Skript zur Vorlesung Topologie I -...

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Skript zur Vorlesung Topologie I Carsten Lange, Heike Siebert Richard-Sebastian Kroll Faszikel 1 Fehler und Kommentare bitte an [email protected] Stand: 15. Juni 2010 Fachbereich Mathematik und Informatik Freie Universit¨ at Berlin Sommersemester 2010

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Skript zur Vorlesung

Topologie I

Carsten Lange, Heike SiebertRichard-Sebastian Kroll

Faszikel 1Fehler und Kommentare bitte [email protected]

Stand: 15. Juni 2010

Fachbereich Mathematik und InformatikFreie Universitat Berlin

Sommersemester 2010

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Inhaltsverzeichnis

I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie 1I.1. Topologische Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3I.2. Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6I.3. Abgeschlossene Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9I.4. Unterraume & endliche Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10I.5. Konstruktion weiterer topologischer Raume: Initialtopologie . . . 13I.6. Erste Eigenschaften: Zusammenhangsbegriffe . . . . . . . . . . . 17I.7. Weitere Eigenschaften: hausdorffsch & kompakt . . . . . . . . . . 23I.8. Ein Beispiel fur Vieles: Cantorsches Diskontinuum . . . . . . . . 26

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I. Grundbegriffe dermengetheoretischen Topologie

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

I.1. Topologische Raume

I.1.1 Definition: Es seien X eine Menge und O ⊆ P(X).(a) O heißt Topologie auf X, falls folgende Aussagen gelten:

(i) Gilt Oi ∈ O fur alle i ∈ I einer beliebigen Indexmenge, so ist derenVereinigung

⋃i∈I Oi ebenfalls in O.

(ii) Gilt O1, · · · , On ∈ O fur n ∈ N0 und folgt⋂ni=1Oi ∈ O.

(b) Ein topologischer Raum ist ein Paar (X,O), wobei O eine Topologie aufder Menge X ist.

(c) Eine Teilmenge M ⊆ X heißt offen in (X,O), falls M ∈ O gilt.(d) Eine Teilmenge U ⊆ X heißt Umgebung von x ∈ X, falls eine Teilmenge

O ∈ O mit x ∈ O und O ⊆ U existiert.(e) Fur A ⊆ X heißt eine Teilmenge U ⊆ X Umgebung von A, falls U eine

Umgebung fur alle x ∈ A ist.

I.1.2 Bemerkung: Manche Definition einer Topologie O auf X fordert schein-bar zusatzlich ∅ ∈ O und X ∈ O. Das ist allerdings mehr eine Frage, ob mandie leere Menge als Indexmenge fur beliebige Vereinigungen und endliche Durch-schnitte erlaubt. Wir tun dies und folgen dabei der Konvention:

∅ =⋃i∈∅Oi und X =

⋂i∈∅Oi.

Diese Konvention bedeutet naturlich nicht, dass bei einem konkreten Kanditateneiner Topologie O auf X nicht ∅ ∈ O und X ∈ O uberpruft werden muss.

I.1.3 Beispiele: Die folgenden Paare (X,O) sind topologische Raume:(a) Indiskrete oder triviale Topologie Oind:

Fur eine beliebige Menge X ist Oind = {∅, X}.(b) Diskrete Topologie Odis:

Fur eine beliebige Menge X ist Odis = P(X).(c) Fur die reellen Zahlen X = R betrachte O = { ]−∞; a[ | a ∈ R ∪ ±∞}.(d) Naturliche Topologie Onat der reellen Zahlen:

Fur die reellen Zahlen X = R ist

Onat ={M ⊆ X

∣∣∣∣ M ist Vereinigung von Intervallendes Typs ]a; b[ mit a ≤ b ∈ R

}.

(e) Fur die reellen Zahlen X = R betrachte

O ={M ⊆ X

∣∣∣∣ M ist Vereinigung von Intervallendes Typs ]−∞; a[ mit a ∈ R ∪ −∞

}.

(f) Ordnungstopologie Oord einer total geordneten Menge:Zu einer total geordneten Menge (X,<) betrachte zunachst

S :={{x ∈ X | x < a} ,{x ∈ X | a < x} ,

∣∣∣∣ a ∈ X}.

Durch

Oord :={M ⊆ X

∣∣∣∣ M ist Vereinigung endlicherSchnitte von Mengen aus S

}ist eine Topologie auf X gegeben.

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Topologie I

(g) Durch eine Metrik d induzierte Topologie Od:Auf einem metrischen Raum (X, d) ist durch

Od ={M ⊆ X

∣∣∣∣ M ist ist Vereinigungoffener Kugeln in (X, d)

}eine Topologie definiert. Verschiedene, aber aquivalente Metriken induzie-ren dieselbe Topologie auf X.

I.1.4 Definition: Sei (X,O) ein topologischer Raum.(a) Ein System B offener Mengen von (X,O) heißt Basis von O, falls jede

offene Menge von (X,O) Vereinigung von Mengen aus B ist.(b) Ein System S offener Mengen von (X,O) heißt Subbasis von O, falls jede

offene Menge von (X,O) Vereinigung endlicher Durchschnitte von Mengenaus S ist.

I.1.5 Beispiele: Basen und Subbasen haben wir schon in I.1.3 gesehen.

I.1.6 Satz und Definition: Fur eine Menge X sei B eine Familie von Teil-mengen von X, die die folgenden Eigenschaften erfullt:(a)

⋃B∈B B = X.

(b) Fur alle B,B′ ∈ B und alle x ∈ B ∩ B′ existiert ein B′′ ∈ B, so dassx ∈ B′′ ⊆ B ∩B′.

Setze

O :={M ∈ B

∣∣∣∣ M ist Vereinigungvon Elementen aus B

}.

Dann ist O eine Topologie auf X und B eine Basis von O. Ist O′ eine Topologiemit Basis B, so ist O = O′. O heißt die durch B definierte Topologie.

I.1.7 Definition: Seien (X,O) ein topologischer Raum, U ⊆ X und x ∈ X.Die Menge U(x) aller Umgebungen von x heißt Umgebungssystem von x.

I.1.8 Lemma: Seien (X,O) ein topologischer Raum und x ∈ X. Fur das Um-gebungssystem U(x) gilt:(a) Fur alle U ∈ U(x) und U ⊆ U ′ gilt U ′ ∈ U(x).(b) Fur alle n ∈ N0 und U1, · · · , Un ∈ U(x) gilt

⋂ni=1 Ui ∈ U(x).

(c) Fur alle U ∈ U(x) gilt x ∈ U .(d) Fur jedes U ∈ U(x) existiert ein V ∈ U(x) mit U ∈ U(y) fur alle y ∈ V .

Beweis: (a)-(c) folgen sofort aus der Definition. Fur (d) benutze die Aquivalenzder folgenden Aussagen:

(i) O ist offen.(ii) O ist Umgebung jedes seiner Punkte.

(iii) Fur alle x ∈ O existiert eine Menge U ∈ U(x), so dass O offen ist.

I.1.9 Satz: Sei X eine Menge. Ist jedem x ∈ X ein System U(x) von Teil-

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

mengen von X zugeordnet, welche die Eigenschaften (a)-(d) aus Lemma I.1.8erfullen, so existiert genau eine Topologie auf X, fur die U(x) das Umgebungs-system von x ist.

Beweis: Es sind Existenz und Eindeutigkeit der Topologie zu zeigen.Eindeutigkeit: Seien O1,O2 zwei Topologien, so dass U(x) ein Umgebungssys-tem fur jedes x ∈ X ist. Ist O ∈ O1 beliebig gewahlt, dann ist O eine Umge-bung von x (bezuglich O1) fur jedes x ∈ O. Folglich ist O ∈ U(x) fur jedes x ∈ Ound somit ist O eine Umgebung von x (bezuglich O2) fur jedes x ∈ O. Fur jedesx ∈ O exitiert dann ein Ox ∈ O2 mit Ox ⊆ O. Damit folgt O =

⋃x∈X Ox ∈ O2

und somit gilt O1 ⊆ O2. Die Inklusion O1 ⊆ O2 folgt aus demselben Argument,wobei die Rolle von O1 und O2 vertauscht wird.

Existenz: Wir definieren zunachst eine Topologie auf X. Dies geschieht durch

O := {O ⊆ X | O ∈ U(x) fur alle x ∈ O}.

Dass O tatsachlich eine Toplogie ist, folgt aus den Eigenschaften (a) und (b).Es bleibt zu zeigen, dass U(x) auch wirklich das Umgebungssystem UO(x) furjedes x ∈ X bezuglich O ist.

UO(x) ⊆ U(x): Sei U ∈ UO(x) Umgebung eines gewahlten x ∈ X bezuglich O.Dann existiert eine offene Menge O ∈ O mit x ∈ O ⊆ U . Nach Definition vonO gilt auch O ∈ U(y) fur alle y ∈ O, also insbesondere fur x. Eigenschaft (a)impliziert nun U ∈ U(x).

UO(x) ⊇ U(x): Seien U ∈ U(x) fur gewahltes x ∈ X und U := {y | U ∈ U(y)}.Zu zeigen ist, dass U eine Umgebung von x bezuglich O ist. Es genugt nun,x ∈ U , U ⊆ U und U ∈ O zu zeigen. Aus der Definition von U und ausEigenschaft (c) folgen sofort x ∈ U und U ⊆ U . Aus Eigenschaft (d) folgt dieExistenz von V ∈ U(y) fur beliebig vorgegebenes y ∈ U , so dass U ∈ U(z) furalle z ∈ V gilt. Damit ist V ⊆ U gezeigt und es folgt U ∈ U(y) fur alle y ∈ U .Das zeigt aber U ∈ O. Insgesamt gilt also U ∈ UO(x).

I.1.10 Definition: Seien (X,O) ein topologischer Raum und x ∈ X. Ein Teil-system B(x) des Umgebungssystems U(x) heißt Umgebungsbasis von x, falls zujedem U ∈ U(x) ein B ∈ B(x) mit B ⊆ U existiert.

I.1.11 Beispiel: Im metrischen Raum (X, d) bilden fur alle x ∈ X und n ∈ Ndie offenen Balle B 1

n(x) =

{y ∈ X

∣∣ d(x, y) < 1n

}eine abzahlbare Umgebungs-

basis von x bezuglich der von der Metrik induzierten Topologie.

I.1.12 Definition: Der topologische Raum (X,O) erfullt das(a) erste Abzahlbarkeitsaxiom, wenn jeder Punkt x ∈ X eine abzahlbare Umge-

bungsbasis besitzt,(b) zweite Abzahlbarkeitsaxiom, wenn O eine abzahlbare Basis hat.

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Topologie I

I.2. Stetigkeit

I.2.1 Definition: Gegeben seien topologische Raume (X,OX) und (Y,OY ). Ei-ne Abbildung f : X −→ Y heißt stetig, wenn f−1[O] ∈ OX fur alle offenenMengen O ∈ OY gilt.

Betrachten wir eine Abbildung f : X −→ X und mochten wir verschiedene To-pologien auf dem Definitionsbereich und auf der Bildmenge kenntlich machen,so schreiben wir abkurzend f : (X,OX) −→ (X, OX).

I.2.2 Beobachtung: Sind f : (X,OX) −→ (Y,OY ) und g : (Y,OY ) −→ (Z,OZ)stetige Abbildungen, so ist auch g ◦ f : (X,OX) −→ (Z,OZ) stetig.

I.2.3 Satz: Eine Abbildung f : X −→ Y ist genau dann stetig, wenn f−1[S]fur eine beliebige Subbasis SY von OY und alle S ∈ SY eine offene Menge in(X,OX) ist.

Beweis: Sei SY eine Subbasis von OY .⇒: Die Behauptung folgt sofort aus SY ⊆ OY .⇐: Sei A ∈ OY . Dann gibt es Ai,k ∈ SY mit

A =⋃i∈I

(⋂jik=1Ai,k

)fur eine geeignete Indexmenge I und naturliche Zahlen ji fur alle i ∈ I. Daallgemein fur Abbildungen

f−1[A] = f−1[⋃

i∈I

(⋂jik=1Ai,k

)]=⋃i∈I

(⋂jik=1 f

−1[Ai,k])

gilt, folgt f−1[A] ∈ OX aus f−1[S] ∈ OX fur alle S ∈ SY .

I.2.4 Definition: Sind OX und OX Topologien auf X, dann heißt OX feinerals OX , wenn OX ⊆ OX gilt. Wir sagen auch, dass OX grober als OX ist.

I.2.5 Lemma: Seien (X,OX), (X, OX) gegeben. Die Topologie OX ist genaudann feiner als OX , wenn IdX : (X,OX) −→ (X, OX) stetig ist.

Beweis: Die Stetigkeit der Identitat IdX : (X,OX) −→ (X, OX) ist aquivalentzu der Aussage O ∈ OX impliziert O ∈ OX .

I.2.6 Definition: Seien topologische Raume (X,OX) und (Y,OY ) gegeben. Ei-ne Abbildung f : X −→ Y heißt offen, falls f [O] ∈ OY fur alle O ∈ OX gilt.

I.2.7 Satz: Eine Abbildung f : X −→ Y ist genau dann offen, wenn f [B] ∈ OYfur eine beliebige Basis BX von OX und alle B ∈ BX gilt.

Beweis: Folge der Beweisidee zu Satz I.2.3.

I.2.8 Bemerkung: In Satz I.2.7 konnen wir die Basis BX nicht durch eine

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

Subbasis SX ersetzen, da im Allgemeinen f [A ∩B] ⊂ f [A] ∩ f [B] gilt.

I.2.9 Definition: Seien (X,OX) und (Y,OY ) topologische Raume. Eine bijek-tive Abbildung f : X −→ Y heißt Homoomorphismus, wenn f und f−1 stetigsind. Existiert ein Homoomorphismus zwischen X und Y , so heißen die topo-logischen Raume (X,OX) und (Y,OY )homoomorph.

Eine wichtige Frage in der Topologie ist es zu entscheiden, ob zwei Raumehomoomorph sind.

I.2.10 Definition: Seien topologische Raume (X,OX) und (Y,OY ) gegeben.Eine Abbildung f : X −→ Y heißt stetig in x ∈ X, wenn das Urbild f−1[U ] furjede Umgebung U von f(x) eine Umgebung von x ist.

I.2.11 Satz: Eine Abbildung f : X −→ Y ist genau dann stetig, wenn f injedem x ∈ (X,OX) stetig ist.

I.2.12 Satz: Eine Abbildung f : X −→ Y ist genau dann stetig in x ∈ (X,OX),wenn zu jeder Umgebung V von f(x) eine Umgebung U von x mit f [U ] ⊆ Vexistiert.

Beweis: Seien x ∈ X und V eine Umgebung von f(x).⇒: Aus der Stetigkeit von f folgt, dass f−1[V ] eine Umgebung von x ist. SetzeU = f−1[V ].⇐: Sei U eine Umgebung von x mit f [U ] ⊆ V . Dann gilt auch f−1[V ] ⊇ U undsomit ist f−1[V ] eine Umgebung von x.

I.2.13 Bemerkung: Das Analogon der punktweisen Definition I.2.10 der Ste-tigkeit ist die ubliche Definition der Stetigkeit in der Analysis und in der Theo-rie der metrischen Raume. Tatsachlich gilt fur metrische Raume (X, dX) und(Y, dY ) mit induzierten Topologien OX und OY , dass folgende Aussagen aqui-valent sind:(a) Die Abbildung f : (X, dX) −→ (Y, dY ) ist stetig in x ∈ X.(b) Die Abbildung f : (X,OX) −→ (Y,OY ) ist stetig in x ∈ X.

Beweis: Nach Satz I.2.12 genugt es, die topologische Stetigkeit in x bezuglicheines Umgebungssystems oder einer Umgebungsbasis zu betrachten.⇒: Sei V eine Umgebung von f(x). Dann existiert ein ε > 0, so dass der offeneε-Ball Bε(f(x)) vollstandig in V enthalten ist. Aus der Stetigkeit in metrischenRaumen folgt nun, dass ein δ > 0 mit f(Bδ(x)) ⊆ Bε(f(x)) ⊆ V existiert.⇐: Sei ε > 0 gegeben. Da Bε(f(x)) eine Umgebung von f(x) ist, folgt aus derStetigkeit von f in x die Existenz einer Umgebung U von xmit f [U ] ⊆ Bε(f(x)).Da U eine Umgebung von x ist, existiert ein δ > 0 mit Bδ(x) ⊆ U . Somit giltf(Bδ(x)) ⊆ Bε(f(x)).

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Topologie I

I.2.14 Bemerkung: Oft genugt es (und oft ist es bequemer) eine Eigenschaftlediglich fur eine Umgebungsbasis oder ein Umgebungssystem statt fur das ge-samte System OX offener Mengen nachzuweisen. Der Beweis von I.2.13 kannbeispielsweise auf folgende Situation angepasst werden:

Seien f : (X,Ox) −→ (Y,OY ) eine Funktion und x ∈ X. Seien wei-terhin B und B′ Umgebungsbasen fur x und f(x). Die Abbildung fist genau dann stetig in x, wenn es zu jedem V ∈ B′ ein U ∈ B mitf [U ] ⊆ V gibt.

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

I.3. Abgeschlossene Mengen

I.3.1 Definition: Seien (X,OX) ein topologischer Raum, M ⊆ X und x ∈ X.(a) M ist eine abgeschlossene Menge von (X,OX), falls X \M ∈ OX .(b) x ist ein Beruhrpunkt von M , falls jede Umgebung von x einen nicht leeren

Durchschnitt mit M hat.(c) Der Abschluß M = cl(M) von M ist die Menge aller Beruhrpunkte von M .(d) x heißt innerer Punkt von M , falls M Umgebung von x ist.(e) Das Innere Int(M) = M ist die Menge aller inneren Punkte von M .(f) x ist ein Randpunkt von M , wenn x Beruhrpunkt von M und X \M ist.(g) Der Rand ∂M von M ist die Menge aller Randpunkte von M .(h) M ist dicht in X, wenn M = X.(i) M ist nirgends dicht, wenn Int(M) = ∅.

Da die Beweise der nachsten beiden Satze lediglich auf den Rechenregeln furKomplementbildung in Verbindung mit Durchschnitten und Vereinigungen ba-sieren, werden sie ausgelassen.

I.3.2 Satz: Fur jeden topologischen Raum (X,OX) gilt:(a) Beliebige Schnitte abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen.(b) Endliche Vereinigungen abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen.

Der folgende Satz zeigt uns, dass eine Topologie auch die Angabe der abge-schlossenen Mengen charakterisiert wird.

I.3.3 Satz: Seien X eine Menge, O ⊆ P(X) und A := {M ⊆ X | X \M ∈ O}.Dann definiert O genau dann eine Topologie auf X, wenn gilt:(a) Ist I eine Indexmenge und Ai ∈ A fur alle i ∈ I, so folgt

⋂i∈I Ai ∈ A.

(b) Sind A1, ..., An ∈ A fur n ∈ N0, so folgt⋃ni=1Ai ∈ A.

I.3.4 Definition: Eine Abbildung f : (X,OX) −→ (Y,OY ) heißt genau dannabgeschlossen, wenn fur alle abgeschlossenen Mengen A ⊆ X auch f [A] abge-schlossen ist.

I.3.5 Satz: Eine Abbildung f : (X,OX) −→ (Y,OY ) ist genau dann stetig,wenn fur alle abgeschlossenen Mengen A ⊆ Y auch f−1[A] abgeschlossen ist.

Beweis: Ist A ⊆ Y abgeschlossen, so ist nach Definition Y \A offen. Weiterhingilt:

f−1[Y \A] = f−1[Y ] \ f−1[A] = X \ f−1[A].

⇒: Ist f stetig, so ist X \ f−1[A] offen und somit f−1[A] abgeschlossen.⇐: Ist f−1[A] abgeschlossen, so ist X \ f−1[A] offen in (X,OX) und somit istf−1[Y \A] offen in (X,OX). Das bedeutet gerade, dass f stetig ist.

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Topologie I

I.4. Unterraume & endliche Produkte

I.4.1 Satz und Definition: Seien (X,OX) ein topologischer Raum, Y ⊆ Xund OY := {O ∩ Y |O ∈ OX}.Dann ist (Y,OY ) ein topologischer Raum, den wir auch Unterraum von (X,OX)nennen. OY heißt die Unterraumtopologie oder induzierte Topologie (gelegent-lich auch Spurtopologie) von Y in X.

I.4.2 Bemerkung: Seien (X,OX) ein topologischer Raum und Y ein Unter-raum von X.(a) Offensichtlich ist MY ⊆ Y eine offene Menge von Y , falls MY = MX ∩ Y

fur eine offene Menge MX ⊆ X. Offene Teilmengen von (Y,OY ) sind imAllgemeinen nicht offen in (X,OX). Dies gilt jedoch, falls Y offen in Xist. Diese Aussagen gelten entsprechend, wenn wir stets offen durch abge-schlossen ersetzen.

(b) Die Unterraumtopologie von Y ist die grobste Topologie auf Y , so dass dieInklusionsabbildung i : Y −→ X mit y 7−→ y stetig ist.

I.4.3 Lemma: Seien (X,OX) ein topologischer Raum, Y ⊆ X ein Unterraummit der Spurtopologie OY , i : Y −→ X die Inklusion und g : Z −→ Y fur einentopologischen Raum (Z,OZ).Dann ist g genau dann stetig, wenn i ◦ g : Z −→ X stetig ist.

Beweis:⇒: Ist g stetig, so folgt mit Teil (b) von Bemerkung I.4.2 die Stetigkeit von i◦g.⇐: Sei i◦g stetig. Dann gilt nach Definition der Stetigkeit, dass (i◦g)−1[O] ∈ OZfur alle O ∈ OX gilt. Weiterhin gilt

g−1[O ∩ Y ] = g−1[i−1[O]] = (i ◦ g)−1[O] ∈ OZ fur alle O ∈ OX .Da jede offene Menge von Y von der Form O ∩ Y fur ein O ∈ OX ist, ist dieStetigkeit von g gezeigt.

I.4.4 Definition: Seien (X,OX) und (Y,OY ) topologische Raume. Eine Ab-bildung f : X −→ Y heißt Einbettung von X in Y , wenn f : X → Im(f) einHomoomorphismus von X auf den Unterraum Im(f) von Y ist.

I.4.5 Satz: Seien (X,OX) und (Y,OY ) topologische Raume. Eine Abbildungf : X −→ Y ist genau dann eine Einbettung, wenn f injektiv und stetig istund f [U ] fur alle U ∈ OX offen im Unterraum Im(f) ist.

I.4.6 Satz und Definition: Seien (X,OX), (Y,OY ) topologische Raume. DieProdukttopologie OX×Y auf dem kartesischen Produkt X × Y ist die durch dasMengensystem

BX×Y := {U × V | U ∈ OX , V ∈ OY }

definierte Topologie mit Basis BX×Y . Wir nennen (X × Y,OX×Y ) das Produktvon (X,OX) und (Y,OY ) und schreiben dafur auch kurz X × Y .

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

Beweis: Man rechnet nach, dass die Bedingungen an das Mengensystem BX×Yaus Satz und Definition I.1.6 erfullt sind.

I.4.7 Bemerkung: Damit haben wir auch endliche Produkte von topologischenRaumen durch wiederholtes Anwenden von Satz und Definition I.4.6 definiert.Die Konstruktion ist in folgendem Sinn mit der Konstruktion eines Produktsendlich vieler metrischer Raume vertraglich. Sind (X, dX) und (Y, dY ) metri-sche Raume, so kann auf dem kartesischen Produkt X×Y eine Produktmetrik ddefiniert werden. Eine mogliche Definition ist

d((x1, y1), (x2, y2)) := max{dX(x1, x2), dY (y1, y2)},

wobei andere Wahlen, die aquivalente Metriken liefern, genauso gut sind. Wirkonnen nun die von der gewahlten Produktmetrik d induzierte Topologie mit derin Definition I.4.6 definierten Produkttopologie der von den Metriken induzier-ten Topologien vergleichen. Es stellt sich heraus, dass beide Topologien gleichsind. Fur eine endliche Indexmenge I kommutiert somit das Diagramm:

(Xi, di) fur i ∈ Imetrischer Raum

von Metrik

ind. Topologie///o/o/o/o/o/o/o

Produktbilden

���O�O�O

(Xi,OXi) fur i ∈ Itopologischer Raum

Produktbilden�� �O

�O�O

(∏i∈I Xi,

∏i∈I di)

metrischer Raumvon Metrik

ind. Topologie///o/o/o/o/o/o/o

(∏i∈I Xi,OQ

i∈I Xi)

topologischer Raum

Wir bemerken, dass diese Konstruktion insbesondere das Produkt Rn × Rm alsSpezialfall enthalt, wobei naturlich statt obiger Metrik die aquivalente Metrik

d((x1, y1), (x2, y2)) =√dX(x1, x2)2 + dY (y1, y2)2

gewahlt wird, wenn auf die euklidische Struktur wert gelegt wird.Ist I abzahlbar, so definieren wir auf dem abzahlbar-unendlichen kartesischenProdukt

∏i∈I Xi folgende Metrik:

dI((xi)i∈I , (yi)i∈I

):=

∞∑i=0

di(xi, yi)2i+1(1 + di(xi, yi))

.

Wir haben somit auch eine Topologie OI auf Πi∈IXi, die von der Metrik dIinduziert ist. Im nachsten Abschnitt werden wir eine Produkttopologie O auf∏i∈I Xi fur beliebige Indexmengen I und beliebige topologische Raume (Xi,Oi)

definieren. Diese Produkttopologie O hat die Eigenschaft, dass sie mit der vonder Metrik d auf

∏i∈I Xi induzierten Topologie OI ubereinstimmt, so lange die

Menge I endlich oder abzahlbar ist und die induzierten Topologien zu (Xi, di)betrachtet werden. Es gilt sogar, dass das kartesische Produkt

∏i∈I Xi (verse-

hen mit der zu definierenden Produkttopologie) metrisierbarer Raume Xi genaudann metrisierbar ist, wenn I endlich oder abzahlbar ist, [2, Korollar 10.18]. InKapitel 10 von [2] finden sich weitere sogenannte Metrisationssatze, die Krite-rien an die Hand geben, wann ein topologischer Raum metrisierbar ist.

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Topologie I

I.4.8 Lemma: Fur topologische Raume (X,OX) und (Y,OY ) ist

S := {O × Y | O ∈ OX} ∪ {X ×O | O ∈ OY }

eine Subbasis der Produkttopologie OX×Y auf X × Y .

I.4.9 Lemma: Fur topologische Raume (X,OX) und (Y,OY ) seien

p1 : X × Y −→ X und

(x, y) 7−→ x

p2 : X × Y −→ Y

(x, y) 7−→ y

die kanonischen Projektionen. Dann ist die Produkttopologie OX×Y auf X × Ydie grobste Topologie, so dass p1 und p2 stetig sind. Weiterhin sind die kanoni-schen Projektionen offen.

I.4.10 Satz: Fur topologische Raume (X,OX) und (Y,OY ) ist die Produktto-pologie OX×Y die feinste Topologie auf X × Y , so dass fur alle topologischenRaume (Z,OZ) und alle stetigen Abbildungen f : Z −→ X und g : Z −→ Y dieAbbildung (f, g) : Z −→ X × Y mit (f, g)(z) = (f(z), g(z)) stetig ist.

Beweis: Wir zeigen, dass die Produkttopologie diese Eigenschaft besitzt und dieeinzige Topologie mit dieser Eigenschaft ist.1. (X × Y,OX×Y ) hat diese Eigenschaft:

Nach Satz I.2.3 genugt es, Urbilder einer Subbasis von X×Y zu betrachten.Nach Lemma I.4.8 konnen wir O× Y mit O ∈ OX oder X ×O mit O ∈ OYwahlen. O.B.d.A. betrachten wir O × Y mit O ∈ OX . Nun ist

(f, g)−1[O × Y ] = f−1[O]

offen, da f stetig ist.2. Sei O eine von OX×Y verschiedene Topologie auf X × Y , so dass die Abbil-

dung (f, g) stetig ist. Betrachte die Identitatsabbildung

Id : (X × Y,OX×Y ) −→ (X × Y,O)(x, y) 7−→ (x, y).

Nach Lemma I.4.9 sind die Abbildungen p1 : (X × Y,OX×Y ) −→ (X,OX)und p2 : (X × Y,OX×Y ) −→ (Y,OY ) stetig. Da Id = (p1, p2) gilt, ist Idstetig. Nach Lemma I.2.5 ist die Topologie OX×Y somit feiner als O.

I.4.11 Korollar: Fur beliebige topologische Raume (X,OX) und (Y,OY ) istdie Produkttopologie OX×Y die einzige Topologie auf X × Y , so dass gilt:(a) Die kanonischen Projektionen auf die Faktoren X und Y sind stetig.(b) Fur einen beliebigen topologischen Raum (Z,OZ) und beliebige stetige Abbil-

dungen f : Z −→ X und g : Z −→ Y ist die Abbildung (f, g) : Z −→ X×Ymit z 7−→ (f(z), g(z)) stetig.

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

I.5. Konstruktion weiterer topologischer Raume:Initialtopologie

I.5.1 Definition: Seien X und I Mengen. Weiter seien fur i ∈ I topologischeRaume (Yi,Oi) und Abbildungen fi : X −→ Yi gegeben. Eine Topologie T auf Xheißt Initialtopologie bzgl. (fi)i∈I , falls fur jeden topologischen Raum (Z,OZ)und jede Abbildung g : Z −→ X gilt:

Die Abbildung g : Z −→ X ist genau dann stetig, wenn fur jedes i ∈ Idie Abbildung fi ◦ g : Z −→ Yi stetig ist.

Wir notieren dies schematisch wie folgt

(Z,OZ)g //

fi◦g %%KKKKKKKKKK(X, T )

fi

��(Yi,Oi)

und sagen, dass obiges Diagramm kommutiert.

I.5.2 Beispiel:(a) Ist (X,O) ein topologischer Raum und Y ⊆ X, so ist die Unterraumtopo-

logie auf Y aus Definition I.4.1 eine Initialtopologie bezuglich der Inklusi-onsabbildung i : Y −→ X (hier ist also |I| = 1). Dies ist gerade die Aussagevon Lemma I.4.3.

(b) Fur topologische Raume (X,OX) und (Y,OY ) ist die Produkttopologie OX×Yvon X×Y aus Definition I.4.6 die Initialtopologie bezuglich der kanonischenProjektionen p1 : X×Y −→ X und p2 : X×Y −→ Y . Das folgt aus der Aus-sage von Korollar I.4.11. Eine entsprechende Ausssage gilt naturlich fur dieiterierte Produkttopologie von (Xi,Oi)i∈I wobei I eine endliche Indexmengeist.

(c) Das reziproke Bild der Topologie OY von Y bezuglich f : X −→ Y ist diegrobste Topologie OX auf X, fur die f stetig ist. OX besteht offenbar genauaus den Urbildern f−1[O] fur O ∈ OY . Dies ist ein weiteres Beispiel fureine Initialtopologie wie Satz I.5.3 zeigt.

Der folgende Satz garantiert uns, dass die Abbildungen fi, die zur Definitionder Initialtopologie benotigt werden, aus topologischer Sicht immer stetige Ab-bildungen sind. Damit folgt aus der Stetigkeit einer Abbildung g : Z −→ Xnaturlich sofort die Stetigkeit der Abbildungen fi ◦ g fur alle i ∈ I. Der Satzgeht aber daruber hinaus, da er uns sagt, dass die Initialtopologie die grobsteTopologie ist, bezuglich der alle fi stetig sind. Dies ermoglicht uns den Ruck-schluß auf die Stetigkeit von g aus der Stetigkeit der fi und der fi ◦ g. Denn imAllgemeinen folgt aus der Stetigkeit der fi : X −→ Yi und der fi ◦ g : Z −→ Yinicht die Stetigkeit von g : Z −→ X.

I.5.3 Satz: Existiert eine Initialtopologie T auf X bezuglich der Abbildun-gen (fi)i∈I , so ist T die grobste Topologie auf X bezuglich der jede Abbildungfi : X −→ Yi mit i ∈ I stetig ist. Insbesondere ist T eindeutig bestimmt.

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Topologie I

Beweis: Die Stetigkeit von fi : X −→ Yi fur i ∈ I ist einfach nachzuweisen.Wahle (Z,OZ) = (X, T ) und g = id : X −→ X.

Um zu zeigen, dass T die grobste Topologie mit der genannten Eigenschaft ist,nehmen wir an, dass eine Topologie O auf X existiert, fur die jedes fi : X −→ Yistetig ist. Sei g : (X,O) −→ (X, T ) die Identitat g(x) = x. Nach Wahl von Oist nun fi ◦ g fur alle i ∈ I stetig, somit ist g stetig, da T die Initialtopologiebezuglich (fi)i∈I ist. Damit ist nach Lemma I.2.5 O feiner als T .

I.5.4 Satz: Seien X eine Menge, I eine Indexmenge, (Yi,Oi)i∈I topologischeRaume und fi : X −→ Yi Abbildungen fur jedes i ∈ I. Setze

S :={f−1i [O]

∣∣ O ⊆ Yi offen}

.

Dann ist

OX :={M ⊆ X

∣∣∣∣M ist beliebige Vereinigung endlicherDurchschnitte von Elementen aus S

}eine Topologie auf X mit Subbasis S. Insbesondere ist OX Initialtopologie vonX bezuglich (fi)i∈I .

Beweis: Dass OX eine Topologie auf X definiert rechnet man leicht nach: Of-fensichtlich ist

⋃k∈K Ok ∈ OX , falls K eine Indexmenge und Ok ∈ OX fur alle

k ∈ K. Ebenso ist⋂ni=1Oi ∈ OX klar, falls n ∈ N und Oi ∈ OX fur i ∈ {1, ..., n}.

Der triviale Schnitt⋂i∈∅Oi liegt in OX , da

⋂i∈∅Oi = X = f−1

k [Y ] fur belie-biges k ∈ I gilt.

Wir zeigen nun, dass OX die Initialtopologie auf X bezuglich (fi)i∈I ist.⇐: Sei (Z,OZ) ein topologischer Raum und g : Z −→ X eine Abbildung. Ist gstetig, so folgt die Stetigkeit von fi ◦ g fur alle i ∈ I aus Bemerkung I.2.2, danach Definition von OX die Abbildung fi fur jedes i ∈ I stetig ist.

⇒: Sei nun fi ◦ g fur jedes i ∈ I stetig. Dann existiert fur S ∈ S ein i0 ∈ I undO ∈ Oi0 mit S = f−1

i [O]. Nun folgt aus der Stetigkeit von fi0 ◦ g:

g−1[S] = g−1[f−1i0

[O]] = (fi0 ◦ g)−1[O] ∈ OZ .

Nach Satz I.2.3 ist dann g stetig.

I.5.5 Definition:

(a) Fur beliebige Mengen I und Mi, i ∈ I, ist das kartesische Produkt∏i∈IMi :=

{x : I −→

⋃i∈IMi

∣∣ x(i) ∈Mi fur alle i ∈ I}

.

Hierbei bezeichnet⋃i∈IMi die Vereinigung der Mengen. Ein Element von∏

i∈IMi schreiben wir oft als (xi)i∈I . Ist Ai ⊆ Mi, so schreiben wir auch∏i∈I Ai fur

{(xi) ∈

∏i∈IMi

∣∣ x(i) ∈ Ai fur alle i ∈ I}

. Gilt Mi = M furalle i ∈ I, so ist es weit verbreitet M I statt

∏i∈IM zu schreiben.

(b) Fur das kartesische Produkt∏i∈I Xi definieren wir zu jedem i ∈ I eine

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

kanonische Projektion

pi :∏k∈I

Xk −→ Xi

(xk)k∈I 7−→ xi

(c) Das kartesische Produkt∏i∈I Xi topologischer Raume (Xi,Oi) versehen

mit der Initialtopologie T bezuglich der kanonischen Projektionen wird Pro-duktraum der (Xi,Oi) genannt. Die Topologie T wird auch Produkttopolo-gie genannt. Wir schreiben fur den Produktraum

∏i∈I(Xi,Oi) verkurzend∏

i∈I Xi. Ist I = {1, 2, ..., n} eine endliche Indexmenge, so schreiben wirwie in I.4.6 auch X1 × ...×Xn statt

∏i∈I Xi.

I.5.6 Lemma: Seien I eine beliebige Indexmenge und (Xi,Oi), i ∈ I topologi-sche Raume. Dann ist

S :={∏

i∈I Oi

∣∣∣∣ Oi ∈ Oi fur alle i ∈ I und es existiertein k ∈ I, so dass O` = X` fur ` ∈ I \ {k}

}eine Subbasis und

B :={∏

i∈I Oi

∣∣∣∣ Oi ∈ Oi fur alle i ∈ I undOk = Xk fur fast alle k ∈ I

}eine Basis der Produkttopologie von

∏i∈I Xi.

Beweis: Ist pk :∏i∈I Xi −→ Xk die kanonische Projektion auf den k-ten Faktor

und O ∈ Ok, so ist

p−1k [O] =

∏i∈I Oi mit Oi =

{O, i = k,

Xj , sonst.

Dieses Mengensystem ist gerade S und bildet nach Satz I.5.4 eine Subbasis derInitialtopologie. Jedes Element von B lasst sich als endlicher Durchschnitt vonElementen aus S schreiben und jeder endliche Schnitt von Elementen aus S istoffensichtlich in B.

I.5.7 Bemerkung:(a) Die Elemente der in Lemma I.5.6 beschriebenen Basis B werden auch Ele-

mentarmengen der Produkttopologie genannt.(b) Die kanonische Projektion pi ist fur alle i ∈ I offen.(c) ”fast alle“ in der Beschreibung von B bedeutet ”alle bis auf endlich viele“.(d) Gilt Oi 6= Xi und Oi ∈ Oi fur alle i ∈ I, so ist

∏i∈I Oi keine offene Menge

in der Produkttopologie von∏i∈I Xi.

(e) Auf dem kartesischen Produkt∏i∈I Xi von topologischen Raumen (Xi,Oi)

konnen wir selbstverstandlich das Mengensystem

B :={∏

i∈I Oi∣∣ Oi ∈ Oi fur alle i ∈ I

}betrachten. Es gibt genau eine Topologie O, die das Mengensystem B alsBasis besitzt, diese Topologie wird auch Boxtopologie der Xi genannt. Of-

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Topologie I

fentsichtlich sind Produkttopologie und Boxtopologie im Allgemeinen ver-schieden.

I.5.8 Satz: Sei I eine Indexmenge. Weiter seien fur alle i ∈ I topologischeRaume (Xi,Oi) und (Yi, Ti) mit Xi 6= ∅ und Abbildungen fi : Xi −→ Yi gegeben.Die Abbildung

f :∏i∈I Xi −→

∏i∈I Yi

mit (xk)i∈I 7−→ (fi(xi))i∈I ist genau dann stetig, wenn alle fi stetig sind.

Beweis: Bezeichnen wir fur i ∈ I die kanonischen Projektionen mit

pi :∏i∈I Xi −→ Xi und qi :

∏i∈I Yi −→ Yi,

so erhalten wir das folgende kommutative Diagramm:∏i∈I(Xi,Oi)

f //

fi◦pk

qk◦f

((PPPPPPPPPPPPpk

��

∏i∈I(Yi, Ti)

qk��

(Xk,Ok)fk

// (Yk, Tk)

⇒: Ist f stetig, so ist auch qk ◦ f stetig, da die kanonischen Projektionen stetigsind. Wegen fk ◦ pk = qk ◦ f ist somit fur O ∈ Tk auch pk

[(qk ◦ f)−1[O]

]∈ Ok,

da pk offen ist. Damit ist fk stetig.⇐: Ist fi fur alle i ∈ I stetig, so ist auch fk ◦ pk fur alle k ∈ I stetig. Ausqk ◦ f = fk ◦ pk und der Definition der Produkttopologie auf

∏i∈I Yi folgt nun,

dass f stetig ist.

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

I.6. Erste Eigenschaften: Zusammenhangsbegriffe

I.6.1 Definition:(a) Ein topologischer Raum (X,OX) heißt zusammenhangend, wenn X und ∅

die einzigen offen und abgeschlossen Mengen der Topologie OX sind.(b) Eine Teilmenge A ⊆ X von (X,OX) heißt zusammenhangend, wenn sie

bezuglich der induzierten Topologie zusammenhangend ist.

I.6.2 Bemerkung: Eine aquivalente Charakterisierung zusammenhangenderRaume ist offensichtlich die folgende Aussage:

Ein topologischer Raum (X,OX) ist zusammenhangend, wenn sich Xnicht als disjunkte Vereinigung von zwei offenen und nicht leerenMengen darstellen lasst.

In Definition I.6.1 sind die Begriffe offen und abgeschlossen gleichwertig. Diegerade formulierte Charakterisierung andert sich nicht, falls ”offen“ durch ”ab-geschlossen“ ersetzt wird. An einer Zerlegung X = A t B des nicht zusam-menhangenden Raumes (X,OX) in nicht leere, offene und disjunkte Mengen Aund B sehen wir, dass die Topologie OX vollstandig durch die Spurtopologienauf A und B bestimmt wird. Eine Teilmenge O ⊆ X ist genau dann offen, fallsO∩A in A und O∩B in B offen sind. Aussagen uber die Topologie von X lassensich also aus den Spurtopologien von A und B rekonstruieren. Man betrachtetdeshalb oft A und B einzeln oder macht Aussagen uber zusammenhangendeRaume, wenn man aus diesen die Aussagen fur nicht zusammenhangende re-konstruieren kann.

I.6.3 Beispiele:(a) (X, {∅, X}) ist zusammenhangend.(b) (X,Odis) ist genau dann zusammenhangend, wenn X nur aus einem Punkt

besteht.(c) R \ {0} mit der Spurtopologie von (R,Onat) ist nicht zusammenhangend,

denn R\{0} = ]−∞; 0[ ∪ ]0;∞[ ist eine disjunkte Zerlegung in nicht leere,offene Mengen.

(d) Offene Intervalle I = ]a; b[ ⊂ (R,Onat) sind zusammenhangend.Beweis (durch Widerspruch): Angenommen I =]a; b[ ware nicht zusammen-hangend. Dann existieren disjunkte Mengen O1, O2 ∈ Onat mit

O1 ∩ I = U 6= ∅, O2 ∩ I = V 6= ∅ und I = U ∪ V .

Ohne Beschrankung der Allgemeinheit konnen wir u ∈ U und v ∈ V mitu < v annehmen. Setzen wir S := {s ∈ I | [u; s] ⊂ U} und s0 := supS, sogilt entweder s0 ∈ U oder s0 ∈ V . Wir unterscheiden nun diese Falle.s0 ∈ U : Dann existiert ε > 0 mit [s0 − ε; s0 + ε] ⊂ U , dies widersprichtder Supremumseigenschaft von s0.(s0 ∈ V ): Dann existiert ε > 0 mit [s0 − ε; s0 + ε] ⊂ V , dies widersprichtder Supremumseigenschaft von s0.

I.6.4 Proposition: Sei (X,OX) ein topologischer Raum. Ist A ⊂ X zusam-menhangend, dann ist jedes B ⊂ X mit A ⊆ B ⊆ A zusammenhangend.

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Topologie I

Beweis: Angenommen ein solches B ware nicht zusammenhangend. Dann gabees in X offene Mengen O1 und O2 mit

(B ∩O1) ∪ (B ∩O2) = B, B ∩O1 ∩O2 = ∅ und B ∩Oi 6= ∅

fur i ∈ {1, 2}. Dann folgt

(A ∩O1) ∪ (A ∩O2) = A und A ∩O1 ∩O2 = ∅.

Fur b1 ∈ B ∩ O1 und b2 ∈ B ∩ O2 gilt nach Voraussetzung b1, b2 ∈ A. Folglichgilt fur alle O ∈ OX mit bi ∈ O auch O ∩ A 6= ∅, i ∈ {1; 2}. Insbesondere giltOi ∩A 6= ∅ und es folgt, dass A nicht zusammenhangend ist.

I.6.5 Korollar: Sei (X,OX) ein topologischer Raum. Ist A ⊆ X dicht undzusammenhangend, so ist X zusammenhangend.

I.6.6 Satz: Ist X zusammenhangend und f : X −→ Y stetig, dann ist f [X]zusammenhangend.

Beweis: Angenommen f [X] ware nicht zusammenhangend. Dann gabe es in OYoffene Mengen O1 und O2 mit

O1 ∩O2 ⊃ f [X], Oi ∩ f [X] 6= ∅ und O1 ∩O2 ∩ f [X] = ∅.

Dann sind f−1[O1] und f−1[O2] nicht leer, disjunkt und offen in X. Weiter giltf−1[O1] ∪ f−1[O2] = X.

I.6.7 Satz (verallgemeinerter Zwischenwertsatz):Seien (X,OX) zusammenhangend und f : X −→ R stetig, wobei R mit dernaturlichen Topologie Onat versehen sei. Fur beliebige a, c ∈ f [X] mit a < cund jedes b mit a < b < c gilt dann b ∈ f [X].

Beweis: Nach Beispiel I.6.3 und Proposition I.6.4 sind alle offenen, halboffenenund abgeschlossenen Intervalle von (R,Onat) zusammenhangend. Weiterhin gilt,dass dies alle zusammenhangenden Teilmengen von (R,Onat) sind, die mindes-tens zwei Punkte enthalten (siehe Ubungsaufgaben). Die Behauptung folgt nunmit Satz I.6.6.

I.6.8 Satz: Seien (X,OX) ein topologischer Raum und M ⊆ P(X). Ist jedesM ∈M zusammenhangend, gilt

⋃M∈MM = X und sind die Elemente von M

paarweise nicht disjunkt, so ist X zusammenhangend.

Beweis: Sei A ⊆ X offen und abgeschlossen. Dann ist A ∩M in M offen undabgeschlossen fur alle M ∈M. Angenommen A 6= ∅. Dann gibt es ein M ∈Mmit A ∩M 6= ∅ und da M zusammenhangend ist, folgt A ∩M = M . Nun giltfur beliebiges M ′ ∈M sowohl M ′ ∩M = ∅ als auch M ′ ∩M ⊂M ′ ∩A. Damitgilt aber wie eben M ′ ∩A = M ′. Insgesamt folgt somit A = X.

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

I.6.9 Korollar: Seien Mi zusammenhangende Teilmengen des topologischenRaums (X,OX) fur alle i ∈ I, so dass

⋂i∈IMi 6= ∅. Dann ist auch

⋃i∈IMi

zusammenhangend.

Wir wollen nun zeigen, dass der Produktraum zusammenhangender Raume wie-der zusammenhangend ist.

I.6.10 Satz: Sei X =∏i∈I Xi der Produktraum der topologischen Raume

(Xi,Oi) fur ein Indexmenge I. Dann ist X genau dann zusammenhangend,wenn Xi fur jedes i ∈ I zusammenhangend ist.

Beweis:⇒: Ist X zusammenhangend, so folgt fur jedes i ∈ I aus der Stetigkeit derkanonischen Projektion pi : X −→ Xi mit Hilfe von Satz I.6.6, dass Xi zusam-menhangend ist.⇐: Seien nun alle Xi zusammenhangend und a = (ai)i∈I ∈ X. Setze

Z :={z = (zi)i∈I

∣∣∣∣ Es gibt eine zusammenhangendeMenge in X, die a und z enthalt

}.

Ist Z zusammenhangend und liegt Z dicht in X, so folgt die Behauptung ausKorollar I.6.5. Betrachte dazu eine Elementarmenge U des Produktraums X,mit anderen Worten

U =⋂k∈K p

−1k (Uk)

fur eine endliche Teilmenge K ⊆ I und geeignete Uk ∈ Ok. Seien nun bk ∈ Uk furalle k ∈ K. Ohne Beschrankung der Allgemeinheit konnen wir K = {1, 2, ..., n}annehmen. Nun setze

E1 :={

(xi) ∈ X∣∣∣∣ x1 ∈ X1 undxi = ai fur i ∈ I \ {1}

}E2 :=

{(xi) ∈ X

∣∣∣∣ x1 = b1, x2 ∈ X2 undxi = ai fur i ∈ I \ {1, 2}

}...

En :=

(xi) ∈ X

∣∣∣∣∣∣xi = bi fur 1 ≤ i < n

xn ∈ Xn undxi = ai fur i ∈ I \K

Nun ist Ei zusammenhangend, da fur jedes i ∈ K die Raume Ei und Xi

homoomorph sind. Weiterhin gilt Ei∩Ei+1 6= ∅. Somit folgt aus Korollar I.6.9,dass E :=

⋃k∈K Ek zusammenhangend ist.

Da a ∈ E gilt, folgt E ⊆ Z. Nun gilt E ∩ U 6= ∅ und somit auch Z ∩ U 6= ∅.Also hat Z nicht leeren Durchschnitt mit jeder Elementarmenge U von X, aberdas heißt gerade, dass E = X und X nach Proposition I.6.4 zusammenhangendist.

I.6.11 Definition: Seien (X,OX) ein topologischer Raum und x ∈ X. Dannheißt

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Topologie I

Kx :={x ∈ X

∣∣∣∣ Es existiert eine zusamenhangendeMenge M ⊆ X mit x, x ∈ X

}Zusammenhangskomponente von x.

I.6.12 Satz: Seien (X,OX) ein topologischer Raum und x, y ∈ X. Dann gilt:(a) Zu jeder zusammenhangende Menge M ⊆ X gibt es eine Zusammenhangs-

komponente Z mit M ⊆ Z.(b) Jede Zusammenhangskomponente ist nicht leer.(c) X ist disjunkte Vereinigung seiner Zusammenhangskomponenten:

X =⋃x∈X Kx und entweder gilt Kx = Ky oder Kx ∩Ky = ∅.

(d) Kx ist zusammenhangend und abgeschlossen.(e) Fur alle offenen und abgeschlossenen M ⊆ X und x ∈M gilt: Kx ⊆M .(f) Kx ⊆

⋂M⊆X

Moffen&abg.M .

Beweis:(a) – (c) Man rechnet nach, dass

x ∼ y :⇐⇒ Es gibt eine zusammenhangende Menge M mit x, y ∈M .

eine Aquivalenzrelation ist. Die Aussagen folgen aus der Tatsache, dass dieZusammenhangskomponenten genau die Aquivalenzklassen dieser Aquiva-lenzrelation sind.

(d) Kx ist zusammenhangend:Der Zusammenhang von Kx folgt mit Korollar I.6.9 aus

Kx =⋃

M⊆X

M zsh.M .

Kx ist abgeschlossen:Da nach Proposition I.6.4 mit Kx auch Kx zusammenhangend ist, folgtsofort Kx = Kx.

(e) Angenommen, dass x ∈ M , M offen und abgeschlossen in (X,OX) undM ⊂ Kx gilt. Dann sind entweder M und Kx \M offen und abgeschlossenoder M ist leer. Somit ist Kx nicht zusammenhangend.

(f) Die Behauptung folgt aus (e).

I.6.13 Beispiele:(a) Die Zusammenhangskomponenten von R \ {0} sind ]−∞; 0[ und ]0;∞[.(b) Fur i ∈ N betrachte die Strecken

si :={(

1iy

) ∣∣∣∣ 0 ≤ y ≤ 1}

.

Mit deren Hilfe definieren wir den Unterraum

X := {( 00 ) ; ( 0

1 )} ∪⋃i∈N si

von (R2,Onat). Die Strecken si sind offen und abgeschlossen in X und da-mit zusammenhangend. Weiterhin gilt

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

K( 00 ) = {( 0

0 )} und K( 01 ) = {( 0

1 )}.Allerdings ist weder K( 0

0 ) noch K( 01 ) offen in X.

Sei nun M ⊆ X offen und abgeschlossen mit ( 00 ) ∈M . Dann schneidet M

fast alle Strecken si, da M offen ist. Nach Satz I.6.12(e) enthalt M allediese Strecken si. Der Punkt ( 0

1 ) ist damit Beruhrpunkt von M in X undfolglich gilt ( 0

1 ) ∈M . Damit ist

K( 00 ) 6=

⋂M⊆X

M offen & abg.M

gezeigt.

I.6.14 Definition: Seien (X,OX) ein topologischer Raum und I = [0; 1] derUnterraum von (R,Onat).(a) Eine stetige Abbildung f : I −→ X heißt Weg in X. Der Anfangspunkt von

f ist f(0) und der Endpunkt von f ist f(1). Ein Weg heißt geschlossen (oderauch Schlaufe oder Schleife), falls Anfangs- und Endpunkt ubereinstimmen.Ist f ein Weg mit Anfangspunkt x und Endpunkt y, so sprechen wir auchvon einem ”Weg von x nach y“.

(b) Der Raum X heißt wegzusammenhangend, falls fur alle x, y ∈ X ein Weg fmit Anfangspunkt x und Endpunkt y existiert.

(c) Die Menge

Kwx = {x ∈ X | Es existiert ein Weg von x nach x}

heißt Wegzusammenhangskomponente von x.

I.6.15 Satz: Jeder wegzusammenhangende topologische Raum (X,OX) ist auchzusammenhangend.

Beweis: Seien x, y ∈ X beliebig. Dann gibt es einen Weg ω : I −→ X von xnach y. Da nach Beispiel I.6.3(d) und Proposition I.6.4 der Raum I zusam-menhangend ist, ist nach Satz I.6.6 auch ω[I] zusammenhangend. Somit isty ∈ Kx gezeigt und X besteht aus einer Wegzusammenhangskomponente.

I.6.16 Beispiele:(a) (X,Oind) ist stets wegzusammenhangend.(b) Ubungsaufgaben

I.6.17 Definition: Sei (X,OX) ein topologischer Raum.(a) Der Raum X ist lokal zusammenhangend, wenn es zu jedem Punkt x ∈ X

und jeder Umgebung U von x eine zusammenhangende Umgebung V von xmit V ⊆ U gibt.

(b) Der Raum X ist lokal wegzusammenhangend, wenn zu jedem Punkt x ∈ Xund jeder Umgebung U von x eine wegzusammenhangende Umgebung Vvon x mit V ⊆ U gibt.

I.6.18 Beispiele:(a) R ist lokal zusammenhangend, Q ist nicht lokal zusammenhangend.

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Topologie I

(b) Fur n ∈ N setze

Sn :={(

xy

)∈ R2

∣∣∣∣ 0 ≤ x ≤ t undnx+ y = 1

}und betrachte

X :=⋃n∈N Sn ∪

{(0y

)∈ R2

∣∣ 0 ≤ y ≤ 1}.

Dann ist X wegzusammenhangend aber nicht lokal zusammenhangend, dajede Umgebung von

(0

12

)fast alle Sn trifft. Weiterhin ist X \ {( 0

1 )} nichtzusammenhangend, aber

⋃n∈N Sn ist lokal (weg-)zusammenhangend!

I.6.19 Satz: Die Wegzusammenhangskomponenten eines lokal wegzusammen-hangenden topologischer Raumes (X,OX) sind offen und abgeschlossen und ent-sprechen genau den Zusammenhangskomponenten.

Beweis: Sei Kwx die Wegzusammenhangskomponente von x ∈ X. Dann existie-

ren fur jedes y ∈ Kwx ein Weg von x nach y und eine wegzusammenhangende

Umgebung Uy von y. Insbesondere gibt es eine offene Menge Oy mit Oy ⊆ Uyund y ∈ Oy. Damit gilt auch Oy ⊆ Kw

x , da es fur jeden Punkt z ∈ Oy einenWeg (in Uy aber nicht unbedingt in Oy!) von y nach z gibt und dieser mit einemWeg von x nach y zu einem Weg von x nach z kombiniert werden kann. Mitdiesen Oy gilt dann aber ⋃

y∈KwxOy = Kw

x .

Damit ist Kwx als offen nachgewiesen.

Definiere nun eine Relation ∼w auf X:

x ∼w y ⇐⇒ Es existiert ein Weg von x nach y in X.

Es ist leicht nachzurechnen, dass ∼w auf X eine Aquivalenzrelation auf X istund die Aquivalenzklassen genau die Wegzusammenhangskomponenten von Xsind. Nun ist X \ Kw

x =⋃y∈X\Kw

xKwy als Vereinigung offener Mengen offen.

Damit ist gezeigt, dass Kwx abgeschlossen ist.

Nach Satz I.6.19 sind die Wegzusammenhangskomponenten zusammenhangend.Da die Wegzusammenhangskomponenten als Aquivalenzklassen bezuglich ∼wpaarweise disjunkt sind, folgt, dass jede Zusammenhangskomponente eine di-junkte Vereinigung von Wegzusammenhangskomponenten ist. Da eine Zusam-menhangskomponente Z zusammenhangend ist und die Wegzusammenhangs-komponenten offen und abgeschlossen in X und Z sind (Z ist abgeschlossenin X!) sind, kann Z nur die disjunkte Vereinigung einer Wegzusammenhangs-komponente sein.

I.6.20 Korollar: Jeder zusammenhangende und lokal wegzusammenhangendetopologische Raum ist wegzusammenhangend.

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

I.7. Weitere Eigenschaften: hausdorffsch & kompakt

Eine Eigenschaft, die fur metrische Raume selbstverstandlich ist und die wiroft wie selbstverstandlich benutzen wollen, gilt in topologischen Raumen nichtimmer:

I.7.1 Definition: Ein topologischer Raum (X,OX) ist ein Hausdorff-Raum,hausdorffsch oder auch T2-Raum, wenn fur je zwei Elemente x1, x2 ∈ X mitx1 6= x2 stets offene Mengen O1 und O2 existieren, die xi ∈ Oi, i ∈ {1, 2}, undO1 ∩O2 = ∅ erfullen.

I.7.2 Bemerkung:(a) Das T in T2 steht fur Trennungseigenschaft oder Trennungsaxiom, die 2

deutet an, dass wir noch weitere Trennungseigenschaften/ -axiome sehenwerden...

(b) Metrisierbare topologische Raume X sind stets hausdorffsch. Fur x, y ∈ Xmit x 6= y gilt d(x, y) > 0. Sei nun D := d(x, y) und betrachte die offenenBalle um x und y mit Radius D

3 . Fur diese gilt:

BD3

(x) ∩ BD3

(y) = ∅.

(c) Jeder indiskrete Raum (X,Oind), der mindestens zwei Elemente enthalt, istnicht hausdorffsch.

I.7.3 Satz: Das Produkt X × Y der T2-Raume X und Y ist ein T2-Raum.

Beweis: Seien (X,OX) und (Y,OY ) hausdorffsch und (x, y), (x′, y′) ∈ X × Yverschieden. Dann ist x 6= x′ oder y 6= y′. Ohne Beschrankung der Allgemeinheitsei x 6= x′. Folglich gibt es offene Mengen O ∈ OX und O′ ∈ OX mit x ∈ O,x′ ∈ O′ und O∩O′ = ∅. Nun sind aber auch O×Y und O′×Y disjunkt, wobeidie erste Menge eine offene Umgebungen von (x, y) und die zweite Menge eineoffene Umgebung von (x′, y′) in X × Y ist.

I.7.4 Satz: Fur einen topologischen Raum (X,OX) sind aquivalent:(a) X ist hausdorffsch.(b) Die Diagonale ∆X = { (x, x) | x ∈ X} ist in X ×X abgeschlossen.

Beweis: Ein topologischer Raum X ist genau dann ein T2-Raum, wenn fur allePunkte (x1, x2) ∈ X × X \ ∆ Umgebungen U1 ∈ U(x1) und U2 ∈ U(x2) mitU1 ∩ U2 = ∅ existieren.Gilt dies, so existiert auch eine offene Umgebung U1 × U2 von (x1, x2) mitU1 × U2 ∩∆ = ∅. Es folgen (x1, x2) /∈ ∆ und ∆ = ∆, also ist ∆ abgeschlossen.

Sei nun ∆ abgeschlossen. Fur x1, x2 ∈ X mit x1 6= x2 gilt (x1, x2) /∈ ∆. Dannexistiert eine offene Umgebung U × V von (x1, x2) mit U × V ∩ ∆ = ∅. DieUmgebungen U von x1 und V von x2 sind folglich offen und disjunkt. Somitist X hausdorffsch.

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Topologie I

I.7.5 Definition: Seien (X,OX) ein topologischer Raum und M,M′ ⊆ P(X).(a) Das Mengensystem M heißt Uberdeckung von X, falls

⋃M∈MM = X. Es

ist eine offene Uberdeckung von X, falls M eine Uberdeckung von X istund M⊆ OX .

(b) Das MengensystemM′ ist eine Teiluberdeckung der UberdeckungM von X,falls M′ eine Uberdeckung von X ist und M′ ⊆M.

I.7.6 Definition: Sei (X,OX) ein topologischer Raum.(a) Der Raum X heißt quasikompakt, falls jede offene Uberdeckung von X eine

endliche Teiluberdeckung besitzt.(b) Der Raum X heißt kompakt, falls X quasikompakt und hausdorffsch ist.(c) Eine Teilmenge A ⊆ X heißt quasikompakt bzw. kompakt, falls der Unter-

raum A quasikompakt bzw. kompakt ist.(d) Ein Unterraum A ⊆ X heißt relativ kompakt, falls A kompakt ist.

I.7.7 Bemerkung: Der Kompaktheitsbegriff wird in der Literatur nicht ein-heitlich definiert. Einige Autoren nennen Raume kompakt, die in unserer Be-griffsbildung lediglich quasikompakt sind. Genaues Lesen ist also angebracht!

I.7.8 Beispiel: Jeder topologische Raum mit nur endlich vielen offenen Mengenist quasikompakt.

I.7.9 Satz: Jeder abgeschlossene Unterraum A des quasikompakten Raumes Xist quasikompakt.

Beweis: Sei M⊆ P(X) eine offene Uberdeckung von A. Betrachte nun

M′ := {U ∈ OX | U ∩A ∈M} .

Nach Definition der Unterraumtopologie gibt es zu jedem V ∈ M ein U ∈ M′mit U ∩A = V . Damit istM′∪{X \A} eine offene Uberdeckung von X, zu dereine endliche TeiluberdeckungM′′ existiert. Dann ist {U ∩A | U ∈M′′} ⊆ Meine endliche Teiluberdeckung von A.

I.7.10 Satz: Seien X ein Hausdorff-Raum und K ⊆ X quasikompakt. Dannexistiert zu jedem x ∈ X \K eine offene Umgebung U von K und eine offeneUmgebung V von x mit U ∩ V = ∅.

Beweis: Da X hausdorffsch ist, existieren zu x ∈ X \ K und y ∈ K offeneUmgebungen Uy von x und Vy von y mit Uy ∩ Vy = ∅. Zu fest gewahltemx ∈ X \K und allen y ∈ K wahlen wir nun derartige Uy und Vy.Nun bildet {Vy∩K}y∈K eine offene Uberdeckung vonK und daK quasikompaktist, existiert eine endliche Teilmenge K ′ ⊆ K, so dass {Vy∩K}y∈K′ eine endlicheTeiluberdeckung ist. Es gilt K ⊆

⋃y∈K′ Vy und V :=

⋃y∈K′ Vy ist eine offene

Umgebung von K.Weiterhin ist U :=

⋂y∈K′ Uy eine offene Umgebung von x. Nach Konstruktion

gilt offensichtlich U ∩ V = ∅.

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

I.7.11 Korollar: Jede quasikompakte Teilmenge eines Hausdorff-Raumes istabgeschlossen.

I.7.12 Korollar: Jede kompakte Teilmenge eines Hausdorff-Raumes ist abge-schlossen.

I.7.13 Satz: Sei f : X −→ Y eine stetige und surjektive Abbildung von einemquasikompakten Raum X in einen beliebigen topologischen Raum Y . Dann istauch Y quasikompakt.

Beweis: Sei MY eine offene Uberdeckung von Y . Es ist zu zeigen, dass eineendliche Teiluberdeckung M′Y von MY existiert.Betrachte

{f−1[U ]

∣∣ U ∈MY

}. Dies ist eine offene Uberdeckung von X, da

f eine stetige Abbildung ist. Da X quasikompakt ist, existiert eine endlicheTeilmenge M′Y von MY , so dass

{f−1[U ]

∣∣ U ∈M′Y } eine endliche Teiluber-deckung von

{f−1[U ]

∣∣ U ∈MY

}ist.

Da f surjektiv ist, folgt wiederum, dassM′Y eine Uberdeckung von Y ist, dennzu jedem y ∈ Y existiert x ∈ X mir f(x) = y und folglich existiert ein U ∈M′Ymit x ∈ f−1[U ], d.h. y = f(x) ∈ U .

I.7.14 Satz: Sei f : X −→ Y eine stetige und surjektive Abbildung von einemquasikompakten Raum in einen Hausdorff-Raum. Weiter sei g : Y −→ Z eineAbbildung in einen topologischen Raum Z. Dann ist g stetig, falls g◦f : X −→ Zstetig ist.

Beweis: Sei g ◦ f stetig und A ⊆ Z abgeschlossen. Dann ist zu zeigen, dassg−1[A] abgeschlossen in Y ist.

Aus der Stetigkeit von g ◦ f folgt, dass

M := f−1[g−1 [A]

]= (g ◦ f)−1 [A]

abgeschlossen ist. Nach Satz I.7.9 ist M quasikompakt und somit ist f [M ] nachSatz I.7.13 quasikompakt. Nach Korollar I.7.12 ist f [M ] dann abgeschlossen.Da f nach Voraussetzung surjektiv ist, ist f [M ] = g−1[A].

I.7.15 Korollar: Ist h : X −→ Y eine stetige und bijektive Abbildung voneinem quasikompakten Raum X in einen Hausdorff-Raum Y , dann ist h einHomoomorphismus.

Beweis: Es ist bleibt nur die Stetigkeit von h−1 zu zeigen. Diese folgt aber mitSatz I.7.14 sofort aus der Stetigkeit von h−1 ◦ h = IdX , wenn wir f = h undg = h−1 setzen.

I.7.16 Bemerkung: Die Aussage, sowie die Anordnung der Raume und Ab-bildungen aus obigem Satz erinnert stark an die Definition der Initialtopologie.

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Topologie I

I.8. Ein Beispiel fur Vieles: Cantorsches Diskontinuum

Das Cantorsche Diskontinuum wird rekursiv aus dem Einheitsintervall I = [0; 1]konstruiert, wobei im k-ten Rekursionsschritt eine Menge Rk von 2k abgeschlos-senen Intervallen vorliegt. Der Rekursionsschritt besteht darin, jedes vorliegen-de Intervall in drei gleichgroße Teilintervalle zu zerlegen und das mittlere (of-fene) Teilintervall zu entfernen. Praktisch bedeutet dies fur die ersten i + 1Rekursionsschritte R0, · · · , Ri:

R0 := [0; 1],

R1 :=[0; 1

3

]∪[

23 ; 1]

=⋃x∈{0;2}1 R

x1 ,

R2 :=([

0; 19

]∪[

29 ; 1

3

])∪([23 ; 7

9 ] ∪ [89 ; 1])

=⋃x∈{0;2}2 R

x2 ,

...

Ri :=⋃x∈{0;2}i R

xi ,

wobei fur 1 ≤ k ≤ i und x = (x0, · · · , xk−1) ∈ {0; 2}k die Menge Rxk das Intervall[Λxk; Λxk + 1

3k

]mit Λxk =

∑0≤`<k

x`

3`+1 im k-ten Rekursionsschritt bezeichnet.

I.8.1 Definition: Es bezeichnen C die Menge⋂i∈N0

Ri ⊂ R und OC die Spurto-pologie bezuglich der naturlichen Topologie auf R. Der topologische Raum (C,OC)heißt Cantorsches Diskontinuum.

Jede Zahl x ∈ [0; 1] laßt sich als p-adischen Bruch darstellen, siehe [1, Ab-schnitt 6.2]. Bezeichnet [p]0 die Menge {0; 1; 2; 3; · · · ; p}, so erhalten wir furjede naturliche Zahl p ≥ 2 eine Funktion

ϑp−1 : [p− 1]N00 −→ I

(xi)i∈N0 7−→∑

i≥0xi

pi+1 .

Die Abbildung ϑp−1 ist surjektiv und lediglich an abzahlbar vielen Stellen nichtinjektiv. Die Zahlen x ∈ [0; 1], die mehr als ein Urbild haben, besitzen genauzwei Urbilder und diese stammen von der Identitat

∑i≥n

p−1pi+1 = 1

pn , siehe Auf-gabe 1. Wir fassen diese Tatsachen fur den Fall triadischer Bruche, das heißtfur p = 3, noch einmal im folgenden Korollar zusammen.

I.8.2 Korollar: Ist c ∈ C so gelten folgende Aussagen:(a) Fur alle n ∈ N0 gilt c ∈ Rn.(b) Es gibt entweder genau eine oder genau zwei verschiedene triadische Dar-

stellungen von c.

Da wir zeigen werden, dass das Cantorsche Diskontinuum (C,OC) homoomorphzu {0; 2}N0 (versehen mit einer geeigneten Topologie) ist, wird die Einschrankungs von s := ϑ2 auf {0; 2}N0 fur uns interessanter sein als die Abbildung s. Zur

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

Vereinfachung der Notation schreiben wir ξ oder (xi) fur eine Folge (xi)i∈N0

und zeigen zunachst, dass s eine Bijektion zwischen der Menge {0; 2}N0 unddem Cantorschen Diskontinuum ist.

I.8.3 Satz: Die Abbildung s ist injektiv und es gilt Im(s) = C.

Beweis: Zunachst ist t := s|{0;1}N0 nach Teil (b) der Aufgabe am Ende desAbschnitts injektiv. Fur beliebiges (xi) ∈ {0; 2}N0 gilt (xi

2 ) ∈ {0; 1}N0 . Setzenwir yi := xi

2 fur i ∈ N0, so folgt die Injektivitat von s aus der Injektivitat derAbbildung s|{0;1}N0 wegen s ((xi)) = 2 · t ((yi)).Setzen wir

Mn :={

(xi) ∈ {0; 1; 2}N0∣∣ xi ∈ {0; 2} fur i ∈ N0 mit i < n

},

so gilt s [Mn] = Rn und es folgt die Inklusion

s[{0; 2}N0

]= s

[⋂n∈N0

Mn

]⊆⋂n∈N0

s [Mn] =⋂n∈N0

Rn = C.

Es bleibt, die Inklusion C ⊆ s[{0; 2}N0

]zu zeigen.

Sei nun c ∈ C ⊆ [0; 1], dann hat c nach Korollar I.8.2 genau eine oder zwei ver-schiedene triadische Darstellungen. Kommt eine der Darstellungen ohne die Zif-fer 1 aus, so sind wir fertig. Hat c genau eine triadische Darstellung

∑i∈N0

ci3i+1

und kommt die Ziffer 1 vor, so gibt es einen kleinsten Index k mit ck = 1.Das bedeutet aber c 6∈ Rk+1, was Korollar I.8.2 (a) widerspricht. Hat c genauzwei verschiedene triadische Darstellungen

∑i∈N0

ci3i+1 und

∑i∈N0

di

3i+1 , wobeiin beiden die Ziffer 1 vorkommt, so gibt es jeweils kleinste Indices k und ` mitck = 1 und d` = 1. Fur m = max{k; `} folgt nun c 6∈ Rm+1, was abermalsKorollar I.8.2 (a) widerspricht. Insgesamt folgt nun C ⊆ s

[{0; 2}N0

].

I.8.4 Korollar: Die Mengen C und R sind gleichmachtig.

Beweis: Es genugt zu zeigen, dass C und [0; 1] gleichmachtig sind.Wir definieren nun eine Funktion ϕ : C −→ [0; 1]. Fur c ∈ C folgt aus Satz I.8.3eine eindeutige Darstellung c =

∑i∈N0

ci3i+1 mit ci ∈ {0; 2}. Setze

ϕ(c) :=∑

i∈N0

di

2i+1 mit di := ci2 ∈ {0; 1}.

Da (di) jede Folge beliebige Folge in {0; 1}N0 sein kann, ist ϕ ist surjektiv.Gleichzeitig ist ϕ wie sp nicht injektiv. Das Intervall [0; 1] ist damit gleichmachtigzu einer Teilmenge von C. Offensichtlich ist C auch gleichmachtig zu einer Teil-menge von [0; 1]. Die Behauptung folgt nun mit dem Satz von Cantor, Bernsteinund Schroder.

Mit der richtigen Topologie versehen, sind die beiden topologischen Raume Cund {0; 2}N0 sogar homoomorph. Eine naheliegende und hoffentlich gute Wahlist, die Menge {0; 2}N0 als Unterraum des Produktraums {0; 1; 2}N0 aufzufassen,wobei wir {0; 1; 2} mit der diskreten Topologie versehen. Fur diese Wahl zeigenwir nun die Stetigkeit der Abbildung s.

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Topologie I

I.8.5 Satz: Die Abbildung s : {0; 1; 2}N0 −→ I mit (xi) 7−→∑

i≥0xi

3i+1 ist stetig.

Beweis: Nach Bemerkung I.2.14 genugt es, die Stetigkeit von s bezuglich einerUmgebungsbasis von ξ = (xi) ∈ {0; 1; 2}N0 und von s (ξ) ∈ I zu uberprufen.Wir betrachten nun die folgenden Umgebungsbasen:(a) Fur (xi) ∈ {0; 1; 2}N0 und n ∈ N0 ist die Menge

Un(xi):={

(yi) ∈ {0; 1; 2}N0∣∣ xi = yi fur i ∈ N0 mit i < n

}eine Umgebung von (xi) und

U(xi) :={Un(xi)

∣∣∣ n ∈ N0

}eine Umgebungsbasis von (xi) ∈ {0; 1; 2}N0 .

(b) Da [0; 1] die Spurtopologie von (R,Onat) tragt, betrachten wir als Umge-bungsbasis von s (ξ) die offenen Balle vom Durchmesser ε > 0

Bε (s(ξ)) = {y ∈ [0; 1] | d (y − s(ξ)) < ε} .

Sei nun ein Element Bε (s (ξ)) der Umgebungsbasis von s (ξ) (oder aquivalentein ε > 0) gegeben. Wahlen wir N > n(ε) mit 1

3n(ε) < ε, so folgt fur ξ′ = (x′i) ∈UN(xi)

:

d(s (ξ′)− s

(ξ))≤∑

i∈N0

|x′i−xi|3i+1 <

∑∞i=N

23i+1 = 1

3N < ε.

Damit ist s stetig in ξ = (xi).

Da die Bijektion s durch Einschranken von s definiert ist, folgt sofort:

I.8.6 Korollar: s : {0; 2}N −→ C ist bijektiv und stetig.

Um zu zeigen, dass (C,OC) und {0; 2}N0 tatsachlich homoomorph sind, mussnun noch die Stetigkeit von s−1 nachgewiesen werden. Dazu beschreiben wirzunachst eine Basis der Topologie von {0; 2}N0 .

I.8.7 Definition: Fur n ∈ N0 und x = (x0, · · · , xn−1) ∈ {0; 2}n sei

V nx :=

{(yi) ∈ {0; 2}N0

∣∣ xi = yi fur i < n}.

I.8.8 Satz: Die Mengen V nx mit n ∈ N0 und x ∈ {0; 2}n bilden eine Basis der

Topologie auf {0; 2}N0.

Beweis:(1) V n

x ist offen in der Spurtopologie, da nur endlich viele yi vorgegeben sindund {yi} offen in {0; 1; 2} ist.

(2) Sei∏i∈N0

Oi eine Elementarmenge der Produkttopologie von∏{0; 2}N0 ,

also ein Element der Basis der Topologie, wie in Lemma I.5.6 beschrieben.Dann gibt es ein n ∈ N mit Oi = {0; 2} fur alle i ∈ N0 mit i ≥ n und es gilt∏

N0Oi =

⋃x∈O1×···×On

V nx .

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I. Grundbegriffe der mengetheoretischen Topologie

Damit ist gezeigt, dass die V nx eine Basis der Topologie auf {0; 2}N0 bilden.

I.8.9 Satz: Die Abbildung s : {0; 2}N0 −→ C ist ein Homoomorphismus.

Beweis: Wir wissen bereits, dass s eine stetige Bijektion ist. Es bleibt zu zei-gen, dass s eine offene Abbildung ist. Es genugt, dies fur die Basismengen V n

x

nachzuweisen. Wie im Beweis zu Satz I.8.3 gilt

s[V nx ] = Rnx ∩ C.

Nun ist Rnx offen und abgeschlossen in Rn(I) und damit auch offen in C.

Aufgabe:Zeige die folgenden Aussagen fur eine beliebige naturliche Zahl p ≥ 2:(a) Jede reelle Zahl z ∈ [0; 1] besitzt hochstens zwei verschiedene Darstellungen

als p-adischen Bruch.(b) Schranken wir die Abbildung ϑp−1 auf [p− 2]N0

0 ein, so ist sie injektiv.

Hinweis: Angenommen, es gibt zwei verschiedene Darstellungen

z =∑

i∈N0

ai

pi+1 =∑

i∈N0

bipi+1 .

Dann genugt es, die folgenden drei Falle zu studieren.(a) Fur jedes n ∈ N exisitieren r, s ∈ N mit r, s > n und ar > 0 und as < p− 1.(b) Es gibt ein n ∈ N, so dass ar = 0 fur alle r > n gilt.(c) Es gibt ein n ∈ N, so dass ar = p− 1 fur alle r > n.

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Literaturverzeichnis

[1] K. Konigsberger, Analysis 1, Springer-Verlag, Berlin, 1990.

[2] B. v. Querenburg, Mengentheoretische Topologie, zweite neubearbeiteteund erweiterte Auflage, Springer-Verlag, Berlin, 1979.