Silke Koppers Jahresrückblick 2016...28 bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17 Urs Meier (Jahrgang...

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4 bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17

Silke Koppers

Editorial

Jahresrückblick 2016 6

Urs Meier

Zwischen den Fronten

Entscheidungen unter Druck treffen 28

Jan Gerd Borgmann

Was bewegt den Markt?

Strategische Ausrichtung ist

nicht in Stein gemeißelt 30

Dr. Dr. h.c. Peter Spary

Brandschutz – Preistreiber

versus Sicherheitskultur 34

Udo von Meltzing

Datenqualität als Erfolgsfaktor

Lösungen für den E-Commerce 36

Michael Vetter

Materialkreisläufe bei PVC-Bau-

stoffen zeugen von Nachhaltigkeit 38

Senad Hadži

Weiterbildung sichert den

Unternehmenserfolg 42

Jean-Luc Sarter

Smart Home – Die Digitalisierung

verändert unser Leben 46

Wolfgang Grauthoff

Be different or die

Positive Unternehmenskultur

als Schlüssel zum Erfolg 50

Inhalt

FOTO: JENS HILLEBRAND/JANSEN AG

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5bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17

Guy Muller

Offensive Raumkomfort 52

Christian Rudolph

DIN 14677 fordert fristgerechten

Austausch von Rauchschaltern 56

Stephan Schmidt

Normen für Schlösser

und Beschläge 58

Robert Mildner

Antibakterielle Türklinken für

gesünderes Zugreifen 62

Jürgen Ruppel

Brandschutztüren „Made in Europe“ –

Chancen durch Normierung 64

Till Reine

Wohnkomfort als Schlüssel zur

Energiewende im Gebäudebestand 68

Ulrich Zahner

Branchenspezifische ERP-Lösungen als

Basis für erfolgreichen E-Commerce 72

Edgar Freund

Plastik und Jute 74

Dr. Eckhard Keill

Gut für Kunden 78

Ramona Meinzer

Ein „bewegtes“ Jahr in der

Fenstertechnik 82

Produktneuheiten 2016/17 86

Verbände und Organisationen 102

Persönliches 106

Termine und Veranstaltungen 110

FOTO: IFT ROSENHEIM

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28 bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17

Urs Meier (Jahrgang 1959) wechselte nach ersten Sportaktivitäten als Kunstturner zum Fuß-

ball, doch für den Sprung zum Profifußballer reichte sein Talent nicht aus, wie er selbst sagt.

So belegte er 1977 einen Schiedsrichterkurs und pfiff schon eine Woche später sein erstes

Spiel. Im Laufe seiner Schiedsrichterkarriere leitete Meier insgesamt 883 Spiele, darunter vier

Partien bei Weltmeisterschaften, fünf bei Europameisterschaften, außerdem 42 Champions-

League-Partien (davon sieben Halbfinale und ein Finale) sowie 233 Matches in der Schweizer

Nationalliga A, später in der Super League. Seine Schiedsrichterkarriere endete 2004, als er

das Alterslimit für FIFA-Schiedsrichter von 45 Jahren erreicht hatte. In Deutschland wurde

Meier ab 2005 als Fußballexperte des ZDF an der Seite von Johannes B. Kerner und Jürgen

Klopp bekannt. Parallel arbeitete er als Referent, Vortragsredner und Moderator.

Urs Meier

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie viele Entscheidungen

Sie jeden Tag fällen? Schätzen Sie mal: 10, 20 oder 50? Für welche Zahl Sie

sich auch entschieden haben: Es war falsch. Denn es sind mehr, viel mehr

sogar! Man geht davon aus, dass man durchschnittlich bis zu 10 000 spon-

tane Entscheidungen täglich trifft. Da ich der festen Überzeugung bin, dass

das Nicht-Entscheiden uns physisch und psychisch belastet, möchte ich an

dieser Stelle Mut machen es einfach zu tun: „Kein Entscheid ist auch ein

Entscheid! Wir sind nicht nur dafür verantwortlich, was wir tun, sondern

auch für das, was wir nicht tun.“

Zwischen den Fronten

sie geben ihre Entscheidung ein-fach aus der Hand. Egal, ob zu ihren Gunsten oder Ungunsten.

Mir hat es immer Freude gemacht, Entscheidungen zu treffen. Da-her wusste ich auch schon sehr früh, dass ich Schiedsrichter wer-den wollte – ein Job, in dem Ent-scheiden unter extremen Bedingun-gen stattfindet. In einem normalen Spiel muss ich innerhalb einer Mi-nute vier bis fünf Entscheidungen treffen. Ist es Foul gewesen? Stand

der Oberklasse der Entscheidungen kommen zum Glück nicht alle Tage vor. Das sind die, die auch das Le-ben der anderen beeinflussen, etwa wenn man beschließt, seine Familie zu verlassen, oder als Firmenchef ei-ne Fusion anstrebt, die eine Menge Leute den Arbeitsplatz kosten wird.Bis zu 10 000 Entscheidungen täg-lich – kommt es da noch auf jede einzelne an? Natürlich! Schließlich sind es Ihre Entscheidungen, ist es Ihr Leben und Ihre Freiheit, die Sie nutzen oder eben nicht. Ich habe oft bemerkt, dass viele Menschen eine Scheu vor Entscheidungen haben und sie sich nicht zutrauen, etwas be-wegen zu können. Dann entscheiden sie lieber gar nicht oder sie suchen so lange nach der besten Lösung, bis das Schicksal oder jemand an-deres die Sache für sie übernimmt –

Zunächst gibt es die kleinen Ent-scheidungen, die keine besondere Hürde darstellen, einem manchmal gar nicht bewusst werden: beispiels-weise ob man Wurst oder Marme-lade aufs Frühstückbrötchen gibt, ob man rennt, um den Bus noch zu erwischen, oder ihn einfach sausen lässt, ob man auf der linken oder rechten Straßenseite geht. Aber es sind auch anspruchsvollere Ent-scheidungen dabei, zum Beispiel, ob man heute dem Chef endlich mal widerspricht, wenn er wieder einen absurd kurzfristigen Termin für die neue Vorlage setzt, ob man das Er-sparte für einen neuen Fernseher ausgibt oder lieber in die Altersvor-sorge steckt, ob man den kostbaren Urlaub mit einer Freundin verbrin-gen soll, die zeitweise ziemlich ner-vig werden kann. Situationen aus

Der Mann mit der Pfeife: Von 1977

bis 2004 war Urs Meier als Schieds-

richter auf dem Platz und danach

als Schiedsrichterbeobachter für die

UEFA und FIFA aktiv.

Entscheidungen unter Druck treffen

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29bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17

dieser Spieler im Abseits? War der Ball über der Linie oder nicht usw. Das Für und Wider dieser Einschät-zungen systematisch in einer schö-nen Liste mit zwei Spalten aufzu-führen ist natürlich unmöglich. 22 Spieler auf dem Feld, weitere auf der Ersatzbank, die Trainer, vielleicht 40 000 Zuschauer, zahlreiche Re-porter und natürlich die Millionen Experten an den Bildschirmen wol-len eine Entscheidung von mir – die richtige, und das sofort. Was mir mit einer entsprechenden Geräusch-kulisse, ermutigenden Zurufen und handfesten Drohungen auch deut-lich gemacht wird. Das alles findet womöglich auch noch in der 90. Mi-nute statt, wenn ich schon 12 bis 15 Kilometer gelaufen bin, mein Puls auf 160 ist und meine Entscheidun-gen nicht nur den Ausgang dieses aktuellen Spiels bestimmt, sondern vielleicht sogar die Meisterschaft.Das ist Stress, der reine, ungefilter-te Stress. Rational und kritisch be-trachtet ist das eine Situation, in der man auf keinen Fall eine Entschei-dung treffen sollte – so lauten je-denfalls die Aussage der Psycholo-gen oder Managementberater. Zu viel Aufregung, zu viel Emotion, zu wenig Zeit, zu viel Druck. Alles an dieser Situation ist kritisch, aber es gibt keine Möglichkeit, sich zu ent-ziehen.Können Sie sich das vorstellen? Sie haben nur eine Chance. Sie kön-nen Ihre Entscheidung nicht korri-gieren. Und alle wissen besser Be-scheid als Sie. Zumindest sind die meisten der Fans davon absolut überzeugt. Also gibt’s nur eins:Sie tun es! Sie entscheiden.Sie haben schon x-mal eine ähnli-che Situation erlebt. Sie wissen, was sie gesehen haben, Sie trauen Ihrer Intuition, Ihrem Instinkt. Sie verlas-sen sich auf Ihren Kopf. Und Sie sa-gen klar und deutlich: So war’s und deshalb gibt es diese Konsequenzen.Das ist ein tolles Gefühl, ein erha-bener Moment, glauben Sie mir. Und dieses Gefühl gibt es natürlich nicht nur im Stadion, sondern über-all: zu Hause, im Büro, im Geschäft, in der Politik, ob Sie Ehemann, Ehefrau, Geliebte, Mutter oder Va-

ter sind, ob Sie als Manager, Leh-rer, Arbeitnehmer, Arzt, Wissen-schaftler oder Praktikant arbeiten. Nur gönnen sich viele Menschen diesen Erfolg nicht oft genug. Aus Angst vor unangenehmen Folgen, aus mangelndem Selbstbewusst-sein, weil sie glauben, sie bräuchten noch mehr Informationen, um sich zu entscheiden.Ich bin Praktiker, durch und durch. Deshalb ist dies auch keine theore-tische Abhandlung. Schließlich ha-be ich nicht systematisch zu den Grundlagen der Entscheidung ge-forscht, ich habe keine wissen-schaftlichen Experimente ange-stellt. Aber als Schiedsrichter, bin Vater, habe als Angestellter gearbei-tet, leite jetzt eine eigene Firma – kurzum, ich kenne das Leben aus vielen ganz normalen Perspekti-ven, ich habe oft genug entschieden, häufig klug, aber auch mal unklug. Dass ich als Schiedsrichter tätig war, hat alle diese Bereiche beein-flusst, wie umgekehrt meine alltäg-lichen Erfahrungen sicher in meine Entscheidungen auf dem Fußball-platz eingeflossen sind.

Ich kam nicht als Schiedsrichter auf die Welt. Aber im Laufe der Zeit lernte ich immer mehr darü-ber, wie Entscheidungen funktio-nieren, wie sie zustande kommen,

welche Faktoren auf wel-che Art wirken, wie ich mit Druck umgehe, und man kann tatsächlich das Entscheiden üben und dadurch seine Entschei-dungen optimieren. In den Jahren meiner Kar-riere als Schiedsrichter – angefangen bei Begeg-nungen der Jugendliga in der Schweiz bis hin zu den Weltmeisterschafts-spielen – war ich immer überzeugt davon, dass die Kunst, Entscheidun-gen zu treffen, extrem eng mit der Persönlichkeit zusammenhängt. Die ist zwar einerseits eine un-verrückbare Größe, an-dererseits aber doch wan-

delbar. Keiner kann aus seiner Haut heraus, nicht der Draufgänger und nicht der Schüchterne. Die Grund-züge eines Menschen bleiben erhal-ten. Aber die Fähigkeiten verändern sich! So, wie Sie lesen und schreiben gelernt haben, so können Sie auch lernen, Entscheidungen schnell und entschlossen zu treffen. Es ist trai-nierbar, ähnlich wie ein Muskel, der, wenn man ihn nicht benutzt, erschlafft und immer kleiner wird. Es gibt fünf Punkte, welche meiner Ansicht nach zum Entscheiden ge-hören:Das GefühlDer VerstandDie ErfahrungDer MutDas Ich

Mein Ziel ist, Ihr Bewusstsein für die einzelnen Anteile Ihrer Person an Entscheidungen zu schärfen, da-mit:Sie schnellere Entscheidungen tref-fen, Sie leichter die richtigen Ent-scheidungen fällen,Sie die Angst vor dem Entscheiden verlieren.Denn Sie gewinnen viel: mehr Frei-raum, mehr Lebensqualität, sogar mehr Glück. Also, entscheiden Sie sich für das Richtige, packen Sie die Sache einfach an. Denn letztlich führt kein Weg daran vorbei: Du bist die Entscheidung! n

Neben seinen Fernsehauftritten ist er auch als

Referent und Moderator tätig.

FOTOS: URS MEIER

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30 bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17

Jan Gerd Borgmann (Jahrgang 1957) ist geschäftsführender Gesellschafter der Baupart

GmbH, Bottrop. Nach seiner Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann und seinem

erfolgreich abgeschlossenen Volkswirtschaftsstudium in Münster, Freiburg und Göttingen,

war er zunächst in der Marktforschung aktiv, bevor er 1988 in das väterliche Unternehmen

einstieg. 1994 wurde er Mitglied der Geschäftsleitung und 2001 schließlich geschäfts-

führender Gesellschafter des heute acht Standorte umfassenden Unternehmens.

Jan Gerd Borgmann

Die Branche, in der wir uns bewegen, ist traditionsreich und konservativ.

Viele Unternehmen blicken auf eine lange Geschichte zurück und spielten

über Jahrzehnte ihre Rolle in einem „wohl-organisierten“ Markt. Die

Mitgliedschaft in Fachverbänden und Kooperationen war unerlässlich.

Was bewegt den Markt? Strategische Ausrichtung ist nicht in Stein gemeißelt

den Großhändler, der bereit war, sich mit dem Thema auseinanderzuset-zen. So begannen der Baustoffhandel Holztüren zu verkaufen, der Stahl-handel Kellerfenster und der Holz-handel Stahltüren. Alte Paradigmen wurden gebrochen.Die Entwicklung des Marktes für Bauelemente während der vergange-nen 50 Jahre lässt erkennen, wie pro-blematisch es ist, wenn eine gesamte Branche sich statisch und in den ge-wohnten Bahnen bewegt. Der tech-nologische Wandel lässt sich nicht aufhalten. Die neuen Produkte su-chen sich ihren Weg zum Endkunden scheinbar selbstständig. Gewohnte Vertriebswege und Branchengren-zen werden durchbrochen. Die Her-steller vertreiben selbst in kleintei-ligen Märkten direkt oder weichen auf schwächere Vertriebspartner aus, da die leistungsstärksten Partner in Handel und Handwerk kein ver-triebliches Interesse zeigen. Erheb-liche Effizienzverluste im Vertriebs-kanal sind die Folge und belasten die weitere Marktentwicklung.Der heutige Markt für Bauelemente und seine Entstehungsgeschichte zei-gen ganz deutlich, dass eine strategi-sche Ausrichtung niemals in Stein gemeißelt sein darf. Das gilt für je-des einzelne Unternehmen und um-so mehr für eine gesamte Branche.

ersten Bauelemente kamen auf den Markt – Kellerfenster, Stahlzargen und Berry-Garagentore. Etwa zehn Jahre später wurden die ersten Fer-tigtüren aus Holz entwickelt. Die neuen Produkte wurden von vielen Handwerkern massiv abgelehnt, weil man sie als Eingriff in die eigene Do-mäne empfand. Einen Fachhandel für Bauelemente gab es (noch) nicht. Viele etablierte Großhändler zöger-ten, die neuen Produkte aktiv zu ver-kaufen. Man sah Bauelemente als Randsortiment und wollte die Aus-einandersetzung mit der etablierten Kundschaft vermeiden. Nur weni-ge Händler waren bereit, in das neu entstehende Marktsegment zu inves-tieren. Meist waren es Baustoff- oder Holzhändler, für die mit Bauelemen-ten verbundene logistische Heraus-forderungen leichter lösbar waren. In der Folge entwickelt sich der Markt für Bauelemente völlig anders, als es die Branche bislang kannte. Von Beginn an gab es parallel zwei- und dreistufigen Vertrieb. Die Hersteller von Bauelementen verkauften an je-

Jeder hatte seinen festen Platz:■ Industrieunternehmen stellten spezielle Baustoffe, Baubeschlä- ge, Werkzeuge oder andere Pro- dukte für die Bauwirtschaft her. ■ Fachhändler verstanden sich als Mittler zwischen Herstellern und Handwerk. Nach ihrem Selbst- verständnis waren sie Baustoff- händler, Baubeschlaghändler, Holzhändler, etc.: Das Sortiment war breit, die Vertriebsaktivi- täten jedoch auf einen schmalen Schwerpunkt fokussiert. „Rand- sortimente“ wurden systematisch vernachlässigt. ■ Handwerker verfügten zumeist über eine eigene Werkstatt, waren Innungsmitglied und verstanden sich eher als Herstel- ler, denn als Monteur: Der Bau- unternehmer wollte ein komplet- tes Haus herstellen, der Schrei- ner ein Möbelstück oder ein Fenster, der Schlosser eine Tür oder ein Geländer.In den frühen 60er Jahren begann der Markt sich zu verändern. Die

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31bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17

Strategische Optionen für den Bauelemente-fachhandel

Auch heute noch ist der Markt für Bauelemente sehr zersplittert. Her-steller, Vertriebswege und techni-sche Profile der Segmente für Tü-ren und Tore, Fenster und Sonnen-schutzsysteme, Treppen und Möbel-fertigteile unterscheiden sich stark. Direktvertrieb und der Vertrieb über Großhändler, Baumarktketten und Handwerker existieren neben-einander. Allerdings ist festzustellen, dass es einen deutlichen Wandel gibt. Die Produkte werden technisch im-mer komplexer, die Produktviel-falt nimmt zu. Der Endkunde am Markt erwartet neben einem gu-ten Produkt und qualifizierter Be-ratung weiteren Service: Liefe-rung an die Baustelle, Unterstüt-zung beim Aufmaß, Bauleitung, teilweise sogar Einbauleistungen. Gerhard Menzel beschreibt in der Zeitschrift bauelement+technik (04/2016/S.14ff) eine „höhere Wer-tigkeit“ des Vertriebs von Türen und eine „immer komplexer wer-dende Situation vor Ort“. Er fordert den „Service über den Fachhandel bis zur Baustelle“. Alle bekannten Grenzen werden damit überschrit-ten. Anerkannte Strategien müssen überprüft werden. Ein „Weiterma-chen wie bisher“ ist nicht erfolgver-sprechend.Was ist zu tun? Zunächst sind Ent-scheidungen gefragt, die den ver-trieblichen Rahmen sprengen: ■ Soll das Unternehmen nennens- wert wachsen?■ Soll es weiterhin lokal oder regional tätig bleiben? ■ Sollen Bauelemente der Wachs- tumstreiber werden oder lediglich ein Nischendasein fristen? ■ Steht auch in Zukunft der tradi- tionelle Handwerker im Fokus oder sollen neue Kundengruppen gefunden werden, zum Beispiel Montagebetriebe, Hausverwal- tungen, Bauträger, etc. Vorsicht ist geboten, wenn man sich allein auf die Einschätzung lang-

jähriger Mitarbeiter und bisheriger Kunden verlässt. Deren hohe Spezi-alisierung, ein etabliertes Wertesys-tem und die Angst, persönliche Be-ziehungen zu verlieren, verstellen den Blick auf vollkommen Neues. Der Bauelementefachhändler der Zukunft stellt sich vollständig auf die Markterfordernisse ein. Er muss alle Bereiche des Unternehmens spezifisch ausrichten: Einkauf und Logistik, Sachbearbeitung und Au-ßendienst, Finanzierung und Ver-tragswesen. Da es den Rahmen dieses Aufsatzes sprengt, alle Erfordernisse im Ein-zelnen zu beschreiben, soll hier nur ein Gedanke beispielhaft Erwäh-nung finden: Bauelemente erfordern eine vollständig neue Lagerlogistik, da die Produkte großvolumig sind und Objekte nahezu ausschließlich kommissionsweise vom Hersteller geliefert werden. Anders als bei Bau-stoffen, Holz und Beschlägen ist nur ein kleines Lager für Handelsware, jedoch ein großes Kommissionsla-ger erforderlich. Häufig liefern Her-steller komplexe, große Kommissi-onen an einem Tag an, die seitens des Handels bereits am folgenden Tag auszuliefern sind. Folglich müs-sen neue Arbeitszeit-Modelle entwi-ckelt werden, zum Beispiel Arbeit im

Schichtbetrieb. In der Regel wird es daher nicht sinnvoll sein, Lager und Logistik für Bauelemente und ande-re Produkte zusammenzufassen.Will man sich – wie oben ausge-führt – erfolgversprechend auf den Vertrieb von Bauelemente einstel-len, sind kleinere Unternehmen ge-zwungen, ihr ganzes Unternehmen neu zu justieren. Größere Unter-nehmen müssen eine konsequen-te, organisatorische Trennung des Bauelementevertriebs vom bishe-rigen Kernsortiment herbeiführen. Nur dadurch ist gewährleistet, dass sich der neue Bereich frei und dy-namisch entwickeln kann. Aus dem Blickwinkel des Unternehmers muss das Sortiment Bauelemente gleich-rangig neben das bisherige Kernsor-timent treten.

Ansätze für einen unternehmerischenAusblick

Für einen mittelständischen Bau-elementefachhändler der Zukunft ist Marktfokussierung in der oben skizzierten Weise zwar unbedingt notwendig, allerdings nicht ausrei-chend, um langfristig erfolgreich zu sein. Weitere Unternehmensbe-reiche müssen ebenfalls zukunfts-

FOTO: WORTWOLKEN.COM

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32 bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17

orientiert entwickelt werden. Ins-besondere gilt dies für die betrieb-lichen Finanzen und das Personal-wesen.Bauelementefachhändler sind ge-zwungen, finanziell umsichtig zu agieren. Geschäftspartner wie Ban-ken, Einkaufsverbände und Großab-nehmer können eigene Schwierig-keiten in das Unternehmen tragen, so dass finanzielle Unabhängigkeit groß geschrieben werden muss. Da der Zugang zu den Kapitalmärkten aufgrund der Unternehmensgrö-ße in der Regel verschlossen bleibt, müssen intelligente Finanzierun-galternativen entwickelt werden. Vor allem Unternehmen, die deut-lich wachsen wollen, müssen ihre Eigenkapitalbasis stärken. Hierzu gibt es vielfältige Möglichkeiten –Kapitalerhöhung seitens der Gesell-schafter, Mitarbeiterbeteiligung, Mezzanine-Kapital. Zwei Beispie-le seien hier genannt: Ein Fenster-hersteller entwickelte ein Mitarbei-terbeteiligungsmodell, das im Laufe von etlichen Jahren zu vollständiger

Unabhängigkeit von Bankkrediten führte. Ein Fachhändler für Objekt-einrichtung/Innentüren gründete eine AG. Er konnte Mitarbeiter und Bekannte als Aktionäre gewinnen.Die Unternehmen vieler Branchen konstatieren heute einen Mangel an Fachpersonal. Es wird erwartet, dass er angesichts der demographi-schen Entwicklung sogar noch wei-ter zunimmt. Auch die Bauelemen-tebranche wird davon nicht ver-schont bleiben. Folglich gewinnen Aus- und Weiterbildung, Personal-entwicklung und Personalbeschaf-fung („recruiting“) deutlich an Bedeutung. Der Bereich Personal muss ein unverzichtbarer Eckstein jeder Handelsstrategie werden. In besonderer Weise benötigt der Bauelementehandel Fachpersonal, das mehr als produkttechnisches Wissen und Kenntnis des hausei-genen ERP-Systems hat. Die Tätig-keit eines Mitarbeiters der Zukunft verlangt große Teamfähigkeit, Of-fenheit für Neues und gute hand-werkliche Auffassungsgabe. Daher

sind erfolgsorientierte Fachhänd-ler gezwungen, eigene Konzepte zu entwickeln, die zugleich am spe-ziellen Charakter des Unterneh-mens und an den individuellen Be-dürfnissen des einzelnen Mitarbei-ters orientiert sind. Neue Konzepte müssen professionell erarbeitet und konsequent durchgeführt werden. Die technisch/fachlichen Schulun-gen von Herstellern und Verbän-den können zukünftig nur ein klei-ner Baustein einer umfassenden be-trieblichen Personalentwicklung sein.Der Markt für Bauelemente wird auch weiterhin hoch dynamisch bleiben. Immer wieder entstehen neue Segmente und Nischen. Wer sich entscheidet, auf den Vertrieb von Bauelementen zu setzen, kann gute Erfolge erzielen. Allerdings ist große Offenheit gefragt. Eigene Ak-tivitäten und Pläne müssen ständig überprüft werden, denn es ist uner-lässlich, auf die Dynamik des Mark-tes mit Kurskorrekturen im eigenen Unternehmen zu reagieren. ■

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2

3

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4

5

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dem Zusammenspiel verschiede-ner aufeinander abgestimmter

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GU-Haustürkonzept ist geeignet für barrierefreies Bauen nach DIN 18040 und für alle Mate-

rialien (Holz, Kunststoff und Alu). > Das GU-haustürkonzept

Norbert Schmitz (l.), Jan Gerd Borgmann und Dr. Stefan Drecke bilden zusammen die Geschäftsführung der Baupart-

Gruppe. Schmitz kümmert sich um das Controlling und die Finanzen, Dr. Drefke um den Vertrieb und den Einkauf und

Borgmann um die strategische Ausrichtung des Unternehmens.

FOTO: BAUPART

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42 bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17

Senad Hadži ist seit 2013 Geschäftsleiter des ZHH-Bildungswerks in Düsseldorf. Nach

seinem Studium der Geschichts- und Politikwissenschaft (Abschluss Magister) folgten

berufliche Stationen bei renommierten Organisationen in Genf, London und unter

anderem bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft in Berlin. Er beschäftigt sich seit

fast zehn Jahren mit Fragen der Bildung, Personalentwicklung sowie des Fachkräfte-

mangels und hat zahlreiche Projekte in leitender Position umgesetzt.

Senad Hadži

Die demografische Entwicklung in Deutschland befeuert den Fachkräfte-

mangel und zwingt deutsche Handelsunternehmen, passende Personal-

lösungen zu finden. Dabei gewinnt die Weiterbildung als zentraler

Baustein in der Fachkräftegewinnung und -sicherung an strategischer

Bedeutung.

Weiterbildung sichert den Unternehmenserfolg Über den Zusammenhang von Demografie, Fachkräftemangel und wachsenden Bildungsinvestitionen im digitalen Handelszeitalter

im Jahr 2060 voraussichtlich nur noch etwa 67 bis 73 Millionen Men-schen (bei kontinuierlich schwäche-rer bzw. stärkerer Zuwanderung) in Deutschland leben werden statt der-zeit rund 80 Millionen Menschen. Am Befund gibt es keinen Zweifel: Deutschland sitzt in der Demogra-fiefalle, mit weitreichenden Folgen für die deutsche Wirtschaft.

Fachkräftemangel gefähr-det wirtschaftliche Ent-wicklung

Die Zahl der verfügbaren Arbeits-kräfte nimmt in den kommenden Jahren signifikant ab. Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Be-rufsforschung (IAB) erwarten einen Rückgang des Erwerbspersonenpo-tenzials um etwa 3,6 Millionen Ar-beitskräfte bis zum Jahr 2030. Das Ausmaß der Entwicklung wird noch deutlicher, wenn dieser Zahl der po-tenzielle Bedarf an Arbeitskräften gegenübergestellt wird.Die Boston Consulting Group pro-gnostiziert im Rahmen einer Studie bis zum Jahr 2030 einen Arbeits-kräftebedarf von 5,8 bis 7,7 Millio-nen Menschen in Deutschland. Vor

boren. Gleichzeitig wurden 868 356 Sterbefälle verzeichnet. Die natürli-che Bevölkerungsbilanz in Deutsch-land – das ist die Differenz von Ge-burten und Sterbefällen – fällt seit 1972 negativ aus. Die zusammen-gefasste Geburtenziffer des Jahres 2014 betrug in Deutschland 1,47 Kinder je Frau. Zum Vergleich: In Frankreich bekam eine Frau im Durchschnitt 2,01 und in Großbri-tannien 1,81 Kinder. Daraus ergibt sich ein Altersaufbau der Bevölke-rung, der sich durch einen steigen-den Anteil der Älteren, eine sin-kende Zahl von Geburten sowie ei-ne wachsende Zahl von Sterbefällen auszeichnet. Aktuelle Daten des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung prog-nostizieren daher einen deutlichen Rückgang der Bevölkerungszahl in den nächsten Jahrzehnten, sodass

„Kinder bekommen die Leute im-mer“, lautet ein vielzitierter Aus-spruch, der Bundeskanzler Konrad Adenauer zugeschrieben wird und häufig Verwendung findet, um die veränderte demografische Lage in Deutschland auf pointierte Weise zu illustrieren. Die 1950er und 1960er Jahre waren geprägt vom wirtschaft-lichen Wiederaufbau nach dem En-de des Zweiten Weltkrieges. In die-se Zeit fielen die geburtenstärksten Jahrgänge, die in die Sozialgeschich-te als die Babyboomer-Generation eingegangen sind. Dabei stellte der Jahrgang 1964 mit 1 357 304 Gebur-ten einen nie wieder erreichten Spit-zenwert dar.Die gegenwärtige demografische Situation hat sich seitdem drama-tisch verändert. So wurden im Jahr 2014 laut statistischem Bundesamt 714 927 Jungen und Mädchen ge-

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43bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17

dem Hintergrund der Megatrends Globalisierung, Digitalisierung und Weiterentwicklung der Wissensge-sellschaft entsteht für deutsche Un-ternehmen eine komplexe Gemen-gelage, die zu einem regelrechten Wettkampf um qualifizierte Fach-kräfte auf dem Arbeitsmarkt führt wird.

Auch wenn in der Wissenschaft kontrovers diskutiert wird, in wel-chem Umfang die Digitalisierung durch Effizienzzuwächse Arbeits-plätze wegrationalisiert, so sind sich die meisten Experten darin einig, dass der demografische Wandel und die fehlenden Fachkräfte die Pro-duktivität der Gesamtwirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen gefährden.Die im Rahmen der DIHK-Kon-junkturumfrage im Frühsommer 2016 ermittelten Zahlen zeigen be-reits, dass 43 Prozent der Unterneh-men im Fachkräftemangel ein Ge-schäftsrisiko sehen. Das fehlende Fachpersonal droht sogar, zuneh-mend Investitionen auszubremsen. Von den Unternehmen, die expansi-ve Investitionspläne verfolgen, sorg-te sich in der Umfrage mehr als die Hälfte (52 Prozent) um die Siche-rung von Fachkräften. Nicht jede Branche und Region ist gleich stark

vom Fachkräftemangel betroffen, aber der allgemeine Trend ist im-mer stärker zu spüren und hat den Einzelhandel längst erreicht. Eine Händlerbefragung des am Institut für Handelsforschung (IFH) Köln angesiedelten E-Commerce Center (ECC) von 2016 zeigt, dass über 60 Prozent der stationären Händler be-reits vom Fachkräftemangel betrof-fen sind oder damit rechnen, in na-her Zukunft betroffen zu sein. Für viele Handelsunternehmen stellt sich damit ganz konkret die Frage, wie sie geeignete Fachkräfte rekru-tieren und gleichzeitig die Stamm-belegschaft langfristig binden kön-nen.

Vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt

Die Grundlage einer systematischen Personalgewinnung und -sicherung ist die genaue Kenntnis der Vorstel-lungen und Werte der heutigen Be-werbergeneration. Eine Kienbaum-Studie zeigt, dass sich die jungen Bewerber von ihrem Wunscharbeit-geber vor allem eine kollegiale Ar-beitsatmosphäre, attraktive Work-Life-Modelle, Aufstiegs- und Wei-terbildungsmöglichkeiten erhoffen. Werte wie Familie und Freunde ran-gieren an erster Stelle. Die Bewer-

ber sind in der digitalen Welt aufge-wachsen und verfügen über eine ho-he Online-Affinität, die wiederum zur veränderten Stellensuche führt. Studenten und Schüler greifen da-bei vorrangig auf Unternehmens-webseiten, Online-Stellenmarkt-Portale und zunehmend auch auf Social Media-Netzwerke zurück. Im Gegensatz dazu inserieren Händler Stellenanzeigen häufig nur in Tages-zeitungen und bei der Arbeitsagen-tur, um die begehrten Fachkräfte zu erreichen. Die veränderte Rekrutierungssitua-tion verschiebt die Kräfteverhältnis-se partiell zugunsten der Bewerber. In der Vergangenheit konnte der Arbeitgeber unter mehreren geeig-neten Kandidaten den für ihn pass-senden Bewerber auswählen. Die gegenwärtige Entwicklung zeigt, dass immer mehr Unternehmen wenige oder gar keine Kandidaten mit dem gewünschten Profil fin-den. Stattdessen können Bewerber zwischen verschiedenen Unterneh-men wählen, die sich ihrerseits in deutlich stärkerem Maße als in der Vergangenheit an den Bedürfnissen und Potenzialen der Arbeitnehmer orientieren müssen. Die darin zum Ausdruck kommende Entwicklung von Arbeitgebermarkt zum Arbeit-nehmermarkt verlangt gerade von

Bevölkerungszahl in Deutschland, 1950-2060*

* ab 2015: Ergebnisse der 13. koordinierten BevölkerungsvorausberechnungDatenquelle: Statistisches Bundesamt © BiB 2016 / demografie-portal.de

Anzahl in Millionen

60

65

70

75

80

85

206020502040203020202010200019901980197019601950

Variante 2 (Kontinuität beistärkerer Zuwanderung)

Variante 1 (Kontinuität beischwächerer Zuwanderung)

Page 11: Silke Koppers Jahresrückblick 2016...28 bauelement+technik-Jahrbuch 2016/17 Urs Meier (Jahrgang 1959) wechselte nach ersten Sportaktivitäten als Kunstturner zum Fuß-ball, doch für

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kleinen und mittelständischen Be-trieben, mehr Ressourcen in eine attraktivere Außendarstellung und langfristige Mitarbeiterbindung zu investieren. Welche Mitarbei-ter werden gegenwärtig und in Zu-kunft benötigt? Über welche Kom-petenzen und Fähigkeiten sollen sie verfügen? Welche Wege werden zur Rekrutierung neuer Mitarbeiter ge-nutzt? Wie werden die Mitarbeiter an den Betrieb gebunden? Welche Maßnahmen ergreift das Unterneh-men, um die Mitarbeiter für den Job fit zu halten? Wer auf diese Fragen Antworten findet, entwickelt eine nachhaltige Personalstrategie und macht einen großen Schritt in Rich-tung Zukunftsfähigkeit.Dabei spielt das Thema der Wei-terbildung im Rahmen der eigenen Employer Branding-Aktivitäten ei-ne bedeutende Rolle, wie die ak-tuelle TNS Infratest-Studie „Wei-terbildungstrends in Deutschland 2016“ – die im Auftrag der Studi-engemeinschaft Darmstadt (SGD) unter 300 Personalverantwortlichen in deutschen Unternehmen durch-geführt wurde – zeigt. 83 Prozent der befragten HR-Verantwortlichen halten das Weiterbildungsangebot für wichtig bis äußerst wichtig, um die Mitarbeiter stärker zu binden. Bei der gezielten Rekrutierung neu-er Mitarbeiter sind es 81 Prozent und bei der Stärkung des Arbeitge-berimages 80 Prozent. Darüber hi-naus hebt die Untersuchung hervor, dass die Bewerber Weiterbildung als wichtiges Thema in Vorstellungsge-sprächen bewerten.

Im Spannungsfeld von Online- und Offline-Geschäft

Der Handel ist in besonderer Wei-se von der Digitalisierung betrof-fen. So ist der stationäre Handel durch den reinen Online-Handel in die Defensive geraten und muss sich in einem grundlegend gewan-delten Umfeld dauerhaft unter neu-en Rahmenbedingungen positionie-ren. Dabei war lange Zeit die gro-ße Befürchtung, dass der stationä-re Handel durch das Phänomen des

Showrooming weiter an Bedeutung verliert. In diesem Fall lässt sich der Kunde umfassend im Ladenge-schäft beraten und testet die Pro-dukte aus, um dann anschließend das Geschäft zu verlassen und das Produkt bei einem Online-Händler zu einem günstigeren Preis zu er-werben. Mittlerweile scheint sich der Trend zumindest teilweise und für bestimmte Produktgruppen um-zukehren, wie eine Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Nielsen vom Januar 2016 nahelegt. Insbesondere bei langlebigen und teureren Produkten wie beispiel-weise Unterhaltungselektronik oder IT-Elektronik ist das Phänomen des Webrooming zu beobachten. Der Kunde informiert sich im Rahmen seiner Customer Journey online und geht dann ins Ladengeschäft. An diesem Punkt schlägt die Stunde des Fachverkäufers, der durch ausführ-liche und sachkundige Beratung dem Kunden das Produkt verkauft. Ein weiterer Trend unterstreicht zusätzlich die Relevanz des statio-nären Handels. So betreibt laut ei-ner Studie des Kölner Handelsfor-schungsinstituts EHI aus dem Jahr 2015 jeder zweite der größten On-line-Shops auch Offline-Geschäfte. Ein stationäres Geschäft erhöht die Glaubwürdigkeit und schafft mehr Vertrauen beim Kunden, der vor Ort im Geschäft nicht nur das hap-tische Erlebnis hat, sondern durch gut geschultes Verkaufspersonal ge-zielte Beratung erhält. Ungeachtet dessen, ob das Vertriebskonzept des Händlers auf Multichannel, Cross Channel oder Omnichannel hinaus-läuft: ein funktionierendes Zusam-menspiel von Online-Angebot, Ser-vice im Ladengeschäft vor Ort und guter Verkaufsberatung ist von exis-tenzieller Bedeutung.

Dem Fachkräftemangel mit Weiterbildung begegnen

Zahlreiche Initiativen und Studien beschäftigen sich mit der Frage, wie die Auswirkungen des Fachkräfte-mangels begrenzt werden können. Neben der Erhöhung der Erwerbs-

quote, der Steigerung der Arbeits-produktivität und der Förderung von gesteuerter Fachkräftemigrati-on werden wachsende Bildungsin-vestitionen als einer der wichtigs-ten Schlüssel zur Abmilderung des Fachkräftemangels angesehen. Vor dem Hintergrund der gesellschaftli-chen und wirtschaftlichen Verände-rungen wird fachlich gut ausgebil-detes und geschultes Personal noch viel stärker als in der Vergangenheit über den Unternehmenserfolg mi-tentscheiden. So zeigt die aktuel-le TNS Infratest-Studie „Weiterbil-dungstrends in Deutschland 2016“, dass drei von vier HR-Managern erwarten, dass der Weiterbildungs-bedarf infolge der fortschreitenden Digitalisierung künftig stark bis äu-ßerst stark steigen wird.Erkenntnisse liefert ebenfalls die Initiative Dialogplattform Einzel-handel, die vom Bundesministe-rium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ins Leben gerufen wurde. Sie bringt die betroffenen Stake-holder wie Unternehmen und Ver-bände, Wissenschaft, Gewerkschaft, Bund, Länder und Kommunen zu-sammen, um vorhandenes Wissen zu bündeln und gemeinsam Pers-pektiven für den Handel aufzuzei-gen. Die im Zuge dessen entstande-nen Handlungsempfehlungen ver-deutlichen, dass es für Unterneh-men auf vielfältige Art und Weise möglich ist, mit der gegenwärtigen Realität auf dem Arbeitsmarkt um-zugehen. Zu einer modernen Fach-kräftegewinnung und -sicherung gehören die authentische Zielgrup-penansprache und die Nutzung di-gitaler Rekrutierungswege genauso dazu wie das Angebot von flexiblen Arbeitszeitmodellen und eine wert-schätzende Haltung gegenüber dem Personal. Ein zentrales Instrument ist die systematische und kontinu-ierliche Weiterbildung der Mitar-beiter. Denn die Anforderungen an das Verkaufspersonal nehmen stetig zu. Wenn der Kunde von heute ins Geschäft kommt, ist er meistens gut informiert. Der Verkaufsmitarbeiter fungiert somit immer weniger als Informationsquelle und findet sich stattdessen in der Rolle eines Prob-

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lemlösers wieder, der dem digitalen Kunden im Idealfall Komplettlösun-gen anbietet. Dies stellt insbesonde-re für den Fachhandel eine enorme Chance dar, sein Alleinstellungs-merkmal einer guten und umfas-senden Verkaufsberatung offensiv in den Vordergrund zu rücken. Dies setzt aber voraus, dass sich die Mit-arbeiter durch systematische Fort-bildungen grundlegendes Wissen und Know-how über alle Produk-te des eigenen Sortiments aneignen und den Umgang mit digitalen Kun-den lernen.

Fortbildungsangebote des ZHH-Bildungswerks

Seit 1983 hat sich das ZHH-Bildungs-werk mit seinen praxisorientierten Seminaren und Lehrgängen zur zen-tralen Anlaufstelle für die Fortbil-dung im mittelständischen Hartwa-renfachhandel entwickelt. Es gehört zum Selbstverständnis des ZHH-Bil-dungswerks, Schulungsangebote zu konzipieren, die sich am Bedarf der Fachhändler orientieren und die In-teressen der gesamten Branche im Blick haben. Dabei wird besonderer Wert auf einen nachhaltigen Lern-effekt gelegt, der durch regelmäßi-ge und verschiedene Leistungsüber-prüfungen während der Lehrgänge erzielt wird. Aufgrund seiner lang-jährigen Zusammenarbeit mit na-tionalen und internationalen Her-stellern verfügt das ZHH-Bildungs-werk über ein großes Netzwerk an

Kooperationspartnern. Dies kommt insbesondere den Kursteilnehmern zugute, die im Rahmen von Vorträ-gen und Betriebsbesichtigungen auf den neuesten Wissensstand gebracht werden und wichtige Impulse für ih-ren beruflichen Alltag erhalten. Zu-dem eröffnet eine Vereinbarung zwi-schen dem ZHH-Bildungswerk und der EDE-Stiftung den Lehrgangs-teilnehmern die Möglichkeit, un-ter bestimmten Voraussetzungen Stiftungsstipendien für ausgewähl-te Lehrgänge zu beantragen und die Seminargebühren bezahlt zu bekom-men. Die herausragende Stellung des ZHH-Bildungswerks innerhalb der Branche spiegelt sich im hohen An-sehen seiner Lehrgangsabschlüsse wider. Absolventen sind im Innen- und Außendienst tätig und beklei-den vielfach Funktionen als Abtei-lungsleiter, Bereichsleiter sowie Ge-schäftsführer. Mit Lehrgängen wie Technische/r Fachkaufmann/-frau für Beschlagtechnik, Technische/r Fachkaufmann/-frau für Bauele-mente, Fachberater/in für Siche-rungstechnik oder Fachberater/in im Außendienst entwickelt das ZHH-Bildungswerk systematisch Nachwuchskräfte und leistet einen bedeutenden Beitrag zur Ausbildung von Fachkräften im Hartwarenfach-handel.

Ausblick

Die digitale Revolution führt zu Umwälzungen, die das Arbeiten

und Leben tiefgreifend und nach-haltig verändern werden. Dem Handel – insbesondere kleinen und mittelständischen Händlern – wird eine enorme Veränderungsbereit-schaft abverlangt, um die neuen Herausforderungen durch die dy-namische Entwicklung des E-Com-merce zu bewältigen. Gleichwohl gibt es genug Anlass, um optimis-tisch in die Zukunft zu blicken. Der Handel hat sich in der Vergangen-heit immer wieder neu erfunden und seine Unternehmungen an ver-änderte Rahmenbedingungen ange-passt. Grundlage des Erfolgs waren und sind gut ausgebildete und qua-lifizierte Mitarbeiter. Um die be-gehrten Fachkräfte zu gewinnen, gilt es aber, neue und kreative Wege zu gehen. Dazu gehört es ferner, das Image des Handels im Allgemeinen und das des eigenen Unternehmens im Besonderen kritisch zu reflektie-ren. Die Rückschlüsse daraus wer-den zu einer langfristigen Personal-strategie führen, in der die kontinu-ierliche Weiterbildung ein zentrales Instrument der Personalentwick-lung darstellen und den Fachkräfte-mangel abmildern wird. Angesichts des digitalen Wandels ist das Kon-zept des lebenslangen Lernens kein weltfremdes Konstrukt aus dem El-fenbeinturm der Wissenschaft, son-dern aus der Erkenntnis gespeist, grundlegende gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen un-serer Zeit mit Bildung zu bewerk-stelligen. n

Im Rahmen des Lehrgangs Techn. Fachkaufmann/-frau für Beschlagtechnik erfolgt nach Theorie- und Praxisphasen

die Leistungsüberprüfung unter anderem durch schriftliche Tests.

FOTO: ZHH BILDUNGSWERK