Stammtisch Social Media

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20 MARKETING & KOMMUNIKATION Stammtisch Social Media D ie aktuelle Social-Media-Werbung ist Kampag- nenwerbung. Ein Auftritt wird extra kreiert oder aus dem klassischen Einsatz übernommen und dann kanalgerecht umgesetzt. Letzte Woche wurde ein Award Social Media vergeben, und die eingereichten Arbeiten entsprachen diesem Mus- ter. Doch Social-Media-Werbung ist mehr. Social-Media-Werbung ist eine moderne Form des Stammtischs, an dem Menschen Gespräche füh- ren. Sie betreiben Social-Media-Werbung? Je nach Firmengrösse führen Sie demnach wöchentlich zwischen ein paar Dutzend und ein paar tausend Gespräche. Wenn eine Userin auf Facebook Ihren neusten Beitrag mag, bedanken Sie sich mit einer sympathischen Botschaft. Wenn Ihnen ein User auf Twitter eine Frage stellt, bedanken Sie sich und antworten. Für Sie ist jedes Gespräch po- tenzieller Einstieg in eine dauerhafte Kunden- beziehung. Das ist Social-Media-Werbung. Worüber sich die Experten aktuell denn auch die Köpfe zerbrechen, sind drei Fragen. Wie können Firmen die vielen Einzelgespräche bewältigen, und wie können sie die Gespräche ausfindig machen und positiv beeinflussen? Fakt ist, dass die Gesprächsnachfrage bei den Usern explodiert. 2,7 Billionen Likes und Kom- mentare verzeichnete Facebook im vierten Quartal 2011, und Twitter bringt es aktuell auf 250 Millio- nen Tweets pro Tag. 2009 waren es noch zwei Mil- lionen. Glücklicherweise haben findige Tüftler die Not erkannt und damit begonnen, ein paar span- nende Anwendungen zu entwickeln. Von dem, was ein erfolgreiches Auffangkon- zept ausmacht, handeln die folgenden Fragestel- lungen. 1. Wie finden Sie die Gespräche, die Sie betreffen? Das Gesprächsspektrum, das beispielsweise die Mi- gros beobachten muss, ist enorm. Es umfasst Nen- nungen von Eigenmarken, Fremdmarken, Konkur- renten, Gewerkschaften, Mitarbeitenden, Lieferan- ten, internationalen Retailern und vielen mehr. Die Migros muss davon ausgehen, dass jede Botschaft das Potenzial für die nächste Erfolgsgeschichte mit- führt. Das sind täglich tausende Nennungen, die Aufmerksamkeit verdienen. Ohne technische Hilfs- mittel ist diese Menge an Äusserungen nicht einzu- fangen. Die Nennungen erfolgen zur Hauptsache als Einträge in Social-Media-Kanälen oder im Web auf Internetseiten, Blogs und auf Bewertungsplattfor- men. Nach diesen beiden Erscheinungsorten unter- scheiden wir denn auch die heute verfügbaren Auf- fang-Tools. Diese Tools sind eigentliche Plattformen (Dashboards), die sich einfach installieren lassen und auf denen die per Suchanfrage vordefinierten Inhalte zum Zeitpunkt der Nennung erscheinen. Aus der Websuche bekannt sind Google Alert und Google Analytics. Bei der Socialsuche ist keine vergleichbare Universallösung absehbar. Hier sollte man sich an Spezialisten wenden oder mit einem der Tools begin- nen, das die grossen Netzwerke abdeckt. Ich gehe fest davon aus, dass ein sorgsam gewählter Toolmix künf- tig einen gewichtigen Wettbewerbsvorteil im Kampf um positive Meinungsäusserung sein wird. Beat Hürlimann nahm in New York an der New Media Expo teil und berichtet darüber exklusiv in der Werbewoche. Heute serviert er ein Rezept zur erfolgreichen Gesprächsführung in Social-Media-Kanälen. 2. Wie kreieren Sie Botschaften, die Sie ins Ge- spräch bringen? Ohne greifbaren Mehrwert lassen sich heute Social Media User kaum mehr zur Mitwirkung bewegen. Dabei ist Mitwirkung die härteste Währung im So- cial Media Business. Doch wie kommen Botschaften zustande, die User zur Mitwirkung bewegen? Brian Solis, führender Social-Media-Strategist, empfiehlt uns, einen Blick hinter die Gespräche zu werfen, die wir verfolgen: «We have to read between the lines. We have to see what trends, what themes, what op- portunities we’re missing.» Es geht also darum, auch zwischen den Zeilen zu le- sen und die Trends herauszu- spüren. Hier ist die intelligente Analyse von Gesprächen gefragt. Und hierfür gibt es kein Stan- dardformular. Die Fähigkeit, Botschaften mit Akti- vierungspotenzial zu kreieren, hängt demnach eng mit der Fähigkeit zusammen, aus aufgefangenen Äusserungen Stimmungen und Beweggründe abzu- leiten. Beeinflusser: Weitere wichtige Aktivierungsver- stärker sind Beeinflusser. Ihre Identifikation ist re- lativ einfach. Sie suchen über ein Stichwort nach Personen mit grosser Fangemeinde, erkunden deren Beweggründe, verfassen Botschaften, gewinnen ihr Vertrauen und arbeiten sich Schritt für Schritt vor zur ersten Erwägung – in einem Retweet, einem Tei- len auf Facebook oder gar in einem Blogkommentar. Wie steht es eigentlich mit Ihren Beeinflusserquali- täten? Googeln Sie KLOUT und erfahren Sie Ihren aktuellen Wert. Er berechnet sich auf Grund Ihrer Aktivitäten und deren Beliebtheit in den gängigen Social Media Networks. Der Starbucks Case: Hier ein Beispiel intelligen- ter Analyse von Brian Solis. Mit Tool ReSearch.ly nahm er die Follower von Starbucks unter die Lupe: Wie sie über Starbucks reden, wer mit ihnen verbun- den und welche Wörter sie alle im Zusammenhang mit Starbucks verwenden. Solis wollte somit nicht nur herausfinden, wie häufig, positiv oder negativ die Nennungen sind, sondern er wollte aus den verwen- deten Wörtern der Follower kreative Botschaften formulieren. Die Analyse ergab, dass für Follower, die Starbucks positiv bewerten, Musik, Liebe, Familie, Studium und Fotografie wichtig sind. Aus dieser Er- kenntnis lassen sich Botschaften kreieren, von denen man weiss, dass sie bei den Empfängern auf eine hohe emotionale Akzeptanz stossen werden. 3. Wie organisieren Sie Ihre Gespräche? Bei einer grossen Organisation wie der Migros wird deutlich, was auch kleinere Firmen beherzigen müs- sen. Suche und Bewertung von Gesprächen sollten wenn immer möglich durch interne Fachspezia- listen erfolgen. Beispielsweise kann der Produk- temanager von Chocolat Frey aus Äusserungen von Anwendern über Geschmacksvorlieben rascher Verbesserungspotenziale herauslesen als der distanzierte Analytiker. Zweiter Erfolgs- faktor ist der richtige Toolmix. Sie können dafür Drittfirmen beauftragen. Aber Social Media ist kein klassisches Auftragsgeschäft. Sie führen die Dialoge, also sollten Sie auch die entsprechenden Instrumente zur Überwachung verstehen und be- herrschen. Ein gutes Einsteiger-Tool ist Hootsuite. Es ist kostenlos, einfach zu installieren, und es las- sen sich damit die beiden grossen Netzwerke Face- book und Twitter nach spezifischen Inhalten durch- suchen. Ansonsten ist das Feld an möglichen Tools und Anbietern sehr gross. Richten Sie sich bei der Wahl nach Ihren ganz spezifischen Bedingungen: Gesprächsvolumen über ema und Markt; inhalt- liche Aspekte – Brisanz, Wettbewerb, Relevanz; Art Ihrer Bezugsgruppen – B2B, B2C, demografi- sches Profil; Art des Angebots – Emotionalität, Kauffrequenz, Preisniveau; verfügbare Ressourcen Kompetenz im Hause, Organisation, finanzielle Mittel; kulturelle Rahmenbedingungen – gegensei- tiges Vertrauen, Offenheit, Fähigkeit zur Selbstkri- tik. Beat Hürlimann IN KÜRZE Bringen Sie sich mit Ihren Ansichten auf www.huerlimanncc.com ins Gespräch STARTEN SIE MIT HOOTSUITE 1. Eröffnen Sie mindestens einen Social Media Account. Twitter ist am spannendsten! 2. Errichten Sie auf Hootsuite.com ein Konto. 3. Integrieren Sie Ihre Social-Media-Kanäle in die Hootsuite- Plattform. 4. Folgen Sie den Anweisungen und starten Sie eine Erkundungs- tour. 5. Installieren Sie im Dashboard Suchbefehle mit Begriffen. Auf einen Blick sehen Sie, was auf Ihren Kanälen läuft und wo in der Welt Ihr Suchbegriff in Social-Media-Botschaften erwähnt wird. werbewoche 16 | 14.09.2012

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Hier finden Sie ein Rezept zur erfolgreichen Gesprächsführung in Social-Media-Kanälen.

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20 MARKETING & KOMMUNIKATION

Stammtisch Social Media

D ie aktuelle Social-Media-Werbung ist Kampag-nenwerbung. Ein Auftritt wird extra kreiert

oder aus dem klassischen Einsatz übernommen und dann kanalgerecht umgesetzt. Letzte Woche wurde ein Award Social Media vergeben, und die eingereichten Arbeiten entsprachen diesem Mus-ter. Doch Social-Media-Werbung ist mehr.Social-Media-Werbung ist eine moderne Form des Stammtischs, an dem Menschen Gespräche füh-ren. Sie betreiben Social-Media-Werbung? Je nach Firmengrösse führen Sie demnach wöchentlich zwischen ein paar Dutzend und ein paar tausend Gespräche. Wenn eine Userin auf Facebook Ihren neusten Beitrag mag, bedanken Sie sich mit einer sympathischen Botschaft. Wenn Ihnen ein User auf Twitter eine Frage stellt, bedanken Sie sich und antworten. Für Sie ist jedes Gespräch po-tenzieller Einstieg in eine dauerhafte Kunden-beziehung. Das ist Social-Media-Werbung.

Worüber sich die Experten aktuell denn auch die Köpfe zerbrechen, sind drei Fragen. Wie können Firmen die vielen Einzelgespräche bewältigen, und wie können sie die Gespräche ausfindig machen und positiv beeinflussen? Fakt ist, dass die Gesprächsnachfrage bei den Usern explodiert. 2,7 Billionen Likes und Kom-mentare verzeichnete Facebook im vierten Quartal 2011, und Twitter bringt es aktuell auf 250 Millio-nen Tweets pro Tag. 2009 waren es noch zwei Mil-lionen. Glücklicherweise haben findige Tüftler die Not erkannt und damit begonnen, ein paar span-nende Anwendungen zu entwickeln.

Von dem, was ein erfolgreiches Auffangkon-zept ausmacht, handeln die folgenden Fragestel-lungen.

1. Wie finden Sie die Gespräche, die Sie betreffen?

Das Gesprächsspektrum, das beispielsweise die Mi-gros beobachten muss, ist enorm. Es umfasst Nen-nungen von Eigenmarken, Fremdmarken, Konkur-renten, Gewerkschaften, Mitarbeitenden, Lieferan-ten, internationalen Retailern und vielen mehr. Die Migros muss davon ausgehen, dass jede Botschaft das Potenzial für die nächste Erfolgsgeschichte mit-führt. Das sind täglich tausende Nennungen, die Aufmerksamkeit verdienen. Ohne technische Hilfs-mittel ist diese Menge an Äusserungen nicht einzu-fangen. Die Nennungen erfolgen zur Hauptsache als Einträge in Social-Media-Kanälen oder im Web auf Internetseiten, Blogs und auf Bewertungsplattfor-men. Nach diesen beiden Erscheinungsorten unter-scheiden wir denn auch die heute verfügbaren Auf-fang-Tools. Diese Tools sind eigentliche Plattformen (Dashboards), die sich einfach installieren lassen und auf denen die per Suchanfrage vordefinierten Inhalte zum Zeitpunkt der Nennung erscheinen. Aus der Websuche bekannt sind Google Alert und Google Analytics. Bei der Socialsuche ist keine vergleichbare Universallösung absehbar. Hier sollte man sich an Spezialisten wenden oder mit einem der Tools begin-nen, das die grossen Netzwerke abdeckt. Ich gehe fest davon aus, dass ein sorgsam gewählter Toolmix künf-tig einen gewichtigen Wettbewerbsvorteil im Kampf um positive Meinungsäusserung sein wird.

Beat Hürlimann nahm in New York an der New Media Expo teil und berichtet darüber exklusiv in der Werbewoche. Heute serviert er ein Rezept zur erfolgreichen Gesprächsführung in Social-Media-Kanälen.

2. Wie kreieren Sie Botschaften, die Sie ins Ge-

spräch bringen?

Ohne greifbaren Mehrwert lassen sich heute Social Media User kaum mehr zur Mitwirkung bewegen. Dabei ist Mitwirkung die härteste Währung im So-cial Media Business. Doch wie kommen Botschaften zustande, die User zur Mitwirkung bewegen? Brian Solis, führender Social-Media-Strategist, empfiehlt uns, einen Blick hinter die Gespräche zu werfen, die wir verfolgen: «We have to read between the lines. We have to see what trends, what themes, what op-portunities we’re missing.» Es geht also darum, auch

zwischen den Zeilen zu le-sen und die Trends herauszu-

spüren. Hier ist die intelligente Analyse von Gesprächen gefragt. Und hierfür gibt es kein Stan-dardformular. Die Fähigkeit, Botschaften mit Akti-vierungspotenzial zu kreieren, hängt demnach eng mit der Fähigkeit zusammen, aus aufgefangenen Äusserungen Stimmungen und Beweggründe abzu-leiten.

Beeinflusser: Weitere wichtige Aktivierungsver-stärker sind Beeinflusser. Ihre Identifikation ist re-lativ einfach. Sie suchen über ein Stichwort nach Personen mit grosser Fangemeinde, erkunden deren Beweggründe, verfassen Botschaften, gewinnen ihr Vertrauen und arbeiten sich Schritt für Schritt vor zur ersten Erwägung – in einem Retweet, einem Tei-len auf Facebook oder gar in einem Blogkommentar. Wie steht es eigentlich mit Ihren Beeinflusserquali-täten? Googeln Sie KLOUT und erfahren Sie Ihren aktuellen Wert. Er berechnet sich auf Grund Ihrer Aktivitäten und deren Beliebtheit in den gängigen Social Media Networks.

Der Starbucks Case: Hier ein Beispiel intelligen-ter Analyse von Brian Solis. Mit Tool ReSearch.ly nahm er die Follower von Starbucks unter die Lupe: Wie sie über Starbucks reden, wer mit ihnen verbun-den und welche Wörter sie alle im Zusammenhang

mit Starbucks verwenden. Solis wollte somit nicht nur herausfinden, wie häufig, positiv oder negativ die Nennungen sind, sondern er wollte aus den verwen-deten Wörtern der Follower kreative Botschaften formulieren. Die Analyse ergab, dass für Follower, die Starbucks positiv bewerten, Musik, Liebe, Familie, Studium und Fotografie wichtig sind. Aus dieser Er-kenntnis lassen sich Botschaften kreieren, von denen man weiss, dass sie bei den Empfängern auf eine hohe emotionale Akzeptanz stossen werden.

3. Wie organisieren Sie Ihre Gespräche?

Bei einer grossen Organisation wie der Migros wird deutlich, was auch kleinere Firmen beherzigen müs-

sen. Suche und Bewertung von Gesprächen sollten wenn immer möglich durch interne Fachspezia-listen erfolgen. Beispielsweise kann der Produk-temanager von Chocolat Frey aus Äusserungen von Anwendern über Geschmacksvorlieben rascher Verbesserungspotenziale herauslesen als der distanzierte Analytiker. Zweiter Erfolgs-faktor ist der richtige Toolmix. Sie können dafür Drittfirmen beauftragen. Aber Social Media ist kein klassisches Auftragsgeschäft. Sie führen die Dialoge, also sollten Sie auch die entsprechenden

Instrumente zur Überwachung verstehen und be-herrschen. Ein gutes Einsteiger-Tool ist Hootsuite. Es ist kostenlos, einfach zu installieren, und es las-sen sich damit die beiden grossen Netzwerke Face-book und Twitter nach spezifischen Inhalten durch-suchen. Ansonsten ist das Feld an möglichen Tools und Anbietern sehr gross. Richten Sie sich bei der Wahl nach Ihren ganz spezifischen Bedingungen: Gesprächsvolumen über Thema und Markt; inhalt-liche Aspekte – Brisanz, Wettbewerb, Relevanz; Art Ihrer Bezugsgruppen – B2B, B2C, demografi-

sches Profil; Art des Angebots – Emotionalität, Kauffrequenz, Preisniveau; verfügbare Ressourcen – Kompetenz im Hause, Organisation, finanzielle Mittel; kulturelle Rahmenbedingungen – gegensei-tiges Vertrauen, Offenheit, Fähigkeit zur Selbstkri-tik.

Beat Hürlimann

IN KÜRZEBringen Sie sich mit

Ihren Ansichten auf

www.huerlimanncc.com

ins Gespräch

STARTEN SIE MIT HOOTSUITE1. Eröffnen Sie mindestens einen Social Media Account. Twitter ist

am spannendsten!

2. Errichten Sie auf Hootsuite.com ein Konto.

3. Integrieren Sie Ihre Social-Media-Kanäle in die Hootsuite-

Plattform.

4. Folgen Sie den Anweisungen und starten Sie eine Erkundungs-

tour.

5. Installieren Sie im Dashboard Suchbefehle mit Begriffen.

Auf einen Blick sehen Sie, was auf Ihren Kanälen läuft und wo in der Welt Ihr Suchbegriff in Social-Media-Botschaften erwähnt wird.

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