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Stefan Wahl, Iris Rautenberg, Stefanie Helms EVALUATION EINER SYNTAXBASIERTEN DIDAKTIK ZUR SATZINTERNEN GROßSCHREIBUNG 1 1 Kooperationsprojekt gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Pädagogi- schen Hochschule Freiburg (WA 1504 /2 – 1) und der Universität Hildesheim (RA 2514 /1 5 1) Zusammenfassung Die satzinterne Großschreibung ist eine der Hauptfehlerquellen innerhalb der Orthographie. Dies könnte mit dem in den Schulen fast durchgängig verwendeten didaktischen Ansatz zusammenhängen, bei dem die Großschreibung an die Wortart Substantiv gebunden wird. Eine alternative syntaxbasierte Modellierung, nach der die erweiterbaren Kerne von Nomi- nalgruppen unabhängig von ihrer Wortartzugehörigkeit großgeschrieben werden, wurde oft als zu voraussetzungsreich eingeschätzt, um sie in der Grundschule zu vermitteln. Um die praktische Umsetzbarkeit und die Lerneffekte des syntaxbasierten Ansatzes zu evaluieren, wurde eine experimentelle Interventionsstudie mit 36 zweiten Klassen durchgeführt. Es zeigte sich, dass syntaxbasiert unterrichtete Klassen bei der Großschreibung mindestens ver- gleichbare Leistungen erzielen wie die wortartbasiert unterrichteten Klassen der Vergleichs- gruppe. Insbesondere bei der Großschreibung ‚substantivierter’Verben entwickeln sich ihre Kompetenzen sogar deutlich besser. Hier erreichen schon die ZweitklässlerInnen das Niveau von SechstklässlerInnen, das in neun zusätzlichen Schulklassen erhoben wurde. Abstract Capitalizations within the sentence are one of the main sources of error in German orthogra- phy.This might be explained by the widespread employment of a didactic approach closely linking capitalization to the lexical category substantive.An alternative way for teaching capi- talizations is the syntax-based approach, in which the rule for upper case is motivated syntac- tically: The root of a noun phrase that can be expanded by adjective attributes is written with a capital regardless of its lexical category. This method was often considered to be too deman- ding for use in elementary schools. An experimental intervention study including 36 classes of the second grade was conducted in order to evaluate the practicality and the effects of this syntax-based approach. It becomes apparent that pupils taught capitalization based on syntax achieve results at least as good as pupils taught based on lexical category. When it comes to the capitalization of nominalised verbs, their competency even exceeds that of the comparison group. Here, the second-graders reached the level of competency of sixth-graders from nine additional tested classes. 32 Didaktik Deutsch 42 / 2017

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Stefan Wahl, Iris Rautenberg, Stefanie Helms

EVALUATION EINER SYNTAXBASIERTEN DIDAKTIK ZUR

SATZINTERNEN GROßSCHREIBUNG 1

1 Kooperationsprojekt gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Pädagogi-schen Hochschule Freiburg (WA 1504/2–1) und der Universität Hildesheim (RA 2514/151)

Zusammenfassung

Die satzinterne Großschreibung ist eine der Hauptfehlerquellen innerhalb der Orthographie.Dies könnte mit dem in den Schulen fast durchgängig verwendeten didaktischen Ansatzzusammenhängen, bei dem die Großschreibung an die Wortart Substantiv gebunden wird.Eine alternative syntaxbasierte Modellierung, nach der die erweiterbaren Kerne von Nomi-nalgruppen unabhängig von ihrer Wortartzugehörigkeit großgeschrieben werden, wurde oftals zu voraussetzungsreich eingeschätzt, um sie in der Grundschule zu vermitteln. Um diepraktische Umsetzbarkeit und die Lerneffekte des syntaxbasierten Ansatzes zu evaluieren,wurde eine experimentelle Interventionsstudie mit 36 zweiten Klassen durchgeführt. Eszeigte sich, dass syntaxbasiert unterrichtete Klassen bei der Großschreibung mindestens ver-gleichbare Leistungen erzielen wie die wortartbasiert unterrichteten Klassen der Vergleichs-gruppe. Insbesondere bei der Großschreibung ‚substantivierter’ Verben entwickeln sich ihreKompetenzen sogar deutlich besser. Hier erreichen schon die ZweitklässlerInnen das Niveauvon SechstklässlerInnen, das in neun zusätzlichen Schulklassen erhoben wurde.

Abstract

Capitalizations within the sentence are one of the main sources of error in German orthogra-phy. This might be explained by the widespread employment of a didactic approach closelylinking capitalization to the lexical category substantive.An alternative way for teaching capi-talizations is the syntax-based approach, in which the rule for upper case is motivated syntac-tically: The root of a noun phrase that can be expanded by adjective attributes is written witha capital regardless of its lexical category. This method was often considered to be too deman-ding for use in elementary schools. An experimental intervention study including 36 classesof the second grade was conducted in order to evaluate the practicality and the effects of thissyntax-based approach. It becomes apparent that pupils taught capitalization based on syntaxachieve results at least as good as pupils taught based on lexical category. When it comes to thecapitalization of nominalised verbs, their competency even exceeds that of the comparisongroup. Here, the second-graders reached the level of competency of sixth-graders from nineadditional tested classes.

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Die satzinterne Großschreibung stellt bei SchülerInnen und Erwachseneneine der Hauptfehlerquellen innerhalb der Orthographie dar (vgl. u.a. Betzel 2015,Bos et al. Hg. 2008, Grotlüschen /Riekmann 2011, Pießnack /Schübel 2005,Thome /Eichler 2008). Wie Betzel (2015) in einer Längsschnittstudie im fünften bissiebten Schuljahr zeigen konnte, gelingt den SchülerInnen am Ende der siebtenKlasse lediglich die Großschreibung von Konkreta sicher. Abstrakta und soge-nannte Substantivierungen bereiten hingegen große Schwierigkeiten. Dieschwächste Leistungsgruppe (20% der Stichprobe) schreibt selbst bei direkt voran-gestelltemArtikel noch am Ende des 7. Schuljahrs ca. die Hälfte derAbstrakta klein.Mit der Großschreibung sogenannter Substantivierungen haben fast alle untersuch-ten SchülerInnen erhebliche Probleme. Sie werden von den SiebtklässlerInnen inweniger als der Hälfte der Fälle richtig geschrieben. Die schwächsten LernerInnenschreiben nicht einmal ein Fünftel der Substantivierungen groß.

In der Grundschule ist die Groß- /Kleinschreibung (GKS) ab dem zweiten SchuljahrregelmäßigThema des Rechtschreibunterrichts. Offensichtlich führen die im Unter-richt vermittelten Strategien zur GKS bei vielen SchülerInnen nicht zu einer siche-ren Rechtschreibung in diesem Bereich (Bredel 2006a, Noack 2006).

1 Der wortartbasierte Ansatz

Die satzinterne Großschreibung wird traditionell an die Wortart Substantiv gebun-den. So lautet die Duden-Grundregel (K 67): „Substantive schreibt man groß“(Dudenredaktion Hg. 2009: 57). Laut Duden werden außerdem alle Ausdrücke, diewie Substantive gebraucht werden, durch eine Majuskel ausgezeichnet (ebd.).Aller-dings ist die Bestimmung dessen, was ein Substantiv ist, nicht immer klar.

Prototypische Substantive weisen bestimmte morphologisch-lexikalische, semanti-sche und syntaktische Merkmale auf (Bredel 2006b, Fuhrhop 2006). Morpholo-gisch zeichnen sich Substantive durch die Flexion hinsichtlich Kasus und Numerusaus. Sie sind zudem genusfest. Semantisch ist die Kennzeichnungsfunktion vonSubstantiven charakteristisch. Sie referieren, bezeichnen also etwas Konkretes oderAbstraktes (Fuhrhop 2006, Ossner 2010). Syntaktische Merkmale prototypischerSubstantive sind deren Artikelfähigkeit sowie die Möglichkeit, den Kern einerNominalgruppe zu bilden (Bredel 2006b, Eisenberg 2006, Fuhrhop 2006). AlsKerne von Nominalgruppen sind sie durch Attribute erweiterbar und legen diegrammatischen Eigenschaften von Artikel und Attribut fest (Bredel 2006b).

Prototypische Substantive des Kernbereichs weisen alle genannten Eigenschaftenauf (Ossner 2010). Je weniger Kriterien zutreffen, umso mehr Zweifel entstehen ander Zuordnung zur Wortart Substantiv (Bredel 2006b) und somit auch an der Groß-schreibung.

In der Primarstufe wird ab dem zweiten Schuljahr die Großschreibung unterrichtet.Dies geschieht fast ausnahmslos wortartbasiert in einer gestuften Reihenfolge(Bredel 2006a): Im zweiten Schuljahr erfolgt die Identifikation von Substantiven

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nach semantischen Kriterien. Die Kinder lernen, dass alle Namenwörter großzu-schreiben sind und dass diese Menschen, Tiere und Gegenstände bezeichnen(Bredel et al. 2011, Günther /Gaebert 2011). Da zu Beginn meist ausschließlich mitKonkreta gearbeitet wird, lernen die SchülerInnen zur Identifikation von Substanti-ven zusätzlich die Regel: Namen für Dinge, die man sehen oder anfassen kann,schreibt man groß. Als morphologisches Kriterium wird der definite Artikel als‘Begleiter’von Substantiven unterrichtet. Verben und Adjektive werden als kleinzu-schreibende Ausdrücke eingeführt, die ebenfalls nach semantischen Kriterien zuermitteln sind (Verben als ‘Tun-Wörter’, Adjektive als ‘Wie-Wörter’) (Günther /Gaebert 2011). Im vierten Schuljahr wird der Substantivbegriff auf Abstrakta aus-geweitet (ebd.).

Die satzinterne Großschreibung wird also in der Grundschule auf semantischeEigenschaften prototypischer Substantive zurückgeführt (ebd.). Erst in der Sekun-darstufe (meist im 6. Schuljahr) werden sogenannte Substantivierungen Thema desUnterrichts. Die entsprechende Regel lautet nun: Auch Wörter, die wie Substantiveverwendet werden, werden großgeschrieben (Bredel et al. 2011, Günther /Gaebert2011).

Dieses didaktische Vorgehen ist in mehrerlei Hinsicht problematisch. Zum einenwird die Artikelprobe im Unterricht an isolierten Wortformen vorgenommen und istso für die grammatische Analyse unbrauchbar (vgl. Ossner 2010). Bei der Vermitt-lung semantischer Kriterien zur Substantivbestimmung besteht zudem die Schwie-rigkeit, dass durch sie nur Substantive des Kernbereichs, also Konkreta, erfasstwerden. Bei der Vermittlung von Kleinschreibregeln (Tun-Wörter und Wie-Wörterschreibt man klein) ist neben der semantischen Eingrenzung auf Tätigkeitsverbenproblematisch, dass die Regel spätestens in der Sekundarstufe ihre Gültigkeit ver-liert, wenn im Rahmen der Einführung sogenannter Substantivierungen nun auf ein-mal auch Wörter anderer Wortarten großgeschrieben werden sollen. Zudem stelltdie Kleinschreibung den Default dar. Der Schreiber muss also lediglich wissen, wel-che Wörter durch Großschreibung ausgezeichnet werden. Alle anderen Ausdrückewerden kleingeschrieben. Die Thematisierung der Kleinschreibung im Unterrichtist somit unnötig und kontraproduktiv.

Insgesamt scheint die didaktische Reduktion auf prototypische Substantive undderen Identifikation nach semantischen Kriterien, die in einem wortartbasiertenUnterricht erfolgt, die LernerInnen zur Bildung falscher Hypothesen zu verleiten,die später häufig nicht mehr revidiert werden können. Die Hauptkritik an einemwortartbasierten Unterricht zur GKS bezieht sich somit auf die unzureichende Ver-mittlung von kohärentem orthographischen Wissen (Betzel 2015).

2 Der syntaxbasierte Ansatz

Eine Alternative zu einer wortartbasierten Modellierung der GKS stellt der syntax-basierte Ansatz (Maas 1992) dar, in dem die Bindung der Großschreibung an dieWortart Substantiv aufgehoben und die Großschreibung leserorientiert modelliert

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wird. Großgeschrieben wird nicht ein Substantiv, sondern aus einer satzinternenMajuskel folgt für den Leser die Information, „daß das großgeschriebene Wort alsKern einer nominalen Gruppe fungiert“ (Maas 1992: 156 [Hervorhebung im Origi-nal]). Die Regel für die satzinterne Großschreibung lautet folglich: „Der Kern jedernominalen Gruppe im Satz wird mit einem initialen Großbuchstaben markiert“(Maas 1992: 161 [Hervorhebung im Original]). Der Kern der nominalen Gruppekann durch ein Wort beliebiger Wortart repräsentiert sein. Zudem ist er durchAdjek-tivattribute, Genitivattribute, Relativsätze, Appositionen oder Präpositionalphrasenerweiterbar (Noack 2006). Formal zeichnen sich Adjektive durch Flexion aus.

Durch die syntaxbasierte Modellierung kann der Kernbereich der Großschreibungin analytischer Hinsicht einfach rekonstruiert werden (Maas 1992). Die Regel(Großgeschrieben wird der erweiterbare Kern der Nominalgruppe.) „erfasst dieüberwältigende Mehrheit aller satzinternen Großschreibungen“ (Günther /Gaebert2011: 104). Trotz einiger Ausnahmen (z.B. sie fährt Auto; er steht Schlange; heuteAbend) ist es also im Kernbereich möglich, „die Großschreibung funktional vonihrer Leistung für die Textstrukturierung zu entwickeln“ (Maas 1992: 172).

Auf der Grundlage der Konzeption von Maas (1992) entwickelte Röber-Siekmeyer(1999) ein didaktisches Konzept zur syntaxbasierten Vermittlung der GKS ab derzweiten Klasse. Im Kern geht es darum, dass die SchülerInnen Nominalgruppen alsSatzglieder durch die Umstellprobe erkennen und deren Kerne durch die Erweite-rung mit Adjektivattributen identifizieren. Methodisch geschieht dies beispiels-weise mithilfe sogenannter Treppengedichte. Die Ausdrücke, die im Kern derNominalgruppe stehen, sind dabei von Beginn an nicht auf Konkreta beschränkt. Sosollen die SchülerInnen erkennen „dass es sich bei der Großschreibung um die Mar-kierung einer syntaktischen Funktion handelt und nicht um die feststehende Eigen-schaft einer Wortart“ (Bredel et al. 2011: 117).

Der syntaxbasierte Ansatz ist in der Vergangenheit immer wieder als zu voraus-setzungsreich kritisiert worden (z.B. Bremerich-Vos 1996). Die Kontroversebezieht sich darauf, ob das syntaxbasierte Vorgehen bereits in der Primarstufe ziel-führend ist oder GrundschülerInnen überfordert (Naumann 2006, Bremerich-Vos1999; zur Diskussion vgl. auch Betzel 2015). Nicht bestritten wird hingegen „[d]iesystematische Überlegenheit der syntaktisch formulierten Regeln für die (satz-interne) Großschreibung“ (Naumann 2006: 68). Allerdings könne man nicht „dieÜberlegenheit eines Modells aus seiner Eleganz, Schlüssigkeit oder Erklärungskraftableiten, wenn es um seine didaktische Brauchbarkeit geht“ (Naumann 2006: 69).

Der Wortartenbezug in der Grundschule und die didaktische Reduktion auf Kon-kreta als ‘Anfasswörter’ sind nach Naumann als eine Art „Notbehelf“ (Naumann2006: 71) anzusehen, der für PrimarstufenschülerInnen durchaus brauchbar undzweckdienlich sei und auf den später mit dem syntaktischen Ansatz aufgebautwerden könne (ebd.). Zudem steht der Beleg der empirischen Überlegenheit einessyntaxbasierten Vorgehens nach wie vor aus (ebd., Betzel 2015).

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3 Forschungsstand

In der Tat sprechen bisher nur die Ergebnisse einiger kleinerer Untersuchungendafür, dass der syntaxbasierte Ansatz in der Grundschule nicht nur praktikabel ist,sondern auch zu besseren Ergebnissen führt als ein wortartbasiertes Vorgehen. Sokonnten Nünke und Wilhelmus (2002) zeigen, dass ZweitklässlerInnen, die dieGKS syntaxbasiert erwarben, weniger Fehler in diesem Bereich machten als wort-artbasiert unterrichtete Kinder der Vergleichsgruppe. Insbesondere Kinder mitDeutsch als Zweitsprache konnten von einem syntaxbasierten Vorgehen profitieren.Röber-Siekmeyer (1999) dokumentiert einzelne Unterrichtssequenzen und be-schreibt positive Effekte des syntaxbasierten Ansatzes. Gaebert (2012) führte eineInterventionsstudie mit FünftklässlerInnen durch. Auch sie beschreibt positiveEffekte der syntaxbasierten Unterrichtung auf die Leistungen der SchülerInnen inder GKS, wobei insbesondere bei den schwachen LernerInnen starke Leistungszu-wächse zu verzeichnen waren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine syntaxbasierte Modellierung der GKSaus theoretisch-didaktischer Perspektive einem traditionell wortartbasierten Vorge-hen überlegen ist. In Einzelfalluntersuchungen konnte zudem die Anwendbarkeitdes syntaxbasierten Ansatzes in der Grundschule gezeigt werden. Ein Forschungs-desiderat besteht jedoch im Hinblick auf repräsentative experimentelle Untersu-chungen, in denen die Umsetzbarkeit des syntaxbasierten Vorgehens im zweitenSchuljahr sowie die Effektivität des Ansatzes belegt werden.

4 Fragestellung und Hypothesen

Aus diesem Grund sollen in dieser Studie die Praktikabilität und die Effekte dessyntaxbasierten Ansatzes in einer repräsentativen Stichprobe, in einem ökologischvaliden Setting und in einem experimentellen Interventionsdesign untersucht wer-den: Ist SchülerInnen der zweiten Klasse der syntaxbasierte Ansatz vermittelbar?Wie sind die Leistungen der Kinder in der GKS nach dieser Unterrichtung im Ver-gleich zu Kindern, die nach dem traditionellen wortartbasierten Ansatz unterrichtetwurden?

Folgende Hypothesen sollen überprüft werden:

1. Der syntaxbasierte Ansatz ist SchülerInnen der zweiten Klasse vermittelbar,sofern er didaktisch adäquat aufbereitet und mit altersgerechtem Material unterrich-tet wird.

2. Die nach dem syntaxbasierten Ansatz unterrichteten Kinder zeigen insgesamtbessere Leistungen in der Großschreibung als die wortartbasiert unterrichtetenKinder.

a. Bei der Schreibung von Konkreta, die im Fokus des wortartbasierten Ansatzessteht, entsprechen die Leistungen der syntaxbasiert unterrichteten Kinder denen derwortartbasiert unterrichteten Kinder.

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b. Die syntaxbasiert unterrichteten Kinder erzielen bei der Schreibung von Ab-strakta bessere Ergebnisse als die wortartbasiert unterrichteten Kinder.

c. Bei der Großschreibung sogenannter Substantivierungen sind die syntaxbasiertunterrichteten Kinder den wortartbasiert unterrichteten Kindern deutlich überlegen,da die Anwendung der syntaxbasierten Regeln unabhängig von der Wortart desgroßzuschreibenden Ausdrucks zum richtigen Ergebnis führt.

5 Methode

5.1 Studiendesign

Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wurde eine experimentelle Interventions-studie mit zweiten Klassen in Grundschulen durchgeführt. Diese Schulstufe wurdegewählt, da zu diesem Zeitpunkt die GKS im Unterricht noch nicht thematisiertwurde und somit davon ausgegangen werden kann, dass die SchülerInnen die wort-artbasierten Regeln noch nicht kennengelernt haben.

Untersuchungsgruppen. Im Zentrum der Studie steht der Vergleich von Klassen, dienach dem syntaxbasierten Ansatz (Experimentalgruppe SYN) oder dem wortartba-sierten Ansatz (Kontrollgruppe WA) unterrichtet wurden. Die unabhängige VariableDidaktischer Ansatz wäre bei einem direkten Vergleich dieser beider Gruppen hin-sichtlich der abhängigen Variable Leistungen bei der Großschreibung von Abstraktaund Substantivierungen aber damit konfundiert, dass sie im Wortart-Ansatz zu die-sem Zeitpunkt im Curriculum noch gar nicht vorgesehen sind und die GKS in diesenKlassen daher nur mit Konkreta geübt wurde. Deshalb wurden die Klassen mit syn-taxbasiertem Unterricht auf zwei Experimentalgruppen aufgeteilt: In der einenGruppe wurde nach dem syntaxbasierten Ansatz unterrichtet, jedoch wurden dieRegeln in allen Erklärungen, Beispielen, Materialien und Übungen ausschließlichauf Konkreta angewandt (Experimentalgruppe SYN, nur Konkreta). Die Leistungendieser Gruppe können daher ohne Konfundierung mit dem Umfang der Übungswör-ter mit der Kontrollgruppe verglichen werden. In der anderen Gruppe wurde dersyntaxbasierte Unterricht ‘in vollem Umfang’ unterrichtet, d.h. es wurde mit Bei-spielen gearbeitet, bei denen Wörter verschiedener Wortarten großzuschreiben sind(Experimentalgruppe SYN). Dieses Design (vgl. Tab. 1) wurde durch die Un-tersuchung von sechsten Klassen ergänzt. Die SchülerInnen der sechsten Klassenwurden in ihrer Grundschulzeit nach dem wortartbasierten Ansatz unterrichtet undhaben zu Beginn der Sekundarstufe sogenannte Substantivierungen behandelt. Siebilden eine zweite Vergleichsgruppe (WA 6. Klasse), die hinsichtlich des Umfangsder Übungswörter mit der SYN-Gruppe vergleichbar ist. Aufgrund vieler andererVariablen (Lebensalter, allgemeine Lese- und Rechtschreibkompetenz, Lernzeit,usw.) sind in dieser Gruppe natürlich bessere Leistungen zu erwarten.

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Tab. 1 Didaktischer Ansatz und Umfang der Übungswörter der vierUntersuchungsgruppen

Auswahl der teilnehmenden Klassen. Die teilnehmenden Klassen wurden aus denKlassen der Lehrkräfte rekrutiert, die 2014 an einer postalischen Kurzumfrage zurGKS (Rautenberg et al. 2017) teilgenommen hatten. Darin wurden alle Lehrkräftevon zweiten Klassen in Grundschulen im Regierungsbezirk Freiburg und derRegion Mittlerer Oberrhein befragt, wie sie im Unterricht die GKS erklären. Vonden angeschriebenen 958 Lehrkräften aus 413 ein- bis fünfzügigen Grundschulenschickten 424 Lehrkräfte (44%) aus 269 Grundschulen (65%) den Fragebogenzurück. 420 (99%) der antwortenden Lehrkräfte gaben eine eindeutige Orientierungam Wortart-Ansatz an. Aus dieser Gruppe wurden 40 Lehrkräfte und deren Klassenzufällig ausgewählt und zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Sie wurden zufäl-lig auf die beiden Experimentalgruppen (15 x SYN und 15 x SYN, nur Konkreta) unddie Kontrollgruppe (10 x WA) verteilt. Letztlich nahmen 36 Lehrkräfte an der Studieteil. Aufgrund der hohen Rücklaufquote aus der Gesamterhebung bei der Kurzum-frage und der zufälligen Auswahl der Klassen kann von einer hinreichenden Reprä-sentativität der ausgewählten Klassen für zweite Grundschulklassen in dieserRegion ausgegangen werden. Die Randomisierung bei der Zuteilung der Klassen indie Untersuchungsgruppen sichert die Vergleichbarkeit von deren Ausgangsbedin-gungen.

Fortbildung der Lehrkräfte und Erstellung des Unterrichtsmaterials. Die Lehrkräfteder beiden Experimentalgruppen wurden im Sommer 2014 zu drei zweitägigenWorkshops eingeladen, bei denen sie einerseits eine Fortbildung zum syntaxbasier-ten Ansatz der GKS und den sieben Schritten einer dazu ausgearbeiteten Didaktikerhielten. Andererseits entwickelten sie gemeinsam mit uns weitere Ideen für Lern-material zur Vertiefung der didaktischen Schritte, das altersadäquat für die zweiteKlasse und in der Schulpraxis anwendbar ist. Die Materialentwicklung mit denLehrkräften hatte neben diesem konkreten praktischen Zweck auch das Ziel, dasssie sich dabei intensiv mit der syntaxbasierten Didaktik auseinandersetzen und imIdealfall identifizieren. Am Ende der Fortbildungen erhielten alle Lehrkräfte eineKiste mit allen notwendigen Materialien für die ganze Klasse. Das didaktischeKonzept und die entstandene Materialsammlung mit Kopiervorlagen ist in einemLehrerhandbuch zur GKS (Rautenberg et al. 2016) veröffentlicht.

Um die motivationalen Effekte der Fortbildung auf die Lehrkräfte der Experimen-talgruppen zu kontrollieren, wäre es in forschungsmethodischer Hinsicht nahej

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liegend gewesen, auch die Kontrollgruppe zu Workshops einzuladen. Da die Lehr-kräfte die GKS aber sowieso schon immer nach dem wortartbasierten Ansatz unter-richten und über ausreichende unterrichtliche Erfahrung dazu verfügen, wären dies-bezügliche Fortbildungen nicht sinnvoll und für die Lehrkräfte eher demotivierendgewesen. Daher wurde auf diesen forschungsmethodischen Aspekt zugunsten derRealisierung der Studie im ‚echten‘ Schulkontext verzichtet. Dennoch wurde diesenLehrkräften auch mitgeteilt, dass ihr Unterricht zur GKS in diesem Projekt wissen-schaftlich begleitet wird, was entsprechende motivationale Effekte ausgelöst hat.

Erhebungszeitpunkte und Studienablauf. In den ersten Wochen nach den Sommer-ferien 2014 wurden in allen zweiten Klassen die Prätests durchgeführt. Die folgen-den drei Monate (Interventionsphase) wurde das Thema GKS im Deutschunterrichtbehandelt. Die Lehrkräfte in den Experimentalgruppen sollten sich dabei an dasausgearbeitete didaktische Konzept halten (Vorgaben im Handbuch) und die zuge-hörigen Unterrichtsmaterialien einsetzen. Die konkrete Einbindung in den sonsti-gen Unterrichtsverlauf wurde von den Lehrkräften individuell gestaltet. Die Lehr-kräfte in der Kontrollgruppe wurden darum gebeten, in diesem Zeitraum einen be-sonderen Fokus auf die GKS zu richten, sie aber ansonsten auf dieselbe Art undWeise zu unterrichten, wie sie es sonst auch tun. Während dieser Interventionsphasefanden in allen Klassen zwei Unterrichtsbesuche durch studentische Hilfskräftestatt. In den Experimentalgruppen protokollierten sie, welche der vorgegebenenMethoden und Materialien die Lehrkräfte einsetzten und an welchen Stellen sie vonden Vorgaben abwichen. Insbesondere dokumentierten sie, welche Art von Begrün-dungen sie für Groß- /Kleinschreibungen mündlich im Unterricht äußerten. In derKontrollgruppe wurde beobachtet, auf welche wortartbasierten Konzepte zurückge-griffen wurde und wie sie methodisch umgesetzt wurden. Im Februar 2015 fandendie Posttests und etwa fünf Monate später ohne erneute Intervention eine dritteTestung (Follow-up) statt.

5.2 Stichprobe

An der experimentellen Längsschnittstudie nahmen 36 Klassen im zweiten Schul-jahr mit insgesamt 618 SchülerInnen aus dem Regierungsbezirk Freiburg und derRegion Mittlerer Oberrhein teil. SchülerInnen, die nicht bei allen drei Messzeit-punkten anwesend waren oder aus individuellen Gründen an einer Testung nichtteilgenommen haben, wurden in den Analysen nicht berücksichtigt. In die vorlie-genden Auswertungen gehen in der Experimentalgruppe SYN (syntaxbasierterUnterricht mit Übungswörtern verschiedener Wortarten) die Daten aus 14 zweitenKlassen mit 211 SchülerInnen, in die Experimentalgruppe SYN, nur Konkreta (syn-taxbasierter Unterricht mit ausschließlich Konkreta als Übungswörtern) die Datenaus 13 zweiten Klassen mit 209 SchülerInnen und in die Kontrollgruppe WA (wort-artbasierter Unterricht) die Daten aus neun zweiten Klassen mit 125 SchülerInnenein (vgl. Tab. 2).

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Als Referenzgruppe wurden zusätzlich neun sechste Klassen (sechs Realschul- unddrei Werkrealschulklassen) mit 188 SchülerInnen aus dem Regierungsbezirk Frei-burg einmalig untersucht.

Tab. 2 Anzahl, Größe, mittlere Intelligenz und mittlere allgemeine Rechtschreibleistun-gen der teilnehmenden Schulklassen

5.3 Testverfahren

Zur Erfassung der Leistungen in der GKS wurden in dieser Studie vier selbstent-wickelte Instrumente eingesetzt. Eine ausführliche Darstellung zur Konstruktiondieser Erhebungsinstrumente findet sich in Wahl et al. (2017).2

2 Die Originale der Testbögen können unter www.ph-freiburg.de /psychologie /kegs heruntergela-den werden.

Im sogenannten Kompetenztest mussten die SchülerInnen für einzelne Wörter invorgegebenen Sätzen ausschließlich entscheiden, ob sie groß- oder kleingeschrie-ben werden. Die Items wurden bei der Prä- und Posterhebung im ‘Straßenformat’,bei der follow-up-Erhebung im ‘Alles-klein-Format’ vorgegeben. Im ‘Straßenfor-mat’ waren die Sätze auf einer Straße abgedruckt, die sich beim Testwort und zweiweiteren angrenzenden Wörtern in zwei Spuren teilte und nach jedem Wort wiedereinspurig zusammenlief. Die Wörter waren auf der oberen Spur groß-, auf der unte-ren Spur kleingeschrieben. Die Kinder sollten mit dem Stift die Fahrt eines Autossimulieren, das auf dem richtig geschriebenen Satz entlangfährt. Im ‘Alles-klein-Format’wurden die Testsätze vollständig kleingeschrieben vorgegeben und die Kin-der sollten diejenigen Buchstaben markieren, die großgeschrieben werden müssen.In beiden Formaten wurde immer nur die GKS des Testworts ausgewertet. Da dieAufmerksamkeit der Kinder in diesem Test direkt auf die GKS gelenkt ist und ihreVerarbeitungsressourcen nicht durch andere Anforderungen der Rechtschreibungbeansprucht werden, gehen wir davon aus, dass damit relativ valide die Kompetenzin der GKS gemessen wird. Der Kompetenztest wurde nach einer Systematik kon-struiert, bei der insgesamt 96 Testsätze mit jeweils einem Testwort entstanden, dieunterschiedliche Fälle der GKS abdecken.Ausgangspunkt sind in dieser SystematikTestsätze, bei denen zwei Konkreta, zwei Abstrakta, zwei ‘substantivierte’ Verbenund zwei ‘substantivierte’ Adjektive als Testwörter vorkommen (hier als ‘Wort-typen’ bezeichnet, vgl. Tab. 3, Spalten 1 und 2). Ergänzend wurden Testsätze gebil-det, die Testwörter mit demselben lexikalischen Morphem enthalten, bei denen dieTestwörter aber kleinzuschreiben waren (vgl. Tab. 3, Spalten 3 und 4). Die daraus

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entstandenen 16 Testsätze wurden zusätzlich noch hinsichtlich des Minimalkontex-tes so variiert, dass jeweils sechs Varianten der 16 Testsätze entstanden: jeweils zweiohne vorangestellten Artikel, zwei mit nicht definitem und zwei mit definitem Arti-kel, davon wiederum jeweils einer mit vorangestelltem Adjektiv und einer ohnevorangestelltes Adjektiv. Insgesamt wurden also lexikalische Morpheme (2) ver-schiedener Worttypen (4) in groß- und kleinzuschreibende Sätze (2) eingebettet undden Testwörtern jeweils Varianten von Artikeln (3) und Adjektiven (2) vorangestellt(= 96 Testsätze). Da den SchülerInnen der zweiten Klasse bei einer Erhebung aberdie Bearbeitung nur weniger Testsätze zuzumuten war, wurden zwölf Versionen desKompetenztests zusammengestellt, in denen von einem Kind jeweils acht Testsätzezu bearbeiten waren. Die Testsätze wurden so auf die zwölf Versionen des Kompe-tenztests verteilt, dass in jeder Version alle acht lexikalischen Morpheme je einmalvorkommen, jeder Worttyp einmal in einer groß- und einmal in einer kleinzuschrei-benden Variante enthalten ist, bei jeweils vier Testwörtern einAdjektiv vorangestelltist und jede Artikel-Variante zwei- oder dreimal vorkommt. Bei den Erhebungenwurden die zwölfVersionen innerhalb einer Klasse so an die Schüler ausgeteilt, dassdie Versionen etwa gleich häufig zum Einsatz kamen. Bei je zwölf Kindern kamdadurch jeder der 96 Testsätze einmal und die verschiedenen Merkmale (Groß- /Kleinschreibung, Worttyp,Artikel- undAdjektiv-Varianten) innerhalb der gesamtenKlasse jeweils gleich häufig vor. Da die lexikalischen Morpheme in jeder Versionidentisch sind, ist die Bekanntheit bzw. Schwierigkeit der Testwörter selbst in allenTestvarianten als konstant anzunehmen.

Tab. 3 Systematik der Testwörter im Kompetenztest und im Lückendiktat

Anmerkung: 1 Adjektive mit demselben lexikalischen Morphem wie das korrespondierendeSubstantiv.

Mit den sogenannten Performanztests wurde erhoben, welche Leistungen die Schü-lerInnen in der GKS erbringen, wenn die GKS nur eine von vielen Anforderungenim Prozess des Rechtschreibens darstellt und nicht explizit die Aufmerksamkeit aufdieses Thema gelenkt wird. Dazu wurde bei allen drei Messzeitpunkten ein Lücken-diktat durchgeführt. Bei der Follow-up-Erhebung wurde zusätzlich ein Kunstwort-diktat eingesetzt. Die mit dem Kunstwortdiktat erhobenen Daten werden in derlängsschnittlichen Darstellung des vorliegenden Artikels nicht berücksichtigt. Auchbeim Lückendiktat wurden die Testwörter systematisch erzeugt: Die Testsätzerepräsentierten 16 Fälle großzuschreibender Wörter: vier Worttypen kombiniert mit

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vier Varianten vorangestellter Artikel und Adjektive (vgl. Tab. 3, Spalten 5 bis 8).Zusätzlich zu diesen Testwörtern gab es noch zwölf Lücken für kleinzuschreibendeWörter. Diese wurden bei der Auswertung aber nicht berücksichtigt. Da das Diktatmit der ganzen Klasse gleichzeitig durchgeführt wurde, gab es beim Lückendiktatnur eine einheitliche Testversion.

Mit einer Teilstichprobe der Kinder wurden nach den anderen Erhebungen auchhalbstandardisierte Interviews zu ihrem expliziten orthographischen Wissen durch-geführt. Die Ergebnisse zu den Interviews werden in einem separaten Bericht (Wahlet al. in Vorb.) dargestellt.

Als Kontrollvariablen wurden die allgemeine Rechschreibleistung mit den standar-disierten Verfahren WRT 1+ (Weingartener Grundwortschatz Rechtschreibtest;Birkel 2007) und HSP 1+ (Hamburger Schreib-Probe; May 2012a) und die Intelli-genz mit dem CFT 1-R (Grundintelligenztest Skala 1; Weiß/Osterland 2013)erhoben. Bei den SechstklässlerInnen wurden entsprechend der WRT 6+ (Wester-mann Rechtschreibtest; Rathenow et al. 1980) und die HSP 5-10B (May 2012b) ein-gesetzt.

5.4 Durchführung

Zu den drei Messzeitpunkten besuchten studentische Testleiterinnen die Klassenund führten innerhalb der regulären Unterrichtszeit die Erhebungen durch. Die Kin-der bekamen zuerst die Regel zur Generierung ihres anonymen Personencodeserklärt und beschrifteten dafür vorgesehene Aufkleber, die sie später auf die Test-hefte klebten. Dann erfolgte die Instruktion und Durchführung des Kompetenztestsund nach einer Bewegungspause das Lückendiktat. Beim Prätest wurde am Endenoch der WRT 1+ durchgeführt. Die gesamte Erhebung dauerte zwischen zwei unddrei Schulstunden. Die HSP und der CFT wurden jeweils im Anschluss an einen derbeiden Unterrichtsbesuche durchgeführt.

6 Ergebnisse

6.1 Auswertungsverfahren

In der Studie bezog sich sowohl die Auswahl der Teilnehmenden als auch die zufäl-lige Verteilung auf die didaktischen Bedingungen auf ganze Schulklassen. Daherwurden als Untersuchungseinheiten in den Analysen die Schulklassen (nicht dieeinzelnen SchülerInnen) gewählt. Bezüglich der verschiedenen abhängigen Variab-len wurden jeweils zwei statistische Analysen durchgeführt: Zur Prüfung der Ent-wicklungseffekte über die Messzeitpunkte wurden einfaktorielle Varianzanalysen(Faktor Gruppe: WA vs. SYN, nur Konkreta vs. SYN) mit Messwiederholung (FaktorZeit: prä vs. post vs. follow-up) durchgeführt. Mit dem Mauchly-Test wurde dieSphärizität der Daten geprüft. In den Fällen, in denen diese Voraussetzung nichterfüllt war, wurde das Greenhouse-Geisser-Verfahren verwendet. Zur Prüfung der

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Gruppenunterschiede am Ende der Studie (Messzeitpunkt follow-up) wurden ein-faktorielle Varianzanalysen über den Faktor Gruppe berechnet und insbesondere diepost-hoc-Einzelvergleiche (Gabriel, einseitig) betrachtet. Die Annahme der Vari-anzhomogenität wurde mit dem Levene-Test geprüft. Sie war in allen Fällen gege-ben. Die Ergebnisse sind im Überblick in Abbildung 1 und Tabelle 4 dargestellt.

Abb. 1 Leistungen der vier Untersuchungsgruppen in der Großschreibung von Konkreta, Ab-strakta, ‘substantivierten’ Adjektiven und ‘substantivierten’ Verben.: KT: Kompetenztest, LD:Lückendiktat, WA: Wortartbasierter Ansatz, 2. Klasse, SYN, nur Konkreta: Syntaxbasierter Ansatzmit ausschließlich Konkreta als Übungswörter, SYN: Syntaxbasierter Ansatz, WA 6. Klasse: Wort-artbasierter Ansatz, 6. Klasse. Die Leistungen der Gruppe WA 6. Klasse sind zur besseren Über-sichtlichkeit als Referenzlinie über alle drei Messzeitpunkte eingezeichnet, sie wurden aber nureinmalig erhoben.

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Tab. 4 Entwicklung und Vergleich der Leistungen der vier Untersuchungsgruppen in derGroßschreibung von Konkreta, Abstrakta, ‘substantivierten’ Adjektiven und ‘substanti-vierten’Verben.

Anmerkungen: Die Haupteffekte über die drei Messzeitpunkte (Zeit) und deren Interaktionseffektemit den Gruppen (Zeit x Gruppe) wurden in einer einfaktoriellen Varianzanalyse mit Messwieder-holung, die Haupteffekte der Gruppe zum dritten Messzeitpunkt (follow up) wurden mit einer ein-faktoriellen Varianzanalyse inferenzstatistisch geprüft. Die Einzelvergleiche wurden post hoc mitdem Gabriel-Test (einseitig) geprüft. η 2 = partielles Eta-Quadrat (Varianzaufklärung).*Sphäriziät der Daten nicht gegeben; Verwendung des Greenhouse-Geisser-Verfahrens

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6.2 Kontrollvariablen

Die Kinder in der Gruppe WA haben einen durchschnittlichen Intelligenzquotientenvon IQWA = 97, in der Gruppe SYN, nur Konkreta von IQSYNnK = 98 und in der GruppeSYN von IQSYN = 97. Die Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer generellenkognitiven Voraussetzungen nicht (F (2, 33) = 0.12; p = .89). Im WRT1+ liegen dieMittelwerte zu Beginn der Studie (prä-Messung) bei TWA = 38.3, TSYNnK = 38.3 undTSYN = 38.5. Die relativ niedrigen Mittelwerte sind vermutlich darauf zurückzufüh-ren, dass die Testung nach den beiden Testverfahren zur GKS durchgeführt wurdeund es zu einer reduzierten Konzentration und zu Ermüdungseffekten kam. Dieseerschwerten Durchführungsbedingungen in unserer Studie wirkten sich aber aufalle Gruppen gleichermaßen aus; die allgemeinen Rechtschreibleistungen unter-scheiden sich zwischen den Gruppen nicht (F (2, 33) = 0.06; p = .94). Auch mit derHSP1+ konnte kein Unterschied in der allgemeinen Rechtschreibleistung nachge-wiesen werden (F (2, 33) = .23; p = .80): TWA = 57.8, TSYNnK = 57.5 und TSYN = 58.3.Da sich die Gruppen in den Kontrollvariablen nicht unterscheiden, werden sie in denweiteren Analysen nicht berücksichtigt.

6.3 Praktikabilität und Gesamteffekt des syntaxbasierten Ansatzes

Die Kompetenz zur Großschreibung insgesamt verbessert sich in allen Experimen-talgruppen über die drei Messzeitpunkte hinweg. Die beiden syntaxbasiert unter-richteten Gruppen zeigen dabei einen größeren Leistungszuwachs als die wortartba-siert unterrichtete Gruppe. Zum letzten Messzeitpunkt schreiben die Kinder derGruppe SYN (68%) und der Gruppe SYN, nur Konkreta (70%) die großzuschreiben-den Wörter häufiger korrekt als die Kinder der Gruppe WA (60%). Diese Differenzder Gruppe WA zur Gruppe SYN, nur Konkreta ist statistisch signifikant. Offenbarwar es den Lehrerinnen in der Experimentalgruppe möglich, die GKS in ihren zwei-ten Klassen anhand des syntaxbasierten Ansatzes zu vermitteln. Somit konnten mitdem eingesetzten didaktischen Konzept und den erstellten Unterrichtsmaterialiendie Lernziele im Rahmen normaler schulischer Bedingungen erreicht werden.Bezüglich der Kompetenz zur Großschreibung lassen sich Hypothese 1 und Hypo-these 2 somit klar bestätigen.

Eine positive Entwicklung zeigt sich auch in den Gesamtwerten der Performanz(Lückendiktat). Am Ende des Zeitraums schneiden die syntaxbasiert unterrichtetenKlassen mit 70% (SYN, nur Konkreta) bzw. 71% (SYN) Richtigschreibung tenden-ziell besser ab als die GruppeWA mit 68% Großschreibungen zum letzten Messzeit-punkt. Die Differenz ist jedoch nicht signifikant. Hypothese 2 lässt sich bei derGroßschreibperformanz somit nicht bestätigen.

In der getesteten Kleinschreibkompetenz verbessert sich die Gruppe WA leicht von62% Richtigschreibungen beim Prä-Test auf 68% zum letzten Messzeitpunkt. Beiden syntaxbasiert unterrichteten Kindern bleibt die Kleinschreibkompetenz weitge-hend unverändert; zuletzt schreiben sie 63% (SYN, nur Konkreta) bzw. 65% (SYN)

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der Testwörter korrekt klein. Diese Unterschiede sind statistisch aber nicht signifi-kant.

6.4 Konkreta und Abstrakta

Wenn man nur die Großschreibung der Substantive (Konkreta und Abstrakta)betrachtet, zeigen die Kinder aller Gruppen und in beiden Testverfahren (Kompe-tenztest und Lückendiktat) über den Studienzeitraum deutliche Verbesserungen.

Bei den Konkreta erreichen sie zum dritten Messzeitpunkt mit 90% oder mehrkorrekten Großschreibungen annähernd das Niveau der SechstklässlerInnen, dieKonkreta zu 100% großschreiben. Hypothese 2a lässt sich somit bestätigen. Auchhinsichtlich der Großschreibung von Abstrakta zeigen sich in allen drei Gruppenklare Lerneffekte. Die syntaxbasiert unterrichteten SchülerInnen steigern sich imPerformanztest (Lückendiktat) von 50% (SYN) bzw. 51% (SYN, nur Konkreta)Richtigschreibungen im Prätest auf 71% (SYN) bzw. 70% (SYN, nur Konkreta) zumletzten Messzeitpunkt, während sich die wortartbasiert unterrichteten Kinder von56% korrekter Schreibungen auf lediglich 65% steigern können. Zum letztenMesszeitpunkt liegen die Mittelwerte im Lückendiktat damit in beiden Syntax-Gruppen höher als in der Gruppe WA. Auch im Kompetenztest schneiden beideSyntax-Gruppen zum dritten Messzeitpunkt mit 66% (SYN) bzw. 73% (SYN, nurKonkreta) Richtigschreibungen besser ab als die Gruppe WA, die nur 62% derAbstrakta großschreibt. Allerdings verfehlen die Differenzen das statistische Signi-fikanzniveau. Insgesamt stützen die Befunde Hypothese 2b tendenziell.

6.5 ‘Substantivierte’Adjektive und Verben

Hinsichtlich ‘substantivierter’ Adjektive zeigt sich im Kompetenztest bei allenGruppen eine leichte Leistungssteigerung über den Studienzeitraum. Die syntax-basiert unterrichteten SchülerInnen steigern sich von 40% (SYN) bzw. 47% (SYN,nur Konkreta) Großschreibungen zum ersten Testzeitpunkt auf 51% bzw. 52%,während bei den wortartbasiert unterrichteten Kindern eine Steigerung von 42%auf 49% zu verzeichnen ist. Bedeutsame Unterschiede zwischen den Gruppenkonnten hier nicht nachgewiesen werden. Im Lückendiktat zeigt sich überraschen-derweise sogar eine Verschlechterung über die drei Messzeitpunkte. Auch bei die-sem Leistungsabfall unterscheiden sich die drei Untersuchungsgruppen nicht.Hypothese 2c kann für ‘substantivierte’Adjektive daher nicht bestätigt werden.

Bei den ‘substantivierten’ Verben zeigt sich im Performanztest ein ähnliches Bildwie bei den ‘substantivierten’ Adjektiven: Alle Gruppen werden im Verlauf desBeobachtungszeitraums in ähnlichemAusmaß schlechter. Im Kompetenztest hinge-gen verändern sich die Leistungen der drei Gruppen sehr unterschiedlich: Währenddie wortartbasiert unterrichteten Kinder zunehmend mehr Fehler machen und zumletzten Messzeitpunkt nur noch 41% der substantivierten Verben großschreiben,erzielen die beiden syntaxbasiert unterrichteten Gruppen dagegen eine deutlicheLeistungssteigerung und erreichen mit 68% (SYN) bzw. 64% (SYN, nur Konkreta)

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zum letzten Messzeitpunkt sogar das Niveau der vier Jahre älteren SechstklässlerIn-nen (die durchschnittlich 63% der ‘substantivierten’ Verben großschreiben); dieGruppe SYN sogar schon beim Posttest. Bezüglich ‘substantivierter’ Verben kannHypothese 2c somit eindeutig bestätigt werden.

Bei der Schreibung von kleinzuschreibenden Adjektiven und Verben im Kompe-tenztest steigern sich alle Gruppen über den Studienzeitraum. Zum letzten Mess-zeitpunkt beherrschen alle Kinder die Kleinschreibung von Adjektiven mit 83%(WA) bzw. 72% (SYN) und 76% (SYN, nur Konkreta) relativ sicher. Auch bei derSchreibung von Verben wird zum dritten Messzeitpunkt die überwiegende Mehr-zahl der Wörter kleingeschrieben. Bezüglich der Kleinschreibung von Adjektivenund Verben unterscheiden sich die Gruppen nicht.

Schaut man sich die Ergebnisse zu den verschiedenen Worttypen (Konkreta vs.Abstrakta vs. ‘Substantivierungen’) zum dritten Messzeitpunkt an, wird eine klareHierarchie bezüglich der Fehleranfälligkeit ersichtlich. Während Konkreta von denZweitklässlerInnen in mindestens 90% der Fälle großgeschrieben werden, sind esbeiAbstrakta nur noch zwischen 62% und 73%. Substantivierte Formen schließlichbereiten den SchülerInnen die größten Schwierigkeiten. MitAusnahme der substan-tivierten Verben im Kompetenztest bei den syntaxbasiert unterrichteten Kindernliegt die Anzahl der Großschreibungen hier bei nur noch 35% bis 52%. Die gleicheHierarchie ist, auf etwas höherem Niveau, bei den untersuchten SechstklässlerInnenzu finden.

7 Diskussion

Es konnte gezeigt werden, dass der syntaxbasierte Ansatz zur Vermittlung der satz-internen Großschreibung im zweiten Schuljahr umsetzbar und effektiv ist. In kei-nem untersuchten Bereich schnitten die syntaxbasiert unterrichteten SchülerInnennach der Intervention schlechter ab als die traditionell wortartbasiert unterrichtetenKinder. Insbesondere bei der Großschreibung ‘substantivierter’ Verben zeigt sichklar der Vorteil des syntaxbasierten Vorgehens: Im Kompetenztest schnitten dienach diesemAnsatz unterrichteten SchülerInnen zum dritten Messzeitpunkt signifi-kant besser ab als die wortartbasiert unterrichteten SchülerInnen und erreichtensogar das Niveau der SechstklässlerInnen. Auch bei Abstrakta sind die Leistungender Syntax-Gruppen höher als die der wortartbasiert unterrichteten ZweitklässlerIn-nen, und zwar sowohl in der Performanz als auch in der Kompetenz. Bei der Schrei-bung von Konkreta erzielen alle Kinder unabhängig von der Art der Unterrichtungrelativ hohe Werte. Konkreta stehen im Zentrum des wortartbasierten Unterrichts,was die guten Leistungen der Kinder in der GruppeWA erklärt.Allerdings schneidendie syntaxbasiert unterrichteten Kinder sowohl im Kompetenz- als auch Perfor-manztest bei der Großschreibung von Konkreta ebenso gut ab. Die Kritik, dersyntaxbasierte Ansatz sei für GrundschülerInnen zu anspruchsvoll, kann somit ent-kräftet werden.

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Die wortartbasiert unterrichteten ZeitklässlerInnen verschlechtern sich erwartungs-gemäß vom ersten zum dritten Messzeitpunkt bei der Schreibung von substantivier-ten Formen deutlich (mit Ausnahme von substantivierten Adjektiven im Kompe-tenztest). Dieses Ergebnis lässt sich plausibel auf die Einführung von Kleinschreib-regeln im Unterricht zurückführen. Die Kinder lernen, dass ‘Tun- und Wie-Wörter’kleinzuschreiben sind, und wenden diese Regel zunehmend konsequent an, wasFalschschreibungen bei sogenannten Substantivierungen produziert; ein Problem,das sich bis in die Sekundarstufe zieht, was sich auch an den Ergebnissen der vonuns untersuchten SechstklässlerInnen zeigt: Sie schreiben ‘substantivierte’ Formenin weniger als 65% der Fälle groß. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem von Betzel(2015). Offensichtlich sind die SchülerInnen nicht in der Lage, ihre in der Grund-schule gebildeten Hypothesen zur Großschreibung zu revidieren.

Allerdings kommt es auch bei den syntaxbasiert unterrichteten ZweitklässlerInnenbei der Großschreibung substantivierter Adjektive im Performanztest (Lückendik-tat) zu einem Leistungsabfall. Für diesen Befund gibt es mehrere Erklärungsan-sätze. Zum einen ist festzuhalten, dass die Großschreibkompetenz aller Gruppenzum letzten Messzeitpunkt in fast allen Bereichen höher liegt als die gemessene Per-formanz (Lückendiktat). Besonders deutlich zeigt sich dies bei substantivierten For-men. Dieser Befund spricht dafür, dass das Anforderungsniveau des Performanz-tests höher ist als jenes des Kompetenztests. Bei ersterem können die Probandenihre kognitiven Ressourcen nicht allein auf die GKS richten; diese stellt lediglicheine von mehreren Anforderungen dar. Dadurch kommt es bei der Rechtschreibper-formanz zu einer höheren Belastung des Arbeitsgedächtnisses, das als „Mechanis-mus der Verarbeitung und kurzfristigen Speicherung von Informationen eine beson-ders große Bedeutung“ (Schuchardt et al. 2006: 262) für das Rechtschreiben hat.Insbesondere bei jüngeren Grundschülern lässt sich eine signifikante Beziehungdes phonologischen Arbeitsgedächtnisses zur Rechtschreibleistung nachweisen(Hasselhorn et al. 2000: 100). Es ist also anzunehmen, dass die SchülerInnen bei derBearbeitung des Kompetenz- und Performanztests auf unterschiedliche Ressourcenzurückgreifen und dass sie bei erhöhten Anforderungen an das Arbeitsgedächtnisihr neu erworbenes Strategiewissen nicht anwenden können, sondern ein Rückgriffauf implizite Wissensbestände erfolgt. Verstärkt worden sein könnte dies durch dasFormat ‘Lückendiktat’; die syntaxbasiert unterrichteten Kinder könnten durch dieLücke dazu verleitet worden sein, den Satzkontext unberücksichtigt zu lassen undihre GKS-Entscheidung nicht mehr nach den gelernten, syntaxbasierten Regeln zutreffen.

Sollten die SchülerInnen hingegen bei einzelnen Wortformen lediglich darüberentscheiden, ob sie groß- oder kleinzuschreiben sind (Kompetenztest), sind diesyntaxbasiert unterrichteten Kinder deutlich erfolgreicher, was die Ergebnisse beisubstantivierten Verben zeigen.

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Dass bei ‘substantivierten’ Adjektiven im Kompetenztest keine Gruppenunter-schiede nachgewiesen werden konnten, könnte daran liegen, dass die Kinder imRahmen der syntaxbasierten Arbeit Adjektive als ‘Einfüllwörter’ kennengelernthaben und sie in der Folge nur unzureichend zwischenAdjektiven als Attributen undals Kernen von Nominalgruppen differenzieren. Zudem ist das Finden geeigneterAdjektivattribute bei der Erweiterung von Nominalgruppen mit einem Adjektiv imKern insbesondere für ZweitklässlerInnen deutlich schwieriger als bei Nominal-gruppen mit Verben oder Substantiven im Kern, da die Zahl auch semantisch pas-sender Adjektivattribute sehr begrenzt ist.

Bei der Kleinschreibung von Verben und Adjektiven ist in allen Gruppen eineVerbesserung über den Studienzeitraum zu verzeichnen. Den Zugewinnen der Ver-suchsgruppen bei der Großschreibung stehen somit keineVerluste bei Einheiten, diekleinzuschreiben sind, gegenüber. Über die Veränderungen der GKS in freienTexten der SchülerInnen kann aufgrund der eingesetzten Rechtschreibtests keineAussage getroffen werden. In zukünftigen Studien sollten diese jedoch mitberück-sichtigt werden, da das Ziel des Unterrichts schließlich die Vermittlung eines siche-ren Regelwissens für das freie Textschreiben ist, das kognitiv andere und in derRegel höhere Anforderungen an die SchülerInnen stellt als das Schreiben einesDiktats (Fay 2010).

Kritisch angemerkt werden muss zudem, dass wir in unserer Studie einen Haw-thorne-Effekt nicht völlig ausschließen können. Es wäre möglich, dass die LehrerIn-nen der Versuchsgruppen durch das Wissen über die Ziele der Studie und die Teil-nahme an der Fortbildung ihr natürliches Verhalten im Unterricht verändert haben.Allerdings wurden auch die LehrerInnen der Vergleichsklassen über die Studie infor-miert, was auch bei ihnen entsprechende motivationale Effekte ausgelöst habensollte.

Ein weiterer Punkt, der der kritischen Reflexion bedarf, betrifft die Einheitlichkeitder Unterrichtsbedingungen in den Schulklassen. Zwar wurde durch einen Fragebo-gen vor Beginn der Untersuchung sichergestellt, dass alle teilnehmenden LehrerIn-nen der Kontrollgruppe die Großschreibung wortartbasiert unterrichten; über diekonkrete Umsetzung im Unterricht und die genaue Stundenzahl der Unterrichtungder GKS (der immer in Verbindung mit dem Wortartenunterricht erfolgt), kannjedoch keine Aussage getroffen werden.

Zuletzt sei noch auf ein Problem hingewiesen, das sich nicht nur in unserer Studiegezeigt hat: die zum Teil fehlende Compliance der Lehrkräfte. Trotz der intensivenSchulung der teilnehmenden LehrerInnen, einer starken Strukturierung des Unter-richtsvorgehens (Handbuch und Unterrichtsmaterial) und hoher Motivation der Stu-dienteilnehmerInnen wurden die Ansätze im Laufe des Untersuchungszeitraums ineinigen Klassen vermischt, wie Unterrichtsbeobachtungen und Gespräche mit denLehrkräften zeigten. Es ist folglich davon auszugehen, dass nicht in allen teilneh-menden Schulklassen konsequent nach dem syntaxbasierten Ansatz unterrichtetwurde. Hauptgrund dafür könnte die mangelnde Anschlussfähigkeit des Ansatzes

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sein, die von Seiten der LehrerInnen immer wieder beklagt wurde. In Curricula undSchulbüchern / -materialien wird ausschließlich wortartbasiert vorgegangen und dieüberwiegende Mehrzahl der Lehrkräfte arbeitet nach einem wortartbasiertenAnsatz. Eine Möglichkeit, um zukünftig die Compliance in Studien zu verbessern,könnten sogenannte Coachs darstellen, die die Lehrkräfte über den gesamten Zeit-raum beratend unterstützen und ihnen helfen, ein Zurückgreifen auf über Jahregelehrte und gefestigte wortartbasierte Regeln zu vermeiden. So kann ein Umden-ken gelingen, das angesichts der Probleme eines wortartbasierten Vorgehens zurVermittlung der Großschreibung dringend notwendig ist. Dass der syntaxbasierteAnsatz schon in der Grundschule eine sinnvolle und effektive Alternative darstellt,konnte im Rahmen der vorgestellten Studie belegt werden.

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Anschrift der Verfasserinnen und des Verfassers:

Stefan WahlInstitut für Psychologie, Pädagogische Hochschule FreiburgKunzenweg 21, D-79117 Freiburg

wahl , ph-freiburg.de

Iris RautenbergInstitut für deutsche Sprache und Literatur, Universität HildesheimUniversitätsplatz 1, D-31141 Hildesheim

iris.rautenberg , uni-hildesheim.de

Stefanie HelmsInstitut für deutsche Sprache und Literatur, Universität HildesheimUniversitätsplatz 1, 31141 D-Hildesheim

stefanie.helms , uni-hildesheim.de

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Petra Wieler

ZUWEILEN GRENZÜBERSCHREITEND

Glas, Alexander /Heinen, Ulrich/Krautz, Jochen/Lieber, Gabriele /Miller, Monika /Sowa,Hubert /Uhlig, Bettina (Hrsg.) (2016): Sprechende Bilder – Besprochene Bilder. Bild, Begriffund Sprachhandeln in der deiktisch-imaginativen Verständigungspraxis. SchriftenreiheIMAGO – Forschungsverbund Kunstpädagogik. Bd. 3. München: kopaed (597 Seiten).

Das Ineinandergreifen der Wahrnehmung und Produktion von Texten, Bil-dern und weiteren symbolischen Repräsentationen beschäftigt (nicht nur) dieDeutschdidaktik kontinuierlich (vgl. u.a. Ludwig /Spinner 1992; Wangerin 2004;Dehn 2007; Kirschenmann/Richter /Spinner 2011). Stets wieder wird dabei auf dieUnterschiede zwischen den verschiedenen Symbolmodi bzw. medialen Präsentati-onsformen verwiesen, werden ebenso nachdrücklich – etwa bezogen auf die Begeg-nung mit Bildern – die Grenzen einer deutschdidaktischen, vornehmlich auf Pro-zesse der Sprach- und Vorstellungsbildung zielenden Annäherung, gegenüber einerkunstdidaktisch ausgerichteten Bildanalyse akzentuiert. Der – notwendig anhandnur einiger weniger ausgewählter Beiträge – zu rezensierende Band, eine interdis-ziplinär angelegte Festschrift für den Kunstpädagogen Alexander Glas, spannt dem-gegenüber einen erheblich weiteren (auch Fragen der ‚Literalität‘ umfassenden)Horizont auf. Unter der Kapitelüberschrift „Kunstpädagogische Grundlagenfor-schung“ (Kap. 2 von 7) stellt zunächst A. Glas selbst insgesamt sieben eigene,bereits zuvor veröffentlichte Aufsätze in teils neuer Zusammenstellung, teils sogarmodifizierter paradigmatischer Ausrichtung vor. Insbesondere die Beiträge „Waseine Kinderzeichnung erzählt“ und „Darstellungsformel und Symbolverständnis inder Jugendzeichnung“ – letztere Studie beschäftigt sich u.a. mit der Konzept-bildung zur Realisierung visueller Eindrücke und vorgestellter Inhalte – veran-schaulichen dabei beispielhaft eine maßgebliche Prämisse der Konzeption desAutors, so seine „zunächst bezogen auf die Entwicklungen der frühen Kindheit[ausgerichtete] These eines komplementären Verhältnisses von Sprachentwicklungund dem Bedürfnis nach einer mimetischen Entsprechung“ (Glas 2016: 28), derzufolge auch „eine isolierte Betrachtung der Entwicklungsstränge Sprache undZeichnung nicht länger sinnvoll“ sei (ebd.). Wie (in sich anschließenden Kapiteln),so etwa aus einer von Ingrid Barkow vorgestellten Studie hervorgeht, lassen sich beiKindern schon rund um das vierte Lebensjahr je spezifische Entwicklungsverläufebezüglich der Realisierung und (sprach-) bewussten Unterscheidung von literalenund piktoralen Notationsformen feststellen. Für die Schriftspracherwerbsforschunglege dies nahe, sprachlichen Äußerungen der Kinder zum „Zeichencharakter“ ihrerKritzelproduktionen, als einem „entscheidende[n] Schritt in der Symbolentwick-lung sowohl im Modus des Zeichnens als auch des Schreibens“ (Barkow 2016: 168),erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Ulf Abraham und Hubert Sowa thematisie-

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ren in ihrem Beitrag Text-Bild-Symbiosen im Deutsch- und im Kunstunterricht undstellen vielversprechende Verfahren zur Unterstützung transmedialer Überset-zungsleistungen vor. Positiv hervorzuheben ist nicht zuletzt, dass die Autoren ihredezidiert ‘hermeneutische’ Perspektive auf den engen Wechselbezug von bildlicherund sprachlicher Darstellung und Wahrnehmung, der mit je spezifischen kognitivenHerausforderungen und kommunikativen Leistungen bis in frühe Bildungsprozessedes Kindes zurückreiche, als eine mögliche, gegenüber auch anderen – eher‘Wesensverschiedenheit(en)’der Kunst- und Sprachwahrnehmung akzentuierenden– didaktischen Positionen kennzeichnen. Besonderes Anliegen eines Beitrags vonMechthild Dehn ist es, das ästhetische Potenzial des immer wieder vertiefendenSprechens und Schreibens zu Werken der Bildenden Kunst eingehender zu erkun-den. Wie am Beispiel von Unterrichtsgesprächen und Textproduktionen von Dritt-klässlern zu Max Liebermanns Gemälde „Die Netzflickerinnen“ aufgezeigt wird,indizieren insbesondere die beim „ersten Blick“ (zunächst auf einen Bildausschnitt)registrierten Formulierungen der Kinder – „sieht so aus, als ob“ – Ungewissheit undMehrdeutigkeit, verweisen zugleich aber auch auf die enge (assoziative, erinnernde)Verknüpfung des Gesehenen mit eigenem Wissen. M. Dehn charakterisiert solcheSprachformen als mögliche „Fiktionalitätssignale“ und zugleich als Annäherung andie Fremdheit eines Kunstwerks; deren Beitrag zu sprachlich-literarischem Lernengehe aus der sprachlich-kognitiven Überschreitung des ‘Hier und Jetzt’ hervor. Umdas Schreiben zu Kunstwerken geht es auch im Beitrag von Florentine Leser, derzugleich eine überaus kritische, nicht immer gleichermaßen differenzierte Aus-einandersetzung mit unterrichtspraktisch orientierten Handreichungen, aber auchprominenten theoretischen Konzeptionen der Deutschdidaktik präsentiert. Beientsprechenden Schreibaufgaben liege der Fokus „nicht auf einer verstehendenAuseinandersetzung mit Inhalten, Form und Kontext eines Kunstwerks, sondern[lediglich] auf spontanem, assoziativen Schreiben“ (Leser 2016: 406) sowie der„Gestaltung innerer Vorstellungsbilder“ (Ludwig/Spinner 1992: 14). Im Gegenzugverweist die Autorin auf eigene Beobachtungen zur Kunstrezeption von Kindernund führt die folgende Äußerung einerViertklässlerin an: „Das sind eher gesagt For-men, weil das ganze Bild besteht aus Formen. Ich erkenne hier ein Dreieck, einenKreis und ein Oval“ (Leser 2016: 410). Dazu ist anzumerken, dass sich die in denkritisierten deutschdidaktischen Konzepten adressierten (mehrsprachigen) Kinder(mit Zuwanderergeschichte) häufig (noch) nicht auf einem vergleichbar fortge-schrittenen Sprachniveau bewegen. Aber auch sie finden in der Versprachlichungvon Vorstellungen zu Bildeindrücken, die für sie subjektiv bedeutsam sind, zuSprachformen ‘konzeptioneller Schriftlichkeit’ (vgl. Wieler 2011: 142).

Insgesamt irritiert die Vielzahl metaphorischer Anspielungen in diesem Band –„Das stumme Bild und die blinde Sprache haben jeweils im anderen Medium ihreErgänzung“ (Lieber /Uhlig 2016: 379) –, bis hin zur ‘wörtlich’ gemeinten Titelfor-mulierung „Sprechende Bilder“. Dergleichen Formulierungen nivellieren eher dasdem jeweiligen Medium immanente sprachlich-kognitiv und ästhetisch anregende

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Potenzial mit seinem je spezifischen Bedeutungsüberschuss. Ebenfalls fraglicherscheint die Berufung auf die „Zeigegeste“ und das (intentionale) „joint attention“;denn diese stellen den Studien des Kulturanthropologen Michael Tomasello (2009)zufolge den Ursprung der spezifisch sprachlichen Kommunikation dar und sindalso nur bedingt auf Prozesse der Bildproduktion und -rezeption zu übertragen.

Als eine mögliche (alternative) Ergänzung zum besprochenen Band bietet sich an,insbesondere auch der Ausbildung der Vorstellungsfähigkeit bei der Rezeption undProduktion von Texten und Bildern im interdisziplinären Diskurs von Kunst- undDeutschdidaktik (noch) größere gemeinsame Aufmerksamkeit zu schenken. ImSinne der Position des Kulturpsychologen J. Bruner (1987) wäre dabei – über diespezifische, nicht zuletzt den kindlichen Spracherwerb vorantreibende Dispositionzur intersubjektiven Sinn- und Bedeutungskonstitution hinaus – auch die grundle-gend dialogische Ausrichtung und zugleich (stützende) narrative Struktur jeglicherVorstellungsbildung zu berücksichtigen.

Literatur

Bruner, Jerome S. (1987): Wie das Kind sprechen lernt. Bern. (Engl. Orig. (1983): Child’s Talk:Learning to use Language. New York/London).

Dehn, Mechthild (2007): Unsichtbare Bilder. Überlegungen zum Verhältnis von Text und Bild. In:Didaktik Deutsch 22, S. 25–50.

Kirschenmann, Johannes /Richter, Christoph/Spinner, Kaspar H. (Hrsg.) (2011): Reden überKunst. Fachdidaktisches Forschungssymposium über Literatur, Kunst und Musik. München.

Ludwig, Otto /Spinner, Kaspar H. (1992): Schreiben zu Bildern. In: Praxis Deutsch 19 (113),S. 11–16.

Tomasello, Michael (2009): Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation. Frankfurt /M.

Wangerin, Wolfgang (2004):Die Grenzen der Sprache sind enger als die Grenzen der Erfahrung.Was Susanne K. Langers und Alfred Lorenzers Symboltheorie für eine kreative Mediendidaktikbedeuten kann. In: Frederking, Volker (Hrsg.): Lesen und Symbolverstehen. München, S. 128–139.

Wieler, Petra (2011): „Denn sie erkannten nicht die Gefahr“ – bildungssprachliche Aspekte inGesprächen undTexten von Kindern im Deutschunterricht der Grundschule und darüber hinaus.In: Hüttis-Graff, Petra /Wieler, Petra (Hrsg.): Übergänge zwischen Mündlichkeit und Schrift-lichkeit im Vor- und Grundschulalter. Freiburg i.B., S. 123–148.

Anschrift der Verfasserin:

Prof. Dr. Petra Wieler,Freie Universität Berlin,Habelschwerdter Allee 45, D-14195 Berlin

pwieler , zedat.fu-berlin.de

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Im Folgenden finden sich Anzeigen von neuen Publikationen.Bibliographische Angaben und Anzeigentexte bitte schicken an:dorothee.wieser , tu-dresden.de

I. Übergreifendes

Bayrhuber, Horst /Abraham, Ulf /Frederking,Volker / Jank, Werner /Rothnagel, Martin /Vollmer, Helmut JohannesAuf dem Weg zu einer AllgemeinenFachdidaktik.Allgemeine Fachdidaktik, Band 1Münster, Waxmann 2016ISBN: 978-3-8309-3532-2300 Seiten, EUR 39,90

In diesem Band werden Umrisse einer allge-meinen Theorie der Fachdidaktiken entwickelt.Die Autoren bezeichnen sie als AllgemeineFachdidaktik und verstehen diese als Metathe-orie der Fachdidaktiken.Im ersten Teil des Bandes werden die Entwick-lung der Fachdidaktiken und ihr besondererStatus im Spannungsfeld von ‘Bildungswis-senschaften’ und ‘Fachwissenschaften’ skiz-ziert. Der zweite Teil thematisiert Gemeinsam-keiten und Unterschiede der einzelnen Fachdi-daktiken mit Blick auf das Lernen im Fach undüber das Fach hinaus. Im drittenTeil schließlichwerden konstitutive Bausteine einer Theorieder Allgemeinen Fachdidaktik entwickelt. Aufdieser Grundlage treten im vierten Teil ersteKonturen einer Theorie fachlicher Bildung inAuseinandersetzung mit dem Bildungsdiskursvom Mittelalter bis zur Gegenwart ins Blick-feld. Der Band schließt mit einer Zusammen-fassung und einem Ausblick auf weitere For-schungsperspektiven.

Berning, JohannesVom allmählichen Verschwindender Deutschdidaktik.Berlin, LIT 2016ISBN: 978-3-643-13449-374 Seiten, EUR 29,90

Die Empirisierung der Deutschdidaktik und inihrer Folge die Kompetenzorientierung undStandardisierung von Lehren und Lernen anSchulen und Universitäten haben inzwischen,laut Berning, zu einem offenkundigen Kollate-ralschaden geführt, der den Kern didaktischenDenkens und Handelns auf schleichende Weise

erodiert: Wenn Inhalte nicht mehr begründetausgewählt und hinterfragt werden und Metho-den das angestrengte Nachdenken über einenGegenstand ersetzen, dann verschwindet dieDidaktik allmählich. Am Beispiel der Schreib-didaktik soll gezeigt werden, was passiert,wenn das Schreiben immer weniger als Verste-hens- und Imaginationsarbeit bzw. als eineganzheitliche und reflexive Erfahrung betrach-tet wird.

Bremerich-Vos, Albert /Scholten-Akoun, Dirk(Hg.)Schriftsprachliche Kompetenzen vonLehramtsstudierenden in derStudieneingangsphase.Eine empirische Untersuchung.Baltmannsweiler, Schneider VerlagHohengehren 2016ISBN: 978-3-8340-1631-7237 Seiten, EUR 19,90

Die Texte in diesem Buch beziehen sich aufEtappen recht lange währender Bemühungen,primär an der Universität Duisburg-EssenAspekte der schriftsprachlichen Fähigkeitenvon Lehramtsstudierenden zu Beginn ihresStudiums zu erfassen. Ca. 900 Studierendealler Lehramtsfächer wurden im WS 2009/10mit einem kombinierten Lese-Schreib-Testkonfrontiert.Darüber hinaus wurden von 2009 bis 2013 ca.3000 Studierende mit dieser Zielgruppe ange-passten Versionen des C-Tests getestet. DieErgebnisse geben Anlass, über die schrift-sprachlichen Fähigkeiten von Studienanfän-gern nicht mehr nur auf der „Hinterbühne“ zusprechen.

Jesch, TatjanaFachdidaktik DeutschTübingen, Narr Francke Attempto 2016ISBN: 978-3-8233-6900-4250 Seiten, EUR 19,99

Der vorliegende Band behandelt gleicherma-ßen die Didaktiken des Deutschen als Mutter-

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sprache und als Zweitsprache. Zudem stellt ersich dem Anspruch, Sprach- und Literaturdi-daktik zu integrieren. Als Grundlage der Inte-gration dient eine Differenzierung zwischenSchriftlichkeit und Mündlichkeit. Konzeptio-nelle und mediale Mündlichkeit bzw. Schrift-lichkeit werden im Sprach- und Literaturunter-richt sowohl rezipiert als auch produziert. Ent-sprechend wird in dem hier vorgelegten Lehr-buch das Feld der Deutschdidaktik auch nachKonzept und Medium sowie Rezeption undProduktion unterteilt. Die so gegliedertenFacetten des Sprach- und Literaturunterrichtsdecken insgesamt dessen klassische Arbeitsbe-reiche bzw. die Kompetenzbereiche der Bil-dungsstandards ab. Audiovisuelle Medien wer-den zudem durchgehend in die Betrachtungeneinbezogen. Der Didaktik des Deutschen alsZweitsprache wird ein eigener Teil gewidmet,der die muttersprachliche Didaktik gleichge-wichtig ergänzt.

Koch, FlorianGesprächskompetenz vermitteln imintegrativen Deutschunterricht.Eine Analyse des Potenzials desdramatischen Dialogs in derSekundarstufe II.Frankfurt am Main, Peter Lang 2016ISBN: 978-3-631-67665-3 (Print)ISBN: 978-3-631-69911-9 (E-Book)371 Seiten, EUR 59,95

Der Autor untersucht das Potenzial des drama-tischen Dialogs für den Aufbau von Gesprächs-kompetenz im integrativen Deutschunterricht.Das Buch ist als eine theoretisch fundierte undunterrichtspraktisch erprobte Begründung deslernbereichsübergreifenden Arbeitens zu ver-stehen. So zeigt der Autor am Beispiel einerStudie, die in der gymnasialen Einführungs-phase durchgeführt wurde, welche sprech-sprachlichen Eigenheiten die dramatischeRede besitzt, um eigenes und fremdesGesprächsverhalten zu analysieren, zu reflek-tieren und zu optimieren. Er legt den Kompe-tenzerwerb durch eine Einordnung des Lerner-trags in ein eigens entwickeltes Synthesemo-dell dar, wobei er aufzeigt, dass insbesondereder metakognitive Austausch über dasGespräch bedeutsam für den Aufbau vonGesprächskompetenz ist.

Menthe, Jürgen/Höttecke, Dietmar /Zabka,Thomas/Hammann, Marcus /Rothnagel,Martin (Hg.)Befähigung zu gesellschaftlicherTeilhabe.Beiträge der fachdidaktischen Forschung.Münster, Waxmann 2016ISBN: 978-3-8309-3560-5ISBN: 978-3-8309-8560-0 (E-Book)432 Seiten, EUR 34,90 /30,99 (E-Book)

Innerhalb der Fachdidaktiken besteht ein brei-ter Konsens über die hohe Bedeutung von kom-plexen Querschnittsthemen wie Bildung fürnachhaltige Entwicklung. Schülerinnen undSchüler sollen lernen, persönliche, gesell-schaftliche und politische Gestaltungsspiel-räume zu schaffen, auszuloten und zu nutzen.Zugleich erhöht die Praxis inklusiven Fachun-terrichts die Anforderungen an die Schul- undUnterrichtsentwicklung weiter. Die didakti-sche Frage, wie Teilhabe in den unterschiedli-chen Fächerkulturen ermöglicht werden kann,wird auf je verschiedene Weise beantwortetoder noch zu beantworten sein. Welche spezifi-schen Probleme und Herausforderungen wur-den in den einzelnen Fachdidaktiken bisherbearbeitet? Ziel dieses Bandes ist es, den aufder GFD-Tagung 2015 in Hamburg begonne-nen interdisziplinären Diskurs fortzuführenund wichtige empirische wie theoretische Bei-träge zur Förderung der Diskursfähigkeit in derSchule zu dokumentieren.

Naugk, Nadine /Ritter, Alexandra /Ritter,Michael /Zielinski, SaschaDeutschunterricht in der inklusivenGrundschule.Perspektiven und Beispiele.Weinheim, Basel, Beltz 2016ISBN: 978-3-407-25744-4250 Seiten, EUR 29,95

„Lernen in Vielfalt und Gemeinsamkeit“ – die-ser Anspruch ist als pädagogische Aufgabe inder Schule angekommen. Doch welche fachdi-daktischen Konsequenzen sind zu ziehen?Basierend auf theoretischen Konzeptioneneiner inklusiven Didaktik und anhand konkre-ter Beispiele erarbeiten die Autorinnen undAutoren Perspektiven auf einen Deutschunter-richt in der inklusiven Grundschule, der ohnedie trennenden Unterscheidungsmechanismeneines separierenden Unterrichts auskommt.Wie kann derAnspruch einer inklusiven Schuleeingelöst werden, wenn 25 Kinder einer hetero-

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genen Lerngruppe ganz unterschiedlicheAnsprüche und Unterstützungsbedürfnisse zei-gen? Wie kann verhindert werden, dass indivi-duelle Förderung zur Vereinzelung von Kin-dern und Inklusion zur Auflösung der Lernge-meinschaft führt? Anhand konkreter Beispieleerarbeiten die Autor / innen Perspektiven aufden Deutschunterricht in der inklusivenGrundschule, die diesen und ähnlichen Fragennachgehen und Antworten suchen.

Pompe, Anja /Spinner, Kaspar H. /Ossner, JakobDeutschdidaktik Grundschule.Eine Einführung.Berlin, Erich Schmidt 2016ISBN: 978-3-503-16656-5284 Seiten, EUR 19,95

Der vorliegende Band führt in die Didaktik desDeutschunterrichts in der Grundschule ein. Ervermittelt die wesentlichen wissenschaftlichenErkenntnisse zu den Grundlagen und zu deneinzelnen Arbeitsbereichen des Unterrichts.Dabei wird immer der Bezug zum konkretenUnterrichtshandeln hergestellt, häufig sogarvon ihm ausgegangen, so dass die Leserinnenund Leser die Praxisrelevanz der Fragen undAusführungen erkennen, die in der Deutschdi-daktik und den geisteswissenschaftlichenBezugsdisziplinen derzeit diskutiert werden.Der Band gliedert sich – nach einem allgemei-nen Teil zu den Grundlagen – in Großkapitelzur Sprachdidaktik, zur Lese- und Literaturdi-daktik und zur Mediendidaktik. Er richtet sichan Studierende in der erstenAusbildungsphase,an Referendarinnen und Referendare ein-schließlich ihrer Ausbildenden und an alleLehrpersonen, die sich über neuere Entwick-lungen in der Grundschuldidaktik Deutschinformieren wollen.

Wildemann, Anja /Fornol, SarahSprachsensibel unterrichten in derGrundschule – Anregungen für denDeutsch-, Mathematik- undSachunterricht.Seelze, Klett Kallmeyer 2016ISBN: 978-3-7800-4848-6359 Seiten, EUR 29,95

Sprache stellt eine Schlüsselkompetenz fürschulischen Erfolg dar. Daher ist es nicht aus-reichend, wenn sprachliches Lernen aus-schließlich dem Deutschunterricht zugeordnet

wird. Vielmehr bedarf es einer systematischensprachlichen Bildung in allen Fächern derGrundschule.Die Autorinnen geben einen Gesamtüberblicküber Aufgaben und Ziele des Grundschulunter-richts und die Bedeutung von Sprache alsSchlüsselkompetenz. Sie sensibilisieren fürsprachliche Anforderungen, indem sie Hürdenund Lernchancen, die sich im Fachunterrichtergeben, in den Blick rücken. Außerdem wer-den in dem Buch Wege im sprachsensiblenUnterricht in Bezug auf das eigene Sprachhan-deln, sprachliche Unterstützungsmöglichkei-ten und die Strukturierung des Unterrichts auf-gezeigt. Darüber hinaus finden sich konkreteAnregungen für die Unterrichtspraxis in dendrei Fächern.

Winkler, Iris /Schmidt, Frederike (Hg.)Interdisziplinäre Forschung in derDeutschdidaktik.Fremde Schwestern im Dialog.Frankfurt am Main, Peter Lang Edition2016ISBN: 978-3-631-66340-0246 Seiten, EUR 49,95

Aktuelle Forschungs- und Entwicklungsfragender Fachdidaktik Deutsch sind oft nur interdis-ziplinär zu bearbeiten. Anhand exemplarischerProjekte diskutieren die Beiträge Gewinn undHerausforderungen der interdisziplinären Zu-sammenarbeit und bringen die Perspektivenvon Forschenden aus verschiedenen Fachkultu-ren miteinander ins Spiel.

II. Sprachdidaktik

Ballweg, Sandra (Hg.)Schreibberatung und Schreibförderung.Impulse aus Theorie, Empirie und Praxis.Frankfurt am Main, Peter Lang 2016ISBN: 978-3-631-66622-7369 Seiten, EUR 69,95

Die Beiträge in diesem Band beschäftigen sichmit Schreibberatung und Schreibförderung anSchulen und Hochschulen. Sie beleuchten The-men wie beispielsweise die Funktionen desSchreibens, Schreibförderung in den Fächern,Wissenschaftlichkeit und Kulturspezifik vonTexten, den Umgang mit Mehrsprachigkeit undden Aufbau von Schreibzentren.

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Becker-Mrotzek, Michael /Grabowski,Joachim/Steinhoff, Torsten (Hg.)Forschungshandbuch empirischeSchreibdidaktik.Münster, Waxmann 2016ISBN: 978- 3-8309-3432-5404 Seiten, EUR 39,90

Aus der Interdisziplinarität und Empirisierungder modernen Bildungsforschung – und damitauch der Erforschung der Voraussetzungenund Bedingungen von Schreibentwicklung,Schreibprozessen und ihrer Didaktik – ergebensich neue methodische und methodologischeHerausforderungen. Darauf reagiert das For-schungshandbuch zur empirischen Schreibdi-daktik, indem es den aktuellen, auch internatio-nalen, Forschungsstand der zugehörigen The-menbereiche instruktiv darlegt und damit einenBeitrag zur Verbesserung der Forschungs- undMethodenausbildung in einschlägigen, auchlehramtsbezogenen Studiengängen und in derwissenschaftlichen Nachwuchsqualifikationleistet.

Feilke, Helmuth /Lehnen, Katrin /Rezat, Sara /Steinmetz, MichaelMaterialgestütztes Schreiben lernen.Grundlagen – Aufgaben – Materialien.Braunschweig, Schroedel 2016272 Seiten, EUR 24,00

Das Handbuch für Lehrerinnen und Lehrerführt in die Idee materialgestützten Schreibensein und verortet diesen neuartigen Aufgaben-typ innerhalb der Kompetenzbereiche desDeutschunterrichts. Im Anschluss daran wer-den schreibdidaktischeAspekte sowie die Kon-struktion und Bewertung materialgestützterSchreibaufgaben ausführlich dargestellt.Den zweiten, umfangreicheren Teil des Hand-buchs nehmenAufgabenbeispiele für alle Klas-sen der Sekundarstufen I und II ein – mit detail-lierten Hinweisen zum Unterrichtseinsatzsowie allen benötigten Materialien als Kopier-vorlagen.

Freudenberg-Findeisen, Renate (Hg.)Auf dem Weg zu einer Textsortendidaktik.Linguistische Analysen und text(sorten)-didaktische Bausteine nicht nur für denfremdsprachlichen Deutschunterricht.Hildesheim, Georg Olms Verlag 2016ISBN: 978-3-487-15449-7308 Seiten, EUR 29,80

Der sprachdidaktische Diskurs hat Fahrt aufge-nommen. Die veränderten gesellschaftlichenBedingungen aufgrund von Migration und Ein-wanderung stellen an die sprachliche, kultu-relle und soziale Integration und damit an dieSprachvermittlung und sprachliche Bildung inSchule und Hochschule neue Herausforderun-gen.In der intensiveren sprachdidaktischen Debattewird Texten eine wesentliche Rolle zugeschrie-ben, da sie zum zentralen Medium der Wis-sens- und Sprachvermittlung geworden sind.Da ein konkreter Text zugleich auch einebestimmte Textsorte repräsentiert, erscheintaus sprachdidaktischer Sicht das Konzept Text-sorte aufgrund damit verbundener Merkmalewie Prototypikalität, Teil des Alltagswissens,Orientierungsmuster für Rezeption und Pro-duktion und Kulturalität außerordentlich inno-vativ.Die hier versammelten Beiträge der Sprach-wissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaft-ler sowie Fachdidaktikerinnen und Fachdidak-tiker diskutieren und erweitern bisherigeBemühungen um eine textsortenbasierteSpracharbeit.

Girgensohn, Katrin /Sennewald,Nadja /Bogdal, Klaus-Michael /Grimm, Gunter E. (Hg.)Schreiben lehren, Schreiben lernen.Eine Einführung.Darmstadt, WissenschaftlicheBuchgesellschaft 2016ISBN: 978-3-534-71418-6 (E-Book)135 Seiten, EUR 14,99

Diese Einführung gibt erstmals einen aktuellenund verlässlichen Überblick zu den neuestenEntwicklungen in Schreibforschung undSchreibdidaktik. Behandelt werden u .a.Schreibprozesstheorien, Methoden der Schreib-forschung, Schreibzentren, schreibintensiveLehre und Portfolioarbeit. Praktische Übungengeben Anregungen für das eigene Schreiben.

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Grundschulverband e.V. (Hg.)Grundschrift.Kinder entwickeln ihre Handschrift.Frankfurt am Main, Grundschulverbande.V. 2016ISBN: 978-3-941649-20-0281 Seiten, EUR 19,50

Das didaktische Konzept der Grundschrift isteine notwendige und richtige Fortentwicklungmoderner Schreibdidaktik. Dabei entwickeltsich eine leserliche, flüssig geschriebene undindividuell ausgeprägte Handschrift der Kin-der. Vorausgesetzt, der Unterricht weist die imGrundschrift-Konzept ausgewiesene didakti-sche Qualität auf. Die Projektgruppe Grund-schrift im Grundschulverband hat ihre Weiter-arbeit und Erfahrungen aus der Schulpraxisgenutzt, um in diesem Band den Stand der Ent-wicklungen aufzuzeigen. Sie verbindet damitzwei Hoffnungen: Der Band möge in der Dis-kussion um Schule, Schrift und Schreibenler-nen zur Versachlichung beitragen; die Anre-gungen und Erfahrungen mögen Lehrkräftenund Schulen für dieArbeit mit der Grundschriftnützlich sein – damit Kinder besser schreibenlernen.

Hoffmann, LudgerDeutsche Grammatik.Grundlagen für Lehrerausbildung, Schule,Deutsch als Zweitsprache und Deutsch alsFremdsprache.Berlin, Erich Schmidt Verlag 2016ISBN: 978-3-503-17052-4647 Seiten, EUR 29,80

Dies ist eine Grammatik für alle, die Deutschunterrichten, für die Lehrerausbildung und fürDeutsch als Zweit- und Fremdsprache. Sie istunter der Perspektive der Vermittlung geschrie-ben: Was sollten Lehrende und Lernende überSprache wissen? Die grammatischen Phäno-mene werden in ihrer Sachlogik dargestellt undin eine didaktisch begründete Abfolgegebracht. Ausführlich behandelt werden Berei-che, die erfahrungsgemäß Probleme bereiten,z.B. Artikelgebrauch und Präpositionen. DieGrammatik lässt ein Bild des Deutschen entste-hen. Sie stellt sich der Sprachwirklichkeit undarbeitet mit überwiegend authentischenGesprächs- und Textbeispielen. Sie zeigt auch,wie Grammatik beim Verstehen literarischerTexte helfen kann. Die sprachliche Reflexionwird auch durch den Einbezug anderer Spra-

chen gestützt. Die dritte Auflage enthält Ergän-zungen und Veränderungen im Blick auf denaktuellen Stand der Forschung. Neu ist einKapitel, in dem die Interpunktion als gramma-tisches Mittel dargestellt ist.

Knorr, Sagmar/Lehnen, Katrin /Schindler,KirstenSchreiben im Übergang vonBildungsinstitutionen.Frankfurt am Main, Peter Lang 2016ISBN: 978-3-631-66989-1ISBN: 978-3-631-70430-1 (E-Book)225 Seiten, EUR 49,95

Der Wechsel in neue institutionelle Kontextewird häufig aufgrund von veränderten Kom-munikationsabläufen, unvertrauten Textsortenund fehlenden Schreibroutinen als schwierigempfunden. Der Beginn eines Studiums, derEinstieg in den Beruf oder der Wechsel voneiner beruflichen Position sind dafür Beispiele.Solche Übergänge sind nicht selten mit Rei-bungsverlusten und langwierigen Enkulturati-onsprozessen verbunden. Der Band versam-melt Beiträge, die sich mit der Erforschung vonÜbergängen beschäftigen und didaktisch-methodische Konzepte zu deren Gestaltungunterbreiten. Neben schulischen, hochschuli-schen und beruflichen Übergängen thematisie-ren sie auch solche, die durch veränderteSchreibtechnologien und Schreibformate ge-stiftet sind beziehungsweise durch die Ent-wicklung neuer Sprachformen angeregt wer-den.

Naxhi, SelimiBildungssprache Deutsch und ihreDidaktik.Eine kompakte Einführung inTheorie und Praxis.Baltmannsweiler, Schneider VerlagHohengehren 2016ISBN: 978-3-8340-1676-8188 Seiten, EUR 18,00

Dieses Buch ist eine kompakte Einführung indie Bildungssprache Deutsch, die entscheidendfür die Bildungslaufbahn ist. Es behandeltLernbereiche eines sprachbewussten Deutsch-unterrichts in der Grundschule. Konzeptionellfolgt das Buch einem sprachdidaktischenHandeln, das bislang bewährte Erfahrungenund aktuelle Entwicklungen berücksichtigt,

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gewichtet und die dargestellten Sprachbereicheim Hinblick auf die schulrelevante Bildungs-sprache ergänzt. Es berücksichtigt zudem diefachwissenschaftlichen und fachdidaktischenVoraussetzungen angehender Lehrkräfte undschlägt Unterrichtsideen vor, die ergänzend zuDeutschlehrmitteln eingesetzt werden können.

Olsen, Ralph /Hochstadt Christiane /Colombo-Scheffold, Simona (Hg.)Ohne Punkt und Komma . . .Beiträge zu Theorie, Empirie und Didaktikder Interpunktion.Berlin, RabenStück Verlag 2016ISBN: 978-3-935607-73-5545 Seiten, EUR 24,90

Die Interpunktion ist trotz einer Reihe ein-schlägiger Publikationen noch immer ein fach-wissenschaftlich und -didaktisch eher rand-ständiges Gebiet, obwohl sie einen der fehler-trächtigsten orthografischen Bereiche darstelltund diesbezüglich große Unsicherheiten beiSchreibenden herrschen. Der vorliegendeBand zur Theorie, Empirie und Didaktik derInterpunktion soll dazu beitragen, die Zeichen-setzung ein Stück weiter aus ihrem Schattenda-sein herauszuführen und Einblicke in aktuellefachwissenschaftliche und -didaktische Positi-onen zu bieten. Dass sich die meisten der hiervorliegenden Beiträge mit dem Komma unddessen Vermittlung befassen, spiegelt die Lageder bisherigen fachdidaktischen Literatur undder jüngsten empirischen Untersuchungenwider. Der einführende Basisartikel sowiemehrere weitere Beiträge erweitern jedoch dasSpektrum an Interpunktionszeichen.

Philipp, Maik /Souvignier, Elmar (Hg.)Implementation vonLesefördermaßnahmen.Perspektiven auf Gelingensbedingungenund Hindernisse.Münster, Waxmann 2016ISBN: 978-3-8309-3435-6150 Seiten, EUR 29,90

Zur Frage wirksamer Förderansätze gibt eseine Fülle empirischer Studien und For-schungsüberblicke, allerdings lehren Beobach-tungsstudien stets aufs Neue, dass evidenzba-sierte Lesefördermaßnahmen im schulischenUnterricht nicht auftauchen. Damit stellt sichdie Frage nach den Gelingensbedingungen undHindernissen – oder kurz: nach der Implemen-

tation und Implementierbarkeit von Leseför-dermaßnahmen.An dieser Stelle setzt der Bandan. Das inhaltliche Kernstück bilden vier empi-rische deutschdidaktische bzw. psychologischeArbeiten zur Implementierung verschiedenerLeseförderverfahren. Gerahmt werden dieempirischen Beiträge von zwei theoretischenKapiteln. Im Einleitungsbeitrag wird ein neuerZugang hinsichtlich einer integrativen Per-spektive auf Entwicklung und Implementationvon Leseförderverfahren vorgeschlagen. DasAbschlusskapitel wertet auf dieser Basis dieempirischen Beiträge aus und systematisiertdie Befunde.

Philipp, Maik (Hg.)Handbuch Schriftspracherwerb undweiterführendes Lesen und Schreiben.Weinheim, Beltz Juventa 2017ISBN: 978-3-7799-3130-0377 Seiten, EUR 49,90

Die Kompetenz im Umgang mit Texten undSchriften erwerben Kinder primär durch denSchriftspracherwerb in der Primarstufe. Aller-dings bildet der Schriftspracherwerb nur eineStation in der Kompetenzentwicklung, daHeranwachsende ihre Fähigkeiten durch wei-terführendes Lesen und Schreiben üben,anwenden und konsolidieren. Dieses interdis-ziplinäre Handbuch mit seinen mehr als 20Beiträgen verschafft einen systematischenÜberblick über Grundlagen und Förderung desLesens und (Recht-)Schreibens und weitet denBlick auf den umfassenderen Kompetenzer-werb in der Primar- und Sekundarschulzeit. ZuWort kommen im Handbuch diverse Expertin-nen und Experten aus Deutschdidaktik, Psy-chologie, Erziehungswissenschaft und Sonder-pädagogik.

Struger, JürgenWissen sichtbar machen.Elemente und Rahmenbedingungen einerepistemisch orientierten Schreibdidaktik.Innsbruck, Studien Verlag 2016ISBN: 978-3-7065-5570-8300 Seiten, EUR 29,90

Die Annahme, dass Schreiben eine Form desLernens ist, gilt in der aktuellen Schreibfor-schung als unbestritten und führte zu umfang-reichen Forschungsansätzen und methodischenKonzepten. Es ist jedoch ein Ungleichgewichtfestzustellen zwischen den ausdifferenzierten

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Methodenrepertoires, mit denen schreibendesLernen initiiert werden soll, und den vorhande-nen Ansätzen, mit denen im Unterricht produ-zierte Texte als Indikatoren für Lern- und Ver-stehensprozesse bewertet und prozessorientiertgenutzt werden können. Der vorliegende Bandpräsentiert einen Überblick über theoretischeAnsätze, die sich mit Schreiben unter epistemi-schen Gesichtspunkten auseinandersetzen. AlsLeitkonzept für die Untersuchung dient dabeidie Theorie mentaler Modelle. Auf der Grund-lage einer empirischen Untersuchung vonSchülerinnen- und Schüler-Texten der Sekun-darstufe II wird ein Rahmenkonzept einer epis-temisch orientierten Schreibdidaktik vorge-stellt.

Thome, Günther /Thome, DorotheaDeutsche Wörter nach Laut- undSchrifteinheiten gegliedert: nach demBasiskonzept Rechtschreiben, mitzahlreichen Tabellen über dieHäufigkeit der Laut- und Schrifteinheitenim Deutschen.Oldenburg, isb-Fachverlag 2016ISBN: 978-3-9421-2221-4128 Seiten, EUR 14,80

Dieses Buch soll helfen, die geschriebene deut-sche Sprache besser zu verstehen und zu ver-mitteln. Die Kenntnis der Beziehung zwischenLaut- und Schrifteinheiten ist von grundlegen-der Bedeutung für den Lese- / Schreibunter-richt und für Deutsch als Zweit- und Fremd-sprache sowie im Förderbereich. Das Buchfasst die Ergebnisse umfangreicher sprachsta-tistischer Untersuchungen zusammen und bie-tet viele Übersichten, Tabellen und Balkendia-gramme über das Verhältnis und die Häufigkeitvon Laut- und Schrifteinheiten. Die systemati-sche Darstellung, welche Buchstaben undBuchstabenverbindungen mit welchen Lautenkorrespondieren, wird anhand einer Liste mitüber 1.800 gebräuchlichen Wörtern (plusNebenformen) in die Praxis umgesetzt: für alle,die im Bereich Deutsch als Erst- und Zweit-sprache arbeiten.

III. Literatur- und Lesedidaktik

Fiebich, PeggyQuerdenken.Literarische Bildung und TransversaleVernunft.Paderborn, Ferdinand Schöningh 2016ISBN: 978-3-506-78380-6347 Seiten, EUR 44,90

Unsere nationalen Bildungsstandards setzenauf Kompetenzen, d.h. auf inhaltlich über-tragbare, messbare, kognitive Problemlöse-fähigkeiten. Hier wird ein alternatives Bil-dungskonzept vorgeschlagen und am Beispielder literarischen Bildung konkretisiert. Diemündige Teilhabe des Einzelnen am komple-xen, dynamischen und instabilen soziokulturel-len System verhindert fatale Rückzugsbe-wegungen in die Verantwortungslosigkeit. Plu-ralität darf nicht durch Vereinseitigung oderGleichgültigkeit negiert werden. Daher müssenHeranwachsende befähigt werden, die mannig-faltigen kulturellen Denkmuster, Werte undRollen aufeinander zu beziehen, um ein Gan-zes zu entwerfen, Alternativen zu erwägen,Konflikte zu bearbeiten und auszuhalten.Dem Umgang mit Literatur kommt ein beson-derer Bildungswert zu. Literaturunterricht er-möglicht den Heranwachsenden reflektierte Er-fahrungen im Umgang mit radikaler Pluralität.

Frickel, Daniela A. /Kagelmann, Andre (Hg.)Der inklusive Blick.Die Literaturdidaktik und ein neuesParadigma.Frankfurt am Main, Peter Lang 2016ISBN: 978-3-631-67442-0ISBN: 978-3-631-69648-4 (E-Book)393 Seiten, EUR 59,90

Das neue bildungspolitische Paradigma derInklusion fordert die Literaturdidaktik heraus,ihre Theorien, Inhalte und Methoden einerRevision zu unterziehen. Es gilt, Grundlagenund Konzepte zu entwickeln, die Prozesseinklusiver Realisation zu fundieren und gestal-ten. Die Beiträge in diesem Band zielen aufeinen interdisziplinären Dialog zwischen derFachdidaktik Deutsch und der Förderpädago-gik sowie zwischen der Literatur- und Sprach-didaktik und loten die Herausforderungen undMöglichkeiten einer inklusiv denkenden undagierenden Literatur- bzw. Deutschdidaktikmehrperspektivisch und fächerübergreifendaus.

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Mitterer, Nicola /Nagy, Hajnalka /Wintersteiner, WernerDie Ansprüche der Literatur als Heraus-forderung für den Literaturunterricht.Theoretische Perspektiven derLiteraturdidaktik.Frankfurt am Main, Peter Lang 2016ISBN: 978-3-631-66443-8ISBN: 978-3-631-69687-3 (E-Book)240 Seiten, EUR 39,95

Der Begriff „Ansprüche der Literatur“ ist Pro-gramm: Er steht für einen Literaturunterrichtund eine Literaturdidaktik, die sich deutlichvom dominierenden Diskurs der Kompetenz-orientierung und Funktionalisierung schuli-schen Lernens absetzen. Die Beiträge diesesBandes stellen das Abenteuer der Textbegeg-nung wieder in den Mittelpunkt eines Literatur-unterrichts, dessen Ergebnis nicht im Vorausfestlegbar ist. Dieser literarästhetische Zugangberuht auf einer genauen Textlektüre, die sichjedes einzelnen Wortes, seiner Struktur und sei-ner sprachlichen Verfremdungen annimmt, dieaber ebenso aufmerksam die eigenen Reaktio-nen auf den Text registriert und diese schließ-lich in Beziehung zur Sprache des Textes selbstbringt. Das Ergebnis ist ein Literaturunterricht,der den Lernenden und den literarischen Wer-ken gleichermaßen gerecht wird.

Möbius, Thomas /Steinmetz, Michael (Hg.)Wissen und literarisches Lernen.Grundlegende theoretische unddidaktische Aspekte.Frankfurt am Main, Peter Lang 2016ISBN: 978-3-631-67917-3ISBN: 978-3-653-07130-6 (E-Book)210 Seiten, EUR 49,95

Die Vorstellung von einer Wissenspräsupposi-tion literarischen Verstehens, also dieAnnahme, dass ein textseitig begründbaresVerständnis immer auch textspezifische Wis-sensbestände erfordert, gehört zur Alltagser-fahrung bei der Vermittlung von Literatur. Lite-rarisches Verstehen gelingt dann am besten,wenn Lernende über bestimmte Wissensbe-stände verfügen und dieses Wissen auf einebestimmte Weise einsetzen können; bemer-kenswert ist daher, dass die prominenten litera-turdidaktischen Konzepte der letzten beidenDekaden die Verbindung von Wissen und lite-rarischem Lernen vielfach ausgeblendet haben.Die Beiträge des vorliegenden Bandes wollen

neue Wege in der Diskussion um das Verhältnisvon Wissen und literarischem Verstehen auf-zeigen, Vermittlungswege wissensbasiertenVerstehens skizzieren und einen Beitrag zueiner dringend notwendigen Diskussion umentsprechende Normen des Literaturunter-richts leisten.

Müller, Karla /Decker, Jan-Oliver /Krah,Hans/Schilcher, Anita (Hg.)Genderkompetenz mit Kinder- undJugendliteratur entwickeln.Grundlagen – Analysen – Modelle.Baltmannsweiler, Schneider VerlagHohengehren 2016ISBN: 978-3-8340-1663-8260 Seiten, EUR 19,80

Genderkompetenz meint die Fähigkeit, rele-vante Aspekte von sozialen Geschlechterkon-struktionen zu erkennen und gleichstellungs-orientiert zu bearbeiten. Die Vermittlung dieserKompetenz ist im Literaturunterricht eineebenso notwendige wie in der Praxis schwie-rige Aufgabe: Weit verbreitete Kinder- undJugendromane (und ihre Verfilmungen) enthal-ten häufig fragwürdige Modelle. Ein genderre-flexiver Unterricht trifft oft auf methodischeProbleme und motivationale Widerstände.Hier setzt der vorliegende Band an und bietetpraktische Lösungen auf wissenschaftlicherBasis. Neben einem theoretischen Fundamentund exemplarischen Werkanalysen bietet derBand Unterrichtsmodelle von der 3. bis zur 11.Jahrgangsstufe. Dabei geht es um literarischeKonstruktionen von Männlichkeit ebenso wievon Weiblichkeit und um das Spiel mit her-kömmlichen Mustern.

Riegler, Susanne/Schmideler, Sebastian (Hg.)Kinder- und Jugendliteratur in Leipzig.Orte – Akteure – Perspektiven.Leipzig, Leipziger Uni-Verlag 2016ISBN: 978-3-96023-020-5270 Seiten, EUR 29,00

Die Beiträge dieses Sammelbandes gehen aufeine Ringvorlesungsreihe zurück, die im Win-tersemester 2014/15 am Zentrum für Lehrer-bildung und Schulforschung der UniversitätLeipzig stattfand. Sie sollen exemplarisch zei-gen, dass die Buchstadt Leipzig nicht nur übereine reiche kinderliterarischeTradition verfügt,sondern auch aktuell eine erstaunliche Vielzahlan interessanten kinder- und jugendliterari-

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Page 33: StefanWahl, Iris Rautenberg, Stefanie Helms€¦ · erweiterbar (Noack 2006). Formal zeichnen sichAdjektive durch Flexion aus. Durch die syntaxbasierte Modellierung kann der Kernbereich

schen Orten,Akteuren und Perspektiven vorzu-weisen hat.Die Beiträge verfolgen diese Spuren aussowohl kinderliteraturwissenschaftlicher alsauch literaturdidaktischer Sicht. Wo in Leipzigwird Kinder- und Jugendliteratur ausgezeich-net, gesammelt, verlegt und übersetzt? Wer ver-lockt auf welche Weise Kinder zum Lesen undSchreiben von Kinder- und Jugendliteratur?Welche Perspektiven verfolgen die LeipzigerKinder- und Jugendliteraturforschung undLiteraturdidaktik? Der Sammelband möchteauf diese Weise bewusst eine Brücke zwischenKinderliteraturwissenschaft und literaturdi-daktischer Forschung schlagen.

Spinner, Kaspar H. /Standke, Jan (Hg.)Erzählende Kinder- und Jugendliteratur imDeutschunterricht.Textvorschläge – Didaktik – MethodikPaderborn, Ferdinand Schöningh 2016ISBN: 978-3-8252-8653-8411 Seiten, EUR 30,90

Welche Texte der Kinder- und Jugendliteratureignen sich für den Deutschunterricht? WelcheLektüreklassiker können auch heute noch inte-ressant für Schülerinnen und Schüler sein?Welche Verfilmungen oder Hörbücher sind fürden Unterricht geeignet? Das Handbuch„Erzählende Kinder- und Jugendliteratur imDeutschunterricht. Textvorschläge – Didaktik– Methodik“ bietet zu mehr als 100 literari-schen Texten eine schnelle Orientierung überInhalte, didaktische Eignung und methodischeAnsatzpunkte. Verweise auf fachwissenschaft-liche und fachdidaktische Sekundärliteratursowie auf ausgewählte Unterrichtsmaterialienund ergänzende mediale Angebote helfen beider intensiveren Beschäftigung mit den einzel-nen Titeln.

Standke, Jan (Hg.)Wolfgang Herrndorf lesen.Beiträge zur Didaktik derdeutschsprachigen Gegenwartsliteratur.Trier: WissenschaftlicherVerlagTrier 2016ISBN: 978-3-86821-683-7280 Seiten, EUR 27,50

Wolfgang Herrndorfs mehrfach ausgezeichne-ter Roman „Tschick“ zählt zu den belletristi-schen Bestsellern der letzten Jahre. „Tschick“begeistert aber nicht nur ein breites Lesepubli-kum, sondern weckt auch das Interesse der

Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik.Die in diesem Band versammelten Beiträgeführen die literaturwissenschaftliche und lite-raturdidaktische Auseinandersetzung mitHerrndorfs Erfolgsroman fort und nehmen dasGesamtwerk des Autors in den Blick. Hierfürgreifen dieAutorinnen undAutoren den aktuel-len Stand der Forschung auf und vermittelneinen Überblick über die Fragestellungen, diebislang an die Texte Wolfgang Herrndorfsherangetragen wurden. Darüber hinaus setzendie Beiträge in der literaturwissenschaftlichenAnalyse und literatur- bzw. mediendidakti-schen Perspektivierung ganz gezielt neueAkzente.

Steiner, Anne/Radvan, Florian (Hg.)Grenzspiele.Theaterdidaktische Perspektiven aufNormen und Normbrüche im Drama undauf der Bühne.Baltmannsweiler, Schneider VerlagHohengehren 2016ISBN: 978-3-8340-1633-1264 Seiten, EUR 24,00

Den eigenen Umgang mit Normen in denBereichen Drama und Theater wahrzunehmenund das Um-Spielen von Normativität zuerkennen, macht einen großen Reiz der Rezep-tion von Theaterstücken aus – und konstituierteinen wesentlichen Bestandteil der (theatralen)Rezeptionskompetenz. Sie stellt sich zwarnicht ohne Weiteres ein, kann aber erlernt wer-den; dies zeigen die Beiträge in diesem Band.Sie nehmen dabei die didaktischen Implikatio-nen der Normen und Normbrüche des Theatersaus unterschiedlichen Perspektiven in denBlick: Sie setzen sich mit Normen und Norm-brüchen auseinander, die der Institution Thea-ter inhärent sind, fokussieren thematische undsprachliche Normbrüche als Eigenschaften vonDramentexten und Normen der Einbindungvon Theater und Drama in den Deutschunter-richt. Schließlich gehen die Beiträge auch derFrage nach, wie das postdramatische Theaterund sein Spiel mit Rezeptionsnormen für Schü-lerinnen und Schüler zugänglich gemacht wer-den kann.

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IV. Mediendidaktik

Knopf, Julia /Abraham, Ulf (Hg.)Deutsch Digital.Band 1: Theorie, Band 2: PraxisBaltmannsweiler, Schneider VerlagHohengehren 2016ISBN: 978-3-8340-1661-4 (Band 1)135 Seiten, EUR 14,80ISBN: 978-3-8340-1665-2 (Band 2)168 Seiten, EUR 18,00

Die Digitalisierung beeinflusst das Lehren undLernen im Deutschunterricht wie kaum eineandere Entwicklung. Dadurch entstehen zahl-reiche neue Möglichkeiten für den Deutschun-terricht in der Primarstufe.Der Theorieband der Reihe „Deutsch Digital“gibt vor diesem Hintergrund zunächst einenEinblick in den aktuellen Forschungsstand undzeigt Entwicklungsperspektiven für die nächs-ten Jahre auf.Der Praxisband vermittelt Grundlagen undBeispiele für den Einsatz digitaler Medien inallen Kompetenzbereichen des Deutschunter-richts. Zahlreiche Anwendungen wie Apps,Lernsoftware und Lernplattformen werdenvorgestellt und im Hinblick auf ihr Potenzialfür den Deutschunterricht analysiert.

Maiwald, Klaus /Meyer, Anne-Maria /Pecher,Claudia Maria (Hg.)„Klassiker“ des Kinder- und Jugendfilms.Baltmannsweiler, Schneider VerlagHohengehren 2016ISBN: 978-3-8340-1674-4160 Seiten, EUR 18,00

Der Band versammelt die Beiträge zu einerRingvorlesung über Klassiker des Kinder- undJugendfilms und thematisiert ein breites Spek-trum an Filmen. Zwei Fragen perspektivierendie Beiträge: Was ist ein Kinder- und Jugend-film? Und was ist ein Klassiker des Kinder-und Jugendfilms?Eine Bestimmung des Kinder- und Jugend-films kann nach innertextuellen Kriterienerfolgen, wenn ein Film kindlich-jugendlicheHauptfiguren, Inhalte und Themen oder Dar-stellungsformen und Genres aufbietet. Nachaußertextuellen Kriterien gelten Filme als Kin-der- und Jugendfilme, die im kulturellen Hand-lungssystem als solche produziert und rezipiertwerden. Der Trend zum mehrfachadressiertenall age-Film erschwert die Eingrenzung.

Klassiker sind keine normativ verfestigten Kul-turgüter, sondern Werke mit kulturell bestätig-ter Qualität und Wirkung. Klassikerstatus istjedoch nicht vorauszusetzen, er ist zu ermittelnund zu überprüfen. Der vorliegende Bandbegreift sich als Beitrag zu diesem kulturellenAushandlungsprozess.

V. Deutsch als Zweitsprache

Becker-Mrotzek, Michael /Rosenberg, Peter /Schroeder, Christoph/Witte,Annika (Hg.)Deutsch als Zweitsprache in derLehrerbildung.Münster, Waxmann 2016ISBN: 978-3-8309-3399-1215 Seiten, EUR 29,90

Sprachliche Bildung, Sprachförderung undDeutsch als Zweitsprache sind in vielen Bun-desländern fester Bestandteil der Lehramtsaus-bildung; in Berlin und Nordrhein-Westfalen istDeutsch als Zweitsprache inzwischen sogar einPflichtmodul. Weitere Bundesländer folgenoder diskutieren aktuell eine Verankerung desThemas sprachliche Bildung im Studium.Dieser Band gibt einen Überblick über bishe-rige Modelle und präsentiert erste Erkennt-nisse. Zudem werden Antworten auf Fragen zuInhalten und zu vermittelnden Kompetenzen inder Lehrerbildung sowie zu deren Anwendungund Eignung in der schulischen Praxis gege-ben. Sprachliche Heterogenität wirft außerdemeine weitere Frage auf: Wie gestaltet sich dasVerhältnis von Sprachförderung und Inklu-sion?

Rosenberg, Peter /Schroeder, Christoph (Hg.)Mehrsprachigkeit als Ressource in derSchriftlichkeit.Berlin, de Gruyter 2016ISBN: 978-3-11-040158-5339 Seiten, EUR 149,95

Der Band fragt nach dem Vorteil, den die Kom-petenz in einer Sprache (meist der Erstsprache)für den Erwerb einer anderen Sprache (meistder Zweitsprache) darstellt. Die These von der„Mehrsprachigkeit als Ressource“ wird imSinne eines positiven Transfers empirisch undin angewandter Perspektive fassbar gemacht.Der Fokus liegt dabei auf der Frage der Schrift-lichkeit, die Textentwicklung und Texthabitua-lität mit einbezieht.

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Rückl, Michaela (Hg.)Sprachen und Kulturen: vermitteln undvernetzen.Beiträge zu Mehrsprachigkeit und Inter- /Transkulturalität im Unterricht, in Lehr-werken und in der Lehrer / innen/bildung.Münster, Waxmann 2016ISBN: 978-3-8309-3506-3246 Seiten, EUR 27,90

Heterogene Klassen bestimmen die Unter-richtsrealität. In den Beiträgen des Bandesgeht es daher um die Schlüsselfrage, wie(fremd-)sprachliche Lehr- /Lernprozesse ge-staltet werden sollen, um mehrsprachige Lern-ausgangslagen von Schüler / inne /n, die durchherkunftssprachliche und/oder fremdsprach-liche Vorkenntnisse bedingt sind, als Potenzialnutzen zu können. Es werden bewährte undinnovative Konzepte und Modelle beleuchtet,Einblicke in laufende Forschungsarbeitengegeben und Projekte aus der Lehrpraxis vor-gestellt.

Schätz, RaphaelaDeutsch als Zweitsprache fördern.Studie zur mündlichen Erzählfähigkeit vonGrundschulkindern.Wiesbaden, Springer 2016ISBN: 978-3-658-15867-5344 Seiten, EUR 49,99

Raphaela Schätz untersucht in einer Feld-studie, inwieweit eine zweijährige additiveSprachförderung die mündliche Erzählfähig-keit in der Zweitsprache Deutsch fördert. Alstheoretischer Rahmen dienen Ansätze desZweitspracherwerbs, die Aufarbeitung desForschungsstands zum Erwerbsverlauf dermündlichen Erzählfähigkeit und didaktischeAnsätze der Sprachförderung. Die Ergebnisseder Studie zeigen, dass die untersuchte theorie-basierte Sprachförderung basale sprachlicheund spezifische pragmatische Fähigkeiten desmündlichen Erzählens fördert.

Tschirner, Erwin/Bärenfänger, Olaf /Möhring,Jupp (Hg.)Deutsch als fremde Bildungssprache.Das Spannungsfeld von Fachwissen,sprachlicher Kompetenz, Diagnostik undDidaktik.Tübingen, Stauffenburg Verlag 2016ISBN: 978-3-95809-071-2266 Seiten, EUR 39,80

Bildungssprachliche Kompetenzen in derFremd- und Zweitsprache Deutsch stellen fürSchülerinnen und Schüler sowie für Studie-rende eine der wichtigsten Voraussetzungen fürihren fachlichen Erfolg dar. Die fachübergrei-fenden und fachspezifischen Ausprägungendieser kommunikativen Bedürfnisse sind bis-lang jedoch ebenso unvollständig erfasst wieentsprechende Möglichkeiten zur Förderungund Überprüfung bildungssprachlicher Fertig-keiten. Diese Forschungslücke aufgreifendunterbreiten die in diesem Band versammeltenBeiträge Vorschläge, wie bildungssprachlicheBedarfe empirisch ermittelt und beschriebenwerden können, wie Tests und Diagnoseinstru-mente zur Messung bildungssprachlicherKompetenz gestaltet sein sollten und wiesprachliche Fertigkeiten an Schule und Univer-sität gezielt gefördert und entsprechende För-dermaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin über-prüft werden können.

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