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Sans-Papiers-Kinder in Schweizer Primarschulen Was können Lehrpersonen in der Primarschule tun, um Sans-Papiers-Kinder in ihrer Lebenssituation optimal zu begleiten und zu unterstützen? Joséphine Annika Moser 16.7.2010 Pädagogisches Ausbildungszentrum NMS, Institut Vorschulstufe und Primarstufe IVP, angegliedert an der Pä- dagogischen Hochschule Bern Zur Erlangung des Bachelor of Arts in Pre-Primary and Primary Education

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Sans-Papiers-Kinder

in Schweizer Primarschulen

Was können Lehrpersonen in der Primarschule tun,

um Sans-Papiers-Kinder in ihrer Lebenssituation optimal

zu begleiten und zu unterstützen?

Joséphine Annika Moser

16.7.2010

Pädagogisches Ausbildungszentrum NMS, Institut Vorschulstufe und Primarstufe IVP, angegliedert an der Pä-

dagogischen Hochschule Bern

Zur Erlangung des Bachelor of Arts in Pre-Primary and Primary Education

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„Ich besuchte während der Primarschule eine Fremdsprachenklasse

und wiederholte das erste Jahr. Ich ging nicht gerne hin. Für mich war

es schwierig. Es war ein neues Land, eine neue Sprache, und ich hatte

Angst, die Wohnung zu verlassen. Ich war immer mit meiner Mutter

zusammen, ich wollte nicht von ihr weggehen. Ich hatte Angst, sie

würde zurückgeschickt und ich würde alleine hier zurückbleiben.“

Dora, Sans-Papiers

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Inhalt

1. Einleitung ........................................................................................................................6

2. Sans-Papiers in der Schweiz ............................................................................................8

2.1. Definition des Begriffs .........................................................................................................8

2.2. Wie viele Sans-Papiers gibt es in der Schweiz? .....................................................................9

2.3. Gründe für die Illegalität ......................................................................................................9

2.3.1. Ehemalige Saisonniers .................................................................................................9

2.3.2. Aussereuropäische ArbeitsimmigrantInnen ................................................................ 10

2.3.3. Abgewiesene Asylsuchende und NEEs, die in der Schweiz bleiben .............................. 10

2.3.4. Andere ....................................................................................................................... 11

3. Gesetzliche Grundlagen ................................................................................................12

3.1. Regularisierung .................................................................................................................. 12

3.2. Kriterien zur Vergabe von Aufenthaltspapieren ................................................................. 13

3.3. Härtefallregelung ............................................................................................................... 14

3.3.1. Asylgesetzrechtliche Härtefallbestimmungen................................................................. 16

4. Wer sind die Sans-Papiers? ...........................................................................................17

4.1. Herkunftsländer ................................................................................................................ 17

4.2. Arbeit und Beschäftigung................................................................................................... 17

4.3. Alltag, Freizeit und soziale Netzwerke ................................................................................ 19

4.3.1. Alltag ......................................................................................................................... 19

4.3.2. Freizeit ....................................................................................................................... 20

4.3.3. Soziale Netzwerke ...................................................................................................... 20

4.4. Sans-Papiers in der Politik und Öffentlichkeit .................................................................... 20

5. Sans-Papiers Kinder in der Schweiz ..............................................................................22

5.1. Rechte der Sans-Papiers-Kinder ......................................................................................... 22

5.2. Problembereiche ............................................................................................................... 23

5.2.1. Wenig Kontakte zu Peers ........................................................................................... 23

5.2.2. Finanzielle Armut der Familie ..................................................................................... 24

5.2.3. Angst der Eltern ......................................................................................................... 24

5.3. Strategien .......................................................................................................................... 24

6. Methodik ......................................................................................................................26

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6.1. Schritte qualitativer Forschung in der Erziehungswissenschaft ........................................... 26

6.2. Festlegung der Forschungsmethodik und Durchführung .................................................... 26

6.2.1. Auswahl geeigneter Untersuchungsmethoden und Begründung ................................ 26

6.2.2. Festlegung der Grundgesamtheit und Stichprobe....................................................... 27

6.2.3. Festlegung des Untersuchungsdesigns ....................................................................... 28

6.2.4. Durchführung der Untersuchung................................................................................ 29

6.2.5. Auswahl und Begründung der Auswertungsmethode ................................................. 30

7. Interviews .....................................................................................................................32

7.1. Erstes Interview: Linda....................................................................................................... 32

7.1.1. Situation .................................................................................................................... 32

7.1.2. Einschätzung und Fazit ............................................................................................... 33

7.1.3. Reflexion zum Vorgehen im Interview ........................................................................ 34

7.2. Zweites Interview: Antonia ................................................................................................ 35

7.2.1. Situation .................................................................................................................... 35

7.2.2. Einschätzung und Fazit ............................................................................................... 37

7.2.3. Reflexion zum Vorgehen im Interview ........................................................................ 38

8. Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse ...........................................................39

9. Folgerungen für Lehrpersonen......................................................................................40

9.1. Handlungsvorschläge für Lehrpersonen der Primarschule .................................................. 40

9.1.1. Soziale Integration, Beziehung zu Einzelpersonen ...................................................... 40

9.1.2. Lehrperson / Klasse .................................................................................................... 41

9.1.3. Eigenes Befinden, eigene Gefühle .............................................................................. 41

9.1.4. Spezielle Anlässe, Ausflüge ........................................................................................ 42

10. Fazit und Ausblick .........................................................................................................43

10.1. Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................................. 43

10.2. Fazit ............................................................................................................................... 44

10.3. Dank .............................................................................................................................. 44

11. Anhang..........................................................................................................................45

11.1. Interviewleitfaden Kinder (1. Version) ............................................................................ 45

11.2. Interviewleitfaden Eltern ............................................................................................... 46

11.3. Interviewleitfaden Kinder (2. Version) ............................................................................ 47

11.4. Transkription der Interviews .......................................................................................... 48

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11.4.1. Interview 1: Linda ...................................................................................................... 48

11.4.2. Interview 2: Antonia …………………………………………………………………………………………………49

12. Literatur ........................................................................................................................56

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1. Einleitung

Dora, 15 Jahre alt, Sans-Papiers: „Wenn ich eine Bewilligung hätte, wäre alles anders. Ich

könnte mehr ausgehen und müsste nicht nur zu Hause hocken. Ausserdem könnte ich in

mein Herkunftsland reisen und wieder zurück kommen. Ich würde dort gerne meine Familie

sehen und das Land kennen lernen, weil ich nichts mehr davon weiss, denn ich war damals

zu klein. Meine Mutter erzählt nur wenig von früher. Wenn ich an unsere ungewisse Situati-

on denke, geht es mir schlecht und ich werde traurig. Deshalb versuche ich, lieber nicht dar-

an zu denken und mache auch wenig konkrete Pläne für die Zukunft. Es kann sein, dass ich

bereits in wenigen Monaten wieder in meinem Herkunftsland sein werde, auf der Strasse

liege und keine Arbeit finde.“

(vgl. sans-papiers.ch, 5.7.10)

Dieses Zitat einer Jugendlichen Sans-Papiers zeigt unmissverständlich auf, wie stark das Leben von

Sans-Papiers von ihrem Aufenthaltsstatus beeinflusst, bzw. sogar beeinträchtigt wird. Praktisch in

jedem Lebensbereich begegnen sie Hürden, die manchmal fast unüberwindbar sind. Ob erwachsene

Sans-Papiers oder ihre Kinder, alle führen ein Leben, das geprägt ist von Unsicherheit. Und doch er-

gibt sich in den meisten Fällen nach einer gewissen Zeit so etwas wie ein „Alltag“. Ein grosser Teil des

Alltags von Kindern macht die Schule aus. So auch für Sans-Papiers-Kinder, die ebenso wie alle ande-

ren Kinder ein Recht auf Bildung haben. Als angehende Lehrperson stellt sich mir in diesem Zusam-

menhang folgende Frage, die ich anhand vorliegender Arbeit beantworten möchte:

Was können Lehrpersonen in der Primarschule tun, um Sans-Papiers-Kinder

in ihrer Lebenssituation optimal zu begleiten und zu unterstützen?

In einem ersten Teil meiner Arbeit möchte ich auf die Situation der Sans-Papiers in der Schweiz ein-

gehen. Welche Gründe gibt es, dass sie hier sind, dass sie illegalerweise hier sind? Welchen Gesetzen

begegnen sie hier in der Schweiz? Was tun sie, welchen Beschäftigungen gehen sie nach, in ihrer

Freizeit und Erwerbstätigkeit?

Aufgrund fehlenden Studien und Berichten zu Sans-Papiers-Kindern fokussiert dieser erste Teil relativ

stark auf die erwachsenen Sans-Papiers. Jedoch ist klar, dass die genannten Bereiche allesamt auch

einen Einfluss auf die Kinder der Sans-Papiers haben, sei es in der Gegenwart (z.B. die Wohnsituation

oder die Mobilität) oder auch in der Zukunft, wenn diesen Kindern – sofern nichts Anderes passiert –

das gleiche Schicksal winkt wie ihren Eltern.

In einem zweiten Teil erläutere ich kurz die Methodik, mit der ich an den letzten, praktischen Teil

herangegangen bin.

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Während dem Verfassen dieser Arbeit erfuhr ich, dass der Verein für die Rechte illegalisierter Kinder

die Initiative für eine Broschüre ergriffen hatte, welche Lehrpersonen und Schulleitungen sowie

SchulsozialarbeiterInnen den Umgang mit Sans-Papiers-Kindern erleichtern sollte. Da dies genau

auch mein Plan war und ich ebenfalls einen Leitfaden für Lehrpersonen erstellen wollte, kontaktierte

ich den Verein und bot meine Mithilfe an. In dieser Arbeit wird nun ein Teil der Vorarbeit, die ich zu

diesem Zweck geleistet habe, dokumentiert. Um die Bedürfnisse von Sans-Papiers-SchülerInnen und

deren Eltern zu eruieren, machte ich Interviews, welche im letzten Teil dieser Arbeit zusätzlich zu den

Thesen, die aus der Literatur gewonnen wurden, präsentiert und ausgewertet werden.

Die Broschüre „Sans-Papiers-Kinder in der Schule. Gesetzliche Grundlagen und Handlungsempfeh-

lungen“ wird voraussichtlich Ende 2010 für Lehrpersonen und Schulen zugänglich sein.

Es war spannend zu erleben, dass gerade in der Zeit der Entstehung dieser Arbeit nach einer De-

monstration gegen Rassismus die Kleine Schanze in Bern von Sans-Papiers besetzt wurde (Samstag,

26. Juni 2010). Diese Situation, die ich äusserst interessiert mit verfolgte, zeigte mir die Aktualität des

Themas erneut auf. Auch die unterschiedlichen Reaktionen in den Medien bewiesen, dass die The-

matik viel Diskussionsstoff liefert. Leider wird dabei allzu oft auf Klischees und Fehlinformationen

zurückgegriffen, was die Definition von Sans-Papiers betrifft oder die rechtlichen Grundlagen anbe-

langt. Insofern möchte ich mit meiner Arbeit auch einen Beitrag dazu leisten, dass Leserinnen und

Leser über Grundlagen dieser komplexen Thematik informiert werden, damit mit echten Argumenten

und klaren Definitionen diskutiert werden kann.

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2. Sans-Papiers in der Schweiz

2.1. Definition des Begriffs

Die Thematik der Sans-Papiers zeigt sich als ein hochkomplexes Thema, welches vor dem Hintergrund

politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und historischer Gegebenheiten betrachtet werden

muss. Hinzu kommt auch die individuelle persönliche Ebene: so hat jeder Sans-Papiers eine ganz ei-

gene Geschichte, ein Geflecht aus unterschiedlichen Gründen und Motiven, die ihn schlussendlich in

die Schweiz geführt haben. Allein aufgrund dieser unterschiedlichsten Geschichten können die Sans-

Papiers nicht als einheitlich homogene Gruppe angeschaut werden. Trotzdem wird im Folgenden von

den Sans-Papiers als Menschengruppe gesprochen. Um dies zu rechtfertigen muss der Begriff genau-

er angeschaut werden.

Der Begriff „Sans-Papiers“ stammt aus dem Französischen und bedeutet wörtlich übersetzt „ohne

Papiere“. Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass die Sans-Papiers über gar keine Identitätspapiere

verfügen (obwohl das auch vorkommt): die meisten können sich mit einer Identitätskarte aus ihrem

Herkunftsland ausweisen, jedoch haben sie keine Papiere im betreffenden Land in dem sie sich zum

gegebenen Zeitpunkt aufhalten.

Sans-Papiers sind also Menschen, die in ihrem Aufenthaltsland keine Aufenthaltspapiere vorweisen

können.

Der Begriff „Sans-Papiers“ stammt von Menschen ohne Aufenthaltspapiere in Frankreich, die in den

1970er Jahren nicht länger als „Illegale“ oder „Clandestins“ bezeichnet werden wollten (vgl. Nik-

laus/Schäppi 2007, p. 6). Eine vom Bundesamt für Migration in Auftrag gegebene Studie definierte

Sans-Papiers als „Menschen, die sich länger als einen Monat ohne geregelte Aufenthaltsbewilligung

in der Schweiz aufhalten und keine feste Absicht zur Ausreise aus der Schweiz haben“ (zit. n. Long-

champ 2005, p. 2). Für die vorliegende Arbeit werde ich ebenfalls diese Definition verwenden.

Als andere Begriffe werden „irregulär Anwesende“ oder „illegal Anwesende“ gebraucht, wobei sich

die Bezeichnung „irregulär“ und „illegal“ immer auf die Situation und den Status einer Person bezie-

hen, nie aber auf die Person selbst (vgl. Zeugin 2003, p. 12).

Fälschlicherweise werden Sans-Papiers oftmals mit dem Begriff „Schwarzarbeitende“ gleichgesetzt,

was aber nicht ganz der Wahrheit entspricht: Arbeitende Sans-Papiers sind SchwarzarbeiterInnen,

aber nicht alle SchwarzarbeiterInnen sind Sans-Papiers, denn auch Menschen mit einem geregelten

Aufenthaltsstatus (auch SchweizerInnen) können Schwarzarbeit verrichten (vgl. Longchamp 2005, p.

2).

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2.2. Wie viele Sans-Papiers gibt es in der Schweiz?

Eine im Jahr 2005 durchgeführte ausführliche Studie zum Thema Sans-Papiers in der Schweiz vom

Bundesamt für Migration (durch gfs.bern, Forschung für Politik, Kommunikation und Gesellschaft),

geht davon aus, dass momentan ca. 90‘000 Sans-Papiers in der Schweiz leben (mit einer Schwan-

kungsbreite von ca. 10‘000 Personen nach oben und unten). Wie man sich vorstellen kann, erweist

es sich als sehr schwierig, in diesem Themenbereich Forschung zu betreiben, geschweige denn, ge-

naue Zahlen und Fakten zu erhalten: Sans-Papiers geben sich selten als solche zu erkennen und leben

meist ein möglichst unauffälliges Leben. Mithilfe von lokalen Experten wurden in dieser Studie die

Zahlen aus sechs Teilstudien eingeschätzt und dann auf nationale Ebene hochgerechnet (vgl. Long-

champ 2005, p. 3f).

Frühere Studien gingen von ca. 15‘000 bis max. 30'000 Sans-Papiers aus (vgl. Efionayi / Cattacin 2001,

zit. n. Longchamp 2005, p.9) oder 50-150‘000 (Heiniger / Haug 1998, zit. n. Longchamp 2005, p.9).

Grundsätzlich kann man sagen, dass es sehr schwer ist, ein Phänomen zu erfassen, welches sich aus-

serhalb der Legalität abspielt.

2.3. Gründe für die Illegalität

So vielfältig wie die Sans-Papiers sind, so vielfältig sind auch ihre Lebensgeschichten. Die Gründe für

ihren Aufenthalt in der Schweiz setzen sich zusammen aus einem Mosaik von verschiedenen Fakto-

ren, seien es politische (z.B. Flucht aus dem Heimatland), wirtschaftliche (z.B. Arbeitslosigkeit im

Heimatland) oder persönliche (z.B. Familiennachzug).

Sans-Papiers können in 4 Kategorien eingeteilt werden:

2.3.1. Ehemalige Saisonniers

In den 80er und 90er Jahren wurden viele Arbeiter aus Italien und Ländern vom ehemaligen Jugosla-

wien als Saisonniers rekrutiert. Sie erhielten eine Saison-Aufenthaltsbewilligung, mit der sie in der

Schweiz arbeiten durften. In den 90er Jahren wurde das System geändert, statt Saison-Bewilligungen

gab es nunmehr Jahresbewilligungen. Viele von den Arbeitern aus den Ländern vom ehemaligen Ju-

goslawien bekamen keine Jahresbewilligung und weil sie trotzdem weiter in der Schweiz arbeiteten

wurden sie zu Sans-Papiers.

(vgl. Niklaus / Kilchenmann / Schwager 24.4.10)

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2.3.2. Aussereuropäische ArbeitsimmigrantInnen

Laut dem Ausländergesetz dürfen nur Personen aus dem EU-Raum in der Schweiz „niedrig qualifizier-

te“ Arbeiten ausführen. Trotzdem reisen auch Menschen aus Latein- und Südamerika, Asien und

Afrika in die Schweiz ein und finden illegale Arbeit.

(vgl. Niklaus et al. 24.4.10)

2.3.3. Abgewiesene Asylsuchende und NEEs, die in der Schweiz bleiben

Viele MigrantInnen, die in der Schweiz einreisen möchten und um Asyl bitten, werden abgewiesen.

Einige von ihnen tauchen dann unter und werden so zu Sans-Papiers. NEEs, „Nichteintretensent-

scheide“ gibt es seit 2004. Das Asylgesetz der Schweiz sagt darüber:

Art. 32 Nichteintretensgründe

Auf Gesuche, welche die Voraussetzungen von Artikel 18 nicht erfüllen, wird nicht eingetreten.

Auf Asylgesuche wird nicht eingetreten, wenn Asylsuchende:

a. den Behörden nicht innerhalb von 48 Stunden nach Einreichung des Gesuchs Reise- oder

Identitätspapiere abgeben;

b. die Behörden über ihre Identität täuschen und diese Täuschung aufgrund der Ergebnisse der

erkennungsdienstlichen Behandlung oder anderer Beweismittel feststeht;

c. ihre Mitwirkungspflicht schuldhaft auf andere Weise grob verletzen;

d. (Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 16. Dez. 2005, mit Wirkung seit 1. Jan. 2008)

e. in der Schweiz bereits ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen haben oder während des hängigen

Asylverfahrens in den Heimat- oder Herkunftsstaat zurückgekehrt sind, ausser es gebe Hinweise,

dass in der Zwischenzeit Ereignisse eingetreten sind, die geeignet sind, die

Flüchtlingseigenschaft zu begründen, oder die für die Gewährung vorübergehenden Schutzes

relevant sind;

f. in einem Staat der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)

einen ablehnenden Asylentscheid erhalten haben, ausser die Anhörung ergebe Hinweise, dass in

der Zwischenzeit Ereignisse eingetreten sind, die geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft zu

begründen, oder die für die Gewährung vorübergehenden Schutzes relevant sind.

3 Absatz 2 Buchstabe a findet keine Anwendung, wenn:

a. Asylsuchende glaubhaft machen können, dass sie aus entschuldbaren Gründen nicht in der Lage

sind, innerhalb von 48 Stunden nach Einreichung des Gesuchs Reise- oder Identitätspapiere ab-

zugeben;

b. auf Grund der Anhörung sowie gestützt auf die Artikel 3 und 7 die Flüchtlingseigenschaft

festgestellt wird; oder

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c. sich auf Grund der Anhörung erweist, dass zusätzliche Abklärungen zur Feststellung der

Flüchtlingseigenschaft oder eines Wegweisungsvollzugshindernisses nötig sind.

(Bundesbehörden der Schweizer Eidgenossenschaft b 28.4. 2010)

MigrantInnen, auf deren Gesuch nicht eingetreten wird, müssen die Schweiz innerhalb von wenigen

Tagen verlassen. Tun sie es nicht, gelten sie als illegal in der Schweiz anwesend.

Art. 44 Wegweisung und vorläufige Aufnahme

Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die

Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der

Einheit der Familie.

(Bundesbehörden der Schweizer Eidgenossenschaft b 28.4.2010)

2.3.4. Andere

Es gibt noch andere Gründe, warum MigrantInnen zu illegal anwesenden Personen werden. Perso-

nen, die ihrem Ehepartner in die Schweiz folgen, Kinder, die illegalerweise von ihren Eltern in die

Schweiz geholt werden, StudentInnen, die nach Abschluss ihres Studiums in der Schweiz bleiben,…

(vgl. Niklaus et al. 24.4.2010)

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3. Gesetzliche Grundlagen

3.1. Regularisierung

Massnahmen zur Erteilung von Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen für Sans-Papiers werden Regu-

larisierungen, Legalisierungen oder Amnestien genannt. Im Folgenden werde ich den Begriff „Regula-

risierung“ verwenden. Die Regularisierungen können unterschiedlich klassifiziert werden:

punktuelle Regularisierung

Einmalige Massnahme mit festgelegten Eingabefris-

ten von Anträgen.

permanente Regularisierung

Massnahme wird über einen längeren Zeitraum hin

praktiziert. Es bestehen deshalb keine Fristen für die

Einreichung von Anträgen.

individuelle Regularisierung

Einzelne Personen werden aufgrund von spezifischen

Kriterien (beispielsweise einer schweren Krankheit),

welche die Person individuell betreffen und daher

meist weniger transparent sind, regularisiert. Der

Akzent liegt auf dem Schutz der betreffenden einzel-

nen Person.

kollektive Regularisierung

Personengruppen werden aufgrund von Kriterien, die

in einem Gesetz oder einem Zirkular festgehalten

werden und daher transparent sind, regularisiert. Die

Massnahme basiert auf der Anerkennung des einge-

tretenen Sachverhalts (Fait accompli). Punktuelle

Regularisierungen mit meist hohem Verwaltungsauf-

wand.

Regularisierung infolge des Fait accompli

Infolge der langjährigen irregulären Präsenz einer

Person anerkennt der Staat diesen Sachverhalt und

beschliesst, ihr eine Aufenthaltsbewilligung zu errei-

chen.

Regularisierung zum Schutz

Schutz für Personen, die nicht ausgeschafft werden

können, da ihnen sonst Gefahr droht.

Regularisierung aus Opportunität

Zweckmässigkeit und Pragmatik sind Basis des Ent-

scheids der Regierung zur Regularisierung. Die Mass-

nahme wird als ein Vorrecht des Staates betrachtet,

welche er aus Nachsicht einleitet.

Regularisierung aus Verpflichtung

Infolge richterlicher Entscheide oder internationaler

Abkommen.

Regularisierung mit organisierten Verfahren

Bei vielen Anträgen ist eine spezifische Organisation

erforderlich, die durch Gesetze oder Zirkulare be-

schlossen wird. Meist wird ein Beschwerderecht ein-

geführt.

Unorganisierte Prozedur

Jeder Staat kennt Möglichkeiten, um von einem ille-

galen Status zu einem legalen zu gelangen, ohne dass

ein zusätzliches Verfahren notwendig ist.

Mit Amnestie

Der Gesetzgeber beschliesst, dass vorangegangene

Gesetzesübertretungen unbestraft bleiben.

Ohne Amnestie

Falls keine strafbare Gesetzübertretung vorliegt, ist

eine Amnestie unnötig, oder die Strafe wird nachträg-

lich eingefordert.

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(vgl. De Bruycker 2000, p. 27-34, zit.n. Zeugin 2003, p. 15)

Diese Übersicht über Regularisierungen zeigt, wie unterschiedlich die Massnahmen eines Staates

aussehen können. Oftmals kommen sie auch in Kombination vor. Die Schweiz kennt vor allem die

individuelle wie auch die kollektive Regularisierung, in permanenter und punktueller Form.

- permanente individuelle Regularisierung: Sans-Papiers, die als Härtefall eingestuft werden

und zusätzlich bestimmten Kriterien entsprechen, erhalten eine Aufenthaltsbewilligung.

- (Form von) punktueller kollektiver Regularisierung: Beispielsweise erhielten im Jahr 2000 alle

Asyl Suchenden, deren Verfahren vor dem 21. Dezember 1992 eingeleitet worden war und

die über einen guten Leumund verfügten, eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung. Diese vom

Bund lancierte Massnahme wurde „Humanitäre Aktion 2000“ genannt.

(vgl. Zeugin 2003, p. 36-40).

Aber auch Regularisierungen zum Schutz von Personen können vorkommen. So gab es beispielsweise

im Jahr 2005 einen generellen Ausschaffungsstop von Menschen burmesischer Herkunft. Ausschlag-

gebend dafür war der „Fall Stanley Van Tha“: der Mann aus Burma (Myanmar) reiste 2003 in die

Schweiz ein, wo er wegen Verfolgung im Heimatland ein Asylgesuch stellte. Dieses wurde jedoch

abgelehnt und Stanley Van Tha erhielt eine Frist zur freiwilligen Ausreise. Als diese verstrichen war,

wurde er in Ausschaffungshaft genommen und in sein Heimatland ausgeschafft. Dort wurde er tat-

sächlich inhaftiert und in das von Menschenrechtsorganisationen als Foltergefängnis eingestufte

Insein-Gefängnis in Rangun überwiesen (vgl. Marty 2006). Die Geschichte von Stanley Van Tha wurde

in den Medien aufgegriffen und sorgte für viel Kritik an der Schweizer Asylpolitik. Die Schweizer Be-

hörden setzten sich daraufhin bei der burmesischen Regierung für die Freilassung von Stanley Van

Tha ein. Seine Frau und Sohn durften in die Schweiz einreisen und erhielten Asyl, Stanley Van Tha

folgte im Januar 2008. Das Bundesamt für Migration „begrüsste die Freilassung von Stanley Van Tha“,

wie es in ihrer Medienmitteilung hiess (vlg. Bundesamt für Migration 2008).

3.2. Kriterien zur Vergabe von Aufenthaltspapieren

Grundsätzlich wird in der Diskussion um die Vergabe von Aufenthalts- und Arbeitspapieren von ver-

schiedenen Kriterien ausgegangen, die bei einem Entscheid mitwirken können.

temporäres Kriterium Dauer des Aufenthaltes im Staatsgebiet

territoriales Kriterium Aufenthalt im Staatsgebiet ist zwingend

ökonomisches Kriterium Person muss bestimmte ökonomische Anforderungen erfüllen.

humanitäres Kriterium Eine Rückschaffung wäre mit den humanitären Richtlinien nicht vereinbar.

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Kriterium bezüglich des

Verfahrens im Asylbereich

Asylbewerber werden durch lange Verfahren zu lange im Ungewissen belassen

und deshalb nach einer bestimmten Zeit regularisiert.

Gesundheitszustand des

Antragsstellers

Krankheit oder Invalidität lassen keine Ausschaffung zu.

Familienverhältnisse des

Antragsstellers

PartnerIn oder Kinder besitzen eine Aufenthaltsbewilligung oder entsprechen der

geforderten Integration.

quantitatives Kriterium

betreffend Aufzuneh-

mender

Anzahl der zu regularisierenden Personen ist beschränkt.

Kriterium der Nationalität Nur Personen ausgewählter Nationalität werden regularisiert.

Kriterium der Integration Der Grad der Integration entspricht den Anforderungen.

berufliche Qualifikation Antragssteller entspricht einer spezifischen beruflichen Qualifikation.

Alter Nur bestimmte Altersgruppen sind zur Regularisierung zugelassen. Dieses Kriteri-

um wird kaum explizit angewandt, besteht jedoch oft implizit.

Geschlecht Auch dieses Kriterium wird kaum explizit angewandt, besteht jedoch oft implizit.

ordre public Im Gegensatz zu den obigen positiven Kriterien, wird der ordre public als Aus-

schlusskriterium verwendet. Selbst wenn ein Kandidat alle Anforderungen erfüllt,

kann der Antrag im Interesse der öffentlichen Ordnung abgelehnt werden.

(vgl. Zeugin 2003, p.17)

3.3. Härtefallregelung

Nach den Kirchenbesetzungen durch Sans-Papiers im Jahr 2001 und der Gründung von mehreren

Sans-Papiers-Kollektiven wurde die Forderung nach einer kollektiven Regularisierung aller Sans-

Papiers dem Nationalrat vorgelegt. Dieser ging nicht auf die Forderung ein, eröffnete aber eine Mög-

lichkeit der individuellen Regularisierung durch sogenannte „Härtefälle“. Die Situation von Menschen,

für die eine Rückkehr in ihr Heimatland eine schwerwiegende, persönliche Notlage bedeuten würde,

wird als „Härtefall“ bezeichnet. Die Härtefallregelung ist eine Form individueller Regularisierung. Die

Möglichkeit des Härtefallgesuchs, die im „Rundschreiben Metzler“ (nach der damaligen Bundesrätin)

festgehalten wurden, konnte für Menschen mit abgewiesenem Asylgesuch sowie auch von Personen,

die noch nie ein Asylverfahren durchlaufen hatten, in Anspruch genommen werden.

Im Jahr 2004 wurde das Rundschreiben Metzler vom restriktiveren „Rundschreiben Blocher“ abgelöst,

welches die Möglichkeit des Härtefallgesuchs für abgewiesene Asylanten nicht mehr unterstützte. Es

konnten also nur noch Personen ein Härtefallgesuch stellen, die noch nie ein Asylverfahren durchlau-

fen hatten.

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Im Jahr 2007/2008, mit der Revision des Asylgesetzes und des Ausländergesetzes wurde es wieder

möglich, auch als abgewiesener Asylant ein Härtefallgesuch zu stellen.

Härtefallgesuche durchlaufen zwei Stufen. Die erste Stufe ist die kantonale Prüfung. Wird ein Gesuch

vom Kanton positiv bewertet, wird es weitergeleitet an den Bund. Erst nachdem auch dieser das Ge-

such gutgeheissen hat, wird auf das Gesuch eingegangen. Diese zwei Stufen existieren seit dem Jahr

2007. Die Verantwortung für die Prüfung der Härtefälle, die sich entweder noch im Asylverfahren

befinden oder dieses bereits erfolglos durchlaufen haben, ging also vom Bund auf die Kantone über.

Die Prüfung der Härtefälle untersteht zwar weiterhin nationalen Kriterien, doch aufgrund unter-

schiedlichen Ermessensspielraumes werden die Härtefälle je nach Kanton ganz anders gehandhabt.

Je nach politischer Grundauffassung wird die Härtefallregelung anders ausgelegt: die einen Kantone

sehen sie als Chance, gut integrierten Menschen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen; die anderen

Kantone sind eher restriktiv und halten sich zurück mit dem Vergeben von Aufenthaltsbewilligungen,

da ihrer Meinung nach die Menschen, die sich illegalerweise in der Schweiz aufhalten, dafür nicht

noch belohnt werden sollen. Schaut man sich diese Thematik in Zahlen an, erkennt man sehr gut,

welche Kantone die entsprechende Vorgehensweise bevorzugen:

Während die Kantone Genf und Bern 200 bewilligte Gesuche verzeichnen, sind es in Zürich, Aargau,

Zug und Graubünden weniger als 20 (vgl. Baur 2009, p. 1).

Jedes Gesuch, das positiv eingeschätzt wurde, wird nochmals vom Bundesamt für Migration kontrol-

liert und erhält erst danach die Gültigkeit. Während diese Kontrollinstanz zwar die Übersicht über die

positiven Gesuche hat, werden diejenigen Gesuche, die von den Kantonen abgelehnt wurden, nicht

kontrolliert. Das heisst, willkürlich getroffene Entscheide und Fehler bei der Prüfung eines Gesuchs

können nicht angefochten werden, da es keine Beschwerdeinstanz gibt (vgl. Baur 2009, p.2).

Als Hilfe für die Sans-Papiers bei der Einreichung von Härtefalldossiers nimmt die „Arbeitsgruppe

Sans-Papiers“, die aus VertreterInnen der Eidgenössischen Ausländerkommission, kantonalen Migra-

tionsbehörden, Integrationsdelegierten und NGO’s besteht, Härtefalldossiers entgegen, prüft sie mit

den geltenden Kriterien und gibt dem Absender eine Rückmeldung, ob grundsätzlich eine Chance auf

Regularisierung besteht (vgl. Röthlisberger 2006, p.30ff).

Hat eine Person ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen oder befindet sich noch in diesem Verfahren

und entspricht den Kriterien eines „Härtefalls“, wird sie gemäss den asylgesetzlichen Härtefallbe-

stimmungen behandelt. Hatte eine Person jedoch gar nie einen regulären Aufenthalt in der Schweiz

oder hat diesen verloren, wird sie gemäss den ausländerrechtlichen Härtefallbestimmungen behan-

delt (vgl. Baur 2009, p. 5ff).

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3.3.1. Asylgesetzrechtliche Härtefallbestimmungen

Art. 14

2 Der Kanton kann mit Zustimmung des Bundesamtes einer ihm nach diesem Gesetz zugewiesenen Person

eine Aufenthaltsbewilligung erteilen, wenn:

a. die betroffene Person sich seit Einreichung des Asylgesuches mindestens fünf Jahre in der Schweiz

aufhält;

b. der Aufenthaltsort der betroffenen Person den Behörden immer bekannt war; und

c. wegen der fortgeschrittenen Integration ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt.

3 Will der Kanton von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, so meldet er dies dem Bundesamt

unverzüglich.

4 Die betroffene Person hat nur beim Zustimmungsverfahren des Bundesamtes Parteistellung.

5 Hängige Verfahren um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung werden mit dem Einreichen eines

Asylgesuchs gegenstandslos.

6 Erteilte Aufenthaltsbewilligungen bleiben gültig und können gemäss den ausländerrechtlichen

Bestimmungen verlängert werden.

(Bundesbehörden der Schweizer Eidgenossenschaft b 2008)

3.3.2. ausländerrechtliche Härtefallbestimmungen

Art. 30

1 Von den Zulassungsvoraussetzungen (Art. 18–29) kann abgewichen werden, um:

a. die Erwerbstätigkeit der im Rahmen des Familiennachzugs zugelassenen Ausländerinnen und Auslän-

der zu regeln, sofern kein Anspruch auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit besteht (Art. 46);

b. schwerwiegenden persönlichen Härtefällen oder wichtigen öffentlichen Interessen Rechnung zu tra-

gen;

(Bundesbehörden der Schweizer Eidgenossenschaft c 2010)

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4. Wer sind die Sans-Papiers?

4.1. Herkunftsländer

Während in eher städtischen Kantonen und Agglomerationen (Zürich, Basel-Stadt, Lausanne, Genf)

viele Sans-Papiers aus Süd- und Lateinamerika stammen, gibt es in ländlicheren Kantonen (Tessin,

Thurgau) eher Sans-Papiers aus dem Balkan (vgl. Longchamp 2005, S. 38). Es wurde festgestellt, dass

es in verschiedenen Regionen grössere Gruppen Sans-Papiers gleicher Herkunft gibt, was auf soziale

Netzwerke der Sans-Papiers zurückzuführen ist (Verwandtschaft, Bekanntschaft) (vgl. Röthlisberger

2006, p.25).

4.2. Arbeit und Beschäftigung

Es wird geschätzt, dass die Mehrheit der Sans-Papiers in der Schweiz über keine Berufsausbildung

verfügen. (vgl. Longchamp 2005, p. 38). In der Schweiz arbeiten Sans-Papiers hauptsächlich im Gast-

ronomie- und Baugewerbe, in Privathaushalten oder in der Reinigungsbranche. Da sie keine Aufent-

haltsbewilligung vorweisen können, arbeiten sie illegal – häufig werden ihnen dabei Rechte vorent-

halten, wie eine angemessene Entlöhnung und Kündigungsfristen, AHV,… Da viele Sans-Papiers nicht

wissen, welche Rechte sie haben, werden sie systematisch ausgenutzt und arbeiten unter schlechten

Bedingungen. Um Sans-Papiers auf ihre Rechte aufmerksam zu machen, hat die Gewerkschaft Unia in

Zusammenarbeit mit der Anlaufstelle Sans-Papiers Basel im Jahr 2007 eine Broschüre erstellt „Sans-

Papiers – du hast Rechte!“ (vgl. Unia 2007). Darin werden Sans-Papiers darauf aufmerksam gemacht

dass sie, obwohl sie illegalerweise in der Schweiz leben, gleichwohl Rechte haben. Sans-Papiers ha-

ben

- das Recht auf Gesundheitsversorgung: Ärzte und Spitäler unterstehen der Schweigepflicht,

auch was den Aufenthaltsstatus der Patienten anbelangt.

- das Recht auf eine Kranken- und Unfallversicherung: auch die Krankenkassen unterstehen

der Schweigepflicht.

- das Recht auf minimale Arbeitsbedingungen: orts- und berufsüblicher Lohn, bezahlte Ferien,

Schutz vor Kinderarbeit, Bezahlung auch bei Krankheit, angemessene Kündigungsfrist,

AHV/IV

- das Recht auf Sozialversicherung (durch den Arbeitgeber): Altersversicherung AHV, Invali-

denversicherung IV, Arbeitslosenversicherung ALV, Unfallversicherung UVG, berufliche Vor-

sorge BV / Pensionskasse. Die Sozialversicherungen unterstehen ebenfalls der Schweige-

pflicht.

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- das Recht auf Grundschulbildung: auch Lehrpersonen haben die Schweigepflicht, was den

Aufenthaltsstatus ihrer SchülerInnen anbelangt.

Dazu kommen die völkerrechtlich garantierten Menschenrechte, wie Schutz vor Folter und Zwangs-

arbeit, das Recht auf Nahrung, Obdach und Gesundheitsversorgung (vgl. Zeugin 2003, p.25).

Der Artikel 12 der schweizerischen Bundesverfassung hält überdies noch das Recht auf Hilfe in Notla-

gen fest. Alle Menschen, die sich in der Schweiz befinden, unabhängig von ihrem Status, haben ein

Recht auf genügend Nahrung, Obdach, Kleidung und medizinische Versorgung. Jedoch wird diese

häufig von Sans-Papiers aus Angst vor der Fremdenpolizei nicht in Anspruch genommen.

Art. 12 Recht auf Hilfe in Notlagen

Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die

Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.

(Bundesbehörden der Schweizer Eidgenossenschaft a 1999)

Die Erwerbstätigkeit ist einer der entscheidenden Unterscheidungsfaktoren für die Lebenssituation

der Sans-Papiers. Es kann unterschieden werden zwischen erwerbstätigen Sans-Papiers, nicht-

erwerbstätigen, die keine öffentliche Unterstützung erhalten und nicht-erwerbstätigen, die öffentli-

che Unterstützung erhalten.

Viele der erwerbstätigen Sans-Papiers unterstützen ihre Familien im Herkunftsland mit Geldsendun-

gen.

Risiken für nicht-Erwerbstätige bestehen darin, dass ihnen die Lebensgrundlage fehlt und sie somit

auf Hilfe von aussen angewiesen sind. Die Abhängigkeit, die dabei entsteht geht einher mit einem

Gefühl der Nutzlosigkeit. Viele nicht-erwerbstätige Sans-Papiers erhalten finanzielle Hilfe von Freun-

den oder Bekannten.

Zusätzlich fehlt die soziale Integration, die bei Ausübung eines Berufes geschieht: der wertvolle Kon-

takt mit ArbeitgeberInnen, KollegInnen, etc. fällt weg. Teilweise driften erwerbslose Sans-Papiers in

die Kleinkriminalität ab, mit der sie sich eine Zeit lang über Wasser halten. Diese birgt jedoch auch

ein Doppelrisiko in sich: das Risiko, beim Begehen der Tat erwischt zu werden und damit verbunden

auch das Risiko, dadurch als Sans-Papiers entdeckt und ausgeschafft zu werden. Aus diesem Grund

hat die überwiegende Mehrheit der Sans-Papiers nichts mit kriminellen Aktivitäten zu tun.

(Vgl. Achermann /Chimienti 2006, p.85ff.).

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4.3. Alltag, Freizeit und soziale Netzwerke

4.3.1. Alltag

Sans-Papiers leben meist unauffällig und zurückgezogen. Jegliche Aufmerksamkeit, die auf sie gelenkt

wird, erhöht gleichzeitig auch die Gefahr, entdeckt zu werden. Eine Angst und damit verbunden auch

eine grosse Unsicherheit und Unruhe erschwert das Leben der Sans-Papiers. Einschränkungen gibt es

aber nicht nur in der Bewegungsfreiheit innerhalb der Schweiz, sondern vor allem auch wenn Sans-

Papiers die Schweiz vorübergehend verlassen wollen: Wenn für ihr Herkunftsland eine Visumspflicht

zur Einreise in die Schweiz herrscht, ist es nicht möglich, die Schweiz zu verlassen und wieder einzu-

reisen.

Trotzdem kann man von einem „Alltag“ der Sans-Papiers sprechen. Genau so unterschiedlich wie der

Alltag von Personen mit Aufenthaltsbewilligung ist, ist auch der Alltag von Sans-Papiers: vom er-

werbslosen Sans-Papiers, der sich jeden Abend einen anderen Schlafplatz sucht bis hin zum erwerbs-

tätigen Sans-Papiers, der gut integriert ist und in seiner Freizeit verschiedene Hobbies ausführt, gibt

es alles.

Um ihren Alltag zu meistern, stehen Sans-Papiers verschiedene Ressourcen zur Verfügung. Acher-

mann/Chimienti (2006) unterscheiden zwischen individuellen und kontextuellen Ressourcen. Die

individuellen Ressourcen bestehen z.B. aus Wissen, Erfahrungen und Bildung, wie auch aus psycholo-

gischen Aspekten wie Selbstbewusstsein und Überzeugungen, die jede Person individuell mitbringt.

Auch das soziale Beziehungsnetz gehört zu den individuellen Ressourcen. Die individuellen Ressour-

cen werden massgeblich von zwei Faktoren, Migrationskontext und Erwerbstätigkeit, beeinflusst.

Jemand, der aus politischen Gründen aus seinem Herkunftsland geflüchtet ist und in nach einem

abgelehnten Asylgesuch notgedrungen in der Schweiz bleibt und schwarz arbeitet, bringt andere

individuelle Ressourcen mit als jemand, der mit der festen Absicht in die Schweiz gekommen ist, eine

bestimmte Zeit lang zu arbeiten und Geld zu verdienen, egal ob mit oder ohne Aufenthaltsbewilli-

gung. Erwerbstätige Sans-Papiers führen ein Leben, das trotz Einschränkungen „zu einer gewissen

Normalität tendiert“ (zit. n. Achermann / Chimienti 2006, p.108), während erwerbslose Sans-Papiers

vielfach keine Struktur in ihrem Leben schaffen können.

Als kontextuelle Ressourcen werden z.B. Rechte verstanden, die den Sans-Papiers zustehen, Struktu-

ren sowie politische Praxis in einem bestimmten Rahmen. Die individuellen und kontextuellen Res-

sourcen ergänzen und verstärken sich gegenseitig, sie stehen in einer Wechselbeziehung (vgl.

Achermann/Chimienti 2006, p.76ff).

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4.3.2. Freizeit

Obwohl das tägliche Leben der Sans-Papiers oftmals geprägt ist von einer Angst und Unsicherheit,

finden viele eine Freizeitbeschäftigung, der sie nachgehen. Oftmals bieten kirchliche oder nationale

Vereinigungen Kurse oder Gruppen an (Sprachkurse, Computerkurse, Frauengruppen, religiöse

Gruppen), die etwas Abwechslung und auch Ablenkung in das Leben der Sans-Papiers bringt.

(Vgl. Achermann / Chimienti 2006, p.83f).

4.3.3. Soziale Netzwerke

Sans-Papiers die schon länger in der Schweiz leben verfügen meist über ein soziales Netzwerk, das

aus Freunden, Bekannten und Verwandten besteht, denen sie vertrauen. Dienstleistungen wie Arzt-

besuch, Beratungen, etc. werden meist über diese Netzwerke vermittelt und nur selten werden öf-

fentliche Hilfestellungen in Anspruch genommen. Ein soziales Netz kann auch durch Integration bei

der Erwerbstätigkeit aufgebaut werden: ArbeitgeberInnen, KollegInnen, etc. (vgl. Röthlisberger 2005,

p.39).

4.4. Sans-Papiers in der Politik und Öffentlichkeit

Die Thematik der Sans-Papiers löst immer wieder heftige Reaktionen in der Bevölkerung aus. Seit

2001 gab es diverse Kirchenbesetzungen, bei denen Sans-Papiers ihr Gesicht zeigten und auf ihre

Situation aufmerksam machten (vgl. Röthlisberger 2005, p.41). So wurden im August 2001 von drei

Sans-Papiers-Kollektiven nacheinander in Lausanne und Fribourg Kirchen besetzt, sowie in La Chaux-

de-Fonds das Volkshaus in Beschlag genommen. Danach gab es auch in der Deutschschweiz (Bern,

Zürich, Basel) Sans-Papiers, die sichtbar für die kollektive Regularisierung aller Sans-Papiers einstan-

den. Nebst dieser Forderung wurden auch die Gleichbehandlung aller in der Schweiz lebenden Per-

sonen bezüglich ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie der sozialen Sicherheit, ein Ausschaf-

fungsstopp und die Lancierung einer öffentlichen Debatte über Sans-Papiers verlangt (vgl. Nellen-

Stucky 2006, p.206). Da Sans-Papiers sonst kaum politisch aktiv werden können, stellen die Kirchen-

besetzungen ein wichtiges Mittel dar, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Als aktuellstes

Ereignis ist die Besetzung der Kleinen Schanze in Bern zu verzeichnen: ab dem 26. Juni 2010 campier-

ten Sans-Papiers eine Woche lang im Park der Kleinen Schanze und forderten eine kollektive Regula-

risierung.

Ein anderes aktuelles Beispiel für das öffentliche Interesse an der Thematik der Sans-Papiers sind die

Protestaktionen von SchulkollegInnen der serbischen Zwillinge Aleksandra und Tijana Comagic, wel-

che anfangs des Jahres 2009 aus der Schweiz ausgewiesen werden sollten. „Hier aufgewachsene

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gehören hierher“ stand beispielsweise auf Transparenten, mit denen eine Turnhalle in Zürich-Enge

belagert wurde. Über ein Jahr lang veranstalteten die SchülerInnen verschiedene Protestaktionen,

mit denen sie den verantwortlichen Regierungsrat zur Vergabe des Bleiberechts für die Zwillinge und

deren Mutter überzeugen wollten. Am 14. September 2009 war dann in der Neuen Zürcher Zeitung

zu lesen: „Familie Comagic kann definitiv bleiben“. (zit. n. NZZ, 27.4.10)

Es gibt auch Geschichten mit einem weniger glücklichen Ende; Familien, die trotz guter Integration in

der Schweiz ausgewiesen werden, Erwachsene und Jugendliche, die in der Schweiz Freunde und Be-

kannte zurücklassen müssen und zurück in ihr Heimatland geschickt werden, welches sie oftmals nur

noch aus ferner Erinnerung kennen und wo häufig Armut und Arbeitslosigkeit auf sie warten.

Verschiedene Hilfsorganisationen und Sans-Papiers-Kollektive setzen sich dafür ein, dass die Thema-

tik nicht vergessen geht und auch in der Politik aktuell bleibt.

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5. Sans-Papiers Kinder in der Schweiz

Während über erwachsene Sans-Papiers in den letzten Jahren einige Studien publiziert wurden, gibt

es praktisch keine Erhebungen über Sans-Papiers-Kinder. Es ist unklar, wie viele Sans-Papiers mit

ihren Kindern in der Schweiz leben. Das Bundesamt für Migration schätzt ihren Anteil auf 1-30% und

geht davon aus, dass dieser in den städtischeren Kantonen durchschnittlich eher höher, in den ländli-

cheren Kantonen eher tiefer ist (vgl. Longchamp 2005, p.39).

5.1. Rechte der Sans-Papiers-Kinder

Sans-Papiers-Kinder haben Rechte: Neben den verfassungsmässig garantierten Rechten hat sich die

Schweiz auch für die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet. Dieses Übereinkommen

über die Rechte des Kindes wurden 1989 in New York von den Vereinten Nationen beschlossen und

trat im März 1997 auch in der Schweiz in Kraft. Doch immer noch gibt es Punkte der Kinderrechts-

konvention, die in der Schweiz noch nicht vollständig umgesetzt werden. Ein aktueller politischer

Vorstoss gilt vor allem dem Recht auf Bildung. Die Kinderrechtskonvention sagt dazu:

Art. 28

(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an; um die Verwirklichung dieses Rechts

auf der Grundlage der Chancengleichheit fortschreitend zu erreichen, werden sie insbesondere

a) den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und unentgeltlich machen;

b) die Entwicklung verschiedener Formen der weiterführenden Schulen allgemein bildender und

berufsbildender Art fördern, sie allen Kindern verfügbar und zugänglich machen und geeignete

Massnahmen wie die Einführung der Unentgeltlichkeit und die Bereitstellung finanzieller Unterstützung

bei Bedürftigkeit treffen;

c) allen entsprechend ihren Fähigkeiten den Zugang zu den Hochschulen mit allen geeigneten Mitteln

ermöglichen;

d) Bildungs- und Berufsberatung allen Kindern verfügbar und zugänglich machen;

e) Massnahmen treffen, die den regelmässigen Schulbesuch fördern und den Anteil derjenigen, welche die

Schule vorzeitig verlassen, verringern.

(Bundesbehörden der Schweizer Eidgenossenschaft d 2010)

Trotz diesem Artikel, der das Recht auf Bildung betont, haben Sans-Papiers-Jugendliche in der

Schweiz keine Möglichkeit, eine Berufslehre zu absolvieren und somit gibt es für Sans-Papiers nach

Abschluss der obligatorischen Schulzeit keine andere Wahl als Arbeitslosigkeit oder Schwarzarbeit.

Die von verschiedenen Organisationen, Einzelpersonen und Politikern unterstützten politischen Vor-

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stösse gelangten bis auf Bundesebene, wo sie in der Sommersession 2010 im Ständerat diskutiert

werden.

Massgeblich an diesen Vorstössen beteiligt ist auch der Verein „Für die Rechte illegalisierter Kinder“,

der sich aus verschiedenen NGOs gegründet hat. Mit dem Ziel, die Situation von illegalisierten Kin-

dern zu verbessern wurde im Jahr 2008 die Kampagne „Kein Kind ist illegal“ gestartet. Gefordert

werden:

- Die umfassende Umsetzung des Rechts auf Bildung, von der vorschulischen Bildung bis zur

Ausbildung an einer Mittelschule und dem Absolvieren einer Lehre

- Den sofortigen Stopp der Ausschaffungshaft für Minderjährige

- Vereinfachte Regularisierungsmöglichkeiten für Kinder und ihre Familien

- Die Respektierung der UN-Kinderrechtskonvention durch die Schweizer Behörden auch ge-

genüber Kindern ohne geregelten Aufenthaltsstatus

(Niklaus/ Kilchenmann / Schwager 15.5.10)

5.2. Problembereiche

Sans-Papiers-Kinder befinden sich also, gleich wie ihre Eltern, in einer prekären Lage. Man könnte

meinen, dass den Kindern ihre Lage noch nicht bewusst ist, da sie noch zu jung sind, um diese zu

verstehen. Die im Jahr 2007 von Lisa Weiller erstellten Fallanalysen mit vier sechs- bis neun-jährigen

Kindern zeigen jedoch, dass Sans-Papiers-Kinder (die von ihrem Status wissen) sich sehr wohl mit

ihrer Lage auseinandersetzen, Probleme erkennen und sogar Strategien entwickeln, um ihren Alltag

bewältigen zu können (vgl. Weiller 2007, p.107f).

Die Probleme, die die Sans-Papiers-Kinder aufgrund ihres Status erfahren, können in drei Problembe-

reiche eingeteilt werden, die sich teilweise überschneiden und/oder in einer Wechselwirkung stehen:

wenig Kontakte zu Peers, finanzielle Armut der Familie, Angst der Eltern (vgl. Weiller 2007, p.109).

5.2.1. Wenig Kontakte zu Peers

Der Kontakt zu einer Peergroup wird durch verschiedene Aspekte erschwert: Viele Sans-Papiers ver-

bieten ihren Kindern, Freunde mit nach Hause zu bringen, da sie Angst davor haben, fremde Men-

schen in der Wohnung zu haben oder weil sie sich schämen, so wenig Platz zu haben. Das unmittel-

bare Wohnumfeld wird häufig ebenfalls als Gefahr angesehen und die meisten Freizeitaktivitäten

finden in der Wohnung statt.

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5.2.2. Finanzielle Armut der Familie

Durch die Tatsache, dass Sans-Papiers tendenziell eher Arbeiten im unteren Lohnsektor ausführen

und häufig zu schlechten Konditionen arbeiten, entsteht eine finanzielle Armut, welche sich auf un-

terschiedlichen Ebenen auswirkt. Die Wohnsituation ist geprägt von Platzmangel, z.T. lebt eine ganze

Familie in einem Zimmer; Die Mobilität ist eingeschränkt, da kein Auto vorhanden ist und die Bus-,

Tram- und Zugbillets teuer sind; Kindern fehlen oftmals materielle Dinge wie Spielsachen, Kleider, etc.

5.2.3. Angst der Eltern

Auch die ständige Angst der Eltern, als Sans-Papier entdeckt zu werden, hat auf die Kinder einen Ein-

fluss. Sie führt dazu, dass Kinder ihre Eltern zur Arbeit begleiten, dass sie abends nicht mehr nach

draussen dürfen, grundsätzlich: dass sie mit vielmehr Vorsicht ihren Alltag gestalten müssen. Kinder

und Eltern sind also gleichermassen einem psychischen Druck ausgesetzt.

5.3. Strategien

Als Mittel gegen diese Problembereiche, die sich ihnen stellen, entwickeln Sans-Papiers-Kinder Stra-

tegien und nutzen verschiedene Ressourcen, um ihren Alltag besser bewältigen können. Weiller

(2007, p. 109ff.) hat diese in fünf Teilbereiche gegliedert: Familiäres Umfeld, Schule / Kindergarten,

Konzentration auf die „schönen Seiten des Lebens“, Phantasiewelten, Hoffnung auf eine bessere

Zukunft.

Als eine erste sehr wichtige Ressource gilt das familiäre Umfeld. Einige Eltern entscheiden sich dafür,

ihrem Kind nichts vom illegalen Aufenthalt zu erzählen, bzw. erst ab einem bestimmten Alter (vgl.

Niklaus / Schäppi 2007, p. 29), andere pflegen von Beginn an eine offene Kommunikation und be-

sprechen Probleme mit ihren Kindern. Die Familie nimmt bei Sans-Papiers-Kindern einen sehr wichti-

gen Platz ein, da dies bei den meisten der einzige Ort ist, wo über den illegalen Aufenthalt gespro-

chen wird, wo Fragen gestellt werden und wo Probleme erzählt und gelöst werden können. Trotz der

Tatsache, dass viele Sans-Papiers-Kinder die Wohnung nur begrenzt verlassen dürfen und durch

Platzmangel noch zusätzlich ein erhöhtes Konfliktpotential innerhalb der Familie besteht, ist das fa-

miliäre Umfeld und die emotionale Nähe zwischen den einzelnen Familienmitgliedern eine sehr wich-

tige und positive Ressource der Ermutigung und Kraft für Sans-Papiers-Kinder.

Eine weitere wichtige Ressource stellt der Kindergarten/ die Schule dar. Neben der Familie ist dies

der Ort, wo sich die Kinder regelmässig aufhalten. In der Schule / im Kindergarten werden die Kinder

als „normale“ Kinder angenommen und Fragen und Probleme, über die im Zusammenhang mit dem

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Aufenthaltsstatus zu Hause gesprochen wird, werden in der Schule / im Kindergarten ausgeblendet.

Die anderen Kinder der Klasse sind in den meisten Fällen nicht über den Aufenthaltsstatus der Sans-

Papiers informiert, was den Sans-Papiers-Kindern die Möglichkeit bietet, ein „ganz normales“ Kind

und Klassenmitglied zu sein. Die Schule stellt also gewissermassen eine gewisse Distanz zur ausser-

schulischen Lebenswelt der Kinder her, was positiv erlebt wird.

Da viele Kinder in ihrem Wohnumfeld keine oder wenige Beziehungen zu Gleichaltrigen pflegen weil

sie sich oft drinnen aufhalten, ist die Schule auch ein wichtiger Ort, um Kontakte zu knüpfen und

Freundschaften zu bilden und aufrechtzuerhalten.

Die von Weiller interviewten Kinder zeigten alle eine starke Fähigkeit, sich auf die „schönen Seiten

des Lebens“ zu konzentrieren und sich gegebenenfalls von schweren Gedanken abzulenken, sei dies

durch zeichnen, Musik hören oder andere Beschäftigungen. Jedes Kind hat eine Tätigkeit gefunden,

durch die es sich ablenken kann und in der es Kraft tanken kann.

Auch Phantasiewelten und Phantasiefreunde helfen den Kindern, ihre Situation zu bewältigen. Durch

die Prekarität der Wohnsituation der meisten Sans-Papiers, gibt es für die Kinder kaum einen Ort um

sich zurückzuziehen, ein Kinderzimmer ist selten vorhanden. Darum schaffen sich viele Sans-Papiers-

Kinder einen „inneren Raum“, eine Phantasiewelt, in der sie sich zurückziehen können. Diese inneren

Räume entstehen einerseits durch die Gedanken / Phantasie, andererseits auch durch Bücher, in die

sich die Kinder vertiefen.

Eine weitere bedeutende Ressource zur Bewältigung des Alltags ist die Hoffnung auf ein besseres

Leben in der Zukunft, die viele Sans-Papiers-Kinder in sich tragen. Irgendwann glücklich und frei sein,

einen guten Beruf ausüben und mit einer Aufenthaltsbewilligung leben zu können, das wünschen

sich alle der interviewten Kinder und es hilft ihnen, die momentane Situation zu meistern.

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6. Methodik

Als Ausgangswissen und Basis für die spätere Erarbeitung eines Leitfadens für Lehrpersonen müssen

spezielle Bedürfnisse der Sans-Papiers-Kinder in der Schule bekannt sein. Für vorliegende Arbeit

möchte ich nun diese Bedürfnisse von Sans-Papiers-Kindern eruieren. Um möglichst authentische

Resultate zu erhalten, führe ich Interviews mit Sans-Papiers-Kindern sowie deren Eltern durch. Die

dazu gewählte Methodik stelle ich in diesem Kapitel vor.

6.1. Schritte qualitativer Forschung in der Erziehungswissenschaft

König / Bentler (1997, p.90) nennen sechs Schritte, die bei qualitativer Forschung in der Erziehungs-

wissenschaft gegangen werden müssen:

1. Schritt: Entwicklung einer präzisen Fragestellung

2. Schritt: Übersicht über den Forschungsstand

3. Schritt: Festlegung des theoretischen Begriffsrahmens

4. Schritt: Festlegung der Forschungsmethodik und Durchführung der Untersuchung

5. Schritt: Darstellung und Interpretation der Ergebnisse

6. Schritt: Pädagogische Konsequenzen

Nachdem ich im ersten, informativen Teil dieser Arbeit die Schritte eins bis drei behandelt habe,

werde ich mich in diesem Kapitel mit dem vierten Schritt befassen.

6.2. Festlegung der Forschungsmethodik und Durchführung

6.2.1. Auswahl geeigneter Untersuchungsmethoden und Begründung

Die geeignetste Untersuchungsmethode schien mir von Anfang an das Interview, da dieses den direk-

ten Kontakt mit den zu Befragenden ermöglicht. Es war mir wichtig, dass während dem Interview

Punkte angesprochen wurden, von denen ich bereits vermutete, dass sie spezielle Anliegen der Sans-

Papiers-Kinder im schulischen Kontext darstellten, also das Überprüfen von Thesen. Andererseits

wollte ich den Kindern auch Gelegenheit geben, noch weitere Themen anzusprechen, da ich meine

Thesen nicht als allumfassend betrachtete und die Vermutung hatte, dass es noch mehr relevante

Themen für Sans-Papiers-Kinder gibt.

Das Interview müsste also einerseits Charakter eines Leitfaden-Interviews haben, welches Frieberts-

häuser (1997) folgendermassen definiert: „Das zentrale Charakteristikum von Leitfaden-Interviews

besteht darin, dass vor dem Interview ein Leitfaden mit vorformulierten Fragen oder Themen erar-

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beitet wird. Dadurch grenzen die Forschenden die Interviewthematik ein und geben einzelne The-

menkomplexe bereits vor.“ (zit. n. Friebertshäuser 1997, p. 375).

Andererseits müsste das Interview auch gewisse Freiräume lassen, um Themen bzw. Bedürfnisse der

Sans-Papiers-Kinder aufzudecken, die in den Leitfragen noch nicht erwähnt wurden. Dazu schien mir

die Möglichkeit des qualitativen Interviews nahe: „Im Zentrum qualitativer Interviews steht die Frage,

was die befragten Personen für relevant erachten, wie sie ihre Welt beobachten und was ihre Le-

benswelt charakterisiert.“ (zit. n. Froschauer / Lueger 2003, p.17).

Um die beiden scheinbar gegensätzlichen Interviewtechniken zu vereinen, plante ich einen Interview-

leitfaden, der auch offene Fragestellungen beinhaltete, mit welchen in einen Teil des Interviews

übergegangen werden konnte, der eher Merkmale des qualitativen Interviews aufwies.

Aufgrund der eher geringeren sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten von Kindern entschloss ich mich,

bei den Kinder-Interviews den Fokus je nach Alter eher auf die Leitfragen zu richten, während ich

mich bei den Eltern-Interviews eher auf die Interviewtechnik des qualitativen Interviews stützte. Dies

jedoch unter Vorbehalten, da ich mir nicht sicher war, wie gut die Deutschkenntnisse der befragten

Eltern tatsächlich sein würden.

6.2.2. Festlegung der Grundgesamtheit und Stichprobe

Als Grundgesamtheit sind in diesem Fall alle Sans-Papiers-Kinder und deren Eltern zu definieren. Es

geht in meiner Untersuchung / in meinen Interviews darum, herauszufinden, welche Bedürfnisse die

Kinder im Bezug auf die Schule bzw. die Lehrperson haben. Aufgrund des relativ kleinen Umfangs

vorliegender Arbeit, zeitlicher Begrenzung und der Schwierigkeit, InterviewpartnerInnen zu finden,

ist auch die Stichprobe klein, sie beläuft sich auf zwei bis drei Kinder plus je mindestens ein Elternteil.

Besonders aufschlussreich wäre es, Interviews mit Kindern verschiedenen Alters (1.-6. Klasse) zu ma-

chen, um einen möglichst breiten Eindruck zu bekommen. Die bereits genannte Schwierigkeit, Inter-

viewpartnerInnen zu finden, verunmöglichte jedoch dieses Kriterium.

Im Zentrum der Interviews stehen die Kinder. Trotzdem habe ich beschlossen, auch den Eltern, bzw.

mindestens einem Elternteil pro Kind, Gehör zu verschaffen. Die Rolle der Eltern im Bezug auf die

Interviews sehe ich darin, dass sie

- Zusatzinformationen zum Kind / zur Schule / zur Situation geben können

- ihr Kind kennen und gegebenenfalls Aussagen bekräftigen oder präzisieren können, bzw.

Stellung nehmen können

- gewisse Sachverhalte besser artikulieren können (vom kognitiven wie sprachlichen Stand aus)

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- Bedürfnisse sehen, die ausserhalb der Verantwortung der Kinder liegen (Bsp.: Wenn auf der

Schulreise ein Unfall passiert, dann hat das Kind das Bedürfnis nach einem (vertrauten) Arzt.

Diesen zu konsultieren steht aber nicht in der Verantwortung des Kindes, sondern (im Falle

einer Schulreise) bei der Lehrperson. Dass die Lehrperson weiss, welchen Arzt sie anrufen soll,

wäre also ein Bedürfnis der Eltern mit direkter Wirkung auf das Kind.)

Nicht zuletzt können die Eltern auch ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse im Bezug zur Schule

ihres Kindes anbringen, was für eine funktionierende Elternarbeit von grosser Wichtigkeit ist.

Schlussendlich trägt eine vertrauensvolle Eltern-Lehrperson-Beziehung auch wieder zum Wohlbefin-

den des Sans-Papiers-Kindes bei.

6.2.3. Festlegung des Untersuchungsdesigns

Da das Arbeiten mit einem Leitfaden-Interview eine gewisse Feldkompetenz verlangt (vgl. Frieberts-

häuser 1997, p. 375), war es mir wichtig, mich vor dem Erarbeiten des Leitfadens genügend über die

Thematik der Sans-Papiers zu informiere. Der erste, informative Teil vorliegender Arbeit steht zu-

sammenfassend für die Aneignung dieser Feldkompetenz.

Als nächstes stellte ich für mich die Thesen auf, die sich aus meinem bisherigen Wissen um die Sans-

Papiers-Thematik ergaben. Daraus formulierte ich die Fragen für das Interview. Bei diesen war es mir

besonders wichtig, nicht bereits durch die Fragestellung eine bestimmte Antwort zu implizieren, dar-

um fielen die Fragen relativ offen aus, auch wenn meine Thesen bereits konkret waren. Die Fragebo-

gen für Kinder und Eltern sind im Anhang einzusehen, sowie die erste wie auch die zweite Version

(Erklärung zum Grund einer zweiten Version s. Kap. 7.1.).

Da die Thesen auf die konsultierte Literatur basieren, werde ich sie in die Ergebniszusammenstellung

einbeziehen, selbst wenn sie von den Interviews nicht bestätigt werden. Grund dafür ist, dass nicht

alle Sans-Papiers-Kinder die gleichen Bedürfnisse haben und somit die Bedürfnisse in der Ergebniszu-

sammenstellung einander auch widersprechen können. Schlussendlich geht es darum, möglichst

viele der Bedürfnisse herauszufinden, unabhängig davon, ob sie für alle Kinder zutreffen.

Von mir aufgestellte Thesen, die sich aus dem Literaturstudium ergeben (betreffen Sans-Papiers-

Kinder sowie ihre Eltern):

- Viele Sans-Papiers-Kinder tragen eine Unsicherheit in sich, wem sie bezüglich ihres

Status‘ vertrauen können und wem nicht. Die Lehrperson sollte sich darum offen als Vertrau-

ensperson zeigen, ihre Schweigepflicht vermitteln, betonen und auch einhalten.

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- Sans-Papiers-Kinder sehen die Schule als Ausgleich zu ihrem Elternhaus, wo die Thematik

Sans-Papiers besonders oft aufgenommen wird. Darum wünschen sich Sans-Papiers-Kinder,

dass sie in der Schule einfach „normal“ sind und dass innerhalb der Klasse nicht so viel (gar

nicht?) über ihren Status geredet wird.

- Viele Sans-Papiers-Kinder sind in ihrer Freizeit zu Hause (drinnen) und haben wenig soziale

Kontakte. Darum wünschen sie sich diese Kontakte in der Schule besonders intensiv.

- Vielen Sans-Papiers-Kinder wird von den Eltern nicht erlaubt, MitschülerInnen nach Hause zu

bringen. Soziale Kontakte werden so erschwert / verunmöglicht. Die Sans-Papiers-Kinder

wünschen sich darum Freizeitangebote, die im Rahmen der Schule stattfinden (z.B. Tages-

schulen), wo sie auf „neutralem“ Boden ihre KollegInnen treffen können.

- Viele Sans-Papiers-Kinder sind in einer fremden Umgebung unsicher und haben Angst. Bei

Schulreisen, Klassenausflügen, etc. sollte dieser Tatsache Rechnung getragen werden. (wie?)

- Bei Unfällen, bei denen ein Arzt benötigt wird, brauchen Sans-Papiers einen Arzt, der ihnen

vertraut ist (Hausarzt).

- Der Besuch des Verkehrspolizisten in der Schule kann Sans-Papiers-Kindern Angst machen.

Die Lehrperson sollte seinen Besuch genau erklären.

6.2.4. Durchführung der Untersuchung

Die Beratungsstelle für Sans-Papiers in Bern konnte mir leider keine InterviewpartnerInnen vermit-

teln, da sie zu diesem Zeitpunkt von keinem Sans-Papiers-Kind wussten, welches meinen Kriterien

entsprochen hätte. Daraufhin wandte ich mich an die Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich (SPAZ), wo ich

Kontakte zu zwei Kindern vermittelt bekam.

Für die Durchführung der Interviews durfte ich freundlicherweise ein Büro der Sans-Papiers-

Anlaufstelle benutzen, was sehr hilfreich war, da es für die Sans-Papiers vertraute Räume waren. Ich

führte jeweils zuerst das Interview mit dem Kind allein, danach mit dem Elternteil (wobei das Kind

auch anwesend war) durch. Die Gespräche nahm ich (ausser einem) alle auf Tonband auf (s. Beilage).

Laut Heinzel (1997, p. 407) ist die notwenige Grundhaltung des Interviewers bei einer Befragung mit

Kindern folgendermassen zu charakterisieren: freundlich, unterstützend, ermutigend, geduldig, zu-

gewandt, rücksichtsvoll, vorsichtig, abwartend, annehmend und aufgeschlossen. Ich nahm mir diese

Adjektive zu Herzen und notierte sie oberhalb meines Fragebogens, damit ich mich selber während

des Interviews diesbezüglich auch beobachten und gegebenenfalls korrigieren könnte.

Näheres zu Ablauf und Inhalte der Interviews ist im Kapitel 7 zu lesen.

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6.2.5. Auswahl und Begründung der Auswertungsmethode

Zur Auswertung der Interviews orientierte ich mich an den thematischen Einheiten, die ich auch be-

reits in der Erstellung der Fragebogen verwendet hatte.

Für die Interviews mit Sans-Papiers-Kindern waren die thematischen Einheiten folgende:

- Thema soziale Integration, Beziehungen zu Einzelpersonen

- Thema Lehrperson / Klasse

- Thema eigenes Befinden / eigene Gefühle

- Thema spezielle Anlässe / Besuche

Für die Interviews mit den Sans-Papiers-Eltern erstellte ich folgende thematischen Einheiten:

- Thema Einstellung / Wahrnehmung der Schule /Beteiligung

- Thema soziale Integration, FreundInnen / KollegInnen des Kindes

- Thema Lehrperson

- Thema spezifische Situationen

Mein Ziel war es nun bei der Auswertung, in diesen thematischen Einheiten die wichtigsten Bedürf-

nisse der Kinder herauszufinden und dabei auch offen zu sein, falls noch neue thematische Einheiten

dazukommen sollten.

Dazu führte ich mit dem vorhandenen Material (Transkriptionen) eine inhaltsanalytische Interpreta-

tion durch. Laut Lamnek (1988, p. 197, zit.n. Heinzel 1997) besteht dieser interpretative Vorgang aus

zwei Phasen:

- Nachvollzug der alltagsweltlichen Deutungen und Bedeutungszuweisungen

- Typisierende Konstruktion eines Musters

Dieses Vorgehen schien mir geeignet, da es auch meinen Zielsetzungen entsprach: ich wollte die Si-

tuation der einzelnen interviewten Kinder und Eltern nachvollziehen und verstehen, aber anschlies-

send auch allgemein formulierte Punkte erfassen können und sie in einem Leitfaden festhalten. Es

erweist sich natürlich als sehr schwer, wenn nicht unmöglich, solche Verallgemeinerungen vorzu-

nehmen – das Wort „Konstruktion“ ist in diesem Zusammenhang sehr treffend, da es sich auf das

erst zu Erbauende/Erstellende bezieht und nicht auf bereits bestehendes.

Bei der Auswertung galt es also, vorhandene Bedürfnisse der Sans-Papiers-Kinder herauszuschälen

mit dem Vorbehalt, dass diese nicht für alle Kinder von Bedeutung sein müssen und sich folglich in

Extremfällen sogar widersprechen können.

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Den ersten Punkt der inhaltsanalytischen Interpretation, den Nachvollzug der alltagsweltlichen Deu-

tungen und Bedeutungszuweisungen, setzte ich jeweils im Anschluss an die Interviews (Kap. 7.1. und

7.2.) in Form einer Situationsdarstellung und einer Einschätzung um. Den zweiten Punkt, die Typisie-

rende Konstruktion eines Musters, führte ich im Kap. 8 („Ergebnisse“) aus, indem ich die Ergebnisse

aus allen durchgeführten Interviews tabellarisch darstellte.

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7. Interviews

Dank der Vermittlung durch die Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich (SPAZ) konnte ich am 7. Juli 2010

zwei Sans-Papiers-Kinder treffen und ihnen und ihren Eltern meine Fragen stellen. Das Treffen fand

in den Räumlichkeiten der Anlaufstelle statt, also in den für die Sans-Papiers vertrauten Räumen.

Leider erkrankte eines der Kinder und ich konnte an diesem Tag nur mit einem Kind statt mit zwei

Kindern das Interview durchführen. Das zweite Interview fand dann eine Woche später, am 14. Juli

statt. Zum Schutz der Kinder habe ich ihre Namen geändert.

7.1. Erstes Interview: Linda

7.1.1. Situation

Linda geht in die 3. Klasse in Zürich. Sie ist vor 3 Jahren aus ihrem Heimatland in die Schweiz gekom-

men. Ihre Eltern leben getrennt, Linda wohnt bei ihrer Mutter, die mit einem neuen Lebenspartner

zusammen lebt. Lindas Mutter verfügt über gültige Aufenthaltspapiere, ebenso wie ihr Stiefvater, der

ursprünglich auch aus dem Ausland stammt. Zum Interviewtermin wurde Linda von ihrem Stiefvater

begleitet, was mir die Möglichkeit bot, auch mit ihm noch zu sprechen. Leider wurde dieses Gespräch

aufgrund eines technischen Defekts am Diktiergerät nicht aufgenommen.

Während des Interviews war Linda sehr scheu. Sie antwortete auf die meisten Fragen nur mit ja oder

nein und erzählte auch bei offenen Fragen sehr wenig. Zusammenfassend kann über Lindas Situation

folgendes gesagt werden:

Linda ist in der Schule sehr gut integriert. Sie hat Freundinnen, mit denen sie sich trifft, bei sich oder

auch bei anderen zu Hause. Sie fühlt sich wohl in der Schule und hat keine grösseren Schwierigkeiten,

ausser manchmal im sprachlichen Bereich. Angst und Unsicherheit aufgrund ihres Status als Sans-

Papiers verspürt sie teilweise auf der Strasse, selten auch in der Schule. Eine spezifische Strategie

gegen diese Angst hat sie nicht, sie hofft einfach jeweils, dass die Angst vorübergeht. Bei speziellen

Anlässen der Schule wie Schulreise, Besuche, etc. hat Linda keine Angst, sie fühlt sich wohl wenn ihre

Klasse um sie herum ist. Ihr Lehrer sowie ihre MitschülerInnen wissen nicht, dass Linda über keine

gültigen Aufenthaltspapiere verfügt.

Aus dem Gespräch mit Lindas Stiefvater ging hervor, dass die Hoffnung besteht, dass auch Linda bald

gültige Aufenthaltspapiere für die Schweiz bekommen wird. Weil die Mutter und der Stiefvater keine

Sans-Papiers (mehr) sind, scheint die Thematik auch in der Familie nicht allzu stark betont zu werden,

was meiner Einschätzung nach auch als Schutz für Linda dient: indem ihr Status nicht zu fest betont

wird, macht sich Linda auch nicht zu viele Sorgen. Möglicherweise ist sich Linda nicht vollumfänglich

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bewusst, was es heisst, Sans-Papiers zu sein. Die Aussage des Stiefvaters, dass er ihr immer wieder

erklären muss, warum sie nicht in ihr Heimatland in die Ferien gehen können, unterstreicht diese

These.

7.1.2. Einschätzung und Fazit

Das Interview mit Linda zeigt sehr deutlich, dass es kein „typisches“ Beispiel für Sans-Papiers und ihre

Situation gibt und dass die Fälle immer individuell angeschaut werden müssen. Für mich ist dies eine

wichtige Erkenntnis, die auch für Schulen und Lehrpersonen von Bedeutung ist: Selbst wenn ein Leit-

faden, bzw. eine Broschüre zum richtigen Umgang mit Sans-Papiers-Kindern besteht, kann man diese

nicht einfach Punkt für Punkt abhaken, sondern muss sich individuell mit der Situation befassen. Bei

Lindas Fall scheint es beispielsweise klug, nicht zu viel über ihren Status zu sprechen, um sie in der

(hoffentlich kurzen) Zeit, in der sie noch keine Papiere hat, nicht unnötig psychisch zu belasten. Ihre

Eltern scheinen ebenfalls dieser Meinung zu sein und thematisieren das Thema Sans-Papiers nicht

allzu häufig. Bei mir stellte sich in diesem Zusammenhang während des Interviews eine kleine Unsi-

cherheit ein, ob es überhaupt gut für Linda war, am Interview zu diesem Thema mitzumachen und

dabei mit Fragen konfrontiert zu werden, die in ihr vielleicht noch zusätzliche Gedanken und Sorgen

aufwühlen (und die sie sich ohne Interview vielleicht nie gemacht hätte).

Stellt man den Bezug her zu den von Weiller in fünf Bereiche eingeteilten Strategien, könnte man

sagen, dass Linda vor allem die Strategie hat, die Schule als „Erholungsraum“ (vgl. Weiller 2007, p.

111) zu nutzen. Indem niemand über ihren Status Bescheid weiss, muss sie nicht über dieses Thema

sprechen. Dass dies so bleibt, stellt eines ihrer Bedürfnisse dar.

Ein weiteres Bedürfnis ist das Zusammensein mit der Klasse während Ausflügen:

J (…) Hesch di wouhgfüuht uf dr Schueureis?

K1 Ja.

J Oder hesch mängisch ou dänkt, ja, hoffentlich chunnt niemer.

K1 Näi.

J Nid, guet. De hesch di wouhgfüuht mit der ganze Klass zäme?

K1 Ja.

(Abs. 70-75)

Während Linda manchmal Angst hat, wenn sie alleine auf der Strasse ist, fühlt sie sich mit der ganzen

Klasse zusammen wohl.

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7.1.3. Reflexion zum Vorgehen im Interview

Da ich nicht viel Erfahrung hatte im interviewen von Kindern, war es mir besonders wichtig, nach

dem ersten Interview eine Phase der Reflexion einzulegen, speziell auch darum, weil mir bereits wäh-

rend dem Interview Dinge auffielen, die ich im nächsten Interview anders machen sollte.

Eine Herausforderung beim Interview mit Linda war, dass sie sehr scheu war. Dieser Schüchternheit

hätte am Anfang etwas entgegengewirkt werden können, wäre die Phase des Vorstellen und Plau-

derns etwas länger gewesen, bzw. hätte sich diese Lockerheit etwas mehr im Interview gezeigt. Da

ich aber selber auch etwas nervös war, hielt ich mich sehr nahe an den Fragen und war nicht spontan

genug, Dinge zwischendurch zu fragen, die Linda mehr zum sprechen gebracht hätten.

Ihre Unsicherheit, z.T. auch Stille bewog mich einige Male dazu, ihr Antworten „anzubieten“, wie

man in folgendem Wortwechsel sieht:

J Wie isch de das ir Schueu? Hesch dert mängisch ou Angst dass öpper chönnt cho?

K1 Em…ja mängisch.

J Mhm. Machsch denn irgendöppis, oder…

K1 (Still)

J Hoffsch eifach dasses gli verbi geit?

K1 Ja.

(Abs. 58 – 63)

Bei der Interpretation wird es in diesem Fall äusserst schwierig, zu erkennen, welche Antworten Lin-

da wirklich entsprechen und bei welchen sie einfach „ja“ gesagt hat, weil ich ihr diese Antwort vorge-

schlagen habe.

Ein weiteres Problem waren die Fragen, bzw. die Art und Weise, wie ich sie stellte. Ich merkte, dass

ich mich zu wenig gut auf das Interview vorbereitet hatte und mir über gewisse Punkte zu wenig im

Klaren war, wie ich es machen wollte.

- Die Fragen waren nicht offen, sondern geschlossen - so wurde es Linda stets ermöglicht, nur

mit ja/nein zu antworten, was ich ja eigentlich vermeiden wollte.

- Häufig stellte ich mehrere Fragen auf einmal, beispielsweise: „Düet dir bim Schueuhus spile,

oder bi dir dihei mängisch ou?“ (Abs. 17). Antwortete Linda mit „ja“, kann das verschieden

interpretiert werden: entweder spielen sie beim Schulhaus und zu Hause, oder sie spielen

nur an einem Ort.

- Einige Fragen stellte ich sowohl in der bejahenden wie verneinenden Form, beispielsweise:

„Füuhsch di wohl oder ender nid so?“ (Abs. 50). Hier hätte eine Frage gereicht – um es offe-

ner zu machen zum Beispiel die Frage: „Wie füuhsch du di?“

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Diese Reflexionspunkte liessen mich relativ ernüchtert zurück und ich beschloss, den Fragebogen

nochmals zu überarbeiten (s. 2. Version im Anhang), die Fragestellungen bereits konkret aufzuschrei-

ben und mich auf das nächste Interview besser vorzubereiten. Ausserdem wollte ich im nächsten

Interview spezifischer auf die einzelnen Schulanlässe und Besuche eingehen, da mir dies ein wichti-

ger Punkt schien. Dazu erstellte ich ein Smiley-System, mit dessen Hilfe das Kind seine Gefühle im

Bezug auf den betreffenden Ausflug/Besuch ausdrücken konnte.

da geht / ging es mir gut / das mag ich

da geht / ging es mir solala / das mag ich etwas weniger

da geht / ging es mir nicht gut / das mag ich gar nicht

7.2. Zweites Interview: Antonia

7.2.1. Situation

Antonia (Name geändert) geht in die zweite Einschulungsklasse in Zürich. Ihre ganze Familie hat kei-

ne gültigen Aufenthaltspapiere, sie sind also Sans-Papiers. Durch einen Fehler bei der Einschulung

wurde die Fremdenbehörde auf die Familie aufmerksam gemacht, sie erhielten den Ausreisebefehl.

Nun wartet die ganze Familie auf den Entscheid über das Härtefallgesuch, das sie eingereicht haben –

wie lange das gehen wird, ist noch unklar.

Antonia wurde zum Gespräch von ihrem Vater begleitet, sodass ich auch ihm noch einige Fragen

stellen konnte. Folgendes kann über Antonias schulische Situation gesagt werden:

Antonia ist ein aufgewecktes Kind, das gerne die Schule besucht. Sie scheint viele FreundInnen zu

haben, jedoch vor allem in anderen Klassen, in anderen Schulhäusern oder aus der Nachbarschaft.

Aus ihrer Klasse erwähnt sie einzig ein Mädchen, das auch aus dem Kosovo kommt:

J Und du, hast du auch noch andere Freundinnen, auch in deiner Klasse?

K2 Eine von meiner Sprache, eine ist auch vom Kosovo, Serbien, ah und… und von die Erstklässler

und Viertklässler.

(Abs. 32-34)

Mit ihren Freundinnen und Freunden („es gibt auch paari Buben das wo mitspielen“ (Abs. 36)) ver-

bringt sie die Pausen und auch einen Teil ihrer Freizeit: Sie treffen sich entweder bei den Freundin-

nen zu Hause oder auch bei Antonia zu Hause („Ich gehe paar Mal bei sie, sie ko… ich hab ganz viele

Freundinnen bei mir“ (Abs. 76)). Auch das Schulhaus ist ein beliebter Ort, für die Pause, während der

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Tagesschule oder teilweise auch in der Freizeit. Den Spielplatz beim Kindergarten mag sie nicht be-

sonders („sagen sie, komm, ich sag, nein ich hab keine Lust“ (Abs. 59-60)).

Antonia besucht viele Angebote der Schule, so geht sie über den Mittag in die Tagesschule, zwei Mal

in der Woche ins Hiphop-Tanzen und einmal pro Woche in einen Schwimmkurs.

In der Schule wissen die Lehrperson sowie die Schulleitung über ihren Sans-Papiers-Status Bescheid.

Ihren MitschülerInnen hat sie nichts gesagt („Hast du Angst, dass sie dich dann auslachen, viel-

leicht?“ – „Ja“ (Abs. 116-117)). Man könnte meinen, dass Antonia nicht viel davon merkt, dass sie

Sans-Papiers ist:

J Und wenn du daran denkst, dass du eben Sans-Papiers bist, wie fühlst du dich dann?

K2 Gut.

J Gut? Hast du nicht manchmal Angst, oder…?

K2 >schüttelt den Kopf<

(Abs. 107-110)

Im letzten Teil spricht sie dann aber ganz deutlich von ihren Strategien, wie sie das Thema (erfolg-

reich) verdrängen kann:

J Merkst du viel davon, dass du Sans-Papiers bist?

K2 Nein.

J Merkst du es manchmal zu Hause, wenn deine Eltern vielleicht darüber sprechen?

K2 Nein. Ich gehe immer draussen, da verstehe ich nicht.

J Ja.

K2 Ich kann nicht auch meine Sprache nicht gut.

(Abs. 208-213)

Antonia merkt also, dass es vor allem für ihre Eltern ein grosses Thema ist, doch sie zieht sich zurück,

um nicht allzu fest damit konfrontiert zu werden. Es ist gut möglich, dass sie diese Strategie auch in

der Schule anwendet, indem sie ihren MitschülerInnen nichts von ihrem Status erzählt und somit

auch nirgends darüber sprechen muss.

Auch bei verschiedenen schulischen Anlässen (Schulreise) und Besuchen (Eltern, Zahntante, Polizist)

sieht sie keinen Grund zur Angst; ausser wenn Fremde einen Schulbesuch machen fühlt sie sich nicht

ganz wohl, sie schliesst das aber nicht auf ihren Status zurück. Auffallend war für mich auch die Reak-

tion auf die Frage, wie sie sich fühle, wenn der Polizist in die Schule kommt. Sie antwortete sehr

schnell und entschieden: „Auch gut. Es passiert gar nichts, er macht nur Strassen zeigen.“ (Abs. 200).

Da diese Antwort so schnell kam und so überzeugend, gehe ich davon aus, dass ihre Lehrperson sie

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gut auf den Besuch des Polizisten vorbereitet hat und sie beruhigt hat, dass dabei gar nichts passie-

ren kann.

7.2.2. Einschätzung und Fazit

Antonia und ihre Familie befinden sich momentan in einer schwierigen Situation. Während ihr Härte-

fallgesuch geprüft wird, sind sie einer grossen Unsicherheit ausgesetzt: Was, wenn es nicht gutge-

heissen wird?

Antonia reagiert auf diese Situation, indem sie sich zurückzieht und sich nicht allzu sehr mit dem

Thema beschäftigt. Sie geht raus, spielt mit ihren FreundInnen, die nichts von ihrem Status wissen

und sie als ganz „normales“ Mädchen annehmen.

Interessant sind die Reaktionen von Antonia, als sie auf das Thema Sans-Papiers angesprochen wird:

Während sie bei den anderen Fragen sehr viel und zum Teil auch ausschweifend erzählt, bleibt sie bei

Fragen, die diesen Themenbereich ansprechen, zurückhaltend. Sie verständigt sich mit Gesten (Ni-

cken, Kopfschütteln). Besonders deutlich wird dies im folgenden Absatz:

J Mhm. Und du hast ja auch keine Aufenthaltspapiere.

K2 >nickt<

J Und… weiss das deine Lehrerin? In der Schule?

K2 >nickt<

J Und sprichst du manchmal mit ihr darüber?

K2 >schüttelt den Kopf<

J Oder weisst du einfach, dass sie es weiss?

K2 >nickt<

J Ja. Warum sprichst du nicht mit ihr darüber?

K2 Wenn es zu viele Kinder hat…

J Dann wissen es die anderen Kinder nicht?

K2 Besser.

J Mhm. Und deine Freundinnen, wissen die das?

K2 >schüttelt den Kopf<

(Abs. 88-101)

Dieses Verhalten würde bestätigen, dass Antonia sich so weit wie möglich vom Thema versucht zu

distanzieren. Gegen Ende des Interviews erklärt sie dann auch sehr entschieden ihre Strategie („Ich

gehe immer draussen, da verstehe ich nicht.“ (Abs. 211)).

Zu sagen, dass Antonia sich nicht bewusst ist, dass sie Sans-Papiers ist, wäre also falsch. Vielmehr

geht sie gekonnt mit ihrer Strategie gegen eine allzu starke Präsenz des Themas an. Sie scheint damit

Erfolg zu haben und erlebt so die Schule relativ angst- und stressfrei.

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Nimmt man Bezug auf Weiller, könnte man sagen, dass Antonia zwei der von ihr genannten Strate-

gien verwendet: erstens nimmt sie die Schule als „neutralen“ Boden wahr, auf dem sie ein ganz

„normales“ Kind sein kann („Schule als Erholungsraum“ vgl. Weiller 2007, p.111) und zweitens kon-

zentriert sie sich auf die „schönen Seiten des Lebens“ (ebd. p. 113), indem sie ihre FreundInnen trifft

und vielen Freizeitbeschäftigungen nachgeht (tanzen, schwimmen).

Dies lässt analog dazu auf zwei wichtige Bedürfnisse von Antonia schliessen:

- das Bedürfnis, dass das Thema Sans-Papiers in der Schule nicht thematisiert wird, sodass ein

„Erholungsraum“ entsteht.

- das Bedürfnis, Freizeitaktivitäten auszuüben und dadurch das Negative durch das Positive zu

übertönen.

Aus dem anschliessenden Gespräch mit Antonias Vater ist zusammenfassend zu sagen, dass Antonias

Eltern einen sehr regen Kontakt zur Lehrperson pflegen. Sie fühlen sich unterstützt und getragen,

oftmals wird ihnen Hilfe angeboten, sei es im Bezug auf Formulare oder die Finanzierung der Schul-

reise. Sie sind dankbar für alles, was sie von den Lehrpersonen und der Schulleitung an Unterstützung

bekommen. Aus dem Gespräch schliesse ich, dass die Kommunikation ein grosses Bedürfnis von

Sans-Papiers-Eltern ist. Dazu gehören:

- reguläre Elterngespräche

- ausführliche Informationen zu Schulreisen, Ausflügen, speziellen Besuchen oder anderen An-

lässen aber auch über Angebote der Schule wie die Tagesschule oder Freizeitangebote.

- Unterstützung und Hilfsangebote

7.2.3. Reflexion zum Vorgehen im Interview

Im Vergleich zum ersten Interview verlief dieses zweite Gespräch meiner Meinung nach besser. An-

tonia erzählte viel. Einerseits lag das an ihrer Persönlichkeit, andererseits legte ich dieses Mal auch

mehr Wert auf einen guten Einstieg, bei dem wir zusammen plauderten.

Ich hatte mich besser auf das Gespräch vorbereitet, kannte die Fragen und war weniger nervös. Dar-

um konnte ich auch spontaner auf Äusserungen von Antonia eingehen und so teilweise noch präzise-

re Antworten bekommen.

Auf die Smileys reagierte Antonia sehr erfreut („Ich kenne die!“ (Abs. 158)) und sie konnte sie gut

einsetzen und ihre Wahl begründen.

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8. Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse

Bei dieser Tabelle gehe ich einerseits von den beiden gemachten Interviews mit den Kindern aus,

andererseits beziehe ich mich auf die Thesen, die ich basierend auf die Literaturstudie aufgestellt

habe (s. Kap. 6.2.3., p.26).

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9. Folgerungen für Lehrpersonen

Aus den Bedürfnissen der Sans-Papiers-Kinder und ihren Eltern möchte ich nun konkrete Handlungs-

vorschläge für Lehrpersonen erarbeiten.

Wie man in den beiden Interviews gut sehen kann, gibt es ganz unterschiedliche Einstellungen der

Eltern, ob ein Transparentmachen des Status Sans-Papiers sinnvoll ist oder nicht. Manche Eltern be-

schliessen, weder die Lehrperson noch die Schulleitung zu informieren; andere weihen nur die Schul-

leitung oder nur eine Lehrperson ein, noch andere sind auf der ganzen Linie transparent. Häufig ent-

stehen Unsicherheiten, welche Lösung die beste ist, wie das in Lindas Situation der Fall ist, wo die

Eltern nicht sicher sind, ob sie die Lehrperson informieren sollen.

Hat man als Lehrperson den Verdacht, ein Sans-Papiers-Kind in der Klasse zu haben, ist es auf jeden

Fall sinnvoll, als allererstes das Gespräch mit den Eltern zu suchen und ihnen dabei positiv und offen

entgegenzutreten. Es kann für Sans-Papiers-Eltern eine grosse Erleichterung sein, zu hören, dass

Lehrpersonen den Status der Kinder nicht bekanntgeben dürfen. Die Haltung der Eltern, z.B. was das

Informieren der Schulleitung betrifft, sollte aber auf jeden Fall akzeptiert und respektiert werden.

Beschliessen die Eltern, die Lehrperson als Vertrauensperson einzuweihen, sollte der Kontakt regel-

mässig gepflegt werden. Eine gute Eltern-Lehrperson-Zusammenarbeit mit viel Transparenz ist für

beide Seiten entlastend, weil die Eltern merken, dass sie ernst genommen werden und die Lehrper-

son spürt, dass sie das Vertrauen der Eltern hat. Die Ebene der Kommunikation ist der erste und

wichtigste Punkt wenn es darum geht, herauszufinden, wie sich Sans-Papiers-Kinder in der Schule am

wohlsten fühlen. Die unterschiedlichen Situationen, dazu der Charakter und die Vorlieben der Kinder

und die Kombination der Umstände bewirken, dass auch die Bedürfnisse variieren. In diesem Sinne

ist die nachfolgende Liste der Handlungsvorschläge nicht eine Liste, die abgehakt werden kann, son-

dern vielmehr eine Ideensammlung, die verschiedene Vorschläge präsentiert.

9.1. Handlungsvorschläge für Lehrpersonen der Primarschule

9.1.1. Soziale Integration, Beziehung zu Einzelpersonen

Da soziale Kontakte in der Freizeit teilweise unter erschwerten Umständen oder gar nicht gepflegt

werden können, sollten diese während der Schule / während des Unterrichts berücksichtigt werden.

Dies kann während des Unterrichts in Form von Gruppenarbeiten sein, in der Pause in Form von (evtl.

organisierten) Pausenspielen. Der Besuch eines Mittagstisches oder einer Tagesschule öffnet eben-

falls Zeitfenster, in denen soziale Kontakte im schulischen Rahmen gepflegt werden können. Häufig

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ist es auch für die Eltern eine Erleichterung, wenn sie wissen, dass ihr Kind in der Schule gut integriert

ist und FreundInnen hat.

Ob die FreundInnen über den Sans-Papiers-Status informiert werden, sollte dem Kind selber überlas-

sen werden.

9.1.2. Lehrperson / Klasse

Weiss die Lehrperson über den Status des Kindes Bescheid, muss sie vorsichtig damit umgehen. Be-

vor weitere Personen informiert werden, muss bei den Eltern um Erlaubnis gefragt werden. Die

Lehrperson muss sich bewusst sein, was es für die Familie heisst, Sans-Papiers zu sein. Um Sicherheit

zu gewinnen, lohnt es sich, über die rechtliche Lage und die aktuelle Situation der Sans-Papiers In-

formationen einzuholen. Dabei können die Sans-Papiers-Beratungsstellen eine Hilfe sein, da sie über

viel Informationsmaterial verfügen und immer auf dem neuesten Stand sind.

Ob das Thema Sans-Papiers in der Klasse thematisiert wird, soll dem Sans-Papiers-Kind überlassen

werden. Wie man in den Interviews gesehen hat, ist es häufig so, dass Sans-Papiers-Kinder die Schule

als Erholungsraum geniessen, wo das Thema Sans-Papiers keine Relevanz hat. Die Lehrperson sollte

mit der Thematisierung von Sans-Papiers zurückhaltend sein, jedoch als Vertrauensperson immer

bereit sein, wenn das Kind etwas erzählen möchte. Dem Kind (und auch den Eltern!) sollte die Bereit-

schaft der Lehrperson, zuzuhören und zu helfen, signalisiert werden sowie das Interesse und die An-

teilnahme bekundet werden.

9.1.3. Eigenes Befinden, eigene Gefühle

Im Mittelpunkt steht das Wohlbefinden des Sans-Papiers-Kindes. Für die Lehrperson ist es sehr wich-

tig, zu wissen, ob sie auf der richtigen Spur ist, also, ob sich das Kind wohlfühlt. Da es Kindern in die-

sem Alter manchmal noch schwerfällt, ihre Gefühle oder ihr Wohlergehen mit Worten zu beschrei-

ben, könnte es sinnvoll sein, ein individuelles Smiley-System (verschiedene schematische Ge-

sichtsausdrücke, die regelmässig individuell gemäss dem aktuellen Befinden ausgewählt werden, z.B.

in einem Wochenheft) / Notfallknopf (runde Scheibe, vorne rot, hinten grün, die im Klassenzimmer

hängt. Kinder können sie anonym auf Rot drehen, dann bleibt LP nach der Lektion noch länger im

Klassenzimmer und steht zur Verfügung für Probleme o.Ä.) / Briefkasten einzuführen. Diese Hilfsmit-

tel können auch für den Rest der Klasse eingesetzt werden. Dem Kind sollen genügend Möglichkeiten

offenstehen, sich auszudrücken – auch ohne Worte.

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Zum Wohlbefinden beitragen können auch ganz konkrete Angebote wie Hausaufgabenhilfe (wenn

z.B. zu Hause niemand helfen kann oder zu wenig Platz vorhanden ist um sich konzentrieren zu kön-

nen), Tagesschule oder Freizeitangebote, die es den Kindern ermöglichen, etwas zu tun, das ihnen

Spass macht und das sie von ihrer Situation ablenkt.

9.1.4. Spezielle Anlässe, Ausflüge

Spezielle Anlässe, die ausserhalb des Schulhauses stattfinden, wie Schulreisen, Maibummel, Land-

schulwochen, etc. sind für die Klassenbildung und das soziale Gefüge innerhalb der Klasse sehr wich-

tig. Darum sollten auch Sans-Papiers-Kinder daran teilnehmen. Wichtige Punkte, die dabei beachtet

werden müssen:

- Sans-Papiers-Kinder können das Land nicht verlassen. Auf Ausflüge ins Ausland sollte also

verzichtet werden, auch grenznahes Gebiet empfiehlt sich weniger.

- Telefonnummer der Eltern für alle Fälle dabeihaben, plus zusätzlich evtl. die Telefonnummer

des Hausarztes des Kindes (falls ein spezieller Vertrauensarzt vorhanden ist).

- Die Eltern genau informieren, wo, wann und wie der Anlass stattfindet und eine Telefon-

nummer hinterlassen, auf der die Lehrperson erreichbar ist.

Kommen Besucher von ausserhalb in die Klasse, ist es wichtig, diese der Klasse anzukünden und sie

genügend zu informieren. Fremde Menschen im Klassenzimmer können Sans-Papiers-Kindern Angst

machen, darum sollten sie von Anfang an Bescheid wissen. Insbesondere der Besuch des Verkehrspo-

lizists sollte gut erklärt werden, um dem Kind mögliche Ängste zu nehmen.

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10. Fazit und Ausblick

10.1. Zusammenfassung der Ergebnisse

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Obenstehende Darstellung zeigt zusammenfassend nochmals wichtige Schritte sowie die daraus fol-

genden möglichen Handlungen der Lehrpersonen auf. Ich erhebe dabei keinen Anspruch auf Voll-

ständigkeit, die Liste kann erweitert werden.

10.2. Fazit

Als Fazit dieser Arbeit ist es mir ein Anliegen, nochmals zu betonen, wie individuell Sans-Papiers-

Kinder ihre Situation erleben und wie wichtig es darum ist, ihre Bedürfnisse im Gespräch zu themati-

sieren. Ein Leitfaden für Lehrpersonen soll dabei helfen, auf die richtige Spur zu kommen und Ideen

zum Handeln zu bekommen. Die Ausgestaltung dieser Handlungsvorschläge liegt aber in der Verant-

wortung jeder einzelnen Lehrperson und sie muss sich an der individuellen Situation des Kindes (und

evtl. auch der Eltern) orientieren. Eine positive, vorurteilslose, einfühlsame und offene Grundhaltung

der Lehrperson vereinfacht diesen Prozess und trägt zu einem guten Klima im Beziehungsdreieck

Kind – Eltern – Lehrperson bei.

Ich hoffe, mit dieser Arbeit Lehrpersonen ermutigen zu können, sich mit der Situation von Sans-

Papiers-SchülerInnen zu befassen und Schritte zu unternehmen, damit die Schule zu einem Ort wird,

an dem sich Sans-Papiers-Kinder wohl fühlen.

Ebenfalls hoffe ich, mit vorliegenden Erkenntnissen einen Beitrag zur entstehenden Broschüre “Sans-

Papiers-Kinder in der Schule. Gesetzliche Grundlagen und Handlungsempfehlungen“ geben zu kön-

nen und bin gespannt, welche weiteren Erkenntnisse durch Beiträge von Fachpersonen noch dazu-

kommen werden.

10.3. Dank

Ich möchte mich ganz herzlich bedanken bei Frau Daniela Mühlethaler für die inspirierenden Vorle-

sungen in den Modulen „Sinnhorizonte und ethisches Handeln“, die den Grundstein für diese Arbeit

gelegt haben sowie für die kompetente Begleitung während dem Verfassen dieser Arbeit.

Dank geht auch an die Beratungsstellen für Sans-Papiers, allen voran die Sans-Papiers-Anlaufstelle

Zürich (SPAZ), wo ich von Frau Bea Schwager kompetent informiert und vermittelt wurde.

Der grösste Dank gilt den Sans-Papiers-Kindern und ihren Eltern, dass sie sich die Zeit nahmen, mich

zu treffen und meine Fragen zu beantworten. Ich bleibe tief beeindruckt zurück, beeindruckt von

Menschen, die ein schwieriges, oftmals tragisches Leben mit so viel Optimismus, Herzlichkeit und

Mut meistern. Von ganzem Herzen wünsche ich ihnen alles Gute.

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11. Anhang

11.1. Interviewleitfaden Kinder (1. Version)

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11.2. Interviewleitfaden Eltern

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11.3. Interviewleitfaden Kinder (2. Version)

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11.4. Transkription der Interviews

Die Interviews wurden gemäss den Richtlinien für die Gesprächstranskription nach Froschauer / Lue-

ger (2003, p. 223f.) verfasst.

11.4.1. Interview 1: Linda

>Gespräch im Hintergrund, Italienisch<

1 J Auso… du geisch hie z’Züri id Schueu, gäu?

K1 Ja

J Ja. Und, em, geisch gärn id Schueu?

K1 Ja

5 J Scho.

K1 Mhm.

J Was gfaut dir am beste?

K1 …

J Eifach vo de Fächer, oder was machsch am liebste ir Schueu?

10 K1 I tue gärn rächne i der Schuel.

J Mhm. Auso Math hesch gärn.

K1 Ja

J Und hesch viu Fründinne / Kolleginne?

K1 Ja

15 J Duesch mängisch abmache mit ihne?

K1 Ja

J Mhm. Düet dir bim Schueuhus spile, oder bi dir dihei mängisch ou?

K1 Ja

J Und bi de Fründinne dihei ou?

20 K1 Ja

>Gespräch im Hintergrund, Italienisch<

J Em…Du bisch ja Sans-Papiers…

K1 Was?

J Du bisch ja Sans-Papiers, dini Eltere hei keh… em, Ufenhaltsbewilligung ir Schwiz.

25 Merksch du vo däm öppis?

K1 Nei

J Nid. Und ir Schueu, wie isch das, weiss das dini Lehrerin?

K1 Also ich han en Lehrer.

J Oder di Lehrer, genau.

30 K1 Nei, also, er weiss es nöd.

J Hesch idämfau no nie öpis gseit, ihm?

K1 Näi.

J Oder hesch mau überleit obd öpis söusch säge?

K1 Näi, nöd.

35 J Und i dire Klass? Wüsse das dini Fründinne oder dini Klass? (leise) dass du

Sans- Papiers bisch?

K1 (schüttelt den Kopf)

J Ou nid dini besti Fründin?

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K1 Näi.

40 J Und emm… warum wüsse sis nid?

K1 Ich wäisses ä nöd…

J Hesches eifach nie verzeut.

K1 Mhm.

J Ja. Mhm. Emm, und dänksch viu dra? Dassd Sans-Papiers bisch?

45 K1 Mhm.

J Scho no.

K1 Ja.

J Und, was dänksch so?

K1 …

50 J Füehsch di wohl oder ender nid so?

K1 Weniger.

J Nid so. Wo merksch de das? Wo füeuhsch di nid so wouh?

K1 Em…..

J Füeuhsch di wouh zum Bispiu uf dr Strass oder…. ender nid so?

55 K1 Eher nid.

J Hesch mängisch Angst, dass öpper chönnt cho, vor Polizei?

K1 Ja.

J Wie isch de das ir Schueu? Hesch dert mängisch ou Angst dass öpper chönnt cho?

K1 Em…ja mängisch.

60 J Mhm. Machsch denn irgendöppis, oder…

K1 …

J Hoffsch eifach dasses gli verbi geit?

K1 Ja.

J Ja. Mhm. Und wie isches so uf Schueureise, oder bisch ou scho ire Landschulwoche

gsi?

65 K1 Ja gester sind mir gsi.

J Ah, grad, isch de schön.

K1 Ja.

J Und, isch das guet gange?

K1 Ja.

70 J Schön. >Glas wird hingestellt< Hesch di wouhgfüuht uf dr Schueureis?

K1 Ja.

J Oder hesch mängisch ou dänkt, ja, hoffentlich chunnt niemer.

K1 Näi.

J Nid, guet. De hesch di wouhgfüuht mit der ganze Klass zäme?

75 K1 Ja.

J Ja, schön. >Glas Wasser wird aufgefüllt< Und wenn Bsuech id Schueu chunnt. Heit dir

das mängisch ou, so Elterebsuech oder wenn süsch Lüt id Schueu chöme?

K1 Ja.

J Hesch das gärn?

80 K1 Ja.

J Mhm. Was heit dir scho so für Bsüech gha ir Schueu?

K1 Aso, mir…mir hend en Schattetha..theater gha

J Oh

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K1 Und dänn sind d’Eltere iglade gsi.

85 J Si dini Eltere ou cho?

K1 Ja.

J Schön, guet. Und süsch so Bsuech…isch zum Bispiu mau dr Verkehrspolizist cho?

K 1 …

J Dä wo duet lehre wieme duet Velofahre… Verkehrsregle verzeue…

90 K1 Er chunnt no.

J Chunnt er no?

K1 Ja. Er chunnt morn.

J Ah, okay. (lacht). Und da hesch keh Angst dervor?

K1 Näi.

95 J …. Und wenn füuhsch du di ir Schueu am wohlste? Wenn hesch es liebste, wenn

füusch di eifach guet?

K1 Em…also ich weiss es grad nid so genau.

J Vilicht…wennd mit dine Fründe zämebisch?

K1 Ja.

100 J Und wend…d‘Sache guet chasch?

K1 Mhm.

J Het di Lehrer da ou e Ifluss?

K1 ….

J Also, ligts mängisch ou a ihm, dass du di guet füuhsch?

105 K1 …

J Oder isch das nid so…

K1 Also…ich wäisses grad nid ganz genau.

J Mhm. Ischer mängisch sträng, oder nid so?

K1 Eher nid so.

110 J …. guet, de wärs das eigentlich scho.

11.4.2. Interview 2: Antonia

1 J Gehst du gerne zur Schule?

K2 Ja

J Was machst du am liebsten?

K2 Spielen nicht, aber am meisten rechnen.

5 J Und in der Einschulungsklasse habt ihr auch schon so Fächer, auch wenn es noch vor

der Schule ist, aber es ist doch schon mit Deutsch und Math…?

K2 Aber wir haben mehr als die erste Klasse. Wir haben eben so eine Bige >zeigt< nur (…)

J Ou…mhm, also gibt es viel zu tun?

K2 Ja aber ich mache sie schnell, es gibt leichte Sachen von mir.

10 J Ja, okay. Dann fällt es dir leicht, die Sachen in der Schule?

K2 >nickt<

J Gut. Jetzt hast du schon fast Ferien, oder?

K2 Nur noch 3 Tage, nur noch 2 Tage.

J Ja. Freust du dich?

15 K2 >nickt<

J Gut. Em… kannst du mir etwas erzählen über die anderen Kinder in deiner Klasse?

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K2 Es gibt paar Kinder von uns gehen jetzt – ich und eine Meitli, sie heisst (…) sie geht in

Wolfsmattschule sie muss in die erste Klasse Wolfsmattschule, darum sie ist nicht

hier im (…) Schule aber andere Kinder, nur sie ist die einzige wo hier bleibt, aber alli

20 Kinder, neun Kinder gehen bei Frau Ortis.

J Das ist deine Lehrerin?

K2 (…) Nein, jetzt gehe ich hier. Jetzt, diese Jahr heisst Frau Ortis aber wo bin ich jetzt,

also Frau Carisi, aber sie ist in die Ferien gegangen und uuuu, scho 4 Monate isch si

weggegangen dann ist Frau Sole gekommen und Frau Ortis noch hier.

25 J Ja

K2 Sie kommt immer am Montag und Freitag.

J Also hast du zwei verschiedene Lehrerinnnen? Genau.

K2 >nickt<

J Also deine Freundinnen sind in einem anderen Schulhaus…? oder…?

30 K2 Ja. Nicht so Freundin, aber … >seufzt< sie spielt mit drei Kinder, sie hat nur zwei

Freunde.

J Ja, okay. Und du, hast du auch noch andere Freudinnen, auch in deiner Klasse?

K2 Eine von meiner Sprache, eine ist auch vom Kosovo, kommt vo Serbien, ah und . . .

und viele von… und von die Erstklässler und Viertklässler.

35 J Ja

K2 Es gibt auch paari Buben das wo mitspielen, und…

J Mhm. Und dann seid ihr auch in den Pausen zusammen und spielt zusammen?

K2 Wir haben immer drei Mal Pause. Ich hab immer am Acht, bis am Elf Schule, aber die

anderen, wer am Neun kommt hat bis am 12 Schule, wer am… ich bin Bärengruppe,

40 sie sind Tigergruppe.

J Ah, ja.

K2 Und dann muss ich bis um 11, dann gehe ich Betreuung, eine Stunde, und dann ge-

hen wir draussen spielen wir und wenn es ganz heiss ist, dann bleiben wir drein…

drinnen.

45 J Ja. Mhm. Und dann machst du auch dort deine Hausaufgaben…?

K2 Wenn ich habe. Aber ich hab fast nicht.

J Ah, okay.

K2 Ich hab fast nicht. Ich hab sie heute schon gemacht. Ich habe sie bekommen, hab ich

sie gemacht. Es gibt ganz leichte Sachen von mir.

50 J Ja. Machst du die ganz alleine?

K2 >nickt<

J Oder helfen dir manchmal die Eltern?

K2 Paar Mal. Aber nicht so oft. Ich kann sie auch alleine machen. Aber in die erste Klasse

war es schwierig, dann hab, haben sie mir helfen.

55 J Ja. Und, in deiner Freizeit, triffst du dich auch mit deinen Freundinnen?

K2 Ja, immer.

J Ja.

K2 Paar Mal bleibe ich alleine. Sie gehen in Kindi-Spili…in Trüli-Spili, alli…du weisst ja

noch wo ist Kindergarten…(…) (…) immer nur Pausenplatzlöcher, sagen sie, komm, ich

60 sag, nein ich hab keine Lust.

J Gehst du dort nicht gerne hin?

K2 Dort kommen sie.

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J Ja. Und sonst, wo spielt ihr? Beim Schulhaus, oder…?

K2 Es gibt…weisst du wo sind…eins, zwei drei, und dann sieben acht …. wie heisst? Wo

65 man mit ein Bein …

J Ah, du meinst das Hüpfispiel.

K2 Ja

J Das macht ihr gerne.

K2 Paar Mal Fangis…

70 J Ja.

K2 Aber in dem Schwimmbad machen wir immer (…) Fangis und Kettenfangis. Ketten-

fangis ist so heben (…)

J Mhm.

K2 Das spielen wir immer.

75 J Ja. Schön. Und trefft ihr euch auch bei deinen Freundinnen zu Hause manchmal?

K2 Ich gehe paar Mal bei sie, sie ko… ich hab ganz viele Freundinnen bei mir.

J Und sie kommen immer zu dir? Zu dir nach Hause?

K2 Ich hab eine Nachbarin bei meinem Balkon, sie konnte auch meine Sprache, aber sie

kann Mazedonisch reden aber sie kann meine Sprache auch gut.

80 J Ja.

K2 Und dann reden wir auf sim Balkon.

J Ja. Okay. Du bist ja Sans-Papiers. Kennst du dieses Wort?

K2 >nickt<

J Kannst du mir kurz erklären oder sagen was es heisst?

85 K2 Es ist…man muss. man kann jemand helfen. Wenn er etwas nicht hat oder etwas…

J Mhm… Sans-Papiers heisst, dass man keine Aufenthaltspapiere hat im Land.

K2 Ah ja, man helft, man helft die Leute.

J Mhm. Und du hast ja auch keine Aufenthaltspapiere.

K2 >nickt<

90 J Und… weiss das deine Lehrerin? In der Schule?

K2 >nickt<

J Und sprichst du manchmal mit ihr darüber?

K2 >schüttelt den Kopf<

J Oder weisst du einfach, dass sie es weiss?

95 K2 >nickt<

J Ja. Warum sprichst du nicht mit ihr darüber?

K2 Wenn es zu viele Kinder hat…

J Dann wissen es die anderen Kinder nicht?

K2 Besser.

100 J Mhm. Und deine Freundinnen, wissen die das?

K2 >schüttelt den Kopf<

J Auch nicht.

K2 Meine Mutter seine Kusine und Kollegin. Sie hat eine Kollegin die ist eine ganz gute,

sie hilft uns immer. Und eine Nachbarin hat sie unten.

105 J Ja. Die das wissen.

K2 >nickt<

J Mhm. Und wenn du daran denkst, dass du eben Sans-Papiers bist, wie fühlst du dich

dann?

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K2 Gut.

110 J Gut? Hast du nicht manchmal Angst, oder…?

K2 >schüttelt den Kopf<

J Aber, du hast gesagt dass du es nicht gerne hast wenn es die MitschülerInnen wissen.

K2 Ja.

J Warum hast du denn das nicht gerne?

115 K2 Einfach.

J Hast du, em, hast du Angst dass sie dich dann auslachen, vielleicht?

K2 Ja.

J Und in der Schule, wann fühlst du dich am wohlsten in der Schule?

K2 Am Dienstag…am Freitag und am Donnerstag.

120 J Mhm, warum, was macht ihr dann?

K2 Am Donners…am Frei…am Dienstag gehen wir Schwimmen

J Mhm

K2 Am Donnerstag…nein, nein, am Dienstag gehen wir sicher nicht schwimmen. Wir ge-

hen Hiphop, bei Hiphop. Und am Donnerstag bin ich selber eingemeldet dass ich Hip-

125 hop gehe vom Vier bis am Fünfi. Am Freitag gehen wir immer Schwimmen. Wir ha-

ben immer am Zwei bis am Drei aber ich hab sie bis am Fünf gemacht. Im Brust-

schwimmen.

J Oh. Super. Em, hast du das Hiphop, ist das so ein Angebot der Schule, das ihr machen

könnt?

130 K2 >nickt<

J Ah super. Sehr schön. Und während der Schule, also während dem Unterricht, wann

fühlst du dich da wohl?

K2 Am Freitag und am Dienstag.

J Was habt ihr dann?

135 K2 Dann wir haben immer so gute, äh…nei wart…(…) nei, nid am Fritig… am Fritig…aber

diesen Freitag haben wir schon Spass, warum, Don…morgen haben wir auch Spass

weil eine Meitli, si kommt von Sri Lanka, sie geht im Sri Lanka morgen und sie kommt

am Freitag nicht in die Schule, nachher bringt sie eine Torte. Und wir haben Fest ge-

habt , Spielnachmittag, und nachher haben alle Kinder Torte gebracht, aus zwei Bu-

140 ben, ausser zwei Buben nicht und eine Mädchen, morgen bringt sie uns, zwei Buben

bringens noch für Abschlussfest.

J Mhm. Ah, vor den Ferien.

K2 Dann waren wir in den Zoo. Diesen, nächsten, wo waren, vor dem Freitag, nicht die-

sen Freitag gehen wir, wir waren.

145 J Ah, wart ihr im Zoo. War das die Schulreise?

K2 Mhm. Abschlussfest.

J Oh schön. Emm…hast du dich da gut gefühlt auf der Schulreise?

K2 >nickt<

J War das schön. Und, em, hattet ihr auch schon ein Lager wo ihr eine ganze Woche

150 weg wart mit der Schule?

K2 .. nein.

J Nicht. Nur die Schulreise? Ja. Und wenn ihr so weggeht mit der Schule, fühlst du dich

da immer wohl?

K2 >nickt< gut, nicht schlecht. Und jetzt gut.

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155 J Mhm. Hast du keine Angst, weil du Sans-Papiers bist?

K2 >schüttelt den Kopf<

J Jetzt habe ich diese Smileys mitgebracht…

K2 Ich kenne die. Ja!

J Kennst du die?

160 K2 Ja. Wir haben in der Schule. Wer am mei… wir haben Wochenplan bis am 10 gemacht

nachher haben wir es gemacht, ob es euch gefällt, lachend Gesicht, oder www, oder

traurig Gesicht. Aber ich war immer am Dienstag fertig oder am Mittwoch.

J Da warst du schnell, he? … Ja, genau das sind die Glei…

K2 Wil ich nicht Spiele gemacht habe, dann habe ich am Schluss immer Spiele gemacht.

165 J Ah… dann hast du die Spiele immer am Schluss aufgehoben. Mhm. Also, das sind die

Gleichen. Das heisst, da geht es mir gut, da geht es mir so…mittel, und hier geht es

mir schlecht. Jetzt sag ich dir dann immer etwas, em, und du kannst sagen welches

von diesen Smileys du da wählen würdest. Hm? also, wie geht es dir, wenn… em,

wenn Besuch in die Klasse kommt, also zum Beispiel die Eltern. Wenn so ein Eltern-

170 besuchstag ist.

K2 >zeigt auf lachendes Smiley< Das.

J Mhm, geht es dir gut. Ja. Das hast du gern, wenn die Leute kommen und schauen.

Kommen dann deine Eltern auch?

K2 Ja.

175 J Ja.

K2 Wir haben eine Fest gehaben. Und nachher haben wir müssen mit den Eltern singen,

nachher haben sie müssen singen, alle Kinder haben, a… alle, die Eltern, die Lehrer

und die Kinder haben mit unsere Eltern gelachen.

J Ja. Schön. Und wenn die Zahntante kommt? Hattet ihr das auch schon?

180 K2 …

J Eine Frau, die mit euch die Zähne putzt.

K2 Sie heisst Namen Frau Hänsli und eine Frau keine Ahnung.

J Und wie geht es dir dann?

K2 Auch gut.

185 J Auch gut? Ist das nicht schlimm, das Zähneputzen, findest du nicht?

K2 Mm.

J Okay. Und wenn sonst jemand kommt, einer den du gar nicht kennst, irgendjemand?

K2 Mittel.

J Mittel.

190 K2 Wenn ich ihn nicht gut kenne, dann geht’s mir nicht so gut. Wenn man spricht und

etwas fragt und fragt etwas so…dann kann ich ihn nicht erkennen, dann geht mir

nicht so gut.

J Mhm. Warum geht es dir dann mittelgut?

K2 Ein…Sie sprechen nicht gut erkennt, dann hat man Angst.

195 J Mhm. Hat das auch damit zu tun, dass du Sans-Papiers bist?

K2 >schüttelt den Kopf<

J Nicht unbedingt. Einfach sonst, weil du die Person nicht gut kennst. Mhm.

K2 Aber, es geht auch da gut.

J Ja. Und wenn der Polizist in die Schule kommt?

200 K2 Auch gut. Es passiert gar nichts, er macht nur Strassen zeigen.

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J Genau, ja. Dann hattet ihr das auch schon, ist er auch schon dagewesen?

K2 Mhm.

J Und dann hat euch das eure Lehrerin erklärt, dass er nur die Strassen erklärt.

K2 Aber ich habs in die erste Klasse gemacht.

205 J Ja.

K2 Vor der Klasse. Wir haben, em, Radiergummi bekommen und etwas zum malen. (…)

in den Schiff zu gehen wenn man fahren will.

J Ja, genau. Super. Em… Merkst du viel davon, dass du Sans-Papiers bist?

K2 Nein.

210 J Merkst du es manchmal zu Hause, wenn deine Eltern vielleicht darüber sprechen?

K2 Nein. Ich gehe immer draussen, da verstehe ich nicht.

J Ja.

K2 Ich kann nicht auch meine Sprache nicht gut.

J Ah, okay.

215 K2 Aber am besten kann ich Deutsch. Als meine Sprache.

J Ja. Gut, super, dann wären wir da schon fertig, vielen Dank!

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