Strafrecht BT Köperverletzungsdelikte Vorlesung vom 26. Oktober 2009 HS 2009 Ass.-Prof. Dr. Jonas...

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Strafrecht BT Köperverletzungsdelikte Vorlesung vom 26. Oktober 2009 HS 2009 Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Bern

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Strafrecht BT

Köperverletzungsdelikte

Vorlesung vom 26. Oktober 2009

HS 2009

Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber

Institut für Strafrecht und Kriminologie

Universität Bern

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Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Körperverletzung Folie 2

Körperverletzung (Art. 122 - 126) – Einordnung und Gliederung der Straftatbestände im Gesetz

> 1. Titel: Straftaten gegen Leib und Leben

- Tötung (Art. 111 - 117)

- Schwangerschaftsabbruch (Art. 118 - 121)

- Körperverletzung (Art. 122 - 126)

- Gefährdung des Lebens und der Gesundheit (Art. 127 - 136)

> Ziff. 3: Körperverletzung

- Art. 122: Schwere Körperverletzung

- Art. 123: Einfache Körperverletzung

- (Art. 124: aufgehoben)

- Art. 125: Fahrlässige Körperverletzung

- Art. 126: Tätlichkeit

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Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Körperverletzung Folie 3

Körperverletzung (Art. 122 - 126) – Geschütz-tes Rechtsgut, Tatobjekt, Tathandlung

> Geschütztes Rechtsgut: körperliche Integrität, d.h. körperliche und geistige Gesundheit

> Tatobjekt: Mensch

- von der Geburt bis zum Tod

- Selbstverletzung bzw. Selbstverstümmelung grundsätzlich nicht strafbar

– Ausnahmen: Art. 95 MStG, Art. 19a BetMG

- unabhängig vom bestehenden Gesundheitszustand

- Prothesen, wenn fest mit Körper verbunden

> Tathandlung: jede Handlung die zu einer Schädigung am Körper oder zu einer Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit führt

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Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Körperverletzung Folie 4

Körperverletzung (Art. 122 - 126) – Inhaltliche Gliederung bzw. Systematik

Körperverletzung

Fahrlässige Körperverletzung

(Art. 125)

Vorsätzliche Körperverletzung

Grund-tatbestand

Einfache Kv. (Art. 123)

schwerefahrl. Kv.

Abs. 2

Qualifikation

Schwere Kv. (Art. 122)

einfachefahrl. Kv.

Abs. 1

Privile-gierung

Tätlichkeit(Art. 126)

Qualifikation(Ziff. 2)

Privilegierung(Ziff. 1 Abs. 1)

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Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Körperverletzung Folie 5

Einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1) – Allgemeines

Art. 123: Einfache Körperverletzung

1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise (Abgrenzung zur schweren Körperverletzung in Art. 122) an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. (…)

> Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 als Grundtatbestand aller Körperverletzungs-delikte

> negative Abgrenzung gegenüber Art. 122 und Art. 126: alle Körperver-letzungen, die einerseits nicht schwer (Abgrenzung gegenüber Art. 122) und andererseits keine blosse Tätlichkeiten (Abgrenzungen gegenüber Art. 126) sind

> Antragsdelikt- Art. 30: durch verletzte Person oder gesetzlicher Vertreter oder

Angehörige- Art. 31: Antragsfrist von drei Monaten

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Einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1) – Taterfolg

> "Schädigung an Körper oder Gesundheit"

> "nicht bloss harmlose Beeinträchtigung der körperlichen Integrität oder des gesundheitlichen Wohlbefindens"

> Gesundheitsschädigung- körperliche und geistige Gesundheit- jedes Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen

(= krankhaften) Zustands; Verursachung von Krankheiten und von Verletzungen

- eindeutige begriffliche Festlegung nicht möglich

> Schädigung des Körpers- geringe eigenständige Bedeutung; "Auffang-Variante"

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Einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2) – Privilegierung: leichte Fälle

Art. 123: Einfache Körperverletzung

1. (…)

In leichten Fällen kann der Richter die Strafe mildern (Art. 48a).

> schwierige Grenzziehung zum Grundtatbestand (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1) sowie zur Tätlichkeit (Art. 126)

> "Beeinträchtigungen der gesundheitlichen Integrität von untergeord-neter Bedeutung"

> "leichter Fall" als unbestimmter Rechtsbegriff; richterliche Auslegung

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Einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2) – Qualifizierung: Gliederung

Art. 123: Einfache Körperverletzung

2. Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, und der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, (…)

> zwei Qualifikationsgründe

- gefährliche Vorgehensweise (Abs. 2): Anknüpfung an Tatmittel

- verwerfliche Vorgehensweise (Abs. 3-6): Anknüpfung an die Person des Opfers (besondere Schutzbedürftigkeit des Opfers)

> Rechtsfolge: Offizialdelikt (Verfolgung von Amtes wegen)

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Einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2) – Qualifizierung: Gefährliche Tatmittel (Abs. 2)

Art. 123: Einfache Körperverletzung

2. (…) wenn er Gift, eine Waffe oder einen gefährlichen Gegenstand gebraucht,

Gefährliche Tatmittel

> Gift- Substanz, die infolge chemischer Einwirkung auf den menschlichen Körper

die Gesundheit schädigt oder das Leben zerstören kann- relativer Begriff: konkrete Dosierung, Empfindlichkeit des Opfers

> Waffe- alle Gegenstände, die ihrer Bestimmung nach zu Angriff und Verteidigung

dienen (Bundesgericht) und zur Verursachung des Todes oder einer schweren Körperverletzung bestimmt sind (Ergänzung durch Lehre)

- bestimmungsgemässer Einsatz

> gefährlicher Gegenstand- Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit so eingesetzt wird, dass die

Gefahr einer schweren Körperverletzung i.S.v. Art. 122 herbeigeführt wird

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Einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2) – Qualifizierung: Wehrloses Opfer, Obhut (Abs. 3)

2. (…) wenn er die Tat an einem Wehrlosen oder an einer Person begeht, die unter seiner Obhut steht oder für die er zu sorgen hat, namentlich an einem Kind,

(…)

> wehrlos: wer sich in einem Zustand befindet, in dem er/sie unter den konkreten Umständen nicht in der Lage ist, sich zu verteidigen

- aus körperlichen oder psychischen Gründen

- z.B.: gebrechliche oder verletzte Person; schlafende, gefesselte oder geisteskranke Personen

> Obhutsverhältnis zum Täter (= Schutzbefohlene): rechtlich oder faktisch

- z.B.: Kinder bis zur Volljährigkeit im Verhältnis zu ihren Eltern; Bewohner von Alters- und Pflegeheimen

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Einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2) – Qualifizierung: Häusliche Gewalt (Abs. 4-6)

2. (…)

wenn er der Ehegatte des Opfers ist und die Tat während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung begangen wurde,

wenn er die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Opfers ist und die Tat während der Dauer der eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach deren Auflösung begangen wurde,

wenn er der hetero- oder homosexuelle Lebenspartner des Opfers ist, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamem Haushalt führen und die Tat während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.

> Kreis der geschützten Opfer: Ehegatten; eingetragene Partner (Partnerschaftsgesetz); nicht verheiratete bzw. nicht eingetragene Paare, die einen gemeinsamen Haushalt führen ("Konkubinatspaare")

> Zeitraum: bis ein Jahr nach Scheidung bzw. Auflösung bzw. Trennung

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Einfache Körperverletzung – Häusliche Gewalt: Verfahrensbestimmung (Art. 55a)

Art. 55a (Einstellung des Verfahrens) Ehegatte, eingetragene Partnerin, eingetragener Partner oder Lebenspartner als Opfer

1 Bei einfacher Körperverletzung (…), wiederholten Tätlichkeiten (…), Drohung (…) und Nötigung (…) kann die zuständige Behörde der Strafrechtspflege das Verfahren provisorisch einstellen, wenn:a. das Opfer:

1. der Ehegatte des Täters ist und die Tat während der Ehe oder innerhalb eines Jahres nach deren Scheidung begangen wurde, oder

2. die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Täters ist und die Tat während der Dauer der eingetragenen Partnerschaft oder innerhalb eines Jahres nach deren Auflösung begangen wurde, oder

3. der hetero- oder homosexuelle Lebenspartner bzw. der noch nicht ein Jahr getrennt lebende Ex- Lebenspartner des Täters ist; und

b. das Opfer (…) ersucht oder einem entsprechenden Antrag der zuständigen Behörde zustimmt.

2 Das Verfahren wird wieder aufgenommen, wenn das Opfer (…) seine Zustimmung innerhalb von sechs Monaten seit der provisorischen Einstellung des Verfahrens schriftlich oder mündlich widerruft.

3 Wird die Zustimmung nicht widerrufen, verfügt die zuständige Behörde der Strafrechtspflege die definitive Einstellung.

4 (…)

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Einfache Körperverletzung (Art. 123) – Subjektiver Tatbestand

> Vorsatz; Eventualvorsatz genügt

> muss sich bei qualifiziertem Tatbestand auch auf Qualifikations-merkmale beziehen

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Schwere Körperverletzung (Art. 122) – Allgemeines und Gliederung

> Schwere Körperverletzung unterscheidet sich von der einfachen Körperverletzung einzig durch den Taterfolg, d.h. die Schwere das Ausmass der Verletzung

> Offizialdelikt (Verfolgung von Amtes wegen)

> auch Vorbereitungshandlungen i.S.v. Art. 260bis sind strafbar

> Kategorien gemäss Art. 122

- Abs. 1: lebensgefährliche Verletzung

- Abs. 2, Var. 1: Verstümmelung oder Unbrauchbarmachung wichtiger Organe oder Glieder

- Abs. 2, Var. 2: Bleibende Nachteile

- Abs. 2, Var. 3: Entstellung des Gesicht

- Abs. 3: Generalklausel

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Schwere Körperverletzung (Art. 122) – Lebensgefährliche Verletzung (Abs. 1)

Art. 122: Schwere Körperverletzung

Wer vorsätzlich einen Menschen lebensgefährlich verletzt, (…)

> lebensgefährliche Verletzung: unmittelbare Lebensgefahr; = Zustand, in dem sich die Möglichkeit des Todes derart verdichtet, dass sie zur ernstlichen und dringlichen Wahrscheinlichkeit wird

> Lebensgefahr muss sich aus der Verletzung ergeben; nicht direkt aus dem Vorgehen des Täters (Abgrenzung zur Gefährdung des Lebens gemäss Art. 129)

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Schwere Körperverletzung (Art. 122) – Wichtige Organe oder Glieder (Abs. 2, Var. 1)

Art. 122: Schwere Körperverletzung

(…)

wer vorsätzlich den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, (…)

> wichtige Glieder bzw. Organe i.S.v. Art. 122 Abs. 2 Var. 1: lebens- wichtige innere Organe, Sinnesorgane, Hände, Füsse, …

> individueller Massstab: Wichtigkeit eines Gliedes wird nach seiner Funktion für das konkrete Opfer bemessen; zu berücksichtigen ist insb. die berufliche Tätigkeit

- Vorsatz: Täter muss die Umstände des Opfers kennen

> Verstümmelung: Glied wird in seiner Gestalt beeinträchtigt oder gar von Körper abgetrennt

> Unbrauchbarmachung: Organ oder Glied wird in seiner Funktion dauernd beeinträchtigt

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Schwere Körperverletzung (Art. 122) – Bleibende Nachteile (Abs. 2, Var. 2)

Art. 122: Schwere Körperverletzung

(…) einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht (…)

> bleibende Nachteile in Form von bleibender Arbeitsunfähigkeit, Gebrechlichkeit oder Geisteskrankheit

> bei ungewisser Prognose: in dubio pro reo ist von einer Heilungschance auszugehen

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Schwere Körperverletzung (Art. 122) – Entstellung des Gesicht (Abs. 2, Var. 3)

Art. 122: Schwere Körperverletzung

(…) das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt, (…)

> nur Gesicht ist relevant

> arg: "auffallend"

- objektiv-individueller Massstab

> bleibend: "verbleibende Entstellung nach Abschluss der Heilung"

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Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Körperverletzung Folie 19

Schwere Körperverletzung (Art. 122) – General-klausel (Abs. 3)

Art. 122: Schwere Körperverletzung

(…) andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht, (…)

> Fälle, die den im Gesetz genannten Beispielen in ihrer Schwere ähnlich sind; Kombination von Kriterien, die je für sich alleine nicht ausreichen

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Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Körperverletzung Folie 20

Schwere Körperverletzung (Art. 122) – Subjektiver Tatbestand

> Vorsatz, wobei Eventualvorsatz genügt

- muss insbesondere den Verletzungserfolg, d.h. die schwere Köperverletzung umfassen

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Tätlichkeit (Art. 116) – Grundtatbestand

Art. 126: Tätlichkeit

1 Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.

> geringfügiger Angriff auf die körperliche Integrität, der die Schwelle zum leichten Fall der einfachen Körperverletzung noch nicht erreicht, der aber über das allgemein übliche oder gesellschaftlich geduldete Mass des "Köperkontakts" hinausgeht

> typische Beispiele: Ohrfeigen, Faustschläge, Fusstritte, Stösse,…

> grosses Ermessen des Gerichts

> "erhebliche Schmerzen" als Indiz für die Annahme einer einfachen Körperverletzung

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Tätlichkeit (Art. 116) – Qualifikationen

Art. 126: Tätlichkeit

2 Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er die Tat wiederholt begeht:a. an einer Person, die unter seiner Obhut steht oder für die er zu sorgen hat,

namentlich an einem Kind;b. an seinem Ehegatten während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der

Scheidung; oderbbis. an seiner eingetragenen Partnerin oder seinem eingetragenen Partner

während der Dauer der eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach deren Auflösung; oder

c. an seinem hetero- oder homosexuellen Lebenspartner, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Tat während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.

> Unterschied zur qualifizierten einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3-6: Offizialdelikt nur bei wiederholter Tatbegehung

- "mindestens zwei Vorfälle in kurzer Zeit" (BGE 129 IV 222)

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Tätlichkeit (Art. 116) – Subjektiver Tatbestand

> nur vorsätzliche Begehung ist strafbar

> falls Vorsatz auf einen schwerwiegenderen Erfolg gerichtet war, als tatsächlich eingetreten ist: Versuchte einfache (oder schwere) Körperverletzung in Idealkonkurrenz mit Tätlichkeit

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Fahrlässige Körperverletzung (Art. 125)

Art. 125: Fahrlässige Körperverletzung

1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

2 Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt.

> Abs. 1: Erfolg entspricht jenem von Art. 123; Antragsdelikt

> Abs. 2: Erfolg entspricht jenem von Art. 122; Offizialdelikt

> identischer Strafrahmen

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Körperverletzungsdelikte – Einwilligung des Ver-letzten: allgemein und bei ärztlichen Eingriffen

> Einwilligung allgemein

- bei einfacher Körperverletzung (und Nötigung) grundsätzlich immer rechtfertigend

- bei schwerer Körperverletzung möglich und beachtlich, wenn die Hinnahme der Verletzung einem sittlichen, ethisch anerkannten Zweck dient

> bei ärztlichen Heileingriffen im Besonderen

- 1. Meinung: schon Tatbestand nicht erfüllt, weil sozialer Sinn gerade nicht die Schädigung der Gesundheit ist, sondern die Heilung

- 2. Meinung (und Bundesgericht): auch ein ärztlicher Heileingriff erfüllt den Tatbestand einer Körperverletzung; Einwilligung des Patienten als Rechtfertigungsgrund

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Züchtigungsrecht gegenüber Kindern?

> Eltern:

- Art. 302 ZGB: elterliches Erziehungsrecht

- Züchtigungsrecht i.S. einer körperlichen Strafe oder Zurechtweisung

- darf Tätlichkeit nicht überschreiten; muss Ausnahme sein (Art. 126 Abs. 2 lit. a)

> Lehrerschaft

- Zulässigkeit kantonaler "Züchtigungs-Bestimmungen" im kantonalen Schulrecht fraglich

- sicherlich nicht aus Gewohnheitsrecht; höchstens gestützt auf kantonale gesetzliche Grundlage

> Drittperson (z.B. Hauswart)

- Züchtigungsrecht ausgeschlossen