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193 URP / DEP / DAP 2019 – 3 Jonas Alig / Liliane Schärmeli Die Beurteilung geänderter Altanlagen aus lärmschutz- rechtlicher Sicht– Eine kriti- sche Analyse der heutigen Praxis Résumé 214 / Riassunto 214 I. Einführung 194 II. Praxis 195 1. Ausgangslage 195 2. Wesentliche Änderung 196 2.1 Unklarer Begriff 196 2.2 Unklare gesetzliche Grundlage 198 3. Neubauähnliche Änderung 199 4. Unwesentliche Änderung 201 III. Problem: Gesetzeskonformität von Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV 201 1. In Bezug auf Art. 18 USG 201 2. In Bezug auf Art. 25 USG 204 IV. Lösung: Beurteilung geänderter ortsfester Altanlagen nach dem USG 206 1. Tragweite von Art. 25 USG 206 1.1 Zweck und Anwendungsbereich 206 1.2 Erfasste Änderungen 208 1.3 Möglichkeit von Erleichterungen 209 2. Tragweite von Art. 18 USG 210 3. Fallgruppen 211 3.1 Nicht-sanierungsbedürftige Altanlagen 211 3.2 Sanierungsbedürftige Altanlagen 212 3.3 Sonderfall: Wiederholte Änderung 213 V. Schluss 213

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Jonas Alig / Liliane Schärmeli

Die Beurteilung geänderter Altanlagen aus lärmschutz-rechtlicher Sicht– Eine kriti-sche Analyse der heutigen Praxis

Résumé 214 / Riassunto 214

I. Einführung 194

II. Praxis 1951. Ausgangslage 1952. Wesentliche Änderung 196 2.1 Unklarer Begriff 196 2.2 Unklare gesetzliche Grundlage 1983. Neubauähnliche Änderung 1994. Unwesentliche Änderung 201

III. Problem: Gesetzeskonformität von Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV 2011. In Bezug auf Art. 18 USG 2012. In Bezug auf Art. 25 USG 204

IV. Lösung: Beurteilung geänderter ortsfester Altanlagen nach dem USG 2061. Tragweite von Art. 25 USG 206 1.1 Zweck und Anwendungsbereich 206 1.2 Erfasste Änderungen 208 1.3 Möglichkeit von Erleichterungen 2092. Tragweite von Art. 18 USG 2103. Fallgruppen 211 3.1 Nicht-sanierungsbedürftige Altanlagen 211 3.2 Sanierungsbedürftige Altanlagen 212 3.3 Sonderfall: Wiederholte Änderung 213

V. Schluss 213

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ZusammenfassungDer vorliegende Beitrag beleuchtet den rechtlichen Umgang mit geänder-ten lärmerzeugenden ortsfesten Altanlagen mit Blick auf die Vorgaben des USG (Art. 18 und Art. 25). Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV, welche wesentliche Änderungen bestehender ortsfester Anlagen zum Gegenstand haben, er-weisen sich in mehrfacher Hinsicht als gesetzeswidrig. Änderungen an bestehenden ortsfesten Anlagen müssen deshalb ungeachtet der Verord-nungsbestimmungen anhand von Art. 18 und 25 USG beurteilt werden.

I. EinführungDas Umweltschutzgesetz (USG)1 nimmt im Bereich des Lärmschutzes eine schein-bar einfache Zweiteilung in neue und alte bzw. bestehende Anlagen vor. Neuan-lagen sind solche, welche nach Inkrafttreten des USG am 1. Januar 1985 errichtet wurden, Altanlagen diejenigen, die vor diesem Zeitpunkt erstellt wurden bzw. bereits rechtskräftig bewilligt waren.

Für neue Anlagen gilt das Regime von Art. 25 USG, was bedeutet, dass die Lärmimmissionen, die durch die ortsfeste Anlage allein erzeugt werden, die Planungswerte in der Umgebung nicht überschreiten dürfen (Abs. 1). Für Anla-gen, an denen ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, können Erleich-terungen gewährt werden, wenn die Einhaltung der Planungswerte zu einer unverhältnismässigen Belastung des Projekts führen würde (Abs. 2); die Immis-sionsgrenzwerte dürfen dabei jedoch in der Umgebung der ortsfesten Anlage nicht überschritten werden. Bei Strassen und Flughäfen oder anderen öffentlichen oder konzessionierten ortsfesten Anlagen sind sogar Erleichterungen über die Immis-sionsgrenzwerte hinaus möglich, wobei in diesem Fall die Gebäude, welche von über den Immissionsgrenzwert hinausgehenden Lärmimmissionen betroffen sind, auf Kosten des Eigentümers der lärmerzeugenden Anlage durch Schallschutz-fenster oder ähnliche bauliche Massnahmen geschützt werden müssen (Abs. 3).

Altanlagen sind hingegen – soweit sie den Vorschriften des USG nicht genügen – dem Sanierungsrecht unterstellt (Art. 16–18, 20 USG). Für sie gilt – dem Vertrauensschutz Rechnung tragend – ein in lärmschutzrechtlicher Hinsicht weniger strenges Regime, als dies Art. 25 USG für Neuanlagen vorsieht: Generell müssen sie nach der Sanierung – neben den Vorgaben zur vorsorglichen Emissions-begrenzung nach Art. 11 Abs. 2 USG – statt der Planungswerte lediglich die Immis-sionsgrenzwerte einhalten (Art. 16 Abs. 2 USG i.V.m. Art. 13 Abs. 2 Bst. b Lärm-schutzverordnung [LSV]2). Zudem können auch bei privaten Anlagen, an denen kein öffentliches Interesse besteht, im Einzelfall Erleichterungen gewährt werden, wobei jedoch die Alarmwerte nicht überschritten werden dürfen (Art. 17 USG). Bei bestehenden Strassen, Flughäfen und anderen öffentlichen oder konzessionierten ortsfesten Anlagen lässt Art. 20 Abs. 1 USG gar (implizit) eine Überschreitung der Alarmwerte zu, wobei in diesem Fall die Pflicht, lärmbetroffene Gebäude mit Schallschutzfenstern oder ähnlichen baulichen Massnahmen zu schützen, zum Tragen kommt. Abs. 2 statuiert dabei eine grundsätzliche Kostentragungspflicht

1 SR 814.01.2 SR 814.41.

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des Inhabers der lärmigen Anlage, lässt aber unter gewissen Voraussetzungen eine Überwälzung auf die Eigentümer der lärmbetroffenen Gebäude zu.

Nun existiert allerdings eine Kategorie ortsfester Anlagen, auf welche weder die Etikettierung als Neuanlage noch jene als Altanlage so recht zu passen scheint: nämlich bestehende Anlagen, welche geändert werden. Für diese Fälle scheint das USG – abgesehen von Art. 18 Abs. 1, der besagt, dass eine sanierungs-bedürftige Anlage nur umgebaut oder erweitert werden darf, wenn sie gleichzeitig saniert wird – prima vista keine Lösung bereitzuhalten. Anders die LSV, welche sich in Art. 8–11 explizit mit geänderten ortsfesten Anlagen auseinandersetzt. Allerdings steht Art. 8 LSV sowohl in Bezug auf Art. 18 wie auch in Bezug auf Art. 25 USG etwas quer und verursacht seit seinem Inkrafttreten immer wieder Schwierigkeiten in Literatur und Praxis.

Dieser Beitrag analysiert das anhand der Rechtsprechung nachgezeich-nete lärmschutzrechtliche Regime, welches für geänderte Anlagen gilt, und un-terzieht dieses einer kritischen Würdigung, insbesondere in Bezug auf dessen Übereinstimmung mit dem USG. Dazu stellen wir in Abschnitt II. die wenig kohärente bundesgerichtliche Praxis dar, die gestützt auf die LSV (Art. 8 Abs. 2 und 3) zwischen Altanlagen, Neuanlagen und wesentlich geänderten Anlagen unterscheidet. In Abschnitt III. zeigen wir auf, dass sich Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV nur als Ausführungsbestimmungen zu Art. 25 USG verstehen lassen, als solche jedoch nicht gesetzeskonform sind. In Abschnitt IV. untersuchen wir die Trag-weite von Art. 25 und Art. 18 USG und legen dar, wie – gestützt auf diese Geset-zesbestimmungen – mit Änderungen von bestehenden Anlagen widerspruchsfrei umgegangen werden kann.

II. Praxis1. Ausgangslage

Das USG unterscheidet zwischen (nicht geänderten) Altanlagen, auf die Art. 16, 17 und 20 Anwendung finden, und Neuanlagen nach Art. 25 USG. Unbestritten ist, dass sich die Änderung einer nicht sanierungsbedürftigen Altanlage – also einer nicht oder bloss geringfügig Lärm verursachenden Anlage – zu einer lär-migen Anlage stets nach Art. 25 USG richtet.3 Keine ausdrückliche Antwort hält das USG hingegen für die Frage bereit, wie mit Änderungen bestehender sanie-rungsbedürftiger Anlagen zu verfahren ist.

Die LSV regelt unter der Kapitelüberschrift «Neue und geänderte ortsfeste Anlagen» die Emissionsbegrenzungen bei neuen ortsfesten Anlagen in Art. 7 und diejenigen bei geänderten ortsfesten Anlagen in Art. 8. Art. 7 Abs. 1 Bst. b LSV schreibt für neue ortsfeste Anlagen in Übereinstimmung mit Art. 25 Abs. 1 USG die Einhaltung der Planungswerte vor. Für geänderte bestehende ortsfeste An-lagen bestimmt Art. 8 Abs. 1 LSV, dass die Lärmemissionen der neuen oder ge-änderten Anlageteile so weit begrenzt werden, als dies technisch und betrieb-lich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist. Bei einer wesentlichen Änderung sind zusätzlich die Lärmemissionen der gesamten Anlage mindestens so weit zu

3 BGE 123 II 325 E. 4c/aa S. 329; bestätigt in Urteil 1A.111/1998 vom 20. November 1998 E. 3a = URP 1999 264 ff., sowie in BGE 133 II 292 nicht publizierte E. 2.5.1 = URP 2008 3 ff.; siehe auch RobeRt Wolf, Kommentar USG, Art. 25 N. 46 m. w. H.

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begrenzen, dass die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden (Art. 8 Abs. 2 LSV). Als wesentliche Änderungen ortsfester Anlagen gelten nach Art. 8 Abs. 3 LSV «Umbauten, Erweiterungen und vom Inhaber der Anlage verursachte Änderungen des Betriebs, wenn zu erwarten ist, dass die Anlage selbst oder die Mehrbeanspruchung bestehender Verkehrsanlagen wahrnehmbar stärkere Lärm- immissionen erzeugen» (Satz 1). Der Wiederaufbau von Anlagen gilt in jedem Fall als wesentliche Änderung (Satz 2).

In Rechtsprechung und Literatur hat sich bei der Beurteilung von Ände-rungen sanierungspflichtiger Anlagen die Unterteilung in drei Kategorien durch-gesetzt: die wesentliche Änderung, die neubauähnliche Änderung4 bzw. «über-gewichtige Erweiterung» und die unwesentliche Änderung.5

2. Wesentliche Änderung2.1 Unklarer Begriff

Eine wesentliche Änderung einer bestehenden ortsfesten Anlage lag gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung – in Übereinstimmung mit dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 3 LSV – ursprünglich nur dann vor, wenn zu erwarten war, dass durch die Anlage selbst oder durch die Mehrbeanspruchung bestehender Verkehrs- anlagen wahrnehmbar stärkere Lärmimmissionen erzeugt werden,6 die Änderung jedoch noch nicht so gewichtig war, dass die Schwelle zur neubauähnlichen Ände-rung überschritten wurde.7 Die in Art. 18 Abs. 1 USG enthaltenen Begriffe «Umbau» und «Erweiterung», welche nach dieser Bestimmung die Pflicht zur gleichzeitigen Sanierung der gesamten Anlage auslösen, verstand das Bundesgericht in dem Sinn, dass damit nur wesentliche Änderungen nach Art. 8 Abs. 3 LSV gemeint seien.8

Im Rahmen der weiteren bundesgerichtlichen Rechtsprechung blieb es lange Zeit unklar, ob die Erhöhung der Lärmimmissionen eine zwingende Vor-aussetzung für eine wesentliche Änderung darstellt oder nicht:

— Im Urteil Schiessanlage Echarlens hielt das Bundesgericht lapidar fest, «dass die Modernisierung eines alten Schiessstandes durch Einbau einer elektronischen Trefferanzeigeanlage und Einbau von sanitären Einrichtungen eine wesentliche Änderung i. S. v. LSV 8 darstellt».9 Es ging nicht explizit auf das Erfordernis einer Lärmzunahme nach Art. 8 Abs. 3 LSV ein.

4 So AlAin GRiffel / HeRibeRt RAuscH, Kommentar USG, Ergänzungsband, Art. 18 N. 6. Von einer «neubauähnlichen Umgestaltung» spricht RobeRt Wolf, Kommentar USG, Art. 25 N. 47 f.

5 So bereits BGE 115 Ib 456 E. 5a S. 465 f. Siehe auch RobeRt Wolf, Kommentar USG, Art. 25 N. 47.

6 BGE 115 Ib 456 E. 3c S. 463.7 A. a. O., E. 5a S. 466.8 A. a. O., E. 3c S. 463: «Als ‹Umbau› oder ‹Erweiterung› im Sinne von Art. 18 Abs. 1 USG kann je-

doch nicht jede noch so geringfügige Veränderung des bestehenden Zustandes gelten, sondern nur eine Änderung von einer gewissen Bedeutung. Änderungen gelten in lärmmässiger Hin-sicht als wesentlich, wenn zu erwarten ist, dass durch die Anlage selbst oder durch die Mehrbe-anspruchung bestehender Verkehrsanlagen wahrnehmbar stärkere Lärmimmissionen erzeugt werden (Art. 8 Abs. 3 LSV […])».

9 BGE 117 Ib 101 E. 4 S. 104 = Pra 1992 Nr. 132.

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— Im Urteil Schiessanlage Reinach führte das Bundesgericht aus, dass der Einbau einer elektronischen Trefferanzeige gemäss seiner Rechtsprechung eine wesent-liche Änderung nach Art. 8 Abs. 2 LSV darstelle.10

— Im Urteil Schiessanlage Risch verneinte das Bundesgericht jedoch in einem ähnlich gelagerten Fall eine wesentliche Änderung und erwog: «Im Fall Reinach wurde die Installation einer [elektronischen Trefferanzeige] namentlich deshalb als wesentliche Änderung gemäss Art. 8 Abs. 2 LSV bezeichnet, weil mit der Trefferanzeigeanlage eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Schiessanlage bezweckt wurde. Es war daher im Sinne von Art. 8 Abs. 3 LSV zu erwarten, dass die Schiessanlage ‹wahrnehmbar stärkere Lärmimmissionen erzeugen› werde […]. In dieser Beziehung unterscheidet sich der vorliegende Fall vom Fall Reinach; mit dem Einbau der Trefferanzeigeanlage wird nicht bezweckt, die Schusszahl zu erhöhen. Es sollen vielmehr mit ihrer Hilfe und bei im wesentlichen gleicher Schusszahl die Schiesszeiten reduziert werden.»11

— Wiederum nicht explizit angesprochen wurde das Erfordernis der Erhöhung der Lärmimmissionen im Urteil Flughafen Zürich I, wo die Erstellung eines zu-sätzlichen Docks für 18 bis 27 Flugzeuge, der Ausbau des Flughafenbahnhofs und der Bau eines zusätzlichen Parkhauses als wesentliche Änderung qualifi-ziert wurden, weil damit insgesamt eine Kapazitätserhöhung des Flughafens um schätzensweise 13–14 Prozent einherging.12

— Im Urteil Schiessanlage Emmen bejahte das Bundesgericht eine wesentliche Änderung anlässlich einer deutlichen Kapazitätserweiterung, obwohl diese ver-bunden mit einer Reduktion der Schiesshalbtage eine spürbare Herabsetzung der Lärmbelastung erlaubte.13

Im Urteil Autobahnanschluss Zürich-Schlieren schaffte das Bundesgericht schliess-lich hinsichtlich der Frage, ob für eine wesentliche Änderung eine Zunahme der Lärmbelastung nötig ist, Klarheit und erkannte – unter Hinweis auf eine über-wiegende Auffassung in der Literatur –, dass eine Erhöhung der Lärmimmissi-onen keine zwingende Voraussetzung sei. Es müsse aufgrund einer gesamthaf-ten Betrachtung entschieden werden, ob eine Änderung gewichtig genug sei, um als «wesentlich» qualifiziert und den Rechtsfolgen von Art. 18 USG i. V. m. Art. 8 Abs. 2 LSV unterstellt zu werden. Zu berücksichtigen seien insbesonde-re der Umfang der baulichen Massnahmen und die Kosten: Kämen diese einem Neubau bzw. einem Wiederaufbau nahe (i. S. v. Art. 8 Abs. 3 Satz 2 LSV), so sei die Änderung in der Regel als wesentlich einzustufen, auch wenn die Anlage gleichzeitig saniert werde und damit die Lärmemissionen reduziert würden.14 Eine wesentliche Änderung sei in der Regel auch dann anzunehmen, wenn das Projekt die Lebensdauer der Gesamtanlage erheblich verlängere.15

10 BGer 1A.255/1991 vom 9. Juni 1992 E. 3d = URP 1992 624 ff.11 BGE 119 Ib 463 E. 7a S. 476.12 BGE 124 II 293 E. 16b S. 327 f.13 BGE 133 II 181 E. 7.2 S. 201.14 BGE 141 II 483 E. 4.3 ff. S. 490 ff. 15 A. a. O., E. 4.6 S. 492 f.; in diesem Sinn bereits BVerwGer A-6536/2010 vom 23. August 2011

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2.2 Unklare gesetzliche Grundlage2.2.1 Von Art. 8 LSV

Das Bundesgericht hat die Frage der Gesetzeskonformität von Art. 8 LSV nie ex-plizit beantwortet. In der Regel ging es aber davon aus, dass diese Bestimmung zur Klärung der Frage dient, ob eine Anlage sofort zu sanieren ist – und betrach-tete sie damit als Ausführungsvorschrift zu Art. 18 USG.16

Ob für Art. 8 Abs. 2 LSV, der für wesentlich geänderte Anlagen nur die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte – statt der Planungswerte wie bei Neuan-lagen nach Art. 25 USG – vorsieht, eine gesetzliche Grundlage in Art. 18 USG, Art. 25 USG oder in beiden Bestimmungen zusammen besteht, wurde im Urteil Schreinereibetrieb Schmitten ausdrücklich offengelassen.17 Im Urteil Flughafen Luga-no-Agno wollte sich das höchste Gericht noch immer nicht festlegen: Es bezeichnete Art. 8 Abs. 2 LSV jedoch als eine pragmatische und leicht anwendbare Lösung, die gleichzeitig den Zweck von Art. 18 USG und Art. 25 USG berücksichtige.18 Im Urteil Autobahnanschluss Zürich-Schlieren sprach das Bundesgericht schliesslich ausdrücklich von den «Rechtsfolgen von Art. 18 USG i. V. m. Art. 8 Abs. 2 LSV».19

2.2.2 Von Art. 10 und 11 LSVArt. 10 Abs. 1 LSV verpflichtet die Eigentümer der lärmbelasteten bestehenden Gebäude, die Fenster lärmempfindlicher Räume gegen Schall zu dämmen, wenn bei wesentlich geänderten Anlagen die Immissionsgrenzwerte nicht eingehalten werden können; Art. 11 Abs. 1 LSV statuiert die Kostentragungspflicht des An-lageinhabers. In dieser Hinsicht stellt die LSV damit wesentlich geänderte Altan-lagen neuen Anlagen gleich. In der Praxis wurden diese Verordnungsartikel stets angewendet. Allerdings scheint dem Bundesgericht die Frage ihrer gesetzlichen Grundlage bis heute Unbehagen zu bereiten.

Im Urteil Flughafen Zürich I stützte das Bundesgericht die Möglichkeit, im Rahmen einer wesentlichen Änderung Erleichterungen zu gewähren, auf Art. 18 in Verbindung mit Art. 17 USG.20 Im Übrigen legte es dar, dass Erleichterungen, wie sie für bestehende öffentliche und konzessionierte Anlagen nach Art. 20 USG über den Alarmwert hinaus zugestanden werden können, auch für wesentlich geänderte öffentliche und konzessionierte Anlagen zu gewähren seien. In jedem Fall müssten aber die vom Lärm betroffenen Gebäude auf Kosten des Eigentü-

E. 2.6.2. In BGer 1C_104/2017 vom 25. Juni 2018 E. 6.4, 6.6 bestätigt: Eine Kapazitätserweite-rung gilt zusammen mit einer wesentlichen Verlängerung der Lebensdauer einer Anlage unab-hängig von einer Veränderung der Lärmsituation als wesentliche Änderung.

16 Siehe etwa BGE 115 Ib 446 E. 4c S. 455 f. Unlängst bezeichnete das Bundesgericht Art. 8 LSV im Urteil Autobahnanschluss Zürich-Schlieren (BGE 141 II 483 E. 3.3 S. 488) ausdrücklich als Kon-kretisierung von Art. 18 USG.

17 BGE 115 Ib 456 E. 5b f. S. 466 ff.18 BGE 125 II 643 E. 17b S. 671 f.: «Detta norma appare peraltro come una soluzione pragmatica

e agevolmente applicabile; essa considera nello stesso tempo tanto lo scopo dell’art. 18 LPAmb […], quanto quello dell’art. 25 LPAmb […].» Dies entspricht der von AemiseGGeR vertretenen Ansicht (Heinz AemiseGGeR, Aktuelle Fragen des Lärmschutzrechts in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, URP 1994 441, S. 453 f.).

19 BGE 141 II 483 E. 4.6 S. 492.20 BGE 124 II 293 E. 17 S. 328 f. Die gesetzliche Grundlage für eine ausnahmsweise Erleichterung

bei einer wesentlichen Änderung sah das Bundesgericht auch in BGer 1C_6/2017 vom 25. Okto-ber 2017 E. 2.1 in Art. 17 USG.

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mers der Anlage durch Schallschutzfenster oder ähnliche bauliche Massnahmen geschützt werden. Als Rechtsgrundlagen führte das Gericht «Art. 20 Abs. 2 USG in Verbindung mit Art. 10, 11 und 16 Abs. 2 LSV sowie für neue Anlagen Art. 25 Abs. 3 USG» an.21

Im Urteil Flugplatz Lugano-Agno stellte sich das Bundesgericht dann aber auf den Standpunkt, dass passive Schallschutzmassnahmen an lärmbetroffenen Gebäuden bei einer wesentlichen Änderung einer ortsfesten Anlage nach den gleichen Kriterien wie bei einer Neuanlage zu treffen seien, zumal sich Art. 10 und 11 LSV nicht auf Art. 20 Abs. 2 USG beziehen würden.22

Diesen Weg weiter beschreitend, äusserte sich das Bundesgericht im Ur-teil Flughafen Zürich II wie folgt: «Werden dagegen […] Anlagen und Betrieb we-sentlich geändert und damit vorzeitig sanierungspflichtig, treten die ebenfalls ab Überschreitung des Immissionsgrenzwertes zu treffenden umweltschutzrechtli-chen Massnahmen (Art. 25 Abs. 3 USG) in den Vordergrund.»23

Im Urteil Flughafen Zürich III scheint das Bundesgericht die Kostentra-gungspflicht des Inhabers der wesentlich geänderten Anlage für passive Schall-schutzmassnahmen dann aber wieder nur auf Art. 20 Abs. 2 i. V. m. Art. 10 LSV abzustellen. Zugleich erklärte es jedoch – ohne weiter auf die gesetzliche Grundla-ge einzugehen –, dass diese bereits ab Überschreitung der Immissionsgrenzwerte zum Tragen komme.24

Im Urteil Autobahnanschluss Zürich-Schlieren schliesslich stützte das Bundesgericht die Pflicht zur Ergreifung von passiven Schallschutzmassnahmen auf die Verordnungsbestimmungen, ohne näher auf die Frage der gesetzlichen Grundlage einzugehen:25 «Die Lärmimmissionen wesentlich geänderter oder er-weiterter Anlagen müssen die Immissionsgrenzwerte einhalten und nicht – wie bei Neuanlagen gemäss Art. 25 Abs. 1 USG – die Planungswerte. Werden jedoch Erleichterungen erteilt, müssen – wie bei Neubauten gemäss Art. 25 Abs. 3 USG – ab Überschreitung der Immissionsgrenzwerte Schallschutzmassnahmen an be-stehenden Bauten angeordnet und vom Eigentümer der lärmigen Anlage finanziert werden (Art. 8 Abs. 2 i. V. m. Art. 10 und 11 LSV).»26

3. Neubauähnliche ÄnderungRechtsprechung und Literatur anerkennen als «Steigerung» zur wesentlichen Än-derung eine Kategorie von Änderungen sanierungspflichtiger Altanlagen, welche weder durch das USG noch durch die LSV ausdrücklich vorgesehen ist: die neu-bauähnliche Änderung bzw. «neubauähnliche Umgestaltung» oder «übergewich-tige Erweiterung». Die solchermassen geänderte Altanlage wird vollumfänglich einer neuen Anlage gleichgestellt und folgt daher dem strengeren Regime von Art. 25 USG.

21 BGE 124 II 293 E. 17 S. 328 f. Die vom Bundesgericht angeführten Rechtsnormen stehen zu sei-nen Erwägungen allerdings im Widerspruch, da Art. 10 Abs. 1 LSV die Pflicht, lärmbetroffene Gebäude durch Schallschutzfenster o. ä. zu schützen, auch bei wesentlich geänderten ortsfesten Anlagen ab Überschreitung der Immissionsgrenzwerte vorsieht.

22 BGE 125 II 643 E. 17d S. 674.23 BGE 130 II 394 E. 9.2 S. 411 f.24 BGE 136 II 263 E. 8.2 S. 271 f.25 Vgl. dazu die berechtigte Kritik von AlAin GRiffel, Anmerkung zum Urteil des Bundesge-

richts vom 14. Oktober 2015 (1C_506/2014) [= BGE 141 II 483], URP 2016 1, S. 22 f.26 BGE 141 II 483 E. 3.3.2 S. 489.

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Bereits im Urteil Schreinereibetrieb Schmitten hielt das Bundesgericht fest, dass bestehende Anlagen, deren Zweck vollständig geändert wird (Art. 2 Abs. 2 LSV), sowie bestehende Anlagen, die baulich oder betrieblich derart weit-gehend verändert werden, dass das Bestehende in lärmmässiger Hinsicht im Ver-gleich zum Neuen nur noch von untergeordneter Bedeutung ist («vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft als ‹übergewichtige Erweiterung› bezeichnet»), als Neuanlagen gelten.27

Der Gehalt der neubauähnlichen Änderung wurde vom Bundesgericht im Urteil Betonaufbereitungsanlage Avegno genauer gefasst: «Es kann nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber, als er für die ‹Errichtung› ortsfester Anlagen die Einhaltung der Planungswerte vorschrieb, nicht nur die Errichtung einer vorher noch nicht bestehenden neuen Anlage im Auge hatte, sondern auch bestehende Anlagen erfassen wollte, welche in konstruktiver und funktionaler Beziehung soweit verändert werden, dass das, was von der bisherigen Anlage weiterbesteht, von geringerer Bedeutung erscheint als der erneuerte Teil.» Bei der Abgrenzung komme es primär auf «die ökologischen Aspekte und die Aspekte des Lärmschut-zes und die dem Gesetz zugrunde liegende Zielsetzung der Vorsorge» an. «Es genügt die Feststellung, dass LSV 8 nicht alle Fälle von Änderungen von beste-henden ortsfesten Anlagen regelt, sondern nur jene Fälle, welche der Errichtung einer neuen Anlage nicht gleichgestellt werden können; mit der Aussage, dass der ‹Wiederaufbau› einer Anlage immer als ‹wesentliche Änderung› zu gelten habe, will Satz 2 von Abs. 3 nur eine Mindestanforderung festlegen im Hinblick auf jene Fälle, wo ein Wiederaufbau allenfalls nicht durch USG 25 und LSV 7 erfasst werden könnte […].»28 Ob eine neubauähnliche Änderung vorlag, beurteilte das Bundesgericht sowohl mit Blick auf die vom Bauherrn geltend gemachten Beweg-gründe für den Umbau («subjektive Betrachtungsweise») als auch unter Berück-sichtigung der «objektiven Gegebenheiten des Projekts», etwa in konstruktiver und funktionaler Hinsicht.29

Obschon die Figur der neubauähnlichen Änderung bzw. «übergewichti-gen Erweiterung» seither im Rahmen der lärmschutzrechtlichen Beurteilung einer sanierungspflichtigen Anlage regelmässig herangezogen wird, bleibt der zitierte Bundesgerichtsentscheid Betonaufbereitungsanlage Avegno, in dem das Vorliegen einer solchen tatsächlich bejaht wurde (Wiederaufbau einer Betonaufbereitungs-anlage), augenfällig singulär. Angesichts der mangelnden Kasuistik erscheint die Bedeutung der Figur der neubauähnlichen Änderung sanierungspflichtiger Altanlagen – mit Ausnahme des Wiederaufbaus von Gebäuden30 – weitgehend unklar. Sie ist aufgrund des (zumindest im Grenzbereich zur neubauähnlichen Änderung) weiten Verständnisses der «wesentlichen Änderung» als eher margi-nal einzuschätzen.

27 BGE 115 Ib 456 E. 5a S. 466.28 BGE 116 Ib 435 E. 5d/bb S. 443 ff. = Pra 1992 Nr. 32. 29 A. a. O.30 Dieser wird in der Literatur als prototypisches Beispiel für eine «neubauähnliche Änderung» ge-

nannt: siehe z. B. RobeRt Wolf, Kommentar USG, Art. 25 N. 48.

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4. Unwesentliche ÄnderungDie unwesentliche Änderung schliesslich lässt sich ihrer Bezeichnung entspre-chend negativ fassen: als Änderung, die keine wesentliche Änderung – und damit erst recht keine neubauähnliche Änderung – darstellt.

Die unwesentliche Änderung löst gemäss bundesgerichtlicher Rechtspre-chung keine (sofortige) Sanierungspflicht für die bestehenden Anlageteile aus.31 Nach Art. 8 Abs. 1 LSV müssen bloss die Lärmemissionen der neuen oder geän-derten Anlageteile so weit begrenzt werden, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist.32 Die unwesentlich geänderte Gesamt-anlage bleibt damit auch nach der vollzogenen Änderung vollumfänglich dem Sanierungsrecht unterstellt und verliert ihren Status als altrechtliche Anlage im Sinne des USG nicht. Für die Sanierung der bestehenden Anlageteile bleibt es daher bei den Vorgaben von Art. 16, 17 und 20 USG. Spezifisch in Bezug auf den Schutz lärmbetroffener Gebäude in der Umgebung von Strassen, Flughäfen oder anderen öffentlichen oder konzessionierten ortsfesten Anlagen bedeutet dies, dass erst ab Erreichen des Alarmwerts passive Schallschutzmassnahmen getrof-fen werden müssen und es dem Anlageinhaber zudem möglich ist, sich von der Kostentragungspflicht zu befreien.

Nicht als wesentliche Änderung betrachtete das Bundesgericht beispiels-weise die Ergänzung einer Sportanlage durch ein zweites Betriebsgebäude mit Duschräumen, Garderoben und einem Aufenthaltsraum, da nach seiner Ansicht die Lärmsituation nicht beeinflusst und allfällige Sanierungsmassnahmen nicht erschwert wurden.33 Keine wesentliche Änderung sah das Bundesgericht auch bei geplanten Bauten eines Flughafens, die für sich allein keine Erhöhung der Fluglärmbelastung bewirkten.34

III. Problem: Gesetzeskonformität von Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV

Wie gezeigt wurde, bleibt die Frage der Gesetzeskonformität von Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV auch mehr als 30 Jahre nach Inkrafttreten der LSV weitgehend unbeantwor-tet. In der Tat ist sogar unklar, auf welche gesetzliche Grundlage sich Art. 8 LSV überhaupt stützt – auf Art. 18 USG, Art. 25 oder gar auf beide. Im Folgenden wird geprüft, ob Art. 8 LSV als Ausführungsbestimmung zu Art. 18 oder 25 USG an-gesehen werden muss und inwiefern diese als gesetzliche Grundlage genügen.

1. In Bezug auf Art. 18 USGArt. 18 USG trägt die Überschrift «Umbau und Erweiterung sanierungsbedürfti-ger Anlagen» und ist im 3. Abschnitt des Immissionsschutz-Kapitels verortet, der den Titel «Sanierungen» trägt. Abs. 1 bestimmt, dass eine sanierungsbedürftige Anlage nur umgebaut oder erweitert werden darf, wenn sie gleichzeitig saniert

31 BGE 141 II 483 E. 3.3.1 S. 388 f.32 AdRiAn GossWeileR vertritt in URP 2018 600, S. 612 ff., die Auffassung, dass bei unwesent-

lichen Änderungen einer sanierten Anlage eine Beschränkung lediglich auf das Vorsorge-prinzip entgegen dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 LSV nicht zulässig sei, sondern auch Art. 11 Abs. 3 USG (verschärfte Emissionsbegrenzung) zur Anwendung gelange.

33 BGE 115 Ib 446 E. 4b f. S. 454 ff.34 BGer 1C_372/2009 vom 18. August 2010 E. 3.2.

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wird. Gemäss Abs. 2 können Erleichterungen nach Art. 17 USG eingeschränkt oder aufgehoben werden.

Wird Art. 8 Abs. 2 LSV als Ausführungsvorschrift zu Art. 18 Abs. 1 USG verstanden, so beschränkt sich die Pflicht zur sofortigen Sanierung der gesamten Anlage auf wesentliche Änderungen. Vor diesem Hintergrund ist Art. 8 Abs. 1 LSV konsequenterweise so zu lesen, dass bei Änderungen an bestehenden Anlagen, welche die Schwelle zur Wesentlichkeit nicht überschreiten, die Pflicht zur vor-sorglichen Emissionsbegrenzung nur bei den neuen oder geänderten Anlagetei-len ausgelöst wird.35

Dieser Auffassung ist allerdings Folgendes entgegenzuhalten: Der Verord-nungsgeber hatte fraglos ein legitimes Interesse daran, die Begriffe des Umbaus und der Erweiterung nach Art. 18 USG zu präzisieren, damit die gleichzeitige Sa-nierungspflicht nicht bei «jeder noch so geringen Veränderung des bestehenden Zustandes»36 ausgelöst wird. Gleichwohl ist nicht ersichtlich, warum er den Begriff der wesentlichen Änderung in Art. 8 Abs. 3 LSV gleichzeitig derart restriktiv de-finierte, dass Umbauten, Erweiterungen und vom Inhaber der Anlage verursachte Änderungen des Betriebs nur dann darunter fallen, «wenn zu erwarten ist, dass die Anlage selbst oder die Mehrbeanspruchung bestehender Verkehrsanlagen wahrnehmbar stärkere Lärmimmissionen erzeugen».37 Denn Art. 18 Abs. 1 USG äussert sich nicht materiell zum Umfang der vorzunehmenden Sanierung, sondern betrifft den Zeitpunkt der Sanierung, indem er ihn im Fall eines Umbaus oder einer Erweiterung einer sanierungspflichtigen Anlage ungeachtet der Sanierungs-fristen vorverschiebt, nämlich auf den Zeitpunkt, in dem die (vom Inhaber der Anlage initiierte) Änderung der Anlage erfolgt. Der Gesetzgeber gewichtete das Interesse des Anlageinhabers am Schutz seiner Investitionen und damit am Erhalt des bestehenden (gesetzeswidrigen) Zustands bis zum Ablauf der Sanierungsfrist geringer als das öffentliche Interesse an einer sofortigen Sanierung, wenn der Anlageinhaber selber eine Änderung am bestehenden Zustand vornimmt, die-sen gewissermassen freiwillig aufgibt. Auf das Kriterium von Art. 8 Abs. 3 LSV, nämlich die Erhöhung der Lärmimmissionen und damit die Verschlechterung des gesetzeswidrigen Zustands, kann es hierbei nicht ankommen: Aus Gründen der Wettbewerbsneutralität38 soll ein Anlageinhaber seine Anlage nicht beliebig modernisieren und in ihrer Effizienz steigern können, solange nur das bisherige Mass an Lärmimmissionen nicht überschritten wird. In diesem Kontext erschiene auch der zweite Satz von Art. 8 Abs. 3 LSV windschief, der besagt, dass der Wie-deraufbau von Anlagen in jedem Fall als wesentliche Änderung gilt, würde dies doch nichts anderes bedeuten als die sofortige Auslösung der Sanierungspflicht bei einer Anlage, die in diesem Moment gar nicht mehr besteht.

Die Annahme liegt deshalb nahe, dass der Verordnungsgeber mit Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV gewisse Sachverhalte in materieller Hinsicht regeln wollte; die genannten Verordnungsbestimmungen könnten damit als Ausführungsvor-schriften zu Art. 18 Abs. 2 USG verstanden werden. Dies würde bedeuten, dass

35 So AlexAndeR züRcHeR, Die vorsorgliche Emissionsbegrenzung nach dem Umweltschutzge-setz, Diss. Basel, Zürich 1995/1996, S. 157 f.

36 AndRé scHRAde, Kommentar USG [1. Aufl.], Art. 18 N. 13.37 Kritisch auch RobeRt Wolf, Kommentar USG, Art. 25 N. 48 (erster Spiegelstrich).38 Botschaft zu einem Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG) vom 31. Oktober 1979,

BBl 1979 III 749, S. 798.

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wesentlich geänderte Anlagen in jedem Fall die Immissionsgrenzwerte einhal-ten müssten, ohne die Möglichkeit von Erleichterungen nach Art. 17 USG.39 Die «wesentliche Änderung» wäre gewissermassen die Schwelle, ab welcher dem An-lageinhaber materielle Sanierungserleichterungen entzogen bzw. von vornherein nicht gewährt würden. Nach Art. 10 Abs. 1 LSV sind Erleichterungen über den Immissionsgrenzwert hinaus bei wesentlich geänderten bestehenden Anlagen nur noch möglich, wenn es sich dabei um eine öffentliche oder konzessionierte ortsfeste Anlage handelt.

Ein solches Verständnis von Art. 8 LSV würde zumindest die restriktive Definition des Begriffs der wesentlichen Änderung in dessen Abs. 3 erklären, da der Verlust von materiellen Sanierungserleichterungen für einen Anlageinhaber in der Regel einschneidende Konsequenzen hat, welche nicht bei jeder Änderung der bestehenden Anlage ausgelöst werden sollten.

Gegen eine solche Interpretation von Art. 8 LSV spricht jedoch Folgendes:

— Erstens besteht ein Widerspruch darin, dass bei einer wesentlichen Änderung einer bestehenden Anlage von einer («verschärften») Sanierung ausgegangen würde, weitergehende Erleichterungen allerdings nur noch nach den Vorausset-zungen von Art. 10 Abs. 1 LSV möglich wären: Dieser verpflichtet – i. V. m. Art. 8 Abs. 2 LSV – die Eigentümer lärmbelasteter bestehender Gebäude, die Fenster lär-mempfindlicher Räume ab Immissionsgrenzwertüberschreitung gegen Schall zu dämmen und findet seine gesetzliche Grundlage damit nicht in Art. 18, sondern in Art. 25 Abs. 3 USG. Damit gälte die wesentliche Änderung einer bestehenden Anlage zwar als «Errichtung» im Sinn von Art. 25 Abs. 3 USG, nicht jedoch als «Errichtung» im Sinn von Art. 25 Abs. 1 USG, was wiederum in sich widersprüch-lich ist. Die wesentlich geänderte bestehende ortsfeste Anlage hätte weder den Status einer altrechtlichen noch denjenigen einer neurechtlichen Anlage und näh-me eine Hybridstellung ein, welche im Gesetz in keiner Weise vorgezeichnet ist.

— Zweitens lässt sich der systematischen Einordnung von Art. 8 LSV kein Hin-weis darauf entnehmen, dass die von dieser Bestimmung erfassten Tatbestände in irgendeiner Form als Sanierungsvorschriften verstanden werden sollten. Im Gegenteil: Art. 8 LSV befindet sich im 3. Kapitel «neue und geänderte ortsfeste Anlagen», während sich das 4. Kapitel «bestehende ortsfeste Anlagen» im ersten Abschnitt mit «Sanierungen und Schutzmassnahmen» befasst. Hätte der Verord-nungsgeber mit Art. 8 Abs. 2 LSV tatsächlich eine «verschärfte» Sanierungspflicht gegenüber einer «ordentlichen» Sanierung begründen wollen, so hätte er diese im Anschluss an Letztere ins 4. Kapitel eingliedern müssen.40

39 In diesem Sinn AemiseGGeR (Fn. 18), S. 453. Dieses Verständnis liegt wohl auch dem Entscheid des BVerwGer A-2575/2013 vom 17. September 2014 zugrunde, welcher von einer «verschärften Sanierungspflicht» bei wesentlichen Änderungen spricht, bei deren Vorliegen Erleichterungen nur noch in Ausnahmefällen gewährt werden dürfen (E. 4.1, 5.7, 5.8), sowie dem auf diesem ba-sierenden Urteil Autobahnanschluss Zürich-Schlieren des Bundesgerichts (BGE 141 II 483), nicht publizierte E. 6.4 (abgedruckt in URP 2016 1, S. 15).

40 Der enge Bezug zu den Neuanlagen wird noch deutlicher, wenn man die Entstehungsgeschichte der Verordnungsbestimmung betrachtet: Der Entwurf zu Art. 8 Abs. 3 LSV (Art. 16 Abs. 3 E-LSV) war im Wortlaut fast deckungsgleich mit Art. 2 Abs. 4 der Luftreinhalteverordnung (LRV), wel-cher Kriterien für Änderungen festlegt, nach denen Anlagen «als neue Anlagen» gelten.

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— Drittens wäre Art. 8 Abs. 2 LSV wohl auch auf eine erneute wesentliche Än-derung bei einer wesentlich geänderten Anlage anwendbar. Dies hätte zur Folge, dass eine vor 1985 erstellte Anlage – unterhalb der Schwelle zur neubauähnli-chen Änderung – beliebig oft einer wesentlichen Änderung unterzogen werden könnte, ohne dass jemals Art. 25 USG zur Anwendung gelangte. Dies würde eine krasse Umgehung des für neue Anlagen geltenden Rechts darstellen, welche vom Verordnungsgeber wohl kaum intendiert war.

Im Übrigen ist nicht zu übersehen, dass der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 LSV sehr weit von jenem von Art. 18 USG entfernt ist – kein einziger der in Art. 18 USG vor-kommenden relevanten Begriffe («Umbau», «Erweiterung», «Sanierung», «gleich-zeitig», «Erleichterungen», «Einschränkung» oder «Aufhebung») ist darin ent-halten.41 Dass die einzige Parallele zwischen den beiden Bestimmungen – das Anknüpfen einer Rechtsfolge für die gesamte bestehende Anlage an eine (nicht im Entferntesten übereinstimmend formulierte) Änderung – zum Anlass genom-men wird, Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV als Ausführungsbestimmungen zu Art. 18 USG zu verstehen, stellt unseres Erachtens angesichts der aufgezeigten Widersprüche eine Überinterpretation dar. Wir kommen deshalb zum Ergebnis, dass es sich bei Art. 8 LSV nicht um eine Ausführungsvorschrift zu Art. 18 USG handelt.

2. In Bezug auf Art. 25 USGNach unserem Dafürhalten muss Art. 8 LSV als Ausführungsvorschrift zu Art. 25 USG gelesen werden, und zwar aus folgenden Gründen:

— Das erste starke Indiz ist die systematische Stellung von Art. 8 LSV im Kapitel über «Neue und geänderte ortsfeste Anlagen» anstatt in jenem über «Bestehende ortsfeste Anlagen», welches Sanierungen zum Gegenstand hat. Da Art. 7 LSV, der unzweifelhaft eine Ausführungsbestimmung zu Art. 25 Abs. 1 und 2 USG dar-stellt, nicht deckungsgleich mit diesem ist, indem er von «neuen ortsfesten Anla-gen» und nicht wie Art. 25 USG von der «Errichtung ortsfester Anlagen» spricht, liegt der Schluss nahe, dass der Verordnungsgeber den Begriff der «Errichtung» in Art. 7 und 8 LSV näher definieren wollte. Dies tat er in zwei verschiedenen Artikeln, da er der Meinung war, dass bei umgebauten oder erweiterten Anlagen «weniger strenge Anforderungen eingehalten werden [müssen] als bei vollstän-dig neuen Anlagen»42. Die Vermutung, dass es sich bei Art. 7 und 8 LSV um eine Konkretisierung des Begriffs der Errichtung nach Art. 25 USG handelt, erhärtet sich beim Vergleich von Art. 25 Abs. 3 USG und dessen Ausführungsvorschrift, Art. 10 Abs. 1 LSV: Während Ersterer den Schutz der vom Lärm betroffenen Ge-bäude durch Schallschutzfenster oder ähnliche bauliche Massnahmen vorschreibt, wenn «bei der Errichtung von […] Anlagen […] die Immissionsgrenzwerte nicht

41 Entsprechend verwendete auch der Bundesrat in seiner Botschaft den Begriff «wesentlich» nur be-treffend die Änderung bestehender Anlagen im Rahmen von Art. 22 E-USG (heute: Art. 25 USG) (Botschaft USG [Fn. 38], S. 800).

42 EDI, Bericht zum Entwurf einer Verordnung über den Lärmschutz bei ortsfesten Anlagen (LSV) vom Januar 1985, S. 20. Etwas widersprüchlich erscheint in diesem Zusammenhang die darauf folgende Aussage im Bericht, dass mit dieser Bestimmung «zugleich Artikel 18 USG Rechnung getragen [wird], wonach sanierungspflichtige Anlagen gleichzeitig mit ihrem Umbau oder ihrer Erweiterung zu sanieren sind» (a. a. O.).

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eingehalten werden […]» können, sieht Letzterer dieselbe Rechtsfolge vor, wenn «bei neuen oder wesentlich geänderten […] Anlagen die [den Immissionsgrenzwer-ten entsprechenden] Anforderungen nach den Art. 7 Abs. 2 und 8 Abs. 2 oder nach Art. 9 nicht eingehalten werden» können.43

— Zweitens wird bei diesem Verständnis vermieden, dass Anlagen mit einer Hy-bridstellung zwischen altrechtlichen und neurechtlichen Anlagen entstehen:44 Dass Art. 10 Abs. 1 LSV bei wesentlich geänderten Anlagen Erleichterungen über die Immissionsgrenzwerte hinaus nur unter den Voraussetzungen von Art. 25 Abs. 3 USG zulässt, stellt hier keinen Widerspruch, sondern eine logische Kon-sequenz dar.

— Drittens hat eine wesentliche Änderung i. S. v. Art. 8 Abs. 2 LSV gemäss der Definition von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 LSV stets eine wahrnehmbare Erhöhung der Lärmimmissionen zur Folge. Die genannten Bestimmungen haben folglich die Beurteilung neuer Lärmimmissionen zum Gegenstand, also solcher, die vor dem Inkrafttreten des USG noch gar nicht bestanden. Dass neue Lärmimmissionen nach dem zum Zeitpunkt der wesentlichen Änderung geltenden Recht beurteilt werden, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Wird die wesentliche Änderung als Anwendungsfall von Art. 25 USG verstanden, ergibt sodann auch die Bezeich-nung des Wiederaufbaus als solche in Art. 8 Abs. 3 Satz 2 LSV Sinn.

Allerdings sind Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV auch mit Art. 25 USG nicht vollständig kompatibel:45

— Der erste Widerspruch ist offensichtlich: Während Art. 25 Abs. 1 USG bei der Erstellung ortsfester Anlagen die Einhaltung der Planungswerte vorschreibt, be-gnügt sich Art. 8 Abs. 2 LSV bei wesentlich geänderten ortsfesten Anlagen mit der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte. Art. 8 Abs. 2 LSV stellt damit eine generelle Erleichterung im Sinn von Art. 25 Abs. 2 USG zugunsten aller bestehen-den ortsfesten Anlagen dar, die wesentlich geändert wurden;46 die Unverhältnis-mässigkeit der Belastung des Projekts bei Einhaltung der Planungswerte und das überwiegende öffentliche Interesse an der Anlage, welche nach Art. 25 Abs. 2 USG Voraussetzungen für Erleichterungen bis zum Immissionsgrenzwert sind, nahm der Verordnungsgeber von vornherein als erfüllt an. Für solch generelle Erleich-terungen unabhängig vom Einzelfall lässt Art. 25 Abs. 2 USG allerdings keinen Raum. Diese Abweichung von Art. 25 Abs. 1 und 2 USG ist dafür verantwortlich,

43 Hervorhebung jeweils hinzugefügt.44 Siehe vorn, III.1.45 Kritisch zur Gesetzeskonformität von Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV in Bezug auf Art. 25 USG auch

AlAin GRiffel, Umweltrecht – in a nutshell, Zürich/St. Gallen 2015, S. 112; RobeRt Wolf, Kommentar USG, Art. 25 N. 48.

46 In diesem Sinn auch uRs WAlkeR, Änderung von lärmigen Anlagen – Errichtung oder Sanie-rung?, URP 1994 432, S. 439. Ebenso AdRiAn WAlpen, Bau und Betrieb von zivilen Flughäfen – Unter besonderer Berücksichtigung der Lärmproblematik um den Flughafen Zürich, Diss Frei-burg, Zürich/Basel/Genf 2005, S. 274; AdRiAn GossWeileR, Entschädigungen für Lärm von öffentlichen Verkehrsanlagen – Elemente für eine Neuordnung durch den Gesetzgeber, Diss. Zürich, Zürich/Basel/Genf 2014, Rz. 253, wobei die beiden Letztgenannten Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV primär als Ausführungsvorschrift von Art. 18 USG behandeln.

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dass die Figur der «neubauähnlichen Änderung» bzw. «übergewichtigen Erwei-terung» überhaupt erst geschaffen werden musste.

Nebenbei sei bemerkt, dass die Pflicht zur Einhaltung (lediglich) der Im-missionsgrenzwerte nach Art. 8 Abs. 2 LSV auch für nicht sanierungspflichtige bestehende Anlagen gilt, welche zwar die Planungswerte nicht einhalten, jedoch nicht wesentlich zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte in der Umgebung beitragen (Art. 13 Abs. 1 LSV e contrario). Diese erhalten mit Art. 8 Abs. 2 USG sogar die Möglichkeit, neue Lärmimmissionen zu erzeugen, mit der Folge, dass die Lärmbelastung in der Umgebung insgesamt erhöht wird.47

— Die zweite Inkongruenz liegt in Art. 8 Abs. 3 Satz 1 LSV begründet, welcher die wesentliche Änderung von einer Zunahme der Lärmimmissionen abhängig macht. Denn auch rein bauliche Massnahmen ohne Einfluss auf die Lärmbelas-tung in der Umgebung können eine bestehende Anlage derart verändern, dass sie als Anlage im Sinn von Art. 25 USG zu qualifizieren ist – man erinnere sich an die Definition der «neubauähnlichen Änderung» bzw. «übergewichtigen Er-weiterung»48. Die Vorgängerbestimmung von Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV im Ver-nehmlassungsentwurf, Art. 16 Abs. 3 VE-LSV, erfasste auch noch Umbauten und Erweiterungen, welche die Kosten für eine neue Anlage um mehr als die Hälfte überschreiten, und lag damit etwas näher an Sinn und Zweck von Art. 25 USG.49

Da Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV nach dem Gesagten mit der gesetzlichen Ordnung in mehrfacher Hinsicht im Konflikt stehen, muss unserer Meinung nach das auf geänderte Altanlagen anwendbare lärmschutzrechtliche Regime unmittelbar aus dem USG abgeleitet werden.50

IV. Lösung: Beurteilung geänderter ortsfester Alt-anlagen nach dem USG

In Praxis und Literatur führt die Abgrenzung zwischen Art. 18 und 25 USG im-mer wieder zu Problemen. Dass die mit dem Gesetz inkompatible LSV-Systema-tik das Verständnis des USG entscheidend geprägt hat, war dabei keine Hilfe. Im Folgenden werden wir aufzeigen, wie diese beiden Gesetzesartikel gelesen werden können, damit – trotz Schnittstellen – beiden ein eigener und sinnvoller Anwendungsbereich verbleibt.

1. Tragweite von Art. 25 USG1.1 Zweck und Anwendungsbereich

Nach seiner Überschrift hat Art. 25 USG die «Errichtung ortsfester Anlagen»51 zum Gegenstand. Zu klären ist demnach die Frage, welche Vorgänge im Zusammen-hang mit ortsfesten Anlagen als «Errichtung» zu qualifizieren sind.

47 Kritisch auch RobeRt Wolf, Kommentar USG, Art. 25 N. 48 (zweiter Spiegelstrich).48 Siehe vorn, II.3.49 Siehe dazu sogleich, IV.1.1.50 So auch RobeRt Wolf, Kommentar USG, Art. 25 N. 48 a.E.; Letzterem folgend ReGulA Hun-

GeR, Die Sanierungspflicht im Umweltschutz- und im Gewässerschutzgesetz, Diss. Zürich, Zü-rich/Basel/Genf 2010, S. 64.

51 Französisch: «Construction d’installations fixes»; italienisch: «Costruzione di impianti fissi».

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In der Botschaft zum USG brachte der Bundesrat deutlich zum Ausdruck, dass der Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 E-USG [inhaltlich unverändert: Art. 25 Abs. 1 USG] nicht auf neue ortsfeste Anlagen beschränkt ist, sondern sich auch auf «wesentliche Umbauten oder Erweiterungen bestehender Anlagen» er-strecken soll.52

Im Nationalrat blieb dieses weite Verständnis des Errichtungsbegriffs völlig unbestritten. Der deutschsprachige Berichterstatter der Kommission hielt fest: «Unter ‹Errichtung› verstehen wir übrigens auch wesentliche Umbauten oder Erweiterungen bestehender Anlagen. Dasselbe gilt auch für das Verb ‹errichten› in Absatz 1 von Artikel 22, wie sich schon aus der Botschaft ergibt.»53 Gegenpo-sition wurde keine vertreten. Aus diesem Grund wurde auf Antrag der Kommis-sion Art. 22 Abs. 3 E-USG angepasst von «[k]önnen bei neuen Strassen […]» zu «[k]önnen bei der Errichtung von Strassen […]». Der Ständerat übernahm die Änderung, ohne diesen Punkt zu diskutieren.54 Leider ging im Gesetzgebungs-prozess die Anpassung des französischen und des italienischen Texts vergessen, weshalb in diesen Fassungen Art. 25 USG dem Wortlaut nach auf neue ortsfeste Anlagen beschränkt scheint.55

Der Zweck der Anwendung von Art. 25 USG über den reinen Neubau hin-aus besteht darin, zu verhindern, dass die Privilegierung für Altanlagen – die selbst dann, wenn sie saniert wurden, bloss die Immissionsgrenzwerte (Art. 13 Abs. 1 Bst. b LSV) und nicht wie Neuanlagen die Planungswerte (Art. 25 Abs. 1 USG) einhalten müssen – bis in alle Ewigkeit perpetuiert wird. Die strengeren lärm-schutzrechtlichen Vorschriften für die Errichtung von Anlagen sollen sich durch wesentliche Umbauten und Erweiterungen nicht umgehen lassen: Dem Investiti-onsschutz bzw. Schutz vor unerwarteten Kosten des öffentlichen, konzessionier-ten oder privaten Inhabers einer bestehenden Anlage kam zum Erlasszeitpunkt des USG und der LSV durchaus eine wichtige Rolle zu. Sobald diese Investitionen aber abgeschrieben sind, fällt der Verfassungsauftrag zum Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen (Art. 74 Abs. 1 BV) weit stärker ins Gewicht;56 die Folge davon ist, dass die Hür-de für die Anwendung von Art. 25 USG nicht sehr hoch angesetzt werden darf.

Dies ist – mit Blick auf private Anlagen – angezeigt, weil ansonsten eine stossende Ungleichbehandlung von Altanlageinhabern gegenüber Inhabern von Neuanlagen entstünde. Es sind damit auch Gründe der Wettbewerbsneutralität, die für eine Gleichbehandlung von wesentlich geänderten Altanlagen und Neu-anlagen ins Gewicht fallen.57

52 Botschaft USG (Fn. 38), S. 800. In der französischsprachigen Botschaft ist von «transformations importantes ou les agrandissements» die Rede, in der italienischen Version von «trasformazioni o gli ampliamenti sostanziali» (message relatif à une loi fédérale sur la protection de l’environ-nement (LPE) du 3l octobre 1979, FF 1979 III 741, S. 792 bzw. messaggio concernente una legge federale sulla protezione dell’ambiente (LPA) del 31 ottobre 1979, FF 1979 III 713, S. 765).

53 Schmid, Amtl. Bull. N 1982 398.54 Amtl. Bull. S 1983 270.55 In der italienischen Fassung beschränkt sich die Abweichung zur deutschen Fassung auf Abs. 3

(«se, nella costruzione di nuove strade […]», in der französischen Fassung sind Abs. 1 und 3 betroffen («de nouvelles installations fixes […]» bzw. «si, lors de la construction de nouvelles routes […]».

56 Vgl. zu dieser Argumentation: BGE 141 II 483 E. 4.6 S. 493 f. 57 Vgl. – allerdings zum heutigen Art. 18 USG – Botschaft USG (Fn. 38), S. 798. Siehe auch tHo-

mAs GäcHteR, Grundsatzfragen und Konzepte der Sanierung. Gedanken zu den Zielen um-

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Betreffend öffentliche und konzessionierte Anlagen erscheint ein weites Verständnis von Art. 25 USG aufgrund der unterschiedlichen Folgen für die In-haber lärmbetroffener Gebäude angebracht. Inhabern von öffentlichen und kon-zessionierten Anlagen stehen zwar auch im Anwendungsbereich von Art. 25 USG – ähnlich der Regelung nach Art. 20 USG für Altanlagen – noch immer weitreichen-de Erleichterungsmöglichkeiten offen (siehe Abs. 3). Den Interessen der Inhaber lärmbetroffener Gebäude wird jedoch durch die Pflicht, Schallschutzmassnahmen bereits ab Überschreitung der Immissionsgrenzwerte zu treffen, sowie die ent-sprechende Kostentragungspflicht des Anlageninhabers weit stärker Rechnung getragen. Ist die Lebensdauer der Bausubstanz einer Anlage, etwa einer Strasse, abgelaufen und soll sie mittels bedeutender Investitionen verlängert werden, dann rechtfertigt sich keine Privilegierung der – nun nur noch scheinbaren – Altanlage mehr.58 Eine verfassungskonforme Auslegung unter Berücksichtigung des Zwecks und der Vorgaben von Art. 74 Abs. 1 BV stützt diese Auffassung.

1.2 Erfasste ÄnderungenWelche Schwelle müssen nun Änderungen an bestehenden ortsfesten Anla-gen überschreiten, damit eine Gleichstellung der geänderten Anlage mit einer Neuanlage gerechtfertigt ist? Entgegen der Praxis und herrschenden Meinung in der Literatur sind wir – wie bereits dargelegt – der Auffassung, dass Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV als (nicht völlig überzeugende) Ausführungsbestimmungen zu Art. 25 USG verstanden werden müssen.59 Deshalb halten wir für die Art von Änderungen, welche in den Anwendungsbereich von Art. 25 USG fallen, am von Art. 8 LSV verwendeten Begriff der «wesentlichen Änderung» fest.

«Wesentliche Änderungen» im Sinn von Art. 25 USG sind unserer Mei-nung nach:

— diejenigen Änderungen, welche in Art. 8 Abs. 3 LSV als solche definiert wer-den, also «Umbauten, Erweiterungen und vom Inhaber der Anlage verursachte Änderungen des Betriebs, wenn zu erwarten ist, dass die Anlage selbst oder die Mehrbeanspruchung bestehender Verkehrsanlagen wahrnehmbar stärkere Lärm- immissionen erzeugen»;

— entsprechend dem Bundesgerichtsentscheid Autobahnanschluss Zürich-Schlie-ren, welcher allerdings – wenig überzeugend – auf Art. 18 USG abgestützt wird: die Änderungen, die in einer «gesamthaften Betrachtung […] gewichtig genug» sind, «um als ‹wesentlich› qualifiziert» werden zu können. Beurteilungskriterien sind insbesondere der Umfang der baulichen Massnahmen, die Kosten sowie die Auswirkungen auf die Lebensdauer der Gesamtanlage;60

weltrechtlicher Sanierungen und deren Durchsetzbarkeit, URP 2003 459, passim.58 Vgl. BGE 141 II 483 E. 4.6 S. 493 f., wonach sich die Anwendung von Art. 20 USG «auf bestehen-

de, nicht wesentlich geänderte Altanlagen, d. h. auf Anlagen, deren Bausubstanz im Wesent-lichen noch aus der Zeit vor Inkrafttreten des USG stammt und deren Lebensdauer daher be-schränkt ist», beschränken muss.

59 Siehe vorn, III.2.60 BGE 141 II 483 E. 4.6 S. 492 f.

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— die Vorgänge, welche das Bundesgericht bisher unter den Begriff der «über-gewichtigen Erweiterung» subsumiert und vollumfänglich dem Regime von Art. 25 USG unterstellt hat, also bestehende Anlagen, «welche in konstruktiver und funktionaler Beziehung soweit verändert werden, dass das, was von der bisheri-gen Anlage weiterbesteht, von geringerer Bedeutung erscheint als der erneuerte Teil» sowie wiederaufgebaute Anlagen.61 Dasselbe gilt für vollständige Zweckän-derungen bei bestehenden ortsfesten Anlagen, welche von Art. 2 Abs. 2 LSV Neu-anlagen gleichgestellt werden.

1.3 Möglichkeit von ErleichterungenUnsere Betrachtungsweise hat zur Folge, dass Erleichterungen für wesentlich ge-änderte ortsfeste Anlagen nur noch unter den Voraussetzungen von Art. 25 Abs. 2 und 3 USG zugelassen werden können.

— Wesentlich geänderte private ortsfeste Anlagen dürfen demnach die Planungs-werte nur dann überschreiten, wenn «ein überwiegendes öffentliches, namentlich auch raumplanerisches Interesse an der Anlage» besteht und «die Einhaltung der Planungswerte zu einer unverhältnismässigen Belastung für das Projekt führen» würde (Art. 25 Abs. 2 Satz 1 USG). Die Immissionsgrenzwerte stellen die absolute Obergrenze dar (Satz 2). Der Umstand, dass es sich bei wesentlich geänderten An-lagen um ursprünglich altrechtliche Anlagen handelt, vermag für sich allein noch kein überwiegendes öffentliches Interesse zu begründen.62 Die Voraussetzungen von Art. 25 Abs. 2 USG müssen wie bei vollständig neuen Anlagen im Einzelfall beurteilt werden. In dieser Hinsicht ist der vorliegende Lösungsvorschlag strenger als die Praxis, welche in Übereinstimmung mit Art. 8 Abs. 2 LSV bei wesentlichen Änderungen zusätzlich zu Massnahmen der vorsorglichen Emissionsbegrenzung lediglich die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verlangt.

— Bei wesentlich geänderten öffentlichen oder konzessionierten ortsfesten Anla-gen dürfen zusätzlich zu den Erleichterungen nach Art. 25 Abs. 2 USG auch sol-che nach Abs. 3 gewährt werden: Wenn «durch Massnahmen bei der Quelle die Immissionsgrenzwerte nicht eingehalten werden [können], müssen auf Kosten des Eigentümers der Anlage die vom Lärm betroffenen Gebäude durch Schall-schutzfenster oder ähnliche bauliche Massnahmen geschützt werden». Dies stellt im Ergebnis keine eigentliche Neuerung zur heutigen Praxis dar, da Art. 10 und 11 LSV in Bezug auf Erleichterungen bei wesentlich geänderten Anlagen dasselbe vorschreiben wie Art. 25 Abs. 3 USG. Allerdings besteht dort das Problem, dass die Massnahmepflicht des Eigentümers des lärmbetroffenen Gebäudes wie auch die Kostentragungspflicht des Inhabers der lärmigen Anlage nach Art. 10 und 11 LSV einer genügenden gesetzlichen Grundlage entbehren.63 Mit dem vorliegend postulierten weiteren Verständnis von Art. 25 USG wäre dies gelöst.

61 Siehe vorn II.3. m. w. H.62 Siehe vorn, III.2. (vierter Spiegelstrich).63 Siehe vorn, II.2.2.2.

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2. Tragweite von Art. 18 USGDiese von uns postulierte weitere Interpretation von Art. 25 USG ist unserer Mei-nung nach durchaus auch mit Art. 18 USG zu vereinbaren. Die juristische Aus-einandersetzung mit Art. 18 USG in Literatur und Praxis war von Beginn weg geprägt von den Bestimmungen der LSV – insbesondere von Art. 8, 10 und 11 –,64 was die Rechtsfolgen eines Umbaus oder einer Erweiterung nach Art. 18 USG als einschneidend erscheinen liess: Derart geänderte Anlagen mussten zwingend die Immissionsgrenzwerte einhalten, Erleichterungen für private Anlagen wurden – im Sinn eines Automatismus – aufgehoben und für öffentliche oder konzessio-nierte ortsfeste Anlagen nach zu Art. 25 Abs. 3 USG analogen Voraussetzungen verschärft. So war es nicht erstaunlich, dass Umbau und Erweiterung nach Art. 18 als «kritische Schwelle» für den Verlust des Vertrauensschutzes angesehen65 und die Hürde für deren Bejahung sehr hoch angesetzt wurden.

Versteht man nun Art. 8, 10 und 11 LSV – und damit die wesentliche Än-derung einer ortsfesten Anlage – wie hier als Ausführungsbestimmungen zu Art. 25 anstatt Art. 18 USG, so entsteht Raum für eine neue, von den Verordnungsbe-stimmungen unabhängige Interpretation von Art. 18 USG.

Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, die Schwelle für die Bejahung eines Umbaus bzw. einer Erweiterung im Sinn von Art. 18 USG verhältnismässig tief zu setzen und so beispielsweise bauliche Veränderungen an einer ortsfes-ten Anlage oder Kapazitätserweiterungen, welche nicht mit einer Erhöhung der Lärmimmissionen in der Umgebung einhergehen, darunter zu subsumieren. Eine solche gegenüber der heutigen Praxis weitere Interpretation der Begriffe des Um-baus und der Erweiterung nach Art. 18 USG ist unseres Erachtens durchaus mit Wortlaut sowie Sinn und Zweck von Art. 18 USG zu vereinbaren, und zwar aus folgenden Gründen:

— Erstens bleiben auch nach Art. 18 USG umgebaute oder erweiterte Altanlagen nach dem Umbau bzw. der Erweiterung Altanlagen im Sinn des USG und unter-stehen damit aus lärmschutzrechtlicher Sicht einem weniger strengen Regime als ortsfeste Anlagen im Anwendungsbereich von Art. 25 USG. Denn im Gegensatz zu Art. 25 kommt Art. 18 – abgesehen von einer leichten Verschärfung der Vorausset-zungen für Sanierungserleichterungen nach Art. 18 Abs. 2 USG – kein eigenstän-diger materieller Gehalt zu. Die materiellen Vorgaben für die Sanierung ergeben sich – auch für nach Art. 18 USG «umgebaute» oder «erweiterte» lärmerzeugende Altanlagen – aus Art. 16 f. sowie 20 USG und deren Ausführungsbestimmungen.66

Indem 18 Abs. 1 USG statuiert, dass eine sanierungsbedürftige Anlage «nur umgebaut oder erweitert werden [darf], wenn sie gleichzeitig saniert wird», regelt er primär den Zeitpunkt einer Sanierung, der eine sanierungsbedürftige Altanlage mittelfristig sowieso zu unterziehen wäre.67 Er betrifft intertemporal-

64 Siehe beispielsweise cHRistopH JäGeR, Immissionsschutz, in: AlAin GRiffel / HAns u. li-niGeR / HeRibeRt RAuscH / dAnielA tHuRnHeRR (Hrsg.), Fachhandbuch Öffentliches Bau-recht, Zürich/Basel/Genf 2016, Rz. 4.266; peteR ettleR, Kommentar USG [1. Aufl.], Art. 25 N. 17 (dritter Spiegelstrich); AndRé scHRAde / Heidi WiestneR, Kommentar USG, Art. 18 N. 22; züRcHeR (Fn. 35), S. 157. Zur Rechtsprechung vgl. vorn, II.2.2.1.

65 AndRé scHRAde, Kommentar USG [1. Aufl.], Art. 18 N. 1 f.; züRcHeR (Fn. 35), S. 154 ff. Vgl. auch AndRé scHRAde / Heidi WiestneR, Kommentar USG, Art. 18 N. 16.

66 So auch AndRé scHRAde / Heidi WiestneR, Kommentar USG, Art. 18 N. 32.67 So auch AndRé scHRAde / Heidi WiestneR, Kommentar USG, Art. 18 N. 32.

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rechtliche Fälle, bei denen die Sanierung noch nicht erfolgt ist bzw. noch eine Sanierungserleichterung besteht. Die Pflicht zur sofortigen Sanierung wird vom Bundesrat einerseits mit einem Effizienzgewinn begründet: Wenn sowieso Ar-beiten anstehen, entstehen bei einer gleichzeitigen Sanierung geringere Kosten als bei einer separaten. Andererseits soll sich ein Eigentümer, der seine Anlage umbaut oder erweitert, nicht darauf verlassen können, dass Sanierungserleich-terungen weiterbestehen.68 In diesem Sinn betrifft Art. 18 USG nicht generell die Frage, ob die Privilegierung von Altanlagen gegenüber Neuanlagen aufgegeben werden soll,69 sondern grundsätzlich nur jene, ob der bestehende Zustand noch bis zum Ablauf der Sanierungsfrist aufrechterhalten werden darf.

— Zweitens belässt Art. 18 Abs. 2 USG, welcher besagt, dass in Folge eines Umbaus oder einer Erweiterung einer sanierungsbedürftigen Anlage Erleichterungen nach Art. 17 eingeschränkt oder aufgehoben werden können, Raum für eine einzelfall-weise Beurteilung. Zwar sollen Sanierungserleichterungen nach einem Umbau oder einer Erweiterung im Sinn einer leichten Verschärfung der Voraussetzungen nach Art. 17 USG namentlich noch bei Härtefällen Bestand haben,70 jedoch ist da-mit nach unserem Dafürhalten keinesfalls ein Automatismus gemeint. Stossende Ergebnisse, welche sich aus einer grosszügigeren Bejahung eines Umbaus bzw. einer Erweiterung nach Art. 18 Abs. 1 USG möglicherweise ergeben, lassen sich verhindern, indem bei der nach Abs. 2 zwingenden Überprüfung der Sanierungs-erleichterungen letztere von den Entscheidbehörden nicht all zu restriktiv gewährt werden. So ist es durchaus denkbar, dass bei einer nach Art. 18 USG umgebauten oder erweiterten sanierungsbedürftigen Anlage Sanierungserleichterungen nach Art. 17 oder gar Art. 20 USG bestehen bleiben.71

3. FallgruppenZur besseren Übersicht stellen wir im Folgenden dar, wie Änderungen an Altan-lagen anhand unseres Verständnisses der lärmschutzrelevanten Gesetzesbestim-mungen beurteilt werden können.

3.1 Nicht-sanierungsbedürftige Altanlagen3.1.1 Altanlagen mit Lärmimmissionen unter den Planungswerten

Wird eine ortsfeste Anlage geändert, welche zwar vor dem Inkrafttreten des USG erstellt wurde, jedoch bereits zum damaligen Zeitpunkt die Planungswerte ein-

68 Botschaft USG (Fn. 38), S. 298.69 Diese Frage beantwortet für das Lärmschutzrecht allein Art. 25 Abs. 1 USG, indem er eine we-

sentlich geänderte Altanlage einer Neuanlage gleichstellt.70 Botschaft USG (Fn. 38), S. 298. Vgl. AndRé scHRAde / Heidi WiestneR, Kommentar USG,

Art. 18 N. 33 ff.71 Da es sich bei nach Art. 18 USG geänderten Anlagen nach dem Umbau bzw. der Erweiterung

noch immer um Altanlagen im Sinn des USG handelt, richten sich die nach der von Art. 18 Abs. 2 vorgesehenen Neubeurteilung gewährten Sanierungserleichterungen unseres Erachtens konsequenterweise nach Art. 17 und 20 USG – und nicht nach Art. 25. Zur heutigen uneinheitli-chen Praxis bzgl. dieser Frage siehe vorn, II.2.2.2.

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hielt, so ist das Ausmass der Änderungen unerheblich: Die Beurteilung erfolgt in jedem Fall vollumfänglich nach Art. 25 USG.72

3.1.2 Altanlagen mit Lärmimmissionen zwischen Planungs- und Immissionsgrenzwerten

Bei bestehenden ortsfesten Anlagen mit Lärmimmissionen zwischen Planungs- und Immissionsgrenzwerten handelt es sich im Gegensatz zur ersten Fallgruppe um Anlagen, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des USG dessen Vorgaben nicht vollständig einhielten, da sie Lärmimmissionen über den Planungswerten erzeugten. Indem der Bundesrat in der LSV solche Anlagen von der Sanierungs-pflicht grundsätzlich ausnahm, bleiben sie im Umfang der die Planungswerte übersteigenden Immissionen gegenüber Neuanlagen privilegiert. Unter diese Ka-tegorie fallen auch altrechtliche Anlagen, welche bereits vollumfänglich saniert wurden. Bei Änderungen an solchen Anlagen ist wie folgt zu differenzieren:

— Wird eine Anlage wesentlich geändert, so kommt Art. 25 USG zur Anwendung und die Privilegierung entfällt. Immissionen über den Planungswerten sind nur noch unter den Voraussetzungen von Art. 25 Abs. 2 und 3 möglich. Es kann so-mit kein «Auffüllen» der Lärmimmissionen bis zum Immissionsgrenzwert statt-finden.73

— Bleibt die Änderung unterhalb der Schwelle der wesentlichen Änderung, so hat die Änderung keine Folgen. Als nicht-sanierungspflichtige Anlagen werden sie von Art. 18 USG generell nicht erfasst.

3.2 Sanierungsbedürftige AltanlagenBei dieser Fallgruppe geht es um Anlagen, welche bereits zum Zeitpunkt des In-krafttretens des USG wesentlich zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte in der Umgebung beitrugen (vgl. Art. 13 Abs. 1 LSV), oder um solche, welche dem Vorsorgeprinzip, d. h. den Anforderungen an die vorsorgliche Emissionsbe-grenzung nach Art. 11 Abs. 2 USG, nicht genügen.74 Erfasst werden von dieser Fallgruppe sowohl Änderungen innerhalb der ordentlichen Sanierungsfrist als auch – bei Altanlagen, denen Sanierungserleichterungen gewährt wurden – sol-che nach Ablauf der Sanierungsfrist.75 Bei diesen Anlagen muss im Fall einer Änderung wie folgt unterschieden werden:

— Wird die Anlage wesentlich geändert, so kommt Art. 25 USG zur Anwendung. Er-leichterungen sind nur noch nach Massgabe von Art. 25 Abs. 2 und 3 USG möglich.

— Ist die Änderung zwar nicht als wesentliche Änderung nach Art. 25, jedoch als Umbau oder Erweiterung im Sinn von Art. 18 Abs. 1 USG zu qualifizieren, so

72 Dies gilt nach einhelliger Auffassung bereits heute (vgl. II.1).73 Siehe auch vorn, III.2. (vierter Spiegelstrich).74 Zur Sanierungspflicht gestützt auf Art. 11 Abs. 2 USG siehe BGE 126 II 366 E. 2b S. 367 f.

= URP 2000 795 ff. sowie AndRé scHRAde / Heidi WiestneR, Kommentar USG, Art. 16 N. 35, 43 m. w. H.

75 Vgl. AndRé scHRAde / Heidi WiestneR, Kommentar USG, Art. 18 N. 10.

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aktualisiert sich die Sanierungspflicht der gesamten Anlage sofort. Sanierungs-erleichterungen nach Art. 17 und 20 USG sind immer noch möglich, jedoch wird das Kriterium der Unverhältnismässigkeit der Sanierung, welches Voraussetzung für Sanierungserleichterungen ist, im Licht der geplanten Änderung neu – und in der Tendenz strenger – beurteilt, was eine Einschränkung oder einen Entzug der Erleichterungen zur Folge haben kann (vgl. Art. 18 Abs. 2 USG).

— Geringfügigere Änderungen wie Reparaturen oder Unterhaltsarbeiten, welche weder in den Anwendungsbereich von Art. 18 noch in denjenigen von Art. 25 USG fallen, ziehen nach dem USG keine Folgen nach sich. Weder wird die Sanierungs-pflicht unmittelbar ausgelöst, noch werden Sanierungserleichterungen einer Neu-beurteilung unterzogen.

3.3 Sonderfall: Wiederholte ÄnderungVom heutigen Zeitpunkt aus betrachtet, 34 Jahre nach Inkrafttreten des USG, ist die Frage unumgänglich, welche Rechtsnormen anwendbar sind, wenn eine vor 1985 erstellte ortsfeste Anlage nicht zum ersten, sondern zum wiederholten Mal geändert wird. Hier sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

— Wurde die ursprünglich altrechtliche Anlage bereits einmal wesentlich geän-dert, so handelt es sich aus Sicht des Immissionsschutzrechts nicht mehr um eine altrechtliche, sondern um eine neurechtliche Anlage. Bei jeder weiteren Änderung kommt damit – unabhängig von deren Ausmass – Art. 25 USG zur Anwendung.

— Hingegen bleibt eine geänderte bestehende Anlage altrechtlich, wenn die erfolg-te Änderung unterhalb der Schwelle zur Wesentlichkeit blieb. Weitere Änderun-gen sind damit wie unter IV.3.1.2 und IV.3.2 beschrieben zu beurteilen. Hierbei ist wichtig, dass bei der Beantwortung der Frage, ob es sich um eine wesentliche Änderung handelt, welche die Anwendung von Art. 25 USG zur Folge hätte, auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des USG abgestellt wird und nicht auf den Zu-stand der Anlage unmittelbar vor der fraglichen Änderung.

V. SchlussBetrachtet man die Äusserungen in Literatur und Rechtsprechung zum Umgang mit geänderten altrechtlichen Anlagen, so fällt das Mass des Unbehagens auf, mit welchem dieser Problematik begegnet wird. Wie man es auch drehen und wenden wollte: Stets war etwas windschief. Das ist kein Zufall: Die – bei näherer Betrach-tung stets sibyllinischer werdenden – Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV erweisen sich we-der im Sinne von Ausführungsbestimmungen zu Art. 18 USG noch im Sinne einer Konkretisierung von Art. 25 USG als stimmig, geschweige denn gesetzeskonform.

Das auf geänderte Altanlagen anwendbare lärmschutzrechtliche Regime muss nach unserem Dafürhalten deshalb unmittelbar aus dem USG abgeleitet werden.

Diese Betrachtung führt zum Ergebnis, dass sich Art. 8 Abs. 2 LSV, welcher bei wesentlichen Änderungen die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte anstelle der Planungswerte vorschreibt, in seinem Schematismus nicht mehr halten lässt. Art. 8 Abs. 3 hingegen kann – unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Kor-rekturen zum Anwendungsbereich – als Ausführungsvorschrift zu Art. 25 USG gesetzeskonform angewendet werden.

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Welche Auswirkungen hat nun der vorliegend präsentierte Lösungsvorschlag auf die lärmschutzrechtliche Beurteilung geänderter Altanlagen? Im Kern bietet er eine Handhabe für die Gleichbehandlung von Inhabern bestehender und neuer orts-fester Anlagen und verhindert, dass sich Erstere noch Jahrzehnte nach Inkrafttre-ten des USG auf die lärmschutzrechtliche Privilegierung berufen können, wenn sie selber wesentliche Änderungen an der Anlage vornehmen. Im Anwendungsbereich von Art. 25 USG führt der vorliegende Lösungsvorschlag zu einer Verschärfung der heutigen Praxis, da auch wesentlich geänderte Altanlagen nach Abs. 1 die Planungs-werte einhalten müssen und Erleichterungen nur noch nach den Voraussetzungen von Art. 25 Abs. 2 und 3 gewährt werden können. Konkret betrifft die Verschärfung vor allem private ortsfeste Anlagen, für die deren Inhaber kein überwiegendes öffent-liches Interesse nachweisen kann, da hier die Planungswerte die absolute Obergrenze darstellen. Bei wesentlich geänderten ortsfesten Anlagen im öffentlichen Interesse ist die Verschärfung gegenüber Art. 8 Abs. 2 LSV nur gradueller Art, da Erleichterungen bis zu den Immissionsgrenzwerten zwar noch gewährt werden können, allerdings nur noch nach einer einzelfallweisen Beurteilung. Bei öffentlichen oder konzessi-onierten ortsfesten Anlagen entspricht die vorgeschlagene Lösung im Ergebnis der heutigen Praxis des Bundesgerichts, welche sich auf Art. 10 und 11 LSV abstützt, mit dem Unterschied, dass die Realleistungspflicht der Eigentümer der lärmbetroffenen Gebäude sowie die Kostentragungspflicht der Anlageinhaber mit Art. 25 Abs. 3 USG als gesetzliche Grundlage nun rechtsgenügend fundiert sind. Ebenso wird im Anwendungsbereich von Art. 18 USG die Pflicht zur gleich-zeitigen Sanierung der gesamten Anlage im Fall eines Umbaus oder einer Erwei-terung aufgrund unseres weiteren Verständnisses dieser Begriffe früher ausgelöst. Allerdings hat dies im Ergebnis weniger weitreichende Konsequenzen, als vermutet werden könnte, da dem Einzelfall weiterhin mit Erleichterungen nach Art. 17 und 20 USG Rechnung getragen werden kann.

RésuméLa présente contribution explique comment traiter juridiquement les an-ciennes installations fixes bruyantes ayant fait l’objet d’une modification, compte tenu des prescriptions de la LPE (art. 18 et 25 LPE). Les alinéas 2 et 3 de l’art. 8 OPB, qui ont pour objet les modifications notables d’instal-lations fixes existantes, se révèlent contraires à la loi à plusieurs égards. C’est la raison pour laquelle les modifications d’installations fixes exis-tantes doivent être appréciées sur la base des art. 18 et 25 LPE, sans égard aux dispositions de l’ordonnance.

RiassuntoIl presente articolo esamina le modalità di approccio dal profilo legale, e nell’ottica delle disposizioni della LPAmb (art. 18 e art. 25), agli impianti esistenti fissi modificati che producono rumore. I cpv. 2 e 3 dell’art. 8 dell’OIF, che hanno per oggetto le modifiche sostanziali degli impianti fissi esistenti, si rivelano contrari al diritto sotto diversi aspetti. Le modifiche agli impi-anti fissi esistenti devono pertanto essere valutate sulla base degli articoli 18 e 25 della LPAmb, indipendentemente dalle disposizioni dell’ordinanza.