SAMSTAG, 11. NOVEMBER 2006 «IchbineinSt.Galler» · 11-11-2006  · Felix: Ich werde freiwillig...

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Bild: Ralph Ribi Publikation: tbhb Pagina: 3 Ist-Farben: cmyk Ressort: tb-th Erscheinungstag: 11. 11. 2006 MPS-Planfarben: cmyk «Ich bin ein St. Galler» Am Dienstag erhält der Fernsehmacher Kurt Felix eine wichtige Auszeichnung des Landes Baden-Württemberg. Sie ist für den Ostschweizer eine weitere Anerkennung seines Berufs: «Auch Fernsehmoderatoren müssen Herausragendes leisten.» Gespräch über seine Jugend, die Anfänge seiner Karriere und die neue Aufbruchstimmung in St. Gallen. Herr Felix, Sie sind gebürtiger Wiler, leben aber seit vielen Jahren in St.Gallen. Was hat St. Gallen, was Wil nicht hat? Kurt Felix: Ich bin schon als Fünfjähriger, wenn immer sich mir Gelegenheit bot, mit dem Zug – und ohne Billett – nach St.Gallen gefahren. Die EPA im Zentrum zog mich magisch an: Das war Stadtflair, das war Konsumgefühl – auch wenn ich damals nur die Auslagen anschaute. Nach meinen wiederholten Ausreisser-Ausflü- gen erwartete mich auf dem Perron mein Vater und versohlte mir den Hintern. Womit Sie zugleich sagen, dass Wil keine Stadt ist. Felix: Sie war es damals nicht. Inzwi- schen hat sich Wil zur Kleinstadt mit viel Altstadt-Charme entwickelt. Sagen wir es so: Ich bin heimatverbunden ein Wiler, und mit Herz und Verstand bin ich ein St. Galler. Welche Vorzüge St.Gallens würden Sie gegenüber einem Stadtzürcher hervorheben? Felix: Wir dürfen uns keine Illusionen machen: Der Name St.Gallens fällt in einer Aufzählung der attraktivsten Schweizer Städte nicht an erster Stelle. Andererseits rangiert die Vadianstadt in nationalen Rankings, die auf die Lebens- qualität fokussieren, stets weit oben. Lebensqualität verspüre ich in St. Gallen eher als in der Grossstadt Zürich. Was sagen Sie einem Deutschen, der Sie fragt, ob er nach St. Gallen kommen soll? Felix: Ich werde freiwillig keinen Deut- schen ermuntern, St. Gallen zu besuchen. (Lacht.) Das hat seinen Grund: Die Busse aus dem süddeutschen Raum kommen an und neben der Stiftsbibliothek steht oftmals auch ein Besuch unseres Hauses auf dem Programm. Meine Frau und ich fühlen uns zwar geschmeichelt, mögen es aber nicht so gern, wenn unser Garten be- lagert wird. Sie wollen sich nicht für Ihre Wahlstadt einsetzen? Felix: Doch, natürlich. Im kommenden Frühling will die Ostschweiz im In- und Ausland für sich werben. Die Wirtschafts- und Tourismusregion St. Gallen, Thurgau und Appenzell ist unter dem Titel «Arena Ostschweiz» auf Image-Tour. Zusammen mit anderen Ostschweizern wie Prof. Dr. Hans-Jörg Senn oder Jörg Stiel werde ich als eine Art Botschafter die Schönheiten unserer Region vor Tourismus-Fachleu- ten und Journalisten in Nürnberg prei- sen. Wie viel Potenzial hat die Marke Ost- schweiz in Deutschland? Felix: «Ost» ist in unserem Nachbarland eher negativ besetzt: «Ostschweiz» erin- nert an «Ostdeutschland», und das war zumindest früher nicht gerade die belieb- teste Feriendestination der Deutschen. Alles eine Frage des Namens? Felix: Statt von Ostschweiz würde ich eher von der Region zwischen Bodensee und Heidiland sprechen. Das löst emotio- nale Affinitäten aus und kommt bei unse- ren nördlichen Nachbarn gut an. Aber die Region gibt landschaftlich und kulturell genug her? Felix: Absolut. Aber auch hier müssen wir bescheiden bleiben: Luzern, Zürich oder Genf können Attraktiveres bieten . . . . . . das ist Ostschweizer Kleinmacherei . . . Felix: . . . ich würde es eher Ehrlichkeit nennen. Wir müssen unsere Dimensio- nen und wahren Möglichkeiten kennen, wenn wir unsere Region erfolgreich ver- markten wollen. Wären Sie bereit, einen Marketing-Beitrag in St. Gallen zu leisten, indem Sie etwa den Stadtführer spielten? Felix: Um Himmels Willen nein! Es ist nicht mein Ding, den Leuten die Kathe- drale zu erklären. Wenn es aber sonst einen Anlass gibt, an dem es mich braucht, bin ich gerne zur Stelle. Ich be- rate seit Jahren viele Fernsehstationen, die hierzulande nach guten Motiven suchen. Ich weiss, wo man die Kameras hinhalten muss. Also kann ich im Hinter- grund ein bisschen Tourismuswerbung für die Ostschweiz betreiben. Wollen die St.Galler den Tourismus über- haupt? Felix: Mir fallen die Artikel Ihres Kollegen Josef Osterwalder ein, der viel Wahres ge- schrieben hat. Mit den zahlreichen ge- schlossenen Restaurants und der Park- platznot macht es die Stadt den Touristen jedenfalls nicht gerade leicht. Ich kenne die Bodensee-Region gut, auch weil ich zusammen mit meiner Frau jedes Jahr einen Monat auf unserem Boot auf dem Bodensee verbringe. Wir besuchen in Ufernähe Museen, Restaurants, Kinos, Freizeitparks, Theater. Und ich muss ein- gestehen, dass die deutschen Uferstädte touristisch mehr zu bieten haben als wir. Niemand hindert die Ostschweizer Städte, Initiative zu entwickeln. Felix: In der Tat. Ich denke zum Beispiel an den neuen Stadtpräsidenten von Ror- schach, Thomas Müller. Bisher wurde die Stadt hauptsächlich verwaltet, und nun will sie Müller weiterentwickeln. Mit neu- en Uferanlagen, mit einer Fussgänger- zone, mit der Tieferlegung der Bahn. Wir brauchen solche Visionen, auch in ande- ren Ostschweizer Städten. Schläft St. Gallen? Felix: Ansätze einer Aufbruchstimmung sind auch hier auszumachen, Stichwort Bleicheli-Quartier, Bahnhof-Areal, Fuss- ballstadion. Das freut mich. Apropos: Es regierte in den 1980er-Jahren in Zürich Ursula Koch. Ihr Nicht-Programm: Zü- rich ist fertig gebaut! Das war ein fataler Irrtum. Denn eine gebaute Stadt ist eine tote Stadt. Jüngst ist wieder Leben in die Limmatstadt eingekehrt. Zum Beispiel im ehemaligen Steinfels-Fabrikquartier in Zürichs Westen, das total herunterge- kommen war. Ich hoffe, dass diese Auf- bruchstimmung sich auch in St. Gallen noch stärker bemerkbar macht. Themawechsel. Ihre Popularität in Deutschland ist auch 16 Jahre nach Ihrer letzten Sendung von «Verstehen Sie Spass?» ungebrochen. Worauf führen Sie dies zurück? Felix: Das hat damit zu tun, dass meine Frau und ich in den 1980er-Jahren die meistgesehene Sendung im deutschen Fernsehen moderierten. Allein in West- deutschland waren es jeweils 20 Millio- nen Zuschauer. Insgesamt zählte die ARD für unsere Sendung über eineinhalb Mil- liarden Zuschaltungen. So was hinterlässt Popularitäts-Spuren. Sie sind in unserem Nachbarland fast populärer als in der Schweiz. Felix: Nicht unbedingt. Ich orte den Unterschied woanders: Die Schweizer sind diskreter als die Deutschen. Wenn wir in Deutschland erkannt werden, grei- fen die Passanten gleich zu ihren Handys oder Digitalkameras und lichten uns ab. In der Schweiz tuscheln die Menschen höchstens leise, nachdem sie an uns vor- beigegangen sind. Kam ihnen der Schweizer Bonus in Deutschland zugute? Felix: Ich habe festgestellt: Je weiter in den Norden ich gehe, desto stärker wiegt der Exoten-Bonus. Meine Fernsehtätig- keit fiel in die Zeit, als ausländische Moderatoren in Deutschland, bei gege- bener Leistung, grosse Akzeptanz fanden. Denken Sie an die Holländer Lou van Burg, Rudi Carrell oder den Österreicher Frank Elstner. Das hängt mit der Nach- kriegsgeschichte zusammen. Mittlerwei- le ist das deutsche Fernsehen aber wieder fest in deutscher Hand. Hat Ihr Erfolg auch damit zu tun, dass Sie als Ehepaar aufgetreten sind und gleich- sam ein Stück heile Welt repräsentierten? Felix: Ganz bestimmt. Das hat die Popu- larität potenziert. Es scheint ausser- gewöhnlich zu sein, dass Ehepaare aus dem Showbiz mehr als einen Monat zu- sammen sind. Werden Sie von Vertretern der jüngeren Generation auf der Strasse noch erkannt? Felix: Nein. Als ich gestern beim Zahn- techniker war, hat er gefragt: Bitte, wie ist Ihr werter Name? So ist eben das Leben. Sie erhalten die «Staufermedaille in Gold» des Landes Baden-Württemberg wegen «herausragender Verdienste für unser Land». Was sind das für Verdienste? Felix: Als junger Lehrer in Frauenfeld habe ich die Regionalsendungen für die Ostschweiz betreut und auch über Ereig- nisse aus dem süddeutschen Raum be- richtet. Für «Echo der Zeit» oder «Von Tag zu Tag» habe ich etwa von der Eröffnung der Umfahrung bei Esslingen, dem neuen Stuttgarter Funkturm oder vom Seeha- senfest in Friedrichshafen reportiert. Und sonst? Felix: Günther H. Oettinger, der Minister- präsident von Baden-Württemberg, hat mir gesagt, niemand habe im Fernsehen den Namen Böblingen öfter erwähnt als ich und in ganz Deutschland bekannt ge- macht. Klar, wir haben «Verstehen Sie Spass?» jeweils aus der dortigen Sport- halle übertragen. Und das fast ein Jahr- zehnt lang. War da Planung oder Sponsoring im Spiel? Felix: Das war durch die Umstände ge- geben. Ich wollte diese Samstagabend- show beim Süddeutschen Rundfunk SDR realisieren und habe eine geplante Co- Produktion mit dem NDR Hamburg ab- gelehnt. Und so wurde die Sendung immer im Süddeutschen Raum realisiert, zwischen Offenburg und Böblingen. Auch sonst habe ich viel Medienarbeit beim Südfunk geleistet. Während der Sende-Vorbereitungen wohnte ich je- weils in Hotels in Stuttgart. Insgesamt, mit all den Reisen und Studioproduktio- nen, habe ich wohl weit über ein Jahr mei- nes Lebens in Baden-Württemberg ver- bracht. Übrigens hat auch meine Frau lange in Baden-Baden gelebt. Wie das? Felix: Das war vor unserer Heirat 1980. Sie war damals mit einem bekannten deutschen Medienmann liiert. Das ist aber längst Geschichte. Sie sind von Baden-Württemberg angetan. Felix: Absolut. Sowohl von den Men- schen als auch von der Landschaft. Es gibt da viele Gemeinsamkeiten mit der Ost- schweiz und den Ostschweizern. Sie haben schon viele Preise gekriegt. Ist es irgendwann nicht genug? Felix: Als Mensch Kurt Felix brauche ich sie nicht. Ich nehme die Preise aber gerne als Fernsehmacher an, sozusagen für all meine Kollegen, weil sie eine öffentliche Anerkennung für diese schwierige beruf- liche Tätigkeit sind. Auch Fernsehautoren müssen Herausragendes leisten. Nicht nur Buch- oder Presseautoren. Interview: Ren´ e Scheu Kurt Felix: «Statt von Ostschweiz würde ich eher von der Region zwischen Bodensee und Heidiland sprechen.» PERSON Kurt Felix ist am 27. März 1941 als Sohn eines Musiklehrers in Wil geboren. Zuerst war er Lehrer und betätigte sich nebenberuflich als Radio- und Fernsehreporter. 1965 wurde er Programmgestalter beim Schweizer Fernsehen. Er schuf das Format «Teleboy», eine Spielshow mit versteckter Kamera. 1980 begann Felix für das Deutsche Fernsehen zu arbeiten und erfand die Sendung «Verstehen Sie Spass?», die er zuerst selber und ab 1983 zusammen mit seiner Frau Paola moderierte. Anfang der 1990er-Jahre zog sich Felix aus dem Showgeschäft zurück. Seither arbeitet er als Berater und Kolumnist. Er lebt mit seiner Frau in St. Gallen. (rs) SAMSTAG, 11. NOVEMBER 2006 thema TAGBLATT 3 ANZEIGEN: Immobilien 6/10 Traueranzeigen 16/17 Fondspreise 20 Miete 22 Marktplatz 34 Wohin 36–39

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Publikation: tbhb Pagina: 3 Ist-Farben: cmykRessort: tb-th Erscheinungstag: 11. 11. 2006 MPS-Planfarben: cmyk

«Ich bin ein St. Galler»Am Dienstag erhält der Fernsehmacher Kurt Felix eine wichtige Auszeichnung des Landes Baden-Württemberg. Sie ist fürden Ostschweizer eine weitere Anerkennung seines Berufs: «Auch Fernsehmoderatoren müssen Herausragendes leisten.»

Gespräch über seine Jugend, die Anfänge seiner Karriere und die neue Aufbruchstimmung in St. Gallen.

Herr Felix, Sie sind gebürtiger Wiler, lebenaber seit vielen Jahren in St.Gallen. Washat St.Gallen, was Wil nicht hat?Kurt Felix: Ich bin schon als Fünfjähriger,wenn immer sich mir Gelegenheit bot,mit dem Zug – und ohne Billett – nachSt. Gallen gefahren. Die EPA im Zentrumzog mich magisch an: Das war Stadtflair,das war Konsumgefühl – auch wenn ichdamals nur die Auslagen anschaute. Nachmeinen wiederholten Ausreisser-Ausflü-gen erwartete mich auf dem Perron meinVater und versohlte mir den Hintern.

Womit Sie zugleich sagen, dass Wil keineStadt ist.Felix: Sie war es damals nicht. Inzwi-schen hat sich Wil zur Kleinstadt mit vielAltstadt-Charme entwickelt. Sagen wir esso: Ich bin heimatverbunden ein Wiler,und mit Herz und Verstand bin ich einSt. Galler.

Welche Vorzüge St.Gallens würden Siegegenüber einem Stadtzürcher hervorheben?Felix: Wir dürfen uns keine Illusionenmachen: Der Name St. Gallens fällt ineiner Aufzählung der attraktivstenSchweizer Städte nicht an erster Stelle.Andererseits rangiert die Vadianstadt innationalen Rankings, die auf die Lebens-qualität fokussieren, stets weit oben.Lebensqualität verspüre ich in St. Galleneher als in der Grossstadt Zürich.

Was sagen Sie einem Deutschen, der Siefragt, ob er nach St.Gallen kommen soll?Felix: Ich werde freiwillig keinen Deut-schen ermuntern, St. Gallen zu besuchen.(Lacht.) Das hat seinen Grund: Die Busseaus dem süddeutschen Raum kommenan und neben der Stiftsbibliothek stehtoftmals auch ein Besuch unseres Hausesauf dem Programm. Meine Frau und ichfühlen uns zwar geschmeichelt, mögen esaber nicht so gern, wenn unser Garten be-lagert wird.

Sie wollen sich nicht für Ihre Wahlstadteinsetzen?Felix: Doch, natürlich. Im kommendenFrühling will die Ostschweiz im In- undAusland für sich werben. Die Wirtschafts-und Tourismusregion St. Gallen, Thurgauund Appenzell ist unter dem Titel «ArenaOstschweiz» auf Image-Tour. Zusammenmit anderen Ostschweizern wie Prof. Dr.Hans-Jörg Senn oder Jörg Stiel werde ichals eine Art Botschafter die Schönheitenunserer Region vor Tourismus-Fachleu-ten und Journalisten in Nürnberg prei-sen.

Wie viel Potenzial hat die Marke Ost-schweiz in Deutschland?Felix: «Ost» ist in unserem Nachbarlandeher negativ besetzt: «Ostschweiz» erin-nert an «Ostdeutschland», und das warzumindest früher nicht gerade die belieb-teste Feriendestination der Deutschen.

Alles eine Frage des Namens?Felix: Statt von Ostschweiz würde icheher von der Region zwischen Bodensee

und Heidiland sprechen. Das löst emotio-nale Affinitäten aus und kommt bei unse-ren nördlichen Nachbarn gut an.

Aber die Region gibt landschaftlich undkulturell genug her?Felix:Absolut. Aber auch hier müssen wirbescheiden bleiben: Luzern, Zürich oderGenf können Attraktiveres bieten . . .

. . . das ist Ostschweizer Kleinmacherei . . .Felix: . . . ich würde es eher Ehrlichkeitnennen. Wir müssen unsere Dimensio-nen und wahren Möglichkeiten kennen,wenn wir unsere Region erfolgreich ver-markten wollen.

Wären Sie bereit, einen Marketing-Beitragin St.Gallen zu leisten, indem Sie etwa denStadtführer spielten?Felix: Um Himmels Willen nein! Es istnicht mein Ding, den Leuten die Kathe-drale zu erklären. Wenn es aber sonsteinen Anlass gibt, an dem es michbraucht, bin ich gerne zur Stelle. Ich be-rate seit Jahren viele Fernsehstationen,die hierzulande nach guten Motivensuchen. Ich weiss, wo man die Kamerashinhalten muss. Also kann ich im Hinter-grund ein bisschen Tourismuswerbungfür die Ostschweiz betreiben.

Wollen die St.Galler den Tourismus über-haupt?Felix: Mir fallen die Artikel Ihres KollegenJosef Osterwalder ein, der viel Wahres ge-schrieben hat. Mit den zahlreichen ge-schlossenen Restaurants und der Park-platznot macht es die Stadt den Touristenjedenfalls nicht gerade leicht. Ich kennedie Bodensee-Region gut, auch weil ichzusammen mit meiner Frau jedes Jahreinen Monat auf unserem Boot auf demBodensee verbringe. Wir besuchen inUfernähe Museen, Restaurants, Kinos,Freizeitparks, Theater. Und ich muss ein-gestehen, dass die deutschen Uferstädtetouristisch mehr zu bieten haben als wir.

Niemand hindert die Ostschweizer Städte,Initiative zu entwickeln.Felix: In der Tat. Ich denke zum Beispielan den neuen Stadtpräsidenten von Ror-schach, Thomas Müller. Bisher wurde dieStadt hauptsächlich verwaltet, und nunwill sie Müller weiterentwickeln. Mit neu-en Uferanlagen, mit einer Fussgänger-zone, mit der Tieferlegung der Bahn. Wirbrauchen solche Visionen, auch in ande-ren Ostschweizer Städten.

Schläft St.Gallen?Felix: Ansätze einer Aufbruchstimmungsind auch hier auszumachen, StichwortBleicheli-Quartier, Bahnhof-Areal, Fuss-ballstadion. Das freut mich. Apropos: Esregierte in den 1980er-Jahren in ZürichUrsula Koch. Ihr Nicht-Programm: Zü-rich ist fertig gebaut! Das war ein fatalerIrrtum. Denn eine gebaute Stadt ist einetote Stadt. Jüngst ist wieder Leben in dieLimmatstadt eingekehrt. Zum Beispiel imehemaligen Steinfels-Fabrikquartier inZürichs Westen, das total herunterge-kommen war. Ich hoffe, dass diese Auf-bruchstimmung sich auch in St. Gallennoch stärker bemerkbar macht.

Themawechsel. Ihre Popularität inDeutschland ist auch 16 Jahre nach Ihrerletzten Sendung von «Verstehen SieSpass?» ungebrochen. Worauf führen Siedies zurück?Felix: Das hat damit zu tun, dass meineFrau und ich in den 1980er-Jahren diemeistgesehene Sendung im deutschenFernsehen moderierten. Allein in West-deutschland waren es jeweils 20 Millio-nen Zuschauer. Insgesamt zählte die ARDfür unsere Sendung über eineinhalb Mil-liarden Zuschaltungen. So was hinterlässtPopularitäts-Spuren.

Sie sind in unserem Nachbarland fastpopulärer als in der Schweiz.Felix: Nicht unbedingt. Ich orte denUnterschied woanders: Die Schweizersind diskreter als die Deutschen. Wenn

wir in Deutschland erkannt werden, grei-fen die Passanten gleich zu ihren Handysoder Digitalkameras und lichten uns ab.In der Schweiz tuscheln die Menschenhöchstens leise, nachdem sie an uns vor-beigegangen sind.

Kam ihnen der Schweizer Bonus inDeutschland zugute?Felix: Ich habe festgestellt: Je weiter inden Norden ich gehe, desto stärker wiegtder Exoten-Bonus. Meine Fernsehtätig-keit fiel in die Zeit, als ausländischeModeratoren in Deutschland, bei gege-bener Leistung, grosse Akzeptanz fanden.Denken Sie an die Holländer Lou vanBurg, Rudi Carrell oder den ÖsterreicherFrank Elstner. Das hängt mit der Nach-kriegsgeschichte zusammen. Mittlerwei-le ist das deutsche Fernsehen aber wiederfest in deutscher Hand.

Hat Ihr Erfolg auch damit zu tun, dass Sieals Ehepaar aufgetreten sind und gleich-sam ein Stück heile Welt repräsentierten?Felix: Ganz bestimmt. Das hat die Popu-larität potenziert. Es scheint ausser-gewöhnlich zu sein, dass Ehepaare ausdem Showbiz mehr als einen Monat zu-sammen sind.

Werden Sie von Vertretern der jüngerenGeneration auf der Strasse noch erkannt?Felix: Nein. Als ich gestern beim Zahn-techniker war, hat er gefragt: Bitte, wie

ist Ihr werter Name? So ist eben dasLeben.

Sie erhalten die «Staufermedaille in Gold»des Landes Baden-Württemberg wegen«herausragender Verdienste für unserLand». Was sind das für Verdienste?Felix: Als junger Lehrer in Frauenfeldhabe ich die Regionalsendungen für dieOstschweiz betreut und auch über Ereig-nisse aus dem süddeutschen Raum be-richtet. Für «Echo der Zeit» oder «Von Tagzu Tag» habe ich etwa von der Eröffnungder Umfahrung bei Esslingen, dem neuenStuttgarter Funkturm oder vom Seeha-senfest in Friedrichshafen reportiert.

Und sonst?Felix:Günther H. Oettinger, der Minister-präsident von Baden-Württemberg, hatmir gesagt, niemand habe im Fernsehenden Namen Böblingen öfter erwähnt alsich und in ganz Deutschland bekannt ge-macht. Klar, wir haben «Verstehen SieSpass?» jeweils aus der dortigen Sport-halle übertragen. Und das fast ein Jahr-zehnt lang.

War da Planung oder Sponsoring im Spiel?Felix: Das war durch die Umstände ge-geben. Ich wollte diese Samstagabend-show beim Süddeutschen Rundfunk SDRrealisieren und habe eine geplante Co-Produktion mit dem NDR Hamburg ab-gelehnt. Und so wurde die Sendung

immer im Süddeutschen Raum realisiert,zwischen Offenburg und Böblingen.Auch sonst habe ich viel Medienarbeitbeim Südfunk geleistet. Während derSende-Vorbereitungen wohnte ich je-weils in Hotels in Stuttgart. Insgesamt,mit all den Reisen und Studioproduktio-nen, habe ich wohl weit über ein Jahr mei-nes Lebens in Baden-Württemberg ver-bracht. Übrigens hat auch meine Fraulange in Baden-Baden gelebt.

Wie das?Felix: Das war vor unserer Heirat 1980.Sie war damals mit einem bekanntendeutschen Medienmann liiert. Das istaber längst Geschichte.

Sie sind von Baden-Württemberg angetan.Felix: Absolut. Sowohl von den Men-schen als auch von der Landschaft. Es gibtda viele Gemeinsamkeiten mit der Ost-schweiz und den Ostschweizern.

Sie haben schon viele Preise gekriegt. Ist esirgendwann nicht genug?Felix: Als Mensch Kurt Felix brauche ichsie nicht. Ich nehme die Preise aber gerneals Fernsehmacher an, sozusagen für allmeine Kollegen, weil sie eine öffentlicheAnerkennung für diese schwierige beruf-liche Tätigkeit sind. Auch Fernsehautorenmüssen Herausragendes leisten. Nichtnur Buch- oder Presseautoren.

Interview: Rene Scheu

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Kurt Felix: «Statt von Ostschweiz würde ich eher von der Region zwischen Bodensee und Heidiland sprechen.»

PERSON

Kurt Felixist am 27. März 1941 als Sohn einesMusiklehrers in Wil geboren. Zuerstwar er Lehrer und betätigte sichnebenberuflich als Radio- undFernsehreporter. 1965 wurde erProgrammgestalter beim SchweizerFernsehen. Er schuf das Format«Teleboy», eine Spielshow mitversteckter Kamera. 1980 begannFelix für das Deutsche Fernsehen zuarbeiten und erfand die Sendung«Verstehen Sie Spass?», die er zuerstselber und ab 1983 zusammen mitseiner Frau Paola moderierte. Anfangder 1990er-Jahre zog sich Felix aus demShowgeschäft zurück. Seither arbeiteter als Berater und Kolumnist. Er lebt mitseiner Frau in St.Gallen. (rs)

SAMSTAG, 11. NOVEMBER 2006 thema TAGBLATT 3

ANZEIGEN: Immobilien 6/10 Traueranzeigen 16/17 Fondspreise 20 Miete 22 Marktplatz 34 Wohin 36–39