Spiele und Spielerisches - Hueber · PDF file11 solche Aktivitäten nicht nur eine...

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    Spiele sind ein wirkungsvolles Mittelbeim Fremdsprachenlernen. Zwar gibt es viele Spielesammlungen, geeigneteSpiel-Ideen fr den Anfngerunterrichtsind jedoch oft schwer zu finden. DieserBeitrag enthlt nicht nur Kriterien zurAuswahl von Spielen. Es werden aucheinige einfache Spiele zu grammatischenStrukturen im Anfngerunterrichtvorgestellt, die sich gut zur Binnen-differenzierung und zur Bildung vonLernstationen eignen.

    Spiele sind seit geraumer Zeit beliebter Bestandteilin der Lehrerfortbildung. Manche Lernergruppen,besonders junge Erwachsene, sind geradezu sch-tig danach. Allerdings soll es auch Gruppen geben,bei denen schon der Gedanke an Spielen im Unter-richt abwegig erscheint. Es liegt auch manchmal anden Lehrenden, die sich nicht als Animateure vonSpielen in der Klasse vorstellen knnen oder solcheDinge als Kinkerlitzchen ablehnen.

    Die Zgerlichen und Selbstkritischen, die erklren,Spiele seien einfach nicht ihre Sache, sollen zu-nchst durch fachliche Argumente zumindest einbisschen verwirrt und verunsichert werden.

    1. Der Trick mit den Spielen

    Eine Situation, wie sie fast in jedem Anfngerunter-richt vorkommt: Der Lehrer bzw. die Lehrerin arran-giert vor sich Gegenstnde wie zu einem Stillebenund stellt dazu die Frage: Wo liegt der Bleistift? die erhoffte Antwort: Der Bleistift (oder: Er) liegt(oder: ist) auf dem Tisch. Das Ganze dient als Vor-spiel zur Einfhrung der Wechselprpositionen mitsetzen, stellen, legen, die dann an einem mit-gebrachten Teddybr demonstriert werden (Wohinsetze ich den Teddy?/Wo sitzt der Teddy?). DasVerfahren ist bewhrt, weil es den Unterschied

    zwischen der Lage und der zielgerichteten Bewe-gung veranschaulicht, der in vielen Sprachen nichtgemacht wird und vielen Lernenden deshalbschwer fllt. So weit so gut!

    Wo ist der Bleistift? Er liegt auf dem Buch.Eine Situation, in der diese Stze gesprochen wer-den ist zwar vorstellbar, aber doch eher selten. EinSprachunterricht aber, in dem der Bleistift fr allesichtbar auf dem Buch liegt, regrediert mit dieseroffenkundig unsinnigen Frage auf das intellektuel-le Niveau von Zweijhrigen. Die Lernenden wendensich dennoch nicht gelangweilt ab, weil sie die Frage so verstehen, wie sie im Grunde gemeint ist:Wie kann man auf Deutsch die Lage dieses Blei-stifts beschreiben?

    Diese Unterrichtssituation lsst sich durch einenkleinen Trick leicht ndern. Wenn die Lagebe-schreibungen bereits relativ flssig beantwortetwerden, wird z.B. eine Freiwillige gesucht, die sicheinen Moment umdrehen muss. Die Gegenstndewerden auf dem Tisch neu arrangiert. Jetztbekommt die Kandidatin einen Moment Zeit, sichdie Gegenstnde auf dem Tisch anzuschauen undeinzuprgen. Dann soll sie sich wieder umdrehen,damit sie die Gegenstnde nicht sehen kann undwird von der Lernergruppe gefragt: Wo liegt dasBuch? usw. Sie muss sich jetzt wie bei einemMemory oder Kim-Spiel auf ihre Erinnerung stt-zen, um die Frage zu beantworten.

    Durch diesen einfachen Trick ist die eher fadeSprachbung in ein Spiel umgewandelt worden,das auch Muttersprachler fordert und ihnen Spamachen knnte. Wenn die Kandidatin sich so aufihr visuelles Gedchtnis konzentriert, wird ihrBewusstsein automatisch von der sprachlichenRichtigkeit auf das Inhaltliche hin gelenkt. In dieserSituation gebraucht sie den Sprachstoff und diegrammatische Struktur unterhalb ihrer Bewusst-seinsschwelle gerade so wie Muttersprachler, denendie Grammatik, Morphologie und Syntax automa-tisch zu Gebote stehen, und die sich bei der Kom-munikation auf das Inhaltliche konzentrieren.

    Spiele und Spielerisches Zur Frderung der Gruppenintegration

    und zur BinnendifferenzierungVON JRGEN SCHWECKENDIEK

    Fremdsprache Deutsch Heft 25/2001 Spielen Denken Handeln, ISBN 978-3-19-139183-6, Hueber Verlag 2007

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    2. Einsatz von Spielen imUnterrichtsverlauf

    Fr den Unterrichtsverlauf wird in der Regel fol-gende Phasierung vorgeschlagen: Vorwissen erschlieen (Exploration) Sprachaufnahme (Textprsentation) Sprache aneignen: Verstehenssicherung,

    Rekonstruktion Bewusstmachen der Regelhaftigkeit

    (Grammatik) Festigung des Stoffes durch reproduktive, stark

    gesteuerte bungen danach teilproduktive, schwcher gesteuerte

    bungen freie Anwendung des Stoffs

    Die freie Anwendung des Stoffs kann z.B. ein Rol-lenspiel zu einer Alltagssituation im Lehrbuch sein,oder ein paralleler Kontext, in dem Formulierungenund Strukturen des behandelten Textes aufgenom-men werden sollen. die freie Anwendung ist dieStunde der Wahrheit. Hier sollen die Lernendenzeigen, ob sie bereits hinreichend ber den Stoffverfgen, gewissermaen als Simulation dessprachlichen Ernstfalls auerhalb des Klassen-raums. Bei diesem schulmigem Unterrichtsver-lauf ist die Vorstellung implizit, dass die Lernendenerst den ganzen Lernprozess in kleinen aufeinan-der aufbauenden Lernschritten durchlaufen ms-sen, bevor von ihnen freies, selbstndiges Sprechenmit einer gewissen Chance der Richtigkeit deruerungen verlangt werden darf. Die Erfahrung

    lehrt aber, dass viele Lernende gar nicht so weitkommen, dass sie den (grammatischen) Stoff hin-reichend beherrschen, und dass der Unterrichthufig bei den reproduktiven bungen steckenbleibt. Hier besteht eine offensichtliche Diskrepanzzwischen den Forderungen der Fachdidaktik, diedas Bedeutungslernen und das Prinzip Inhalt vorForm propagiert, und der Unterrichtspraxis, beider die formale Schulung oft drei Viertel der Unter-richtszeit beansprucht und das (freie) Anwenden zuwenig gebt wird.

    Das Entscheidende bei der Verwandlung einersprachlich-formalen bung in ein Spiel liegt nundarin, dass die Aufmerksamkeit von der sprachli-chen Form, die whrend der Phase der Sprachan-eignung im Mittelpunkt steht, auf das Inhaltlichegelenkt wird, was fr die Anwendungsphase cha-rakteristisch ist. Der frhzeitige Einsatz eines Spielsbedeutet also, dass der Lernweg abgekrzt wird undeine Anwendungsphase auf der Schwierigkeitsstu-fe einer reproduktiven, stark gesteuerten bungstattfindet. Auf diese Weise wird der Logik desUnterrichtsmodells ein Schnippchen geschlagen.

    Wir sollten also versuchen, mglichst vielesprachliche bungen in solche Spiele zu verwan-deln oder sie an deren Stelle zu setzen.

    3. Widerstnde berwinden

    Die Einwnde gegen Spiele halten sich hartnckig.Sie kommen wohl vorwiegend aus Erfahrungen mitakademisch gebildeten Lernenden, die traditionelleher kognitive Methoden gewohnt sind oder sehrweit Fortgeschrittenen, obwohl es gerade fr sieanspruchsvolle spielerische Formen wie z.B. dieSimulation und das Planspiel gbe. Andere Grndegelten fr Jugendliche, die sich oft nicht vor derGruppe exponieren wollen.

    Trotzdem darf man hinter Einwnden wie Mei-ne Schler lehnen Spiele ab oder Wir mssen mitdem Lehrstoff durchkommen und fr Spiele bleibtkeine Zeit die traditionelle Auffassung von der Leh-rerrolle vermuten, einer Lehrkraft also, die immerim Mittelpunkt steht und den Unterricht vorwie-gend im Frontalunterricht leitet.

    Um sich und den Lernenden die Scheu vor Spie-len zu nehmen, sollte man vielleicht besser vonspielerischen Aktivitten statt von Spielen sprechenund sich wie bei der Wahl von Kleidungsstckendiejenigen heraussuchen, die zu einem passen undzu denen man stehen kann. Lehrende und Lernen-de sollten sich dabei besonders am Anfang nichtberfordern, sondern die Erfahrung machen, dass

    Fr einen sanften Einstieg in spielerische Aktivitten bieten sich besonders die folgenden Sammlungen an:

    Dreke, Michael/Lind, Wolfgang: Wechselspiel. Interaktive Arbeitsbltter fr diePartnerarbeit im Deutschunterricht. Mnchen/Berlin: Langenscheidt 1992.

    Lohfert, Walter: Kommunikative Spiele fr Deutsch als Fremdsprache. Ismaning: Hueber Verlag 1987.

    Behme, Helga: Miteinander Reden lernen. Sprechspiele im Unterricht. Mnchen: iudicium 1985.

    Wechselspiel bietet so genannte Information-gap-bungen, d.h. bungen,bei denen eine echte Informationslcke besteht: Partner A fragt Partner B nachInformationen, die B auf seinem Blatt hat und umgekehrt. Ein Teil von Lohfertskommunikativen Spielen basiert auf dem interaktionalen Lernen, einem ler-nerzentrierten bungsverfahren, das weiter unten mit dem Spiel Reich, abernicht wohlhabend vorgestellt wird. Bei Behme eignen sich anfangs besondersdie Einwortspiele: Der geringe Wortschatz von Anfngern muss nach unter-schiedlichen Kategorien geordnet werden (z.B.: Was kann man fr 1 DM alleskaufen? oder: Was ist kurz? gro? lang?) Auf diese Weise werden Begriffe imGehirn besser vernetzt, um das Behalten zu frdern.

    Fremdsprache Deutsch Heft 25/2001 Spielen Denken Handeln, ISBN 978-3-19-139183-6, Hueber Verlag 2007

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    solche Aktivitten nicht nur eine willkommene Ab-wechselung sind und sogar Spa machen knnen,sondern eine besonders intensive und anspruchs-volle Art des bens und Lernens sind. Der ber-gang von bungen zu Spielen ist ohnehin flieend.

    Wenn unsere berlegungen richtig sind undSpiele die beschriebenen Vorzge besitzen (sieheauch Punkt 3), sollten sie einen festen Platz undeine Funktion im bungsablauf erhalten. Wenn sienur zur Belohnung nach anstrengender Arbeitoder als Fller am Ende der Stunde eingesetztwerden oder beliebig und ohne przises Lernziel,werden die ernsthaften Lerner sie auch nichtschtzen lernen.

    4. Weitere Vorzge von Spielen

    Dass die Sprechzeit der Lernenden bei Spielenerhht wird, und die bungszeit damit intensivergenutzt wird, wird hufig betont. Wichtig dabei istvor allem, dass die Dominanz der Lehrkraft wenig-stens zeitweise auer Kraft gesetzt wird.

    Im Unterricht sind asymmetrische Kommunika-tionssituationen vorgegeben, in denen die Ge-sprchsteilnehmer nicht gleichberechtigt sind. DieLehrkraft bestimmt, worber gesprochen wird, weretwas sagen soll, nur sie darf jederzeit unterbrechen,sie bestimmt sogar, wann das Fragenstellen gebtwerden muss. Die Kursteilnehmer ben also in derRegel nicht