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Empirische Sonderpädagogik, 2019, Nr. 1, S. 3-30 ISSN 1869-4845 (Print) · ISSN 1869-4934 (Internet) State- und Trait-Mathematikängste 3 State- und Trait-Mathematikängste – hemmende Prädiktoren mathematischer Leistungsfähigkeit? Lars Orbach 1 , Moritz Herzog 1,2 & Annemarie Fritz 1,2 1 Lehr- und Forschungsambulanz FoBu, Institut für Psychologie, Universität Duisburg – Essen, Deutschland 2 Institute for Childhood Education, University of Johannesburg, South Africa Zusammenfassung Die Studie erforscht Mathematikängste (MÄ) im Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe. Gegenwärtig liegen inkonsistente Forschungsbefunde für diese Schuljahre vor, was hauptsäch- lich auf differente Begriffsdefinitionen und Operationalisierungen der Mathematikangst (MA) zurückzuführen ist. Mit dem Anliegen, einen Beitrag zur Begriffsklärung zu leisten und den Zu- sammenhang zwischen Mathematikangst und Mathematikleistung (ML) aufzuklären, wurde das State-Trait-Modell für MA adaptiert. State-MA (s-MA) ist eine zeitlich begrenzte und situations- gebundene Angstreaktion angesichts mathematischer Situationen, die mit einer Erregung des vegetativen Nervensystems einhergeht. Trait-MA (t-MA) ist ein relativ überdauerndes Persönlich- keitsmerkmal, durch das ein Individuum eine Vielzahl an mathematischen Situationen als be- drohlich einschätzt. In dieser Studie wurden t-MA (MAQ 4-5), s-MA (KAT-III), Leistungsängste (PHOKI), Einstellungen zu Mathematik, Selbsteinschätzung mathematischer Fertigkeiten (je- weils MAQ 4-5), mathematische Leistungen (Basistest mathematischer Fertigkeiten) und der IQ (CFT 20-R) bei 1179 Kindern (48.6% Mädchen) der 4. und 5. Klasse erhoben. Von den teilneh- menden Kindern gaben ca. 28% s-MA mit unterschiedlichen Schweregraden an. Einige von diesen Kindern (ca. 7% aller Kinder) zeigten auch mathematikängstliche Persönlichkeitsmerk- male (t-MA) oder auffällige Persönlichkeitsmerkmale unterhalb des Cut-Off (ca. 18% aller Kin- der). Es konnte ein negativer Zusammenhang zwischen s-MA und ML – auch unter Kontrolle der Leistungsangst – ermittelt werden, der bei Kindern mit unter-, über- und durchschnittlichem IQ gleichermaßen vorlag. Kinder mit beiden MA-Formen erzielten deutlich schlechtere ML als Kinder mit nur t-MA oder keinen MÄ. In einer multiplen Regressionsanalyse wurden als nicht-kognitive Prädiktoren der ML die s-MA (negativer Einfluss) und die Selbsteinschätzung mathematischer Fertigkeiten (positiver Einfluss) ermittelt. T-MA war ein schwach signifikanter Prädiktor (positiver Einfluss). Die Ergebnisse verdeutlichen die Komplexität des Zusammen- hangs zwischen MA und ML. Bereits in der Primarstufe sind MÄ ein hemmender Prädiktor mathematischer Leistungsfähigkeit, der bei Kindern aller kognitiver Leistungsniveaus auftritt. Besonders Kinder mit mathematischen Zustandsängsten und mathematikängstlichen Persön- lichkeitsmerkmalen sind weitreichend beeinträchtigt. Zur Identifikation von MÄ ist daher eine Differenzierung von State- und Trait-Komponente zielführend. Generell bietet das State-Trait-Mo- dell einen Erklärungsansatz für den widersprüchlichen Forschungsstand im Kindesalter und könnte weitergehende Forschungen veranlassen. Schlüsselwörter: Mathematikangst, Angst, Grundschulkinder, Lern- und Leistungsstörungen, kli- nische Diagnostik

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Empirische Sonderpädagogik, 2019, Nr. 1, S. 3-30ISSN 1869-4845 (Print) · ISSN 1869-4934 (Internet)

State- und Trait-Mathematikängste 3

State- und Trait-Mathematikängste – hemmende Prädiktoren mathematischer Leistungsfähigkeit?

Lars Orbach1, Moritz Herzog1,2 & Annemarie Fritz1,2

1 Lehr- und Forschungsambulanz FoBu, Institut für Psychologie, Universität Duisburg – Essen, Deutschland2 Institute for Childhood Education, University of Johannesburg, South Africa

Zusammenfassung

Die Studie erforscht Mathematikängste (MÄ) im Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe. Gegenwärtig liegen inkonsistente Forschungsbefunde für diese Schuljahre vor, was hauptsäch-lich auf differente Begriffsdefinitionen und Operationalisierungen der Mathematikangst (MA) zurückzuführen ist. Mit dem Anliegen, einen Beitrag zur Begriffsklärung zu leisten und den Zu-sammenhang zwischen Mathematikangst und Mathematikleistung (ML) aufzuklären, wurde das State-Trait-Modell für MA adaptiert. State-MA (s-MA) ist eine zeitlich begrenzte und situations-gebundene Angstreaktion angesichts mathematischer Situationen, die mit einer Erregung des vegetativen Nervensystems einhergeht. Trait-MA (t-MA) ist ein relativ überdauerndes Persönlich-keitsmerkmal, durch das ein Individuum eine Vielzahl an mathematischen Situationen als be-drohlich einschätzt. In dieser Studie wurden t-MA (MAQ 4-5), s-MA (KAT-III), Leistungsängste (PHOKI), Einstellungen zu Mathematik, Selbsteinschätzung mathematischer Fertigkeiten (je-weils MAQ 4-5), mathematische Leistungen (Basistest mathematischer Fertigkeiten) und der IQ (CFT 20-R) bei 1179 Kindern (48.6% Mädchen) der 4. und 5. Klasse erhoben. Von den teilneh-menden Kindern gaben ca. 28% s-MA mit unterschiedlichen Schweregraden an. Einige von diesen Kindern (ca. 7% aller Kinder) zeigten auch mathematikängstliche Persönlichkeitsmerk-male (t-MA) oder auffällige Persönlichkeitsmerkmale unterhalb des Cut-Off (ca. 18% aller Kin-der). Es konnte ein negativer Zusammenhang zwischen s-MA und ML – auch unter Kontrolle der Leistungsangst – ermittelt werden, der bei Kindern mit unter-, über- und durchschnittlichem IQ gleichermaßen vorlag. Kinder mit beiden MA-Formen erzielten deutlich schlechtere ML als Kinder mit nur t-MA oder keinen MÄ. In einer multiplen Regressionsanalyse wurden als nicht-kognitive Prädiktoren der ML die s-MA (negativer Einfluss) und die Selbsteinschätzung mathematischer Fertigkeiten (positiver Einfluss) ermittelt. T-MA war ein schwach signifikanter Prädiktor (positiver Einfluss). Die Ergebnisse verdeutlichen die Komplexität des Zusammen-hangs zwischen MA und ML. Bereits in der Primarstufe sind MÄ ein hemmender Prädiktor mathematischer Leistungsfähigkeit, der bei Kindern aller kognitiver Leistungsniveaus auftritt. Besonders Kinder mit mathematischen Zustandsängsten und mathematikängstlichen Persön-lichkeitsmerkmalen sind weitreichend beeinträchtigt. Zur Identifikation von MÄ ist daher eine Differenzierung von State- und Trait-Komponente zielführend. Generell bietet das State-Trait-Mo-dell einen Erklärungsansatz für den widersprüchlichen Forschungsstand im Kindesalter und könnte weitergehende Forschungen veranlassen.

Schlüsselwörter: Mathematikangst, Angst, Grundschulkinder, Lern- und Leistungsstörungen, kli-nische Diagnostik

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State- and Trait-Math Anxiety – performance-inhibiting predictors of math achievement?

Abstract

The study investigates performance-inhibiting effects of math anxiety (MA) in children. The de-finition of MA varies extensively in scientific publications. Besides narrow definition criteria, extended views of MA can be observed. As a result, different operationalisations are used. The present research aims at contributing to the definition of terms. For this purpose, questionnaires on the basis of the psychological state-trait-anxiety model were applied, so that MA is distingu-ished between situation-related anxiety reaction (state-MA) and math anxiety personality trait (trait-MA). Trait-MA, state-MA, self-ratings of math skills, attitudes towards mathematics, math achievement, social-, test-anxiety, learning motivation and intelligence of 1,179 students (48% girls) from grades 4 and 5 were assessed. Twenty-eight percentage of all children experienced state-MA. Some of these children (nearly 7% of total) had a combined MA-type (state- and trait-MA). A negative correlation between state-MA and math achievement could be observed, even when controlling for test- and social anxiety traits. Children with the combined MA-type exhibit poorer performances than children without MA. But some children with only trait-MA showed good performances. These findings underline the complexity of the relationship between MA and math performance. Good performances appear when only trait-MA exists, due to higher learning motivation and high abilities. State-MA and the combined type have inhibiting effects. The findings emphasize the benefit of the state-trait-anxiety model for research on MA. The differentiation seems to be one reason for inconsistent research status and might initiate further investigation.

Keywords: Mathematics anxiety, anxiety, primary school children, learning and performance impairments, clinical diagnostics

Kaum ein Schulfach löst so starke Gefühle aus wie das Fach Mathematik. Viele Schul-kinder klagen über Ängste vor dem Mathe-matikunterricht oder sind Tage vor einer Klassenarbeit in Mathematik angespannt, berichten von Schlafproblemen oder Bauch-schmerzen (OECD, 2013). Es ist offensicht-lich, dass affektive und motivationale Be-dingungen (Faktoren) das schulische Lernen beeinflussen (Hattie, 2009). Für das Schul-fach Mathematik scheint dies in besonde-rem Ausmaß zu gelten. So schwanken Angaben zur Vorkommenshäufigkeit von Ängsten in mathematischen Situationen von wenigen Prozentpunkten bis zu einer Mehr-zahl von über 60 Prozent. Wie stark diese Ängste die mathematische Leistungsfähig-keit beeinflussen, darüber existieren für das Grundschulalter kaum empirische Studien (Dowker, Sarkar, & Looi, 2016).

Bereits seit Mitte des 20. Jahrhundert wird Mathematikangst mit Leistungsschwä-chen in Mathematik in Verbindung ge-bracht. Belegt wurde dieser Zusammen-hang vor allem für das junge und mittlere Erwachsenenalter (Hembree, 1990), wohin-gegen sich der gegenwärtige Forschungs-stand für die Primar- und Sekundarstufe I sehr widersprüchlich darstellt. Während in einigen Studien negative Zusammenhänge zwischen Mathematikangst und Mathema-tikleistung festgestellt wurden, sind andere Forschergruppen der Ansicht, dass sich eine negative Beeinflussung erst im Verlauf der Sekundarstufe manifestiert. Als Gründe für diese inkonsistenten Befunde können un-einheitliche Begriffsbestimmungen und Operationalisierungen der Mathematik-angst angenommen werden, die auch in den differenten Angaben zur Vorkommens-

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häufigkeit ihren Ausdruck finden. In der Forschungsliteratur finden sich unterschied-liche Definitionskriterien, die auf eine eher enge oder weite Begriffsauslegung hinwei-sen (Orbach, Herzog, & Fritz, 2019).

Die vorliegende Forschungsarbeit möchte einen Beitrag zur notwendigen Be-griffsklärung leisten und den diskrepanten Forschungsstand aufklären. Es sollen die zentralen Fragestellungen zur Vorkommens-häufigkeit von Mathematikängsten sowie zum Zusammenhang zwischen Mathema-tikangst und Mathematikleistung im Über-gang zwischen Primar- und Sekundarstufe beantwortet werden. Hierfür wurde das Sta-te-Trait-Modell der Affektivität für Mathe-matikängste adaptiert.

Was ist Mathematikangst?

Die Emotion Angst hat eine zentrale Funk-tion für den Menschen. Sie warnt ihn davor, sich Gefahren auszusetzen und hat daher eine Schutz- und Überlebensfunktion. In kurzer Zeit registriert ein Mensch bedrohli-che Reize, sodass durch die darauffolgende Erregung des vegetativen Nervensystems eine Angstreaktion ausgelöst wird. Wäh-rend dieser Angstreaktion werden vorherige Handlungsabläufe unterbrochen und der Aufmerksamkeitsfokus auf die als bedroh-lich wahrgenommenen Reize gerichtet (Williams Watts, MacLeod, & Mathwes, 1997). Meistens flieht der Mensch aus der bedrohlichen Situation und meidet diese zukünftig, da er sie weiterhin als bedrohlich einstuft (Izard, 1977; Plutchik, 1980). Im Verlauf der Entwicklung sind Kinder und Ju-gendliche mit unterschiedlichen Situatio-nen konfrontiert, die ihnen Angst bereiten können (Marks, 1987; Scarr, 1999). In man-chen Altersbereichen sind Kinder gefährde-ter, Ängste vor bestimmten Situationen zu entwickeln. So leiden Kinder im Grund-schulalter häufiger unter Ängsten vor schul-spezifischen Situationen (Scarr, 1999). Ma-thematik kann eine solche angstauslösende Situation sein.

Obwohl die Mathematikangst (MA) be-reits eine längere Forschungstradition be-sitzt, werden in der Fachliteratur bis heute uneinheitliche Definitionen verwendet. Dies drückt sich in unterschiedlichen Test-verfahren, berichteten Prävalenzen oder wi-dersprüchlichen Erkenntnissen zum Wirk-zusammenhang zwischen MA und mathe-matischen Leistungen aus. Neben der Ver-wendung von engen Definitionskriterien sind oft sehr weite Auffassungen von MA vertreten. Wird nach einem sehr allgemei-nen Sorgenerleben bezüglich des Fachs Ma-thematik gefragt, wie in der Schulver-gleichsstudie PISA (OECD, 2013), ist die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler (SuS) von MA betroffen. Orientiert man sich hingegen an einer engen Definition, die eher den Kriterien eines klinischen Stö-rungsbildes entspricht, gelten weitaus weni-ger SuS als mathematikängstlich (vgl. Or-bach, Herzog, & Fritz, 2019). Diese eher klinische Definition geht von ungewöhnlich stark ausgeprägten und situationsinadäqua-ten MA-Reaktionen auf kognitiver (Sorgen-erleben, Selbsteinschätzung, Einstellungen), affektiver (Dysphorie) und physiologischer Ebene (z.B. erhöhte Herzfrequenz, Atembe-schwerden, Schwindel, Bauchschmerzen) aus, die im späteren Verlauf ein deutliches Vermeidungsverhalten hervorrufen (Rem-schmidt, Schmidt, & Poustka, 2012). Bedeu-tend für diese klinische Klassifikation ist, dass sich die Symptome auf mathematische Situationen oder Gedanken beschränken.

In der Literatur wird häufig auf die Defi-nition von Richardson und Suinn (1972, S.551) Bezug genommen, in der MA als „feeling of tension and anxiety that interfe-res with the manipulation of numbers and the solving of mathematical problems in a wide variety of ordinary life and academic situations“ beschrieben wird. Als Kriterium von MA wird hier der Bereich der Arithme-tik genannt. Diese Aussage wird auch durch neuere Forschungsbefunde bestätigt, denen zufolge sich MA vornehmlich auf Mathe-matikleistungen im Bereich der Arithmetik und weniger auf andere Kompetenzberei-

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che wie das geometrische Schlussfolgern auswirken (Ashcraft & Moore, 2009). Ein weiteres Kriterium zielt darauf ab, dass ma-thematikängstliche Menschen nicht nur in schulischen Situationen von ihrer Sympto-matik betroffen sind, sondern während ma-thematischer Anforderungen in allen Le-bensbereichen. Das Bezahlen am Kiosk kann in gleicher Weise angstauslösend sein wie eine Klausuraufgabe. Dennoch reichen die hier angeführten Kriterien nicht aus, das Problem präzise zu definieren und abzu-grenzen. Die Definition von Richardson und Suinn bietet keine eindeutigen Kriteri-en für MA und kann ‚weit‘ oder ‚eng‘ aus-gelegt werden.

Bis zum heutigen Tag wird MA nicht als psychiatrische Störung im ICD-10 und DSM-V klassifiziert, jedoch entspricht das Erscheinungsbild einer spezifischen Phobie (Faust, 1992; s.o. klinische Klassifikation). Im Sinne einer engen klinischen Definition muss MA als eigenständiges Störungsbild betrachtet werden. Hierfür liegen mittler-weile einige Forschungserkenntnisse vor, die spezifische Verursachungsfaktoren nachwiesen (Hembree, 1990; Baloglu, 1999; Hopko, Mahadevan, Bare, & Bunt, 2003; Kazelskis et al., 2000). Im Vorder-grund stehen Umweltfaktoren, genetischen Dispositionen kommt nur ein moderater Einfluss zu (Malanchini et al., 2017). Insge-samt entspricht die Größe genetischer Ein-flüsse der anderer Angststörungen, wie etwa bei sozialer Phobie oder generalisierter Angststörung. Aus diesem Grund nimmt die schulische Lernumgebung eine bedeutsame Rolle bei der Entstehung von MA ein. Als mögliche Risikofaktoren im schulischen Umfeld werden das Lehrerverhalten im Un-terricht (z.B. Rückmeldungen an das Schul-kind) oder die eigene MA der Lehrkraft dis-kutiert (Ashcraft & Moore, 2009; Beilock & Willingham, 2014).

Grundlegend für das Verständnis von Angststörungen ist die auf Cattell (1965) und Spielberger (1972) zurückgehende Un-terscheidung zwischen Angst als Zustand (state) und Angst als Persönlichkeitsmerk-

mal (trait). In der direkten Konfrontation mit einer angstauslösenden Situation empfin-den Menschen ein Gefühl von Spannung, Nervosität und Bedrohung. Diese zeitlich begrenzte und situationsgebundene Angst-reaktion ist mit einem erhöhten Erregungs-zustand des vegetativen Nervensystems ver-bunden. Sie wird als Zustandsangst be-zeichnet. Wenn ein Individuum eine erhöh-te Angstbereitschaft besitzt und in vielen Situationen mit ausgeprägten state-Ängsten reagiert, liegt ein erworbenes und zeitstabi-les Persönlichkeitsmerkmal vor. In diesem Fall empfindet das Individuum eine Vielzahl an Situationen als bedrohlich. Es ist anzu-nehmen, dass die Häufigkeit und die Inten-sität von state-Ängsten die Entwicklung von trait-Ängsten beeinflusst sowie kognitive Grundannahmen auf state-Ängste einwir-ken (Zeidner & Matthews, 2011). Das Sta-te-Trait-Angstmodell steht in der Tradition von kognitiven Appraisal-Theorien, wie der transaktionalen Stresstheorie von Lazarus (2001). Demzufolge wird die Entstehung von state-Ängsten als ein subjektiver Bewer-tungsprozess verstanden, bei dem das Indi-viduum die Situation und die eigenen Be-wältigungsressourcen unter Berücksichti-gung eigener Handlungsziele einschätzt (Spielberger, 1972). Emotionen sind die Folge kognitiver Bewertungen (appraisals) von Situationen.

Nach Lazarus (2001) gliedert sich der kognitive Bewertungsprozess in zwei Ap-praisals. In einem primären Appraisal wird die Situation hinsichtlich der persönlichen Bedeutung für das Individuum bewertet. Stellt die Situation für das Individuum eine Bedrohung, eine Herausforderung dar oder begegnet das Individuum dieser mit Gleich-gültigkeit? Sollte ein Individuum eine Situa-tion als eine Herausforderung oder unbe-deutend einschätzen, wird keine Angst empfunden, während eine als bedrohlich eingestufte Situation das sekundäre Apprai-sal erforderlich macht. Das zweite Apprai-sal bewertet, ob genügend persönliche Res-sourcen und situative Bewältigungsmög-lichkeiten zur Verfügung stehen, um die Si-

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tuation positiv zu bewältigen. Eine Angstre-aktion kommt zustande, wenn das Individu-um eine kognitive Bewertung vornimmt, die eine Situation als bedrohlich einstuft. Die-ser Prozess ist von der trait-Angst beein-flusst. So wird ein Mensch mit ausgeprägten trait-Ängsten eine Situation mit hoher Wahr-scheinlichkeit als bedrohlich bewerten und eine erhöhte Intensität der state-Angst emp-finden. Hierbei ist die Angst vor Fehlern (fear for failure) von wesentlicher Bedeu-tung. Sie wird als ein Bestandteil der trait-Angst angesehen, da Misserfolg, im Sinne einer negativen Bewertung eigener Fertig-keiten, eine Bedrohung für den Selbstwert darstellt (Spielberger, 1972; Atkinson, 1964). Angst vor Fehlern ist eine zeitstabile, dispositionelle Seite der Emotion Angst (Heckhausen & Heckhausen, 2010).

Das State-Trait-Modell der Mathematikangst

Obwohl das State-Trait-Modell in der For-schung zu Mathematikängsten (MÄ) kaum Verwendung fand, ist das Modell auf bishe-rige Begriffskonzeptionen der MA anwend-bar. In der Forschung wird zwischen der Angst in mathematischen Situationen und der Furcht vor Misserfolg in Mathematik dif-ferenziert (Sorvo et al., 2017). Die Angst in mathematischen Situationen kann als state-Form der MA (Mathematik-Zustandsangst) und die Furcht vor Misserfolg als trait-Form der MA (MA als Persönlichkeitsmerkmal) verstanden werden. In Anbetracht einer ma-thematischen Situation antizipieren Men-schen die subjektive Bedeutung der Situati-on sowie die individuellen und situativen Bewältigungsmöglichkeiten. Diesbezüglich haben generalisierte Grundüberzeugungen eine wichtige Funktion. Ein Kind, das über-zeugt ist, keine oder kaum Fertigkeiten in Mathematik (Selbsteinschätzung mathema-tischer Fertigkeiten) zu besitzen, ist gefähr-deter MA zu empfinden, da es die Situation als weniger kontrollierbar wahrnimmt (Frenzel, Götz & Pekrun, 2007, 2008). Wenn das Kind ferner dem Misserfolg in der

mathematischen Situation eine hohe Be-deutung beimisst (Einstellung zu Mathema-tik), sind die Bedingungen zur Entstehung einer MA gegeben (Abbildung 1).

Abbildung 1: Kognitive Appraisals der Mathema-tikangst.

Die Begriffsdefinitionen von Angst in mathematischen Situationen und Angst vor Misserfolg in Mathematik spiegeln sich in zwei differenten Formen der MA-Operatio-nalisierung wider (vgl. Orbach et al., 2019). Durch die Operationalisierung der Furcht vor Misserfolg in Mathematik wird die zeitstabile, dispositionale Seite der MA (trait-MA) erhoben, während die Frage nach dem Angsterleben in einer mathematischen Situation die state-Komponente der MA fo-kussiert.

An dieser Stelle muss auf die Besonder-heit der Fragestellungen zur state-Kompo-nente hingewiesen werden. Viele Inventare erheben die state-Angst nicht in einer aktu-ellen Situation, sondern erfragen, wie sich Kinder in einer bestimmten mathemati-schen Situation fühlen würden. Dies ist ein relevanter Unterschied, da solche Fragety-pen keine direkte Erfragung aktueller Emo-tionszustände darstellen und die Gefahr von Erinnerungsverfälschungen besitzen.

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Menschen greifen zur Beantwortung von re-trospektiven oder hypothetischen Fragen selten auf Informationen aus ihrem episodi-schen Gedächtnis zurück, vielmehr sind sie von situationsspezifischen Überzeugungen und dem eigenen Selbstkonzept geleitet. Dementsprechend nutzen Kinder ihr se-mantisch-emotionales Wissen, wodurch das Antwortverhalten von ihren subjektiven Grundüberzeugungen beeinflusst wird (Ro-binson & Clore, 2002). Bestandteil dieser subjektiven Grundüberzeugungen sind wie-derum die Selbsteinschätzung eigener Fer-tigkeiten (sekundärer appraisal) und Einstel-lungen (primärer appraisal). Fragebögen zu Ängsten in mathematischen Situationen sind daher keine „reinen“ state-Angst Inven-tare, sondern ein Mischtypus aus trait- und state-Angstkomponenten. Dieser Sachver-halt verdeutlicht, dass die Ermittlung von state-Ängsten in der potentiell angstauslö-senden Situation (z.B. einem Mathematik-test) stattfinden sollte. Zurzeit wird in der Literatur keine solche Unterscheidung vor-genommen, weshalb höchst unterschiedli-che Angaben zur Vorkommenshäufigkeit vorzufinden sind.

Zusammenfassend kann MA als eine si-tuationsspezifisch erworbene Reaktion auf mathematische Situationen definiert wer-den, die vermehrt bei Personen mit ungüns-tigen Voranlagen (Genetik oder längerfristi-ge Lernerfahrung, wie das Modelllernen an einem mathematikängstlichen Elternteil oder einer mathematikängstlichen Lehr-kraft, ungünstiges Lehrerfeedback) auftreten (Ashcraft & Moore, 2009; Beilock & Wil-lingham, 2014; Maloney, Ramirez, Gunder-son, Levine, & Beilock, 2015). Diese Perso-nen werden mathematische Situationen häufiger als bedrohlich und ihre eigenen Ressourcen zur Bewältigung der Situation als gering einschätzen. Demgemäß liegen relativ überdauernde kognitive Grundan-nahmen (trait-MA) vor, die zu vermehrten Angstreaktionen (mit einhergehender Erre-gung des vegetativen Nervensystems) in der Antizipation von mathematischen Reizen (state-MA) führen (Abbildung 2).

Abbildung 2: Das state-trait-Modell der Mathematikangst.

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Zusammenhang zwischen Mathe-matikangst und Mathematikleistung im Übergang von Primar- in die Sekundarstufe

Bereits zu Beginn der Schullaufbahn sind MÄ bei Kindern zu beobachten (Thomas & Dowker, 2000; Krinzinger et al., 2007; Wu, Barth, Amin, Malcarne, & Menon, 2012). Gleichwohl derzeit keine eindeutigen For-schungsergebnisse vorliegen, wird disku-tiert, dass MÄ mit zunehmendem Alter häu-figer auftreten (Dowker, 2005; Dowker, Bennet, & Smith, 2012). Es sprechen einige Gründe für eine Zunahme. In der Fachlite-ratur werden als mögliche Ursachen die all-gemeine Verschlechterung der Einstellun-gen zu Mathematik in der Sekundarstufe, die Zunahme an Angsterkrankungen im Ju-gendalter, höhere schulische Anforderun-gen und soziale Geschlechtsstereotypien angeführt (Dowker et al., 2016; Mata, Mon-teiro & Peixoto, 2012).

Seit Beginn der Erforschung von MÄ liegt ein Augenmerk auf leistungshemmen-den Effekten, die durch die Angstsympto-matik verursacht werden. Vorliegende Stu-dien wurden vor allem mit Erwachsenen durchgeführt (Hembree, 1990). Für das Er-wachsenenalter ist ein negativer Einfluss von MA auf die Mathematikleistung (ML) nachgewiesen (Ashcraft, Kraus & Hopko, 2007; Hembree, 1990). MA hat kurz- und langfristig negative Auswirkungen auf das Erlernen mathematischer Fertigkeiten und das Anwenden dieser, die unter Leistungs-druck und mit höherem Schwierigkeitsgrad zunehmen (Ashcraft & Moore, 2009; Vuko-vic, Kieffer, Bailey, & Harari, 2013). In den Metastudien von Ma (1999) und Hembree (1990) wurden moderate Korrelationen von r = -.27 bis -.34 zwischen standardisierten Mathematiktests und der Angstausprägung ermittelt. Diese Zusammenhänge sind ver-gleichbar mit dem Zusammenhang zwi-schen Leistungsangst und Schulleistung, der sich auf r = -.30 bemisst (Hembree. 1988).

Aufgrund langer Zeit ungeeigneter und nicht vergleichbarer Instrumente zur Erfas-

sung von MÄ im Kindesalter sowie selten repräsentativen Stichproben ist der For-schungsstand im Kindesalter äußerst inkon-sistent. Einige Studien berichten negative Zusammenhänge für Sekundarstufenschü-ler, wohingegen für die Primarstufe wider-sprüchliche Befunde existieren. Da manche Forschungsarbeiten keinen negativen Zu-sammenhang erfassen konnten (Thomas & Dowker, 2000; Krinzinger et al., 2007; Krin-zinger, Kaufmann, & Willmes, 2009; Haase et al. 2012; Hill et al., 2016), führte dies zu der Vermutung, dass leistungshemmende Effekte erst im Verlauf der Sekundarstufe auftreten (Dowker, 2005). Allerdings stell-ten andere Forschergruppen fest, dass MA bereits in der Primarstufe negativ auf ML einwirkt. Die erhobenen Korrelationen lie-gen zwischen r = -.19 und r = -.35 (Punaro & Reeve, 2012; Vukovic et al., 2013; Hara-ri, Vukovic, & Bailey, 2013; Kohn et al., 2013; Ramirez et al., 2013, 2016; Ganley & McGraw, 2016; Cargnelutti, Tomasetto & Passolunghi, 2017; Caviola, Primi, Chiesi & Mammarella, 2017). Ursächlich für die dis-paraten Forschungsergebnisse sind womög-lich unterschiedliche Begriffsdefinitionen und Erhebungsinstrumente. So konnten Sor-vo et al. (2017) feststellen, dass Inventare mit hypothetischen Fragen zu Angst in ma-thematischen Situationen einen negativen Zusammenhang ermittelten, wohingegen Inventare mit Fragen zur Furcht vor Misser-folg in Mathematik keinen Zusammenhang beobachteten.

Dass alle Kinder gleichermaßen von leistungshemmenden Effekten betroffen sind, ist diskutabel. Bei der Suche nach Ein-flussfaktoren konnten beispielsweise Unter-schiede in Abhängigkeit von Arbeitsge-dächtniskapazitäten gefunden werden (Ra-mirez et al., 2013, 2016; Mattarella-Micke et al., 2011). Hier zeigten nur Kinder mit hohen Arbeitsgedächtniskapazitäten einen negativen Zusammenhang. Hinsichtlich In-telligenz und MA wird bislang kein syste-matischer Zusammenhang angenommen. In der Metastudie von Hembree (1990) konnte ein schwacher Zusammenhang re-

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gistriert werden, der bei der Nichtberück-sichtigung von quantitativen Items im Intel-ligenztest nahe Null lag.

Warum kommt es zu leistungs-hemmenden Effekten?

Leistungseinbußen durch MÄ werden durch das Vermeidungsverhalten der betroffenen Menschen und eine defizitäre Aufmerksam-keitskontrolle bei der Bearbeitung von Ma-thematikaufgaben begründet. Ein Kind, das häufig Misserfolg und Angst in mathemati-schen Situationen erlebt, meidet Situatio-nen, in denen es mit mathematischen Prob-lemen konfrontiert wird. Hierzu zählen auch die Hausaufgabensituation oder das Üben von Mathematikaufgaben. Auf diese Weise entzieht sich das Kind der Möglich-keit, mathematische Fertigkeiten zu erwer-ben, und es verfestigen sich Lernrückstände (Ashcraft & Moore, 2009). Langfristig wäh-len Jugendliche und Erwachsene mit MA auf ihrem Bildungsweg seltener Kurse, die mathematische Fertigkeiten erfordern, und haben ein geringeres Interesse an wissen-schaftlichen Karrieren (Hembree, 1990; Le-Fevre, Kulak, & Heymans, 1990; Brown, Brown, & Bibby, 2008). Hierdurch werden nur mathematische Fertigkeiten erworben, die der Grundlagenunterricht vermittelt. Auch wird angenommen, dass sich das Ver-meidungsverhalten im alltäglichen Unter-richt durch eine schlechtere Aufmerksam-keit, geringere Mitarbeit und in einem flüchtigeren Lernverhalten zeigt (Ashcraft & Moore, 2009). Während der Bearbeitung einer Mathematikaufgabe manifestiert sich das Vermeidungsverhalten von mathematik-ängstlichen Menschen in einer schnellen Bearbeitungsgeschwindigkeit und hohen Fehlerrate (Ashcraft & Faust, 1994).

Das Vermeidungsverhalten kann mithil-fe neurowissenschaftlicher Forschungser-kenntnisse erklärt werden. Schon Grund-schulkinder mit MA haben bei der Bearbei-tung mathematischer Aufgaben eine höhere Aktivität der rechten Amygdala, die eine wichtige Bedeutung bei Prozessen der

Angstkonditionierung besitzt, und eine ge-ringe Aktivität in einem Areal des präfronta-len Cortex, der mit kognitiver Kontrolle as-soziiert wird (Young, Wu, & Menon, 2012). Situationen mit mathematischen Problem-stellungen bewirken bei mathematikängst-lichen Menschen neuronale Aktivitätsmus-ter, die im Zusammenhang mit dem Angst- und Schmerzempfinden stehen (Lyon & Beilock, 2012; Suárez-Pellicioni, Nú-ñez-Peña & Colomé, 2013; Klados, Pandria, Micheloyannis, Margulies, Bamidis, 2017). Darüber hinaus erschwert MA das erfolgrei-che Ausführen von Problemlösungsprozes-sen, da eine aktive Aufmerksamkeitskont-rolle (Fokussierung, Inhibition) im präfron-talen Cortex behindert wird (Sarker, Dow-ker, Cohen Kadosh, 2014).

Letztendlich wird durch das Angsterle-ben der Aufmerksamkeitsfokus auf bedro-hungsrelevante Reize und weniger auf die zeitgleiche Aufgabenbearbeitung gelegt. Bedrohliche Reize können intrusive Sorgen-gedanken („Ich schaffe das nicht“, „Das wird wieder eine 5“, „Ich bin so dumm“) oder externale Ablenkerreize (z.B. das Ti-cken des Uhrzeigers) sein, die bedrohlich, aber aufgabenirrelevant sind. Das Sorgen-erleben blockiert Ressourcen des limitierten Arbeitsgedächtnisses, die der eigentlichen Aufgabenbearbeitung vorenthalten bleiben (Eysenck, Derakshan, Santos, & Calvo, 2007). Die Aufmerksamkeitskontrolle ist eine der grundlegenden Aufgaben des Ar-beitsgedächtnisses (Miyake, Friedmann, Emerson, Witzki, & Howerter, 2000). Hier hat das Subsystem der Zentralen Exekutive eine relevante Funktion, indem es Reize hinsichtlich der Aufgabenrelevanz kodiert (updating), Handlungsimpulse hemmt (in-hibition) und die Aufmerksamkeit innerhalb der Aufgaben sowie zwischen Aufgaben verschiebt (shifting). Menschen mit MA können den Aufmerksamkeitsfokus schlech-ter von ihrem Sorgenerleben lenken und sind besonders bei Aufgaben von Leistungs-einbußen betroffen, welche die Exekutiven Funktionen beanspruchen (Ashcraft & Kirk, 2001). Während der Bearbeitung einer Ma-

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State- und Trait-Mathematikängste 11

thematikaufgabe können sie Ablenkerreize kaum inhibieren, sodass ihre Leistung bei einer Zunahme von Ablenkerreizen stärker beeinträchtigt wird (Hopko, Ashcraft, Gute, Ruggioro & Lewis, 1998). Sollten die Ablen-kerreize einen Mathematikbezug besitzen, erzielen mathematikängstliche Personen deutlich schlechtere Leistungen als bei der Konfrontation mit neutralen Ablenkern (Suárez-Pellicioni, Núñez-Peña & Colomé, 2015).

Forschungsfragen

Im Kindesalter konnten leistungshemmende Effekte durch MA bisher nicht hinreichend nachgewiesen werden. Die vorliegende Studie möchte die grundlegenden Fragen zur Auftrittshäufigkeit von MA sowie den Zusammenhang zwischen MA und ML für den Übergang zwischen Primar- und Se-kundarstufe beantworten. Hierfür wurde das State-Trait-Modell der Affektivität für MA adaptiert und operationalisiert. Erfasst wurden trait-MA (t-MA), state-MA (s-MA), Selbsteinschätzung mathematischer Fertig-keiten, Einstellungen zu Mathematik, Leis-tungsangst, ML und IQ an vierten und ver-schiedenen Schulformen der fünften Klasse.

Als erste Forschungsfrage soll beantwor-tet werden, ob bereits in der Primarstufe verschiedene MA-Formen auftreten und falls ja, in welcher Häufigkeit diese (s-MA oder t-MA, beide s-MA und t-MA) vorlie-gen. Die zweite Forschungsfrage befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen MA und ML. Inwiefern wird die ML von spezi-fischen MA-Formen (t-MA, s-MA, beide MA-Formen) beeinflusst? Die Hypothese ist, dass die state-Komponente im Vergleich zur t-MA einen größeren Einfluss auf die ML nimmt und dieser Zusammenhang nicht durch Leistungsängste zu erklären ist. Nach-dem sich die Arbeit mit MÄ und dem Zu-sammenhang zur mathematischen Leis-tungsfähigkeit zuwandte, möchte die Studie Kinder mit Rechenschwierigkeiten näher betrachten. Es soll geprüft werden, welche Angstausprägung Kinder mit Rechen-

schwierigkeiten besitzen (Forschungsfrage 3). Hieran anschließend soll die vierte For-schungsfrage die Prädiktoren der ML identi-fizieren. Im Sinne des Appraisal-Modells sollten – neben MÄ – die Selbsteinschät-zungen mathematischer Fertigkeiten und der Intelligenzquotient (Beeinflussung des sekundären Appraisals aufgrund von wahr-genommenen geringeren Bewältigungsres-sourcen) jeweils einen prädiktiven Einfluss auf ML besitzen.

Methodik

Stichprobe

An der Studie nahmen insgesamt 1179 SuS (48.1% Mädchen) der 4. und 5. Klasse von 19 Schulen aus dem Ruhrgebiet und dessen Umland teil (Tabelle 1). An 13 Schulen konnte die gesamte Jahrgangsstufe erhoben werden. Das durchschnittliche Alter betrug 133.5 Monate (SD = 9.17; Range 102-170). Alle Kinder besuchten Regelschulen. Inklu-sionskinder wurden in der Studie nicht be-rücksichtigt. Die Daten wurden an drei Ta-gen zum Schuljahresende im Sommer 2017 erhoben. Die Erhebungen führten geschulte Master-Studierende während des regulären Schulunterrichts durch. Eine Erhebungssit-zung dauerte ca. 60-70 Minuten und fand im Klassensetting statt.

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12 Lars Orbach, Moritz Herzog & Annemarie Fritz

Erhebungsverfahren

Math Attitude and Anxiety Questionnaire (MAQ 4-5).Zur Erfassung der trait-Mathematikangst wurde das Math Attitude and Anxiety Ques-tionnaire (MAQ 4-5) für 4. und 5. Klassen eingesetzt (Orbach, Herzog & Fritz, 2019). Der Fragebogen kann im Klassensetting durchgeführt werden und ermöglicht neben der Erfassung der t-MA (14 Items) eine Quantifizierung der Selbsteinschätzung der ML (7 Items) und Einstellungen zur Mathe-matik (7 Items). Insgesamt umfasst der Fragebogen 28 Items und beinhaltet 4 Frage typen zu 7 mathematischen Situatio-nen, die mithilfe einer 5-Punkt-Likert-Skala (0-4) beantwortet werden können. Das Ver-

1 Weiterführende Informationen zur Konzeption und Güte des Inventars MAQ für die Klassen 4 und 5 können Orbach et al. (2019) entnommen werden.

fahren ist eine adaptierte Version des Math Attitude and Anxiety Questionnaire (MAQ) von Thomas und Dowker (2000), der für 6.- bis 9.-jährige Kinder als deutschsprachiges Einzelinterviewverfahren (Fragebogen zur Rechenangst, FRA) durch Krinzinger et al. (2007) normiert wurde. Die interne Konsis-tenz (Cronbach’s alpha) des MAQ 4-5 be-misst sich auf = .83 bis = .92. Zudem wurden gute Maße für die Validität (Orbach et al., 2019) in dieser Altersgruppe nach-gewiesen, wie sie bereits für den FRA (Krin-zinger et al., 2007) und MAQ (Wood et al., 2012) ermittelt wurden1.

n Durchschnittsalterin Monaten (SD)

Rangein Monaten

Grundschule 343 (48.7% Mädchen) 123.25 (4.96) 102-144

Sekundarstufe 836 (46.9% Mädchen) 137.72 (6.90) 121-170

Gesamtschule 329 (44.4% Mädchen) 139.59 (7.51) 128-163

Realschule 251 (45.4% Mädchen) 137.29 (6.95) 125-170

Gymnasium 256 (51.6% Mädchen) 135.87 (5.37) 121-166

Tabelle 1: Stichprobenzusammensetzung

Selbsteinschätzung

Wie gut bist du beim Kopfrechnen? 4 3 2 1 0 sehr gut (4) bis sehr schlecht (0)

Einstellungen

Wie gerne rechnest du im Kopf? 0 1 2 3 4 sehr ungern (0) bis sehr gern (4)

trait-MA

Wie glücklich oder unglücklich bist du, wenn du beim Kopfrechnen Schwierigkeiten hast?

4 3 2 1 0 sehr glücklich (4) bis sehr unglücklich (0)

Wie besorgt bist du, wenn du beim Kopfrechnen Schwierigkeiten hast?

0 1 2 3 4 sehr besorgt (0) bis sehr entspannt (4)

Tabelle 2: Beispielitems des MAQ 4-5

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State- und Trait-Mathematikängste 13

Kinder, die bei der Zusammenrechnung der Items zur t-MA einen Punktwert zwi-schen 0 ≤ x ≤ 14 erzielten, gelten als trait-mathematikängstlich. Sie haben die 14 Items zur t-MA durchschnittlich mit der Ausprägung 1 oder mit einer geringeren Ausprägung beantwortet. Kinder ohne t-MA erzielten bei den Items zur t-MA eine Ge-samtsumme von x ≥ 42 und beantworteten die Items durchschnittlich mit mindestens der Ausprägung 3. Folglich wurde eine ka-tegoriale Klassifikation nach inhaltlichen Kriterien angewendet.

Kinder-Angst-Test-III (KAT-III)Die s-MA wurde mithilfe der Zustands-angst-Fragebögen des KAT-III (Tewes & Naumann, 2017) erfasst. Der KAT-III bein-haltet einen Pre-Fragebogen zur Selbstein-schätzung akuter Erwartungsangst (10 Items) und einen Post-Fragebogen zur retro-spektiven Selbsteinschätzung der state- Ängste (10 Items). Mit den Angaben der Kinder, ob ein Gefühlszustand gegenwärtig auf sie zutrifft oder nicht zutrifft, kann die Ausprägung des erlebten Erregungszustands vor und nach einem Mathematiktest be-stimmt werden. Die interne Konsistenz (Cronbach’s alpha) für den Pre-Fragebogen bemisst sich auf = .77 und für den Post-Fragebogen auf = .78. Der KAT-III wurde vor und nach dem Basistest mathe-matischer Fertigkeiten durchgeführt. In der Testinstruktion wurden die Kinder darüber informiert, dass jetzt ein Mathetest geschrie-ben wird und vor ihnen ein Heft mit ver-schiedenen Mathematikaufgaben liegt.

Zur Klassifizierung, ob s-MA oder keine s-MA vorliegen, wurde entsprechend des KAT-III-Manuals verfahren, sodass eine Ein-stufung im Sinne der Normstichprobe vor-genommen wurde. Kinder, die eine Roh-wertsumme aus Pre- und Posttest von x ≥ 6 erzielten, gelten als state-mathematikängst-lich. Kinder ohne s-MA wiesen eine Roh-wertsumme gleich 0 auf.

Phobiefragebogen für Kinder und Jugendliche (PHOKI)Als Kontrollvariable wurde die Leistungs-angst mittels der Skala Schul- und Leis-tungsängste des PHOKI (Döpfner, Schnabel, Goletz & Ollendick, 2006) erhoben. Die Kinder geben die Auftretenshäufigkeit von Ängsten in schulischen Bewertungssituatio-nen auf einer 3-Punkt-Likert-Skala an. Die Skala weist eine interne Konsistenz (Cron-bach’s alpha) von = .78 auf.

Basistest mathematischer FertigkeitenZur Erfassung der mathematischen Fertig-keiten wurde ein Test arithmetischer Basis-fertigkeiten (Ehlert, Herzog, & Fritz, in press) verwendet. Das Verfahren ermittelt die arithmetischen Fertigkeiten für das Teil-Teil-Ganzes-Verständnis, die Multipli-kation und Division sowie das Stellenwert-verständnis anhand von 96 Items. Das Test-verfahren beinhaltet Ziffern- und Textaufga-ben. Die Reliabilität und Validität des Ver-fahrens können als gut beurteilt werden. Die konvergente Kriteriumsvalidität wurde mit den Deutschen Mathematiktests für vierte und fünfte Klassen ((DEMAT 4 (r  =  .59)), DEMAT 5+ (r =. 57)) überprüft. Zudem wurde die divergente Kriteriumsva-lidität mit dem Intelligenztest CFT 20-R (r  =  .46) geprüft. Die Interne Konsistenz (Cronbach’s alpha) für die drei Fertigkeits-skalen bemisst sich auf  = .86 bis  = .89.

Zur Klassifizierung, ob Rechenschwie-rigkeiten vorliegen, wurde das 20. Perzentil der vorliegenden Stichprobe als Cut-off-Wert angewandt. Kinder mit Rechenschwie-rigkeiten haben hiernach x ≤ 63 Punkte (von maximal 96 Punkten) im Basistest er-

Pre-Test

Ich mache mir Sorgen Ja Nein

Post-Test

Ich machte mir Sorgen Ja Nein

Tabelle 3: Beispielitem KAT-III (state)

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14 Lars Orbach, Moritz Herzog & Annemarie Fritz

zielt. Als Kinder ohne Rechenschwierigkei-ten wurden Probanden klassifiziert, die ein Perzentil ≥ 50 (Rohwertpunkte x ≥ 80) er-zielten. Eine Differenzierung zwischen den Jahrgangsstufen wurde nicht getätigt, da keine Leistungsunterschiede zwischen Klas-se 4 und 5 beobachtbar waren.

Culture Fair Intelligence Test (CFT 20-R)Die Intelligenz wurde mit der deutschen Adaption des Culture Fair Intelligence Test (Cattell & Cattell, 1960) dem CFT 20-R (Weiß, 2006) erfasst. Der CFT 20-R ist ein sprachfreier Gruppentest, der die fluide In-telligenz mit vier figuralen Aufgabentypen (Reihenfortsetzen, Klassifikation, Matrizen, topologische Schlussfolgerungen) ermittelt. Mit einer internen Konsistenz (Cronbach’s alpha) von = .92 ist die Messgenauigkeit als gut zu bewerten.

Statistische Verfahren

Alle statistischen Auswertungen wurden mit IBM SPSS Statistic (Version 24) durchge-führt. Zur Prüfung von Zusammenhangshy-pothesen wurden Korrelationsanalysen nach Pearson eingesetzt. Nach Cohen (1988) gelten r ≥ .1 als kleine, r ≥ .3 mittlere und r ≥ .5 große Effekte. Zum Vergleich zweier Korrelationen wurden z-Werte er-mittelt. Gruppenvergleiche wurden mithilfe univarianter ANOVAs vorgenommen. Eine Bewertung des Unterschieds wurde mit der Effektgröße d aus dem F-Wert von Varianz-analysen oder der Effektgröße 2 durchge-führt. Nach Cohen (1988) gelten d ≥ .1 als kleiner, d ≥ .3 als mittlerer und d ≥ .5 als großer Effekt, wohingegen 2 ≥.01 als klei-ner, 2 ≥ .06 als mittlerer und 2 ≥ .14 als großer Effekt bewertet werden. Zur Identifi-kation von Prädiktoren der ML wurde schließlich eine multiple lineare Regressi-onsanalyse ausgeführt.

Ergebnisse

Die deskriptive Statistik (arithmetische Mit-telwerte und Standardabweichung der Roh-werte) für die Skalen Selbsteinschätzung mathematischer Fertigkeiten, Einstellung zu Mathematik und t-MA des MAQ 4-5, die Rohwerte der s-MA (Gesamtskala state-KAT-III), die Rohwerte für die mathemati-schen Leistungen (Basistests mathemati-scher Fertigkeiten) pro Klassenstufe und Geschlecht können Tabelle 4 entnommen werden.

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State- und Trait-Mathematikängste 15

Variable M (SD)

Schulform Jungen Mädchen Gesamt

Selbsteinschätzung (n = 1076, fehlend = 103, Range: 0-28)

Primarstufe 20.96 (5.5) 20.33 (4.3) 20.63 (5.0)

Sekundarstufe 21.08 (4.6) 19.23 (4.5) 20.21 (4.7)

Gesamtschule 20.51 (4.9) 18.34 (4.8) 19.51 (4.9)

Realschule 21.12 (4.7) 18.87 (5.4) 20.09 (4.8)

Gymnasium 21.87 (3.9) 20.68 (3.9) 21.27 (3.9)

Einstellungen (n = 1076, fehlend = 103, Range: 0-28)

Primarstufe 19.84 (6.0) 19.42 (5.0) 19.62 (5.5)

Sekundarstufe 19.07 (6.2) 18.04 (5.1) 18.58 (5.7)

Gesamtschule 18.50 (6.9) 17.74 (5.0) 18.15 (6.1)

Realschule 18.90 (6.3) 18.01 (5.4) 18.49 (6.0)

Gymnasium 20.11 (4.8) 18.45 (4.9) 19.27 (4.9)

trait-MA (n = 1065, fehlend = 114, Range: 0-56)

Primarstufe 26.29 (10.7) 23.42 (11.1) 24.80 (11.0)

Sekundarstufe 25.45 (11.1) 22.13 (14.8) 23.88 (10.6)

Gesamtschule 26.81 (11.9) 22.76 (10.6) 24.93 (11.5)

Realschule 25.15 (10.6) 23.79 (10.0) 24.52 (10.3)

Gymnasium 23.89 (10.2) 19.68 (8.3) 21.78 (9.5)

State-MA (n = 1109, fehlend = 70, Range: 0-20)

Primarstufe 4.19 (3.8) 5.10 (4.1) 4.66 (3.9)

Sekundarstufe 3.29 (3.4) 4.60 (4.0) 3.91 (3.8)

Gesamtschule 3.96 (3.4) 6.12 (3.9) 4.94 (3.8)

Realschule 3.38 (3.3) 4.64 (4.3) 3.95 (3.8)

Gymnasium 2.31 (3.3) 2.96 (3.3) 2.65 (3.3)

Basis-Test (n = 1007, fehlend = 172, Range: 0-96)

Primarstufe 72.95 (17.7) 76.14 (14.4) 74.57 (16.2)

Sekundarstufe 77.33 (16.7) 74.54 (15.8) 76.00 (16.3)

Gesamtschule 68.34 (19.7) 64.98 (16.0) 66.75 (18.1)

Realschule 78.18 (12.5) 74.64 (13.0 76.54 (13.3)

Gymnasium 88.05 (6.2) 85.35 (9.9) 86.68 (8.4)

IQ (n = 1010, fehlend = 169, Range: 54-161)

Primarstufe 100.34 (15.5) 104.83 (13.8) 102.69 (14.8)

Sekundarstufe 99.66 (14.4) 100.95 (14.8) 100.28 (14.6)

Gesamtschule 96.77 (13.6) 95.48 (12.6) 96.16 (13.1)

Realschule 97.69 (12.5) 96.99 (12.4) 97.36 (12.4)

Gymnasium 105.70 (16.0) 110.93 (14.2) 108.36 (15.1)

Tabelle 4: Arithmetische Mittelwerte (M), Standardabweichung (SD) der erhobenen Skalen

Anmerkungen: Bei Betrachtung der Angstausprägungen in Abhängigkeit der Jahrgangsstufe lässt sich ein Klassenunterschied für s-MA (F(1, 1105) = 8.741; p = .003; d = .195), jedoch nicht für t-MA (F(1, 1063) = 1.604; p = .205; d = .085) feststellen.

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16 Lars Orbach, Moritz Herzog & Annemarie Fritz

Forschungsfrage 1: Wie häufig treten Mathematikängste auf?

Zur Überprüfung der Forschungsfrage wur-den die absoluten und relativen Häufigkei-ten der s-MA und t-MA ermittelt. Diese Klassifikation beruht auf den Rohwerten von state- und trait-MA und berücksichtigt nicht, ob ein Kind beide MA-Formen zeigt. Von den 1179 Kindern berichteten 332 (28.1%) auffällige s-MA und 203 (17.3%) auffällige t-M (Tabelle 5).

Auf Grundlage der Rohwerte wurden die Kinder verschiedenen Ausprägungsgra-den zugewiesen (Tabelle 6). Die Ausprä-gungsgrade der s-MA orientieren sich an den Klassifizierungen des KAT-III und die Ausprägungsgrade des t-MA entsprechen dem kategorialen Vorgehen von Orbach et al. (2019). Insgesamt weisen 45 Kinder (3.8%) stark ausgeprägte s-MA und 62 Kin-der (5.3%) stark ausgeprägte t-MA (hohe oder maximale t-MA) auf.

Abbildung 3 illustriert die Überschnei-dungen zwischen den beiden MA-Formen. 31.8% der 203 Kinder mit t-MA erfüllen auch die Kriterien einer s-MA, wohingegen 13.5% als nicht state-ängstlich gelten. 49.3% konnten nicht eindeutig klassifiziert werden, da sie einen Rohwert zwischen 1 und 5 Punkten erzielten. 25.4% der 332 Kinder mit s-MA waren auch von t-MA be-troffen. 5.6% erfüllten die Kriterien für kei-ne t-MA und 60.3% konnten mit einem Rohwert zwischen 15 und 41 Punkten nicht eindeutig klassifiziert werden.

s-MA t-MA

n (%) N=1179fehlend: 166

332 (28.1%) 203 (17.2%)

Tabelle 5: Fallzahlen (n) und relative Häufigkei-ten (%) der MA-Gruppen

leichtes-MA

hohes-MA

leichtet-MA

hohet-MA

maxt-MA

keine MÄ

n (%) N=1179fehlend: 166

287(24.3%)

45(3.8%)

141(12%)

47(4%)

15(1.3%)

590(50.0%)

RW 6≤ x ≤12 x ≥ 13 8≤ x ≤14 1≤ x ≤7 x = 0 s-MA ≤ 5t-MA ≥ 15

Tabelle 6: Fallzahlen (n), relative Häufigkeiten (%) der MA-Formen nach Ausprägungsgrad

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State- und Trait-Mathematikängste 17

Schließlich wurden unter Berücksichti-gung des State-Trait-Modells fünf MA-Grup-pen gebildet. Die Kinder konnten anhand ihrer state- (Norm des KAT-III) und trait-Roh-werte (kategoriale Klassifikation) den Grup-pen mit nur s-MA, nur t-MA, beide MÄ (t-MA und s-MA) und einer Kontrollgruppe ohne MÄ zugeordnet werden. Zudem wur-de eine Gruppe mit Kindern gebildet, die Zustandsängste berichteten, aber deren auf-fällige trait-Rohwerte in einem „Graube-reich“ unterhalb des Cut-Off lagen. Einige Kinder waren aufgrund fehlender Werte (n = 175; 14.8%) oder ambiger s-MA-Roh-werte (n  =  73; 6.2%) nicht klassifizierbar (Tabelle 7).

Nach dieser Klassifikation zeigten 7.2% aller Kinder beide MÄ mit state- und trait-Komponente, 1.7% aller Kinder be-richteten nur Zustandsängste (nur s-MA) und 2.1% aller Kinder wiesen nur das ma-thematikängstliche Persönlichkeitsmerkmal (nur t-MA) auf. 17.8% gaben s-MA an und hatten einen auffälligen trait-Rohwert unter-halb des Cut-Offs.

nur t-MA nur s-MA beide MÄ s-MA & t-MA unterhalb Cut-Off

keine MÄ

Rohwerte s-MA = 0t-MA ≤ 14

s-MA ≥ 6t-MA ≥ 42

s-MA ≥ 6t-MA ≤ 14

s-MA ≥ 6t-MA 15≤ x ≤ 41

s-MA ≤ 5t-MA ≥ 15

n (%) N=1179fehlend: 21%

25(2.1%)

20(1.7%)

85(7.2%)

210(17.8%)

590(50.0%)

Tabelle 7: Fallzahlen (n), relative Häufigkeiten (%) der MA-Formen

Abbildung 3: Überschneidungen t-MA und s-MA (prozentuale Anteile der jeweiligen MA-Sub gruppe).

Von Kindern mit t-MA haben … (in %) Von Kindern mit s-MA haben … (in %)

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18 Lars Orbach, Moritz Herzog & Annemarie Fritz

Forschungsfrage 2.1: Wird die Mathematikleistung von Mathematikängsten beeinflusst?2

Um etwaige leistungshemmende Effekte durch MÄ zu explorieren, wurden Korrela-tionsanalysen nach Pearson zwischen allen Skalen durchgeführt (Tabelle 8). Es findet sich ein signifikanter negativer Korrelations-koeffizient von r = -.31 (p ≤ .001) zwischen s-MA und ML im Basistest. Eine Partialkor-relation zwischen den beiden Variablen unter Kontrolle der Leistungsangst ergab ei-nen negativen Koeffizienten von r = -.30 (p ≤ .001). Zwischen t-MA und mathemati-scher Leistung lässt sich nur ein sehr schwa-cher positiver Korrelationskoeffizient von r = .06 (p ≤ .05) ausmachen. Unter Kontrolle der Leistungsangst wurde ein auf dem 5%-Signifikanzniveau signifikant positiver Zusammenhang zwischen t-MA und ML er-mittelt (r = .08, p ≤ .05). Die Korrelationsko-effizienten zwischen s-MA und ML sowie t-MA und ML unterscheiden sich signifikant (z = -9.446, p ≤ .001).

Der Korrelationskoeffizient zwischen Leistungsangst und ML bemisst sich auf r = -.17 (p ≤ .001) und ist signifikant verschie-

2 Aus Gründen der besseren Verständlichkeit wurde die Skala t-MA des MAQ 4-5 für die folgenden Ab-schnitte umgepolt. Höhere Werte entsprechen einer erhöhten t-MA-Ausprägung.

den vom Korrelationskoeffizienten r = -.31 (p ≤ .001) zwischen s-MA und ML (z = -4.425, p ≤ .001).

Es finden sich mittlere positive Korrela-tionskoeffizienten zwischen der Selbstein-schätzung mathematischer Fertigkeiten und ML (r = .36, p ≤ .001) sowie zwischen Ein-stellungen und ML (r = .27, p ≤ .001). Diese Ergebnisse verändern sich kaum, wenn die Leistungsangst als Kontrollvariable in die Partialkorrelation miteinbezogen wird.

In einer Gegenüberstellung (Tabelle 9) verschiedener Ausprägungsgrade der s-MA und Kindern ohne MA sind Gruppenunter-schiede zu beobachten (F(2,869) = 38.991; p ≤ .001; 2 = .082). In der Scheffé post-hoc-Analyse weisen beide s-MA-Aus-prägungsgrade schlechtere Leistungen als Kinder ohne MA auf (p ≤ .001). Für t-MA-Ausprägungsgrade sind keine signifi-kanten Unterschiede untereinander und gegenüber Kindern ohne MÄ (hohe t-tMA gegenüber keine MÄ: p = .078) festzustel-len (F(2,763) = 3.195; p = .042; 2 = .008).

Variable s-MA t-MA Basis- Test

IQ Leis-tungs-angst

Selbst-einschät-

zung

Einstel-lungen

s-MA .146** -.314** -.203** .392** -.319** -.196**

t-MA1 .055 .063* .086** .255** -.198** -.148**

Basis-Test -.297** .076* .457** -.167** .364** .267**

IQ -.178** .126** .446** -.088** .211** .113**

Leistungs-angst

- - - - -.314** -.203**

Selbst-einschätzung

-.239** -.123** -.358** .188** - .624**

Einstellungen -.147** -.095** .237** .089* - .609**

Tabelle 8: Korrelationskoeffizienten (bivariat) zwischen den Variablen (obere Dreiecksmatrix) und Partialkorrelationskoeffizienten zwischen den Variablen unter Kontrolle der Leistungsangst (untere Dreiecksmatrix)

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State- und Trait-Mathematikängste 19

In einer post-hoc-Analyse wurde eine Differenzierung zwischen verschiedenen IQ-Ni-veaus vorgenommen. Es lassen sich keine Gruppenunterschiede zwischen den Korrelatio-nen der MÄ (t-MA oder s-MA) und ML für unter-, über- und durchschnittliche IQ-Niveaus feststellen (siehe Tabelle 10).

Forschungsfrage 2.2: Wird die Mathematikleistung von unterschied-lichen Mathematikangst-Formen beeinflusst?

Unter Bezugnahme des State-Trait-Modells wurden verschiedene MA-Formen gebildet, wodurch die Kinder auf Grundlage ihrer trait- (kategoriales Kriterium) und state-Roh-werte (Cut-Off-Kriterium der Normstichpro-be) fünf Gruppen zugeordnet wurden. Man-che Kinder konnten nicht klassifiziert wer-den, da fehlende Werte oder nicht eindeuti-ge state-Rohwerte vorlagen. In univarianten ANOVAs für die fünf Variablen (ML, Einstel-lungen, Selbsteinschätzung, Leistungsangst

und IQ) mit dem Faktor MA-Form ergaben sich mehrere signifikante Gruppenunter-schiede (Tabelle 11). In der Scheffé post-hoc-Analyse zeigen Kinder mit nur t-MA signifikant bessere ML als Kinder mit nur s-MA (p = .021), Kinder mit beiden MÄ (p = .005). Auch weisen die Kinder mit nur t-MA einen besseren IQ als die beiden an-deren Gruppen auf (nur s-MA: p = .017; beide MÄ: p = .028). Kinder mit beiden MÄ zeigen signifikant schlechtere ML als Kinder ohne MA (p = .038). Zudem haben diese Kinder schlechtere Selbsteinschätzungen im Vergleich zu Kindern mit nur t-MA (p = .001), nur s-MA und keinen MÄ (jeweils: p ≤ .001) sowie weniger positive Einstellun-

leichtes-MA

hohes-MA

leichtet-MA

hohe + maxt-MA

keineMÄ

RW 6 ≤ x ≤ 12 x ≥ 13 8 ≤ x ≤ 14 0 ≤ x ≤ 7 s-MA ≤ 5t-MA ≥ 15

Basis-TestM (SD)

70.12(16.4)

63.7(14.1)

76.62(14.9)

73.88(16.8)

78.68(15.2)

Tabelle 9: Mathematikleistung der MA-Formen nach Ausprägungsgrad

IQ ≤ 85 85 ≤ IQ ≤ 115 IQ ≥ 115

state-MAr = -.270**(n = 111)

trait-MAr = .086(n = 110)

z = .506p = .306

z = .589p = .278

state-MAr = -.318**(n = 655)

trait-MAr = .025(n = 649)

z = .51p = .305

z = .078p = .469

state-MAr = -.276**(n =154)

trait-MAr = .032(n = 153)

state-MAz = .051p = .479

trait-MAz = .428p = .334

Tabelle 10: Korrelationen zwischen MA und ML in Abhängigkeit des IQ-Niveaus

Anmerkungen: ** p ≤ .01 (2-seitig), * p ≤ .05 (2-seitig).

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gen im Vergleich zu Kindern mit nur s-MA (p = .010) und weisen mehr Leistungsängste als alle anderen Gruppen (außer „Grau-bereichs gruppe“) auf (alle: p ≤ .001).

Um das State-Trait-Entwicklungsmodell zu überprüfen, wurde eine auffällige s-MA Gruppe hinzugenommen, die auffällige trait-Rohwerte unterhalb des Cut-Offs auf-wies. Diese Gruppe zeigte ebenfalls schlechte ML im Vergleich zu Kindern ohne

MÄ (p ≤ .001) und mit nur t-MA (p ≤ .001). Außerdem zeigte die Gruppe ähnlich nega-tive Einstellungen (zu Gruppen „nur s-MA“, „keine MÄ“: p ≤ .001; zu „nur t-MA“: p = .056), Selbsteinschätzungen (zu allen Grup-pen außer „beide MÄ“: p ≤ .001) und Leis-tungsängste (alle Gruppen außer „beide MÄ“: p ≤ .01) wie die Gruppe mit beiden MÄ.

Abbildung 3: Mathematikleistung der unterschiedlichen MA-Formen (ohne Gruppe mit auffälligen trait-Rohwerten unterhalb des Cut-Off)

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State- und Trait-Mathematikängste 21

Forschungsfrage 3: Welche Angstausprägungen haben Kinder mit Rechenschwierigkeiten?

Zur Klassifizierung von Rechenschwierig-keiten wurde das 20. Perzentil als Cut-off-Wert und für die Klassifizierung von Kin-dern ohne Rechenschwierigkeiten wurde das 50. Perzentil herangezogen. In einer univarianten ANOVA mit dem Faktor Re-chenschwierigkeit wurde ein signifikanter Gruppenunterschied mit einer großen Ef-fektstärke für s-MA ermittelt. Kinder mit Re-chenschwierigkeiten weisen mehr s-MA (F(1,721) = 120.798; p ≤ .001; d = .891) auf. Es war kein Gruppenunterschied für t-MA (F(1,712) = 1.191, p = .275; d = .092) festzustellen (Tabelle 12).

M(SD)

nur t-MAn = 25

nur s-MAn = 20

beide MAn = 85

keine MAn = 574

s-MA &t-MA

unterhalbCut-Offn = 211

RW s-MA = 0t-MA ≤ 14

s-MA ≥ 6t-MA ≥ 42

s-MA ≥ 6t-MA ≤ 14

s-MA ≤ 5t-MA ≥ 15

s-MA ≥ 6t-MA 15 ≤

x ≤ 41

Basis-Test 86.36 (8.1)

70.63 (16.0)

73.02 (15.1)

78.68(15.2)

68.54(15.8)

F(4,901) = 21.090, p ≤ .001

2 = .086

Einstellungen zu Mathematik

20.17 (5.9)

22.80 (4.6)

17.80 (5.6)

19.48(5.5)

16.57(5.5)

F(4,924) = 15.106 p ≤ .001

2 = .061

Selbsteinschät-zung der Mathematik-leistung

23.00 (4.0)

23.75 (2.3)

18.61 (4.9)

21.25(4.3)

17.85(4.8)

F(4,924) = 31.065 p ≤ .001

2 = .119

Leistungsangst 5.44 (4.0)

5.42 (3.1)

9.76 (3.6)

5.38(3.6)

8.63(3.8)

F(4,919) = 50.533 p ≤ .001

2 = .180

IQ 110.60 (13.9)

94.27 (9.4)

99.71 (13.0)

102.83(14.9)

97.12(13.7)

F(4,843) = 9.199

p ≤ .0012 = .042

Tabelle 11: Fallzahlen (n), arithmetische Mittelwerte (M), Standardabweichung (SD) der MA- Gruppen

M(SD)

Rechen-schwierig-

keiten

n = 197

keine Rechen-

schwierig-keiten

n = 505

state-MA 5.75 (4.1)

3.12 (3.6)

trait-MA 24.42(11.5)

23.56(10.0)

Tabelle 12: Fallzahlen (n), arithmetische Mittel-werte (M), Standardabweichung (SD) der Kinder mit (PR ≤ 20) und ohne Rechenschwierigkeiten (PR ≥ 50)

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22 Lars Orbach, Moritz Herzog & Annemarie Fritz

Forschungsfrage 4: Welche Faktoren prädizieren die Mathematikleistung?

Zur Identifikation von Prädiktoren der ML wurde eine multiple lineare Regressions-analyse durchgeführt. Hierfür wurde eine Regression des Kriteriums ML auf die mög-lichen Prädiktoren s-MA, t-MA, Einstellun-gen, Selbsteinschätzung, Leistungsangst und IQ vorgenommen. Um herauszufinden, welche Faktoren die Vorhersage der ML op-timieren, fand die hierarchische Regressi-onsanalyse Anwendung. Durch die theorie-basierende Bildung von Variablenblöcken kann aufgeklärt werden, welche Faktoren eine signifikante Verbesserung der erklären-den Varianz ermöglichen. Insgesamt wur-den 5 Modelle überprüft (Tabelle 13). Mo-dell 1 und 2 beinhalten die separaten MA-Formen s-MA und t-MA, während sich Modell 3 aus beiden MA-Formen zusam-mensetzt. Modell 4 komplettiert das Apprai-sal-Modell mit den Faktoren Einstellungen und Selbsteinschätzung. Schließlich fügt Modell 5 die möglichen Prädiktoren Leis-tungsangst und IQ hinzu.

In Übereinstimmung mit den bisherigen Ergebnissen aus der Gegenüberstellung von Kindern mit und ohne Rechenschwierigkei-ten sowie den Korrelationsanalysen zeigt sich, dass s-MA einen signifikanten negati-ven Einfluss auf die ML ( = -.314) nimmt, während t-MA ( = .048) sogar einen schwachen positiven Einfluss auf die ML besitzt. Allerdings befinden sich die aufge-klärten Varianzen mit 9.9% für Modell 1 (s-MA) und 0.4% für Modell 2 (t-MA) auf einem geringen Niveau. Im gemeinsamen MA-Modell ist nur s-MA ein signifikanter Prädiktor auf einem 1%-Signifikanzniveau. Hier liegt die aufgeklärte Varianz bei 13.3%. Bei Aufnahme der Einstellungen und Selbst-einschätzung im Sinne des Appraisal- Modells erhöht sich die aufgeklärte Varianz auf 23.3%. Signifikante Prädiktoren mit positivem Einfluss auf die ML sind die Selbsteinschätzung ( = .316) und t-MA ( = .124), während s-MA ( = -.259) ein Prädiktor mit negativem Einfluss darstellt.

Bei Hinzunahme des IQ und der Leistungs-angst steigt die erklärte Varianz auf 34.3%. In diesem Modell sind der IQ ( = .346) und die Selbsteinschätzung ( = .242) ein starker Prädiktor mit positivem Einfluss auf die ML, t-MA ( = .072) ein auf dem 5%-Signifi-kanzniveau signifikanter Prädiktor mit posi-tivem Einfluss und s-MA ( = -.198) ein Prä-diktor mit negativem Einfluss auf die ML. Die Leistungsangst und Einstellungen sind in diesem Modell keine Prädiktoren der ML. Eine signifikante Zunahme an aufgeklärter Varianz zeigte sich bei der Variablenauf-nahme für die Modelle 4 (Einstellungen, Selbsteinschätzung: Änderung in R2 = .100; p ≤ .001) und 5 (Leistungsangst, IQ: Ände-rung in R2 = .110; p ≤ .001).

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State- und Trait-Mathematikängste 23

Diskussion

Im Übergang zwischen Primar- und Sekun-darstufe berichtet eine Vielzahl an Kindern von Angstreaktionen in mathematischen Situationen (s-MA). Einige von diesen Kindern (ca. 7% aller Kinder) erleben nicht nur Zustandsängste (s-MA) in Mathematik, sondern besitzen auch mathematikängstli-che Persönlichkeitsmerkmale (t-MA) oder weisen auffällige Persönlichkeitsmerkmale unterhalb des Cut-Off-Wertes auf (ca. 18% aller Kinder). Die Zahl an Kindern mit ma-thematischen Zustandsängsten bildet eine Risikogruppe, die wahrscheinlich der Ge-fahr ausgesetzt ist, durch eine hohe Fre-quenz und Intensität von Zustandsängsten (s-MA) überdauernde Persönlichkeitsmerk-male (t-MA) zu entwickeln. Falls diese Dispositionen nicht, wie bei einem Viertel

der Betroffenen, bereits vorhanden sind. Kinder mit mathematischen Zustandsängs-ten und mathematikängstlichen Persönlich-keitsmerkmalen haben schlechte affektiv- motivational Lernvoraussetzungen für das Fach Mathematik, weil sie neben der Angst-symptomatik sehr negative Einstellungen zu Mathematik und eine schlechte Selbstein-schätzung mathematischer Fertigkeiten be-sitzen.

Unverkennbar ist der hohe Anteil an Kindern, die weder einer MA-Form noch der Kontrollgruppe ohne MÄ zuzuordnen waren. Diese Gegebenheit verdeutlicht den breiten „Graubereich“, der nahelegt, dass MÄ als ein Kontinuum zu verstehen sind. Außerdem kann die hohe Anzahl an Kin-dern mit Zustandsängsten, die trait-Rohwer-te im „Graubereich“ zwischen ängstlich und nichtängstlich aufwiesen, als ein Indiz

B SE B __ p R2 F

Modell 1 (n = 899) .099 109.438

s-MA -1.337 .128 -.314** ≤ .001

Modell 2 (n = 979) .004 3.915

t-MA -.094 .047 .063* .048

Modell 3 (n = 898) .133 66.943

s-MA -1.445 .125 -.369** ≤ .001

t-MA .110 .046 .076 .017

Modell 4 (n = 896) .233 66.179

s-MA -1.013 .125 -.259** ≤ .001

t-MA .179 .044 .124** ≤ .001

Einstellungen .100 .102 .038 .330

Selbsteinschätzung 1.056 .127 .331** ≤ .001

Modell 5 (n = 894) .343 75.374

s-MA -.774 .124 -.198** ≤ .001

t-MA .104 .042 .072* .013

Einstellungen .127 .095 .048 .189

Selbsteinschätzung .762 .121 .242** ≤ .001

Leistungsangst -.052 .120 -.014 .802

IQ .359 .030 .346** ≤ .001

Tabelle 13: Hierarchisches multiples Regressionsmodell der Mathematikleistung

Anmerkungen: ** p ≤ .01 (2-seitig), * p ≤ .05 (2-seitig).

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für das State-Trait-Entwicklungsmodell ge-deutet werden. Schließlich ist anzunehmen, dass viele Kinder mit mathematischen Zu-standsängsten schrittweise mathematik-ängstliche Persönlichkeitsmerkmale entwi-ckeln. Im Allgemeinen befinden sich die ermittelten Kennwerte zur Auftrittshäufig-keit in der Größenordnung anderer Studien mit großen Stichproben, die Prozentwerte zwischen 8% und 27% für breitere Klassifi-kationskriterien berichten (Sorvo et al., 2017; Devine, Hill, Carey & Szucs, 2018). Falls engere Kriterien angewandt werden, die entweder hohe Ängste oder – wie in dieser Studie umgesetzt – Zustandsängste und Persönlichkeitsmerkmale zeigen, ist die Auftrittshäufigkeit vergleichbar mit der Er-hebung von Chinn (2009) mit 2% bis 6%.

Eine Ausnahme vom state-trait-Entwi-cklungsmodell, das eine hohe Frequenz und Intensität von Zustandsängsten (s-MA) für die Entwicklung von Persönlichkeits-merkmalen (t-MA) voraussetzt, ist vermut-lich eine kleine leistungsstarke Subgruppe (ca. 2% aller Kinder und 12% der Kinder mit t-MA). Diese Kinder weisen überdau-ernde Persönlichkeitsmerkmale (t-MA) auf, ohne Zustandsängste (s-MA) zu empfinden. Fraglich ist, ob diese Kinder im Vorhinein einer erhöhten Erregung des vegetativen Nervensystems in mathematischen Situatio-nen ausgesetzt waren oder aufgrund ihrer guten Bewältigungsmöglichkeiten keine Zustandsängste erleben. Im Sinne des Ap-praisal-Modells besitzen die Kinder wo-möglich eine hohe Kontrollüberzeugung (2. Appraisal). Aufgrund ihrer sehr guten ma-thematischen und kognitiven Fertigkeiten ist es denkbar, dass die Kinder mehr schuli-schen Erfolg erfahren und alltägliche Schul-situationen keine Zustandsängste bei ihnen bewirken. Hingegen könnte es sein, dass die Kinder bei der Fragestellung, wie un-glücklich sie sind, wenn sie unvorhergese-hene Schwierigkeiten beim Rechnen erle-ben, eine Furcht vor Misserfolg berichten. Außerdem ist es diskutabel, ob diese Kinder nicht ein mittleres und aktivierendes An-spannungsniveau nach dem Yerkes-Dod-

son-Gesetz (Yerkes & Dodson, 1908) erle-ben, das nicht als Zustandsangst wahrge-nommen wird und leistungsförderliche Ef-fekte besitzt. Zur Klärung sind weitere For-schungsarbeiten notwendig.

Interessanterweise ist der Zusammen-hang zwischen MA und ML nicht kausal aufzufassen. Während eine erhöhte Erre-gung des vegetativen Nervensystems in ma-thematischen Situationen (s-MA) – auch unter der Kontrolle von Leistungsängsten – einen eindeutig leistungshemmenden Effekt hat und dieser sogar ausgeprägter ist als die negative Beeinflussung durch Leistungs-ängste, führen zeitlich überdauernde Per-sönlichkeitsmerkmale (t-MA) nicht zwangs-läufig zu mathematischen Leistungseinbu-ßen. Allgemein weisen Kinder mit hohen t-MA keine signifikanten schwächeren ML als Kinder ohne MA auf, wobei sich eine Tendenz zu geringeren ML beobachten lässt. So leiden Kinder mit einer auffälligen Ausprägung beider MA-Formen sowie Kin-der mit Zustandsängsten und auffälligen trait-Rohwerten unterhalb des Cut-Off bei jeweils durchschnittlich intellektueller Leis-tungsfähigkeit unter deutlich leistungshem-menden Effekten in Mathematik. Demge-genüber steht eine Subgruppe von äußerst leistungsstarken Kindern, die nur t-MA und keine Zustandsängste berichteten. Die Er-gebnisse entsprechen dem gegenwärtigen Forschungsstand, in dem Inventare mit hy-pothetischen Fragen zu Angst in mathemati-schen Situationen einen moderaten negati-ven Zusammenhang und Inventare mit Fra-gen zur Furcht vor Misserfolg in Mathematik keinen Zusammenhang identifizierten (vgl. Sorvo et al., 2017).

Die Mutmaßung, MA sei ein neues Wort für schlechte Mathematikfertigkeiten (Bei-lock & Willingham, 2014), muss in Anbe-tracht dieser Feststellungen negiert werden. Hierfür besitzt der Zusammenhang zwi-schen MA und ML eine zu hohe Komplexi-tät. Ferner vernachlässigt eine solche Simp-lifizierung die Verursachungsfaktoren von MA (vgl. Carey et al., 2016).

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In der Forschungsliteratur wird disku-tiert, ob alle Kinder in gleicher Weise von leistungshemmenden Effekten betroffen sind. Ramirez et al. (2013; 2016) konnten bspw. nur leistungshemmende Effekte bei Grundschulkindern mit hohen Arbeitsge-dächtniskapazitäten feststellen. Die vorlie-gende Studie nahm eine Differenzierung zwischen verschiedenen IQ-Niveaus vor, um ähnliche Effekte für das allgemeine in-tellektuelle Niveau (General Fluid Ability) zu prüfen. Hierbei konnten keine signifi-kanten Unterschiede beobachtet werden. Es lassen sich vergleichbare negative Zusam-menhänge für Kinder aller kognitiven Leis-tungsfähigkeiten feststellen, was zu der An-nahme führt, dass leistungshemmende Ef-fekte durch MÄ leistungsstarke und leis-tungsschwache SuS in derselben Weise be-treffen.

Mathematikängste sind ein verbreitetes Phänomen im alltäglichen Schulunterricht und beeinflussen die mathematische Kom-petenzentwicklung. Entgegen vielfacher Annahmen ist der Zusammenhang zwi-schen Angst und Leistung nicht eindimen-sional aufzufassen. Die Studie konnte drei bedeutende Prädiktoren für die mathemati-sche Kompetenzentwicklung identifizieren. Neben s-MA (negativer Einfluss) haben die Selbsteinschätzung und der IQ (jeweils po-sitiver Einfluss) einen deutlich prädiktiven Wert. Kinder, die ihre Fertigkeiten in Mathe-matik als schwach einschätzen und geringe intellektuelle Fähigkeiten besitzen (sekun-därer Appraisal), empfinden mehr Zustands-ängste (s-MA), weil sie mathematische Situ-ationen als weniger kontrollierbar bewer-ten. In der Folge sind leistungshemmende Effekte zu verzeichnen. Aus diesem Grund ist die Erfassung von mathematischen Zu-standsängsten in realen mathematischen Situationen zielführend. Zur Klärung, ob diese durch Zustandsängste bewirkte Leis-tungshemmung mit zeitlich überdauernden Persönlichkeitsmerkmalen und folglich wei-teren affektiven Beeinträchtigungen einher-geht, sollten state- und trait-Komponenten der MA erfasst werden. Diese Unterschei-

dung bietet einen Erklärungsansatz für den widersprüchlichen Forschungsstand im Kin-desalter und Anlass für weiterführende Un-tersuchungen. Zukünftige Studien könnten sich der Prüfung des theoretischen Entwick-lungsmodells zuwenden. So wäre im Längs-schnitt zu klären, ob s-MA durch theorie-konforme Bedingungen vorhersagbar ist. Hierfür wäre es naheliegend physiologische Parameter in die Methodik miteinzubezie-hen.

Limitationen

Als eine Limitation der Studie ist anzufüh-ren, dass keine Longitudinaldaten erhoben wurden und demzufolge keine kausalen Auskünfte über Ursache-Wirkungs-Bezie-hungen möglich sind. Zur Beantwortung der Fragestellung, ob Zustandsängste ein Resultat oder eine Ursache von Leistungs-schwächen in Mathematik sind, bedarf es weitergehender Longitudinalstudien. Ferner ermöglicht die Selbstauskunft mithilfe eines paper-pencil-Verfahrens keine direkte Erfas-sung von physiologischen Parametern, was die Validität der Messung von Zustands-ängsten begrenzt. Es sollte zudem bedacht werden, dass die Stichprobengröße einen Einfluss auf die statistische Signifikanz von Forschungsresultaten nimmt. Aus diesem Grund können bereits kleine Gruppenun-terschiede oder Korrelationen statistisch sig-nifikant sein, jedoch nur eine eingeschränk-te inhaltliche Relevanz besitzen.

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