„Sie als Chirurgen schreiben jeden Tag Geschichte!“ · hat auch bei Patienten mit...

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CHAZ | 14. Jahrgang | 11.+12. Heft | 2013 676 E s wehte ein Hauch von Hollywood: Zu einem phonstarken Tusch, der einige Trommelfelle im restlos überfüllten Ballroom AB an die Rupturgrenze brachte, wurde der überdimensionierte Vor- hang in die Höhe gerissen und im gleißenden Scheinwerferlicht stand – das American College of Surgeons. Oder zumindest sei- ne wichtigsten Repräsentanten, Ehrengäste und Würdenträger. Gut zweihundert Personen – ge- schätzte 97 Prozent von ihnen männlichen Geschlechts – blick- ten mehrheitlich ernst in die zahlreichen Kameras und Mo- biltelefone, mit denen Chirurgen aus aller Welt Erinnerungsdoku- mente schossen an eine Tagung, bei der mehr als sonst auf medizi- renz beschieden, das Publikum blieb stumm. Bei der zuerst ge- sungenen Hymne des Landes mit der Ahornflagge mag es daran ge- legen haben, dass alle von südlich des Lake Ontario stammenden Teilnehmer den Text nicht kann- ten. Dass beim „Star-Spangled Banner“ hingegen das Mitsingen von den über 2000 Anwesenden geradezu verweigert wurde, war höchst ungewöhnlich. Es dürfte an einer den politischen Zeitum- ständen zu verdankenden Ver- finsterung der Stimmung gelegen haben, zeigte sich doch das poli- „Sie als Chirurgen schreiben jeden Tag Geschichte!“ Das American College of Surgeons (ACS) trifft sich in seinem Jubiläumsjahr in Washington tische Washington und mit ihm die Regierungsinstitutionen der USA während der ACS-Tagung nicht gerade in Top-Form. Das Land erlebte einen „shut-down“; fast alles, was nicht als hochgra- dig essentiell eingestuft wurde, war wegen der Budgetstreiterei geschlossen. Für die am Vortag der Eröffnung angereisten Be- sucher bedeutete dies: Smithso- nian-Museen, National Gallery of Art, Lincoln Memorial – alles unzugänglich. Zu den sechs neuen Ehren- mitgliedern des College gehörte mit Markus W. Büchler auch ein Deutscher Umso mehr Beifall brandete auf, als der 94. Präsident des ACS, Carlos A. Pellegrini aus Seattle, in seiner Eröffnungsrede ver- künden konnte, dass Repräsen- tantenhaus und Senat sich doch einmal, ein einziges Mal in die- sen trüben Zeiten hatten einigen können. Der Kongress hatte per Dekret den Zeitraum vom 6. bis 10. Oktober zu Nationalen Ta- gen des American College of Surgeons bestimmt. Pellegrini, der aus Argentinien stammt, er- öffnete dann die Tagung mit ei- nem historischen Relikt: Einem nischen Kongressen zurück und doch auch in die Zukunft geblickt wurde. Höchst ungewöhnlich: Beim „Star-Spangled Banner“ wurde von den über 2000 Anwesenden das Mitsingen geradezu verweigert Das 1913 gegründete ACS traf sich anlässlich seines 100jährigen Bestehens in der amerikanischen Hauptstadt Washington – dass deren Kongresszentrum nach einem außerhalb der Stadtgren- zen kaum bekannten Walter Wa- shington (ein ehemaliger Bürger- meister; für die Stadt hingegen war George, der erste Präsident, der Taufpate) benannt ist, stürz- te einige internationale Besucher in vorübergehende Ratlosigkeit. Dann kam die bei den Tagungen amerikanischer Fachgesellschaf- ten nicht ungewöhnliche Stunde des Patriotismus. Man solle sich erheben, so die Ansagerstimme, um dem Einmarsch der Ehren- garde der Stadt mit den Fahnen beizuwohnen und danach ge- meinsam mit einem Washingto- ner Jugendchor die kanadische und die amerikanische National- hymne zu singen. Dem Chor war indes keine stimmliche Konkur- KONGRESS BERICHT Der 94. Präsident des ACS, Carlos A. Pellegrini aus Seattle bei seiner Eröffnungsrede. Ein neues Ehrenmitglied aus Deutsch- land: Markus W. Büchler, Heidelberg.

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CHAZ | 14. Jahrgang | 11.+12. Heft | 2013676

Es wehte ein Hauch von Hollywood: Zu einem phonstarken Tusch, der

einige Trommelfelle im restlos überfüllten Ballroom AB an die Rupturgrenze brachte, wurde der überdimensionierte Vor-hang in die Höhe gerissen und im gleißenden Scheinwerferlicht stand – das American College of Surgeons. Oder zumindest sei-ne wichtigsten Repräsentanten, Ehrengäste und Würdenträger. Gut zweihundert Personen – ge-schätzte 97 Prozent von ihnen männlichen Geschlechts – blick-ten mehrheitlich ernst in die zahlreichen Kameras und Mo-biltelefone, mit denen Chirurgen aus aller Welt Erinnerungsdoku-mente schossen an eine Tagung, bei der mehr als sonst auf medizi-

renz beschieden, das Publikum blieb stumm. Bei der zuerst ge-sungenen Hymne des Landes mit der Ahornflagge mag es daran ge-legen haben, dass alle von südlich des Lake Ontario stammenden Teilnehmer den Text nicht kann-ten. Dass beim „Star-Spangled Banner“ hingegen das Mitsingen von den über 2000 Anwesenden geradezu verweigert wurde, war höchst ungewöhnlich. Es dürfte an einer den politischen Zeitum-ständen zu verdankenden Ver-finsterung der Stimmung gelegen haben, zeigte sich doch das poli-

„Sie als Chirurgen schreiben jeden Tag Geschichte!“Das American College of Surgeons (ACS) trifft sich in seinem Jubiläumsjahr in Washington

tische Washington und mit ihm die Regierungsinstitutionen der USA während der ACS-Tagung nicht gerade in Top-Form. Das Land erlebte einen „shut-down“; fast alles, was nicht als hochgra-dig essentiell eingestuft wurde, war wegen der Budgetstreiterei geschlossen. Für die am Vortag der Eröffnung angereisten Be-sucher bedeutete dies: Smithso-nian-Museen, National Gallery of Art, Lincoln Memorial – alles unzugänglich.

Zu den sechs neuen Ehren- mitgliedern des College gehörte mit Markus W. Büchler auch ein Deutscher

Umso mehr Beifall brandete auf, als der 94. Präsident des ACS, Carlos A. Pellegrini aus Seattle, in seiner Eröffnungsrede ver-künden konnte, dass Repräsen-tantenhaus und Senat sich doch einmal, ein einziges Mal in die-sen trüben Zeiten hatten einigen können. Der Kongress hatte per Dekret den Zeitraum vom 6. bis 10. Oktober zu Nationalen Ta-gen des American College of Surgeons bestimmt. Pellegrini, der aus Argentinien stammt, er-öffnete dann die Tagung mit ei-nem historischen Relikt: Einem

nischen Kongressen zurück und doch auch in die Zukunft geblickt wurde.

Höchst ungewöhnlich: Beim „Star-Spangled Banner“ wurde von den über 2000 Anwesenden das Mitsingen geradezu verweigert

Das 1913 gegründete ACS traf sich anlässlich seines 100jährigen Bestehens in der amerikanischen Hauptstadt Washington – dass deren Kongresszentrum nach einem außerhalb der Stadtgren-zen kaum bekannten Walter Wa-shington (ein ehemaliger Bürger-meister; für die Stadt hingegen war George, der erste Präsident, der Taufpate) benannt ist, stürz-te einige internationale Besucher in vorübergehende Ratlosigkeit. Dann kam die bei den Tagungen amerikanischer Fachgesellschaf-ten nicht ungewöhnliche Stunde des Patriotismus. Man solle sich erheben, so die Ansagerstimme, um dem Einmarsch der Ehren-garde der Stadt mit den Fahnen beizuwohnen und danach ge-meinsam mit einem Washingto-ner Jugendchor die kanadische und die amerikanische National-hymne zu singen. Dem Chor war indes keine stimmliche Konkur-

KONGRESSBERICHT

Der 94. Präsident des ACS, Carlos A. Pellegrini aus Seattle bei seiner Eröffnungsrede.

Ein neues Ehrenmitglied aus Deutsch-land: Markus W. Büchler, Heidelberg.

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Hammer, gefertigt aus dem Holz des Schreibtisches von Joseph Lister, dem Pionier der asepti-schen Chirurgie. Das Instrument kommt auf jedem Kongress des ACS seit 1915 zum Einsatz. Ein Höhepunkt unter den Begrü-ßungen und Würdigungen, die Pellegrini nach dem Hammer-schlag vornahm, war die Vorstel-lung von sechs neuen Ehrenmit-gliedern des College, zu denen mit dem Direktor der Abteilung für Allgemeine, Viszerale und Transplantationschirurgie an der Universität Heidelberg auch ein Deutscher, Professor Dr. Markus W. Büchler, gehörte.Ein Highlight der Eröffnung des ACS-Kongresses, dem insge-samt etwa 13 000 Teilnehmer beiwohnten, war die Martin Me-morial Lecture, deren Namens-gebung an Dr. Franklin H. Martin erinnert, den Gründervater des American College of Surgeons. Den Organisatoren war es gelun-gen, einen wahrhaft prominenten Festredner zu verpflichten: Den Historiker David McCullough, Autor zahlreicher Bestseller, die in jeder amerikanischen Buch-handlung in meist dicken Stapeln ausliegen. Der rüstige 80jährige

beeindruckte die Zuhörer mit seiner engen Beziehung zur Chi-rurgie – und seiner unverhohle-nen Bewunderung für das Fach. Seinen Mittelnamen (er heißt vollständig David Gaub McCull-ough) verdanke er einem Onkel, der im heimischen Pittsburgh als Chirurg tätig war; als einen seiner besten Freunde würdigte McCullough Thomas Starzl, der 1963 an der University of Colora-do die erste Lebertransplantation vornahm. Bei der Recherche zu zahlreichen seiner Bücher sei er immer wieder mit dem Wirken von Chirurgen in vergangen Zei-

ten konfrontiert worden, unter anderem mit den um die Wen-de vom 19. zum 20. Jahrhundert in Paris Medizin studierenden Amerikanern in seinem jüngsten Buch The Greater Journey. Kaum eine historische Vignette habe ihn indes so beeindruckt wie eine Mamma-Amputation anno 1811. Bei der Patientin handelte sich um Abigail Adams, Tochter des zweiten Präsiden-ten John Adams, dessen 2001 erschienen Biographie McCull-oughs größer Erfolg ist. Adams musste zusammen mit seiner Frau in seinem Privathaus vor der Tür sitzen und die entsetzlichen Schreie seiner Tochter hilflos mit anhören, als vier Chirurgen binnen 25 Minuten den Eingriff durchführten – ohne Anästhe-sie, ohne Antisepsis. Das Erlebnis habe John Adams für den Rest seines langen Lebens verändert. Die Schilderung einer Operation in einer Zeit, in der vermeintlich „vieles leichter war“, ließ McCul-lough das Publikum emotional aufrütteln: „Es gab nie einfache Zeiten! Es gab nie bessere Zeiten! Gerade als Chirurgen wissen Sie, dass es nie besser war als heute.“ Es seien die Errungenschaften

der Medizin und hier vor allem der Chirurgie, die entscheidend zu unserem heutigen Lebens-standard und zu unserer Lebens-erwartung beigetragen haben. Zahlreiche Zelebritäten, welche die heutige Populärkultur für wichtig halte, seien in wenigen Jahren vergessen – das, was Chir-urgen leisten, sei von bleibendem Wert. McCullough verglich die Fortschritte in der Chirurgie mit den Kathedralen des Mittelalters und der Renaissance: „Ich stehe in Ehrfurcht vor dem, was Sie leisten. Sie als Chirurgen schrei-ben jeden Tag Geschichte. Keep up your good work!“ ❘ ❙ ❚

Ronald D. Gerste, Washington

Der Historiker David McCullough bei seiner Martin Memorial Lecture.

American College of Surgeons

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American College of Surgeons

Chirurgen operieren! Pillen geben Andere …Unterschiedliche Vorgehensweisen bei Appendizitis in der Diskussion

Warum habe man sich eigentlich entschlossen den Beruf des Chirurgen zu ergreifen? Weil man Patienten konkret und direkt helfen möchte! Wie passt

dazu das Hinauszögern des oft Unvermeidlichen, die Zuflucht zur Gabe von Ta-bletten oder Infusionen? Das Gemurmel im vollbesetzten Ballsaal des Walter E. Washington Convention Centers in der amerikanischen Hauptstadt Washington DC war deutlich vernehmbar und machte im weiteren Verlauf der Ausführungen spontanem Applaus Platz. Keine Frage: Therese M. Duane, Professorin für Chirur-gie an der Virginia Commonwealth University in Richmond und Lehrstuhlinhaberin für Infektionskontrolle, gewann mit ihren energisch vorgetragenen Ausführungen sehr schnell die Herzen der Zuhörer. Der Vortrag wurde von vielen Teilnehmern einer der bestbesuchten Sitzungen auf der Jahrestagung des American College of Surgeons (ACS) als gelungener Kontrapunkt, beinahe als herbeigesehnte Erleich-terung nach den Ausführungen ihres Vorredners empfunden, bei dem sich einige Teilnehmer – wie Mienenspiel und getuschelte Bemerkungen erkennen ließen – im sprichwörtlichen falschen Film wähnten.

Bei der Appendizitis könnte es sich um zwei unterschiedliche pathophysiologische Entitäten handeln, so die TheseVor Duane hatte Joseph V. Sakran von der Columbia University in New York ge-sprochen. Er sprach über – und erkennbar für – die Behandlung der akuten Ap-pendizitis mit Antibiotika. Vergegenwärtigen sollte man sich bei dieser Thematik, dass der „akute Blinddarm“ in der Vorstellungswelt des Laienpublikums – also der Patienten – das chirurgisch schnellstmöglich und überwiegend erfolgreich zu behandelnde Leiden schlechthin ist. Für viele Bürger dürfte die Existenzberechti-gung der Chirurgen als Berufsgruppe enger mit der akuten Appendizitis als mit jeder anderen Krankheit assoziiert sein. Bei der Appendektomie, der weltweit am häufigsten durchgeführten chirurgischen Notfalloperation, habe man es nach des Referenten Worten (und basierend auf einer Veröffentlichung von EH Livingston in den Annals of Surgery 2007) wahrscheinlich mit zwei unterschiedlichen pathophy-siologischen Entitäten zu tun – jener, die zur perforierten und jener, die zur nicht-perforierten Appendizitis führten. Eine konservative Therapie mit Antibiotika sei zumindest für manche Patienten mit der nichtperforierten Variante der adäquate Therapieansatz. In einer Meta-Analyse an mehr als 1500 Patienten, von denen 847 konservativ und 725 per akuter Appendektomie therapiert wurden, sei es bei den Nicht-Operierten zu weniger Komplikationen und zu weniger nachfolgenden (Re-)Operationen gekommen und dies bei vergleichbar langem Krankenhausaufenthalt und ähnlich hohem Verbrauch intravenöser Antibiotika. Von fünf kontrollierten, zwischen 1995 und 2011 veröffentlichten Vergleichsstudien, in denen die Append-ektomie der Antibiotikatherapie gegenüber gestellt wurde, zeigten zwei keinen si-gnifikanten Unterschied, zwei sahen Vorteile zugunsten der Antibiotikagabe, eine zugunsten der chirurgischen Therapie. Letztere war die neueste und erschien 2011 im Lancet (Vons C, et al.); an ihr beeindruckt den Befürworter einer operativen Intervention zweifellos vor allem die Tatsache, dass im ersten Vergleichsmonat be-reits 12 Prozent und zwischen dem ersten Monat und dem Ende des ersten Jahres noch einmal weitere 29 Prozent der mit Antibiotika Behandelten (doch noch) ope-riert werden mussten. Als letztlichen Therapiemisserfolg (treatment failure) waren ungeachtet der Lobpreisungen der Antibiotikatherapie durch den Referenten nicht weniger als 40,2 Prozent der Verläufe in den fünf Vergleichsstudien einzustufen – versus 8,5 Prozent bei primärer Appendektomie.

Eine Appendektomie kann in den USA mit bis zu 27 000 Dollar zu Buche schlagenFreilich durfte in der freundlichen Präsentation der tatsächlichen oder vermeint-lichen Vorteile der medikamentösen Appendizitistherapie die Ökonomie nicht fehlen. Sakran erinnerte das Publikum daran, wie viel Geld eine Appendektomie inklusive Nachsorge verschlingt. Was kaum offen angesprochen wurde: Dies ist weniger ein Vorwurf an die Methode als vielmehr an das chaotische, von Deregu-lierung und oft auch von reiner Gier regierte amerikanische Gesundheitssystem. Eine Appendektomie, so zeigte des Referenten Graphik eindrucksvoll, kann in den USA mit bis zu 27 000 Dollar zu Buche schlagen. Deutschland erschien auf dem Dia mit einem Balken in Höhe von 3 000 Dollar, in der bekannt teuren Schweiz muss der Patient oder seine Versicherung mit Appendektomie-Kosten von rund 5 800 Dollar rechnen. Duane hingegen hob das Gefahrenpotential hervor, das aus einer nicht – oder verzögert – eingeleiteten Appendektomie resultiert. So hat eine retrospektive Analyse an mehr als 200 Patienten den Zusammenhang zwischen der Zeitdauer der Appendizitis und der Wahrscheinlichkeit einer Perforation nachgewiesen: In-nerhalb von 36 Stunden nach Beginn der Symptomatik liegt diese bei weniger als zwei Prozent, danach steigt sie mit jeden vergangenen 12 Stunden um mehr als fünf Prozent an. Eine andere Studie an mehr als 1000 Patienten fand eine Neigung zu einer Progression der Pathologie mit zunehmender Zeitdauer. So betrug die Häufigkeit eines G3-Befundes (Phlegmone) respektive eines G4-Befundes (periap-pendikulärer Abszess) bei einer Operation binnen 12 Stunden jeweils drei Prozent, bei Operation binnen 48 bis 71 Stunden 27 Prozent bzw. sechs Prozent und bei chirurgischer Intervention mehr als 48 Stunden nach Beginn der Symptome 26 Prozent bzw. 13 Prozent. Das Fazit dieser Studie lautete: „Die Appendektomie zu verzögern, ist unsicher.“

Selbst das Verschieben des Eingriffs bei einem in der Nacht aufgenomme-nen Patienten auf den „normalen OP-Betrieb am Morgen“ birgt RisikenÜber die wohl größte Fallzahl verfügt eine 2013 erschienene Untersuchung, die auf mehr als 680 000 Appendektomien basierte. Mit einer Perforation bekamen es die Chirurgen bei 29 Prozent der Patienten zu tun, die noch am Aufnahmetag operiert wurden – bei den am zweiten Tag Operierten lag in 33 Prozent eine Per-foration vor, bei den an Tag 8 operierten Patienten gar in 79 Prozent. Selbst das hier und dort beliebte Verschieben des Eingriffs bei einem am Vorabend oder in der Nacht aufgenommenen Appendizitis-Patienten auf den „normalen OP-Betrieb am anderen Morgen“ birgt Risiken: Eine Wartezeit von mehr als sechs Stunden hat auch bei Patienten mit nichtperforierter Appendizitis eine Infektion des chirur-gischen Areals (SSI = surgical site infection) beinahe genauso wahrscheinlich ge-macht wie bei Patienten mit perforierter Appendizitis (3,3 % bzw. 3,9 %). Gerade mit Blick auf die Vermeidung einer nächtlichen Intervention erinnerte Duane das Publikum unter Beifall: „Denken Sie daran, wir sind für den Patienten da – nicht für unsere Bequemlichkeit“. Und sie verwies darauf, dass ein Kasus, der nachts nicht als akut genug für eine Operation eingestuft wird, auch beim Erstellen des morgendlichen OP-Planes oft nicht als dringlich erachtet und auf den Nachmittag, den nächsten Tag – und damit wahrscheinlich auch der Progression des Leidens entgegen – verschoben wird. Ronald D. Gerste