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Stress beim Hund Das Thema Stress ist heutzutage aus keinem Lebensbereich mehr wegzudenken. Heerscharen von Psychologen haben sich dieser Thematik angenommen. Der Anteil psychosomatischer Störungen nimmt einen immer größer werdenden Anteil im Budget unseres Gesundheitswesens ein. Mittlerweile ist der Faktor Stress nicht nur ein Problem, dass sich nur auf den Menschen bezieht, sondern auch ein wichtiges Thema in der Hundehaltung und - ausbildung. Wir müssen in dieser, auch für den Hund, stressbedingten Zeit, ausgelöst durch Lärm, Hektik, ständige Reizüberflutung und maximale Belastung in der Arbeit, uns präventive Maßnahmen einfallen lassen, um Stress möglichst gar nicht erst aufkommen zu lassen. Für eine erfolgreiche Arbeit mit dem Hund ist heute auch ein entsprechendes Stress- management erforderlich und die Kenntnis entsprechender Bewältigungsstrategien. Stress Ursache, Wirkung und Vorbeugung. Ein paar Informationen damit wir unseren Partner Hund besser einschätzen können. Eigentlich ist Stress eine natürliche körperliche Reaktion auf eine Herausforderung. Jedes Individuum, selbstverständlich auch der Hund, braucht für eine normale körperliche und seelische Ausentwicklung angemessene Belastungen - schon im Welpenalter - die ihn zum Handeln, die ihn zur Anpassung zwingen. Stress ist notwendig, um die Reaktion von biologischen Systemen - sowohl beim Menschen als auch beim Tier - aufrecht zu erhalten Was ist eigentlich Stress? Was läuft ab? Stress: engl. Anspannung Stress hat primär die evolutionsbiologische Aufgabe durch Ausschüttung von Stresshormonen in die Blutbahn, die Aufmerksamkeit und Anspannung des Hundes zu erhöhen, um in Gefahrensituationen blitzschnell und effektiv reagieren zu können. Stress ist ursprünglich eine natürliche, positive Reaktion des Organismus und hat zu Unrecht einen schlechten Ruf. Die eigentliche Aufgabe der Stresshormone ist das sofortige Freisetzen der Energiereserven des Körpers, als Vorbereitung auf eine bevorstehende Flucht oder einen Kampf. Der Körper wird in Alarmbereitschaft gebracht und ist kurzfristig zu absoluter Höchstleistung in der Lage: Der rettende Sprung, die schnelle Flucht oder der Mut zum Angriff. Fight or Flight! Jedes Mal, wenn der Hund eine Situation erlebt, die Körper, Seele und Geist in außergewöhnlicher Weise fordern, wird sein Stresshormonsystem aktiviert: Es wird

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Stress beim Hund Das Thema Stress ist heutzutage aus keinem Lebensbereich mehr wegzudenken. Heerscharen von Psychologen haben sich dieser Thematik angenommen.

Der Anteil psychosomatischer Störungen nimmt einen immer größer werdenden Anteil im Budget unseres Gesundheitswesens ein.

Mittlerweile ist der Faktor Stress nicht nur ein Problem, dass sich nur auf den Menschen bezieht, sondern auch ein wichtiges Thema in der Hundehaltung und -ausbildung. Wir müssen in dieser, auch für den Hund, stressbedingten Zeit, ausgelöst durch Lärm, Hektik, ständige Reizüberflutung und maximale Belastung in der Arbeit, uns präventive Maßnahmen einfallen lassen, um Stress möglichst gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Für eine erfolgreiche Arbeit mit dem Hund ist heute auch ein entsprechendes Stress-management erforderlich und die Kenntnis entsprechender Bewältigungsstrategien.

Stress

Ursache, Wirkung und Vorbeugung.

Ein paar Informationen damit wir unseren Partner Hund besser einschätzen können.

Eigentlich ist Stress eine natürliche körperliche Reaktion auf eine Herausforderung.

Jedes Individuum, selbstverständlich auch der Hund, braucht für eine normale körperliche und seelische Ausentwicklung angemessene Belastungen - schon im Welpenalter - die ihn zum Handeln, die ihn zur Anpassung zwingen. Stress ist notwendig, um die Reaktion von biologischen Systemen - sowohl beim Menschen als auch beim Tier - aufrecht zu erhalten

Was ist eigentlich Stress? Was läuft ab? Stress: engl. Anspannung Stress hat primär die evolutionsbiologische Aufgabe durch Ausschüttung von Stresshormonen in die Blutbahn, die Aufmerksamkeit und Anspannung des Hundes zu erhöhen, um in Gefahrensituationen blitzschnell und effektiv reagieren zu können. Stress ist ursprünglich eine natürliche, positive Reaktion des Organismus und hat zu Unrecht einen schlechten Ruf. Die eigentliche Aufgabe der Stresshormone ist das sofortige Freisetzen der Energiereserven des Körpers, als Vorbereitung auf eine bevorstehende Flucht oder einen Kampf. Der Körper wird in Alarmbereitschaft gebracht und ist kurzfristig zu absoluter Höchstleistung in der Lage: Der rettende Sprung, die schnelle Flucht oder der Mut zum Angriff.

Fight or Flight! Jedes Mal, wenn der Hund eine Situation erlebt, die Körper, Seele und Geist in außergewöhnlicher Weise fordern, wird sein Stresshormonsystem aktiviert: Es wird

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die Produktion des Hormons Cortisol angeregt. Es gelangt in den Blutkreislauf und bereitet Körper und Geist darauf vor, belastenden Situationen zu begegnen.

Weiterhin reagiert der Organismus des Hundes auf außergewöhnliche Belastung mit dem Versuch, sich möglichst schnell und effektiv auf die neue Situation einzustellen. Er wappnet sich: Es kommt zur Ausschüttung der „Notfallhormone“ Adrenalin und Noradrenalin. Auch sie versetzen den Körper in erhöhte Alarmbereitschaft: Der Puls steigt an, des Herz pumpt schneller, der Blutdruck steigt. Das bewirkt eine bessere Durchblutung der Muskulatur und eine Erweiterung der Bronchien.

Die Aktivität von Magen und Darm wird heruntergefahren, denn diese Bereiche werden im Moment nicht gebraucht. Also beste Voraussetzungen für einen beherzten Angriff oder die rettende Flucht. Energie wird bereitgestellt für eine einmalige, kurzfristige, absolute Höchstleistung.

Es kommt zu einer immensen Kraftentfaltung, einer blitzartigen Mobilmachung aller Körperreserven und weiterhin zu einer schmerzhemmenden Wirkung. Alles, aber auch alles was den Hund in außergewöhnlicher Weise fordert, aktiviert sofort sein Stresshormonsystem.

Beruhigt sich dieses System nicht schnellstens, bleibt die Cortisol - und Adrenalin-konzentration erhöht. Das schadet wiederum der Gesundheit, weil andere Vorgänge im Körper vorübergehend blockiert werden.

Stress ist ursprünglich von der Natur ausgerichtet auf eine gewisse Kurzfristigkeit.

Hormone koordinieren und kontrollieren im Körper alle wichtigen Funktionen und Bereiche wie Stoffwechsel, Schlaf, Wohlbefinden, Hunger, Durst, Antrieb, Psyche, Sexualität, Fortpflanzung und Wachstum.

Die Bedeutung der Hormone ist eigentlich unermesslich, weil sie an allen Vorgängen im Körper beteiligt sind. Ihre Bedeutung wird uns i.d.R. erst dann bewusst, wenn ihr sensibles Gleichgewicht gestört ist.

Gelegentlicher Stress beflügelt Geist und Körper, Dauerstress hemmt und macht krank.

Wir können den Stress einteilen in zwei Gruppen:

Positiver und negativer Stress.

Positiver Stress oder Eustress ( griech. Eu = schön): Jede Art von freudiger Erwartungshaltung beim Hund ist positiver Stress. Grundsätzlich jede Herausforderung die den Hund „elektrisiert“ und von ihm als interessant eingestuft wird. Alles Spannende, was die Aufmerksamkeit erhöht und nicht als Belastung oder gar Bedrohung angesehen wird. Alles was ihn neugierig macht, ein Verlangen auslöst und seine Sinnesorgane als positiv bewerten.

Somit jede Art von Vorfreude.

Beispiele: Warten auf Futter, das zubereitet wird, warten auf anstehendes Spielen mit dem Herrchen, die läufige Hündin für den Rüden, der anstehende Spaziergang, weil

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Herrchen sich passende Kleidung anzieht. Jede Art der Motivation des Hundeführers, sei es durch Gesten, Worte oder Handlungen, können den Hund anregen und den positiven Stress herbeiführen.

In der praktischen Arbeit stellt sich für den Hundeführer die Frage, wie lange kann ich diese euphorisierende Phase aufrechterhalten. Wann flaut sie ab. Möglicherweise ist der Hund am erfolgreichsten, der diesen Zustand am längsten für sich konservieren kann.

Positiver Stress ist immer Anreiz und Herausforderung für den Hund und wirkt antriebsfördernd. Es werden die Lustareale des Gehirns angeregt und angenehme Empfindungen erzeugt. Sein Körper wird vitalisiert, möglicherweise die Vorstufe für eine überproportionale Leistung.

Generell kann man sagen, Eustress hat er, wenn ihn die Stresssituation positiv beeinflusst, wenn seine elementaren Empfindungen angesprochen werden ohne dass er sie als Bedrohung ansieht.

Die Stresskurve des Hundes

© by Wilhelm Nordsieck© Wenn aus Angst ein Trauma wird.

Negativer Stress oder Distress ( griech. Dis = schlecht, krankhaft) : Wenn eine Aufgabe oder Herausforderung als Belastung oder gar Bedrohung empfunden wird.

Stressfrei positiver

Stress

negativer

Stress Dauerstress

Belastung

Gelassenheit

Motivation

Erwartungshaltung

wachsam

inaktiv

Cortisol- und

Adrenalinspiegel

hoch

Cortisol- und

Adrenalinspiegel

dauerhaft hoch

Angst

Panik

Burnout

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Vom Eustress zum Distress ist es oftmals nur ein kleiner Schritt. Bei jedem Hund liegt diese „rote Linie“ woanders. Sie ist individuell unterschiedlich von Hund zu Hund, auch innerhalb eines Wurfes. Was der Eine als Herausforderung empfindet, stellt für den Anderen eine nur schwer erträgliche Belastung dar.

Negativer Stress ist immer: zu viel Belastung, zu viel Druck, die Anforderung steht nicht mehr in Relation zur Belastbarkeit des Hundes, ist schlichtweg Überforderung. Mit negativen Auswirkungen auf Geist, Seele und Körper.

Die große Gefahr: Dauerstress.

Dauerstress ist ein absoluter Leistungskiller, bedeutet den Ausnahmezustand für Körper und Seele. Bei Dauerstress ist die normalerweise ausgewogene Hormon-balance nicht mehr gegeben. Es kommt zu einer chronischen Überproduktion von Cortisol und wenn der Hund dauerhaft Angst hat zu einer Überproduktion von Adrenalin.

Die ständige Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin macht psychisch und physisch krank. Es wird immer dann heikel, wenn der Stress chronisch ist. Körper und Geist stehen dann im permanenten Alarmzustand. Chronischer Stress erhöht das Risiko für viele körperlichen und geistigen Beschwerden sowie ernsthafte Erkrankungen.

Bedenkt man nun, dass diese Stresshormone nicht nur durch die belastende Situation selbst, sondern auch durch die Erinnerung daran oder auch durch bestimmte Assoziationen hervorgerufen werden, kann man sich leicht vorstellen, wie es zu diesem Dauerfeuer der Stresshormone kommen kann.

Das passiert jeden Tag und meist völlig unbemerkt vom Hundehalter bzw. – führer.

Die Entwicklung, bis hin zum krankmachenden Stress, geschieht meist schleichend. Es schmerzt den Hund nicht, und man bemerkt anfangs auch keine Einschränkung.

Es ist somit wichtig, dass das Hormonsystem direkt nach der Anspannung zügig heruntergefahren wird und der Hund zur Ruhe kommt.

Die Natur hat etwas geschaffen um bei Mensch und Tier den Abbau der Stress-hormone herbeizuführen, nämlich die Neurotransmitter Serotonin u. Dopamin.

Sie sind die Glückshormone.

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Neurotransmitter sind Botenstoffe des Nervensystems, die Nervenzellen anregen oder auch hemmen. Bei Versuchen mit weiblichen Mäusen hat man festgestellt, dass ein Serotoninmangel dazu führt, dass sie ihren Nachwuchs vernachlässigen und zu Rabenmüttern werden.

Serotonin – der Stoff, der Siegertypen produziert.

Serotonin ist ein Wohlfühl- und Glückshormon!

Auch für den Hund gilt:

„Glück ist lernbar“

Glück ist, wenn die Chemie im Gehirn stimmt.

Viele unserer Hunde, die sich in der Ausbildung befinden, haben einen deutlichen Mangel an diesen Neurotransmittern und der Stressabbau funktioniert auf diesem Wege nicht mehr zu 100 %.

Und somit haben sie nicht mehr die Fähigkeit sich zu erholen.

Vergleichbar mit Menschen die unter Depressionen leiden.

In einer solchen Situation müssen wir dem Hund helfen den Stressabbau herbei zuführen.

Generell eignen sich Ausdauersportarten zum Abbau von Stress, d.h. Abbau durch gleichmäßige Aktivität: Spaziergang nach Trainingserfolg, leichtes, ausdauerndes Fahrradtraining nach der Anspannung usw. um das hormonelle Gleichgewicht wieder zu erreichen.

Hinzu kommt, dass der Hund länger gesund und fit bleibt.

Der Grund: Beim Radfahren z. B. pumpt das Herz zwei bis drei Mal so viel Blut durch das Gefäßsystem und die Lunge wird mit bis zu doppelt so viel Sauerstoff durchflutet als im Ruhezustand. Das fordert und reizt die Gefäße, sie werden mit trainiert und elastischer. Auch die Durchblutung in den kleinen Gefäßen, die jede Zelle mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen, verbessert sich. Auf Dauer entstehen zudem neue Gefäße und die allgemeine Ausdauer erhöht sich.

Mehr Bewegung und ein erhöhter Energieverbrauch bringen auch die Verjüngungsmechanismen des Hundes in Schwung. Trainierte Gefäße bleiben länger jung! Radfahren ist auch das ideale Herz-Kreislauf-Training.

Körperliche Bewegung stimuliert außerdem die Bildung von Serotonin.

Regeneration (Schlaf)

Ganz wichtig für den Abbau von Stresshormonen: Schlaf. Je tiefer umso besser. Schlaf stellt eine der besten Regenerationen für den „ geschundenen“ Organismus dar. 15 -18 Stunden pro Tag „schläft“ ein Hund.

Echter Tiefschlaf mit dem höchsten Erholungs- und Regenerationswert macht bestenfalls 50 - 60% des Hunderuhens aus. Wir müssen somit unterscheiden zwischen intensivem Schlaf und dem Nickerchen.

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Sehr hilfreich ist auch eine ausgewogene, natürliche, artgerechte Ernährung. Sie kann anregen und beeinflusst sämtliche Vitalfunktionen des Körpers. Die typische Nahrung für die Bildung von Glückshormonen: Nüsse, Fisch, fettarmes Fleisch, Käse Vollkornbrot, Bananen. Es gibt auch spezielle Nahrungsergänzungsmittel, die aber häufig technischen Verarbeitungsschritten unterliegen.

Bestehen Stresssituationen über einen zu langen Zeitraum ohne Erholungsphasen, kommt es zu Blockaden im Kopf und einer Schwächung des Immunsystems.

Die Folge:

Der Körper ist anfälliger gegen Keime, die ihm unter normalen Umständen nichts anhaben können. in diesem Fall aber Krankheiten auslösen können.

Stress ist Druck. Druck erzeugt Gegendruck und ist Stress. Die Balance ist entscheidend.

Alle Lebensvorgänge finden nur dann ein Gleichgewicht wenn ein stetiger Wechsel zwischen Anspannung und Erholung erfolgt.

Gelegentlicher Stress beflügelt Geist und Körper, Dauerstress macht krank! Die Wissenschaft hat mittlerweile ein ganzes Sortiment an Erkrankungen identifiziert, die durch Dauerstress ausgelöst werden können.

Dauerstress verursacht beim Menschen u.a. Magengeschwüre ( auch zunehmend bei Rennpferden), verschlechtert die Wundheilung und die Regeneration bei Krankheiten, erhöht drastisch das Risiko von Herzinfarkt und Krebs, lässt das Gehirn schrumpfen und lässt nach neuesten Erkenntnissen den Körper vorzeitig altern. Stress kann sogar tödlich sein.

In diesem Zusammenhang ist folgendes für alle Züchter wichtig: Für ungeborene Welpen bedeutet Dauerstress der Mutterhündin unmittelbare Lebensgefahr: Denn das Risiko einer Fehlgeburt bzw. des embryonalen Frühtodes steigt erheblich.

Das belegen verschiedene Studien.

Die Ursache ist die gedrosselte Produktion von Progesteron, einem Hormon, das in der Schwangerschaft dringend benötigt wird.

Progesteron hat viele Wirkungen: Es bereitet z.B. die Gebärmutter auf das Einnisten der befruchteten Eizelle vor und verhindert frühzeitige Wehen.

Progesteron ist für den Beginn und die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft notwendig. Progesteron spielt zudem eine wichtige Rolle im Immunsystem der Hündin: Es regt die Immunzellen an, den Botenstoff P I B F auszuschütten. (Progesteron Induzierter Blockier Faktor ) Der verhindert, dass das mütterliche Immunsystem den Fötus abstößt. Wozu es allen Grund hätte, denn die fötalen Zellen bestehen zur Hälfte aus fremdem Erbgut : Dem des Vaters.

Da bei Stress in der Schwangerschaft über das Hormon Cortisol die Produktion von Progesteron u. P I B F gedrosselt wird, schwindet die Toleranz des mütterlichen Immunsystems gegenüber den väterlichen Genen, die der Fötus trägt : das Risiko einer Abstoßung steigt.

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Die psychische Belastung von Müttern gefährdet insbesondere die männlichen Nachkommen, wie verschiedene Studien belegen. Frauen bringen in Notzeiten mehr weibliche Nachkommen zur Welt.

Die Prägungsphase des Welpen beginnt bereits im Mutterleib, weil er an das System der Mutter angeschlossen ist.

Angst, Anspannung, Belastung und auch Krankheiten der Mutter werden dem Fötus sofort vermittelt.

Durch die Plazenta dringen neben Sauerstoff, Zucker und Fette, Aminosäuren und Eiweiße auch die Hormone der Mutter in den Blutkreislauf des Fötus. Diese Hormone prägen das Ungeborene nachhaltig.

Weiterhin weiß man heute, dass schon Ungeborene ein Schmerzempfinden haben.

Schon lange vor der Geburt reagieren Föten ( Embryonen) auf Geräusche oder empfinden Schmerz. Was jede Mutter während der der Schwangerschaft instinktiv wahrnimmt, bestätigt seit einiger Zeit die Wissenschaft. Hirnforscher haben herausgefunden, dass „Kinder“ lange vor ihrer Geburt in der Lage sind, zu lernen. Sie sammeln bereits eigene Erfahrungen über die Mutter und verankern diese in ihrem Gehirn. Sicher weiß man, dass menschliche Föten ab der 20. Woche bei einer schmerzhaften Prozedur der Mutter ein eigenes Schmerzempfinden haben und Stresshormone abgeben. Zusätzlich hat man festgestellt, dass schmerzhemmende Systeme erst gegen Ende der Schwangerschaft gebildet werden, Ungeborene also noch mehr Schmerzen wahrnehmen könnten als Neugeborene.

Gefühle während der Schwangerschaft sitzen tief:

Bereits in der Schwangerschaft werden die Grundmuster für emotionales und körperliches Verhalten gelegt: Der Welpe lebt vor der Geburt im mütterlichen Milieu, dem körperlichen und dem seelischen. Sein entstehendes Gehirn schaltet sich so, wie das Milieu es vorgibt: Wenn es sehr beängstigend ist, dann werden eher die Synapsen für Angst, Unruhe und Stress ausgebildet und weniger für Glück und Zufriedenheit. Wenn die Mutter in einem guten Verhältnis zu ihrer Schwangerschaft steht, ist es umgekehrt. Man geht heute davon aus, dass im Mutterleib starke Prägungen in der Tiefenemotionalität stattfinden: Die gesamte Stamm- und Mittelhirnregion, in der die Gefühle generiert werden, wird vor der Geburt geprägt. Genauso, wie sich während der Schwangerschaft der Körper entwickelt, entwickelt sich auch das Gehirn und damit auch gewisse Strukturen für emotionales und körperliches Verhalten.

Negative Erfahrungen während der Schwangerschaft können also ein Risiko darstellen.

Die Hirnforschung bringt in diesem Zusammenhang das Beispiel einer depressiven Mutter. Deren Neugeborenes zeigt genau wie die Mutter für Depressionen typische physiologische Veränderungen wie ein niedriges Dopamin- und ein erhöhtes Cortisolniveau. Der Organismus des Babys kennt es nicht anders. Auch wenn diese Muster durch heilsame Erfahrungen im späteren Leben veränderbar sind, so stellen diese frühen Lebenserfahrungen dennoch Risikofaktoren dar: Der Körper des Welpen ist schon jetzt mit 'Depression' vertraut.

Dass der Welpe im Mutterleib auch Auswirkungen von außen ausgesetzt ist, ist verständlich. Umweltgifte oder Medikamente, Strahlung, Stress der Mutter oder im schlimmsten Fall Tritte oder Stürze – der Fötus im Bauch bleibt davon nicht verschont.

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Die Zeit vor der Geburt ist kein Paradies. Welpen machen bereits vor der Geburt individuelle Erfahrungen und bilden ihre eigene Persönlichkeit aus, somit ist auch die Gebärmutter das erste Zuhause für die Seele.

Und nicht nur ein Zuhause für die Seele, sondern auch eine Lehrwerkstatt für den Körper. Ungeborene Babys z.B. üben bestimmte Fähigkeiten während ihrer Zeit in der Gebärmutter ein, damit sie sofort ab der Geburt auch wirklich darüber verfügen können. Atmen, Schlucken, Lächeln oder Weinen sichern ihnen, wenn sie das Licht der Welt erblickt haben, das Überleben. Auch das Riechen und erfühlen von Temperaturen über die Nase hat eine biologische Bedeutung. Krabbelt der Welpe doch nach der Geburt direkt seiner Nase nach in Richtung Brustwarzen, wo die Wärme des mütterlichen Körpers eine entsprechende Anziehungskraft hat. Nun beginnt auch für den neuen Erdenbewohner bereits in den ersten Minuten auf diesem Planeten der erste Stress. Er muss sich nun gegen seine Geschwister behaupten um an der Milchleiste „ seinen Mann“ zu stehen. Wenn es dann geschafft ist und sein Bäuchlein gefüllt ist, schläft er relaxt ein.

Das Erkunden von Neuem und das Aufnehmen und Verarbeiten von Reizen strengen den Welpen besonders an. Er braucht anschließend ausreichend lange Ruhephasen, um Erregungszustände wieder abbauen zu können. Diese Ruhephasen nimmt er sich, indem er einfach einschläft.

Wenn wir von einem Hund Höchstleistungen erwarten; und das gilt auch für die tragende Hündin, müssen wir darauf achten, dass sie nicht im Dauerstress versinkt.

Generell gilt nicht nur für den Sporthund: Nach hochaktiven Phasen sofort Ruhe- und Entspannungsphasen einbauen. Nach jeder Höchstbelastung muss eine Relaxphase folgen, ansonsten bleibt der Körper auf den Stresshormonen buchstäblich sitzen.

Spaziergänge eignen sich am besten.

Weiterhin Ausdauersportarten für den Abbau der Stresshormone. Hier bietet sich für unseren Hund in erster Linie das lockere Laufen am Fahrrad an. Hierbei erreichen wir nebenher die Bildung von Endorphinen, den sogenannten Glückshormonen. Endorphine sind körpereigene Morphine. Sie stehen auch in Verbindung mit der Bildung von Sexualhormonen.

Hier schließt sich der Kreis wieder.

Schmerzhemmende und euphorisierende Endorphine werden bei solchen Aktionen im Gehirn ausgeschüttet. Man spricht von Schmerzhemmung deshalb, weil Morphine die Weiterleitung von Schmerzreizen im zentralen Nervensystem blockieren, sodass die Schmerzbotschaft im Gehirn nicht mehr ankommt.

Beispiel: Der Jogger. Total kaputt, aber glücklich: „Runner“s High“.

Somit können wir uns vorstellen, dass man mit regelmäßigem Laufen einen Suchtcharakter herbeiführen kann. Das funktioniert auch beim Hund.

Auch durch das genüssliche Kauen eines Knochens kann der Hund Stress abbauen.

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Je länger er daran nagt umso wirkungsvoller ist die Stressreduzierung.

Kauen beruhigt Hunde besonders effektiv, da vom Mundbereich aus viele Nerven in das Zentrum der Emotionen, in das limbische System ( Bestandteil und Funktionseinheit des Gehirns) gehen.

Kaugummikauer wissen um diesen Effekt.

Bei Mensch und Tier ist das limbische System die emotionale Machtzentrale des Gehirns. Zuständig für die Verarbeitung von Emotionen und daraus resultierend die Entstehung von entsprechendem Reaktionen. In diesem Hirnbereich werden die Entscheidungen für das entsprechende Verhalten des Hundes getroffen und auch über die Ausschüttung von Endorphinen entschieden.

Vom Hirnstamm aus verlaufen über das Rückenmark Nervenbahnen, wodurch das Gehirn mit den verschiedenen Organen verbunden ist und somit Signal-übertragungen (z.B. Stress- bzw. Glücksreize) stattfinden können. Durch diese Vernetzung von Nervenbahnen kommen Botschaften aus dem inneren Organismus und auch Botschaften aus der Außenwelt im Gehirn des Hundes zur Bewertung und Verarbeitung an.

In diesem Regelkreislauf werden Impulse reguliert, die mit Angst, Lust, Liebe, Lernen durch Nachahmen und Spieltrieb zusammenhängen.

Im limbischen System werden Hormone und Neurotransmitter (chemische Nervenbotenstoffe) ausgeschüttet und geregelt (Stress-und Wohlfühlhormone wie z.B. Adrenalin-Noradrenalin und Dopamin). Diese Neurotransmitter sind maßgeblich daran beteiligt, wie motiviert oder desinteressiert der Hund an eine Information oder Aufgabe herantritt.

Das limbische System wird mit Recht als „Ort der emotionalen Intelligenz“ bei Mensch und Hund bezeichnet. obwohl weitere Hirnregionen ebenfalls in den Verarbeitungsprozess von Emotionen und Gefühlen eingebunden sind.

In der Evolution entstand diese Funktionseinheit des Gehirns in der Phase der Entwicklung der Säugetiere. Darum wird es auch als Säugerhirn bezeichnet, da es

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allen Säugetieren gemein ist. Eigentlich ein Geniestreich der Natur. Es reguliert die für die soziale Natur der Säugetiere typischen Empfindungen wie Sorge um den Nachwuchs, Angst, Liebe, Lust, Spieltrieb und das Lernen durch Nachahmen.

Das limbische System ermöglicht dem Hund, Sinnesreize zu beurteilen (bekannt ? angenehm ? bedrohlich ? etc ), Gefühle und Emotionen ( Freude, Lust, Angst, Trauer, Frust ) zu empfinden, zu bewerten, zu verinnerlichen und zu verarbeiten. Anschließend mit einer entsprechenden Reaktion (Hinwendung, Abwehr, Flucht, Angriff ) und physiologischen Vorgängen (Hormonausschüttung, Blutdruckänderung, Pupillenweite etc.) zu beantworten.

Stress und Reizüberflutung sind in der heutigen Zeit oft nicht zu vermeiden. Doch wir können lernen, gelassener damit umzugehen. Davon profitieren nicht nur wir, sondern auch unser Hund. Denn ein Hund, der souverän geführt wird, kann sich viel besser entwickeln. Ein gestresster Hund ist nicht in der Lage Höchstleistungen zu erbringen. Nur ein ausgeglichener, besser noch glücklicher, euphorischer Hund kann eine optimale Arbeit abliefern und kann über sich hinauswachsen. Für eine erfolgreiche Arbeit mit dem Hund ist auch ein entsprechendes Stressmanagement erforderlich, das beginnt zunächst beim Hundeführer, denn unser eigener, oft nicht einmal bewusster Stress überträgt sich sofort auf den Hund. Generell gilt: Entspannter Mensch, entspannter Hund. Ebenso eine zu hohe Erwartungshaltung, verbunden mit dem entsprechenden Leistungsdruck, beeinträchtigt oder zerstört häufig sein seelisches Gleichgewicht.

Emotional schwache Ausbilder, die sich nicht unter Kontrolle haben, geben ihm dann den Rest.

Tierpersönlichkeit oder Sportgerät ?

Es macht in der Ausbildung auch keinen Sinn, das Tempo zu erhöhen, wenn man in die falsche Richtung läuft !

Mit der Brechstange ist noch kein Hund erfolgreich ausgebildet worden.

Neueste Studien in der Humanmedizin haben gezeigt, dass eine mittlere Aktivität in der Arbeit, für die Psyche und die Leistungserbringung, am geeignetsten erscheint. Ein zu starkes Andrehen der Schraube führt exakt in die falsche Richtung.

Die Kenntnis entsprechender Bewältigungsstrategien und ein medizinisches Grundwissen ist die Basis für das erfolgreiche Umsetzen von Theorie in die Praxis.

Das waren ein paar Informationen, damit wir unseren Partner Hund besser einschätzen können.

© by Wilhelm Nordsieck© Nachdruck-auch auszugsweise-nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.

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