, folgt der im Text angegebene Wert.

19. Formen und KugelnAus

HERR < µAMG

(1)

Anleitung zur Lösung der Übungsaufgaben 1 .5)

Mittels der Gleichgewichtsbedingung

kT _ 6(µc 2 ~ R

(3)

(4)

können wir kT aus Gl . (2) eliminieren3

3 P_

\he l - (R h ! <µ .

Daraus folgt eine Ungleichung für den Schwarzschildradius

G 3M3< (PR 3), h3 h3= M

(5)µ

µ3c3

p 4c3~3 =

c6

und damit

(6)MZ< µ4G3 -aG3µ2-MZC •

18 . Planeten und MondeDie elektromagnetische Bindungsenergie (Kohäsionsenergie) eines Körpers, der aus N

Atomen besteht, ist N E, wobei EGravitation bewirkte Kohäsion falls

1 eV ist. Diese Bindungsenergie ist kleiner als die durch

GRNe S RGM (NpA) . (1)

Aus (1) folgt

EM

21~M3p3 (2)

R

µAG

oder 3E l 21

M>()µAG ~ .(3)

(4)

Mit

l

m_c 3P Pp ~ 3 =µCY 3 ( )

hBergibt sich

Page 144: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

Anleitung zur Lösung der Übungsaufgaben

137

folgt c6P = G3Mz'

(1)

Große Massen erreichen bereits bei sehr kleinen Dichten den Schwarzschildradius . Die relevantenDaten folgen aus Gl . (1), wenn wir diese Gleichung in die Form

P =G3M2'

( Mo)2^ 1020 kg/m3(

Mo l

e

•0

Für M = 10'' Mp (Galaxis) erhalten wir z . B . p

10-2 kg/m3 .

28. Radialer FallWenn man ein Teilchen an der Schnur herabläßt, wird es den Punkt r = 61 erst später er-

reichen als im freien Fall (da die Schnur verzögernd wirkt) . Da aber bereits im freien Fallr = 61 erst zur Zeit t = W (gesehen vom Außenraum) erreicht wird, kommt auch das Teilchenan der Schnur jedenfalls nie über r = 61 hinaus . Daher wird ER(61) _ - mc2/2 die Obergrenzefür die auf diese Weise zu gewinnende Energie bilden . Dieses Resultat gilt jedoch nur der Größen-ordnung nach ; ganz allgemein kann man zeigen, daß nie mehr als die Rohenergie aus einemTeilchen durch Herablassen in ein Gravitationsfeld gewonnen werden kann . Daher ist das imText angedeutete „Perpetuum Mobile" unmöglich .

29 . Erzeugung von GravitationswellenMit w 103 S t, m 10 kg, r 1 m erhalten wir P N 10 -33W. Da die Rotationsenergie

ER einer derartigen Anordnung etwa ER 107W s beträgt, wird ein wesentlicher Bruchteilder Energie nach

T s P-R = 1040sP

abgestrahlt .

30 . Gravitationswellen im SonnensystemDa die kinetische Energie der Erde bzw . des Mondes EK = m u2 m MG/r (mc2) 61, /r

beträgt, erhalten wir für die gesuchte Zeit T, nach der 1 % dieser Energie abgestrahlt werden,

P 7 = (mc2)~t

0,01 .

(1)

Mit (8 .11) folgt

61,G

r 3

r 2

r

r 'i2r 2

T

0,01 mc2 r cs(61t) ( ;)se 0,01\612/

-;/

(2)

Für das System Erde Sonne ist T x 10 30 s.

31 . Kosmologisches PrinzipDie Schwierigkeit bei der Überprüfung des kosmologischen Prinzips liegt offenkundig darin,

daß wir das Weltall nur von einer Stelle aus sehen können und daher nur indirekte Evidenzdarüber gewinnen können, welchen Anblick es von anderen Stellen aus bietet . Durch Zählungvon Galaxien in verschiedenen Richtungen kann man aber Evidenz für die Isotropie des Uni-

Page 145: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

Anleitung zur Lösung der Ubungsautgaben

t y

„Die Theorie muß die Gesetzmäßigkeiten in den Bewegungen der Planeten, ihrer Abständevon der Sonne (Bodes Beziehung) und ihre physikalischen Eigenschaften erklären ." (Struve,S. 259)2 )

Meyers Handbuch über das Weltall erwähnt die Titius-Bode-Beziehung nicht.

„Es handelt sich um eine von Titius 1766 gefundene empirische Zahlenfolge . . . , die aberin Wirklichkeit eine zufällige Beziehung darstellt ." (Müller, S. 60) 3 )

„Das sogenannte Bodesche Gesetz ist kein physikalisches Gesetz, sondern nur eine be-queme Regel." (Whipple, S . 93) 4)

Zufall oder Notwendigkeit? Muß jedes Planetensystem die Titius-Bode-Regel erfüllen? Wirwollen es dem Leser überlassen, ob und wie man an einem einzelnen Objekt, wie es das Sonnen-system darstellt, zufällige und notwendige Eigenschaften voneinander trennen kann .

2) Struve, O.: Astronomie . Einführung in ihre Grundlagen . 3 . Auflage, de Gruyter, Berlin 1967 .

3) Müller, R. : Astronomische Begriffe . Bibliographisches Institut, Mannheim 1964 .

4) Whipple, F. L. : Earth, Moon and Planers. Harvard University Press, Cambridge/Mass . 1968.

Page 146: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

140

Literaturverzeichnis

Hier kann nur ein kleiner Ausschnitt aus der umfangreichen Lehrbuchliteratur erwähntwerden, wobei vor allem Paperbackausgaben (mit Stern * versehen) berücksichtigt wurden .

1 . Spezielle Relativitätstheorie

French, A . P., Die spezielle Relativitätstheorie . M.I.T. Einführungskurs Physik.VIII, 287 S ., Vieweg, Braunschweig 1971 .*Ein ausgezeichnetes Standardwerk .

Kaczer, Claude, Einführung in die spezielle Relativitätstheorie .281 S ., Kohlhammer/Berlin Union, Stuttgart 1970.*Ebenfalls empfehlenswert .

Sexl, Roman, Relativitätstheorie in der Kollegstufe .Beiträge zum MNU, Heft 26, Vieweg, Braunschweig 1973 .*Eine einfache Darstellung, für Gymnasien geeignet .

Sexl, Roman/H. Urbantke, Relativität, Gruppen, Teilchen .Springer, Wien 1975 .*Ausführlich ; mit historischen und erkenntnistheoretischen Anmerkungen .

2. Exakte Darstellungen der allgemeinen Relativitätstheorie

Misner, Charles W ./K . Thorne/J . Wheeler, Gravitation .W . H. Freeman, San Francisco 1973 .Eine ausgezeichnete Darstellung (ca . 1280 S .!) .

Rindler, Wolfgang, Essential Relativity : Special, General and Cosmological .Van Nostrand Reinhold, New York 1969Eine klare und didaktisch hervorragende Einführung in die spezielle und allgemeineRelativitätstheorie .

Sexl, Roman/H . Urbantke, Gravitation und Kosmologie.Bibliographisches Institut, Mannheim 1974.*Eine kurze Einführung in die Grundlagen .

Weinberg, Steven, Gravitation and Cosmology. Principles and Applications of the GeneralTheory ofRelativity.Wiley, New York 1972 .Enthält eine ausführliche Analyse der Experimente zur Relativitätstheorie .

Bücher, die vor 1968 erschienen sind, sind wegen der rapiden Entwicklung der letzten Jahrenur als Zusatzlektüre zu empfehlen .

Page 147: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

Literaturverzeichnis

3 . Allgemeine Astronomie, AstrophysikCalder, Nigel, Das stürmische Universum . Die Revolution im astronomischen Weltbild.

König, München 1973 .Sehr populäre, aber gute Darstellung .

Gingerich, Owen (ed .), Fron tiers of Astronomy : Keadings from Scientific American .W. H. Freeman, San Francisco 1970 .Inhaltlich und graphisch ausgezeichnete Ärtikel .

Hermann, J ., dtv-Atlas zur Astronomie .dtv, München 1973 .*Gut als Grundlage zur Lektüre des vorliegenden Buches verwendbar .

Schaifers, Karl/Gerhard Traving (Hrsg .), Meyers Handbuch über das Weltall .5 . Aufl., 781 S ., Bibliographisches Institut, Mannheim 1973 .Altgemeinverständliche und präzise Information . Ein empfehlenswertes und preiswertesStandardwerk .

Voigt, Hans H., Abriß der Astronomie .Bibliographisches Institut, Mannheim .*Ein Hochschultaschenbuch in Skriptumforsn .

4. KosmologieSchatzmann, E . L., Die Grenzen der Unendlichkeit. Struktur des Universums .

Fischer Tb, Frankfurt 1972 .*Eine ausgezeichnete Einführung .

Sciama, Dennis W., Modern Cosmology .Cambridge University Press, New York 1971 .Betont besonders die Beobachtungsdaten .

5 . Leben unter anderen SonnenDyson, Freeman J ., "The Search for Extraterrestrial Technology",

in: Marshak, R. E. (ed .) : Perspectives in Modern Physics.Krieger, Huntington/N .Y . 1966

Haber, Heinz, Brüder im All. Die Möglichkeit des Lebens auf fremden Welten .Rowohlt Tb, Reinbek b. Hamburg 1972 .*

Macgowan, Roger A ./F . 1. Ordway, Intelligente in the Universe .3rd. ed., Prentice-Hall, Englewood Cliffs/N .J . 1966

Sagan, Carl (ed.), Communication wich Extraterrestriallntelligence.M .I.T. Press, Cambridge/Mass .

Sagan, Carl/1 . S. Shklovsky, Intelligent Life in the Universe.Dell, New York 1968.*

Ferner : Zahlreiche Artikel in Icarus, International Journal of the Solar System (besondersBd . 19, 1973) .

Page 148: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

142

Bildquellenverzeichnis

American Scientist, 57 (1969), p . 54(Bild 75)

The Astrophysical Journal, 168 (1971), Plate L 2(Bild 58)

ebd ., 170 (1971), pp. 533, 534(Bild 50)

ebd ., 178 (1972), p. 12(Bild 63)

ebd ., 178 (1972), p . 21(Bild 74)

Meyers Handbuch über das Weltall (s . Literaturverzeichnis), S . 482(Bild 52)

ebd., S . 579(Bild 79)

Novikov 1 Thorne, Astrophysics of Black HolesOne of the orange aid reprint series in Nuclear, Atomic & Relativistic Astrophysics .December 1972 (manuscript) . Fig. 5 .2.2.(Bild 53)

Physical Review L~tters, 22 (1969), p . 1323(Bild 60)

ebd ., 26 (1971), p . 1133(Bild 21)

Physis Reports, 3C (1972), p . 64(Bild 40)

Witten (ed .), Gravitation : an introduction to current research .John Wiley & Sons, Inc ., New York-London 1962, p . 36(Bild 9)

USIS Photo(Bild 39)

Page 149: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

Personenregister

Arrhenius 131

Landau 55Laplace 131

Bahcall, John 92

Lense 80Bahcall, Neta 92

Läst 131Bessel 52Bode 132

Monod 130

Cameron 85

Oppenheimer SSCampell 15Clark 52

Penzias 120 f.Poincar6 131

Darwin 104

Pound 11Descartes 130

Prigogine 130Dicke 4, 120

Eigen 130fEinstein 3, 5, 8, 10, 12f, 16, 21, 33, 95, 115Eötvös 4

Galilei 4Gamov 120

Hafele 24Hewish 55Hubble 3, 10S f.

Jeans 131Jordan 8

Kant 70, 130f.Keatrog 24

Salpeter 127Sandage 106fShapiro 31Snider 11Söldner 13

Thirring 80Titius 132Trumper 15

Volkoff 55

Weber 95, 99-101Weizsäcker 131Wilson 85, 120f

143

Page 150: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

144

Sachregister

A

Abstand Erde-Venus 33accretion disk 87Anschauung 33-37Äquivalenzprinzip 7 f., 37atomare Struktur 53e-Aurigae 81-86

B

Barnards Stern 131Bedeckungsveränderliche 85Berge, Höhe auf Planeten 61Bewegungsgleichung 108Bezugssysteme, beschleunigte 8Bohrseher Radius 53Boltzmann-Konstante 45

C

Caesiumuhren 23 f.

Cepheiden 67Chandrasekhar-Grenze 50, 56, 68Compton-Wellenlänge 53Corioliskräfte 87Crab-Nebel 63, 71Cygnus Xl 80

D

Dichte 42- des Universums 119-, minimale 119Dicke-Brans-Theorie 8Dipolmoment 96Doppelsternsystem 81 f., 95Dopplermessungen 95Dopplerverschiebung 81 f., 91, 93

Druck 42

E

Ebene 30effektives Potential 76

Eigenzeit 76Elektronen 46Elementarteilchenphysik 38

Elemente, chemische 120-, Häufigkeitsverteilung 126-, schwere 126, 128Energieäquivalent 45Energiedichte des Gravitationsfeldes 18Energiesatz 18, 76Entwicklung, thermonukleare 71Eötvös-Dicke-Experiment 4Epochen 124Erde-Venus, Abstand 33Erkenntnis ( a priori) 33euklidische Geometrie 28euklidischer Raum 115Evolution des Universums 104Evolutionseffekte 117Expansion des Universums 3Experiment-, Eötvös-Dicke- 4-, Hafele-Keating- 23, 26-, Pound-Snider- 12-, Shapiro- 16, 31-33extraterrestrisches Leben 103

F

Fall, radialer 78Farbenspiele 34Fata Morgana 30, 35Feinstrukturkonstante der Gravitation 50

-, Sommerfeldsche 50Feldgleichungen 8, 26Fermatsches Prinzip 30Fermienergie 47, 55Flächen konstanter Krümmung 114Flächensatz 76Flugzeug 25Formen 61Friedmann-Gleichung 110, 119, 124

G

Galaxien 126-, Entstehung 129-, Zählung 115Gas, ideales 44

Page 151: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

Sachregister

Gaswolke, Kontraktion 39Gaswolken 38gefrorener Stern 75gekrümmte Raum-Zeit 21-38gekrümmter Raum 28 f., 33-37Geometrie, Riemannsche 3, 28-, euklidische 28gerade 16, 36Gesamthelligkeit des Sternenhimmels 104Gesetz, 2. Keplersches 16Gleichgewichtsbedingung 38-42Gleichungskette 43Globulen 129Gravitation, Feinstrukturkonstante 50Gravitationsfeld 3-, Energiedichte 18- schwarzer .Löcher 75-78-, Uhren im - 37 f.Gravitationskollaps 68, 72, 95Gravitationspotential, Newtonsches 10Gravitationswellen 95-101-, Aussendung 95-98-, Erzeugung 98-, Messung 98-100Gravitationswellenempfänger 99

HHadronen, Zeitalter 125Hafele-Keatrog-Experiment 23, 26Häufigkeitsverteilung- der Elemente 126- der Strukturen 126Hauptreihensterne 44, 60Helium 46Hercules Xl 90-92HZ Herculis 92Hertzsprung-Russel-Diagramm 45Hintergrundstrahlung, kosmische 120Hochdruckphysik 55Horizont 108Hubble-Gesetz 104-108Hubble-Konstante 106, 111

IInertialsysteme 4-7Instabilität 39inverser (3-Zerfall 55

JJeans-Kriterium 39, 44, 128

KKältetod 104Kelvinsche Kontraktionszeit 432. Keplersches Gesetz 16Kernreaktionen 120, 125klassische Tests 9-20Kohlenwasserstoffverbindungen 131Koinzidenzen 100Kollaps 65, 78- der Milchstraße 68- von Sternen 71Kollapszeit 69Kontraktion der Gaswolke 39Kontraktionszeit, Kelvinsche 43Kopernikanische Revolution 102Kosmogonie 120-, Grundfrage 60Kosmologie 102-, Newtonsche 110-112kosmologische Modelle 103kosmologisches Prinzip 102 f.Kreisbahnen um schwarze Löcher 78Krümmung 6- der Raum-Zeit 34- des Lichtstrahls 30- des Weltraums 112-, Flächen konstanter - 114-, Räume konstanter - 112Krümmungseffekte 117Kugelhaufen 129Kugeln 61

LLadungen 95Lagrange-Punkt 87Laufzeitvergrößerung 32Leben 130-, Entstehung 130-, extraterrestrisches 103- (im gekrümmten Raum) 34-, intelligentes 132-, Verbreitung 132Leuchtkraft 75, 87 f.Lichtablenkung 12-16, 30 f .Lichtgeschwindigkeit, effektive 31

Page 152: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

146

Lichtkegel 74Lichtsignale 74Lichtstrahl, Krümmung 30Literatur, utopische 132

MMagnetfeld 67, 78Mariner 6 33Mariner 7 33Marssonden 33Masse, träge und schwere 4, 8Massenbestimmung für einen Neutronen-

stern 92Massendefekt 42-44

-Funktion 82 f.-Spektrum 50-zunahme 17

Maßstäbe 26-30-, Schrumpfen von - 30Maßstab schrumpft 26Materie, entartet 46Mensch als Uhr 26Mindest-Massendichte 118Modelle, kosmologische 103Mössbauer-Effekt 11Monde 52-55, 61

NNeutronen 56

-einfang 128-Stern 33 f., 36, 43, 55-58, 71, 98

Neutronensterne, Radien 58-, Zivilisation auf - 36Newtonsche Kosmologie 110-112- Theorie 3Newtonsches Gravitationspotential 10Normaluhr 25Notwendigkeit 130

OOlberssches Paradoxon 103 f.

PParadoxon, Olberssches 103 f .Pauliprinzip 46Pendel 4Perihel 17

-drehung 19-verschiebung 16-20

Sachregiste

Perpetuum Mobile 78Perspektive 36Phobos61Photon 122Plancksches Wirkungsquantum 9,51Planeten 38, 52, 61

-radien 55-System, Entstehung 130

Potential, effektives 76Pound-Snider-Experiment 12Prinzip, Fermatsches 30-, kosmologisches 102 f .Prozesse, thermodynamische 130Pulsar 43, 55, 62-68

-physik 63-perioden 63

QQuadrupolmoment 96Quantenfeldtheorie 3

-mechanik 3Quasar 15-, Massenbestimmung 92

RRadarsignal 31radialer Fall 78Radien der Neutronensterne 58- weißer Zwerge 51Radioteleskop 62Radius, Bohrscher 53Räume konstanter Krümmung 112Raum, euklidischer 115-, gekrümmter 28 f., 33-37

hyperbolischer 115-, sphärischer 115-, Struktur 28Raumfahrer 26

-schiff SRaum-Zeit-Geometrie 30 f.Raum-Zeit, Krümmung 3, 21, 32, 34-, Schwingungen 95Rauschen, thermisches 99Relativitätstheorie, allgemeine 3, 8, 76-, spezielle 3Resönanzphänomene 99Revolution, Kompernikanische 102Riemannsche Geometrie 3, 28Ring, semitransparenter 85

Page 153: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

Sachregister

Röntgenquellen 86-90-Signale 91-strahlen, Emission 89

Rotation 65, 71- der Milchstraffe 72- der Sonne 131Rotationsenergie 65roter Riese 46rotierende schwarze Löcher 78-80Rotverschiebung 9-12, 21, 122- der Spektrallinien 105 f.-, Messungen 11Rotverschiebungs-Entfernungsrelation,

Korrekturen 116 f.

SSelbstorganisation der Materie 130semitransparenter Ring 85Shapiro-Experiment 16, 31-33Singularität 68, 72, 74 f .Sinus B 52Skalar-Tensor-Theorie 8Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante 50Sonne, Schnittfläche durch - 27-, Rotation 131Sonnenoberfläche 22

-System 130-wind 131

Spektrallinien, Rotverschiebung 105 f .Spektrum entarteter Sterne 57Sternaufbau 40Supernova 64

-ausbräche 43-explosionen 71, 126, 128

Synchrotronstrahlung 96

SchSchallgeschwindigkeit 66Schnittfläche, kosmische 113schwarze Löcher 34, 68, 72, 74-87, 89,

92, 94f., 98, 108- -, rotierende 78-80- -, Suche nach 80schwarze Strahlung 88Schwarzschildradius 10, 20, 74 f .Schwerebeschleunigung 4Schwingungen der Raum-Zeit 95

StStefan-Boltzmann-Gesetz 123Sterne 38-61-, nichtentartete 44 f.-, normale 45-, Spektrum entarteter - 57-, veränderliche 66-, Zeitalter 126Stern, gefrorener 75

-entstehung 38-42, 44, 128-hauten

Sternenhimmel, Gesamthelligkeit 104Strahlung 122-, Quelle 101-, schwarze 88-, thermische 120-, Zeitalter 126strahlungsdominiertes Universum 124Strahlungsenergie 122

-Spektrum 88Struktur, atomare 53-, Entstehung 120, 126Strukturen, differenzierte 130-, Entstehung 130-, Häufigkeitsverteilung 126- im Kosmos 58-61

TTests, klassische 9-20Theorie-, Dicke-Brans- 8-, Newtonsche 3-, Skalar-Tensor- 8thermisches Rauschen 99thermonukleare Entwicklung 71Thirring-Lense-Effekt 80Titius-Bode-Gesetz 132Trägheitsgesetz 5

UOberlichtgeschwindigkeit 108Uhren 21-23- im Gravitationsfeld 37 f.

-paradoxon 26Uhr, Mensch als - 26Uhuru, Satellit 90

14'

Page 154: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

148

Universum 3-, Alter 106, 111-, Dynamik 108-, Evolution 104-, Expansion 3-, frühes 112, 120, 124-, geschlossenes 118-, homogenes 102-104-, isotropes 102-, nichteuklidische Struktur 115-, sphärisches 115-, strahlungsdominiert 123Urknall 108, 111, 120Urnebel 131utopische Literatur 132

VVenus 31

Abstand Erde-Venus 33veränderliche Sterne 66Verkehrsampeln 34Virgo-Haufen 101vorstellen 34

WWärmetod 104weiße Zwerge 43, 49-55, 71- -, Radien 51Weltall, Struktur 119

-horizont 104-108-maschine 130-raum, Krümmung 112

Welteninsel 102, 104Wirkungsquantum, Planeksches 9, 51

ZZeitalter der Hadronen 126- der Sterne 126- der Strahlung 126Zeitdilatation 24Zeitdilatationseffekte 26Zeitmessung 31(3-Zerfall, inverser 55Zivilisation auf Neustronensternen 36Zivilisationen 63, 132Zufall 130Zusammenstoß-Hypothese 131Zustandsgleichung 40- des idealen Gases 45- entarteter Materie 45-49Zwergsterne, weiße 11, 82Zwillingsparadoxon 26

Sachregister

Page 155: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

Kurzbiographie der Autoren und Veröffentlichungen

Prof. Dr. Roman Sexl

1939

in Wien geboren1957-1961

Studium der Physik und Mathematik an der Universität Wien1961

Promotion an der Universität Wien1967

Dozent an der Universität WienPositionen:

Assistent, Wien 1961/62Institute for Advanced Study, Princeton 1962/63Assistant Professor, Seattle 1963Research Associate, NYU 1963/64Assistent, Wien 1964-66Assistent Professor, Maryland 1967Center for Theoretical Studier, 1967Associate Professor, Georgia 1968Professor und Vorstand für Theoretische Physik, Wien 1969-Abteilungsleiter am Institut für Weltraumforschung der ÖsterreichischerAkademie der Wissenschaften 1972-Mitglied des internationalen Komittees für allgemeine Relativitäts-theorie und Gravitation 1974-

Forschungsaufträge :

Interfacial Thermal Conductivity, NASA 1967-71Lunar Thermophysics, NASA 1967-71

Publikationen :

Relativitätstheorie, Ueberreuter, Wien 1972Relativitätstheorie in der Kollegstufe, Vieweg, Braunschweig 1973Gravitation und Kosmologie, Bibliographisches Institut, Mannheim 197

(mit H . Urbantke)Weiße Zwerge - schwarze Löcher, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 197

(rororo vieweg Bd . 14 ; zusammen mit H. Sex!)Relativität, Gruppen, Teilchen . Springer, Wien-New York 1975Zahlreiche Aufsätze

Dr. Hannelore Sexlstudierte Physik und Mathematik an der Universität Wien,war Assistentin am Institut für Hochenergiephysik der ÖsterreichischenAkademie der Wissenschaften undAssistentin am Institut für Theoretische Physik der Universität Wien(Publikationen über Hochenergiephysik)unterrichtet derzeit Physik und Mathematik an einem Wiener Gymnasi

Page 156: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

rororo

83314a

vueweg

BasiswissenHans SachsseEinführung in die Kybernetik [1]272 Seiten mit 77 Abb. und 20TabellenOskar Peter SpandlDie Organisation der wissen-schaftlichen Arbeit [9]118 Seiten

MathematikJohn CunninghamVektoren [2]224 Seiten mit 45 Abb .J . A. RosanowWahrscheinlichkeitstheorie [10]176 Seiten mit 13 Abb.

PhysikB. M. Jaworski / A . A . DetlafPhysik griffbereit [3 + 4]Band 1 320 Seiten mit 85 Abb .Band 2 592 Seiten mit 174 Abb .Franz Rudolf KeßlerKernenergiegewinnung undKernstrahlung [11]164 Seiten mit 46 Abb. und 6TabellenRoman und Hannelore SexlWeiße Zwerge - schwarze Lö-cher [14]Eine Einführung in die relati-

vistische Astrophysik160 Seiten mit 79 Abb .und 10 Tabellen

ChemiePeter PaetzoldEinführung in die AllgemeineChemie [5]208 Seiten mit 33 Bildern

BiologieAndre Berkaloff / Jacques Bour-guet / Pierre Favard / MaximeGuinnebaultDie Zelle - Morphologie undPhysiologie [6 + 7]Band 1 176 Seiten mit 107 Abb .(2farbig)Band 2 176 Seiten mit 69 Abb .(2farbig)Georges CohenDie Zelle - Der Zellstoffwechselund seine Regulation [12 + 13]Bd . 1 : 160 Seiten mit 46 Abb .Bd . 2 : 160 Seiten mit 12 Abb .Günter TembrockBiokommunikation [15]Informationsübertragung imbiologischen Bereich288 Seiten mit 59 Abb .Günter TembrockGrundlagen der Tierpsycholo-gie [8]288 S. mit 45 Abb.

Page 157: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

136

Anleitung zur Lösung der Übungsaufgaben

folgt mit M p0R 3(R lz

R < µAp R2G \ R l

Dabei ist R t2r , = e/µApoG (1000 km)2 . (Ein genauerer Wert ist R m 300 km .)

20. RotationDie angegebenen Bedingungen gelten nur dann, wenn die Kohäsionsenergie des Körpers

durch Gravitationseffekte dominiert wird, da in Gl . (5 .8) als einzige anziehende Kraft dieGravitation berücksichtigt ist . Aufgabe 18 zeigt, daß dies für M >1022 kg erfüllt ist. Fürweiße Zwerge ist TRot i 1 s.

23 . RotationDamit das Objekt unter der Wirkung der eigenen Schwerkraft nicht kollabiert, muß

u 2 = GM

(1)R

gelten. Daraus folgt mit M pR3, TR R/u, für die Rotationsdauer TR = (Gp) 1 / 2 . AusGl. (1) ersieht man, daß die Rotationsgeschwindigkeit u «R- 1/2, falls M nicht von R abhängtDies ist z . B . im Sonnensystem der Fall, bei dem nur die Masse der Sonne wesentlich ist, währendiejenige der Planeten dagegen vernachlässigt werden kann . Für Objekte, die eine annäherndhomogene Dichteverteilung aufweisen, ist dagegen M = pR 3, u = GpR a R. Beide Fälle sindfür Aufgabe 24 von Bedeutung.

24. Rotation der MilchstraßeDie Rotationskurve zeigt für R <20000 Lichtjahre einen annähernd linearen Anstieg, wie

er in Aufgabe 22 für Objekte homogener Dichte errechnet wurde. Für größere Radien ist udagegen etwa durch u2 = GM/R gegeben . Dies deutet darauf hin, daß die Hauptmasse derMilchstraße in einem Gebiet R <2 .10 4 Lichtjahren enthalten ist. Die Masse der Milchstraßefolgt aus

M~ RG2~2 . 10 41 kg~10 11 M®

Die in Bild 42 angegebene Rotationsgeschwindigkeit der Milchstraße wird mit Hilfe des DoppletlEffekts bestimmt . Dabei wird die Frequenzverschiebung der 21-cm-Linie des Wasserstoffs ge-messen.

25 . Ist die Singularität vermeidbar?Wenn der Kollaps einmal jenseits des Schwarzschildradius fortgeschritten ist, können auch

beliebig starke Kräfte ihm nicht Einhalt gebieten . Der Grund hierfür ist aus Bild 43 abzulesen :Da der Lichtkegel für r < iR einwärts geneigt ist, kann das Teilchen nur nach innen fallen undnicht vor r = 0 zum Stillstand kommen, da Linien r = tonst. < i außerhalb des lokalenLichtkegels fallen .

26. Dichte beim SchwarzschildradiusAus

1lR^,

=RN / p \3

(2)

Page 158: Roman u  Hannelore Sexl - Weisse Zwerge, schwarze Löcher  Einführung in die relativistische Astrophysik

138

Anleitung zur Lösung der Übungsaufgaben

versums gewinnen, die allerdings nicht allzu genau ist . Die beste experimentelle Bestätigung

der Isotropie des Universums wird durch die kosmische Hintergrundstrahlung gegeben, die inAbschnitt 10 .1 näher beschrieben wird .

32 . Extraterrestrisches Leben

Diese Übungsaufgabe soll hier nur ein Problem anschneiden, das dann in Abschnitt 10 .4seine Beantwortung findet .

33 . Zum Olbersschen Paradoxon

Nein, da dann die Integration nur über einen Bereich von einigen Milliarden Lichtjahrenauszuführen wäre und daher ein endliches Resultat ergibt .

34. Überlichtgeschwindigkeit und Relativitätstheorie

Die spezielle Relativitätstheorie verbietet, daß sich in einem Inertialsystem Körper bzw .Signale mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen . Dies ist hier nicht der Fall, da der Raumselbst expandiert, das heißt, die lokalen Inertialsysteme sich von uns wegbewegen . Wegendes Welthorizontes weist keine Galaxis eine meßbare Überlichtgeschwindigkeit auf .

35. Newtonsche Kosmologie

Die Newtonsche Kosmologie ist tatsächlich ein sehr geschickter Schwindel an der Grenzemathematischer Legalität. Wir haben angenommen, daß die Massenverteilung außerhalb derin Bild 65 betrachteten Kugel nicht zur Massenanziehung beiträgt . Zur Begründung könnteman das bekannte Theorem heranziehen, daß eine kugelförmige Massenverteilung keinGravitationsfeld in ihrem Inneren hervorruft . Aber gilt dies auch für unendliche Massenver-teilungen? Tatsächlich ist das Newtonsche Gravitationspotential U einer homogenen, unend-lichen Massendichte in jedem Punkt U = W Da die Kraft aber grad U ist, kann durch ge-schickte Manipulation die Unendlichkeit vermieden werden und ein korrektes (das heißt mitder allgemeinen Relativitätstheorie übereinstimmendes) Resultat erzielt werden .

36 . Frühes Universum

Am Beginn der Expansion dominiert die kinetische Energie . Die Raumkrümmung k be-einflußt den Expansionsverlauf erst dann, wenn kinetische und potentielle Energie von gleicherGrößenordnung werden.

37 . Modelle des Universums

Bei einer Erklärung der Flächen als zweidimensionale Modelle des Universums wird sehroft die Frage gestellt, was die dritte Dimension im Modell bedeute . Wohin krümmt sich derWeltraum? Was ist außerhalb der Fläche? Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden haben wirhier die Flächen als mathematische Modelle für Schnittflächen durch das Universum dargestellt .

38 . Dauer des frühen Universums

Mit Gl. (10.7) folgt aus Gl. (10 .10) tg

1012 Jahre und daraus für das Ende der strahlungs-dominierten Zeit, also die Dauer des frühen Universums, etwa 1 Million Jahre .

39 . Zufall oder Notwendigkeit : Das Titius-Bode-Gesetz

Wir wollen uns hier darauf beschränken einige neue Werke zu zitieren :

„Zweifellos ist die spektakulärste Eigenschaft des Sonnensystems, daß die Radien derPlanetenbahnen keine zufälligen Abmessungen haben . . . . (diese Reihe) ist so regulär, daßkeine Kosmogonie, die diese Regel unerklärt läßt, akzeptabel ist ." (Berlage, p. 5) 1 )

1) Berlage, H. P. : The Origin of the Solar System . Pergamon, Elmsford/N .Y . 1968 .