Strategisches Projektmanagement || IT-gestützte Terminplanung und -steuerung in...

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9 IT-gestützte Terminplanung und -steuerung in Fahrzeugentwicklungsprojekten am Beispiel der Marke Volkswagen PKW Dennis Krull und Dirk Christian Mattfeld Inhaltsverzeichnis 9.1 Einführung ................................................... 183 9.2 Der Volkswagen Konzern ......................................... 184 9.3 IT-Produktdaten bei Volkswagen .................................... 185 9.4 Terminplanung und -steuerung im Multiprojektmanagement ................. 185 9.4.1 Fahrzeugentwicklungsprojekte ............................... 186 9.4.2 Multiprojektmanagement ................................... 187 9.4.3 IT-gestützte Terminplanung und -steuerung im Multiprojektmanagement .. 191 9.5 Unternehmensübergreifende kollaborative Terminplanung ................... 201 9.6 Zusammenfassung & Empfehlungen .................................. 203 9.1 Einführung Fahrzeugentwicklungsprojekte sind durch eine interdisziplinäre und unternehmensüber- greifende Zusammenarbeit zwischen einem Automobilhersteller und einer Vielzahl von Lieferanten geprägt. Gezielt für Auslandsmärkte konzipierte Fahrzeuge werden auch dort im Markt vollständig oder im Entwicklungsverbund mit den in Deutschland befindlichen D. Krull (B) Volkswagen AG, K-SIPE-5/3, 38436 Wolfsburg e-mail: [email protected] Prof. Dr. D. C. Mattfeld Technische Universität Braunschweig, Carl-Friedrich-Gauß-Fakultät, Institut für Wirtschaſtsinfor- matik, Lehrstuhl Decision Support, Mühlenpfordtstraße 23, 5. OG, 38106 Braunschweig e-mail: [email protected] 183 F. Ahlemann, C. Eckl (Hrsg.), Strategisches Projektmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-34761-0_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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9IT-gestützte Terminplanung und -steuerungin Fahrzeugentwicklungsprojekten am Beispielder Marke Volkswagen PKW

Dennis Krull und Dirk Christian Mattfeld

Inhaltsverzeichnis

9.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1839.2 Der Volkswagen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1849.3 IT-Produktdaten bei Volkswagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1859.4 Terminplanung und -steuerung imMultiprojektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

9.4.1 Fahrzeugentwicklungsprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1869.4.2 Multiprojektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1879.4.3 IT-gestützte Terminplanung und -steuerung im Multiprojektmanagement . . 191

9.5 Unternehmensübergreifende kollaborative Terminplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2019.6 Zusammenfassung & Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

9.1 Einführung

Fahrzeugentwicklungsprojekte sind durch eine interdisziplinäre und unternehmensüber-greifende Zusammenarbeit zwischen einem Automobilhersteller und einer Vielzahl vonLieferanten geprägt. Gezielt für Auslandsmärkte konzipierte Fahrzeuge werden auch dortim Markt vollständig oder im Entwicklungsverbund mit den in Deutschland befindlichen

D. Krull (B)Volkswagen AG, K-SIPE-5/3, 38436 Wolfsburge-mail: [email protected]. Dr. D. C. MattfeldTechnische Universität Braunschweig, Carl-Friedrich-Gauß-Fakultät, Institut für Wirtschaftsinfor-matik, Lehrstuhl Decision Support, Mühlenpfordtstraße 23, 5. OG, 38106 Braunschweige-mail: [email protected]

183F. Ahlemann, C. Eckl (Hrsg.), Strategisches Projektmanagement,DOI 10.1007/978-3-642-34761-0_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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Entwicklungsabteilungen konstruiert und erprobt. Aus diesen Gründen besteht die Not-wendigkeit, am Entwicklungsprojekt beteiligte Mitarbeiter über große Distanzen und überverschiedene Entwicklungspartner zu vernetzen. Die global agierenden Automobilkonzer-ne stehen vor der Herausforderung, eine große Anzahl von Fahrzeugentwicklungsprojek-ten mit Hilfe des Multiprojektmanagements zu planen, zu überwachen und zu verfolgen.Dieser Artikel beleuchtet diese Aspekte aus Sicht von Forschung und Praxis. Die nachfol-genden Ausführungen verfolgen das Ziel, den Status quo zur Projektterminplanung und-steuerung bei der Marke Volkswagen PKW (nachfolgend kurz Volkswagen) inWolfsburgsowie Lösungsansätze unter Nutzung von Informationssystemen aufzuzeigen.

In Abschn. 9.2 erfolgt eine kurze Vorstellung des Volkswagen Konzerns. Im nach-folgenden Abschn. 9.3 wird die Organisationseinheit IT-Produktdaten bei Volkswagenbeschrieben. Sie ist verantwortlich für das Terminplanungs- und Terminsteuerungs-Informationssystem. Abschnitt 9.4 beschreibt die Terminplanung und -steuerung imMultiprojektmanagement. Hier erfolgen zunächst Erläuterungen zu Fahrzeugentwick-lungsprojekten (Abschn. 9.4.1) und zum Multiprojektmanagement (Abschn. 9.4.2), bevorauf die IT-gestützte Terminplanung und -steuerung im Multiprojektmanagement einge-gangen wird (Abschn. 9.4.3). IT-gestützte Lösungen zur Anbindung von Lieferanten undKooperationspartnern werden in Abschn. 9.5 aufgezeigt. Der Artikel endet mit einemFazit (Abschn. 9.6).

9.2 Der Volkswagen Konzern

Der Volkswagen Konzern mit Sitz inWolfsburg ist einer der führenden Automobilherstel-ler weltweit und der größte Automobilproduzent Europas. Im Jahr 2010 steigerte der Kon-zern die Auslieferungen von Fahrzeugen an Kunden auf 7,203 Millionen (2009: 6,336 Mil-lionen). Dies entspricht einem Pkw-Weltmarktanteil von 11,4 Prozent.

Neun Marken aus sieben europäischen Ländern sind unter dem Dach des Konzernsvereinigt: Volkswagen, Audi, SEAT, Škoda, Volkswagen Nutzfahrzeuge, Bentley, Bugatti,Lamborghini und Scania. Jede Marke hat ihren eigenständigen Charakter und operiertselbstständig im Markt. Dabei reicht das Angebot von verbrauchsarmen Kleinwagen bishin zu Fahrzeugen der Luxusklasse. Im Bereich der Nutzfahrzeuge beginnt das Angebotbei Pick-Up-Fahrzeugen und reicht bis zu Bussen und schweren Lastkraftwagen.

Ab dem ersten Quartal 2011 betreibt der Konzern in 15 Ländern Europas und in sie-ben Ländern Amerikas, Asiens und Afrikas 62 Fertigungsstätten. Fast 400 000 Beschäftigteproduzieren an jedem Arbeitstag rund um den Globus rund 30 000 Fahrzeuge oder sindmit fahrzeugbezogenen Dienstleistungen befasst. Seine Fahrzeuge bietet der VolkswagenKonzern in 153 Ländern an.

Projektmanagement bei Volkswagen hat eine lange Tradition. Das erste Fahrzeugent-wicklungsprojekt der damaligen Volkswagenwerk GmbH war der VW Käfer. Für die Pro-duktion wurde ein Hauptwerk in der Nähe von Fallersleben (heuteWolfsburg) errichtet, indem im Dezember 1945 unter britischer Militärregierung die Serienproduktion anlief. Im

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Jahre 1948 wurde der Geschäftssitz der Volkswagenwerk GmbH von Berlin nach Wolfs-burg verlegt und 1949 zog sich die britische Militärregierung aus dem Volkswagenwerkzurück. Nachdem der Transporter Typ 1 im März 1950 in die Serienproduktion überführtwurde und die Ausfuhr der Fahrzeuge ins europäische Ausland sowie in einige Länderin Übersee (USA, Uruguay, Brasilien) erfolgte, begann die Volkswagenwerk GmbH 1952mit Gründung der Verkaufsgesellschaft „Volkswagen Canada Ltd.“ in Toronto, Ontario, ihrVertriebs- undKundendienstnetz auf internationalenMärkten auszubauen. Ein Jahr späterentstand mit Gründung der „Volkswagen do Brasil Ltda.“ in São Paulo die erste interna-tionale Produktionsgesellschaft des Volkswagenwerks. Die folgenden Jahre sind geprägtvon einem weltweiten Expansionskurs, wobei weitere neue Fahrzeuge entwickelt und neueProduktionsstätten im Ausland errichtet werden. Darüber hinaus erfolgten diverse Über-nahmen von Automobilherstellern durch Volkswagen zwischen 1948 und heute.

9.3 IT-Produktdaten bei Volkswagen

IT-Produktdaten ist eine Organisationseinheit innerhalb der Volkswagen Konzern IT, dieverantwortlich für die Sicherstellung der bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Konzep-tion, Entwicklung und Bereitstellung von IT-Systemen für das Produktdatenmanagementist. Diese Abteilung beinhaltet u. a. ein Kompetenzfeld IT-Terminplanung und -steuerungin Fahrzeugentwicklungsprojekten. Hauptkunde der IT-Terminplanung ist der Geschäfts-bereich Produkte (Geschäftsbereiche entsprechen der Linienorganisation). Dieser hat dieAufgabe, die Projektleitung für die einzelnen Fahrzeugentwicklungsprojekte von Pro-jektbeginn an bis zur Beendigung der Serienfertigung eines Fahrzeugs zu übernehmen.Aufgrund des erhöhten Projektrisikos liegt das Hauptaugenmerk auf dem Produktentste-hungsprozess (PEP), d. h. der Phase vonProjektbeginn bis zumAnlauf der Serienfertigung.Die am Projekt beteiligten Geschäftsbereiche (Technische Entwicklung, Produkte, Be-schaffung, Produktion, Qualitätssicherung, Vertrieb und Finanzen) sind Mitglieder desProjektteams und berichten an den Projektleiter sowie an den jeweiligen Linienvorgesetz-ten.

9.4 Terminplanung und -steuerung imMultiprojektmanagement

Die Terminplanung und -steuerung stellt einen wichtigen Aufgabenbereich des Projekt-managements von Fahrzeugentwicklungsprojekten dar. Sie ist ein wesentlicher stützenderPfeiler für die Sicherstellung eines effektiven Projektmanagements und gewinnt an Bedeu-tung, wenn – wie im Fall von Volkswagen – ein Unternehmen eine zunehmende Zahl vonFahrzeugentwicklungsprojekten parallel durchführt und in der Folge Abhängigkeiten zwi-schen diesen bestehen.

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9.4.1 Fahrzeugentwicklungsprojekte

Fahrzeugentwicklungsprojekte gehören zur Projektart der Entwicklungsprojekte, die zumZiel haben, beispielsweise eine neue Maschine oder ein Automobil zu entwickeln. Hierbeiwird im Automobilbau zwischen derivativen Entwicklungsprojekten, Plattform- und Ge-nerations- Entwicklungsprojekten sowie Durchbruch-Entwicklungsprojekten unterschie-den [7, 17]:

• Derivative Entwicklungsprojekte erfolgen in der Regel als Reaktion auf spezielleKundenforderungen oder gesetzliche Vorgaben, die im Rahmen von Neu- undWeiter-entwicklungen noch nicht berücksichtigt wurden. Darunter werden (Entwicklungs-)Maßnahmen zur sukzessiven Produktverbesserung über den gesamten Lebenszyklusverstanden, die auch unter der Bezeichnung Modellpflege bekannt sind. Sie umfassenim Allgemeinen neue Motoren oder Getriebe, zusätzliche Ausstattungsoptionen so-wie optische Veränderungen (z. B. Stoßfänger, Räder etc.). Die Maßnahmen setzen zudefinierten Zeitpunkten jährlich oder auch unterjährig in der Serienproduktion ein.Unter derivativen Entwicklungsprojekten werden darüber hinaus sogenannte „GroßeProduktaufwertungen (GP)“ bzw. Facelifts und Derivate verstanden. Große Produk-taufwertungen sind aufwändige Produktpflegemaßnahmen, die auch den äußerenKarosseriebereich tangieren. Weiterhin wird unter derivativen Entwicklungsprojekteneine Verfeinerung und Optimierung ausgewählter Leistungsmerkmale mit dem Zielder Anpassung des Produkts an spezifische Marktsegmente und Käuferanforderungenverstanden. Als Beispiel für ein Derivat kann der Jetta, eine Stufenheckvariante desGolf, vornehmlich für den US-amerikanischen Markt, genannt werden.

• Plattform- bzw. Generations-Entwicklungsprojekte haben ebenfalls das Ziel, bereitsam Markt eingeführte Produkte auf den neuesten Stand der Technik und auf die vomKunden geforderten Eigenschaften zu bringen. Über den Umfang derivativer Entwick-lungsprojekte hinaus ist hierbei ein Produktgenerationenwechsel zu vollziehen. Sie wer-den auch als Folge-Generationsprojekte bezeichnet oder, wenn sie darüber hinaus dieBasis für neue Produkt- oder Prozessfamilien darstellen, als Plattformprojekte. Als Bei-spiel kann hier der Generationenwechsel des Golf 5 auf den Golf 6 genannt werden.

• Durchbruch-Entwicklungsprojekte schließlich sollen den „Durchbruch“ im Sinne deswirklich Neuen erbringen, indem eine neue Produktkategorie etabliert und in einenganz neuen Geschäftsbereich vorgestoßen wird. In der Automobilindustrie sind der-artige Projekte recht selten anzutreffen. Beispielhaft können hier alternative Antrie-be, Finanzprodukte der Volkswagenbank, Bootsmotoren von Volkswagen Marine oderBlockheizkraftwerke genannt werden, die Volkswagen zusammenmit dem HamburgerEnergieunternehmen Lichtblick entwickelt. Im hier vorliegenden Artikel fokussierendie Autoren auf derivative und Plattform- bzw. Generations-Entwicklungsprojekte.

Bei Fahrzeugentwicklungsprojekten existiert aufgrund der Komplexität der Projekte ei-ne Team-Hierarchie, wobei drei Hierarchiestufen unterschieden werden [13]:

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• Für das Entwicklungsprojekt wird ein Projektteam von zehn bis 15 Personen gebildet,das zu 100% dem Projekt zugeordnet ist. Jedes Mitglied dieses Teams übernimmt dieFachverantwortung für einen Teil des gesamten Projektes [4]. Dies können beispiels-weise Funktionen wie Einkauf, Marketing oder Controlling sein.

• Fachgruppen sind Einrichtungen unterhalb des Projektteams, die einem bestimmtenFachgebiet, wie beispielsweise Elektrik/Elektronik, Fahrwerk, Karosserie, Ausstattung,Motor & Getriebe, fest zugeordnet sind. Die Fachgruppen sind mit Fachleuten aus denbetroffenen Linien besetzt. Ihre Aufgabe ist der Abgleich von auftretenden Fragen zwi-schen den Simultaneous-Engineering-Teams (SE-Teams), die der jeweiligen Fachgrup-pe zugeordnet sind [8].

• SE-Teams sind unterhalb der Fachgruppen angesiedelt. Simultaneous Engineering isteine Methode der Arbeitsorganisation, bei der von Beginn der Produktentstehung analle betroffenen Bereiche parallel an sich überlappenden Tätigkeiten zusammenarbeitenund auf diese Weise rechtzeitig ihr spezifisches Wissen für die Komponenten-/Modul-entwicklung einbringen [8]. Eine Abgrenzung der Begriffe Modul und Komponentesoll an dieser Stelle nach Hüttenrauch et al. erfolgen [5]: Unter einem Modul wird ei-ne physische Einheit mehrerer Teile verstanden, die eine oder mehrere Schnittstellenund Funktionen hat. Es ist ein austauschbares Teil. Unter einer Komponente wird einTeil verstanden, welches in einem übergeordneten anderen Teil verbaut wird. Bei einerKomponente kann es sich auch um ein komplexes Produkt, wie beispielsweise einenStoßdämpfer, handeln.Abgesehen von einzelnenKleinteilen, wie Schrauben oderDich-tungen, können auch Komponenten bereits als ein Modul verstanden werden.

Die Vielzahl von Projekten, die parallel, vernetzt und über Ländergrenzen hinweg vonVolkswagen durchgeführt werden, macht die Anwendung von Methoden des Multipro-jektmanagements unumgänglich: In einer in den 1990er Jahren bei Automobilherstellernweltweit durchgeführten Studie wurde gezeigt, dass die Geschwindigkeit, mit der die Au-tomobilhersteller den Technologie-Transfer von einem Projekt zum anderen imMultipro-jektmanagement durchführen, eine besondere Auswirkung auf den Unternehmenserfolghat [2].

9.4.2 Multiprojektmanagement

An der Geschichte des Unternehmens wird die Bedeutung des Multiprojektmanagementsbei Volkswagen deutlich, wobei die Fahrzeugentwicklungsprojekte auch in den Zielmärk-ten und teilweise mit Kooperationspartnern durchgeführt und in den letzten Jahrzehntenzunehmend parallel abgewickelt werden. Die Gesamtheit der Fahrzeugentwicklungspro-jekte des Volkswagen Konzerns wird durch den Konzernausschuss Multiprojektmanage-ment als oberste Instanz beauftragt. Alle laufenden Projekte des Konzerns berichten denProjektfortschritt an diesen in Wolfsburg ansässigen Ausschuss, der intern als K-PSK(Konzern-Produkt-Strategie-Komitee) bezeichnet wird. Nachfolgend wird der Konzern-

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Abb. 9.1 Module des Modularen Querbaukastens [15]

ausschuss Multiprojektmanagement zur Vereinfachung der Darstellung hier nicht weiterbetrachtet.

Die gesamten Fahrzeugentwicklungsprojekte einer Marke sollen nachfolgend als Port-folio verstanden werden. Das zuständige Gremium ist das Portfolio-Board. Das Portfolio-Board für Fahrzeugentwicklungsprojekte der Marke Volkswagen wird PSK (Produkt-Strategie-Komitee) genannt. Die Organisation des PSK liegt in der Verantwortung desGeschäftsbereichs Produkte. Zu den Aufgaben zählen die Genehmigung des langfristigenFahrzeugprogramms, das Monitoring der laufenden Fahrzeugentwicklungsprojekte sowieunter anderem die Genehmigung von Terminplänen.

Das Portfolio untergliedert sich wiederum in Programme, die bei Volkswagen internals Produktlinien bezeichnet werden. Die Festlegung der Produktlinien orientiert sich anden Fahrzeugsegmenten imMarkt und wurde so gewählt, weil innerhalb dieser Produktli-nien projektübergreifend starke Synergien zu erzielen sind (Ressourcen, Module etc.). ImGeschäftsbereich Produkte wurden die folgenden Produktlinien eingerichtet [15]:

• Produktlinie Small, z. B. Fox, Polo,• Produktlinie Compact, z. B. Golf, Golf Plus, Jetta, Tiguan, Touran, Scirocco,• Produktlinie Midsize/Fullsize, z. B. Passat, Sharan, Phaeton, Touareg,• Modularer Querbaukasten.

Der Modulare Querbaukasten (MQB) ist die Anwendung der Modulstrategie in Fahr-zeugplattformen, bei denen der Triebstrang quer zur Fahrtrichtung eingebaut wird. In die-ser Produktlinie erfolgt die Initiierung und Abstimmung von geeigneten und tragfähigen

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TerminlicheProjektsituation (Ist)

TerminlicheProgrammsituation (Ist)

Programm N

Programm B

Projekt An

Projekt A2

Programm A

Projektteam A1

Projekt A1

Projektteam A2

Projektteam An

Portfolio-Board Portfolio

Programm-Board N

Programm-Board B

Programm-Board A

UnternehmensstrategiealtkejorPrelgeR = neimerG ndschaft = Regelstrecke

Termin Vorgaben (Soll),Maßnahmen

Termin Vorgaben (Soll), Veränderung Portfolio

Führungsgröße = Regelgröße

Termin Vorgaben,Maßnahmen

Termin Vorgaben,Maßnahmen

Ausgangsgröße

Ausgangsgröße

Ausgangsgröße

Projektdaten (Ist)

Ebene 1: Portfolio

Ebene 2: Programm

Ebene 3: Projekt

Stellgröße

Stellgröße

Termin Vorgaben (Soll), Veränderung Portfolio

Führungsgröße = Regelgröße

Abb. 9.2 Multiprojektmanagement Regelkreis-Modell

Entwicklungsaufträgen zu Modulen, die produktlinien- und markenübergreifend in Pro-jekten zum Einsatz kommen [15].

Für jede Produktlinie wurde eine Geschäftsführung installiert, welche nachfolgend alsProgramm-Board bezeichnet wird. Die Geschäftsführung setzt sich aus dem für die jeweili-ge Produktlinie verantwortlichen Produktlinienleiter sowie Managern aus den Geschäfts-bzw. Linienbereichen, die für die entsprechende Produktlinie verantwortlich zeichnen, zu-sammen. Hier erfolgt die Optimierung und Entscheidung über die einzelnen Projektter-minpläne aus Sicht der Produktlinie.

Die imMultiprojektmanagement ablaufenden Prozesse können anhand von vermasch-ten Regelkreisen verdeutlicht werden, welche nachfolgend als Erklärungsmodell der kom-

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Messen

Entscheiden

Vergleich: Termin-abweichung im eigenenRegelkreis korrigierbar?

BerichtenKorrigierenErarbeiten vonMaßnahmen

nein ja Maßnahmen =Stellgröße

Regelgröße (Ist- Termine)

Führungsgröße (Soll-Termine)

Projektleitermit -team

Ist-Termine

ProjektleiterProjektleitermit -team

Projektleitung /PMO

Wissens-datenbank

Abb. 9.3 Aufbau des Reglers

plexen Zusammenhänge zur Terminplanung und -steuerung in Fahrzeugentwicklungspro-jekten herangezogen werden (Abb. 9.2).

Das Portfolio-Board, das Programm-Board sowie das Projektteam stellen die Reglerund das Portfolio, das Programm sowie das Projekt die Regelstrecken dar. Das Portfoliobeinhaltet n Programme und ein Programm m Projekte. Beispielsweise enthält ein Pro-gramm A die Projekte A, A, . . . , Am oder ein Programm B die Projekte B, B, . . . , Bm.Input erhalten Regler über Führungs- bzw. Regelgrößen, welche die Soll-Termine des je-weiligen Regelkreises vorgeben. Beim Regler Portfolio-Board ist die Führungsgröße dieUnternehmensstrategie, bei den Reglern Programm-Board und Projektteam ist die Füh-rungsgröße gleichzeitig die Regelgröße, die aus den übergeordneten Regelstrecken Portfo-lio und Programm erfasst wird. In Abb. 9.2 stellen die Führungsgrößen Terminvorgabenbzw. Terminänderungen dar, die von den jeweils übergeordneten Instanzen Top-Down ge-setzt werden und schließlich beim Projekt ankommen. Die aktuellen Projektdaten werdendurch das Projektteam erfasst sowie kontrolliert an das Programm-Board übermittelt undstellen somit eine Regelgröße dar (Ist-Termine und prognostizierte Ist-Termine des Projek-tes – nachfolgend kurz „Ist-Termine“ genannt). Das Projekt- oder Programm-Board kannnun die Führungsgröße (Soll-Termin) mit der Regelgröße aus dem Projekt (Ist-Termine)vergleichen und ggf. erforderlicheMaßnahmen einleiten oder Vorgaben festsetzen (= Stell-größe).

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Die jeweiligen Regelstrecken sind ständigen Störungen unterworfen. Beispielsweisekönnen beim ProgrammRessourcenengpässe eintreten, die zu Verzögerungen in den Pro-jekten führen. Der Regler ändert die Stellgröße im Sinne einer beabsichtigten Angleichungder Regelgröße an die Führungsgröße. Bei Ressourcenengpässen könnten z. B. die Projektebeauftragt werden, externe Dienstleistungsunternehmen einzusetzen, um Entwicklungs-arbeiten termingerecht abzuschließen.

Zum besseren Verständnis soll der Regler nun einer detaillierten Betrachtung unter-zogen werden (Abb. 9.3): Das zentrale Element im Regler ist das Entscheiden, welches aufeinem Vergleich zwischen Führungs- und Regelgröße basiert. Die Regelgröße (Ist-Termi-ne) wird durch die Projektleitung gemessen. Ergibt nun der im Projektteam angestellteVergleich, dass die Terminabweichung im eigenen Regelkreis korrigierbar ist, so werdenMaßnahmen zur Korrektur erarbeitet. Hierbei können auch bereits verfügbare Lösungenaus derUnternehmens-Wissensdatenbank genutztwerden, in der Erfahrungen bei früheren,ähnlichen Maßnahmenumsetzungen bei Abweichungen gesichert werden. Durch Einlei-tung diesesWissens als Stellgröße in dieRegelstrecke kann eine schnelle undwissensbasier-te Regelung erfolgen. Entscheidet das Team, dass die Terminabweichung nicht korrigierbarist, erfolgt ein Bericht an die übergeordnete Instanz.

9.4.3 IT-gestützte Terminplanung und -steuerungimMultiprojektmanagement

Nachdem die Fahrzeugentwicklungsprojekte erklärt und in das Multiprojektmanagementeingebettet worden sind, soll nun auf die IT-gestützte Terminplanung und -steuerung inFahrzeugentwicklungsprojekten unter Berücksichtigung des Multiprojektmanagementsam Beispiel von Volkswagen eingegangen werden. Die bei Volkswagen genutzten Termin-pläne werden in Gantt-Diagrammen visualisiert. Ein Gantt-Diagramm ist ein Instrumentzur Visualisierung einer Vorgangsabfolge, welches den zeitlichen Fortschritt eines Pro-jektes widerspiegelt [1]. Die Eigenschaften der bei Volkswagen genutzten Terminplänesollen anhand eines morphologischen Kastens (Abb. 9.4) verdeutlicht werden, um dieVergleichbarkeit der Pläne zu gewährleisten.

In der Matrix sind auf der Ordinate die Eigenschaften abgetragen und auf der Abszissedie entsprechenden Ausprägungen:

• Planelemente stellen Meilensteine/Ereignisse, Vorgänge und Anordnungsbeziehungendar. Ein Ereignis beschreibt das Eintreten eines bestimmten Zustands [3]. Ereignisse be-sitzen keine Dauer und werden alsMeilensteine bezeichnet, sofern sie im Projektablaufeine besondere Bedeutung aufweisen [6]. Im Gantt-Diagramm werden Meilensteinegraphisch überwiegend als Raute oder Dreieck dargestellt. Ein Vorgang ist ein Ablauf-element zur Beschreibung eines bestimmten Geschehens mit definiertem Anfang undEnde [3]. Im Gantt-Diagramm werden Vorgänge grundsätzlich als Balken visualisiert.EineAnordnungsbeziehung bezeichnet eine quantifizierbare Abhängigkeit zwischen Er-

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Eigenschaften

Planelemente Meilenstein/ Ereignis Vorgang Anordnungs-beziehung

Terminstatus Soll-Termin Ist-Termin

Erstellungszeitpunkt Produkt-definitionsphase

Konzept-/Serien-entwicklungsphase

Serienvor-bereitungsphase

Planersteller Projektleitungund -team Fachgruppe SET

Portfolio-Board Programm-Board

Projektleitungund -team

Fachgruppe SET Lieferant

Vernetzungsgrad mit anderen Plänen Hoch Mittel Gering

Planungsansatz Dezentral Zentral

Ausprägungen

Adressat

Abb. 9.4 Eigenschaften von Terminplänen

eignissen oder Vorgängen [3]. Anordnungsbeziehungen beschreiben ausschließlich dielogischen – zumeist technischen – Abhängigkeiten [6].

• Eine weitere Eigenschaft von Terminplänen stellt derTerminstatus dar. Die imTermin-plan aufgeführtenTermine können den Status Soll-Termin oder Ist-Termin einnehmen.Soll-Termine sind mit der übergeordneten Instanz abgestimmte Termine. Ist-Terminespiegeln den aktuellen Projektstand wider.

• Erstellungszeitpunkte in den PhasenProduktdefinition, Konzept- bzw. Serienentwick-lung und Serienvorbereitung werden hier ebenfalls zur Klassifizierung von Terminplä-nen herangezogen. In derProduktdefinitionsphasewerden die Projekt- undProduktzielefür eine frühe Produktpositionierung im Wettbewerbsumfeld erarbeitet. In der Kon-zept-/Serienentwicklungsphase erfolgt zunächst die Fahrzeugkonzipierung, bevor mitder Fahrzeugentwicklung begonnen wird. Diese Phase wird vollständig durch die Pro-jektleitung verantwortet. Die Serienvorbereitungsphase schließlich beinhaltet im We-sentlichen die Vorserien wie die Produktionsvorserie (PVS) und Nullserie (0S). DieVorserien dienen zur Absicherung des Serienanlaufs, wobei die in der PVS und 0Sverbauten Teile eine definierte Reife aufweisen müssen. Einige der in der PVS und 0Sgefertigten Fahrzeuge werden durch die Qualitätssicherung in sogenannten Absiche-rungsläufen über mehrere Wochen gefahren, um die Qualität des Fahrzeugs sicherzu-stellen.

• Die Ausprägungen zu den Planerstellern und den Adressaten wurden zuvor bereitshinreichend beschrieben und werden daher an dieser Stelle nicht weiter erläutert.

• Der Vernetzungsgrad mit anderen Plänen drückt aus, inwieweit eine Vernetzung mitanderen Terminplänen durch beispielsweise planübergreifende Anordnungsbeziehun-

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gen erfolgt. Betrachtet werden hierbei Beziehungen zu Terminplänen innerhalb desUnternehmens sowie zu Plänen von Lieferanten. Der Vernetzungsgrad wird hier inden Attributsausprägungen gering,mittel und hoch unterschieden. Ein geringer Vernet-zungsgrad liegt vor, wenn nur vereinzelt Abhängigkeiten zu anderen Plänen bestehen.Bei einemmittleren Grad anVernetzung sind einige planübergreifende Anordnungsbe-ziehungen üblich. Pläne mit einem hohen Vernetzungsgrad sind durch viele planüber-greifende Anordnungsbeziehungen geprägt.

• Bei der Eigenschaft des Planungsansatzes wird unterschieden, ob der Terminplan zen-tral aufgebaut und aktualisiert wird (zentraler Planungsansatz) oder ob die Termine inanderen Plänen gepflegt und in den zumeist übergeordneten Terminplan durch plan-übergreifende Anordnungsbeziehungen überführt werden (dezentraler Ansatz). Derdezentrale Planungsansatz hat den Vorteil, dass die Termine am Ort ihrer Entstehungund Verantwortung eingegeben werden.

Nachdem nun dermorphologischeKasten beschrieben ist, werden nachfolgend die we-sentlichen bei Volkswagen im Einsatz befindlichen Terminpläne erläutert. Die Autorenbeschränken sich hierbei auf den Meilensteinplan, Gesamtprojektterminplan sowie denModulterminplan.

MeilensteinplanDerMeilensteinplan kann im morphologischen Kasten wie folgt charakterisiert werden:

Eigenschaften

Planelemente Meilenstein/ Ereignis Vorgang Anordnungs-beziehung

Terminstatus Soll-Termin Ist-Termin

Erstellungszeitpunkt Produkt-definitionsphase

Konzept-/Serien-entwicklungsphase

Serienvor-bereitungsphase

Planersteller Projektleitungund -team

Fachgruppe SET

Portfolio-Board Programm-Board

Projektleitung und -team

Fachgruppe SET Lieferant

Vernetzungsgrad mit anderen Plänen

Hoch Mittel Gering

Planungsansatz Dezentral Zentral

Ausprägungen

Adressat

Der Meilensteinplan führt bei Volkswagen nur solche Meilensteine auf, die für dieoberste Multiprojektmanagementebene (PSK) eine Relevanz besitzen. Diese werden alsHauptmeilensteine bezeichnet. Hauptmeilensteine sind besondere Meilensteine, deren ter-

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Abb. 9.5 Produktlinienübersicht

minliche und inhaltliche Erreichung vom obersten Kontrollgremium überwacht werden.Daher ist mit deren Erreichung immer auch ein Auftritt des Projektes im PSK verbunden,der vom gesamten Projektteam und unter Federführung des Geschäftsbereichs Produktesorgsam vorbereitet wird.

Der Meilensteinplan ist der zeitlich erste Terminplan, der bereits in der Produktde-finitionsphase durch den Geschäftsbereich Produkte erstellt wird. Projektphasen werdengrundsätzlich mit den Hauptmeilensteinen abgeschlossen. Die Hauptmeilensteine werdenaus Gründen der Übersicht in einer Zeile dargestellt, wobei die Projektphasen mit ihrenDauern in der Zeile darunter angezeigt werden (siehe Abb. 9.5). Da die Phasen durchHauptmeilensteine begrenzt sind, können die Meilensteine für die Berechnung der zeit-lichen Distanz der Phasen herangezogen werden. Die Berechnungsergebnisse werden infarblich abgestuften Phasenbalken zur Anzeige gebracht, sie stellen aber keinen Vorgangdar (kein mittel- und ressourcenverbrauchendes Geschehen). Die Anzeige der Phasenbal-ken mit den Dauern unterstützt die Gremien imMultiprojektmanagement wie das Portfo-lio- und Programm-Board sowie die Projektleitung, da dies für terminliche Vergleiche vonFahrzeugentwicklungsprojekten einen großen Nutzen darstellt.

In einer Produktlinienübersicht werden die einzelnen Meilensteinpläne, sortiert nachden Serieneinsatz-Terminen, angezeigt. Berücksichtigung finden nur Meilensteinplänevon solchen Fahrzeugentwicklungsprojekten, die zur Produktlinie gehören. Eine ähnlicheÜbersicht wird für Portfolios erstellt.

Bei Genehmigung des Meilensteinplans durch das PSK wird dieser versioniert und darfnichtmehr geändertwerden. AufGrundlage der versioniertenHauptmeilensteine lässt sichschließlich systemgestützt einMeilenstein-Trend-Diagramm anfertigen. In diesem Berichtwerden die einzelnen PSK-Auftritte mit den zu diesen Zeitpunkten gültigen Hauptmeilen-stein-Terminen abgetragen und inhaltlich gleiche Meilensteine mit einer Linie verbunden.Der entstehende Kurvenverlauf gibt Auskunft, ob das Fahrzeugentwicklungsprojekt durch

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Abb. 9.6 Meilenstein-Trend-Diagramm (schematisch)

Projektverzögerungen gekennzeichnet ist, die terminlichen Vorgaben eingehalten oder dieMeilensteinergebnisse schneller erzielt werden konnten. Abbildung 9.6 zeigt das Meilen-stein-Trend-Diagramm in einer schematischen Darstellung (die erreichten Meilensteinewerden hier als graue Rauten dargestellt).

Die große Anzahl an Fahrzeugentwicklungsprojekten, die untereinander starke Ab-hängigkeiten aufweisen, sowie die vielen mit diesen Abhängigkeiten befassten Planungs-beteiligten auf Portfolio-, Programm- und Projekt-Ebene erfordern eine vernetzte Ter-minplanung und -steuerung. Ein Projektmanagement-Informationssystem (PMIS) ist vonentscheidender Bedeutung. Es stellt zentral konsistente Termindaten zur Verfügung undunterstützt den Vernetzungsgedanken durch entsprechende Systemfunktionalitäten. DerMeilensteinplan ist geprägt durch einen hohen Vernetzungsgrad. Diverse Terminpläne imProjekt werden mit den Hauptmeilensteinen verknüpft, um bei Terminverschiebungen dieeigene Planung neu daran ausrichten zu können.

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GesamtprojektterminplanDer Gesamtprojektterminplan kann im morphologischen Kasten wie folgt charakterisiertwerden:

Eigenschaften

Planelemente Meilenstein/ Ereignis Vorgang Anordnungs-beziehung

Terminstatus Soll-Termin Ist-Termin

Erstellungszeitpunkt Produkt-definitionsphase

Konzept-/Serien-entwicklungsphase

Serienvor-bereitungsphase

Planersteller Projektleitungund -team

Fachgruppe SET

Portfolio-Board Programm-Board

Projektleitung und -team

Fachgruppe SET Lieferant

Vernetzungsgrad mit anderen Plänen

Hoch Mittel Gering

Planungsansatz Dezentral Zentral

Ausprägungen

Adressat

Balkenpläne zeigen unterhalb einer horizontal verlaufenden Zeitachse für jeden Vor-gang graphisch einen Balken. In Balkenpläne können auch Meilensteine aufgenommenwerden [13]. Gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den Vorgängen/Meilensteinen sindnur beschränkt darstellbar oder fehlen, so dass diese bei Planungsänderungen leicht über-sehen werden [9]. Im Balkenplan sind daher keine Informationen über kritischeWege undPufferzeiten enthalten.

Ein vernetzter Balkenterminplan versucht, den Balkenplan vom Mangel der fehlendenDarstellung von Anordnungsbeziehungen zu befreien [6]. Bei großen Terminplänen kannallerdings die Ausgabe sämtlicher Anordnungsbeziehungen sehr schnell zu einer unüber-sichtlichen, überfrachteten Darstellung führen [12]. Der Gesamtprojektterminplan wirdals vernetzter Balkenterminplan realisiert.

Bei derivativen Fahrzeugentwicklungsprojekten werden, im Gegensatz zu Plattform-bzw. Generations-Entwicklungsprojekten, weniger Umfänge geplant, was für die An-wendung eines zentralen Planungsansatzes spricht. Der Gesamtprojektterminplan wirdhierbei zentral von einem Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Produkte in gemeinsamenBesprechungen mit den Geschäftsbereichsvertretern gepflegt. In der Konzept-/Serienent-wicklungsphase ist der vernetzte Balkenterminplan der zeitlich erste Plan, der gemeinsammit dem neu gebildeten Projektteam erstellt wird. Bis zum Ende des Projektes wird vonallen Beteiligten entsprechend den Vorgaben dieses Plans berichtet.

Der dezentrale Planungsansatz kommt grundsätzlich bei Plattform- bzw. Generations-Entwicklungsprojekten zum Einsatz. Volkswagen hat sich daher für ein PMIS entschie-

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9 IT-gestützte Terminplanung und -steuerung in Fahrzeugentwicklungsprojekten 197

Meilensteinplan

PVS 0S SOPP-FreiKE B-Frei………

Konzept

Entwicklung

KleinversucheKonstruierenDMUPrototypen…

Bewertung

Produktion

PresswerkzeugeAufbau AnlagenPVS0S…

Bewertung

Qualitätssicherung

CubingAbsicherung PVSAuditierungAbnahmefahrt…

Positionierung

Vertrieb

VolumenplanungProduktklinikEinpreisungLaunchplanung…

Lieferantennomini.

Beschaffung

Übergabe DatenAnlieferung TeileOptimierungNote 1 Teile…

Verk

nüpf

ung

Abb. 9.7 Terminplanungsgerüst für eine dezentrale Terminplanung

den, welches verbindlich in den Fahrzeugentwicklungsprojekten eingesetzt wird. Die Ver-bindlichkeit wurde in mehreren Entscheidungsrunden mit demGeschäftsbereich Produk-te und den in den Projekten vertretenen Geschäftsbereichen herbeigeführt. Eine von al-len Geschäftsbereichen gemeinsam getragene Entscheidung war wichtig, weil in der Ter-minplanungsmethodik ein dezentraler Ansatz vorgesehen ist. Die Geschäftsbereichsplänesind über planübergreifende Anordnungsbeziehungen mit dem Meilensteinplan verbun-den (sieheAbb. 9.7). DasEigentümerprinzip im PMIS gewährleistet bei planübergreifendenVerknüpfungen, dass in fremden Plänen vorgenommene Änderungen nicht automatischim eigenen Terminplan mit verschoben werden. Es besagt, dass Terminverschiebungen imGeschäftsbereichsplan (z. B. des Vertriebs) nicht im Meilensteinplan eins zu eins zu Ver-schiebungen führen. Die Terminverschiebung wird in Form eines Symbols an der betrof-fenen Verknüpfung angezeigt und der Planeigentümer wird mittels einer elektronischenNachricht darüber informiert. Nur bei expliziter Zustimmung durch den Planeigentümererfolgt die Terminanpassung.

Da die Termine im Meilensteinplan mit denen in den Geschäftsbereichsplänen ver-knüpft sind, können kritische Terminänderungen in einem Terminkollisionsbericht an-gezeigt werden. In Terminabstimmungsrunden, an denen alle Planungsbeteiligten eines

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Konzept

Entwicklung

KleinversucheKonstruierenDMUPrototypen…

Bewertung

Produktion

PresswerkzeugeAufbau AnlagenPVS0S…

Positionierung

Vertrieb

VolumenplanungProdukt-ClinikEinpreisungLaunchplanung…

Positionierung

Vertrieb

VolumenplanungProdukt-ClinikEinpreisungLaunchplanung…

….…

……………

Konzept

KonstruierenPrototypen

Aufbau Anlagen

Absicherung aus PVS

Absicherung aus 0S0S

PVS

SOP

PVS 0S SOPP-FreiKE B-Frei………

Vernetzter Balkenterminplan

Hauptmeilensteine

Generierung eines integrierten Vernetzten Balkenterminplansunter Nutzung von Filtern

Abb. 9.8 Generierung eines integrierten vernetzten Gesamtprojektterminplans

Fahrzeugentwicklungsprojektes teilnehmen, wird auf Basis des Terminkollisionsberichtsüber die kritischen Terminverschiebungen entschieden. Mehrere Iterationsschleifen kön-nen erforderlich sein, bis ein Plan von allen Planungsbeteiligten getragen wird.

Das in Abb. 9.7 dargestellte Terminplanungsgerüst basiert weitestgehend auf demVolks-wagen-spezifischen PEP und beinhaltet alle wichtigen Aufgabenfelder und Meilensteinevon der Produktdefinitionsphase bis zum Serienanlauf. Das Terminplanungsgerüst wirdim PMIS als Template bereitgestellt und kann von allen Fahrzeugentwicklungsprojektengenutzt werden. Hierbei dient das Template als Vorlage für einen Kopiervorgang in einenProjektordner, der im PMIS für das neue Fahrzeugentwicklungsprojekt angelegt wurde.Im System ist weiterhin eine Adjustierung der generischen Termine und Terminplaninhal-te speziell auf das Projekt sowie eine Übergabe der Terminpläne an die Planeigentümer zuvollziehen.

Eine integrierte Sicht erfolgt im Gesamtprojektterminplan, in dem die für das Projektwichtigsten Termine konsolidiert werden. Hierzu werden für jeden GeschäftsbereichsplanFilter definiert, deren Ergebnisse in diesem Plan angezeigt werden (Abb. 9.8).

Nachdem nun der Gesamtprojektterminplan unter Nutzung des zentralen und dezen-tralen Planungsansatzes erläutert wurde, verlassenwir die prozessorientierte Planungs- undSteuerungssichtweise. Es soll nun eine bauteilorientierte Sicht eingenommen werden, in derBauteile (z. B. Module und Komponenten) terminlich geplant und gesteuert werden.

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Projekt Tiguan

Projekt Golf

Projektteam MQB

Projektteam Golf

Projektteam Tiguan

Ausgangsgröße

FG KarosserieProjekt Tiguan

FG KarosserieProjekt Golf

Entwicklung K1

Entwicklung K1

FG KarosserieProjekt MQB

SET K1Projekt MQB

Entwicklung K1Projekt MQB

SET K1Projekt Golf

SET K1Projekt Tiguan

FGT KarosserieProjekt Golf

FGT KarosserieProjekt MQB

Ausgangsgröße

Ausgangsgröße

Ist-Termine

Ebene 3: Projekte

Ebene 4: Fachgruppen

Ebene 5: SET

Projekt MQB

Ist-Termine

ModulverantwortungTerminliche projekt- undprogrammübergreifendeAbstimmung von Modulen

Ist-Termine

FGT KarosserieProjekt Tiguan

Legende:

Abb. 9.9 Regelkreis bei Betrachtung von Modulen am Beispiel der SET K1

Eine Terminplanung und -verfolgung auf Bauteilebene ist erforderlich, um zu zeigen,dass mit der terminlichen Situation der Module die Projekttermine erreicht werden kön-nen. Dies kann durch eine Vernetzung der bauteilorientierten- mit der prozessorientier-ten Sicht im PMIS realisiert werden. Diese Möglichkeit einer Vernetzung ist insbesonderebei der Entwicklung von Modulen interessant, die projekt-, produktlinien- und marken-übergreifend verbaut werden sollen. Bei Volkswagen sind dies die Module des modularenQuerbaukastens.

Die Abb. 9.9 zeigt den Regelkreis zur Terminplanung und -steuerung bei Betrachtungvon Modulen. Die oberste Ebene ist die bereits bekannte Projektebene aus der Abb. 9.2

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(Ebene 3 vomMultiprojektmanagement Regelkreis-Modell). Es werden die Projektleitun-gen und -teams des MQB, Golf und Tiguan als Regler aufgeführt. Auf dieser Ebene erfolgteine projekt- und programmübergreifende terminliche Abstimmung (Ellipse mit den zweiPfeilen). Terminverantwortlich für die Module ist das Projektteam des MQB (schraffierteQuader in Abb. 9.9). Die MQB Projekttermine werden an die Fachgruppenteams (FGT) alsFührungs- bzw. Regelgröße kommuniziert. In der vierten Ebene werden die Soll-Terminein den Modulterminplänen ausgeplant. Eine Abstimmung der Modultermine erfolgt auchauf Fachgruppenebene über die Modul-nutzenden Projekte. Die Soll-Termine werden ge-mäß Regelkreismodell zur SET-Ebene übertragen.

ModulterminplanDerModulterminplan kann im morphologischen Kasten wie folgt charakterisiert werden:

Eigenschaften

Planelemente Meilenstein/ Ereignis Vorgang Anordnungs-beziehung

Terminstatus Soll-Termin Ist-Termin

ErstellungszeitpunktProdukt-

definitionsphaseKonzept-/Serien-

entwicklungsphaseSerienvor-

bereitungsphase

Planersteller Projektleitungund -team

Fachgruppe SET

Portfolio-Board Programm-Board

Projektleitung und -team

Fachgruppe SET Lieferant

Vernetzungsgrad mit anderen Plänen

Hoch Mittel Gering

Planungsansatz Dezentral Zentral

Ausprägungen

Adressat

Im Modulterminplan werden die Ist-Termine durch das SET eingegeben. Die im Mo-dulplan vorhandenen Soll- und Ist-Termine ermöglichen auf Fachgruppenebene eine ef-fektive Steuerung durch das Fachgruppenteam und auf Projektebene durch das MQB-Pro-jektteam.

Bei Einsatz eines PMIS wird eine Vernetzung des Modulterminplans auch mit Liefe-rantenterminplänen ermöglicht. Unter einem Lieferanten soll hierbei ein Entwicklungslie-ferant oder ein Entwicklungs- und Produktionslieferant verstanden werden, der im Auf-trag des Automobilherstellers industrielle Vorprodukte liefert oder entsprechende Dienst-leistungen erbringt [16]. Der Lieferant bedient sich für die Projektierung der Modulent-wicklung ebenfalls eines Terminplans, der auf dem unternehmenseigenen PEP basiert undeinen höheren Detaillierungsgrad aufweisen kann. Das SET, welches unter anderem fürdie Integration des Moduls in das Gesamtfahrzeug verantwortlich ist, hat eine andere Sicht

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und infolgedessen andere Planinhalte. Eine Vernetzung der beiden Pläne ist für eine effek-tive Zusammenarbeit zwischen Automobilhersteller und Lieferant von großem Nutzen, dadadurch eine Synchronisation beider Partner ermöglicht wird. Voraussetzung hierfür ist je-doch eine von allen PMIS-Herstellern bereitgestellte standardisierte Schnittstelle, über diePlaninhalte ausgetauscht werden können. Eine derartige Schnittstelle wird im folgendenKapitel erläutert.

9.5 Unternehmensübergreifende kollaborative Terminplanung

In der Automobilindustrie übernehmen Lieferanten zunehmend umfangreichere Wert-schöpfungsaufgaben in der Entwicklung und Produktion von Komponenten und Modu-len. Dies erhöht die Integrationskomplexität, da die Koordinationsaufgaben, die sich ausder Verzahnung des Entwicklungsfortschritts zwischen Lieferant und Automobilherstellerergeben, zunehmend vomAutomobilhersteller bewältigt werdenmüssen. Dadurchwerdenneue Formen der Zusammenarbeit notwendig. Problematisch wirkt sich hier der Umstandaus, dass in Unternehmen verschiedenen Projektmanagement-Standards gefolgt wird(etwa DIN 69901, PMBOK, PRINCE2 etc.). Weiterhin finden individuell entwickelte PMISVerwendung, so dass eine Kompatibilität nicht in jedem Fall gewährleistet ist. Mit der DINNorm 69901 steht zwar ein branchenübergreifendes standardisiertes Datenaustausch-format für Projektmanagementinformationen zur Verfügung, jedoch fehlt es diesemAustauschformat an dem notwendigen Detailgrad, insbesondere im Hinblick auf denAustausch von Terminplaninformationen. Die DIN Norm 69901 beschränkt sich darüberhinaus auf eine Spezifizierung von Datenformaten und lässt prozedurale und prozesslo-gische Aspekte außer Acht. Schließlich existieren unterschiedliche Definitionen des PEP,auf dem grundsätzlich der Terminplan basiert. Da der PEP einen Teil des Unternehmens-Know-how enthält, ist ein Hersteller in der Automobilindustrie wenig geneigt, „seine“Prozesse vollständig offenzulegen. Ein Austausch von Terminplaninformationen muss da-her in der Art und Weise ermöglicht werden, dass die Partner nur definierte Planinhalteaustauschen können.

Diesen Defiziten Rechnung tragend, wurde im ProSTEP iViP Verein die Projektgrup-pe „Collaborative Project Management (CPM)“ ins Leben gerufen (iViP steht für integriertevirtuelle Produktentstehung). Der ProSTEP iViP Verein ist eine internationale Branchen-gemeinschaft führender Unternehmen aus der Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustriesowie von Systemanbietern und Forschungseinrichtungen. Ziel des Vereins ist die Lösungvon Aufgaben für die Fertigungsindustrie, die aus der vernetzten Zusammenarbeit in ei-nem weltweiten Entwicklungsverbund resultieren.

In der CPM-Arbeitsgruppe wurde ein Datenaustauschmodell für Projektdaten sowieeine dazugehörende Methodik für ein unternehmensübergreifendes Projektmanagementin der Automobilindustrie erarbeitet.

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Abb. 9.10 CPM Leitbild [11]

Das CPM Leitbild nach Abb. 9.10 zeigt zwei Partner A und B, die unter Berücksich-tigung von Prozessen, Rollen, Methoden, Informationsgehalt und Sprache kollaborieren.CPM berücksichtigt die folgenden Aspekte:

Prozesse: Die Partner folgen ihren jeweiligen Produktentstehungsprozessen, wobei sie sichjedoch auf einige wenige gemeinsame Meilensteine für das Projekt verständigen undsich auf eine Systematik für eine zielgerichtete Kommunikation festlegen.

Methoden: Jeder Partner setzt weiterhin den im eigenen Unternehmen verwendeten Pro-jektmanagement-Standard ein. Der Austausch von Projektmanagementinformationenan den gemeinsamenMeilensteinen erfolgt unter Anwendung einer dafür entwickeltenCPMMethode (siehe weiter unten).

Rollen: Bei Anwendung der CPM Methode nehmen die Beteiligten definierte Rollen ein(z. B. Projektsteuerkreis, Projektleiter, Teilprojektleiter und Projektmitglied).

Informationsgehalt: Zu den Meilensteinen werden von den Projektbeteiligten Ergebnis-se, auf die sich bereits zu Projektbeginn verständigt wurde, ausgetauscht. Danach wirdentschieden, ob der Meilenstein inhaltlich erreicht wurde. Darüber hinaus werdenbeispielsweise Termindaten (Meilensteintermine), Verantwortlichkeiten (Namen) undAufgaben übermittelt.

Sprache: Ein in Englisch undDeutsch verfügbares Glossar sowie ein Abkürzungsverzeich-nis sind verfügbar, wodurch ein einheitliches Verständnis bei den Projektbeteiligtensichergestellt werden soll.

Wird der Einsatz von CPM zwischen zwei Partnern vereinbart, so kennzeichnet Part-ner A im eigenen Terminplan diejenigen Meilensteine, die aus seiner Sicht in der Zusam-menarbeit bedeutsam sind, und übermittelt diese an den Partner (planerischer ProjektpfadPartner A). Der planerische Projektpfad ist also die Summe der gekennzeichneten Meilen-steine eines Plans, an denen eine Abstimmung mit dem Partner sinnvoll und notwendigist.

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Partner B hat nun dieMöglichkeit, die Termine abzulehnen und diesemit einer Begrün-dung zurückzusenden. Ansonsten können diese für die weitere Bearbeitung übernommenwerden. Partner B ändert ggf. die Termine von Partner A und fügt weitere hinzu (pla-nerischer Projektpfad Partner B). Durch das Zusammenfügen entsteht eine gemeinsameInteraktionskette. Diese Interaktionskette ist die Summe aller gemeinsam vereinbarten Mei-lensteine, zu denen eine Abstimmung des Projektfortschrittes erfolgt. Die Kette steht erst,wenn sich beide Partner mit den Terminen einverstanden erklären (Handshake-Prinzip).

Mit CPM steht eine Lösung bereit, die es Unternehmen unter Nutzung ihrer PMIS er-möglicht, ein unternehmensübergreifendes Projektmanagement – mit Schwerpunkt aufder Terminplanung und -steuerung – zu realisieren. Dies setzt allerdings voraus, dass diePMIS-Systemhäuser die CPM-Schnittstelle in ihre Produkte implementieren. Im Novem-ber 2009 wurde zwar eine Übereinkunftserklärung von allen deutschen Automobilher-stellern unterzeichnet, in der die Systemhäuser aufgefordert werden, eine entsprechendeImplementierung durchzuführen, jedoch bleibt abzuwarten, ob und in welcher Geschwin-digkeit CPM in Projektmanagement-Informationssystemen berücksichtigt wird.

Neben CPM existieren weitere Lösungen zumunternehmensübergreifenden Austauschvon Projektterminen. Bei einigen PMIS ist ein derartiger Austausch bereits möglich, wennbeide Partner das gleiche Produkt einsetzen. Weiterhin stellen die AutomobilherstellerB2B-Portale bereit, an denen sich die Lieferanten anmelden und (Termin-)Informationenfür die Projektarbeit zur Verfügung stellen können. Schließlich können Terminpläne durchden elektronischen Versand (E-Mail) ausgetauscht und bei Bedarf über einen Importer indas jeweilige PMIS eingelesen werden. Gegenüber CPM weisen diese Lösungen jedoch diefolgenden Defizite auf:

• Medienbrüche machen einemanuelle Übertragung von Terminen von einem System inein anderes erforderlich (Doppeleingaben).

• Terminänderungen sind nur aufwändig zu erkennen und bei Nutzung eines Impor-ters gehen typischerweise auch bestehendeVerknüpfungslogiken (zwischenMeilenstei-nen/Vorgängen) verloren.

• Der Austausch von Projektmanagementinformationen setzt den Einsatz des gleichenPMIS voraus.

• Selbst entwickelte Lösungen sind zeitlich und finanziell aufwändig hinsichtlich ihrerKonzeption, Erstellung undWartung.

9.6 Zusammenfassung & Empfehlungen

Mit dem Regelkreismodell wurde eine kybernetische Sicht auf die komplexen Zusammen-hänge imMultiprojektmanagement, die aus dem Zusammenspiel zwischen dem Fahrzeug-entwicklungsprojekt, der Produktlinie und dem Portfolio resultiert, bereitgestellt. Die Ter-minplanung und -steuerung nimmt hier einen wesentlichen Stellenwert ein, da sie in derProjektlandschaft mit Hilfe der IT eine terminliche Vernetzung ermöglicht und durch ein

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standardisiertes Berichtswesen für Transparenz sorgt. Weiterhin werden entsprechendePMIS-Funktionen zum Durchspielen von terminlichen Planungsszenarien zur Verfügunggestellt. Die Arbeit in Fahrzeugentwicklungsprojekten der großen Automobilkonzerne fin-det vielfach auch länderübergreifend statt. Das PMIS muss daher international verfügbarund in anderen Kulturkreisen bedienbar sein. Es wird deutlich, dass Einzelplatzlösungenzur Terminsteuerung hier nicht zum Ziel führen, sondern den Einsatz vonmächtigen Sys-temen – mit Schwerpunkt auf demMultiprojektmanagement – erforderlich machen.

Terminpläne über Gantt-Diagramme werden in Projekten jeglicher Art bereits langepraktiziert. Dieser Artikel zeigt jedoch auf, dass die erhebliche Komplexität der großenFahrzeugentwicklungsprojekte in der Automobilindustrie die zentrale Projektplanung oh-ne PMIS unzureichend erscheinen lässt. Die vielen Planungsbeteiligten, wie beispielswei-se die Mitarbeiter im Projektteam, in den Fachgruppen, SETs sowie die Lieferanten, ver-fügen über eigenständige Terminpläne, die geeignet miteinander zu vernetzen sind. EinPMIS muss die dafür erforderlichen Funktionalitäten bereitstellen. Dies betrifft insbeson-dere auch die Anbindung von Lieferanten. Hier steht zwar eine Lösung für einen standar-disierten Austausch von Projektinformationen zur Verfügung (CPM vom ProSTEP iViPVerein), aber eine Implementierung durch die Systemhäuser ist bisher ausgeblieben.

Es ist jedoch nicht nur die IT, die eine Terminplanung und -steuerung im Multipro-jektmanagement ermöglicht, sondern auch eine darauf abgestimmte und durchgängigeMethodik. In der Methodik wird festgelegt, wer und wann in welchen Plänen Terminak-tualisierungen vornehmendarf. Die Befolgung dieser Regeln ist wichtig, da ansonsten keinstandardisiertes und aktuelles Berichtswesen gewährleistet werden kann. Schulungen zurIT-gestützten Terminplanung und -steuerung in Fahrzeugentwicklungsprojekten müssendaher neben der Systembedienung auch einen methodischen Teil beinhalten. Die mächti-gen PMIS erfordern geschulte Systemanwender, für die auch nach der Schulung ein Supportbereitgestellt werden muss. Die Bedienung derartiger Systeme und das Denken in vernetz-ten Systemen bei gleichzeitig hohem Projekt-Zeitdruck erfordern belastbare und mit derIT vertraute Systemnutzer.

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