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Heimat reloaded schaufenster KULTUR.REGION Nachrichten aus der Kultur.Region Niederösterreich . März 2013 P.b.b. · Vertragsnummer 11Z038847 M · Erscheinungsort: 3452 Atzenbrugg · Verlagspostamt: 3451 Michelhausen · DVR: 0933 295 Im Gespräch / Peter Turrini . Ostern / Mikrokosmos Ei Haus der Regionen / Von Böhmen in die Welt . Musikschulen / prima la musica

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  • Heimat reloaded

    schaufenster Kultur.region

    Nachrichten aus der Kultur.Region Niederösterreich . März 2013

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    Im Gespräch / Peter Turrini . Ostern / Mikrokosmos Ei

    Haus der Regionen / Von Böhmen in die Welt . Musikschulen / prima la musica

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  • schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Editorial / 3

    Probleme lösen!

    Heimaten als CHanCe

    Die Renaissance des Heimatbegriffs in einer Zeit wirklicher und bloß vermeintlicher Probleme.

    Probleme da, Probleme dort, Probleme gibt’s an jedem Ort. Und wer meint, überhaupt kein Problem zu haben, dem könnte gerade dieser Umstand zum Problem gemacht wer-den. Ein regelrechtes Problemerzeugungs-gewerbe ist damit beschäftigt, im Wettstreit um Aufmerksamkeit noch in der allerletzten problemfreien Zone ein Problem zu orten und dieses zur weiteren Bearbeitung einem Problemlösungsmanagement zu überlassen. Darüber lässt sich dann berichten, kom-mentieren, moralisieren, dramatisieren, ba-gatellisieren, bloggen, twittern und was weiß noch alles. Und dann?

    Zunächst einmal ist es gar nicht so einfach, tatsächliche von bloß vermeintlichen Pro-blemen zu unterscheiden, einmal abgesehen vom persönlichen Erregungszustand auf der subjektiven Befindlichkeitsskala. Nach Klärung dieser Vorfrage ist es dann aber höchste Zeit, die wirklichen Probleme zu lösen. Troubleshooter sind also gefragt –

    und deren Gabe, auch komplexe Themen zu durchschauen und Wichtiges von weniger Wichtigem zu unterscheiden. Das ist nicht immer leicht, denn zur Lösung der eigent-lichen Aufgabe kommt mitunter die Begleit-musik jener wichtigtuerischen Trouble-maker, die schon prophylaktisch in jeder Suppe ein Haar finden und somit allzeit bereit sind, es eh immer schon gewusst zu haben, nämlich: wie es nicht geht.

    Keine ernsteren Probleme scheint es gegen-wärtig mit dem Heimatbegriff zu geben: Heimat da, Heimat dort, Heimat gibt’s an jedem Ort. Damit ist ja wohl eine unserer sogenannten Kernkompetenzen angespro-chen. Diese „Schaufenster Kultur.Region“-Ausgabe widmet sich daher ebenso ver-schiedenen Heimaten wie die aktuelle Staffel der „Kremser Kamingespräche“.

    Die Wiederkehr eines alten Begriffs, ob als Chance für Bildung und Kultur, im Dienste

    kommerzieller Interessen, als Alternativ-entwurf zum globalen Mainstream oder sogar zur wenig zimperlichen Behauptung irgendwelcher Tugenden, das sind nur eini-ge Zugänge, die aber sehr schnell offenba-ren, dass die Neuinterpretation von Heimat das eine oder andere Problem mit sich brin-gen kann.

    Aber auch hier wird es darum gehen, wirk-liche Probleme als solche zu erkennen, sie zu analysieren und vor allem Probleme best-möglich zu lösen.

    Dorli Draxler, Edgar Niemeczek

    managementMusiksCHuL

    KULTUR . REGION NIEDERÖSTERREICH

  • Top-Termine / 4

    März 2013

    tOP-teRmine

    18. nieDeRÖsteRReiCHisCHeR mUseUmstaG ——————————————————So, 17. 3. 2013 Museumsdorf Niedersulz 2224 Niedersulz——————————————————

    Der jährlich im Frühjahr veranstaltete Niederösterreichische Museumstag widmet sich ausgewählten Themen der Museums-praxis in kompakter Form. Er bietet zudem den zahlreichen Teilnehmern eine wichtige Plattform für das gegenseitige Kennen-lernen und den Austausch innerhalb der Museumsgemeinschaft. Der Museumstag ist eine öffentlich zugängliche Fachtagung.

    Thema: Landwirtschaftliche Geräte in Museen / Holzschädlinge / Sammeln – Entsammeln / Ausstellen

    ——————

    Information [email protected] Tel. 02732 73 999

    www.noemuseen.at

    PRima la mUsiCa ——————————————————Mo, 25. 2.–Fr, 8. 3. 2013Festspielhaus St. Pölten——————————————————

    Musikalisches Kräftemessen im Festspiel-haus St. Pölten. „prima la musica“ – so heißt der größte der drei vom Musikschulmana-gement Niederösterreich organisierten Musikwettbewerbe, der jährlich rund 1.000 Musikschüler im Festspielhaus St. Pölten versammelt. In seiner langen Tradition wird der Wettbewerb heuer bereits zum 19. Mal ausgetragen. In verschiedenen Wertungsgruppen messen sich die jungen Talente mit ihren Altersgenossen und bekommen nicht nur Überblick und Rück-meldung über das eigene musikalische Leistungsvermögen, sondern werden auch dazu angeleitet, einen Blick über den Tel-lerrand zu werfen. Wesentlicher Bestandteil des Wettbewerbs sind Beratungsgespräche mit der Jury. Als höchstes Ziel der Teilneh-mer gilt ein „Erster Preis mit Berechtigung zur Teilnahme am Bundeswettbewerb“.

    ——————

    Information Tel. 02742 90666 6110

    www.musikschulmanagement.at

    sCHene liaDa, HaRBe tanZ ——————————————————Sa, 16. 3. 2013, 19.30 Uhr aufhOHRchenFestspielhaus St. Pölten, Großer Saal——————————————————

    Jedes Jahr widmet sich „aufhOHRchen im Festspielhaus“ einem ganz bestimmten Thema der Volksmusik. Mit dem diesjäh-rigen Konzert „Schene Liada, harbe Tanz’“ bringt die Volkskultur Niederösterreich die alpenländische Volksmusik und das Wienerlied ins Festspielhaus, interpretiert von den besten Musikensembles Öster-reichs. Dazu gehören das Duo Gradinger-Koschelu, die Neuen Wiener Concert Schrammeln, die Tanzgeiger, die Goiserer Klarinettenmusi und die Hollerschnaps-zuzler.

    ——————

    Information und Karten Tel. 02742 908080-222 (ermäßigte Karten nur für Mitglieder der Regionalkultur Niederösterreich unter Tel. 02275 4660)

    Eine Teilwiedergabe bringt Radio NÖ am So, 24. 3. 2013, 20.04–22.00 Uhr

    www.festpielhaus.at

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013

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  • Inhalt / 5

    März 2013

    inHalt

    iMPreSSuM

    Herausgeber: Dr. Edgar Niemeczek, Dorothea Draxler. Chefredakteurin: Mella Waldstein. Redaktionsteam: Karin Graf, MA, Mag. Michaela Hahn, Mag. Katharina Heger, Mag. Marion Helmhart, DI Claudia Lueger, Dr. Freya Martin, Mag. Andreas Teufl, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Mag. Ulrike Vitovec, Mag. Michaela Weiss, Mag. Anita Winterer, Mag. Eva Zeindl, Michaela Zettl, Mag. Doris Zizala. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Barbara Baldauf, Mag. Doris Buchmann, Mag. Gabriele Burian, Prof. Walter Deutsch, Mag. Daniela Fuchs, Mag. Thomas Hofmann, Dr. Helmut Huber, Mag. Margarete Meixner, Mag. Gerhard Murauer, Mag. Thomas Pulle. Produktionsleitung, Marketing, Anzeigen und Beilagen: Mag. Marion Helmhart. Eigentümer/Medieninhaber: Volkskultur Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg, Schlossplatz 1, FN 308711m, LG St. Pölten. Tel. 02275 4660, [email protected], www.volkskulturnoe.at. Geschäftsführung: Dorothea Draxler, Dr. Edgar Niemeczek. Sekretariat: Petra Hofstätter, Tina Schmid. Grafik/Layout: Atelier Olschinsky Grafik und Design GmbH, 1060 Wien.Druck: good friends Druck- und Werbeagentur GmbH. Verlagspostamt: 3451 Michelhausen. Versandpostamt: Postamt 3112 St. Pölten. ISSN 1680-3434.Copyrights: Kultur.Region.Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg. Artikelübernahme nur nach Vereinbarung mit dem Herausgeber. Fotos: Wenn nicht anders angegeben, Bild-archiv der Volkskultur Niederösterreich GmbH. Ziel der Zeitung: Information und Berichterstattung über Kunst und Kultur und ihre gesellschaftlichen Bedingtheiten mit besonde-rer Berücksichtigung der Regionalkultur im Bundesland Niederösterreich, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, Ankündigungen und Hinweise. Alle in der Zeitschrift verwendeten Begriffe, Personen- und Funktionsbezeichnungen beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form selbstverständlich in gleicher Weise auf Frauen und Männer. Cover: Entwurf von Hermann Clemens Kosel/IMAGNO Austrian Archives.

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Schwerpunkt Heimaten

    6 / Kremser Kamingespräche —————— Im Gespräch

    8 / Peter turrini —————— Ostern

    11 / mikrokosmos ei ——————

    Chorszene

    13 / CD Volks.Kunst.lied ——————

    Haus der Regionen 14 / Von Böhmen in die Welt —————— Wiener Couplet

    17 / Die Welt ist ein Komödienhaus

    —————— Schwerpunkt Heimaten

    18 / musikschulen als Zuhause ——————

    Musikschulen

    20 / prima la musica ——————

    Schwerpunkt Heimaten 22 / Das „Heimatlied“ ——————

    Erlebnis Österreich 24 / Die schnidahahnroas —————— Industrieviertel

    26 / Räume aufmachen —————— Wir tragen Niederösterreich

    28 / nachlese trachtenball —————— Weinviertel / Waldviertel29 / Kellergassen & Fastenbier —————— Waldviertel 30 / Zu Gast bei Dieter Juster —————— Mostviertel 32 / tag der enkelkinder —————— Museen

    33 / Von abakus bis Zinnsoldat —————— Forschung

    34 / lehmbau —————— Museen

    36 / st. Pölten – eine stadt in Bewegung

    ——————

    Museen 37 / sammlung Hackl,

    Weitra —————— Kulturvermittlung 38 / theater im museum —————— Schwerpunkt Heimaten

    40 / sich ein Bild machen —————— Auslage 42 / Bücher & CDs —————— Kultur.Region 44 / Fortbildung —————— Handwerk 46 / Fest drücken —————— Galerie der Regionen

    48 / Krug & Co —————— Kultur.Region 49 / intern ——————50 / Die letzte seite ——————

  • Schwerpunkt Heimaten / 6

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Heimat – ein Begriff mit langer Geschichte – erfreut sich im Zeitalter der Globalisierung und der sich ständig wechselnden Trends wieder großer Beliebtheit. Aus diesem Anlass korrespondiert das Schwer-

    punktthema dieser Ausgabe des „Schaufenster Kultur.Region“ mit den Kremser Kamingesprächen.

    Kremser Kamingespräche

    BeGRiFF im WanDel

    Ferienidyll Österreich, Plakat für den österreichischen Fremdenverkehr 1951 (Detail), Entwurf von Hermann Clemens Kosel/IMAGNO Austrian Archives

  • Schwerpunkt Heimaten / 7

    Der deutsche Dichter und Philosoph Johann Gottfried von Herder meinte einmal: „Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss.“ Ob der Duft der ersten Frühlingsboten, ein Spar-ziergang durch die Weinberge oder Groß-mutters selbstgemachte Marmelade – Heimat kann vielfältige Gesichter haben. Den Begriff zu definieren ist kaum möglich. Zu sehr hat sich Heimat im Laufe der Geschichte gewan-delt. Interpretationen umfassen den Rechts-charakter im Mittelalter über die gefühls-betonte Bedeutung in der Romantik des 19. Jahrhunderts bis hin zum ideologischen Gedanken in der Zeit des Nationalsozialis-mus. In der Vergangenheit oft kritisch hinter-fragt, idealisiert und auch strapaziert, wurde das Thema Heimat lange Zeit gemieden. Allerdings: „solange das Gefühl, das sich Heimweh nennt, bei kleinen und großen Kindern nicht ausstirbt, gibt es keinen ver-nünftigen Grund, das Wort Heimat aus der deutschen Sprache zu tilgen“, so der Philo-soph Christoph Türcke.

    Der Begriff „Heimat“ wirft Probleme auf, wenn man versucht, diesen in andere Spra-chen zu übersetzen. Schnell wird klar, dass eine wörtliche Übersetzung nicht möglich ist. Weder die englische Übersetzung „home-land“ oder „home country“, noch der latei-nische Begriff „patria“ spiegeln die Vielfältig-keit des deutschen Begriffs wider.

    In Zusammenhang mit Migration und Inte-gration bekommt Heimat eine völlig andere Bedeutung. Für Menschen, die ihr Heimat-land verlassen, um ihren Lebensmittelpunkt in der Ferne zu suchen, ist Heimat etwas Verlorenes. Dies geht oft mit Heimatverlust und Heimweh einher. Der österreichische Schriftsteller Alfred Polgar schrieb über das typische Emigranten-Schicksal: „Die Fremde ist nicht Heimat geworden. Aber die Heimat Fremde.“ Mit den wachsenden internationa-len Wanderbewegungen sind Migration und Integration mittlerweile zu einer globalen Herausforderung geworden.

    Je unruhiger die Zeiten, je unsicherer die Zukunft, desto mehr sehnen sich die Men-schen nach alten Werten und Traditionen. Heimat erfreut sich demzufolge heute wieder großer Beliebtheit. In einer Zeit, die geprägt ist von Schlagworten wie Globalisierung, Finanzkrise und Web 2.0, erfährt der Heimat-begriff eine weitere Bedeutungswandlung.

    Heimat im gespräch

    Die aktuelle Staffel der Kremser Kaminge-spräche widmet sich den Entwicklungen und Bedeutungen verschiedener Heimaten und gibt viel Diskussionsstoff für ein wieder brandaktuelles Thema. Ob im Supermarkt-regal, als Stoff für Lifestylemagazine oder als Mittel zur Werbung – Heimat ist en vogue. Nichtsdestotrotz besitzt der Begriff eine lange Ideengeschichte, wurde er doch im Laufe der Jahre stetig neu definiert und interpretiert. Wofür steht Heimat in der heutigen Zeit? Warum gibt es diese neue Sehnsucht nach Heimat? Diesen und anderen Fragen gehen die Kremser Kamingespräche im Haus der Regionen an vier Abenden nach. Unter dem Fokus „Heimat.Orte“, „Heimat.Klischees“, „Heimat.Chancen“ und „Heimat.Träume“ diskutieren u. a. Amani Abuzahra, Integrati-onsbeauftragte der Islamischen Glaubens-gemeinschaft in Österreich, Volkskultur Nie-derösterreich-Geschäftsführerin Dorothea Draxler, Diakon Franz Eckert, Schriftsteller Michael Stavarič und Volkskundlerin und Trachtenexpertin Gexi Tostmann. Zum Auf-takt hält Konrad Köstlin einen Vortrag am Kamin.

    Heimat.orte

    Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff Heimat intuitiv auf einen Ort bezo-gen. Begriffsdefinitionen gehen jedoch über eine räumliche Interpretation hinaus, weist Heimat doch meist auch stark gefühlsbetonte, ästhetische, nicht zuletzt ideologische Kom-ponenten auf. Naturgemäß sind Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben und finden es verlockend, ihr Heimatland zu verlassen. Hin- und hergerissen zwischen zwei Kulturen, gelingt es nicht immer, ein neues Zuhause auch zur neuen Heimat zu machen.

    Heimat.Klischees

    Almwiesen, rauschende Bäche und idyllische Dörfer – das Klischee der heilen Welt bot in den 1950er Jahren Stoff für triviale Heimatro-mane und rührselige Heimatfilme. Im Vor-dergrund standen dabei Traditionen, Trach-ten und Volksmusik. Ländliche Idylle stellte das Gegenbild zur unüberschaubaren Groß-stadt dar. Heimat wurde auf diese Weise zu einem Begriff, der an Stereotypen festge-

    macht wurde, die Behaglichkeit und Gebor-genheit versprachen. Die Verbreitung des Heimatmotivs durch die Massenmedien hat nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass auch heute Heimat noch mit bestimmten Klischees assoziiert wird. Ländliche Traditi-onen sind mittlerweile zum Gegenstand der Kulturindustrie geworden. Warum sind Hei-matklischees erneut in der Werbung allge-genwärtig? Worin unterscheiden sich die modernen Klischees von damals? Sind die in Heimatfilmen und -romanen vermittelten Bilder unsterblich? /

    Text: Karin Graf

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Heimaten———————————————————VORTRAG AM KAMIN

    Mi, 6. 3. 2013, 18.00 Uhr Heimaten reloaded em. Univ.-Prof. Dr. Konrad Köstlin

    KREMSER KAMINGESPRÄCHE

    Mi, 13. 3. 2013, 18.00 Uhr Heimat.Orte Mag. Amani Abuzahra, MA, KonsR em. Univ.-Prof. Dr. Franz Eckert

    Mi, 10. 4. 2013, 18.00 Uhr Heimat.Klischees Dr. Karin Kneissl, Prof. Lojze Wieser

    Mi, 8. 5. 2013, 18.00 Uhr Heimat.Chancen Mag. Michael Stavarič, Dr. Gexi Tostmann

    Mi, 12. 6. 2013, 18.00 Uhr Heimat.Träume Dorothea Draxler, Gerhard Haderer

    Eine Zusammenfassung der Kremser Kamingespräche wird jeweils am Mitt-woch der darauf folgenden Woche ab 21.00 Uhr im Programm von Radio Niederösterreich gesendet. Online gibt es die Sendungen auf www.volkskultureuropa.org nachzuhören.

    Eintritt frei, Anmeldung erbeten!

    Haus der Regionen 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015

    www.volkskultureuropa.org

  • schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Im Gespräch / 8

    Vor beinahe 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg. Vor 75 Jahren beginnt für Öster-reich der Zweite Weltkrieg, in der Folge mit Millionen von Toten, Not, Elend und Ver-treibung. Angesichts der Probleme von heute stellt sich die Frage: „Geht’s uns zu gut?“

    Turrini: Die Menschen erleben sich nicht im Verhältnis zu Vergangenheiten, zu Gewe-senem. Ihr Glück und Unglück speist sich aus dem Gegenwärtigen. Natürlich geht es uns heute wesentlich besser als vor Jahrzehnten.

    Ein Arbeitsloser der 1930er Jahre war schnel-ler im Elend als ein Arbeitsloser von heute. Aber das Gefühl des Ausgestoßen-Seins, des Nutzlosen, kann ein junger Mensch heutzuta-ge, der die fünfzigste Bewerbung geschrieben hat und immer nur Abweisungen bekommt, auch haben. Wir dürfen nicht vergessen, die Welt präsentiert sich vielen jungen Menschen heutzutage als etwas Besetztes: Alle haben ihren Platz, ihren Beruf, ihr Haus, ihre Woh-nung, nur ich bin draußen. Als ich 18 Jahre alt war, haben die Firmen versucht, uns in der

    Mittelschule anzuwerben. Auf uns hat man gewartet, auf die heutigen Jungen wartet nie-mand.

    Peter Turrini, Sie kommen ursprünglich aus Kärnten, leben aber seit vielen Jahren im Weinviertel. Viele Künstler taten es Ihnen gleich und siedelten sich in den letzten Jah-ren in Niederösterreich an. Ist die wunder-bare Landschaft im Wein- oder Waldviertel die ideale Inspirationsquelle für Kunstschaf-fende? Oder gibt es handfestere Gründe?

    Peter Turrini

    WiR alle sinD KinDeR DeR PROVinZ

    Dorli Draxler und Edgar Niemeczek im Gespräch mit dem im Weinviertel beheimateten Schriftsteller Peter Turrini über Kunst, Politik und Qualitäten der Provinz.

    Peter Turrini: „Wenn Sie mich nach dem Kulturklima fragen, dann kann ich nur sagen, man fühlt sich hier willkommen.“

  • schaufenster / Kultur.Region / März 2013schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Im Gespräch / 8 Im Gespräch / 9

    Turrini: Ich kann schwer beantworten, was andere Künstlerinnen und Künstler auf die Idee gebracht hat, sich in Niederösterreich anzusiedeln. Ich kann es für mich beantwor-ten, und zwar auf einer sehr persönlichen Ebene. Ich habe Kärnten verlassen, weil ich mich dort nie beheimatet fühlte. Das hängt mit meinem italienischen Vater, wohl aber auch mit meinem schon früh erglühten lite-rarischen Fieberkopf zusammen, der auf meine damalige familiäre und dörfliche Umgebung merkwürdig wirkte. Ich habe keine schöne Geschichte mit Kärnten, und als ich nach Niederösterreich kam, war ich diese Vergangenheiten los. Hier traten mir die Menschen neu gegenüber, es hing also von mir ab, ob sie mich mochten oder nicht. Ich fühle mich hier angenommen und beheimatet, soweit man das von einem grundsätzlich heimatlosen Menschen sagen kann. Und ich habe hier einen Platz des Rückzugs gefunden. Sie dürfen nicht verges-sen, dass Schreiben Schwerarbeit ist. Die meisten Menschen machen sich Illusionen über diesen Beruf und glauben, man muss nur prominent sein. Alles Blödsinn. Man muss fleißig sein bis zur Erschöpfung. Man muss einen geregelten Arbeitstag haben, um dieses ungeheure Volumen eines Romans oder eines Theaterstückes überhaupt zu schaffen. Dass man ein Talent haben muss, ist doch selbstverständlich, der Rest ist – ich wiederhole es – Fleiß. Für diese Schwerar-beit brauche ich Ruhe, Rückzug, ich denke mir ja monatelang Figuren aus, die mich völlig vereinnahmen. In dieser Zeit des

    intensiven Schreibens stört mich alles, was außerhalb des Schreibens liegt. Hier in Nie-derösterreich, in diesem kleinen Dorf an der tschechischen Grenze, habe ich diese Stille und Leere gefunden, die ich mit den Aus-denkungen meiner Fantasie bevölkern kann.

    Viele Künstler, ob Schriftsteller, Maler oder Musiker, erheben die Forderung, dass die öffentliche Hand die Aufgabe hat, den ent-sprechenden Rahmen für das künstlerische Schaffen zu garantieren. Wie sehen Sie die Situation in Österreich, speziell in Nieder-österreich? Was schafft also ein Kulturklima? Was ist diesem abträglich?

    Turrini: In einer Demokratie, die etwas auf sich hält, sollte der Staat die Kunst fördern und sich inhaltlich vollkommen heraushal-ten. Nur in Diktaturen redet man in die Kunst hinein. Die Frage der Kunstförderung beschäftigt mich seit Jahrzehnten, vor allem die in den Regionen. Bevor ich etwas sehr Positives über Kunstförderung in Nieder-österreich sage, schildere ich ein paar euro-päische Vergleiche. In Italien ist durch die „Berlusconisierung“ der Gesellschaft auch die Förderung von Kunst unter die kapitalis-tischen Räder gekommen. Wenn ich mit meinen italienischen Freunden darüber rede, dann erfahre ich, dass fast alles ins Private, ins Mäzenatentum ausgelagert wurde. Außer den wenigen großen Instituti-onen, wie der Mailänder Scala, sind die frü-her blühenden Äste der regionalen Kultur in Italien verdorrt. In Frankreich ist es diffe-

    renzierter. Die Regionen und Departements fördern die Kunst mit unterschiedlicher Intensität und Höhe. Generell lässt sich aber auch dort feststellen: In Sparzeiten spart man zuerst an der Kunst. Die neue franzö-sische Regierung behauptet, sie wolle mehr für Kunst ausgeben, es fehle ihr aber an Geld. In Italien gibt es keinen erklärten Wil-len zu Mehrausgaben für die Kunst. Ich tue mir mit politischem Lob grundsätzlich schwer, aber Niederösterreich stellt im Ver-ein der europäischen Regionen eine äußerst rühmliche Ausnahme dar. Von Grafenegg über das Nitsch-Museum bis hin zu den Musikschulen, hier wird mehr für Kunst und Kultur getan als in allen vergleichbaren Regionen. Während die meisten auf einem störrischen Esel sitzen und in der Kulturför-derung nicht weiterkommen, setzen Pröll und seine Kulturmitstreiter auf das richtige Pferd. Und wenn Sie mich nach dem Kultur-klima fragen, dann kann ich nur sagen, man fühlt sich hier willkommen. Das habe ich von Kärntner Künstlern, die in der „Dörfle-rei“ leben, noch nicht gehört.

    Was haben Kunst und Politik überhaupt miteinander zu tun? Wie verhalten sich die Kunst und die Künstler gegenüber der Politik? Wie werden Phänomene wie Ge- sinnungsdiktat, Moralisierung und Heuchelei reflektiert? Ist Demokratie überhaupt ein Thema? Und wie wird diese gesehen?

    Turrini: Wieder kann ich nur eine sehr per-sönliche Antwort geben: Ich kann mir eine

    „Während die meisten auf einem störrischen Esel sitzen und in der Kulturförderung nicht weiterkommen, setzen Pröll und seine Kulturmitstreiter auf das richtige Pferd“. Edgar Niemeczek (links) und Dorli Draxler (rechts) im Gespräch mit Schriftsteller Peter Turrini.

  • schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Im Gespräch / 10 Bräuche / 11

    V. l. n. r.: Die Geschäftsführer der Kultur.Region Niederösterreich, Dorli Draxler und Edgar Niemeczek, mit dem Schriftsteller Peter Turrini und der Dramatikerin Silke Hassler im Brandlhof, Radlbrunn.

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Kunst ohne die politische Frage nicht vor-stellen, aber da die Kunst frei ist, haben andere Künstler die Freiheit, völlig anders zu denken als ich. Ich habe immer, vor allem in Essays, öffentlichen Reden und Artikeln, die negativen Auswirkungen von Politik auf unser Leben kritisiert. Ich habe die Gerech-tigkeitsfrage gestellt, und auch da landet man bei den Fragen nach Macht und Ohn-macht, nach Unterdrückung und Ausbeu-tung. Auch ich wäre manchmal gerne in den Elfenbeinturm der Kunst entschwunden, aber schon wenn man beim Fenster dieses Turms hinaussieht, sieht man Dinge, die einen nicht gleichgültig lassen können.

    Schon 1983 haben Sie einen Essay zum Thema „Provinz“ verfasst. Darin heißt es am Schluss: „Wer in der Literatur die ganze Welt einfangen will, landet oft im unverbindlichen Nichts. Wer sich mit der Provinz, mit dem, was ihn unmittelbar umgibt, begnügt, dem gelingt oft, bewusst oder unbewusst, ein Bei-spiel, eine Parabel für menschliches Dasein schlechthin?“ Hat sich in Ihrer Einschätzung dazu nach 30 Jahren etwas geändert?

    Turrini: Ja, tatsächlich habe ich das vor 30 Jahren geschrieben, und es hat, im Zeit-alter der Globalisierung, eher an Brisanz gewonnen. So wie wir uns als Menschen

    nicht im Vergleich mit der Vergangenheit erleben, so erleben wir uns auch nicht im Vergleich mit dem Staatsgebilde, in dem wir leben, oder gar mit dem Globalen. Nein, unsere tiefsten Empfindungen entwickeln wir aus allernächster Nähe, an dem Ort, in dem wir leben, in der Beziehung, die wir führen, an dem Verhältnis zum Nachbarn, das wir haben oder nicht haben. Uns ereifert nicht so sehr der Lärm am Times Square, sondern jener, welchen die Lastwagen bei ihrer Ortsdurchfahrt verursachen. Ich bin ein Bewohner der Provinz, ich schöpfe meine Kraft und meine literarischen Stoffe aus dieser. Die wenigen Male, als ich ver-sucht hatte, in einem meiner literarischen Werke die ganze Welt einzufangen, bin ich gestrauchelt. Je genauer ich die Dramen meiner Umgebung literarisch eingefangen habe, desto öfter wurden diese Stücke in andere Sprachen übersetzt und an anderen Orten aufgeführt. Was einem jungen Men-schen in einem Kärntner Dorf passiert, oder einer alten Putzfrau in der weihnachtlichen Einsamkeit, im Speziellen spiegelt sich das Allgemeine wider. Letztendlich sind wir alle Kinder der Provinz. /

    Fotos: Nikolaus Korab

    PeteR tURRini———————————————————Geboren 1944 in St. Margarethen im Lavanttal/Kärnten, aufgewachsen in Maria Saal, seit 1971 freiberuflicher Schriftsteller. Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung. Zahlreiche Auszeichnungen – u. a. der Würdigungspreis des Landes Niederöster-reich, 2003.

    Lebt in Retz/Niederösterreich.

    Mit seinem ersten Theaterstück „Rozznjogd“ (Uraufführung 1971 am Wiener Volkstheater) wurde Turrini schlagartig bekannt.

    Es folgten zahlreiche Theaterstücke, Gedichte, Drehbücher, Hörspiele, Reden und Essays.

    Turrinis Werke wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt, seine Stücke werden weltweit gespielt.

    Der Vorlass von Peter Turrini befindet sich im Archiv der Zeitgenossen, Donau-Universität Krems.

  • schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Im Gespräch / 10 Bräuche / 11

    Wenn man schon nicht sicher sagen kann, ob das Huhn vor dem Ei war oder umge-kehrt, so kann doch mit Gewissheit festge-halten werden, dass das Ei vor dem Men-schen war. Denn seit über 300 Millionen Jahren gibt es Reptilien auf der Erde, Vögel seit etwa 150 Millionen Jahren und den Homo sapiens seit etwa lächerlichen 2,5 Millionen Jahren. Irgendwann muss unseren Vorfahren aufgefallen sein, dass das Ei, die-ses ovale, von einer Kalkschale begrenzte Objekt, mehr ist als eine Schutzhülle für

    seinen jeweiligen Bewohner und eine Berei-cherung des eigenen Speiseplans. So wurde schließlich das Hervorschlüpfen von neuem Leben aus dem Mikrokosmos Ei weltweit in vielen Mythen und Religionen als Sinnbild für die Entstehung der Welt und der Schöp-fung angesehen.

    Schenk ein ei!

    Der Brauch, verzierte Eier als Symbole der Fruchtbarkeit und der Erneuerung der

    Natur im Frühling zu verschenken, ist weit vor Christi Geburt an verschiedenen Orten der Welt nachweisbar (z. B. in China, Ägyp-ten, Griechenland), und wurde dem Christen-tum einverleibt. Begibt man sich auf etymo-logische Spurensuche des Wortes „Ostern“, führt der Weg nach Großbritannien, wo man in vorchristlicher Zeit für die Göttin des Frühlings und der Morgenröte, „Eostre“, Fruchtbarkeitsfeste ausrichtete und sich gegenseitig Eier als Freundschafts- oder Lie-besgabe schenkte. In christlicher Zeit ver-

    Ostern

    miKROKOsmOs ei

    Von Bedeutung und Wert der Eier zu Ostern.

    Gekratzte Eier – eine Technik, die vor allem im Südburgenland bekannt ist.

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013

  • Bräuche / 12

    schmolz man das Fest für Eostre mit dem Osterfest, auf dem Konzil von Nicäa wurde 325 n. Chr. festgelegt, dass Ostern immer auf den ersten Sonntag nach dem Frühlingsvoll-mond fällt. Und so schenkt man sich hierzu-lande heute noch Eier im keimenden Früh-jahr, zu Ostern, im Namen Christi.

    Allerdings war den Christen das Essen von Eiern, dem „flüssigen Fleisch“, in der Fasten-zeit vor Ostern verboten. Eine Methode, um die in dieser Zeit gelegten Eier bis nach Ostern haltbar zu machen, war, die Eier zu kochen und, wenn diese als Schenk-Eier dienen sollten, auch zu färben und zu ver-zieren. Das Bemalen von Ostereiern setzte im von der römischen Kirche geprägten Abendland im 12./13. Jahrhundert ein. Es entstanden je nach Geschmack und hand-werklichem Können des Erzeugers wahre kleine Kunstwerke. Verwendet wurden aus-geblasene Eier verschiedenster Vögel, Eier von Singvögeln und Wachteln, Hühnern verschiedenster Größen und Rassen, von Fasanen, Enten, Gänsen u. a. Aber auch Eier aus mannigfaltigen Materialien wie Holz, Naturstein, Porzellan, Glas, Metall, Gips oder Pappe wurden im Lauf der Zeit ver-ziert. Die zunächst am häufigsten verwende-te Farbe war Rot – rot wie das Blut Christi, rot wie die Liebe oder das Leben. Bald gesellten sich alle weiteren Farben dazu. Auch spezielle Ziertechniken entwickelten sich, es wurde gekratzt, geätzt, ausgeschnit-ten und gefüllt, beklebt, gebatikt und beschrieben.

    Die technik der Zier

    Bei der Wachsbatiktechnik werden mit flüs-sigem Wachs Symbole und Muster auf das Ei gemalt, die abgedeckten Linien und Flächen nehmen so beim Eintauchen in Farbe keine Farbe mehr an. Wiederholt man diesen Vor-gang mit verschiedenen Farben, können wunderschöne mehrfarbige Eier entstehen. Zuletzt wird das Wachs über einer Kerzen-flamme geschmolzen und weggewischt.

    Werden die Eier mit farbigem Wachs ver-ziert, nennt man dies Wachsbossier-Verfah-ren. Die aufgetragenen Motive liegen relief-artig erhaben auf der Eierschale. Möchte man die eher zeitaufwändige Kratztechnik anwenden, braucht man Eier mit möglichst harter Schale. Nach dem satten Einfärben der Eier werden mit einem spitzen Gegen-stand Ornamente eingeritzt. Auch bei der älteren Technik des Ätzens werden die Eier zunächst uni gefärbt, dann allerdings wer-den die gewünschten Motive mit Säure weg-geätzt. Sehr viel Geduld, Hingabe und einen Zahnarztbohrer braucht man, wenn man sich in der Kunst des Perforierens von aus-geblasenen Eiern versuchen möchte, es kön-nen Stunden, Tage und Wochen vergehen für besonders filigran gearbeitete Objekte. Man beachte: Gänseeier sind stabiler als Hühnereier. Häufig werden natürlich ver-schiedene Techniken gemischt.

    Aus dem Brauch des Verzierens von Oster-eiern ist ein Kunsthandwerkszweig entwach-sen, ein Wirtschaftszweig blüht gleich dane-

    ben. Ob ukrainische Pysanka-Ostereier, sor-bische Ostereier aus der Lausitz oder gekratzte Ostereier aus dem Südburgenland – verkauft werden sie in alle Welt, das Inter-net macht’s möglich. Nur die Eier der Woll-milchsau kann man noch nicht im Worldwi-deweb erwerben. Freudvoller als das Surfen am Bildschirm ist es aber sicher, auf einem der zahlreichen Ostermärkte in Österreich zwischen Osterzöpfen und Geselchtem nach bunten Eiern Ausschau zu halten, um damit den häuslichen Osterstrauß zu schmücken.

    Nicht kostbar, aber teuer sind die wohl berühmtesten Eier der Welt: die Fabergé-Eier, jene eiförmigen Schmuckgegenstände und Zeugnisse höchster Goldschmiedekunst aus der Werkstatt des Peter Carl Fabergé, die zwischen 1885 bis 1917 alljährlich von den russischen Zaren Alexander III. und Niko-laus II. in Auftrag gegeben wurden, um sie zu Ostern ihren Gemahlinnen zu schenken. Das sogenannte Rothschild-Ei, das von Fabergé einst für den Bankier angefertigt worden war, wurde 2007 um 12,5 Millionen Euro verkauft. Es ist im Museum Fabergé in Baden-Baden, Deutschland, zu besichtigen.

    Unbezahlbar ist allerdings der immaterielle Wert eines selbstgefertigten Ostereis von Personen, die man ins Herz geschlossen hat, seien es die Geliebte, die Mutter oder die eigenen Kinder. Kind und Ei geht im Sprach-gebrauch von jeher gut zusammen. Mit wiegenden Bewegungen ähnlich dem Oval einer Eierschale und einem gesungenen „eiapopeia“ hat man schon im Mittelalter kleine Kinder sanft in den Schlaf geschau-kelt. Zu den ersten lautmalerischen Silben, die ein Kleinkind im deutschsprachigen Raum lernt, gehört zweifelsohne das „ei ei“ im Singsang. Und so kommt es, dass das Wort „Ei“ heute auch in Österreich – allen Lebensmittelskandalen zum Trotz – noch immer semantisch positiv besetzt ist und uns weniger an Antibiotika und Salmonellen denken lässt, vielmehr an eine zärtliche Streicheleinheit. Womit wir wieder bei Ostern angelangt wären: Friede auf Erden! /

    Text: Gabriele Burian

    Fotos: Manfred Horvath

    Ausgeblasene Eier – die Verwertung der Eierschalen für den Osterstrauß.

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    Chorszene Niederösterreich / 13

  • Chorszene Niederösterreich / 13

    Die achte CD der Reihe „vielstimmig“ spannt einen Bogen vom Gstanzl bis zum Abendlied, von traditioneller Volksmusik zur Hochromantik.

    Das Herbstkonzert der Chorszene Nieder-österreich stellt jährlich einen musikalischen Höhepunkt dar – werden doch dabei die besten Vokalensembles des Landes eingela-den, ihr Können im für Vokalmusik so stim-mig geeigneten Klangraum der Minoriten-kirche Krems-Stein zu präsentieren. Um immer wieder auf einen ganz bestimmten Aspekt der Chormusik einzugehen, steht das Herbstkonzert jedes Jahr unter einem ande-ren Motto. 2009 war es die zeitgenössische Chormusik (nachzuhören auf der CD „viel-stimmig 5“) und 2010 die geistliche Vokal-musik („vielstimmig 6“).

    Unter dem Titel „Volks.Kunst.Lied“ drehte sich 2011 beim Herbstkonzert der Chorszene Niederösterreich alles um Vokalmusik aus den Sparten Volks- und Kunstlied, um deren Gemeinsamkeiten und Gegensätze. Ausge-wählte Chöre wurden eingeladen, das Volks-lied im Klangraum der Minoritenkirche Krems-Stein zu Wort kommen zu lassen. Dorli Draxler, Geschäftsführerin der Chor-szene Niederösterreich: „Die elementare Be-deutung der Volksmusik, deren Auswirkung und Einfluss in die Kunstmusik nahezu aller Zeiten und Kulturen reicht, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, und es gilt, die

    überlieferte Volksmusik immer wieder aufs Neue zu beleben. Es sollte aber nicht nur das Volkslied, sondern auch das Kunstlied erklingen – und zwar jenes, das sich auf das Volkslied bezieht, das seine Wurzeln eben-dort sucht, das aus der Tradition hinüber- führen möchte in eine kunstvolle Ausarbei-tung, das eine neue Interpretation sein will oder künstlerische Auseinandersetzung. Man findet Bearbeitungen von Volksweisen in allen Epochen, allen Stilen – große Musi-ker haben sich diesem Thema gewidmet, unzählige Arrangeure haben sich an Melo-dien rund um den Globus bedient. Es war uns bewusst, dass ein derartig umfassendes Thema nicht in einem einzigen Konzert behandelt werden kann. Und so spannt sich auf dieser CD ein weiter Bogen: vom Gstanzl bis zum Abendlied, von der echten traditio-nellen Volksmusik über die Hochromantik bis zur popular gefärbten Weltmusik.“

    Gottfried Zawichowski, Aufnahmeleiter der CD „vielstimmg 8“: „Möge dieses Projekt verstanden werden als demütige Referenz an das gemeinsame Singen selbst, an das Erklin-genlassen von Melodien, die – in welcher Ausgestaltung auch immer – aus der Seele der Menschen kommen.“ /

    CD VielstimmiG 8———————————————————Junger.Chor.Niederösterreich, Capella Cantabile, Chor Haag, Trio Draxler-Monitzer-Jäger, Wiener Singakademie Kammerchor, Die DröSingers

    EUR 18,00 + Versand

    Erhältlich bei: Chorszene Niederösterreich 3109 St. Pölten, Neue Herrengasse 10 Tel. 02742 90666-6117

    www.chorszenenoe.at

    Der Chor Haag ist eines der mitwirkenden Vokalensembles auf der neuen CD „vielstimmig 8“. Foto: Gerald Lechner

    vielstimmig

    VOlKs.KUnst. lieD

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  • Haus der Regionen / 14

    Volksmusik

    VOn BÖHmen in Die Welt

    Die böhmischen Musikanten und ihre Musik – eine Erfolgsgeschichte im mitteleuropäischen Raum.

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    Kristýna Kočí und Tomáš Spurný von der Böhmerwald Dudelsackmusik. Foto: z. V. g.

  • Haus der Regionen / 15

    Das böhmische Musikantentum hat in der europäischen Musikgeschichte einen guten Klang. Seit dem 18. Jahrhundert ist es bekannt, dass Böhmen und der westliche Teil Mährens als eigenwillige Musikland-schaften bedeutende Musiker hervorbrach-ten. Die Adeligen haben die Musikalität der Menschen in den Dörfern in besonderer Weise gefördert und die Landkantoren waren die fähigen Lehrmeister von über-durchschnittlich begabten jungen Musi-kanten. Diese musikerzieherische Situation in Böhmen hat man sogar als das „europä-ische Konservatorium“ bezeichnet, aus wel-chem erstrangige Meister der Vorklassik hervorgingen, wie zum Beispiel Jan (Johann) Stamitz (1717–1757) und František (Franz) Benda (1709–1786). Im 19. Jahrhundert waren es vor allem die böhmischen Militär-kapellmeister, welche innerhalb der k. u. k. Militärmusik nicht nur einen perfekten blas-musikalischen Spielstil formten, sondern auch als Komponisten von anerkannten und viel gespielten Märschen unsterblich geworden sind. Die böhmischen Kapell-meister Julius Fučik, Karl Komzák, Wendelin Kopetzky, Ludwig Stasný und Johann Novot-ny leben in ihren Märschen auch im zivilen Blasmusikwesen der Gegenwart weiter.

    geige, Klarinette, Dudelsack

    Und die Volksmusik? Sie ist in der Frühzeit der Erfassung der böhmischen Traditionen eng mit dem Dudelsack verbunden. „Dudy a dudácká muzika“ (Dudelsack und Dudel-sackmusik) gehören zur großen klingenden Visitenkarte der böhmischen Dorfmusik.

    Seit dem 19. Jahrhundert wird diese in Fach-büchern beschrieben und erhält nach und nach den Status eines nationalen musika-lischen Symbols. Verbunden mit den zahl-reichen Tanzliedern wird im Tonfall der Sprache auch musiziert. Nicht umsonst ver-langt der Forscher, man möge „die Melodie der Volkssprache in jeder Einzelheit studie-ren“, um die Musik des Landvolks zu verste-hen. Die auftaktlosen Wörter und Wort-gruppen haben ihr Gegenstück in den auf-taktlosen Melodien. Ob im Dreier- oder Zweiertakt, immer wird mit dem festen, betonten Taktteil begonnen und dieses Prin-zip rhythmisch exakt weitergeführt (siehe Abbildung Scherzlied, Seite 16).

    Der Dudelsack wurde und wird nicht allein als Soloinstrument eingesetzt, sondern mit ihm entstanden verschiedene Besetzungs-arten. Eine davon ist das Musikantentrio mit Geige, Klarinette und Dudelsack, das als typisch für die südböhmischen Landschaf-ten genannt wird. Überall in den böh-mischen Ländern gab es auch Geigenensem-bles mit Hackbrett, vor allem dort, wo das Geigenspiel von alters her seit Generationen überliefert wird. Von den vielen tschechi-schen Tänzen seien einige genannt, welche auf dem Tanzboden der Dörfer gespielt wur-den und in Auswahl von den beiden großen böhmischen Nationalkomponisten Bedřich Smetana und Antonín Dvořák eine künstle-rische Erhöhung erhielten: sedlácká, souse-dská, baborák, rejdovák und furiant. Die meisten Tanzweisen werden nicht nur gespielt, sondern auch gesungen, und von den Tänzen, die inzwischen vergessen wur-

    den und nicht mehr auf dem Tanzboden erklingen, lebt noch das Tanzlied.

    Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts auch in den Dörfern die Blechblasin-strumente der k. u. k. Militärmusik von Veteranen eingeführt wurden, entstanden völlig neue Besetzungsarten und Ausdrucks-weisen, die Tanzmusik zu spielen und zu singen. Nicht mehr die Dorftänze, sondern die Polka und der Walzer bildeten die Hauptformen im Repertoire der neuen „Blechpartien“. Die Polka ist als Name ein tschechischer Begriff, aber sie ist nicht eine tschechische Erfindung. Diesen Zweischritt-Rundtanz gab es überall unter den verschie-densten Namen und in unterschiedlichsten Ausführungen. In Österreich nannte man diesen Tanz „Hopser“, „Hupfauf “ oder „Hopswalzer“, das ist ein gedrehter Zwei-schritt-Tanz. Durch die auftaktlose Rhyth-mik der böhmischen Polka wurde diese zum Vorbild für viele Kompositionen im Gesell-schaftstanz des 19. Jahrhunderts. Johann Strauß Vater war 1842 der erste bedeutende Tanzkomponist, welcher in Nachahmung der böhmischen Polka diese mit seiner „Sperl-Polka“ in die wienerische Tanzmusik einführte.

    Musikalische Spuren

    Kleine Bläser-Ensembles von sechs bis acht Mann waren plötzlich tonangebend, nicht nur im eigenen Ort und in der Nachbar-schaft, sondern auch über die Grenzen des eigenen Landes hinaus. Böhmische Musi-kanten waren auf Wanderschaft, vor allem

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    Blasmusik in Perfektion – die südböhmische Gruppe Babouci. Foto: z. V. g.

  • Haus der Regionen / 16

    in Süddeutschland und in Österreich. Sie entwickelten sich im ländlichen Raum zu den beliebtesten Kleinkapellen der Zeit. In den Jahrzehnten vom Ende des 19. Jahrhun-derts bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges haben sie in vielen Provinzen der Monarchie ihre musikalischen Spuren hinterlassen. Manche dieser Musikanten wurden sogar ansässig, wie die Brüder Pokorny im Pon-gau, von denen der Salzburger Tobi Reiser erzählt, er habe sich bei manchen seiner Tänze von den böhmischen Musikanten inspirieren lassen.

    In Südtirol ist der Nachhall der böhmischen Musikanten besonders groß. Schon 1871 berichtet der Tiroler Schriftsteller Ludwig Steub, dass „im Ultentale nicht allein von den böhmischen Musikanten, die alljährlich sich einfinden, Tafelmusik aufgespielt wird, sondern auch des Abends zum Tanze, und nicht etwa auf einen Dreher oder zwei, son-dern gleich bis nach Mitternacht“. Alle blä-serischen Kleinensembles in Südtirol nen-nen sich „Böhmische“ und fügen die Orts-

    bezeichnung hinzu, wie zum Beispiel die „Völser Böhmische“, die „Sarntheiner Böh-mische“, die „Lengmooser Böhmische“ und viele andere.

    In den Jahrzehnten zwischen den zwei Welt-kriegen des 20. Jahrhunderts haben tsche-chische Komponisten mit erfolgreichen Pol-kakompositionen die Welt erobert. Die bekannteste davon ist bis heute die Polka „Rosamunde“ von Jaromir Vejvoda, die in vielen Ländern mit entsprechenden Texten immer wieder neu gesungen wird.

    Dieser jüngeren Polkaform folgen viele nie-derösterreichische Blasmusikkomponisten, die mit eigenen Werken dafür sorgen, dass der böhmische Charakter in der Tanzmusik in leicht veränderter Gestalt auch in unserem Land weiterklingt. /

    Text: Walter Deutsch

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    tsCHeCHien / BÖHmen im HaUs DeR ReGiOnen———————————————————Fr, 15. 3. 2013, 19.30 UhrBabouci

    Unter der Leitung von Petr Shýbal erar-beitet die südböhmische Gruppe Babouci mit Perfektion die traditionelle Blasmusik.

    Kat. I: VVK: EUR 16,00, AK: EUR 18,00Kat. II: VVK: EUR 14,00, AK: EUR 16,00

    Tipp: Genießen Sie vor dem Konzert ein dreigängiges Menü in Restaurant LATE Stein inkl. Konzerteintritt um insg. EUR 34,00 p. P.

    Sa, 23. 3. 2013, 19.30 UhrBöhmerwald Dudelsackmusik

    1989 gründete Tomáš Spurný mit Musi-kanten aus der Umgebung von Strakonice die Böhmerwald Dudelsackmusik. Volks-lieder und Volkstänze aus dem Böhmer-wald stehen auf dem Konzertprogramm, genauso wie Rekonstruktionen von alten Handschriften aus dem Egerland und dem Gebiet der Choden in Westböhmen.

    Kat. I: VVK EUR 16,00, AK EUR 18,00Kat. II: VVK EUR 14,00, AK EUR 16,00

    Tipp: Genießen Sie vor dem Konzert ein dreigängiges Menü in Restaurant LATE Stein inkl. Konzerteintritt um insg. EUR 34,00 p. P.

    Kombi-Karte für beide Konzerte der Reihe TSCHECHIEN / Böhmen:

    Kategorie I: EUR 29,00Kategorie II: EUR 25,00_

    Sa, 23. 3. 2013, 11.00 Uhr Workshop „Volkstänze aus Böhmen“

    Tomáš Spurný und Mitglieder der Böh-merwald Dudelsackmusik zeigen authen-tische Volkstänze aus Süd-und Westböh-men sowie die Egerländer Roija-Tänze.

    Kursgebühr: EUR 10,00 Dauer: ca. 2 Stunden. Anmeldung erbeten._

    Kartenbestellung und Information:

    Haus der Regionen3504 Krems-Stein, Donaulände 56Tel. 02732 85015

    www.volkskultureuropa.org

    Scherzlied aus Böhmen. Quelle: Österreichisches Volksliedwerk

    Wer kennt sie nicht, die Rosamunde? Quelle: Österreichisches Volksliedwerk

  • Haus der Regionen / 16

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Es ist die Welt der Brettln – Bühnen, die aus ein paar Fässern und darübergelegten Bret-tern bestehen. Es ist die Welt der sprich-wörtlichen Wäschermädel und Fiaker und die der Arbeiter, die in das Wien der 1860er Jahre strömen. Es sind die Zeiten der post-metternichschen Ära, der Gründerzeit und der Großstadt und des Weltkrieges. Für Unterhaltung sorgen die Volkssänger mit ihren Couplets. Der Begriff „Couplet“ wurde im Laufe der Jahrhunderte für unterschied-liche lyrische und musikalische Formen angewendet. Im 19. Jahrhundert wird das Couplet unter den Wiener Volkssängern zur Modeerscheinung. Die Couplets setzten sich formal aus gleich gegliederten, aber inhalt-lich unterschiedlichen Strophen zusammen, deren Schluss ein wiederkehrender Text ist, meist ein Kehrreim. Diese letzte wiederkeh-rende Zeile ist zugleich Pointe. Die Gstanzln unterscheiden sich vom Couplet insofern, dass sie Vierzeiler ohne wiederkehrenden „Refrain“ sind.

    Vorgetragen wurden die Couplets von Volks-sängern. In der ersten Hälfte des 19. Jahr-

    hunderts waren es ausschließlich Männer, die gegebenenfalls in Frauenkleider auftra-ten. Da die ständig ansteigende Zahl der Volkssänger der Obrigkeit ein Dorn im Sys-tem war, mussten sie um Lizenzen ansu-chen. Diese seien an Personen zu vergeben, die „zu einem anderen Gewerbe gar nicht oder in geringerem Grad geeignet sind, eini-ge musikalische und sonstige Bildung besit-zen und deren unbescholtene Haltung bekannt ist“. So lautet der Statthaltererlass von 1851. Der anarchische Witz, die subku-tane Renitenz, die frivolen Anzüglichkeiten, die „Verbindung von domestizierter Revolu-tion und Wiener Schmäh“, so Hubert Chris-tian Ehalt, Herausgeber der „Enzyklopädie des Wiener Wissens“, wurde damit versucht in Schranken zu weisen. Die Volkssänger reagierten darauf und packten die kritischen Themen in das Gewand des Humors, sodass die Texte auf den ersten Blick unverfänglich wirkten.

    Im Gegensatz zu den Natursängern, die sich durch Singen beim Heurigen etwa ein Trink-geld verdienten, sahen sich die Volkssänger als Berufsstand und waren in Gesellschaften organisiert. Ab 1860 treten nun auch Frauen auf den Bühnen der Etablissements auf:

    Reserl, hat die Mutter gsagt, d Männer das sind Teufel / Doch die Reserl unverzagt setzt darein viel Zweifel. / Mutter, na, das kann net sein, sagt s, wann i mitn Schani / Öfter so im Kämmerlein am Abend bin allani / Nimmt er mi und küsst er mi, Sie können Teufel sagen,/: Doch mich ergreift, ich weiß nicht wie, himmlisches Behagen. :/(Text und Musik: anonym, gesungen von Anna Ulke)

    Die Themen sind vielfältig: die schon erwähnten politischen Inhalte, die Schwie-germütter, die Dicken, die Selbstdarstellung von Wien, die Ungarn, die Böhmen, die Deutschen ...

    Ich bin sehr gern in deutschen Staaten, weil mich das Essen dort entzückt,Man kriegt Chadeau zum Hasenbraten, der fein mit Reißnägel gespickt,Dann gibt es noch Delikatessen, Rasiercremesauce mit grünem Aal,Ich kann halt nur in Deutschland essen, ich glaub, ich bin nicht ganz normal.(Text: Louis Taufstein, Musikarrangement: Armin Berg, Quelle: Tonaufnahme mit Armin Berg)

    Das Ende des Wiener Couplets geht mit dem Ende der Volkssänger einher, als Varie-tés, Kabaretts und Kinos die Unterhaltungs-branche verändern. Andererseits setzte der Zweite Weltkrieg dem Witz ein unerbitt-liches Ende. /

    Wiener Couplet

    Die Welt ist ein KOmÖDienHaUs

    Hundert Wiener Couplets, gesammelt, geordnet und kommentiert in einem Buch des Volksliedforschers Ernst Weber.

    Volkslied / 17

    BUCHtiPP———————————————————Ernst Weber:Mir geht alles contraire

    100 Volkssänger-Couplets aus Wien

    Verlag Bibliothek der Provinz edition seidengasse

    EUR 28,00

    www.bibliothekderprovinz.at

  • schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    „Heim, Heimat, heimatlich, heimelig, heim-lich – die Sprache „weiß“, wie eng diese Wörter miteinander verwandt sind.

    Musikschulen werden oft als Orte der (kul-turellen) Begegnung oder Zentren künstle-risch-musikalischer Bildung beschrieben. Was sie aber für viele Musikschüler darstel-len, ist eine Art zweite Heimat. Viele ver-bringen einen Großteil ihrer Freizeit in den Räumen der Musikschule, um zu musizieren: im Unterricht, beim Proben mit Ensembles oder bei Vorspielabenden. Welch wichtige

    Rolle die Beschaffenheit der Räume dabei spielt, wird oft nur unterbewusst wahrge-nommen. Dennoch beschäftigen sich Kin-der von Geburt an mit Räumen und nehmen sie wahr. Auch wir gestalten unsere eigenen Räume so, dass wir uns wohlfühlen. Schwie-riger ist dies in öffentlichen Gebäuden wie Schulen. Dass die Bedeutung von Räumen jedoch maßgeblich die schulische Bildung beeinflusst, wird oft ebenso unterschätzt wie die Tatsache, dass Räume Bildungsanre-gungen darstellen können. „Lernräume müssen gleichzeitig Lebensräume sein“, so

    Architekt Peter Hübner, der dieses Konzept mit Taten untermauert und Schüler, Lehrer und Eltern in die Entwurfs- und Baupro-zesse seiner Projekte einbindet. In der Reg-gio-Pädagogik geht man gar so weit, den Raum als „dritten Erzieher“ zu definieren. Man geht davon aus, dass Kinder drei Gesprächspartner haben: Neben den Kin-dern und Erziehern stellen Räume die dritte Komponente dar, sie enthalten Aufforde-rungen zu Handlungen und sind Interakti-onspartner für Abenteuer.1

    Schwerpunkt Heimaten / 18

    Generalprobe für die Uraufführung des Werks „Intrada“ von Reinhard Süss bei der Eröffnung des Bildungszentrums Purkersdorf am 25. Jänner 2013.

    Musikschulen

    BilDUnGs-RÄUme

    Unumstritten ist die Wirkung von Bauformen auf jede Art von Lernprozessen. Es gilt daher, im Idealfall gemeinsam Räume zu schaffen, die auf die Bedürfnisse aller Gruppen zugeschnitten sind.

  • schaufenster / Kultur.Region / März 2013schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Schwerpunkt Heimaten / 19

    Unumstritten ist die Wirkung der Bau-formen auf jede Art von Lernprozessen. Es gilt daher, im Idealfall Schulgebäude und -räume gemeinsam zu gestalten und Räume zu schaffen, die auf die Bedürfnisse aller Gruppen zugeschnitten und auf eine längere Verweildauer ausgerichtet sind. Denn Schu-le ist nicht nur ein Lernort, sondern auch Ort der Erfahrung, Begegnung und Entfal-tung, Werkstatt oder Oase. Nicht nur Funk-tionalität, sondern auch die Ästhetik spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Parameter wie Farbgebung, Licht und Beleuchtung, Möblierung und im Fall der Musikschule speziell die Akustik müssen bei der (Um-)Planung von Räumen bedacht werden. So kann sich die Raumgestaltung dem pädago-gischen Konzept annähern und dieses auch unterstützen.

    orte der Begegnung

    Für Musikschulgebäude und -räume gibt es verschiedene Modelle. So sind die meisten Musikschulen in Niederösterreich in Räum-lichkeiten der Regelschulen untergebracht. Viele Musikschulen verfügen dabei über einen eigenen Gebäudekomplex, der an einer Schule angebaut bzw. in eine Schule integriert ist. Ein Modell, das in den letzten Jahren beispielhaft von Gemeinden umge-setzt wird, ist jenes eines Bildungszentrums. Als gelungenes Beispiel dafür kann das Schulzentrum in Waidhofen/Ybbs genannt werden, das neben der Musikschule noch sieben weitere Institutionen wie die Volks-hochschule, eine Tanzschule oder den Kin-derhort beheimatet. Welche Herausforde-rung die Planung in Bezug auf die Vorgaben der einzelnen Institutionen bedeutet, kann erahnt werden. Doch unter Einbezug aller beteiligten Parteien gelang es, ein Gebäude zu schaffen, das Platz für alle bietet und den Anforderungen entspricht.

    Haus der Musik

    Ein „Haus der Musik“ wurde auch in Krems geschaffen – und so fand die Musikschule Heimat im Schulgebäude Hafnerplatz, das eine Anbindung an die Volksschule ermög-lichte. Eine umfangreiche Revitalisierung machte das Gebäude zu einem Beispiel für Bildungszentren. Seit September 2009 ist die Musikschule Bisamberg/Leobendorf/En- zersfeld am Standort Leobendorf in einem neu errichteten Gebäude am Bildungscam-pus Leobendorf untergebracht, der auch

    Volksschule und Kindergarten beherbergt. Dem Campusgedanken folgend, verschmel-zen unter dem Stichwort „Synergien nutzen“ die Bildungseinrichtungen ineinander und machen durch ihre spezielle Architektur die landschaftliche Umgebung spürbar. Auch hinsichtlich technischer Einrichtungen, Schulwart oder Raumpflege können Syner-gien geschaffen und schulische Kooperati-onen mit Regelschulen gar ausgebaut wer-den. Getrennte Eingänge sollen – bei aller Zusammengehörigkeit – die Individualität der einzelnen Einrichtungen betonen. Pro-ben- und Konzertsäle, die durch Schiebe-elemente variabel eingesetzt werden kön-nen, komplettieren neben zahlreichen Ein-zel- und Gruppenunterrichtszimmern das Raumangebot und bieten somit Platz für alle Bedürfnisse.

    Der Generalsanierung der Volksschule 2009 liegt die Entstehung eines Bildungszentrums in Wimpassing zugrunde. Neueste tech-nische Ausstattung in allen Räumen und die am Flachdach angebrachte Photovoltaik-anlage zeichnen das neue Heim für Musik-schule, Volksschule und Hort aus. In erster Linie stellen die Räume jedoch eine adäqua-te Arbeitsstätte für Musikschullehrer dar und werfen auch hier den Begriff Heimat auf. Nicht nur Unterrichtsräume, die in ihrer Ausstattung neben technischen Raffinessen auch mindestens ein Tasteninstrument auf-weisen, sondern auch Konferenzzimmer und Aufenthaltsräume bieten Platz für Kommunikation, Elterngespräche oder laden Schüler zum Verweilen ein. Auch die

    Nähe zu den Räumlichkeiten des Sinfo-nischen Blasorchesters Wimpassing erweist sich als praktisch für eine Zusammenarbeit. Neue Wege in Sachen Räumlichkeiten geht auch der Gemeindeverband der Musikschule Wienerwald Mitte. Am 25. Jänner 2013 wurde in Purkersdorf durch Landeshaupt-mann Dr. Erwin Pröll das neue Bildungs-zentrum eröffnet, das der Förderung von Talenten dient. In fünf Geschoßen sind Stadtbibliothek, Sonderpädagogisches Zen-trum, Volkshochschule und Musikschule beherbergt, unmittelbar daneben die Volks-schule. Ein besonderes Highlight stellt der gemeinsame Festsaal dar. Neben allen Un-terrichtsräumen nimmt ein (Fest-)Saal stets eine besondere Stellung ein. Integriert ins eigene Gebäude ist er sichtbar als Teil der Schule und stellt somit eine bestimmte Ver-trautheit her. Eine Vertrautheit, die Musik-schule zur Heimat macht: für Schüler, Leh-rer, Leiter, Eltern und Freunde. /

    Text: Katharina Heger

    Fotos: z. V. g.

    1 Vgl. Sabine Lingenauber: „Handlexikon der Reggio-Pädagogik“, 2011, S. 136.

    Konzertsaal im Bildungscampus Leobendorf

    Wimpassing: Volks- und Musikschule unter einem DachFarbenfrohe Gänge in der Musikschule Leobendorf

    inFORmatiOn———————————————————www.ms-bisamberg-leobendorf.at

    www.musikschule.wimpassing.at

    www.msvwienerwaldmitte.at

  • Musikschulen / 20

    Februar 2013. Monat der Ski-Weltmeister-schaft in Schladming. Die Besten der Besten treten in den sportlichen Wettstreit, es ist das Saisonhighlight im heurigen Skiwinter. Monatelang wurde trainiert und darauf hin-gearbeitet, nicht nur Sportler, sondern Betreuer, Organisatoren und Fans fiebern dem Großereignis entgegen. Jetzt zählt es, die Leistungen abzurufen, nun gilt es, an der Spitze zu stehen.

    März 2013. Monat von prima la musica. Dieser Wettstreit ist musikalisch und ver-sammelt Niederösterreichs beste Musik-schülerinnen und Musikschüler im Fest-spielhaus St. Pölten – die musikalische Wett-bewerbssaison startet gleich mit einem Highlight. Auch hier wurde monatelang darauf hingearbeitet, akribisch geübt und bei Vorspielabenden die Wettbewerbssitua-tion geprobt. Schüler, Lehrer und Eltern

    wissen: Die Momentaufnahme beim Wett-bewerb zählt.

    Vergleiche und das Messen mit anderen stehen im Skisport sowie im Sport allgemein an der Tagesordnung. Rankings und Statis-tiken werden bekanntgegeben, am Sieger-treppchen ganz oben zu stehen lautet die Devise. Was im Sport üblich ist, gibt es auch in der Musik. In Niederösterreich rufen

    prima la musica

    mUsiKalisCHeR WettKamPF

    Die Wettbewerbssaison für Niederösterreichs Nachwuchsmusiker startet mit prima la musica und versammelt die besten Musikschüler des Landes.

    Eine Auswahl der besten Prima-la-musica-Teilnehmer präsentiert traditionellerweise ihr Programm beim Preisträgerkonzert im Festspielhaus St. Pölten.

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013

  • Musikschulen / 21

    jährlich Wettbewerbe heimische Musik-schüler zum musikalischen Wettkampf mit ihren Altersgenossen auf und bieten dabei Angebote, die eine weite Bandbreite an Musikstilen einschließen. Von sogenannter Klassik über Volksmusik bis hin zur Popu-larmusik findet jeder Musikschüler seine musikalische Heimat.

    talente finden und fördern

    Jugendmusikwettbewerbe gelten als Talente-schmieden, deren Basis in der Musikschule zu finden ist. Die jungen Musikerinnen und Musiker bekommen hier die Gelegenheit, ihren Platz im Vergleich zu anderen zu fin-den – vorerst niederösterreichweit und für die Besten folgend auch im Österreich- vergleich beim Bundeswettbewerb. Feed-back der Jury bei Beratungsgesprächen sowie auch die Auftrittsmöglichkeit im großen Rahmen dienen der musikalischen Weiterentwicklung und bereiten vor auf eine mögliche Karriere als Musiker. Talent alleine reicht nicht – was im Sport gilt, ist auch auf die Musik umzulegen. Viel Üben und harte Arbeit liegen einer erfolgreichen Teilnahme am Wettbewerb zugrunde. Beteiligt daran sind nicht nur die jungen Musiker und ihre Lehrer, sondern ebenso eine unterstützende und fördernde Umgebung, die bei den El-tern zu finden ist.

    Wettbewerbe 2013

    Die Wettbewerbssaison für Niederöster-reichs Nachwuchsmusiker startet mit prima

    la musica und versammelt die besten Musik-schüler in St. Pölten. Mehr als eine Woche lang wird das Festspielhaus St. Pölten bespielt, erklärtes Ziel der jungen Musiker ist der „Erste Preis mit Berechtigung zur Teilnahme am Bundeswettbewerb“. Einen Höhepunkt des Landeswettbewerbs stellt das Preisträgerkonzert am Sonntag, den 28. April dar, ebenfalls im Festspielhaus St. Pölten.

    Ein Wettbewerb der anderen Art wird An-fang April im Kulturhaus Wagram, St. Pölten, ausgetragen. Unter dem Motto „Tanzend erzählen“ treffen sich Tanzensembles aus ganz Österreich bei „Tanz im Gespräch 2013“. Im Mittelpunkt steht neben den Tanz-performances die Feedbackrunde einer Fach- und einer Ensemblejury der teilneh-menden Tänzer.

    Im Mai kommt es zum Treffen der nieder-österreichischen Musikanten: Beim NÖ Volksmusikwettbewerb 2013 wird heuer in Leobendorf musiziert und gesungen. Auch hier erhalten die Musiker durch das Feed-back einer hochkarätigen Jury wichtige Impulse für die weitere musikalische Arbeit; Preisträgerkonzerte am Ende jedes Wettbe-werbstages vereinen noch einmal die besten Beiträge der Nachwuchsmusiker.

    Den Abschluss der landesweiten Wettbe-werbssaison bildet im Juni PODIUM.JAZZ. Wie schon im vergangenen Jahr ist die Tischlerei Melk Kulturwerkstatt Austra-gungsort des Popularmusikwettbewerbs, der

    Die Band „Green Summer“ aus der Musikschule Laabental konnte nicht nur bei podium.jazz.pop.rock 2012 in Kilb überzeugen, sondern wurde beim Bundeswettbewerb mit dem Falco-Preis als beste Rock/Pop-Band ausgezeichnet.

    Musikwettbewerbe gelten als Talenteschmieden, die Basis ist in der Musikschule zu finden.

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    heuer seinen Fokus auf Jazz setzt. Musika-lisch abgerundet wird der Wettbewerbstag mit einem Konzert des Jugendjazzorchester Niederösterreich. In den kommenden Mo-naten gilt es für Niederösterreichs Musik-schüler das umzusetzen, was sie gemeinsam mit ihren Lehrern erarbeitet haben. Dann treffen sich die einen oder anderen vielleicht beim Bundeswettbewerb wieder … /

    Text: Katharina Heger

    WettBeWeRBe 2013———————————————————prima la musica 2013 Mo, 25. 2.–Fr, 8. 3. 2013 Festspielhaus St. Pölten 3109 St. Pölten

    Tanz im Gespräch 2013 Sa, 6. 4. 2013 Kulturhaus Wagram 3100 St. Pölten

    NÖ Volksmusikwettbewerb 2013 Fr, 24.–Sa, 25. 5. 2013 Musikschule Leobendorf 2100 Leobendorf

    PODIUM.JAZZ 2013 Sa, 8. 6. 2013 Tischlerei Melk 3390 Melk

    www.musikschulmanagement.at

  • Aus der Sammlung Josef Buchinger, 360 Heimatlieder und Ortshymnen, NÖVLA IN 1727.1.

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Volkslied / 22

    Schwerpunkt Heimaten

    DORt, WO Das lieD eRKlinGt…

    „Dort, wo“ ist ein häufiger Beginn eines Heimatliedes. Eine Positionierung im historischen Kontext.

  • Ab 1811 begann auf Anregung von Erzherzog Johann eine intensive Sammel- und Befra-gungsaktion in den Ländern der österreichi-schen Monarchie. Gegenstand dieser Feldfor-schung waren Volksmelodien, um diese vor dem Vergessen zu bewahren. Als eigentlicher Begründer der österreichischen Volksliedfor-schung gilt Josef Pommer, der versuchte, die Volksmelodien systematisch aufzubereiten.

    Als Dokumentationsquelle der Forschungen auf diesem Gebiet gründete Josef Pommer (Volksmusikforscher und deutschnationaler Politiker) im Jahr 1899 die Zeitschrift „Das deutsche Volkslied“. Aus diesen Daten lässt sich erkennen, dass die österreichische Volks-liedforschung eine noch junge Wissenschaft ist und damals, in Zeiten nationalstaatlicher Bestrebungen in Europa, auch im Lichte deutschnationaler Zwecke zu hinterfragen ist. Im Zuge dieser Forschungen stellte sich jedenfalls heraus, dass ein großer Teil der gesammelten Lieder unter den Begriff Hei-matlied fällt.

    Der Volksliedforscher Herbert Walter unter-teilte das Heimatlied in zwei Gruppen: das Heimwehlied bzw. das „klassische“ Heimat-lied und die sogenannten Ortshymnen. 1970 legte Josef Buchinger als Beitrag zur niederö-sterreichischen Musikgeschichte mehr als 360 Heimatlieder und Ortshymnen in zwei Bänden vor. Diese Sammlung befindet sich derzeit im Niederösterreichischen Volkslied-archiv.

    einen schlechten ruf

    Einer der Hauptinhalte des Heimatliedes ist das Lob der Heimat, das oftmals als senti-mental, rührselig oder klischeehaft empfun-den wird. Weitere Motive sind Heimweh, Sehnsucht und Erinnerungen an die Heimat. Traditionell haben diese Heimatgesänge einen schlechteren Ruf als die traditionellen Volkslieder. Dieses Missverhältnis beschreibt Herbert Walter, der meint, dass es die For-scher waren, die das vermeintlich minder-wertige Heimatlied dem wertvolleren Volks-lied gegenüberstellten.

    Oftmals waren es heimatbewusste Personen, die so zu Dichtern und Komponisten wur-den. Bezeichnend für das Heimatlied ist die häufig verwendete Formulierung „Dort, wo“,

    welche die Landschaft beschreibt. Ein Bei-spiel dafür ist: „Dort, wo die Berge stolz zum Himmel stehn …“ In diesem Zusammen-hang sei Hermann Härtel genannt, der das Heimatlied als den persönlichen Ausdruck der Heimatliebe definiert.

    Arbeitslieder wurden während der oftmals zu verrichtenden Tätigkeiten gesungen, und Wiegenlieder hatten nicht ausschließlich die Funktion, das Kind zu beruhigen, sondern waren auch Ausdruck der Klagen der Mütter. Sie haben wie die Heimatlieder ihre be-stimmte Funktion. Erst durch die Reproduk-tion und Interpretation dieser Lieder wird ihre Funktion sichtbar.

    Josef Buchinger beschreibt dies in der Ein-leitung zu seinem ersten Band „Heimat-lieder“: „Die Dorfburschen sangen in der schönen, warmen Jahreszeit täglich mit Aus-nahme des Freitags am Dorfanger, oder sie zogen in Gruppen von zehn und mehr Bur-schen bei Eintritt der Dunkelheit singend durch das Dorf. Das Singen dauerte oft bis zwei Stunden und auch alle, die sich bereits zur Ruhe legten, lauschten gerne dem mehr-stimmigen Gesang. Im Winter trafen sich die Burschen manchmal im Gasthaus oder in einer Bauernstube. Viele Burschen und Mäd-chen kannten damals viele Vierzeiler und Volkslieder […].“

    Sogenannte Heimatabende

    Singen von Heimatliedern war bis Mitte des 20. Jahrhunderts durchaus üblich. Aufgrund der Änderung der Lebensumstände, der Ten-denz, die Musikausübung zu professionali-sieren, trat das aktive Singen immer mehr in den Hintergrund. Letztlich erschien es ver-lockender, von der aktiven Musikausübung in die passive Rolle des Zuhörers zu wechseln.

    Sogenannte Heimatabende finden sich aller-orts in den Touristengebieten, bei denen Besuchern eine angeblich authentische Volks-musik vorgesetzt wird. Dadurch wird die ursprüngliche Intention der Heimatpfleger – die Wiederverankerung der traditionellen volkskulturellen Verhaltensweisen in Lebens- und Jahreszyklus der Bevölkerung – unter-laufen. In der heutigen Zeit, bedingt durch den gesellschaftlichen Wandel, besteht trotz aller Bemühungen die Gefahr, dass das

    „Volksmusik machen“ zu einem beliebigen und austauschbaren Freizeitangebot verkom-men kann.

    Zu Zeiten, in der es noch keine Dauerbe-schallung gab, in der noch nicht das Phäno-men der transportablen Musik allgegenwär-tig war und der Mensch nicht mit Kopfhö-rern durch die Welt ging, war Singen eine Selbstverständlichkeit. Dies lässt den Schluss zu, dass Musik – im Besonderen das Singen – für die meisten Menschen ein Ausdruck ihres persönlichen Empfindens war und ist. So wie das Singen früher ein Bestandteil des Alltags gewesen sein mag, so war auch der Heimatbegriff möglicherweise ein anderer, aber doch selbstverständlicher.

    Ziel aller Bemühungen in dieser schnell-lebigen Zeit sollte es sein, der inneren Ruhe mehr Raum zu geben. Die Stille bewusst wahrzunehmen, um sich aus der Stille heraus musikalisch auszudrücken. Möglicherweise kommen dann zu einer bekannten Melodie die Gedanken: „Dort, wo die Heimat ist, dort, wo ein Lied erklingt …“ /

    Text: Daniela Fuchs

    Foto: NÖ Volksliedarchiv

    Literatur:

    Buchinger, Josef: 360 Heimatlieder und Orts-

    hymnen, NÖVLA IN 1727 a. b.

    Bröcker, Marianne: Volksmusik, in: Die Musik

    in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzy-

    klopädie der Musik, Sachteil 9, hg. von Ludwig

    Finscher, Kassel u. a., Sp. 1733–1761.

    Deutsch, Walter: Das Heimatlied, in: Der Nieder-

    österreicher, Heft 1/1990, S. 5–10.

    Härtel, Hermann: Garstig – Lied?, in: Brauchtums-

    kalender 1995, S. 120ff.

    Mochar-Kircher, Iris: Das echte deutsche Volkslied:

    Josef Pommer (1845–1918) – Politik und nationale

    Kultur, Frankfurt/M. 2004.

    Walter, Herbert: Tief drin im Böhmerwald …

    Heimatlieder – vergessene Lieder?, in: Grenzgang.

    Sprache und Musik. Ergebnisse einer Feldforschung

    im oberen Mühlviertel, Linz 2003, S. 139ff.

    Volkslied / 23

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013schaufenster / Kultur.Region / März 2013

  • Erlebnis Österreich / 24

    Ein Sommertag Ende Juli. Schon in den frühen Morgenstunden ist es heiß – gegen Mittag herrscht brütende Hitze. Dennoch wird auf vielen Feldern eifrig gearbeitet. Die Ernte muss eingebracht werden – das reife Getreide schimmert golden im Sommer-licht. Mehr als zwanzig Menschen – Männer,

    Frauen und Kinder – arbeiten hier auf die-sem Roggenfeld, mitten in einem Land-strich, den sie auch „Land der 1.000 Hügel“ nennen. Die Schnida sind unterwegs und schneiden mit ihren Sensen das, was das Überleben über den Winter hindurch sichern wird.

    Das war vor mehreren Jahrzehnten. Und dennoch sind die Schnida in der Buckligen Welt nicht vergessen. Denn der Schnitt des Getreides – so wie er früher gemacht wurde: händisch, kraftraubend und langwierig – hat die bäuerliche Kultur über einen sehr langen Zeitraum hindurch geprägt. Und

    Industrieviertel

    Die sCHniDaHaHnROas

    Eine ungewöhnliche Reise durch die Bucklige Welt. Der ORF berichtet vorab über die „Schnida“.

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Ernte mit Kameramann Johann Steinkogler und Gestalterin Barbara Baldauf.

  • Erlebnis Österreich / 25

    auch wenn diese Arbeit äußerst anstrengend war – sie war auch ein Fest. Ein Erntefest – die Belohnung für die bereits vorher gelei-stete Arbeit auf den Feldern. Ein Fest, das ausreichend gefeiert werden sollte …

    gut & nahrhaft

    Die Schnida – die Schnitter, die von Hof zu Hof als Taglöhner wanderten – wurden von den Bauern nach Fertigwerden des Schnitts für ihre Arbeit belohnt. Nicht nur mit dem wenig vorhandenen Geld. Vor allem mit Essen und Trinken. Und da kommt der Schnidahahn ins Spiel. Um den schwer arbeitenden Taglöhner ausreichend kraft-volle Nahrung zu bieten, wurde manchmal auch ein junger Hahn oder ein überfälliges Huhn geschlachtet. Ein Festessen mitten unterm Jahr. Und alles, was der Garten geboten hat, kam ebenfalls auf den Tisch. Zuvor eine gute Suppe mit selbstgemachten Nudeln, gefolgt von bäuerlichen Krapfen. Und so wurde so langsam, aber sicher das Wort „Schnidahahn“ zum Inbegriff eines Erntedankessens, das musste dann gar nicht immer ein Vertreter der Familie Huhn sein, der da auf den Tisch kam. Alles Gute und Nahrhafte zum Abschluss der Getreideernte galt als Schnidahahn.

    Alles nur Geschichte? Keineswegs. Denn auch heute kann man in der Buckligen Welt den Schnidahahn genießen und sogar auf „Schnidahahnroas“ gehen. Zahlreiche Bau-ern, Gasthäuser und Restaurants bieten im Juli, August, September und Oktober unter

    diesem Begriff lokale Spezialitäten an. Die Dokumentation „Die Schnidhahnroas – eine ungewöhnliche Reise durch die Buckli-ge Welt“ des ORF Landesstudio Nieder-österreich (Gestaltung: Barbara Baldauf, Kamera: Johann Steinkogler) zeigt Geschich-te und Gegenwart in der Buckligen Welt, die landschaftlichen Schönheiten des Landes der 1.000 Hügel und dessen kulinarische Geheimtipps.

    Kulinarisch & traditionell

    Nach einem Schnidahahn-Frühstück im Gasthaus Thaler Thernberg geht’s auf Wal-king-Tour zum Stanghof von Josef Schwarz, wo eine Mostverkostung beweist, dass der Most vom sauren Durstlöscher längst zum gaumenschmeichelnden Kultgetränk gewor-den ist. Wer lieber Bier trinkt, kann dieses in der kleinen Bierbrauerei Wolfsbräu in Thernberg ebenfalls genießen. Dazu viel-leicht ein wenig Ziegenkäse aus Lichtenegg vom Bauernhof der Familie Mandl?

    Ein Ausflug auf den Hof der Familie Eisen-kölbel, mit Ausblick auf den Schneeberg, entführt uns auf ein Hof-Fest mit allerlei Schmankerl vom Rind, begleitet von den LiBlos-Musikanten – und warum nicht auch selbst im Gasthaus Reisenbauer in Scheiblingkirchen lernen, wie das Schnee-bergland-Beef am besten verkocht wird?

    In Katzelsdorf beweist der Genussheurige Böhm, dass die Produktpalette eines ein-zigen Betriebs ganz schön vielfältig sein

    kann, vor allem auch, wenn im Stall mehre-re seltene Rinderrassen stehen. Und das Gourmet-Lokal „Kupferdachl“ – ebenfalls in Katzelsdorf – hebt den Schnidahahn in Hauben-Höhe.

    Dazwischen ein wenig Kunst – denn eine lokale Künstlerinitiative hat den Schnida-hahn zum Kunst-Schnidahahn gemacht und lädt Kunstinteressierte auf den Ohaberg ein. In Bromberg wiederum gibt es beim „Kar-nerwirt“ gleich ein ganzes Schnidahahn-Gala-Menü, und in Krumbach wird beim Schaubrennen am Bauernhof der Familie Kölbel gezeigt, wie das Obst der Buckligen Welt zu ausgezeichneten Bränden gebrannt wird.

    Appetit gemacht? Dann seien Sie gespannt auf noch so einiges mehr in einer Sendung der Reihe „Erlebnis Österreich“. /

    Text und Fotos: Barbara Baldauf

    tV-tiPP———————————————————So, 24. 3. 2013, 16.30 UhrDie Schnidahahnroas – eine ungewöhnliche Reise durch die Bucklige WeltErlebnis Österreich, ORF 2

    www.buckligewelt.at

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013schaufenster / Kultur.Region / März 2013

  • schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    „Die Ergebnisse einer Volkszählung präsen-tieren ein zahlenmäßiges Abbild der Struk-tur der Bevölkerung, der Haushalte und der Familien in Österreich. Da diese nicht nur für das gesamte Bundesgebiet ermittelt wer-den, sondern auch für Gemeinden und noch kleinere Gebiete, bilden die Zählungsergeb-nisse die Grundlage für zahlreiche Maßnah-men der öffentlichen Verwaltung, für wirt-

    schaftliche Entscheidungen und für die Auf-gaben der Wissenschaft. Sie bieten aber auch den Bürgern und Bürgerinnen Material sowohl für eigene Entscheidungen als auch zu einer Erfolgskontrolle der politischen Maßnahmen.“ – Soweit die Erklärung auf der Homepage der Statistik Austria. Einige Bürger und Bürgerinnen von St. Andrä-Wördern nahmen die Ergebnisse der Volks-

    zählung 2001 genauer unter die Lupe und stellten fest, dass über 400 Menschen, die im Gemeindegebiet von St. Andrä-Wördern leben, aus insgesamt 59 verschiedenen Staa-ten zugewandert waren. Und sie trafen eine Entscheidung: Sie wollten diese Mitbürger kennenlernen, mehr von ihnen wissen, sie wollten von ihnen wissen, wie sie leben und wie es ihnen dabei geht.

    Industrieviertel / 26

    Grenzenlos singen.

    Schwerpunkt Heimaten

    RÄUme aUFmaCHen

    Sie schauen über den Tellerrand und schnuppern in die Töpfe der Nachbarn: In St. Andrä-Wördern begannen Bürger, grenzenlos zu kochen. Mittlerweile wird gemeinsam gesungen, gebastelt, gelesen und gespielt.

  • schaufenster / Kultur.Region / März 2013 schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Industrieviertel / 27

    Zehn Jahre grenzenlos kochen

    In- und ausländische Mitbürger aus St. Andrä-Wördern wurden erstmals 2003 zum ge-meinsamen Kochen, Essen und Trinken eingeladen, die Alte Schule in Greifenstein – ein Veranstaltungszentrum der Gemeinde – bot die dafür notwendige Infrastruktur. Die Kochabende waren von Beginn an gut be-sucht, über das gemeinsame Interesse konn-ten neue Bekanntschaften und Freundschaf-ten geknüpft werden, die Initiatoren präsen-tierten noch im selben Jahr ein Kochbuch mit 45 Rezepten aus aller Welt – „Grenzen-los kochen in St. Andrä-Wördern“. Die regi-onale Initiative machte Furore, Zeitungen, Radio und Fernsehen interessierten sich für das Projekt, sogar aus Deutschland kamen Anfragen, Interessenten fragten, ob sie die Idee auch in ihrer Gemeinde umsetzen könnten.

    So viel positives Echo motiviert, es nimmt den Zweiflern den Wind aus den Segeln, macht das Projekt auch in der eigenen Gemeinde noch einmal bekannter. Und es lässt über neue Möglichkeiten nachdenken. Der Verein „Grenzenlos St. Andrä-Wör-dern“ wurde gegründet, eine Plattform „Grenzenlos spielen“ ins Leben gerufen. 2013 ist es möglich, bei einem Puppenthea-ter mitzumachen, in einer Textilwerkstatt mit Gleichgesinnten kreativ zu werden, sich Märchen zu erzählen, bei „Grenzenlos Lite-ratur“ aus seinem Lieblingswerk vorzulesen, gemeinsam zu singen, zu spielen, Fußball zu spielen und – wie am Beginn – zu kochen.

    Menschen willkommen heißen

    Hinter all den Initiativen stehen Menschen, die ihre persönliche Leidenschaft mit ande-ren teilen wollen. Sie ermöglichen und schaffen Kommunikationsräume, wenden sich gezielt an die sogenannten „Zuagras-ten“, um sie willkommen zu heißen, sind eine Plattform für Menschen, die Kontakte

    in der Gemeinde schließen wollen, Alter und Herkunft spielen dabei keine Rolle. Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammenzubringen ist das Vereinsziel, und Barbara Schneider-Resl und das Team im Vorstand Grenzenlos St. Andrä-Wördern investieren viel Freizeit, um dieses scheinbar so unspektakuläre Programm auf die Beine zu stellen.

    Aktiv mit einbezogen wurde von Beginn an das Asylwerberheim in Greifenstein. Beson-ders an Frauen wendet man sich mit einem Deutschkurs, mit Hilfe der Künstlerin Ger-trud Birgfellner und des Kunsthandwerkers Folgert Duit gestalten Bewohnerinnen und Bewohner des Asylheims aus alten Sesseln rundum erneuerte Unikate, gemeinsam mit Stefan Nowak werden aus alten und kaputten Fahrrädern wieder funktionierende Trans-portmittel und die Asylwerber erlangen so wieder ein Stück Mobilität.

    Sich willkommen zu fühlen, ernst genom-men zu werden, neue Freunde zu finden bedeutet, sich ein Stück Heimat zu erobern, oder wie es Günther Nenning ausdrückte: „Heimat ist, wo man liegt, sich befindet, isst und trinkt, musiziert, tanzt, besoffen ist, Feste feiert …“ (aus: Günther Nenning: Hei-mat ist, wo wir noch nie waren. Eine europä-ische Ideenmusik). /

    Text: Eva Zeindl

    Fotos: Nadja Meister / Verein Grenzenlos

    ... grenzenlos spielen ...So begann es: grenzenlos kochen …

    ... und grenzenlos Tore schießen.... und immer wieder kochen …

    GRenZenlOs———————————————————So, 10. 3. 2013, 10.00 Uhr Literaturfrühschoppen mit Inge und Illja Fiser

    3423 St. Andrä-Wördern Wallenböckgasse 23

    Di, 12. 3. 2013, 19.00 Uhr Märchenerzählkreis

    3423 St. Andrä-Wördern Dr.-Karl-Renner-Allee 23

    Anmeldung: Tel. 0664 8648308

    Fr, 22. 3. 2013 Grenzenlos Werken

    Textilwerkstatt Veronika Gruber 3423 St. Andrä/Wördern Andreas-Hofer-Gasse 3

    Anmeldung: Tel. 02242 32609

    www.grenzenloskochen.at

    BUCHtiPPs———————————————————Renate Sova, Ursula Sova, Folgert Duit (Hg.): Dorthin kann ich nicht zurück. Flüchtlinge erzählen Promedia Verlag, Wien 2012

    Grenzenlos St. Andrä-Wördern (Hg.): Grenzenlos kochen – ein Ort schaut über den Tellerrand St. Andrä-Wördern 2010

  • Weinviertel / Waldviertel / 29

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Wir tragen Niederösterreich / 28

    Ab dem dritten Ball kann von Tradition gesprochen werden – seit dem ersten weiß man es, und der zweite niederösterreichische Trachtenball hat es eindrucksvoll bestätigt: Der Abend ist ein gesellschaftliches

    Ereignis voll Lebenslust und Qualitätsanspruch.

    Trachtenball 2013

    RUnDUm GelUnGen

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    „Im Mittelpunkt unseres Balls stehen gute Unterhaltung, feine Tanzmusik und regionale Kulinarik. Diese Qualität des Feierns weiß unser Publikum zu schätzen“, so Ballorganisatorin Dorli Draxler.

    Dr. Edgar Niemeczek, Gabi Striedinger, Trachten-expertin Gexi Tostmann, Franz Posch, Dorli Draxler

    und Brigadier Rudolf Striedinger (v. l. n. r.) beim 2. NÖ Trachtenball in Grafenegg.

    Haubenkoch Toni Mörwald kredenzte Schmankerl im eigens entworfenen Riess-Email mit Blaudruck-Dekor.

    Die schönsten Trachtenpaare auf dem Parkett des Auditoriums von Schloss Grafenegg.

    Stimmungsvolle Eröffnung: Die jungen Musiker von Ybbsfeldstreich präsentierten aktuelle Gstanzln.

    Franz Posch & seine Innbrüggler brillierten mit virtuoser Tanzmusik.

    „Die Niederösterreicher tragen die Liebe zur ihrer Heimat im Herzen und bringen dies auch zum Ausdruck.“

    Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll tanzte mit Gattin Sissi.

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  • Weinviertel / Waldviertel / 29

    schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Fastenbiertradition im Waldviertel.Die Kellergassen zu Ostern.

    Alljährlich findet am dritten Fastensonn-tag der mittlerweile traditionelle Fasten-bier-Sonntag beim Mohnwirt Neuwie-singer im Mohndorf Armschlag statt. Der Brauch des Fastenbiers beruht auf einer alten klösterlichen Tradition. Im Mittelal-ter lag das Bierbrauen fast ausschließlich in den Händen von Mönchen. Die Paula-nermönche in München mit ihren stren-gen Fastenregeln durften in dieser Zeit nur flüssige Nahrung zu sich nehmen. Deshalb stellten sie bald ihr eigenes Bier her. Damit es noch sättigender und stär-ker wurde, erhöhte man die Stammwürze, wobei sich aus den Namen Doppelbock, Sankt-Vaters-Bier und Herrenbier letzt-endlich die Bezeichnung „Salvator“ ergab.

    Frei nach dem Motto „Flüssiges bricht Fasten nicht“ suchte man einen Ausgleich zur fehlenden sonstigen Verpflegung und man erfand ein starkes, kalorienreiches Fastenbier, welches man den Mönchen, Pries-tern und Ordensleuten verordnete. Die Fastenbiere umfassen einen Alkoholgehalt von bis zu 11 Prozent. Nur wenige Brauereien halten die Klosterbier-Tradition aufrecht. Beim Mohnwirt werden an diesem Tag Original Bayrische Fastenbiere wie zum Beispiel Paulaner Salvator und Weihenstephaner verkostet. Passend dazu gibt es Brat’l mit Waldviertler Erdäpfelknödeln, Bierfleisch, bayrische Creme, hausgemachte Mohn-nudeln. Für die musikalische Umrahmung sorgt die „Mohnhappi Musi“ aus Ottenschlag. /

    Am Ostermontag wird in vielen Orten die Tradition des Emmaus-gangs gepflegt. Der Emmausgang erinnert an den Gang der Jünger nach Emmaus, dem sich der auf-erstandene Christus unerkannt anschließt. Ausgeführt wird der Emmausgang als ein geistlicher

    Gang mit Gebet und Gesang oder als ein besinnlicher Spaziergang durch die erwachende Natur. Da der Emmausgang am Ostermontag stattfindet, wird dieser auch Emmaustag genannt. Im Weinviertel wird am Ostermontag in die „Grea“ (ins Grüne) gegangen.

    In früheren Zeiten bedankten sich die Winzer bei ihren Arbeitern, indem sie ihnen eine herzhafte Jause beim ersten Grün reichten. Das wurde traditionell am Ostermontag gefeiert. Heute sind es die Einhei-mischen und Gäste, die von Keller zu Keller gehen und sich mit dem einen oder anderen guten Glas Wein selbst belohnen, bäuerliche Schmankerln dazu probieren. Immer mehr Gemeinden erwecken die-sen Brauch neu. „Tradition als Trademark“, so Dr. Franz Grieshofer im Bildband und Jahrbuch der Volkskultur Niederösterreich „Weinvier-tel“, das Anfang Mai erscheinen wird. /

    Im Bild: Kellergasse in Gänserndorf. Foto: z. V. g.

    FastenBieR-sOnntaG————————————————————————————————So, 3. 3. 2013, ab 11.00 UhrMohnwirt Neuwiesinger3525 Sallingberg, Armschlag 9Tel. 02872 7421www.mohndorf.at

    KelleRGassen am OsteRmOntaG————————————————————————————————Mo, 1. 4. 2013, ab 13.00 UhrKellergasse Stoitzendorf

    Mo, 1. 4. 2013, ab 10.30 Uhr, Kellergasse Oster-Grean Hanfthal

    Mo, 1. 4. 2013, ab 14.00 Uhr, Wildendürnbach Emmausgang am Galgenberg

    Mo, 1. 4. 2013, ab 14.00 Uhr, WolkersdorfFrühlingserwachen rund um die Kellergasse

    Fastenzeit

    FlüssiGeR aUsGleiCH

    Emmausgang

    in Die GRea GeHen

  • schaufenster / Kultur.Region / März 2013

    Waldviertel / 30

    Wer hat Ihnen die Liebe zum Kochen in die Wiege gelegt?Juster: Das waren Oma und Mutter. Aber auch in der Ausbildung habe ich gemerkt, dass man mit Kochen anderen Menschen Freude machen kann. Ess- und Trinkkultur – auch ein gedeckter Tisch ist für mich ein Zugang zur Kultur. So ist das Wirtshaus eine Bühne – auch ohne Bühne.

    Wie wichtig war für Sie das Aufwachsen im ländlichen Raum? War das eine wichtige Lebenserfahrung?Juster: Das war Glück und Unglück – beides in einem. Aber eigentlich ist es Glück. Ich

    habe zwei fast gleichaltrige Brüder und zwei jüngere Schwestern, da gab es einerseits ge-nug Konfliktpotenzial, andererseits schweißt das zusammen. Wir sind eigentlich wie junge Hunde aufgewachsen – mit kleinen Einschränkungen. Ich bin das erste Mal erst mit 14 Jahren nach Wien gekommen. Ein-kaufsfahrten nach Zwettl oder Amstetten waren für uns schon eine große Reise. Auch eine Fahrt nach Pöggstall in die Molkerei war für uns toll: So sind wir weggekommen. Im Nachhinein betrachtet ist das großartig. Heute bin ich die halbe Woche in Wien, und jetzt erst merke ich, was das Waldviertel wirklich ist. Das Waldviertel hat eine riesige

    Kraft, welche dich hinaufheben, aber auch hinunterziehen kann. Hier spüre ich die Wurzeln, das ist Heimat.

    Wie kam es zum Bühnenwirtshaus? Wann reifte die Idee, das elterliche Gasthaus zu übernehmen? War es Eingebung oder eine spontane Idee? Gab es ein Schlüsselerlebnis?Juster: Ich kam von der Saison am Arlberg ins elterliche Wirtshaus. Da war es noch nicht klar, ob ich bleiben werde, aber ich wollte es einmal probieren. Ein Schlüsselerlebnis für mich war der Besuch im Hoftheater Pürbach. Dort ist Kultur mit familiärer Atmosphäre gepaart. Meine persönlichen Interessen sind Kabarett, Theater, Konzerte oder Kino. So haben wir 1992 in Gutenbrunn ein Wirts-hausspektakel veranstaltet, eine Veranstal-tungsreihe über acht Wochen, wo wir Kultur aufs Land gebracht haben. Da waren Volks-musik, Ausstellungen und Klassik dabei. Wir haben sogar Kulturaktien verkauft, um das irgendwie zu finanzieren. Dann haben wir dieses Bühnenwirtshaus, wie es jetzt umge-setzt worden ist, geplant. Ich hatte einen Betriebsberater und von Harald Neiber, mit dem ich heute noch zusammenarbeite, stammt der Name „Bühnenwirtshaus“. Es war ganz genau die richtige Entscheidung, das auch so zu nennen, weil es heute eine Marke geworden ist.

    Stehen Sie manchmal im leeren Saal auf der Bühne? Was geht Ihnen da durch den Kopf?Juster: Im leeren Saal stehe ich meistens dann, wenn ich etwas zu tun habe – und ärgere mich, weil gerade wieder eine Birne nicht brennt oder ein technisches Problem zu meistern ist. Aber die Energie dieser tau-

    Zu Gast bei Dieter Juster

    Das WiRtHaUs als BüHne

    Der Bühnenwirt Dieter Juster in Gutenbrunn, Waldviertel, versorgt seit über 20 Jahren sein buntgemischtes Publikum mit Kultur und Kulinarik.

    Dieter Juster in der Küche: „Ess- und Trinkkultur – auch ein gedeckter Tisch ist ein Zugang zur Kultur