Seminarprogramm des Seminars für das Lehramt an …

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Seminarprogramm Gym/Ge 1 Seminarprogramm des Seminars für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen im Studienseminar für Lehrämter an Schulen Gelsenkirchen Sinnspruch von Franz von Nesselrode zu Reichenstein am Kamin im Rittersaal der Burg Lüttinghof (1688) –„Alles für die Nachkommen“. 1. Einleitung ....................................................................................................... Seite 2 2. Ausgangslage ...................................................................................................... Seite 2 2.1 Bildungspolitische Situation ........................................................................ Seite 2 2.2 Rechtliche Vorgaben ..................................................................................... Seite 3 2.3 Lage des Seminars, regionalspezifische Besonderheiten ......................... Seite 5 3. Zur Konzeption der Ausbildung im Seminar: Ausbildungsdidaktische und –methodische Grundlagen ................................ Seite 5 3.1 Vorstellungen von gutem Unterricht: Das Gelsenkirchener Konzept der Unterrichtsplanung .......................... Seite 5 3.2 Individuelle Förderung und interkulturelles Lernen ................................ Seite 6 3.3 Leitfunktion des Hauptseminars, Standardorientierung der Seminararbeit Seite 6 3.4 Subjektorientierung in der Lehrerausbildung, Ausbildung als Prozess Seite 7 3.5 Teilmodularisierung ....................................................................................... Seite 8 3.6 Beratung während der Ausbildung .............................................................. Seite 8 3.7 Erwachsenenpädagogik ................................................................................. Seite 9 3.8 Das Theorie-Praxis-Verhältnis ..................................................................... Seite 9 3.9 Mediendidaktik und Medienkompetenz ..................................................... Seite 10 4. Kooperation ....................................................................................................... Seite 10 4.1 Kooperation im Seminar und im Studienseminar .................................... Seite 11 4.2 Kooperation mit Ausbildungsschulen ........................................................ Seite 11 4.3 Öffnung des Seminars ................................................................................... Seite 11 5. Evaluation und Qualitätssicherung ..................................................................... Seite 12 6. Entwicklungsperspektiven ................................................................................... Seite 13 Anlage 1: Das Gelsenkirchener Konzept der Unterrichtsplanung Anlage 2: Zur Arbeit im Hauptseminar (Broschüre 2006) Anlage 3a: die Themen im Hauptseminar Anlage 3b: Zuordnung der Standards zu den Themen des Hauptseminars Anlage 4: Modul „ Medienkompetenz“ Anlage 5: Evaluationsbögen (vgl. Evaluation JG ED 02.06 bzw. Ergebnisse Arbeitsgruppe) Anlage 6: Beratungskonzeption (Ergebnisse Arbeitsgruppe)

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Seminarprogramm des Seminars für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen im Studienseminar für Lehrämter an Schulen Gelsenkirchen

Sinnspruch von Franz von Nesselrode zu Reichenstein am Kamin im Rittersaal der Burg Lüttinghof (1688) –„Alles für die Nachkommen“.

1. Einleitung ....................................................................................................... Seite 2 2. Ausgangslage ...................................................................................................... Seite 2 2.1 Bildungspolitische Situation ........................................................................ Seite 2 2.2 Rechtliche Vorgaben ..................................................................................... Seite 3 2.3 Lage des Seminars, regionalspezifische Besonderheiten ......................... Seite 5

3. Zur Konzeption der Ausbildung im Seminar: Ausbildungsdidaktische und –methodische Grundlagen ................................ Seite 5 3.1 Vorstellungen von gutem Unterricht: Das Gelsenkirchener Konzept der Unterrichtsplanung .......................... Seite 5 3.2 Individuelle Förderung und interkulturelles Lernen ................................ Seite 6 3.3 Leitfunktion des Hauptseminars, Standardorientierung der Seminararbeit Seite 6 3.4 Subjektorientierung in der Lehrerausbildung, Ausbildung als Prozess Seite 7 3.5 Teilmodularisierung ....................................................................................... Seite 8 3.6 Beratung während der Ausbildung .............................................................. Seite 8 3.7 Erwachsenenpädagogik ................................................................................. Seite 9 3.8 Das Theorie-Praxis-Verhältnis ..................................................................... Seite 9 3.9 Mediendidaktik und Medienkompetenz ..................................................... Seite 10

4. Kooperation ....................................................................................................... Seite 10 4.1 Kooperation im Seminar und im Studienseminar .................................... Seite 11 4.2 Kooperation mit Ausbildungsschulen ........................................................ Seite 11 4.3 Öffnung des Seminars ................................................................................... Seite 11

5. Evaluation und Qualitätssicherung ..................................................................... Seite 12 6. Entwicklungsperspektiven ................................................................................... Seite 13 Anlage 1: Das Gelsenkirchener Konzept der Unterrichtsplanung Anlage 2: Zur Arbeit im Hauptseminar (Broschüre 2006) Anlage 3a: die Themen im Hauptseminar Anlage 3b: Zuordnung der Standards zu den Themen des Hauptseminars Anlage 4: Modul „ Medienkompetenz“ Anlage 5: Evaluationsbögen (vgl. Evaluation JG ED 02.06 bzw. Ergebnisse Arbeitsgruppe) Anlage 6: Beratungskonzeption (Ergebnisse Arbeitsgruppe)

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1. Einleitung Das vorliegende Programm verfolgt drei Ziele: In der Darstellung nach außen soll das Seminar für das Lehramt an Gymnasien und Gesamt-schulen (Seminar Gym/Ge) im Studienseminar Gelsenkirchen der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt werden, indem die Voraussetzungen und Grundsätze für die Ausbildung von Lehrern1 dargestellt werden. Dies soll auch den Bekanntheitsgrad erhöhen und zur eindeutigen Identifizie-rung der Institution beitragen. In der Darstellung nach innen werden die gemeinsam geteilten Überlegungen über die Leh-rerausbildung zusammengetragen und akzentuiert. Die Ausbilder des Seminars dokumentieren somit, welche speziellen Bedingungen und welche genauen Vorstellungen im Studienseminar über eine professionelle Ausbildung vorhanden sind und welchen Beitrag sie dazu selbst leisten. Die Ausbildungsschulen können einsehen, wie sich das Studienseminar die Zusammenarbeit vor-stellt und welchen Anteil sie selbst an der Ausbildung besitzen. Die Referendare schließlich kön-nen erfahren, welche grundlegenden Standards sie im Laufe der Ausbildung erreichen sollen und von welchen didaktischen Grundsätzen die Seminararbeit ausgeht. Das Programm geht von den Traditionen und Profilen des Seminars aus und schreibt dabei die gegenwärtigen, von allen Ausbildern geteilten Überzeugungen fest und definiert sie damit als ver-bindlich. Durch die Benennung von Entwicklungsaufgaben zeigt sich das Seminar als lernende Institution, die ihre eigene Entwicklung plant, um sich so auf zukünftige Herausforderungen bes-ser einstellen und die Qualität der Ausbildung sichern zu können. Wenn Lehrerstudenten erfahren, dass sie zum Referendariat nach Gelsenkirchen und in die Em-scher-Lippe-Zone kommen, denken sie häufig an Schlagwörter wie „Industriebrachen“, „zersie-delte Landschaft“, „hohe Arbeitslosigkeit“, „hoher Migrantenanteil“. Sie wissen zumeist nicht, dass die Region Bildung und Ausbildung als einen wesentlichen Motor für die zukünftige Ent-wicklung begreift und die Ausbildungssituation sehr günstig ist. Dieses Programm möchte des-wegen offensiv beleuchten, welche Vorzüge die Ausbildung in Gelsenkirchen besitzt. 2. Ausgangslage 2.1 Bildungspolitische Situation • Die Lehrerausbildung wird bundesweit und auch in NRW grundlegend umgestaltet. Die Lan-

desregierung hat im Sommer 2007 ihre Eckpunkte zur Reform der Lehrerbildung vorgestellt. Danach wird die Ausbildung spätestens zum Wintersemester 2009/2010 neu und landesweit einheitlich strukturiert. Die Umstellung des Studiums auf den Bachelor/Master Abschluss er-höht die Praxisanteile in der 1. Phase der Lehrerausbildung und die Verlängerung der Stu-dienzeiten führt zu einer Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf ein Jahr. Die Folgen für die Qualität der Lehrerausbildung sind zumindest sehr unklar.

• In diesem Zusammenhang sind die grundsätzlichen Vorzüge der 2. Phase in Erinnerung zu rufen: „Die zweite Phase liefert eine einzigartige Gelegenheit zum «Lernen im Beruf», d. h. zum Erwerb und zur Weiterentwicklung von Lehrerkompetenzen in der alltäglichen Schulpraxis. Sie bietet zudem Mög-lichkeiten für erfahrene Lehrkräfte, zur Heranbildung neuer Lehrer beizutragen und vereint auf diese Weise

1 Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die weibliche Form verzichtet.

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theoretische und praktische Ausbildung“ (OECD-Studie 2004). Für die OECD stellt die Organisa-tionsform des Referendariats überhaupt eine der stärkeren Seiten des deutschen Bildungs-systems dar. Im Vorbereitungsdienst werden die Referendare „vor Ort“ ausgebildet, die funktionale und wechselseitige Kooperation von (wenigen und meist in der Nähe liegenden) Ausbildungs-schulen und dem Studienseminar ermöglicht zum einen, die beruflichen praktischen Erfah-rungen der Referendare mit einer theoriebegleiteten Reflexion zu verknüpfen und zum ande-ren, die theoriegeleiteten Reflexionen mit fachlichen und pädagogischen Problemstellungen zu verbinden. Die Arbeit in kleinen Haupt- und Fachseminaren ermöglicht intensive Interak-tionen und stellt die Überschaubarkeit des komplexen beruflichen Handlungsfeldes sicher. Die Lehrenden an den Studienseminaren haben sich für diese Aufgabe mit Hilfe eines an-spruchsvollen Auswahlverfahrens qualifiziert. Das Seminar hat also ausgesprochen gute per-sonelle Ressourcen, um zukünftige Lehrer professionell zu begleiten und erfahrungsbezogen zu beraten. Die Mehrzahl der Seminarausbilder unterrichtet selbst. Die Lehramtsanwärter können somit von ihnen vorbildhaftes Lehrerhandeln, insbesondere Beispiele für theoretisch reflektiertes Unterrichten erwarten, das sich einer differenzierten Selbstprüfung unterzieht. Die Seminarausbilder können gerade nicht Konzepte für den Schulalltag entwickeln, die sie selbst nicht zu realisieren brauchen. Das vorbildhafte Handeln bezieht sich natürlich nicht nur auf das Unterrichten, sondern auch auf die Gestaltung der Arbeitsatmosphäre und aller kommunikativen Prozesse in der Ausbildung. Gemeint sind z. B. die gemeinsame Planung der Ausbildungsarbeit, die Gestaltung der Seminarveranstaltungen, die Beratungsgespräche, die Beurteilungspraxis und die Bereitschaft zum kritischen Dialog und zur Evaluation usw.

2.2 Rechtliche Vorgaben Die Ausbildung im Seminar Gym/Ge wird durch die landesweit geltenden rechtlichen Bestim-mungen gesteuert. • Die „Rahmenvorgabe für den Vorbereitungsdienst“ (2004) ist wesentlicher Bezugspunkt für

die Qualitätsentwicklung und die Qualitätssicherung. Die Rahmenvorgabe geht von Lehrer-funktionen aus, die das berufliche Handlungsfeld umschreiben. Jeder dieser Funktionen wird eine Leitkompetenz zugeordnet. Kompetenz wird definiert als eine „berufsbezogene Fähigkeit, die professionelles Wissen, Reflexionsvermögen, Urteilsfähigkeit sowie die Erprobung und Einübung eines breiten Handlungsrepertoires gleichermaßen umschließt“. Die Kompetenzen werden in Standards entfaltet, welche die Studienseminare gemäß Rahmenvorgabe weiter ausdifferenzieren sollen. Die Standards für die Ausbildung legen fest, was die Lehramtsanwärter am Ende der Ausbildung erreicht haben sollen. Diese Output-Orientierung bedeutet, dass Indikatoren festgelegt wer-den müssen, an Hand derer überprüft werden kann, ob die Standards erreicht sind. Querlie-gend dazu sind die Fähigkeit zur Selbstreflexion und die Urteilsfähigkeit angesiedelt, die ga-rantieren, dass das erworbene und geübte Handlungsrepertoire auf der Basis professionellen Wissens selbstkritisch reflektiert und permanent modifiziert und weiterentwickelt wird. Die Rahmenvorgabe legt folgende Kompetenzen und Standards fest, die für eine professio-nelle Grundqualifikation unabdingbar erscheinen: Unterrichten: Grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Methoden adressa-tengerecht vermitteln

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Erziehen: Die Entwicklung einer mündigen und sozial verantwortlichen Persönlichkeit för-dern Diagnostizieren und Fördern: Lernschwierigkeiten und Lernnotwendigkeiten diagnostizie-ren und Schülerinnen und Schüler entsprechend fördern Beraten: Unterstützung und Anregungen zu Lern- und Entwicklungsprozessen geben Leistung Messen und Beurteilen: Verfahren der Leistungsmessung sinnvoll anwenden, Leistungen sachgerecht beurteilen, rückmelden und dokumentieren Organisieren und Verwalten: Qualität schulischer Arbeit durch engagierte Beteiligung und effektive Arbeitsorganisation verbessern Evaluieren, Innovieren und Kooperieren: Schulische Arbeit überprüfen und berufliche Kompetenzen in kollegialer Zusammenarbeit weiterentwickeln Auf der Grundlage dieser Standards ist die konzeptionelle Gestaltung der Arbeit im Seminar Gym/Ge darauf ausgerichtet, die Bilder von Unterricht, die jeder Referendar in seiner Bio-graphie entwickelt hat, mit diesen Standards in Beziehung zu setzen und künftige und aktuelle berufliche Handlungssituationen der Referendare intensiv zu thematisieren und, wo es mög-lich ist, zu simulieren sowie Verhaltensmuster und Handlungsmöglichkeiten in pädagogisch angemessener und zugleich kooperativer Weise zu reflektieren (s.u.).

• Ein weiterer wesentlicher Bezugspunkt der Ausbildung ist die „Ordnung des Vorbereitungs-dienstes und der Zweiten Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen“ (OVP von 2003). Die Ziele der OVP werden in einer älteren Version so beschrieben: “Der Vorbereitungsdienst (...) ist so anzulegen, dass Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter in ei-nem kontinuierlichen wissenschaftlich fundierten Prozess berufliche Handlungsfähigkeit (...) erwerben. Diesem Ziel dient die von Studienseminar und Ausbildungsschule im Rahmen der jeweiligen Funktion gemeinsam getragene und verantwortete Ausbildung. (...) Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter sollen insbe-sondere lernen: - die gesamte Tätigkeit im beruflichen Handlungsfeld selbstständig, selbstverantwortlich und selbstkritisch zu planen, zu realisieren und zu evaluieren. Die OVP (und die Rahmenvorgabe) betonten also einerseits die gemeinsame Verantwortung von Schule und Seminar für die Ausbildung. Insofern ist eine intensive Kooperation zwi-schen Seminar und Ausbildungsschulen notwendig. Andererseits betrachtet die OVP den Studienreferendar als einen erwachsenen und selbstständigen Lerner. Dies muss die Ausbil-dungsdidaktik und -methodik widerspiegeln, was sich bei uns in dem Prinzip der Subjektori-entierung, der spezifischen Bestimmung des Theorie-Praxis-Verhältnisses und des Beratungs-konzeptes zeigt. Das Seminar für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen hat weiterhin eine Fülle von Handreichungen und Formularen erstellt, welche die einzelnen Bestimmungen der OVP er-läutern und für Organisationssicherheit bei der Durchführung der 2. Staatsprüfung sorgen.

• Die Verwaltungsabläufe und die Prozesse der Mitbestimmung werden gesteuert durch die „Geschäftsordnung für Studienseminare“ (2004). Hier achten wir besonders darauf, dass die Referendare ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten im Rahmen des Konferenzbetriebes (Konfe-renz aller Auszubildenden, Seminarkonferenzen, Studienseminarkonferenz) auch nutzen können. Darüber hinaus organisieren wir regelmäßig Veranstaltungen mit Verbandsvertretern und Personalräten, um den Referendaren notwendiges Wissen und personale Kontakte für die Vertretung ihrer Interessen zur Verfügung zu stellen.

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2.3 Lage des Seminars, regionalspezifische Besonderheiten • Das Seminar für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen wurde 1973 gegründet und

hat zurzeit 31 Seminarausbilder. Es bildet an 15 Gymnasien und 9 Gesamtschulen regelmäßig bis zu 150 Referendare aus. Wir stellen jeweils zum 1. Februar und zum 1. August Referendare ein.

• Im Frühjahr 2005 ist das Seminar Gym/Ge zusammen mit den anderen Lehrerseminaren in Gelsenkirchen zum idyllischen Standort der Wasserburg Lüttinghof im Norden der Stadt umgezogen. Die Lage in einem ökologischen Kleinod sowie die Ästhetik der Architektur las-sen nicht nur uns sagen, dass wir das schönste Studienseminargebäude im Land haben. Die hellen Ausbildungsräume, die wechselnde Blicke auf die Hauptburg bzw. auf die Gräfte und die Umgebung gestatten, vermitteln eine Atmosphäre der Ruhe und können für eine Distanz zum sonstigen (hektischen) Alltag sorgen. Dies sind gute Bedingungen, um in Muße (grie-chisch „scholae“) über Schule und Unterricht nachzudenken.

• Das Seminar Gym/Ge liegt in der Emscher-Lippe-Region, einem sich stark im Wandel befindlichen Wirtschaftsraum. Eine vergleichsweise höhere Arbeitslosigkeit sowie eine grö-ßere Perspektivlosigkeit der davon Betroffenen und in Folge dessen zahlreiche soziale Prob-leme ergeben sich u. a. daraus und sind in ihren Auswirkungen auch in den Schulen unseres Ausbildungsbezirks zu spüren. Die Politiker der Landkreise und Kommunen haben übrigens schon früh begriffen, dass die Zukunft nur mit gut ausgebildeten Menschen zu gewinnen ist. Dies hat dazu geführt, dass die Ausbildungsschulen des Bezirkes materiell - insbesondere im Bereich der Medien und neuen Technologie - gut ausgestattet sind und mit ihnen zusammen unser Studienseminar ei-nen bedeutenden Standortgunstfaktor für die Emscher-Lippe-Zone bildet. In den letzten Jahren lernen bei uns zunehmend auch mehr Referendare mit einem Migra- tionshintergrund. Das Seminar für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen bildet als eines von zwei Seminaren im Land NRW im Fach Türkisch aus. Eine zumindest bi-, mehr und mehr aber auch multiethnische Zusammensetzung der Angehörigen des Seminars ist also eines der weiteren Kennzeichen. Dies gilt in gleicher Weise für die Schulen, denn in unseren Ausbildungsbezirken ist der An-teil an Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund und natürlich ebenfalls Schülerinnen und Schülern mit einem solchen erheblich größer als in der Mehrzahl der ande-ren Regionen des Landes. Dementsprechend wird neben dem Ausbildungsort Seminar auch der Ausbildungsort Schule in hohem Maße multiethnisch bestimmt.

3. Zur Konzeption der Ausbildung im Seminar: Ausbildungsdidaktische und –methodische Grundlagen und deren Umsetzung 3.1 Vorstellungen von gutem Unterricht vermitteln: Das Gelsenkirchener Konzept der Unterrichtsplanung Wie bringt man angehenden Lehrerinnen und Lehrern bei, Unterricht zu planen, durchzuführen und zu reflektieren? Auf diese Frage antwortet das so genannte Gelsenkirchener Konzept, das in den 80er bzw. 90er Jahren entwickelt und später verfeinert wurde. Das Konzept will nicht bean-spruchen, den „Stein der Weisen“ bei dem komplizierten Geschäft der Planung, Durchführung

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und Reflexion von Unterricht gefunden zu haben – und damit jedem Lehrer vorzuschreiben, ge-nau so und nicht anders zu verfahren –, es hat vielmehr eine ausbildungsdidaktische Absicht, nämlich Neulingen im Lehrerberuf einen Weg zu weisen, auf dem man gut das Unterrichten ler-nen kann. Das Gelsenkirchener Konzept im Einzelnen finden Sie im Anhang 1. 3.2 Schwerpunktsetzungen: Individuelle Förderung und interkulturelles Lernen Aus der regionalen Lage des Seminars ergeben sich Bedingungen, die zu einer Schwerpunktset-zung innerhalb der Ausbildung und damit zu einem besonderen Profil des Seminars Gym/Ge führen: Unser Seminar nimmt die o. g. sozialen Problemlagen der Emscher-Lippe-Zone nicht nur als eine die Lehrerfunktionen bestimmende Rahmenbedingung zur Kenntnis, sondern fühlt sich auch in hohem Maße dem pädagogischen und dem politischen Leitziel der Herstellung von Chancengleichheit verpflichtet. Daraus ergeben sich für die Referendare zunehmend Gelegen-heiten, nach neuen und innovativen Möglichkeiten Ausschau zu halten Ausbildungsdidaktisch wird dies so verstanden, dass wir zum einen generell der Thematik „Lern-voraussetzungen“ erhöhte Aufmerksamkeit schenken und uns zum anderen speziell mit „Dif-ferenzierung in Schule und Unterricht“ auseinandersetzen, wobei wir etwa in der individuellen Förderung (§ 1 Schulgesetz) sowohl der lernschwachen wie der speziellen Unterstützung der be-sonders begabten Schüler einen weiteren Schwerpunkt unserer Ausbildung sehen. Als Konsequenz aus der Multikulturalität fühlen wir uns in besonderer Weise dem politischen und pädagogischen Ethos der Toleranz und Achtung vor der Würde des Anderen verpflichtet. Hierbei anerkennen und akzeptieren wir z. B. das Bedürfnis nach kultureller Identität, lehnen aber Parallel- oder gar Gegengesellschaften und jede Form des religiösen Fundamentalismus ebenso ab, wie wir kulturalistischen Vereinfachungen bis hin zur Fremdenfeindlichkeit entgegen treten. Wir vergessen dabei nicht, dass Toleranz auch dort ihre Grenzen findet, wo etwa ideolo-gisch oder religiös motivierter Totalitarismus das Handeln bestimmt und gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen wird. Die sich grundsätzlich aus dem Zusammenarbei-ten unterschiedlicher Menschen unvermeidlich ergebenden Konflikte wollen wir durch einen of-fenen und fairen Diskurs und unter Einhaltung demokratischer Regeln zu lösen versuchen und setzen dazu auf die Kompromissbereitschaft aller. Konfliktfähigkeit und Konsensbereitschaft dürfen und sollen sich dabei nicht ausschließen. Deshalb kann und sollte das interkulturelle Ler-nen mit der Zielrichtung eines verträglichen Miteinanders verschiedener Kulturen im Focus der Ausbildungsbemühungen stehen. In enger Kooperation mit besonders stark multiethnisch be-stimmten Ausbildungsschulen des Seminarbezirks können zudem besondere Ausbildungsange-bote entwickelt werden. Dadurch ergeben sich nicht unerhebliche spezifische Qualifizierungs-chancen in einem Feld, das für erfolgreiches berufliches Handeln von Lehrerinnen und Lehrern zukünftig von großem Gewicht sein dürfte. 3.3 Leitfunktion des Hauptseminars, Standardorientierung der Haupt- und Fachseminararbeit In der OVP bis 1994 wurden die Inhalte der Seminarveranstaltungen noch wie folgt bestimmt: Im Hauptseminar werden vornehmlich Gegenstände der Erziehungswissenschaft und allgemeinen Didaktik unter schulpraktischen Gesichtspunkten, daneben Recht und Verwaltung der Schule behandelt, in den Fachseminaren werden Gegenstände der Unterrichtspraxis vornehmlich unter fachdidaktischen Gesichtspunkten behandelt. Die Inhalte des Hauptseminars und der Fachseminare sind eng aufeinander zu beziehen (§ 8 OVP 1994).

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Die zurzeit gültige OVP nimmt dergleichen Festlegungen nicht mehr vor. Im Rahmen der Neu-gestaltung der Lehrerausbildung ist überdies die Tendenz zu spüren, die Arbeit des Hauptsemi-nars aufzugeben. Nicht nur deshalb, sondern auch vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse der unterrichtsempirischen Forschung wie anderer, z.B. ausbildungsdidaktischer Akzente haben die Hauptseminarleiter des Seminars Gym/Ge einen Versuch unternommen, die Arbeit im Hauptseminar neu und in ihrer aktuellen Vielgestaltigkeit zu umreißen (vgl. Anhang 2). In diesem Papier ist insbesondere das Curriculum des Hauptseminars dargestellt, also die Abfolge der Themen in den vier Ausbildungshalbjahren. Damit hat die Hauptseminararbeit einen inhalt-lichen Rahmen errichtet, an dem sich die Fachseminare (und die Begleitprogramme der Ausbil-dungsschulen) orientieren können, und somit eine Leitfunktion im Rahmen der Seminarausbil-dung gewonnen. Im Anhang 3 ist nachzulesen, wie sich die Standards in der Lehrerausbildung im Curriculum des Hauptseminars wiederfinden. Auch hier, bei der Standardorientierung der Seminararbeit, die sich mittlerweile in allen Fachseminaren niedergeschlagen hat, ist eine Leit-funktion des Hauptseminars erkennbar. Im Übrigen arbeitet eine Gruppe von Seminarausbildern zurzeit daran, praktikable und valide Indikatoren für die Standards im Bereich der Lehrerfunktion „Diagnostizieren und Fördern“ zu entwickeln. 3.4 Subjektorientierung in der Lehrerausbildung, Ausbildung als Prozess “Jeder Referendar tritt mit einer persönlichen Lerngeschichte in das Referendariat ein. Dabei bilden die eigenen Erfahrungen mit dem System Schule den Bezugsrahmen, in dem jeder Einzelne subjektive Theorien über guten Unterricht, über die Lehrerrolle und -persönlichkeit, über die Schüler und über die Funktion des Systems insge-samt entwickelt. Diese mehr oder weniger fest verankerten Vorstellungen werden in der ersten Phase der Ausbil-dung nur marginal tangiert. Zwar werden durch die im Studium vermittelten theoretischen Konzepte von Schule und Unterricht auch die subjektiven Bilder des Unterrichts modifiziert; sie werden aber nicht oder nur unzurei-chend einer alltagspraktischen Überprüfung unterzogen. Aber nur dann, wenn die eigenen Erfahrungen, Vorstel-lungen und subjektiven Theorien bewusst gemacht und in ein Verhältnis zu den beruflich erforderlichen (und sich entwickelnden) Kompetenzen und Standards gesetzt werden, sind die Referendare in der Lage, den Prozess ihrer Ausbildung angemessen zu reflektieren und sich mit ihrer eigenen berufsbiographischen Ausgangssituation kritisch auseinander zu setzen.“ (H. Lenhard) Insofern bildet die Subjektorientierung in der Lehrerausbildung, die wir im Seminar Gym/Ge für fundamental halten, das ergänzende Gegenstück zu der Standardorientierung der Ausbildung. In der Praxis heißt Subjektorientierung, dass wir Ausbilder uns (auch) als Lernbegleiter verstehen, welche die persönliche Perspektiven der Referendare als Ausgangspunkt nehmen für weitere Möglichkeiten, die praktischen Erfahrungen immer mehr theoriegeleitet einer an den Standards orientierten Reflexion zu unterziehen. Wir gehen davon aus, dass trotz der komplementären Situ-ation zwischen Ausbilder und Referendar ein Dialog möglich ist, in dem beide Partner über ihre Sichtweisen von (gutem) Unterricht kommunizieren können. Ausbildung als Prozess Die Subjektorientierung führt in notwendiger Weise dazu, die Ausbildung im Seminar als einen Lernprozess zu konzipieren, dessen Ausbildungsphasen aufeinander aufbauen und auf einen pro-gressiven Kompetenzerwerb angelegt sind. In der Auseinandersetzung mit den eigenen Bildern von Schule und den Kriterien für (guten) Unterricht erweitern die Referendare systematisch und sukzessiv ihr Wissen und ihre Fähigkeiten und werden so darauf vorbereitet, immer komplexeren

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Anforderungen an ihre berufliche Tätigkeit standzuhalten und die täglichen Erfahrungen intensi-ver professionell zu reflektieren. Die Ausbildung kann dabei nicht einfach als hermetisch abgeschlossener und streng linearer Lehrgang konzipiert werden, weil sie nicht nur die beruflichen Kompetenzen am Ende der Aus-bildung berücksichtigen muss. Daneben zwingen aktuelle und konkrete Anforderungen während der Ausbildung sowie der berufsbiographische Entwicklungsstand der Referendare zu jeweils dif-ferenziertem Vorgehen. Dabei kann es vorkommen, dass die Ausbildung auch in parallelen Haupt- oder Fachseminaren nicht immer gleich verläuft, weil auf situativ auftretende Probleme eingegangen werden muss, deren Bearbeitung Priorität genießt. Auch die grundsätzliche Paralle-lität in den Ausbildungsabsichten von Haupt- und Fachseminaren kann hier teilweise unterbro-chen sein. 3.5 Teilmodularisierung Eine vollständige Modularisierung der Ausbildung in der 2. Phase widerspricht dem oben erläu-terten berufsbiographischen Prozess, der im Vorbereitungsdienst durchlaufen wird. Gleichwohl bieten wir in der Ausbildung Module an, vor allem um individualisierte Schwerpunktsetzungen zu ermöglichen. Hierbei kann den Lehramtsanwärtern Gelegenheit gegeben werden, sich in sie spe-ziell interessierende Themen einzuarbeiten oder Aspekte eines Themas des normalen Ausbil-dungsprogramms zu vertiefen. "Module" verstehen wir als Ausbildungseinheiten, die den Refe-rendaren eine Einführung in ein komplexes Sachgebiet ihrer beruflichen Tätigkeit verschaffen und ihnen Gelegenheit bieten, Lösungen für konkrete praktische Probleme dieses Gebietes zu suchen und die Reflexion darüber anzuleiten. Bei solchen Modulen kann man spezifische Kennt-nisse von Ausbildern sowie von Referendaren nutzen. Module werden als Wahl- bzw. Pflichtver-anstaltungen in der Form von Studien- oder Thementagen, Projekten oder anderen Ausbildungs-formen und nicht nur im 4. Ausbildungshalbjahr bereitgestellt. Unser Seminar hat zu diesem Zweck bereits Module entwickelt und erprobt, z. B. zu den Themen „Umgang mit Störungen“ „ Eigenständiges Lernen“ und „Förderung der mediendidaktischen und – pädagogischen Kompe-tenz“ (vgl. Anhang 4) 3.6 Beratung während der Ausbildung Die Beratung in ihren vielfältigen Formen (Einzel-, Team-, Gruppenberatung, kollegiale und su-pervisorische Beratung, Selbstberatung mit einem Partner und ausreichende reflexive, auch selbstgesteuerte Teamberatungen) ist das wichtigste Instrument für eine individualisierte Ausbil-dung, die den Reflexionsprozess der Referendare in der Auseinandersetzung zwischen eigenen Leitbildern und fremden standardisierten Kompetenzen initiieren und entwickeln will. Reflexion meint hier die „Fähigkeit und Bereitschaft, den eigenen Unterricht in seiner Gesamtheit jederzeit selbstkritisch zu hinterfragen, verfügbare Methoden und Werkzeuge (beispielsweise Schülerfeedback oder kollegiale Rückmeldun-gen und Supervision zum Unterricht oder Messung unterrichtlicher Wirkungen) zur Selbstdiagnose und -verbes-serung einzuholen.“ (A. Helmke) Diese Fähigkeit ist für Helmke ein zentrales und für den Unter-richtserfolg unabdingbares Eigenschaft der Lehrperson. Die Beratung durch Seminarausbilder erfolgt in erster Linie anlässlich von Unterrichtsbesuchen. Diese Form der Beratung ist mit Bewertung verknüpft und entspricht damit einer berufsspezifi-schen Aufgabe, die jeder Lehrer ständig im Unterrichtsalltag zu bewältigen hat. Die besonderen Probleme einer solchen Beratung bzw. solcher Beratungsgespräche sind nur durch ein konstruk-

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tives und kriteriengeleitetes Vorgehen zu lösen. Im Studienseminar Gelsenkirchen ist es mittler-weile „Standard“, dass bei Unterrichtsnachbesprechungen beide Partner ihre Wahrnehmungen und Beobachtungen austauschen, sich über die Schwerpunkte der Beratung gemeinsam und transparent verständigen und die Analyse und Reflexion des Unterrichts aufgrund plausibler Kriterien (für guten Unterricht) durchführen. Es ist eine immerwährende Aufgabe der Ausbilder, die Beratungsbesuche so zu gestalten, dass die Referendare dabei tatsächlich auch reflexive Kompetenz entwickeln und nicht verunsichert werden. Um die Beratungsanlässe zu erhöhen, fordern wir die Referendare auf, auch über die fünf von der OVP geforderten Unterrichtsbesuchen hinaus zu so genannten „Beratungsbesuchen“ einzu-laden. Fach- wie Hauptseminare verfolgen darüber hinaus das Konzept der Gruppenhospitatio-nen, bei denen eine Kleingruppe eines Seminars den Unterricht eines Referendars beobachtet und gemeinsam bespricht. Eine Gruppe mit Seminarausbildern denkt zurzeit nach über eine Er-weiterung des Beratungsangebots durch Sprechtage für Referendare, durch ein Einstiegsgespräch am Beginn der Ausbildung usw. (vgl. Anlage 6) Die Referendare lernen während der Ausbildung das Beratungswerkzeug der „kollegialen Fallbe-ratung“ kennen und erfahren weitere Beratungen z. B. durch das „Planungs- und Entwicklungs-gespräch (PEG)“ der OVP, das sich an den Standards in Bezug auf die sieben Lehrerfunktionen orientiert. Generell wird in allen Haupt- und Fachseminarsitzungen bei der Besprechung von aktuell auftretenden Problemsituationen immer auch beraten. Selbstverständlich sind die Ausbilder bereit, auf Anforderung Leistungen der Referendare mit Angabe des Notenbereichs zu bewerten und ihre Bewertung zu begründen. 3.7 Erwachsenenpädagogik Aus dem Anspruch der Rahmenvorgabe und der OVP, aber auch aus dem bisher Gesagten erge-ben sich erwachsenenpädagogische Prinzipien. Wir vertrauen also auf die Selbststeuerung und die Eigentätigkeit des Referendars und begreifen uns Ausbilder als professionelle Begleiter, die ihren Erfahrungsvorsprung und ihr größeres Wissen über guten Unterricht nutzen, um die Referendare in ihrer Entwicklung zur Professionalität im Lehrerberuf zu unterstützen. Dazu gehört, dass die Arbeit in den Haupt- und Fachseminaren problemorientiert an den Erwartungen und Erfahrun-gen der Teilnehmer ausgerichtet ist und dass sie immer auch metakommunikativ reflektiert und sinnvoll evaluiert wird. Die Gestaltung der Sitzungen sollte immer auch Modell für Unterricht sein, es sollten sich also die Inhalte und Ziele mit den Vermittlungsformen verschränken, was insbesondere teilnehmerorientierte Methoden wie Gruppenarbeit und - verfahren nahelegt. 3.8 Das Theorie-Praxis-Verhältnis Die Stärke des Referendariats besteht in der zeitlichen Koinzidenz von Praxis und Theorie. Refe-rendare praktizieren Unterricht und setzen sich gleichzeitig theoretisch mit dieser Unterrichts-praxis auseinander. Dieser Zusammenhang ist weder in der 1. Phase der Lehrerausbildung noch in der 3. Phase (Berufseingangphase) so eng. Das zeitliche Zusammenfallen von Theorie und Praxis führt aber nicht schon per se zu einer guten Praxis. Die Praxis allein macht noch keinen guten Praktiker. „Im Unterschied etwa zum Tennisspiel, zum Extremklettern oder zum Schachspiel verringern sich bei der Tätigkeit des Unterrichtens mangels deutlich umrissener Ziele und rascher, klarer und interpretations-freier Rückmeldungen die Chancen drastisch, unmittelbar aus der Erfahrung zu lernen!“ (G. Neuweg) Wir im Seminar Gym/Ge berücksichtigen u. a. eine bestimmte Theorie des Theorie-Praxis-Ver-

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hältnisses, nämlich die so genannten „Reflexionskonzepte.“ Diese gehen davon aus, dass weder das Ausmaß des Wissens noch das Ausmaß an Erfahrung einen professionellen Lehrer ausma-chen. Der Weg zur Professionalität besteht in der Bereitschaft, seine Handlungspraxis regelmäßig theoriegestützt zu analysieren und gegebenenfalls zu verändern. Deshalb sind die oben angespro-chenen Punkte (Subjektorientierung, Ausbildung als Prozess, Beratungskonzept) zweckvolle Mittel, das Theorie-Praxis-Problem, wenn auch nicht unbedingt zu lösen, so doch produktiv an-zugehen. Das spezifische Theorie-Praxis-Verständnis in unserer Ausbildung findet sich auch darin, dass das gesamte Ausbildungsprogramm als Wechselbeziehung von konkreten Handlungssituationen, den Kompetenzerwartungen und der Reflexion von Unterrichtsbildern konstruiert ist und theo-retische Konzepte und spezielle Arbeits- und Lernmethoden für den Unterricht immer wieder analysiert und reflektiert werden, z. B. mit Hilfe von Unterrichtsmitschnitten und bei Gruppen-hospitationen. 3.9 Mediendidaktik und Medienkompetenz Insbesondere die rasche Weiterentwicklung im Bereich der neuen Medien hat die Ansprüche an Lehrerkompetentzen auch in diesem Bereich deutlich erhöht. So gehören zu den zentralen Kom-petenzen aller Lehrer nicht nur eine Nutzungskompetenz der neuen Medien, sondern gleichzeitig die Fähigkeit, die Entwicklungen medienpädagogisch begleiten und die Kenntnisse mediendidak-tisch aufbereiten zu können. Zur Förderung der Medienkompetenz von Schülern („Schülerinnen und Schüler (sollen) im Zusammenhang von Medienverwendung und Medienbildung notwendige Kenntnisse, Fä-higkeiten und Fertigkeiten für ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches Handeln in einer von Medien beeinflussten Welt erwerben“) ist eine entsprechende Medienkompetenz der zukünfti-gen Lehrer unverzichtbar. Diese Medienbildung fördern wir, indem wir die digitalen Medien für die alltägliche Ausbildung nutzen (elektronischer Postverkehr, Unterrichtsmitschau), aber auch dadurch, dass wir die Referendare auffordern, für die Seminararbeit eigene digitale Produkte zu erstellen. Darüber hinaus bietet der Modulbereich die Möglichkeit, medientechnische, -pädagogi-sche und –didaktische Kenntnisse auf unterschiedlichem Niveau zu erwerben (vgl. Anhang 4). Die Voraussetzungen für die Arbeit mit den digitalen Medien sind nach dem Umzug in die Was-serburg Lüttinghof hervorragend. Nachzudenken ist zukünftig über eine systematischere Nut-zung der videogestützten Unterrichtsbeobachtung. 4. Kooperation Wer später in der Schule erfolgreich unterrichten will, sollte die Qualität seines Unterrichts ein-schätzen und weiterentwickeln können. Hierzu ist die Kooperation mit (Fach-) Kollegen schlicht notwendig. Die Fähigkeit zur Kooperation lernt man nur durch Kooperation, was nicht früh ge-nug erfolgen kann. Deshalb muss die Ausbildung im Seminar Modelle und ein Trainingsfeld für Kooperation bereitstellen, in dem dieses wichtige Feld des Lehrerhandelns erprobt und angeeig-net werden kann. 4.1 Kooperation im Seminar und im Studienseminar

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• Zunächst können die Ausbilder für die Referendare ein Vorbild für kooperatives Handeln sein. Im Seminar Gym/Ge werden auch deswegen z. B. die Hauptseminarsitzungen gemein-sam geplant und evaluiert, viele Fachseminare gleicher Fächer arbeiten eng zusammen, bei af-finen Fächern werden regelmäßig auch fachübergreifende Seminarsitzungen durchgeführt. Die vom Seminar entwickelten Handreichungen für zentrale Aspekte der OVP sorgen für rechtliche Klarheit und Organisationssicherheit über die Einzelseminare hinaus.

• Es gilt die Verpflichtung der Seminare, „die gemeinsame pädagogische Verantwortung in der Aus-übung des Lehrerberufs durch lehramtsübergreifende Veranstaltungen (zu) stärken" (Rahmenvorgabe). Im Studienseminar Gelsenkirchen sind erste Versuche in dieser Richtung unternommen worden, so haben z.B. einige Ausbilder des Seminars BK organisiert, dass die Referendare des Seminars Gym/Ge die andere Schulform des Berufskollegs (§ 12 OVP) bzw. über die IHK auch das duale Ausbildungssystem erkunden konnten. In diesem Punkt der lehramts-übergreifenden Veranstaltungen besteht aber noch ein erheblicher Entwicklungsbedarf.

• Die Referendare lernen die Fähigkeiten zur Kooperation auch dadurch, dass sie regelmäßig zu Teamarbeit angehalten werden. Dies bezieht sich auf die teilnehmerorientierte Seminar- arbeit mit vielen Gruppenarbeitsphasen und Projektarbeit, auf die Verpflichtung zu Gruppenhospitationen (besonders in den Intensivphasen der Fachseminare), auf die gemein-same Erstellung von Arbeitspapieren für das Kolloquium der 2. Staatsprüfung usw.

4.2 Kooperation mit Ausbildungsschulen (Studien-) Seminar und Ausbildungsschule sind die beiden zentralen Ausbildungsorte, die ge-meinsam die Verantwortung für den Erfolg der Ausbildung tragen. Das Seminar hat „die berufli-chen Kompetenzen durch die Vermittlung von Berufswissen und -können, durch Integration der Unterrichtspraxis in die Ausbildung und durch die Reflexion schulischer Arbeit (zu) fördern,“ die Schulen haben „Kooperations-erfahrungen bei der Planung, Durchführung und Reflexion schulischer Arbeit sicher(zu)stellen" (Rahmenvor-gabe). Die wesentlichen praktischen Erfahrungen sammeln die Referendare in ihrem Ausbil-dungsunterricht an den Schulen. Die schulischen Ausbildungsmöglichkeiten und Angebote müs-sen in engem Zusammenhang mit denen des Seminars stehen. Daher ist die Kooperation der beiden Ausbildungspartner entscheidend für die Qualität der Ausbildung. Die Leitung des Semi-nars hat dabei in enger Koordination mit den Schulleitungen den organisatorischen Ablauf der Ausbildung sicher zu stellen (Zuweisungsverfahren, gemeinsame Verantwortlichkeit für den Ein-satz im selbstständigen Unterricht, Organisationssicherheit bei der 2. Staatsprüfung, Behandlung von Problemfällen usw.). Die Ausbilder sollen ihre Vorstellungen von gutem Unterricht den Fachkonferenzen und Ausbildungslehrern der Ausbildungsschulen näher bringen. Die Ausbil-dungskoordinatoren sorgen in Kenntnisnahme der Seminarausbildung für die Umsetzung und Weiterentwicklung der schulischen Begleitprogramme und sollen ihre Fragen zur und Wünsche für die Seminarausbildung einbringen. 4.3 Öffnung des Seminars • Kooperation mit außerschulischen Institutionen

Das Studienseminar Gelsenkirchen spielt für die Versorgung der Schulen der Region mit jun-gen Lehrern eine große Rolle, ist aber nach wie vor in der Öffentlichkeit nicht sehr bekannt. Andererseits kommen die Referendare in eine Region, die ihnen eher fremd ist. Seit Jahren reagiert das Seminar Gym/Ge durch Kooperation mit außerschulischen Institutionen auf

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diesen Zustand. Die Stadt Gelsenkirchen organisiert für die neuen Referendare Stadtrund-fahrten, das Medienzentrum Gelsenkirchen kooperiert mit uns im Bereich der Mediendidak-tik, die Industrie- und Handelskammer vermittelt ihren Beitrag zum dualen Ausbildungs-system, die RAA (ehemals: Regionalstelle für ausländische Arbeitnehmer) unterstützt das Studienseminar im Bereich des interkulturellen Lernens. Damit die Referendare auch die kulturellen Angebote der Region kennen lernen und ihre ästhetische Bildung weiter ent-wickeln, haben wir eine Kooperation mit dem MIR (Musiktheater im Revier) begonnen, bei der besonders die Schulprojekte des Theaters erkundet und diskutiert werden.

• Kooperation mit Hochschulen

Das Seminar Gym/Ge hat im Gegensatz zu anderen Studienseminaren wie Münster oder Pa-derborn keinen engen räumlichen Bezug zu einer einzelnen Universität. Dennoch nehmen wir die Aufgaben der Kooperation mit den Universitäten wahr, was sich zeigt in der Zusam-menarbeit mit der Universität Bochum bei der Entwicklung der konsekutiven Lehrerausbil-dung, in der Zusammenarbeit mit der Universität Essen (hier insbesondere mit dem Lehr-stuhl Türkisch) und in der Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Lehrerbildung an der Uni-versität Münster. Alle diese Kontakte sind aber – auch von der Seite der Universitäten – ins-gesamt eher sporadisch und zufällig. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Reform der Leh-rerausbildung in NRW hier eine gesetzlich geregelte, kontinuierliche und systematische Ko-operation auf gleicher Augenhöhe durchsetzen kann.

5. Evaluation und Qualitätssicherung “Evaluation ist ein Teil der Arbeitskultur von Pädagoginnen und Pädagogen. Unterrichten und Erziehen erfor-dern wie jede pädagogische Arbeit einen kontinuierlichen Rückkoppelungsprozess. Die ständige Selbstreflexion mit dem Ziel, das eigene Verhalten und dessen Voraussetzungen zu überprüfen, zu bewerten und zu verbessern, ist konstitutiver Bestandteil professioneller pädagogischer Arbeit. Sie dient der Entwicklung und Sicherung der Qua-lität der Schule und der Wirksamkeit der unterrichtlichen Lehr- und Lernprozesse. Diese Fähigkeit zur Selbst-evaluation sollen Referendarinnen und Referendare während der Ausbildung erwerben. Sie können dies nur, wenn Evaluation integraler Bestandteil des Ausbildungsprozesses selbst ist. Auch das Studienseminar als pädagogische Institution bedarf dieses Hilfsmittels, um die Qualität der Ausbildung zu sichern und die eigene Entwicklung unter Beteiligung aller Akteure steuern zu können. Evaluation darf aber nicht als eine eher zufällige Form der Selbstvergewisserung praktiziert werden; vielmehr müssen sich die Ausbil-derinnen und Ausbilder mit dem systematischen Instrumentarium vertraut machen und die Ausbildung unter dem Gesichtspunkt der prozessbegleitenden Evaluation konzipieren. Evaluation bezieht sich schließlich auch auf die Überprüfung, ob die Kompetenzen und Standards, die die Stu-dienreferendarinnen und -referendare während der Ausbildung erwerben sollen, am Ende des Vorbereitungsdienstes auch tatsächlich erreicht sind.“ (H. Lenhard) Das Seminar Gym/Ge hat seine Ausbildung immer schon evaluiert. In der Weiterentwicklung des Seminarprogramms werden zurzeit duch eine Gruppe von Seminarausbildern neue Evaluati-onskonzepte (standardisierte Instrumente) entwickelt, die zum Gegenstand die Schwerpunkte des Seminarprogramms bzw. die Ausbildungsangebote haben. Die für alle verbindliche Evaluation dient dabei nicht der Kontrolle der Ausbilderinnen und Ausbilder, sondern der kontinuierlichen

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Verbesserung der Ausbildung. Die Erfassung von Daten erfolgt computergestützt, die Auswer-tung erfolgt automatisch durch eine entsprechende Software (vgl. Anlage 5). Die Seminare schulen die Studienreferendare durch ein entsprechendes Ausbildungsangebot in Grundfragen und Verfahren der Evaluation. 6. Entwicklungsperspektiven Wie in den Vorbemerkungen gesagt, versteht sich das Seminar als lernende Institution. Im ge-samten Text wurden immer wieder Entwicklungsaufgaben angesprochen. Diese sollen hier ab-schließend zusammengefasst bzw. ergänzt werden. • Im Bereich der Ausbildungsdidaktik sollte die Methode der Videographie systematischer be-

nutzt werden. Nachzudenken ist auch über eine Sammlung von „best-practice“ – Modellen, auf welche die einzelnen Haupt- und Fachseminare zurückgreifen können.

• Zu überlegen ist, wie man die Subjektorientierung in der Lehrerausbildung systematischer entwickeln und dokumentieren kann. Nachzudenken ist neben einer Zertifizierung der Mo-dule grundsätzlich über Konzepte, welche die Metakognition der Referendare über den eige-nen Lernprozess im Vorbereitungsdienst fördern (sog. Portfolios).

• Um die Reflexionskompetenz der Referendare weiter zu erhöhen, wird über weitere Beratungsanlässe während der Ausbildung nachgedacht, dies könnten z. B. Eingangsgesprä-che, Sprechtage während der Ausbildung und Abschlussgespräche sein, in denen systemati-scher und auf den Ausbildungsprozess bezogen die eigenen Unterrichtsleitbilder mit den Kriterien für guten Unterricht abgeglichen werden können.

• Genauer zu beschreiben sind Indikatoren für die Standards in den einzelnen Lehrerfunktio-nen.

• Im Bereich der Kooperation sollten lehramtübergreifende Veranstaltungen, insbesondere Teilmodule entwickelt werden, auch um Synergieeffekte für alle Seminare des Studiensemi-nars Gelsenkirchen zu erhalten.

• Im Bereich der Evaluation sollten sich Haupt- wie Fachseminare auf ein einheitliches Verfah-ren einigen; man sollte auch über ein Evaluationskonzept für die Ausbildung an den Schulen nachdenken.